FN Ausgabe 2-10 - Musikverband Födekam Ostbelgien VOG
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NEUES 22<br />
Reportage<br />
„Die Chorszene befindet sich in<br />
einem ständigen Wandel“<br />
Von Jochen Mettlen<br />
Födekam Neues sprach mit Hans-Georg Reinertz, Direktor der Musikakademie<br />
der Deutschsprachigen Gemeinschaft.<br />
Hans-Georg Reinertz, macht sich das Chorsterben<br />
in irgendeiner Form auch in der<br />
Musikakademie bemerkbar<br />
Dass Chöre ihre Pforten schließen müssen, hat<br />
es eigentlich schon immer gegeben. Des -<br />
wegen würde ich eher sagen, dass sich die<br />
„Chorszene in einem Wandel“ befindet. Ich<br />
sehe das vielleicht etwas lockerer, weil ich aus<br />
einer Familie stamme, aus der mehrere Chordirigenten<br />
hervorgegangen sind und in der<br />
viel über Chorarbeit gesprochen wurde.<br />
Als mein Opa in den 1930er Jahren das Dirigieren<br />
begann, gab es beispielsweise in Eupen<br />
mehrere gutbesetzte Chöre, die teils schon<br />
über mehrere Generationen bestanden, die<br />
aber in der Zwischenzeit von der Bildfläche<br />
verschwunden sind, z.B. die „Liedertafel<br />
Eupen“, der Chor des Jünglingsvereins, der<br />
„Liederkranz Kettenis“, der Handwerker-<br />
Gesangverein Eupen, die Frauenchöre der<br />
Jungfrauenkongregation, der 1874 gegründete<br />
M.G.V. „Amicitia“ Eupen sowie der 1843 gegründete<br />
Kgl. M.G.V. „Concordia“….<br />
Seitdem gab es aber auch etliche Neugründungen<br />
von Chören, die sich einen Platz im<br />
Eupener Chorwesen erobert haben. Man darf<br />
daher das „Chorsterben“ nicht losgelöst von<br />
diesen zahlreichen Neuansätzen sehen, weshalb<br />
ich also lieber von „einer Szene im ständigen<br />
Wandel“ spreche. Natürlich ist es<br />
schmerzlich mit ansehen zu müssen, wie ein<br />
Verein, der auf eine lange Tradition zurückblicken<br />
kann, plötzlich „am Stock geht“ und<br />
in sich nicht mehr die Kraft findet, sich<br />
Häufig ist die Rede von „Dirigentenmangel“.<br />
Was unternimmt die Musikakademie<br />
dagegen<br />
Die Dirigentenausbildung, die in Zusammenarbeit<br />
mit Födekam, dem Ministerium und der<br />
Musikakademie vor drei Jahren gestartet<br />
wurde, geht nun ins vierte und somit letzte<br />
Jahr. Mit diesem Projekt leisten wir einen großen<br />
Beitrag, der mir aber manchmal wie ein<br />
Tropfen auf den heißen Stein vorkommt, da<br />
im Moment mehr fähige Dirigenten gesucht<br />
werden als aus diesem Seminar hervorgehen<br />
werden. Es ist derzeit effektiv ein großer Dirigentenbedarf<br />
festzustellen.<br />
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man mit<br />
der Bereitschaft, einen Verein als Dirigent zu<br />
übernehmen, sich über Monate und Jahre<br />
hinaus verpflichtet, regelmäßig für Proben<br />
und Konzerte zur Verfügung zu stehen; man<br />
lässt sich darauf ein, langfristig verplant zu<br />
sein! Das muss man natürlich mit dem Fami -<br />
lien- und Berufsleben unter einen Hut bringen<br />
können. Das Gefühl des „immer da sein<br />
Müssens“ kann langfristig eine große Schwierigkeit<br />
bedeuten und schreckt so manchen<br />
fähigen Musiker davon ab, als Dirigent tätig<br />
zu werden.<br />
Finden die Musikschüler über das Fach<br />
Notenlehre, wo ja auch viel gesungen wird,<br />
den Weg zu den Chören<br />
In unserem Musikerziehungsunterricht wird<br />
viel gesungen und wir pflegen dort auch den<br />
Chorgesang. Ich bin jedoch davon überzeugt,<br />
dass auf diesem Gebiet noch viel intensiver<br />
gearbeitet werden muss. Zu meinen Vorstellungen<br />
gehört, dass in Zukunft die Chorarbeit<br />
an unserer Musikakademie noch ausgebreiteter<br />
praktiziert wird. Genau so wie man Kammermusik,<br />
Ensemblespiel und Orchesterarbeit anbietet,<br />
müsste Chormusik in der musikalischen<br />
Ausbildung ständig gepflegt werden.<br />
Die Schüler, die über einige Jahre in einem<br />
Chor der Musikakademie singen, könnten<br />
später zu wertvollen Stützen in den ostbelgischen<br />
Chören und Vokalensembles werden.<br />
Ist das Fach „Gesang“ sehr gefragt<br />
Besteht ein großes Interesse<br />
Im Fach Gesang bildet man seine Stimme<br />
solistisch aus. Das ist nicht unbedingt eine<br />
Hinführung zum Chorgesang. Die Schüler, die<br />
zum Gesangsunterricht kommen, sind Sänger,<br />
die meistens schon in Chören singen und dort<br />
Freude an der Stimme bekommen haben. Sie<br />
REPORTAGE<br />
erneuern zu können.<br />
möchten ihre Stimme weiter ausbilden lassen.<br />
Da ist also ein Weg festzustellen, der nicht<br />
von der Musikakademie zum Chor, sondern<br />
vom Chor zur Musikakademie führt. Momentan<br />
werden 33 Sängerinnen und 3 Sänger an<br />
der Musikakademie ausgebildet.<br />
Aus Ihrer Sicht als Chorleiter, welche<br />
Bedingungen muss ein Chor erfüllen, damit<br />
ein Dirigent gut arbeiten kann Welche<br />
Perspektiven benötigt der Chorleiter<br />
Ein Dirigent, mag er noch so gut sein, ist immer<br />
auf die Mitarbeit eines gut organisierten<br />
Teams angewiesen. Daher wäre es logisch,<br />
dass wir an der Musikakademie nach Abschluss<br />
der Dirigentenausbildung einen weitgefächerten<br />
Kurs im Bereich der „Vereinsführung“ anbieten<br />
sollten. Oft reduziert sich die Vereinsführung<br />
ja auf die rein technischen<br />
Verwaltungs angelegenheiten. Dies ist in<br />
unserer heutigen schnelllebigen Zeit jedoch<br />
nicht mehr genug: echtes „Management“ ist<br />
vonnöten: Visionen müssen formuliert und<br />
musikalische Ziele rechtzeitig auf den Tisch<br />
gebracht, ausgelotet und kommuniziert werden,<br />
um die Vereinspolitik zukunftsorientiert<br />
gestalten zu können.<br />
Ein moderner Verein muss außerdem eine<br />
wohldurchdachte Struktur aufweisen. In meinen<br />
Augen machen uns einige Sportvereine<br />
dies gut vor. So gibt es in einem Sportklub die<br />
erste Mannschaft, auf die sich alles fokussiert.<br />
In dieser möchte eigentlich jeder Fan mitspielen.<br />
Es gibt aber keine zukunftsträchtige erste<br />
Mannschaft ohne die Basis einer anständig<br />
fundierten Jugendarbeit. Und ewig kann<br />
selbst der beste Spieler nicht Mitglied der<br />
ersten Mannschaft sein. Für ihn gibt es dann<br />
noch die 2. Mannschaft, die Reserve, und<br />
später möglicherweise das Seniorenteam. Im<br />
Sport findet man also ein Mannschaftsgefüge,<br />
das logisch und generationsübergreifend<br />
durchorganisiert ist.<br />
Dieses Prinzip auf die Chor- und Orchester -<br />
arbeit angewandt erscheint mir als die beste<br />
Garantie, ein Ensemble lebendig zu halten.<br />
Auf dieser Grundlage basiert übrigens auch<br />
das gute Funktionieren des großen Harmonieorchesters<br />
aus Peer, das zum 50-jährigen<br />
Jubiläum des <strong>Musikverband</strong>es Födekam im<br />
letzten Herbst in St.Vith zu hören war: Vom<br />
Mini-Jugendorchester geht es dort über das<br />
Jugendorchester hin zur eigentlichen Harmonie;<br />
so musizieren derzeit in diesem Verein<br />
nicht weniger als 235 Personen…. Vereins -<br />
sterben vorerst kaum vorstellbar!