25 - Ultimo auf draht
25 - Ultimo auf draht
25 - Ultimo auf draht
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
im amüsanten ,,Papa, Was Machst<br />
Du Da“ oder dem nett klamaukigen<br />
Feature ,,Arbeit“ mit Helge<br />
Schneider gipfelt. Dies führt aber<br />
auch zu unerträglichem Kitsch,<br />
nicht nur, wenn in ,,Grenzenlos“<br />
Marius-Müller Westernhagen sein<br />
röhrendes Organ erhebt. Und je<br />
länger dieses Album dauert,<br />
welches klar in die Mitte der Gesellschaft<br />
und an die Spitze der<br />
Charts schielt, desto mehr wünscht<br />
man sich doch wieder den asozialen<br />
Maskenmann aus der Plattenbau-Vorstadt<br />
zurück. Denn pädagogisch<br />
wertvolle, <strong>auf</strong>munternde<br />
Worte gibt’s auch vom Streetworker<br />
deines Vertrauens an der Ecke.<br />
Aber dann wenigstens ohne kitschigen<br />
Klavier-Streicher-Kleister.<br />
Karl Koch<br />
SAN FERMIN<br />
SAN FERMIN<br />
DOWNTOWN / PIAS COOPERATIVE<br />
Alben wie dieses Debüt erscheinen<br />
nicht alle Tage! Seinen Namen hat<br />
sich das aus einem Kern von neun<br />
Musikern und Sängerinnen (dazu<br />
kommen noch 13 weitere Instrumentalisten)<br />
bestehende Ensemble<br />
aus Brooklyn vom Stierl<strong>auf</strong>-Fest in<br />
der spanischen Stadt Pamplona<br />
ausgeliehen. Die mit Streichern,<br />
Bläsern, Keyboards, Gitarren und<br />
Percussion instrumentierte Musik<br />
von San Fermin klingt indes in ihrer<br />
stilistischen Vielfalt alles andere<br />
als ausgeliehen. In den 17<br />
Stücken, darunter einige kurze instrumentale<br />
Skizzen, trifft man <strong>auf</strong><br />
klassische Kammermusik, opulenten<br />
Barock-Pop, Minimal-Passagen,<br />
sphärischen Electro-Pop, Hippie-<br />
und Campfire-Folk, sanfte<br />
Psychedelia, Indie-Rock oder<br />
Breitwand-Pop mit Musical-tauglichen<br />
Chorarrangements. Abwechslungsreicher,<br />
abenteuerlicher<br />
und spannender geht es<br />
kaum, auch weil sich Bandchef Ellis<br />
Ludwig-Leone, dessen sonore<br />
Stimme an eine Kreuzung aus<br />
Adam Green, Bill Callahan und<br />
Lambchops Kurt Wagner erinnert,<br />
die Leadvocals mit den furiosen<br />
Sängerinnen Eliza Bagg und Rebekah<br />
Durham teilt. Ganz großes<br />
Klangkino! Volkard Steinbach<br />
CASS MCCOMBS<br />
BIG WHEEL AND OTHERS<br />
DOMINO / GOOD TO GO<br />
Das Herausragende an diesem Album<br />
ist seine Un<strong>auf</strong>fälligkeit. Eine,<br />
die sich unmerklich ins Ohr und<br />
Herz schleicht und deren Güte sich<br />
erst bemerkbar macht, wenn sie<br />
<strong>auf</strong> einmal fehlt. Oder: Cass<br />
McCombs macht zeitlose Musik.<br />
Und wie gut die Songs sind fällt oft<br />
erst <strong>auf</strong>, wenn man sie <strong>auf</strong> eine<br />
Compilation packt. Vieles <strong>auf</strong> diesem<br />
Album könnte <strong>auf</strong> Solo-Alben<br />
der 70er versteckt sein, bei George<br />
Harrison, Gram Parsons, Neil<br />
Young, und da nicht die großen<br />
Kracher, sondern die un<strong>auf</strong>fälligen,<br />
leiseren Stücke. Was ihm den<br />
großen Durchbruch oder zumindest<br />
die entscheidende Prägnanz<br />
verwehrt, ist seine wenig markante<br />
Stimme. Aber wenn in der nächsten<br />
Girls-Episode wieder mal ein toller<br />
Song läuft – richtig geraten.<br />
Karl Koch<br />
ISLANDS<br />
SKI MASK<br />
MANQUE / CARGO<br />
Nicht nur Arcade Fire sind eine innovative<br />
kanadische Band – auch<br />
Islands, hervorgegangen aus der<br />
genialen Indiepop-Formation The<br />
Unicorns, sind viel zu schade für<br />
den Status eines ewigen Geheimtipps.<br />
Fünf Alben voller chamäleon-artiger<br />
Stilwechsel hat das<br />
Quartett bislang <strong>auf</strong>genommen,<br />
der Durchbruch indes blieb aus.<br />
Davon enttäuscht, starten sie den<br />
leichtfüßigen Albumopener mit ,,I<br />
won’t ride another wave and I<br />
won’t write another word after today“,<br />
es folgen jede Menge düstere<br />
und wütende Zeilen. Schönerweise<br />
klingt die Musik von ,,Ski Mask“ alles<br />
andere als depressiv. Vielmehr<br />
zeigt die Band ein feines Händchen<br />
für fesselnde Melodien, luftigleichten<br />
Gesang und packende<br />
Songs zwischen Gitarrenpop der<br />
80er/90er, Beatles-Lennon-Harmonien,<br />
Country-Anleihen, Balladen,<br />
Sixties-Zierrat, Indierock und<br />
dezenter Electronica. Selbst ein<br />
kauziger, Monty Python-würdiger<br />
Song findet hier Platz. Bei soviel<br />
Klasse kann man nur hoffen, dass<br />
nach den Kritikern endlich auch<br />
ein größeres Publikum zuhört, damit<br />
Islands ihre Drohung (s.o.)<br />
nicht wahrmachen. Wäre zu schade!<br />
Volkard Steinbach<br />
CHRIS ECKMAN<br />
HARNEY COUNTY<br />
GLITTERHOUSE / INDIGO<br />
Chris Eckman ist, seit er die Memoiren<br />
des Schriftstellers William<br />
Kittredge gelesen hat, fasziniert<br />
von Harney County, einer Wüstenlandschaft<br />
in Oregon mit harten<br />
Wintern, heißen Sommern und<br />
wenigen Farmen, die seit Generationen<br />
den Boden auslaugen.<br />
Nach einer ersten Reise in diese<br />
Einöde übertrug er seine Eindrücke<br />
in einen Song für das Chris<br />
& Carla-Album ,,Life Full Of Holes“.<br />
Und als er dann mit den Walkabouts<br />
,,Travels In Dustland“ <strong>auf</strong>nahm,<br />
schien die Zeit reif für weitere<br />
Harney-County-Songs, aber<br />
die Wüstenlieder, die entstanden,<br />
handelten dann doch eher von mythischen<br />
Landschaften. Anders <strong>auf</strong><br />
seinem Soloalbum: Die Geschichten,<br />
die Chris Eckmann von zerstörten<br />
Hoffnungen, Straßen ins<br />
Nirgendwo und überraschender<br />
Gewalt erzählt, mögen zwar erfunden<br />
sein – die Orte, an denen sie<br />
spielen, sind jedoch real. So karg<br />
wie die Landschaft sind auch Eckmans<br />
Songs, meist nur zur Akustikgitarre<br />
intoniert, begleitet von<br />
stimmungsvollen Bass-Figuren.<br />
Düster und gespenstisch, doch zugleich<br />
von spröder Schönheit. Zwei<br />
langsam sich steigernde Rockstücke<br />
gibt es hier auch noch – dunkel<br />
fiebrige Lieder, die gar so weit<br />
von Nick Caves halluzinogener<br />
Songkunst entfernt sind.<br />
Volkard Steinbach<br />
HANNI EL KHATIB<br />
HEAD IN THE DIRT<br />
VERTIGO / UNIVERSAL<br />
Seinen gutbezahlten Job als Werbegrafiker<br />
hängte er an den Nagel,<br />
um sich ausschließlich seiner Musik<br />
widmen zu können. Hanni El<br />
Khatib, Sohn palästinensischphilippinischer<br />
Eltern, muß demnach<br />
wohl Garagenrocker aus<br />
Überzeugung sein. Bereits sein Do-<br />
It-Yourself-Debüt ,,Will The Guns<br />
Come Out“ machte 2011 <strong>auf</strong> den<br />
kalifornischen Songwriter <strong>auf</strong>merksam,<br />
jetzt hat der 32-jährige<br />
sämtliche Energien gebündelt und<br />
einen popinfizierten Rock’n’Blues-<br />
Nachfolger nachgelegt. Black<br />
Keys-Sänger und -Gitarrist Dan<br />
Auerbach sowie Raconteurs-<br />
Schlagzeuger Patrick Keeler stehen<br />
ihm dabei zur Seite. Gradlinige<br />
Songs wie ,,Skinny Little Girl“,<br />
,,Penny“ oder das bündige ,,Nobody<br />
Move“ atmen eine perfekte Mischung<br />
aus unterschwelligem Ohrwurm<br />
und gezieltem Vintage-Appeal.<br />
Gespensterartige Echos <strong>auf</strong><br />
den Stimmen, pointierte Keyboard-Akzente<br />
und un<strong>auf</strong>fällig in<br />
den cleanen Sound eingestreute<br />
Background-Gospels sorgen für<br />
ein rundes, elf Songs umfassendes<br />
Album. Dieses macht stilistisch<br />
zwischen den oben erwähnten<br />
Bands, aber auch den White Stripes<br />
eine recht gute Figur.<br />
Frank Möller<br />
24 ULTIMO