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Wohnungswechsel - Umzug

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Seite 16 <strong>Wohnungswechsel</strong> Nr. 2 | Mai 2006<br />

Vom Sound des Wohnens<br />

Quakende Frösche, Kirchen<br />

„Am Mittwoch können wir den Mietvertrag machen, wenn es Ihnen<br />

auch während der Woche passt“, sagte der Makler. Die Frühlingssonne<br />

schien warm auf den Balkon im dritten Stock, auf dem wir<br />

gerade standen, es war Sonntagvormittag und dies die dritte Wohnung,<br />

die wir besichtigten. Mir fiel ein Stein vom Herzen! Es klappte<br />

– endlich! Wir hatten unsere Traumwohnung gefunden: zwei große<br />

Zimmer in einem Gründerzeit-Altbau, Wohnküche, hohe Stuckdecken,<br />

Wannenbad, alles frisch saniert und im angesagten Viertel<br />

von Berlin Friedrichshain gelegen. Dazu dieser riesige Balkon, von<br />

beiden Zimmern aus zugänglich – geradezu perfekt! Endlich hatte<br />

die schwierige Suche ein Ende, die wir mit erheblichen Mühen vom<br />

fernen Mecklenburg aus organisiert hatten. Ein weiteres Wochenende<br />

ohne Erfolg hätte meinen Lebensgefährten und mich finanziell<br />

überfordert. Die kaum mehr erhoffte Zusage war Glück auf den letzten<br />

Drücker, ich schwebte auf Wolke 7! Dass die Miete nicht gerade<br />

niedrig war, konnte die Freude nicht mehr trüben. Im Laufe der<br />

wochenlangen Suche hatten sich unsere Erwartungen „dem Markt<br />

angepasst“.<br />

Höllenlärm durch dicke, graue Rohre<br />

Schon im nächsten Monat waren wir eingezogen. Wie wunderbar, wieder<br />

in Berlin zu wohnen! Zwei Jahre in der beschaulichen Stille eines<br />

kleinen Dorfes auf dem Lande hatten meine Sehnsucht nach Stadtleben<br />

wieder erweckt. Vogelgezwitscher und wechselndes Wetter, das Krähen<br />

der Hähne am Morgen, manchmal ein bellender Hund und zweimal<br />

am Tag ein Bus – mehr war da nicht zu vernehmen gewesen, und was<br />

zu Beginn so fasziniert hatte, ödete mich lange schon an. All die vielfältigen<br />

Anregungen und Eindrücke, die ein kleiner Spaziergang durch ein<br />

belebtes Stadtviertel Augen und Ohren beiläufig vermittelt, hatten mir<br />

so sehr gefehlt! Das alles gab es nun wieder im Überfluss – und noch<br />

einiges mehr, womit wir an jenem ruhigen Sonntagmorgen nicht gerechnet<br />

hatten: Überall im „angesagten Viertel“ ging die Sanierung voran.<br />

Gerüste wurden auf- und abgebaut, es hämmerte und klopfte, dröhnte<br />

und schepperte, Bauschutt rutschte mit einem Höllenlärm durch dicke,<br />

graue Rohre herunter in die herumstehenden Container. In der engen<br />

Straße mit dem wunderschönen historischen Kopfsteinpflaster hörte<br />

man jedes Auto gleich dreimal so laut. Laster und Müllfahrzeuge brachten<br />

das Haus spürbar zum Erzittern, und auf dem schönen Balkon konnte<br />

man wochentags das eigene Wort nicht mehr verstehen. „Geräuschbewusst“<br />

hatten wir unseren Wohnort nicht gerade gewählt!<br />

Der Sound der Stadt<br />

Seltsamerweise minderte die tägliche Lärmkulisse meine Freude über<br />

den <strong>Umzug</strong> nicht. Ja, ich bemerkte die Beeinträchtigungen kaum, erst<br />

die kritischen Bemerkungen meines Lebensgefährten machten mich<br />

überhaupt darauf aufmerksam. Tagsüber gingen die Geräusche einfach<br />

durch mich hindurch, ich saß an meinem Monitor, ging meiner Arbeit<br />

nach und fühlte mich durch den Sound der Stadt, der so unverhofft heftig<br />

bis in den dritten Stock heraufdröhnte, kein bisschen genervt. Dabei<br />

hatte ich noch zwei Jahre zuvor die Metropole angewidert verlassen und<br />

bei gelegentlichen Besuchen schon nach einer Stunde von all dem Stadtlärm<br />

und der vergleichsweise dreckigen Luft Kopfschmerzen bekommen.<br />

Jetzt aber fühlte ich mich restlos glücklich, und kein Geräusch der Welt<br />

da draußen, die ich so gerne wieder um mich hatte, konnte mich stören.<br />

Liebe frisst Lärm auf<br />

Das Gehör ist ein passiver Sinn: Die Augen kann man schließen, bei<br />

Kälte ziehen wir uns warm an, doch gegen Töne gibt es keine wirklich<br />

effektive Gegenwehr. Wir sind ihnen ausgeliefert, selbst Ohropax und<br />

ähnliche Gehörverstopfer schotten nicht hundertprozentig ab. Laut Definition<br />

wird als Lärm derjenige Schall bezeichnet, der das körperliche,<br />

seelische und soziale Wohlbefinden von Menschen beeinträchtigt, doch<br />

ist dieses Lärmempfinden stark subjektiv geprägt und von Mensch zu<br />

Mensch unterschiedlich. Es gilt inzwischen als gesichert, dass die objektiv<br />

messbare Lautstärke nur teilweise zum Lärmempfinden des Menschen<br />

beiträgt. Andere, nicht physikalische Faktoren, wie die persönliche<br />

Situation des Betroffenen oder die Einstellung zur Geräuschquelle,<br />

spielen eine erhebliche Rolle. Das war es, was ich gerade erlebte: Ich<br />

liebte meinen Wohnort Berlin-Friedrichshain, also empfand ich all die<br />

neuen, auch lautstarken Geräusche als lieblichen Sound lang entbehrter<br />

städtischer Lebendigkeit, während die Laune meines Lebensgefährten,<br />

dem die Stille der Natur fehlte, in den Keller sank. Es war dasselbe<br />

Phänomen, das ich einst in der ersten Nacht mit einem neuen Geliebten<br />

bemerkt hatte: Kaum hatte mein Märchenprinz die Augen geschlossen,<br />

verfiel er in lautes Schnarchen, doch meine euphorische Verliebtheit<br />

bewahrte mich davor, daran irgend einen Anstoß zu nehmen. Alles,<br />

was von ihm kam, war wundervoll! Der sägende Sound durchfloss mich,<br />

ohne auf inneren Widerstand zu treffen – und dieser Friede hielt exakt<br />

so lange an, wie ich von diesem Mann restlos begeistert war. Nach etwa<br />

zwei Wochen kaufte ich dann doch Ohrstöpsel, einen Monat später zog<br />

ich es vor, wieder allein zu schlafen.<br />

Es kann der Frömmste nicht Frieden leben ...<br />

... wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt. Der gern zitierte Schiller-Spruch<br />

unterschlägt den subjektiven Faktor des Leidens am Lärm.<br />

Könnten wir diesen nicht auch nutzen, indem wir unsere Einstellung ge-

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