H&E Ausgabe Juni 2013 - Evangelische Kirchengemeinde Grunewald
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Meine Lieblingsstrophe<br />
Sing, bet und geh auf Gottes Wegen,<br />
verricht das Deine nur getreu, und<br />
trau des Himmels reichem Segen,<br />
so wird er bei dir werden neu, denn<br />
welcher seine Zuversicht auf Gott<br />
setzt, den verlässt er nicht.<br />
(EG 369,7)<br />
Meine aktuelle Lieblingsstrophe<br />
aus dem <strong>Evangelische</strong>n Gesangbuch<br />
erklingt im beschwingten<br />
¾-Takt. Der klassische Aufbau<br />
dieses Chorals nach der Struktur<br />
A-A-B erzeugt einen Spannungsbogen,<br />
der zunächst vorantreibt und<br />
dann in der „Zuversicht“ seinen<br />
Höhepunkt erlebt und damit auf<br />
den Anstoß der Beschwingtheit<br />
hinführt. Das ruhigere Auslaufen<br />
der Melodie bringt Gottes Treue<br />
und Verlässlichkeit zur Sprache<br />
und zeigt damit, dass beschwingte<br />
Es war wie es üblich ist bei<br />
einer Ordination: Nicht nur<br />
der Bischof hat uns unter Handauflegung<br />
zu unserem Dienst als<br />
Pfarrer beauftragt, sondern auch<br />
alle Assistenten, die mit am Altar<br />
standen, gaben uns ein Wort des<br />
Segens mit auf den Weg. Nur einen<br />
Spruch habe ich behalten, kein Bibelwort,<br />
sondern einen Liedvers,<br />
uns von einem Kirchenmusiker<br />
zugesprochen. Die letzte Strophe<br />
des Lieds „Wer nur den lieben Gott<br />
lässt walten“.<br />
„… und trau des Himmels reichem<br />
Segen, so wird er bei dir werden neu.“<br />
Auf meine Aufgaben darf ich mich<br />
fröhlich (singend, betend) einlassen,<br />
hoffen, dass ich dabei dem<br />
Weg Gottes folge und das Meine<br />
mit Treue ausführe. Den Segen<br />
kann ich Gott überlassen, ihm darf<br />
ich vertrauen, dass er es auf seine<br />
Weise gut hinausführen wird. So<br />
kann ich die Erfahrung machen,<br />
Wer nur den lieben Gott läßt walten (EG 369)<br />
Von Jochen Michalek und<br />
Jens-Uwe Krüger<br />
Zuversicht gerade da ermöglicht<br />
wird, wo ich des Grundes, auf dem<br />
ich mich bewege, sicher bin.<br />
Das Vorantreibende der Melodie<br />
artikuliert auch den Grundgedanken<br />
der Strophe, der gleich zweimal<br />
ausformuliert wird: Gott erweist<br />
seinen Segen und seine Treue<br />
dem, der ihn in Anspruch nimmt.<br />
Mit anderen Worten: Gottes Segen<br />
und Treue erschließt sich mir nicht<br />
in der theoretischen Betrachtung<br />
der Wirklichkeit, sondern wird für<br />
mich da sinnfällig, greifbar und<br />
belastbar, wo ich selbst vorangehe<br />
und das Meine „verrichte“.<br />
Das Vertrauen, von dem hier gesprochen<br />
wird, hat rein gar nichts<br />
damit zu tun, sich zurückzuziehen<br />
aus dieser Welt und still abzuwarten,<br />
was Gott nun fügen möge.<br />
Im Gegenteil: In dem, was ich tue,<br />
drückt sich das Vertrauen aus, dass<br />
Gott es – auch durch mich! - fügen<br />
wird.<br />
Deswegen hat mein Tun auch das<br />
Beschwingte und Leichte. Auf meinem<br />
Tun liegt nämlich eine große<br />
Verheißung. Wenn ich auf Gottes<br />
Wegen bin, dann wird aus meinen<br />
bescheidenen Möglichkeiten und<br />
meinem unvollkommenen Wirken<br />
– mit Gottes Hilfe - etwas Großartiges<br />
werden.<br />
Kein Wunder, dass alles mit dem<br />
Singen beginnt, vorzugsweise mit<br />
dem Singen dieser Strophe. Denn<br />
dann weiß ich gleich wieder, dass<br />
ich ein Kind des Himmels bin.<br />
Jochen Michalek<br />
Meine Lieblingsstrophe<br />
dass Gottes Segen „neu“ wird bei<br />
mir: überraschend und unerwartet,<br />
frisch und unverbraucht. Ich<br />
freue mich über die Einladung<br />
dieses Liedverses immer wieder,<br />
weil sie eine gewisse Leichtigkeit<br />
ausstrahlt.<br />
„Vaya con Dios“ – ein Spielfilm<br />
von 2002. Drei Mönche des (fiktiven)<br />
Cantorianer-Ordens machen<br />
sich von ihrem heruntergekommenen<br />
brandenburgischen Kloster zu<br />
Fuß auf den Weg nach Italien zu<br />
ihrem Mutterkloster. Aber der Weg<br />
birgt für jeden der Drei Gefahren,<br />
vom Weg abzukommen und sein<br />
Gott geweihtes Leben aufzugeben.<br />
So wird der Älteste von ihnen von<br />
einem anderen Orden abgeworben.<br />
Um ihn zurückzuholen, tun<br />
die beiden verbliebenen Brüder<br />
das, was sie am besten können:<br />
singen. Sie überreden den Organisten,<br />
dass er im Gottesdienst „Wer<br />
nur den lieben Gott lässt walten“<br />
anstimmen lässt. Diesen Choral<br />
singen die zwei Cantorianer mit<br />
eindrücklichen Solostimmen so<br />
deutlich mit, dass sie schnell von<br />
ihrem abtrünnigen Bruder erkannt<br />
werden. Die Gemeinde überlässt<br />
den Solisten völlig das Feld, so<br />
dass die zwei ihrem Bruder die<br />
Strophen des Liedes zusingen, bis<br />
dieser selber in die letzte Strophe<br />
laut mit einstimmt und zu seinen<br />
Brüdern zurückkehrt.<br />
Feinsinnige Kommunikation<br />
durch ein altes Lied. Am Ende finden<br />
sie sich zusammen wieder auf<br />
„Gottes Wegen“.<br />
Jens-Uwe Krüger<br />
Jochen Michalek ist Pfarrer in der <strong>Grunewald</strong>gemeinde<br />
und Jens-Uwe Krüger ist<br />
Pfarrer in der Lindenkirchengemeinde<br />
<strong>Juni</strong> <strong>2013</strong> 9