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H&E Ausgabe Juni 2013 - Evangelische Kirchengemeinde Grunewald

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Unsere Lehre<br />

Luther – Rechtfertigung des Menschen allein aus dem Glauben<br />

Sind Sie ein moderner Mensch,<br />

der weiß, was in der Welt und<br />

besonders in seinem Land vorgeht,<br />

was die Menschen bewegt, und was<br />

richtig oder falsch ist Wenn Sie<br />

ehrlich sind, werden Sie feststellen<br />

müssen, dass Sie eigentlich nur<br />

wissen, was in der Zeitung oder im<br />

Internet steht. Oder, um es einfacher<br />

zu machen, wahrscheinlich könnten<br />

Sie nicht einmal genau beschreiben,<br />

was denn so vor zehn Jahren gewesen<br />

ist und wie Sie sich gefühlt haben,<br />

und Sie waren dabei doch anwesend.<br />

Wenn man etwas über weit entfernte<br />

Zeiten sagen will, dann ist es noch<br />

viel schlimmer. Wir wissen nur, was<br />

aufgeschrieben wurde, wir interpretieren<br />

es. Einigkeit in der Deutung<br />

herrscht nicht einmal bei ausgewiesenen<br />

Fachgelehrten. Wenn man über<br />

Menschen einer längst vergangenen<br />

Zeit nachdenkt, muss man immer<br />

berücksichtigen, dass niemand stets<br />

dasselbe meint und glaubt, weil nämlich<br />

seine Gedanken einem Wandel<br />

unterliegen – weil er Neues kennengelernt<br />

hat, weil sich die Zeiten geändert<br />

haben, weil er älter geworden<br />

ist, weil er gute oder böse Erlebnisse<br />

hatte. Manche Gedanken allerdings<br />

halten sich, denn sie sind zugleich<br />

schicksalhaft. Hervorgehoben soll<br />

sein: Luther interessierte eigentlich<br />

nicht die deutsche Einheit, auch<br />

wollte er nicht die deutsche Sprache<br />

reinigen, sondern lediglich verstanden<br />

werden. Er wollte ein Lehrer der<br />

Kirche sein, nicht mehr, weniger aber<br />

auch nicht.<br />

Also Luther: 1483 bis 1546, gerade<br />

mal 63 geworden. Krank, kämpferisch,<br />

unduldsam, ungerecht, nicht<br />

abgewogen, grobianisch, einseitig,<br />

pöbelnd, – fällt uns noch etwas<br />

ein Eine Frage noch, zwei Fragen<br />

in einer: Worum und warum hat<br />

er gekämpft Und: Geht uns das<br />

etwas an Was schreibt er selbst<br />

»Hier ist der erste und Hauptartikel:<br />

Dass Jesus Christus, unser Gott und<br />

Herr, »um unserer Sünden willen gestorben<br />

und um unserer Gerechtigkeit<br />

willen auferstanden« ist (Röm 4, 25),<br />

14<br />

Von Dr. Hartwig Grubel<br />

und er allein »das Lamm Gottes, das<br />

der Welt Sünde tragt,« ist (Joh 1, 29),<br />

und »Gott unser aller Sünde auf ihn<br />

gelegt hat« (Jes 53, 6), ferner: »Sie sind<br />

allzumal Sünder und werden ohne<br />

Verdienst gerecht aus seiner Gnade<br />

durch die Erlösung Jesu Christi in<br />

seinem Blut« (Röm 3, 23-25). Weil<br />

nun das geglaubt werden muss und<br />

sonst mit keinem Werk, Gesetz noch<br />

Verdienst erlangt oder erfasst werden<br />

kann, so ist es klar und gewiss,<br />

dass allein dieser Glaube uns gerecht<br />

macht, wie Röm 3,28 zeigt. Paulus<br />

spricht: »Wir halten dafür, dass der<br />

Mensch gerecht werde ohne Werke<br />

des Gesetzes, durch den Glauben«,<br />

ferner: »Auf dass er alleine gerecht<br />

sei und gerecht mache den, der da ist<br />

des Glaubens an Jesus« (Röm 3,26).<br />

Von diesem Artikel kann man nicht<br />

weichen oder nachgeben, es falle<br />

Himmel und Erde oder was nicht<br />

bleiben will; denn es »ist kein anderer<br />

Name den Menschen gegeben,<br />

durch den wir selig werden können «,<br />

spricht Petrus (Apg 4,12). Und »durch<br />

seine Wunden sind wir geheilt« (Jes<br />

53,5).« [Luther: Die Schmalkaldischen<br />

Artikel (1537)]<br />

Da haben wir schon eine Antwort:<br />

Luther hat um den rechten, den allein<br />

selig machenden Glauben gekämpft.<br />

Richtig gelesen! Es war nicht seine<br />

Verbohrtheit – es war seine Erkenntnis<br />

des christlichen Lebens, die ihn<br />

zu seiner scheinbaren Härte brachte.<br />

Und es ist heute wie damals gültig.<br />

Man nennt das »Rechtfertigungslehre«,<br />

und wie man aus jedem Gedanken<br />

ein dickes Buch oder gar eine<br />

Bibliothek machen kann, so auch hier.<br />

Es ist schon ein schwerer Satz, den wir<br />

da lesen: »es falle Himmel und Erde,<br />

oder was nicht bleiben will!« Aber<br />

wer diesen Satz verstanden hat, der<br />

hat die ganze Rechtfertigungslehre<br />

begriffen. Es geht um die Existenz<br />

des ratlosen Menschen in dieser<br />

bedrohlichen Welt. Es geht um den<br />

Halt im Leben und Sterben, es geht<br />

um die Hoffnung und den Trost, die<br />

wir im und zum Leben brauchen.<br />

Und zugleich wächst daraus auch die<br />

Freiheit des Menschen, die sich gegen<br />

jeden Zwang und jede Ideologie stellen<br />

kann, auch gegen den Glaubenszwang,<br />

der von einer religiösen oder<br />

politischen Institution ausgehen mag<br />

und auch oft genug und leider auf<br />

schreckliche Weise an verschiedenen<br />

Orten und zu verschiedenen Zeiten<br />

immer wieder ausgegangen ist. »...so<br />

wenig wie ein anderer für mich in die<br />

Hölle oder den Himmel fahren kann,<br />

so wenig kann er auch für mich glauben<br />

oder nicht glauben; und so wenig<br />

er mir Himmel oder Hölle auf- oder<br />

zuschließen kann, so wenig kann er<br />

mich zum Glauben oder Unglauben<br />

treiben.« [Luther: Von weltlicher<br />

Obrigkeit (1523)]<br />

Martin Luther hat gekämpft – er<br />

hat für den rechten, seligmachenden<br />

Glauben gekämpft und sich<br />

nicht dabei geschont, andere hat er<br />

allerdings auch nicht geschont. Uns<br />

trennt ein halbes Jahrtausend – jeder,<br />

der ihn beurteilen will, muss<br />

diese Distanz erst einmal überwinden<br />

– ob das wirklich geht Es ist<br />

schwer. Aber den Kern sollten wir<br />

schon verinnerlichen, denn in Wirklichkeit<br />

– in dieser beschriebenen<br />

Wirklichkeit des geängstigten und<br />

getrosten Herzens –, sind wir gleich<br />

und gleichzeitig. Denn: »Von diesem<br />

Artikel kann man nicht weichen oder<br />

nachgeben, es falle Himmel und<br />

Erde oder was nicht bleiben will«!<br />

Ich konnte hier keine Darstellung<br />

Luthers im allgemeinen geben, will<br />

es auch nicht, ich wollte hier nur<br />

berichten, was Luther für mich ist,<br />

was das Gültige ist über ein halbes<br />

Jahrtausend hin und auch heute<br />

– überkonfessionell – richtig und<br />

hilfreich bleibt.<br />

Dr. Hartwig Grubel ist Pfarrer im<br />

Ruhestand und ehrenamtlich in Alt-<br />

Schmargendorf tätig<br />

Himmel & Erde

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