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GESELLSCHAFT & SOZIALES<br />

Soretha I 31<br />

seinem Porträt. Die Modelle zum Sitzen zu bewegen, das war<br />

meine Aufgabe und gar nicht so einfach. „Bess du bekloppt<br />

Ich Modell Du Jeck.“ Das waren häufige Antworten auf mein<br />

höfliches Anfragen. Gesessen haben aber die Sürther Postzusteller<br />

und die Lehrerinnen, der damals noch in Sürth ansässigen<br />

englischen Schule „St. George‘s“. Heute residiert sie in<br />

einem großen und ansehnlichen Neubau in Rondorf. Ferner<br />

saßen die drei Polizisten der örtlichen Station Modell. Zu dieser<br />

Zeit war die Wache in unserem Erdgeschoss, wo inzwischen<br />

der Kindergarten „Kunterbunt“ praktiziert.<br />

1989 gab es noch nicht die wie Pilze aus dem Boden geschossenen<br />

„Kunstmeilen“, auf denen die Verantwortlichen stets behaupten,<br />

sie würden sich für Kunst engagieren. Denn natürlich<br />

geht es in erster Linie nur um die zu verkaufende Wurst, den<br />

neuesten BH und die Hosen mit Bügelfalten. Bilder und Skulpturen,<br />

ob gut oder langweilig, dienen im Schaufenster als willkommene<br />

Blickfänger. In Wahrheit stören sie aber nur bei<br />

einem angepeilten Geschäftsabschluss. Vor zwölf Jahren beteiligte<br />

ich mich mit Roswita an der „Kunstmeile Dürener Straße“<br />

in Lindenthal. Ein Tapetengeschäft und ein Sanitärhandel mit<br />

seinen Schaufenstern wurde mir zugewiesen und Roswita ein<br />

Geschäft, das spezialisiert war auf den Verkauf von Dessous.<br />

Dieses Geschäft hatte vier Schaufenster. Roswita hing in jedes<br />

dieser Fenster zwischen Mieder und seidenen Strümpfen ein<br />

gemaltes Fenster auf Leinwand, in Absprache mit dem Personal<br />

und dem verantwortlichen Dekorateur. Wir fanden dies nach<br />

getaner Arbeit eigentlich gelungen, waren dann aber doch perplex<br />

als die Geschäftsinhaberin auftauchte. Diese schlug die<br />

Hände über dem Kopf zusammen, knöpfte sich Roswita vor mit<br />

den Worten: „Frau Waechter, das geht aber nicht. Ihre Bilder<br />

erscheinen ja wichtiger als meine Wäsche. Das kann ich mir<br />

über zwei Wochen nicht leisten.“ Mit dem besänftigenden und<br />

uns wohl gesonnenen Personal des Geschäfts, gelang es aber<br />

doch die Inhaberin, zu überzeugen, so dass sie mit leidender<br />

Miene letztendlich ihr Einverständnis gab.<br />

Denke ich an diese Schaufensterposse, fällt mir aktuell ein anderes<br />

Jubiläum ein, wenn auch ein sehr trauriges. Im Vordergrund<br />

standen auch Schaufenster und zwar zertrümmerte. Vor<br />

genau 75 Jahren, am 9. November 1938, bekamen alle Menschen<br />

in diesem Land mit, dass jüdische Deutsche verfolgt,<br />

misshandelt und ermordet wurden. Seltsam aktuell mutet<br />

dabei an, dass soeben in einer Schwabinger Wohnung sage<br />

und schreibe 1406 Bilder und Zeichnungen gefunden wurden,<br />

von denen man annahm, die Nazis hätten sie schon lange<br />

vernichtet. In dieser besagten Nacht zum 9. November 1938<br />

wurden aber auch 1406 Synagogen und tausende jüdische<br />

Geschäfte in Brand gesteckt und zerstört.<br />

Aus diesem Grund haben sich im November 2013 in Berlin<br />

120 Geschäfte zusammengeschlossen, um an die Schandtaten<br />

zu erinnern. Das KaDeWe in Mitte-West, der Kaufhof<br />

am Alex und Geschäfte um den Hackeschen Markt, beteiligten<br />

sich mit anderen gemeinsam an einer respektablen und<br />

ungewöhnlichen Aktion. Scheinbar zersplitterte Schaufenster<br />

mit großen schwarzen Löchern waren zu sehen, so, als wäre<br />

das Glas eingeschlagen. Tatsächlich handelte es sich um aufgeklebte<br />

Folien. Dazu gab es in den Läden erklärende Flyer unter<br />

der Überschrift „Zerstörte Vielfalt“, mit einem Hinweis auf<br />

das Themenjahr. Bereits vor fünf Jahren, zum 70. Jahrestag,<br />

gab es eine Plakataktion unter der Überschrift „Berlin erinnert<br />

sich“.<br />

Dazu fällt mir die Geschichtswerkstatt innerhalb der Stadtteilbibliothek<br />

Rodenkirchen ein. Der Förderverein „Literamus“<br />

veranstaltet dort seit über vier Jahren unter Leitung von<br />

Dr. Cornelius Steckner, die beliebte und stets gut besuchte<br />

Veranstaltung „Rodenkirchen erinnert sich“. Ob aber auch<br />

eine Spurensuche nach zerstörten jüdischen Geschäften vor<br />

75 Jahren in Rodenkirchen stattfand und wer bis heute davon<br />

profitiert hat, das weiß ich leider nicht. Vielleicht ist mein<br />

Schreiben eine Anregung.

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