Anstoss Harz - Volksstimme
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Neue Wege mit Kronhardt<br />
VfB Germania Halberstadt Portrait des Trainers beim VfB Germania<br />
Durch das Leben von<br />
Willi Kronhardt, neuer<br />
Trainer von Fußball-<br />
Regionalligist Germania<br />
Halberstadt, zieht sich ein<br />
Leitspruch wie ein roter<br />
Faden: Sich mit harter Arbeit<br />
und geringen Mitteln<br />
Respekt und Anerkennung<br />
verdienen.<br />
Von Florian Bortfeldt<br />
Halberstadt ● Neue Wege gehen,<br />
fü r seine Ziele auch bei begrenzten<br />
Möglichkeiten hart arbeiten<br />
– diese Lebenseinstellung<br />
muss Willi Kronhardt von seiner<br />
Mutter verinnerlicht haben.<br />
Diese entschied sich nämlich<br />
1977 dafü r, ihre Heimatstadt Tokarewka<br />
in der Sowjetunion zu<br />
verlassen. Mit ihrem achtjährigen<br />
Sohn Willi und dessen Oma<br />
ging es nach Deutschland, nach<br />
Niedersachsen, nach Nienburg<br />
an der Weser.<br />
Kronhardt erinnert sich<br />
noch gut an seine frü he Kindheit,<br />
spricht auch heute noch<br />
fl ießend Russisch. Weil Eishockey<br />
im heutigen Kasachstan<br />
Sportart Nummer eins war und<br />
ist, spekuliert der 43-Jährige,<br />
dass er dort wahrscheinlich Kufencrack<br />
geworden wäre.<br />
In Deutschland wurde eine<br />
weitere Maxime Kronhardts<br />
deutlich: Er bildet sich breit<br />
gefächert aus und erweitert<br />
seinen Horizont in alle Richtungen,<br />
will in Interaktion<br />
mit Kollegen und anderen<br />
Menschen möglichst viel dazulernen.<br />
Sein Spektrum reicht<br />
weit, geht von Ausbildungen<br />
zum Zahntechniker und Kinderpfl<br />
eger bis hin zum Marketing-Diplom<br />
und dem Fußball-<br />
Lehrer-Schein. Kronhardt geht<br />
lernwillig und mit allen Sinnen<br />
durch die Welt.<br />
Als aktiver Fußballer war<br />
er zunächst bis 1990 in seiner<br />
niedersächsischen Heimat<br />
Nienburg am Ball, danach ging<br />
es zum Zweitligaaufsteiger TSV<br />
Havelse. Es folgten Anstellungen<br />
bei Fortuna Köln, Eintracht<br />
Braunschweig, VfB Leipzig,<br />
TeBe Berlin und Energie Cottbus.<br />
Mit den Lausitzern sorgte<br />
er 1997 fü r Furore in Fußball-<br />
Deutschland. Zuerst sicherte<br />
sich der damalige Regionalligist<br />
den Aufstieg in die 2. Bundesliga,<br />
nur wenig später galt den<br />
Ostdeutschen im DFB-Pokal erneut<br />
die volle Aufmerksamkeit.<br />
Nachdem der FC Energie<br />
den VfL Wolfsburg, den MSV<br />
Duisburg und den FC St. Pauli<br />
geschlagen hatte, folgte im<br />
Halbfi nale der Karlsruher SC.<br />
Kronhardt setzte mit seinem<br />
1:0 den Grundstein fü r den späteren<br />
3:0-Sieg und den Einzug<br />
ins Finale von Berlin. Hier war<br />
schließlich gegen den VfB Stuttgart<br />
Endstation (0:2). Bei seinem<br />
ehemaligen Klub TSV Havelse<br />
beendete er vor zehn Jahren seine<br />
aktive Karriere.<br />
„Es ist wichtig, in Halberstadt<br />
vor Ort zu sein.“<br />
Ehe Kronhardt selbst Cheftrainer<br />
wurde, hospitierte er unter<br />
namhaften Übungsleitern<br />
wie Ewald Lienen (CD Teneriff a),<br />
Peter Pacult (Rapid Wien), Eric<br />
Gerets (VfL Wolfsburg) und Holger<br />
Fach (FC Augsburg). Es folgten<br />
Engagements als Co-Trainer<br />
bei Eintracht Braunschweig und<br />
Alemannia Aachen.<br />
Ein Trainerkollege „delegierte“<br />
ihn 2010 nach Afrika. Im<br />
Sudan beim Hauptstadtklub Al<br />
Merrei lernte Kronhardt wiederum<br />
extrem dazu. „Wer in<br />
diesem Land zurechtkommen<br />
will, muss strukturiert und<br />
organisiert sein“, blickt er auf<br />
zum Teil chaotische Zustände<br />
zurü ck. In Afrika wurde wieder<br />
sein Standpunkt aktuell, der<br />
ihn seit der Kindheit „verfolgt“:<br />
Mit harter Arbeit und geringen<br />
Mitteln den Respekt und die<br />
Anerkennung verdienen. Mit<br />
seinem Organisationstalent,<br />
viel Verantwortung und der<br />
notwendigen Kommunikation<br />
– trotz der Verständigungsproblematik<br />
- wurde er mit dem<br />
Team Meister und Pokalsieger,<br />
qualifi zierte sich fü r die afrikanische<br />
Champions League.<br />
„Als einziger Deutscher weit<br />
und breit gab es viele Hü rden zu<br />
meistern“, erinnert sich Kronhardt<br />
an das einschneidendste,<br />
aber auch wertvolle Erlebnis,<br />
das nach 18 Monaten endete.<br />
„Wenn es am schönsten ist, soll<br />
man aufh ören.“<br />
Seit 2011 ist er den sechs und<br />
13 Jahre alten Töchtern, seiner<br />
Ehefrau und der Mutter wieder<br />
näher. Mit Beginn seiner Trainertätigkeit<br />
in Halberstadt Anfang<br />
Juli 2012 hat er auch eine<br />
Bleibe in der Domstadt bekommen,<br />
fester Wohnort bleibt wie<br />
in all den Jahren zuvor jedoch<br />
Braunschweig.<br />
„Ich möchte es den Kindern<br />
und der Familie nicht zumuten,<br />
dem Vater jeweils in die Orte seiner<br />
Tätigkeit zu folgen“, ordnet<br />
Kronhardt auch die schulischen<br />
Verpfl ichtungen der Töchter<br />
ein, „jedoch empfi nde ich es<br />
gleichzeitig als wichtig, hier in<br />
Halberstadt vor Ort zu sein“.<br />
Während der Woche bleibt<br />
Germanias Neu-Trainer in seiner<br />
Halberstädter Wohnung,<br />
„das ist fü r die gesamte Vereinsplanung,<br />
die Vor- und Nachbereitung<br />
jedes Spiels wichtig“.<br />
„Sportlich geht alles ü ber<br />
meinen Tisch.“<br />
In den letzten Wochen war<br />
Kronhardt oft mit Fußball-<br />
GmbH-Geschäftsstellenleiter<br />
Fait-Florian Banser unterwegs,<br />
die kommenden Wochen wurden<br />
koordiniert, mögliche Neuzugänge<br />
gesichtet, das Team um<br />
das Team kennengelernt. Einen<br />
Tabellenplatz will Kronhardt<br />
nicht als Ziel fü r die neue Saison<br />
nennen, ihm geht es um die<br />
„kontinuierliche Entwicklung<br />
in jeder Hinsicht“. Eine Entwicklung,<br />
die laut Kronhardt<br />
von seinem Vorgänger Andreas<br />
Petersen gut vorgelegt wurde.<br />
„Es gibt Teams, vor denen wollen<br />
und mü ssen wir stehen“,<br />
geht er doch noch auf sportliche<br />
Perspektiven ein, „dazu werden<br />
wir die Jungs individuell noch<br />
stärker machen, als Person und<br />
als Fußballer.“<br />
Seinen neuen Arbeitgeber<br />
schätzt der Braunschweiger. Er<br />
freut sich auf die Zusammenarbeit<br />
mit Mannschaft, Funktionsteam,<br />
Präsidium, Sponsoren<br />
und der Geschäftsfü hrung. „Es<br />
zeugt von Klasse, dass der VfB<br />
Germania mit solider Arbeit und<br />
seinen Möglichkeiten eine tolle<br />
Entwicklung hingelegt hat.<br />
Die Bedingungen beim VfB sind<br />
meiner Meinung nach nicht semiprofessionell,<br />
sie sind professionell.<br />
Ich freue mich auf die<br />
Zukunft und meine Tätigkeit in<br />
Halberstadt.“<br />
Gleichzeitig hebt er seine Verantwortung<br />
und Rolle als Cheftrainer<br />
selbstbewusst hervor:<br />
„Lob und Tadel liegen eng beieinander,<br />
es werden nur die<br />
Resultate vom Wochenende bewertet<br />
– ich halte den Kopf hin.<br />
Daher geht in sportlicher Hinsicht<br />
alles ü ber meinen Schreibtisch,<br />
hier gebe ich alles vor!“<br />
Selbst wenn die äußeren<br />
Bedingungen mit Stadion und<br />
Sportpark perfekt erscheinen,<br />
fi nanziell wird der VfB auch<br />
2012/13 nicht ü ber seinen Verhältnissen<br />
leben. Darum ist<br />
Willi Kronhardt letztlich der<br />
passende Mann im Vorharz,<br />
denn dessen Tugenden, mit<br />
wenig Mitteln und harter Arbeit<br />
viel erreichen; sich immer<br />
weiterentwickeln sind auch die<br />
Tugenden der Germania.<br />
Germania Halberstadt | 5<br />
Gibt jetzt die Richtung beim VfB vor: Willi Kronhardt. Foto: Bortfeldt