H&E Ausgabe Juni 2013 - Evangelische Kirchengemeinde Grunewald
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Titel<br />
„Ohne innere Heimat können wir keine Reisen unternehmen“<br />
Von der Notwendigkeit der Stille vor Gott in Zeiten des Aufbruchs<br />
Der Herr sprach: Geh heraus und<br />
tritt hin auf den Berg vor den<br />
HERRN! Und siehe, der HERR<br />
wird vorübergehen. Und ein großer<br />
starker Wind, der die Berge zerriss<br />
und die Felsen zerbrach, kam vor<br />
dem Herrn her; der HERR aber<br />
war nicht im Winde. Nach dem<br />
Wind aber kam ein Erdbeben, aber<br />
der HERR war nicht im Erdbeben.<br />
Und nach dem Erdbeben kam ein<br />
Feuer, aber der HERR war nicht im<br />
Feuer. Und nach dem Feuer kam ein<br />
stilles, sanftes Säuseln. Als das Elia<br />
hörte, verhüllte er sein Antlitz mit<br />
einem Mantel und ging hinaus und<br />
trat in den Eingang der Höhle...<br />
.(1. Könige 19, 11-13a)<br />
Liebe Andrea, Du bist seit einem<br />
Jahr Spiritualitäsbeauftragte unserer<br />
Landeskirche. Aus welchen<br />
Quellen speist sich dein Engagement<br />
Andrea Richter: Eigentlich gibt es<br />
da nur eine wesentliche zu nennen:<br />
Ich versuche mit Gott, an den ich<br />
glaube, zu leben – von innen, von<br />
meinem „Inneren Menschen“ her.<br />
Dieses Leben mit Gott wurde von<br />
unterschiedlichsten Menschen und<br />
Traditionen durchbuchstabiert.<br />
Ich selbst gehöre einer ökumenisch<br />
offenen Laiengemeinschaft<br />
des Teresianischen Karmel an. Bei<br />
den Karmeliten habe ich viel über<br />
Spiritualität gelernt. „Beten und<br />
beten Lehren“ – so verstehen die<br />
Karmeliten heute ihren Auftrag,<br />
ihr Apostolat.<br />
Die Karmeliten haben ihren<br />
Namen ja von dem Berg Karmel<br />
erhalten. Der Überlieferung nach<br />
hat der Prophet Elia auf dem Berg<br />
Karmel als Einsiedler gelebt.<br />
Andrea Richter: Vor etwa 800 Jahren<br />
ließen sich die ersten Karmeliten<br />
auf dem Berg über der heutigen<br />
Stadt Haifa in Israel nieder,<br />
4<br />
Ein Dialog mit Pfrn. Andrea Richter,<br />
der neuen Spiritualitätsbeauftragten<br />
unserer Landeskirche. Ihr Gesprächspartner<br />
ist Pfarrer Jochen .Michalek<br />
der ihrer Bewegung ihren Namen<br />
geben sollte.<br />
Es war die von Waffen nur so strotzende<br />
Zeit der Kreuzritter. Die<br />
Verwüstungen waren in diesem<br />
Landstrich mit Händen zu greifen.<br />
Die Männer kamen auf den Karmel,<br />
um „die Waffenrüstung Gottes<br />
anzulegen“, wie es in ihrer Ordensregel<br />
heißt. Sie wollten sich mit der<br />
entwaffnenden und entwaffneten<br />
Haltung Jesu wappnen und als<br />
geistliche Gemeinschaft „in der<br />
Gefolgschaft Jesu Christi leben und<br />
ihm mit reinem Herzen und gutem<br />
Gewissen treu dienen“.<br />
Wie muss man sich das praktisch<br />
vorstellen<br />
Andrea Richter: Sie verstanden<br />
sich als „Einsiedler in Gemeinschaft“<br />
und teilten die Erfahrung,<br />
dass die leise Stimme Gottes<br />
besser in der Stille zu finden ist.<br />
So suchten sie die Zurückgezogenheit<br />
einer Klosterzelle. „Jeder<br />
Einzelne soll in seiner Zelle oder in<br />
ihrer Nähe bleiben, Tag und Nacht<br />
das Wort Gottes meditierend und im<br />
Gebet wachend.“ Es gab jedoch auch<br />
einiges an gemeinschaftlichem<br />
Miteinander wie das Essen und<br />
Arbeiten.<br />
Gut für sie, dass sie von der<br />
damaligen Gesellschaft dafür<br />
„freigestellt“ wurden. Aber so<br />
ein Leben kann und will heute ja<br />
kaum noch jemand führen.<br />
Andrea Richter: Dass es nicht die<br />
Klosterzelle allein ist, die dieses<br />
stetige Wachsein vor Gott ermöglicht,<br />
war gewiss bereits den ersten<br />
Eremiten in ihren Gebirgshöhlen<br />
klar. Mit Gott verbunden kann nur<br />
leben, wer sich auch eine „innere<br />
Zelle“ zu bauen und in die „inneren<br />
Wohnungen“ einzukehren<br />
weiß – gleich unter welchen äußeren<br />
Lebensbedingungen. Das<br />
geht natürlich auch im Alltag, aber<br />
manchmal ist es einfacher, wenn<br />
man diesen „Schritt hinaus“ aus<br />
den täglichen Eingebundenheiten<br />
für einen gewissen Zeitraum<br />
auch ganz handfest vollzieht und<br />
sich an einen Ort zurückzieht, wo<br />
man – durchaus in Gemeinschaft<br />
einer Gruppe – allein ist. Hierfür<br />
gibt es in unserer evangelischen<br />
Landeskirche zum Beispiel das<br />
„Kloster Lehnin“.<br />
Manchmal scheint man solch einen<br />
„Schritt hinaus“ zu brauchen,<br />
um am Ende in seinem Innern<br />
Gott zu begegnen. Teresa von<br />
Avila, die große Karmelitin, sagt<br />
zum Beten: Es sei ein „Verweilen<br />
bei Gott wie bei einem Freund, mit<br />
dem wir oft und gerne zusammenkommen,<br />
einfach um bei ihm zu<br />
sein, weil wir sicher wissen, dass<br />
er uns liebt.“ (Vida 8, 5). Schon<br />
von Elia wird erzählt, dass Gott<br />
uns nicht mit imposanten Himmelszeichen<br />
zu überwältigen<br />
sucht, sondern uns dort begegnet,<br />
wo wir den einen Schritt hinaus<br />
treten und sozusagen bei uns<br />
selbst einkehren. Sollten wir uns<br />
auch als moderne Menschen solche<br />
Zeiten der Stille nicht einfach<br />
gönnen<br />
Andrea Richter: Unbedingt! Was<br />
wir im Stillesein bei uns selbst<br />
zu hören bekommen und in Erfahrung<br />
bringen, erlaubt uns<br />
den unabhängigen Blick, eröffnet<br />
Wege jenseits der ausgetretenen<br />
Pfade, entführt aus vermeintlichen<br />
Zwangläufigkeiten und schickt<br />
uns Aufbrüche, die gerade da Not<br />
tun, wo wir uns in Sackgassen<br />
manövriert haben.<br />
Von Elia über die ersten Karmeliten<br />
bis auf den heutigen Tag reicht<br />
die Kette der Menschen, die von<br />
Himmel & Erde