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Dohm, Christian Wilhelm, Ueber die bürgerliche Verbesserung der ...

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sie selbst lesen. Doch einen <strong>die</strong> Hauptsache betreffenden Mendelssohnischen Gedanken,<br />

<strong>der</strong> sehr von Herrn <strong>Dohm</strong> abgehet, kann ich nicht unbemerkt lassen. Herr <strong>Dohm</strong> rechnete<br />

zur Autonomie, <strong>die</strong> er den Juden eingeräumt wissen wollte, auch <strong>die</strong> kirchliche,<br />

inson<strong>der</strong>heit <strong>die</strong>ses, daß sie das Recht <strong>der</strong> Ausschliessung auf gewisse Zeiten, o<strong>der</strong> auf<br />

immer haben, und im Fall <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>setzung das Erkenntniß des Rabbinen durch<br />

obrigkeitliche Beyhülfe unterstützt werden sollte. Dis verlangt nun Mendelssohn nicht<br />

allein nicht für sie, son<strong>der</strong>n glaubt, es gebe gar keine solche kirchlichen Rechte überhaupt,<br />

(<strong>der</strong> Nahme klingt ihm schon unverständlich) jede Gesellschaft habe das Recht <strong>der</strong><br />

Ausschliessung, nur <strong>die</strong> kirchliche nicht, <strong>die</strong> solle niemanden versagen, an <strong>der</strong><br />

gemeinschaftlichen Erbauung, und Unterricht Theil zu nehmen, dis sey ja Besserungsmittel<br />

für ihn. Er setzt noch hinzu: auch einer, <strong>der</strong> nicht alles glaubt, was <strong>die</strong> Kirche annimmt,<br />

wolle doch nicht gern ohne alle äusserliche Religion seyn, ja es könne Schimpf kaum so<br />

ganz davon getrennet werden. - In <strong>die</strong> Frage, ob es über- |81| haupt kirchliche Rechte gebe,<br />

soll ich mich hier wohl nicht einlassen, sie gehört an einen ganz an<strong>der</strong>n Ort: ich glaube sie,<br />

(und das werden <strong>die</strong> meisten Leser auch thun) dabey wissen meine Zuhörer in <strong>der</strong> Moral,<br />

daß ich <strong>der</strong> Kirche über Layen wenig Rechte verstatte, (über ihren besoldeten Diener, den<br />

Lehrer, muß sie mehr haben) daß ich gegen <strong>die</strong> frommen Wünsche einer strengen<br />

Kirchenzucht rede, und das gefährliche <strong>der</strong> Kirchenzucht zeige, sie mag nun aristokratisch<br />

von Geistlichen o<strong>der</strong> democratisch geübt werden, daß ich sogar dem Geistlichen kein Recht<br />

gebe, einen so bekannten Bösewicht, als Judas Ischarioth war, vom heiligen Abendmahl<br />

auszuschließen, weil Christus es nicht gethan hat, wenn er, nur nicht als Spötter und<br />

Entehrer <strong>der</strong> Handlung, hinzugehen will: daß unsere Kirche von ihrem Gottes<strong>die</strong>nst, sofern<br />

er in Gesang, Gebet, und Unterricht besteht, keinen ausschließt, weiß je<strong>der</strong> und ich billige<br />

es von ganzem Herzen. Und nun wird wohl niemand zu wissen verlangen, was ich bey<br />

dem Wi<strong>der</strong>spruch zwischen D. und M. denke, son<strong>der</strong>n als gewiß zum voraussetzen; ich sey<br />

auf <strong>der</strong> gütigern Seite Mendelssohns. Das bin ich doch nicht, son<strong>der</strong>n gewissermaßen in<br />

<strong>der</strong> Mitte. Die Kirche des herrschenden Volks handelte thöricht und hart, wenn sie einen<br />

Irrgläubigen, Ungläub- |82| gen, o<strong>der</strong> Lasterhaften, von ihrem Gottes<strong>die</strong>nst ausschlösse, es<br />

hieße so viel als, dem Kranken <strong>die</strong> Apotheke verbieten; ihn bloß wörtlich zur Beschimpfung<br />

auszuschliessen, hat sie kein Recht, es müßte denn <strong>der</strong> Staat es ihr ausdrücklich verliehen<br />

haben, vom brü<strong>der</strong>lichen Umgang ausschliessen, ist bey ihr ein Nichts, denn <strong>die</strong> allgemeine<br />

Kirche des Volks ist Welt, und <strong>der</strong> Unterschied des Umgangs mit Nebenmenschen und<br />

Nebenchristen wird unsichtbar. Aber ein an<strong>der</strong>es ist es mit einer kleinern bloß geduldeten,<br />

und vom herrschenden Volk geschützten Kirche. Hier treten folgende Umstände ein, <strong>die</strong><br />

das Recht <strong>der</strong> Ausschliessung, bisweilen gar <strong>der</strong> bezeugten gemeinschaftlichen<br />

Verabscheuung, zu ihrer Existenz nothwendig machen.<br />

1) Durch gewisse Verbrechen eines Mitgliedes kann <strong>die</strong> kleine Kirche in den Augen des<br />

Volks beschimpft werden, welches glaubt, es sey nach ihrer Moral, und Folge ihrer<br />

Religion. Wenn jetzt ein Christ seine Stiefmutter heyrathete, und ein schändlicher Prediger<br />

verrichtete noch sogar <strong>die</strong> Trauung: so wäre das Christenthum nicht in den Augen des<br />

Volks beschimpft, denn wir alle sind Christen, und wissen, dis ist nicht nach unserer<br />

Religion, hier ist also <strong>die</strong> Strafe |83| <strong>der</strong> Obrigkeit allein überlassen: aber an<strong>der</strong>s 1 Cor. 5, 1<br />

—5. So lange <strong>die</strong> Corinthier den Blutschän<strong>der</strong> nicht ausschlossen, mußte ihre Religion den<br />

Heiden äusserst schwarz vorkommen.<br />

2) Gewisse Verbrechen eines Einzelnen können <strong>die</strong> Rache des herrschenden Volks gegen sie<br />

reitzen, wenn <strong>die</strong>ser Einzelne noch als Mitglied ihrer Gemeine angesehen wird. Gesetzt, ein<br />

www.deutsch-juedische-publizistik.de – 24 – urn:nbn:de:0230-2009080513

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