25 - Ultimo auf draht
25 - Ultimo auf draht
25 - Ultimo auf draht
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
FILME<br />
Typen aus der Klischeekiste: „The Counselor“<br />
Gemischte Gesellschaft: „45 Minuten bis Ramallah“<br />
E<br />
THE COUNSELOR<br />
Heisse Luft<br />
Selten wurde so viel Talent so<br />
gründlich verschwendet<br />
in Drehbuch von Pulitzer-<br />
Preis-Gewinner Cormac McCarthy<br />
(No Country for Old Men), ein<br />
erfahrener Filmemacher wie Ridley<br />
Scott (Blade Runner) und dazu ein<br />
All-Star-Ensemble mit Michael Fassbender,<br />
Brad Pitt, Javier Bardem, Cameron<br />
Diaz und Penelope Cruz – was<br />
kann da schiefgehen<br />
Eine ganze Menge, wie man in The<br />
Councelor sehen kann. In seinem ersten<br />
Drehbuch entwirft Romanautor<br />
McCarthy eine Geschichte um einen<br />
geplatzten Drogendeal, der seinen<br />
Helden tief in den Abgrund zieht. Der<br />
Strafverteidiger, der von allen nur<br />
„Counselor“ (Michael Fassbender)<br />
genannt wird, will als Helfershelfer<br />
der kolumbianischen Kokainmafia<br />
den 3,8 Karat schweren Brillantring<br />
für seine bezaubernde Verlobte<br />
Laura (Penélope Cruz) rückfinanzieren.<br />
In der ersten Hälfte des Filmes<br />
wird er von kenntnisreichen Freunden<br />
eindringlich davor gewarnt. Von<br />
elektromotorbetriebenen Drahtschlingen,<br />
die den Kopf vom Körper<br />
trennen, und anderem unschönen<br />
Geschäftsgebaren ist da die Rede. Natürlich<br />
geht der Drogendeal gründlich<br />
schief und die zweite Hälfte der<br />
117 Filmminuten wird nun dar<strong>auf</strong><br />
verwendet, dass all die hässlichen<br />
Dinge eintreten, vor denen der<br />
rasant verzweifelnde Held gewarnt<br />
wurde.<br />
Die Vorhersehbarkeit dieser Prophezeiungsdramaturgie<br />
könnte man<br />
noch verschmerzen, wäre die altbekannte<br />
Teufelspakt-Geschichte nicht<br />
mit tonnenweise pseudophilosophischem<br />
Gangstergeschwätz <strong>auf</strong>geladen.<br />
Ungeheuer bedeutsam kommen<br />
die nihilistischen Ausführungen<br />
über das habgierige Wesen des<br />
Menschen daher.<br />
Als Wortschmied hat McCarthy<br />
ganze Arbeit geleistet, um den ausufernden<br />
Diskursen den notwendigen<br />
Camp-Faktor zu verleihen, aber<br />
gerade dadurch wird die Fallhöhe<br />
zwischen eitlem Sprachduktus und<br />
der bedeutungsschwangeren Banalität<br />
des Gesagten nur noch größer.<br />
Selten hat ein Film so viel heiße Luft<br />
um Charaktere produziert, die keinerlei<br />
emotionale Bindung zum Publikum<br />
<strong>auf</strong>bauen. Da hilft es auch<br />
nichts, wenn ein hochbegabter<br />
Schauspieler wie Javier Bardem als<br />
Lebemann mit Kaktusfrisur zu den<br />
Vortragenden gehört, Bruno Ganz<br />
über den Wert des Unperfekten bei<br />
Mensch und Diamanten salbadert<br />
oder Cameron Diaz als Femme Fatale<br />
Sex mit einem Ferrari hat.<br />
Martin Schwickert<br />
USA 2013 R: Ridley Scott B: Cormac<br />
McCarthy K: Dariusz Wolski D: Michael<br />
Fassbender, Cameron Diaz, Javier<br />
Bardem<br />
45 MINUTEN BIS RAMALLAH<br />
Eine Hochzeit<br />
und ein Todesfall<br />
Schwarzhumoriges Buddy-Movie<br />
in Palästina<br />
D<br />
er iranische Regisseur Ali Samadi<br />
Ahadi hat schon in Salami<br />
Aleikum seinem Hang zu politisch<br />
unkorrektem Klamauk gefrönt,<br />
sein Drehbuchautor Karl-Dietmar<br />
Möller-Naß schon im Tibet-Drama<br />
Wie zwischen Himmel und Erde gezeigt,<br />
wie man Story-Elemente aus<br />
dem Lehrbuch um scheinbar überhaupt<br />
nicht dazu passende Geschichten<br />
legt. Und der in Israel geborene<br />
Romanautor Gabriel Bornstein weiß<br />
als Gründer der Hamburger Drehbuchschule<br />
genau, dass ein Film anders<br />
als ein Buch funktioniert. Auch<br />
wenn beide davon handeln, dass ein<br />
Palästinenser schwer in die Bredouille<br />
gerät zwischen Israelis, der<br />
russischen Mafia und miteinander<br />
verfeindeten Terror-Milizen.<br />
Schon der Zeichentrick-Vorspann<br />
schlägt eher einen Pink-Panther<br />
-Ton an, und wenn dann der in<br />
Deutschland als Hilfskoch arbeitende<br />
Rafik sich <strong>auf</strong> dem Weg zur Heirat<br />
seines Bruders mit einer geklauten<br />
Kaffeemaschine als Hochzeitsgeschenk<br />
zum Restaurantbesitzer<br />
macht, dann schwappt die phantasievolle<br />
Legende gleich über jeden Betroffenheitsvorbehalt<br />
im Krisengebiet.<br />
Zumal wir ja schon gesehen haben,<br />
dass die Brüder bald gefesselt<br />
<strong>auf</strong> der Pritsche einer waffenschwingenden<br />
Jihad-Bande landen<br />
werden.<br />
Wie konnte es bloß dazu kommen<br />
Auf dem Fest in Ost-Jerusalem<br />
rafft den cholerischen und offenbar<br />
außerehelich aktiven Vater ein Herzinfarkt<br />
dahin. Nun muss seine Leiche<br />
nach Ramallah gebracht werden,<br />
was zwar gleich nebenan liegt, aber<br />
hinter israelischen Straßensperren<br />
und in einem völlig irrsinnigen Land,<br />
in dem sich mehrere Widerstands-Organisationen<br />
bekämpfen,<br />
als hätten sie’s von Das Leben des Brian<br />
gelernt.<br />
Die Israelis sind nicht nett zu den<br />
Palästinensern, eine schöne Russin<br />
klaut ihnen Auto samt Vater-Leiche<br />
im Kofferraum, und eine Terror-Trachtengruppe<br />
zwingt sie, sich<br />
als Selbstmordattentäter zur Verfügung<br />
zu stellen. Eine absurde Wendung<br />
jagt die nächste, während die<br />
Brüder sich beim Herauswinden aus<br />
dem Schlamassel-Stakkato allmählich<br />
richtig gern haben.<br />
Das ist zuweilen gewitzt, zu häufig<br />
aber auch zu langsam für richtigen<br />
Klamauk erzählt, weshalb Regisseur<br />
Ahadi dann und wann mit grafischen<br />
Effekten und Wirbelmontagen etwas<br />
Gangster-Grotesken-Tempo nachlegt.<br />
Das ist schon in Ordnung, gelingt<br />
dem mehrfach die Grenzen des<br />
guten Geschmacks überschreitenden<br />
Nahost-Schwank doch auch eine<br />
langsame, herzergreifend komische<br />
Szene: Im unter Druck <strong>auf</strong>genommenen<br />
Bekenner-Video zum geplanten<br />
Anschlag bedauern die Brüder ihr<br />
tragisches Leben unter Zwang so verzweifelt,<br />
dass die harten Hunde von<br />
der Miliz allesamt in Tränen<br />
ausbrechen.<br />
Trotzdem geht das meiste gut aus.<br />
Der tote Vater kommt in sein richtiges<br />
Grab, der Hallodri Rafik kriegt<br />
sein Mädchen, nur irgendwer hat<br />
vergessen, noch einen Abschlussgag<br />
mit der Kaffeemaschine zu machen.<br />
Wing<br />
D 2013 R: Ali Samadi Ahadi B: Gabriel<br />
Bornstein, Karl-Dietmar Möller-Naß K:<br />
Wedigo von Schultzendorff D: Karim Saleh,<br />
Navid Akhavan, Julie Engelbrecht, Ed<br />
Ward<br />
GETAWAY<br />
Zeitfahren<br />
Stirb langsam in nur 60 Sekunden<br />
D<br />
ieser Film ist das Ergebnis vieler<br />
seltsamer Entscheidungen. Die<br />
Seltsamste zuerst: Den Slacker<br />
und Independent-Star Ethan Hawke<br />
als verbitterten Ex-Rennfahrer 90<br />
Minuten hinter ein Lenkrad zu setzen,<br />
wo er wahlweise mit den Armen<br />
rudern oder kurze Befehle an seine<br />
Beifahrerin bellen darf. Ganz oft sehen<br />
wir in Nah<strong>auf</strong>nahme seine Füße,<br />
wie sie die Pedale durchtreten. Bei<br />
dem Größenwahn von Regisseur<br />
Courtney Solomon ist das bestimmt<br />
als Hommage an Quentin Tarantino<br />
gedacht.<br />
14 ULTIMO