Klagemauer in Eschenz - Aktuelle Ausgabe
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Thurgauer Nachrichten | Dienstag, 19. Juni 2012 Region | Seite 5<br />
«Wir s<strong>in</strong>d nur Menschen»<br />
F'FELD Anders Stokholm, Amtsleiter der IV-Stelle Thurgau, im Interview<br />
Stadtrat nimmt Stellung<br />
F'FELD zum Vorwurf Amtsgeheimnisverletzung<br />
Wir berichteten <strong>in</strong> der <strong>Ausgabe</strong><br />
vom12. Juni über die Amtsgeheimnisverletzung<br />
auf dem Sozialamt.<br />
Nun meldetsichder<br />
Stadtrat zu Wort und me<strong>in</strong>t, dass<br />
diese Anschuldigungen haltlos<br />
seien und jeglicher Grundlage<br />
entbehren.<br />
74. We<strong>in</strong>länder<br />
Musiktag<br />
Am vergangenen Dienstagabend<br />
brachte er deshalb e<strong>in</strong>e Stellungnahme<br />
heraus, <strong>in</strong> der folgende<br />
Punkte festgehalten werden.<br />
1. Bei den Sozialdiensten und der<br />
zuständigen Stadträt<strong>in</strong> wurde das<br />
erwähnte Schreiben nie e<strong>in</strong>gereicht.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs haben sie <strong>in</strong>direkt<br />
davon Kenntnis erhalten. Die<br />
<strong>in</strong> diesem Schreiben kritisierte Person<br />
ist seit e<strong>in</strong>em Jahr im Ruhestand<br />
und war die Zeit davor während<br />
drei Jahren nicht mehr im<br />
Schalterdiensttätig.<br />
2. Im November 2011 wurde vonexterner<br />
Seite e<strong>in</strong>e Anzeige betreffend<br />
Amtsgeheimnisverletzung gegen<br />
e<strong>in</strong>e Mitarbeitende der Sozialdienste<br />
erstattet. Am1.Juni 2012<br />
hat die Staatsanwaltschaft e<strong>in</strong>e<br />
Nichtanhandnahmeverfügung erlassen,<br />
weil ke<strong>in</strong>erlei Anzeichen für<br />
e<strong>in</strong>e Straftat festzustellen waren.<br />
3. Die zuständigen Amtsleiter<strong>in</strong> und<br />
Stadträt<strong>in</strong> haben mit den angeschuldigten<br />
Mitarbeitenden der Sozialdienste<br />
mehrere Gespräche geführt,<br />
wobei sich ke<strong>in</strong>e Pflichtverletzungen<br />
ergeben haben.<br />
4. Die Kritik an der räumlichen Ausstattung<br />
von Wartebereich und<br />
STAMMHEIM Bereits zum 74. Mal<br />
wurde der We<strong>in</strong>länder Musiktag<br />
durchgeführt. Die verschiedenen<br />
Musikvere<strong>in</strong>e massen sich bei den<br />
Wettspielen im Schwertsaal und<br />
bei der Marschmusik durchs Dorf.<br />
Im Festzelt sorgten die Vere<strong>in</strong>e für<br />
gute Unterhaltung und die zahlreichen<br />
fleissigen Helfer für das<br />
leibliche Wohl der Besucher.<br />
Bilder: Michèle Fröhlich<br />
SchalterbeidenSozialdienstentrifft<br />
nicht zu. Der Raum mit e<strong>in</strong>er Länge<br />
von 4.55 Meter und e<strong>in</strong>er Breite<br />
von 2.65 Meter könnte wohl grösser<br />
se<strong>in</strong>, im Grundsatz ist eraber<br />
vergleichbar mit e<strong>in</strong>em Bankschalter.<br />
UndBankschalter gelten als diskret,<br />
obwohl e<strong>in</strong>e gewisse Öffentlichkeit<br />
gegeben ist.<br />
5. Was die Anmeldungen <strong>in</strong>klusive<br />
Aufnahme von Personalien sowie<br />
e<strong>in</strong>e Beratung mit Sozialarbeitenden<br />
betrifft, sowerden diese immer<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em separaten Zimmer<br />
durchgeführt.<br />
6. F<strong>in</strong>anzielle Unterstützungen<br />
werden vom Grundsatz her immer<br />
via Bank überwiesen, was bei rund<br />
520 Personen der Fall ist. Lediglich<br />
<strong>in</strong> rund 40 Fällen ist esaus besonderen<br />
Gründen angezeigt, die Auszahlung<br />
des Wochengeldes am<br />
Schalter vorzunehmen.<br />
7. Die Sozialdienste erbr<strong>in</strong>gen ihre<br />
Dienstleistungen im Spannungsfeld<br />
zwischen Hilfe und Unterstützung<br />
und dem gesellschaftlichen<br />
Auftrag zur Kontrolle der verordneten<br />
Zwangsmassnahmen <strong>in</strong>sbesondere<br />
imBereich K<strong>in</strong>des- und Erwachsenenschutz.<br />
Dabei gilt es oft<br />
Entscheide durchzusetzen, die bei<br />
den Betroffenen zu Frustration führen,<br />
weil sie nicht deren Erwartungen<br />
entsprechen. Damit verbunden<br />
sehen sich die Mitarbeitenden<br />
der Sozialdienste <strong>in</strong> zunehmenden<br />
Mass <strong>in</strong>sbesondere am<br />
Schalter mit Ausfälligkeiten oder<br />
Drohungen konfrontiert. pd<br />
Immer wieder wird die kantonale<br />
IV-Stelle <strong>in</strong>s schlechteLicht<br />
gerückt: Die Gelder werdenungerecht<br />
verteilt, grundlos gestrichen<br />
oder erst nachüber 10<br />
Jahren ausgehändigt. Anders<br />
Stokholm stellt sichdiesen Vorwürfen.<br />
Nach dem Bericht <strong>in</strong> den Thurgauer<br />
Nachrichten «Kampf umdie<br />
IV-Rente verloren» vom 29. Mai<br />
2012 g<strong>in</strong>gen bei uns verschiedene<br />
Leserbriefe e<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>e Leser<strong>in</strong> beschreibt,<br />
dass ihre IV-Rente willkürlich<br />
gestrichen wurde. Das Verwaltungsgericht<br />
lehnte ihre Beschwerde<br />
mit der Begründung ab,<br />
dass sie seit 10 Jahren krank sei und<br />
sichsomitmitderKrankheitundden<br />
Schmerzen arrangieren konnte, um<br />
wieder 80 Prozent arbeiten zu können.<br />
Das Verfahren g<strong>in</strong>g vor Bundesgericht<br />
mit dem Resultat, dass<br />
sie nach wie vor Anspruch auf e<strong>in</strong>e<br />
halbe Rentehat.<br />
Anders Stokholm, geschehen solche<br />
Fehler öfters<br />
Es kann schon mal vorkommen, dass<br />
wir falsch entscheiden. Das Verfahren<br />
ist gesetzlich gegeben, doch<br />
im Entscheid haben wir e<strong>in</strong>en gewissen<br />
Spielraum, vor allem wenn<br />
unterschiedliche ärztliche Gutachten<br />
vorliegen. Dann kann es vorkommen,<br />
dass das Gericht sagt, dass<br />
wir dies zu wenig abgeklärt haben.<br />
Aber auch das Verwaltungsgericht,<br />
wie <strong>in</strong> diesem Fall, kann sich täuschen<br />
und es geht vor Bundesgericht.<br />
Der Betroffene leidet aber unter<br />
solchen Fehlentscheidungen.<br />
Wenn wir denn überhaupt falsch<br />
entschieden haben. Vor Bundesgericht<br />
gibt es ganz selten Fälle, die<br />
wieder zu uns zurückkommen. War<br />
es e<strong>in</strong> Fehlentscheid, wird die Rente<br />
rückwirkend ausgezahlt.<br />
Aber während dem Verfahren erhält<br />
der Betroffene ke<strong>in</strong> Geld<br />
Von der IV auf jeden Fall nicht. Allenfalls<br />
beziehen Betroffene Sozialgelder.<br />
Anzeige<br />
Können Sie h<strong>in</strong>ter diesem Verfahren<br />
stehen<br />
Ja. Wir haben die schwierige Aufgabe,<br />
die Berechtigten von den Unberechtigten<br />
zu unterscheiden. Wir<br />
s<strong>in</strong>d nicht perfekt, aber wir haben<br />
e<strong>in</strong>e Entscheidung zu treffen.<br />
Ist dieses Problem lösbar<br />
Wären wir alle Masch<strong>in</strong>en ja, aber<br />
wir s<strong>in</strong>d Menschen. Da gibt es ke<strong>in</strong>e<br />
re<strong>in</strong>e Objektivität. Da wir <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Team entscheiden, versuchen<br />
wir die Subjektivität zu begrenzen.<br />
Es ist auch <strong>in</strong>dividuell, wie jemand<br />
mit e<strong>in</strong>em Leiden umgeht, das<br />
macht unsere Arbeit nicht e<strong>in</strong>facher.<br />
Kann ich die IV h<strong>in</strong>tergehen<br />
Man kann uns allenfalls etwas vorspielen.<br />
Doch früher oder später<br />
kommt es ans Licht. Vorallem heutzutage<br />
gibt es Methoden, um herauszuf<strong>in</strong>den,<br />
ob gewisse Leiden,<br />
die auf e<strong>in</strong>em Röntgenbild nicht<br />
nachzuweisen s<strong>in</strong>d, echt s<strong>in</strong>d.<br />
Viel mehr Zeit zu Hause verbr<strong>in</strong>gen. Es fälltvieles leichter im Leben,<br />
wenn Sie auf Ihre Bank zählen können. Wirvon der Thurgauer Kantonalbank<br />
kennen und verstehen Ihre Bedürfnisse genau. Weil wir wie Sie im<br />
Thurgau verwurzelt s<strong>in</strong>d. Deshalbkönnen Sie sichdarauf verlassen, <strong>in</strong><br />
jeder Lebensphase ehrlich, engagiertund kompetent beraten zu werden.<br />
Das macht uns zu der Bank für alle Thurgauer<strong>in</strong>nen und Thurgauer.<br />
www.tkb.ch<br />
E<strong>in</strong> weiteres Beispiel: E<strong>in</strong>e Frau<br />
bezieht IV, möchte es aber versuchen<br />
zu arbeiten, es geht nicht<br />
und schliesslich erhält sie ke<strong>in</strong>e<br />
IV-Gelder mehr. Wieso<br />
Wenn e<strong>in</strong>e Person für e<strong>in</strong>e gewisse<br />
Zeit arbeiten konnte, hat sie den Beweis<br />
erbracht, dass sie etwas machen<br />
kann. Dann stellt sich die Frage,<br />
wieso dies nicht auch <strong>in</strong> Zukunftgehen<br />
soll.<br />
Dann ist man ja blöd, wenn man<br />
arbeiten geht!<br />
Wir gehen die Dossiers bei den Revisionen<br />
durch und nehmen die Diagnose<br />
unter die Lupe. Unser Ziel<br />
ist, es möglichst viele <strong>in</strong> die Arbeitswelt<br />
e<strong>in</strong>zugliedern. Deshalb<br />
s<strong>in</strong>d wir auchsoerpicht darauf, vor<br />
e<strong>in</strong>e IV-Zusprache <strong>in</strong> die E<strong>in</strong>gliederung<br />
zu <strong>in</strong>vestieren.<br />
Deshalb auch die unterschiedliche<br />
Länge der Verfahren<br />
Die Dauer ist von vielen Bed<strong>in</strong>gungen<br />
abhängig. E<strong>in</strong>ige kommen<br />
mit unvollständigen Dossiers und<br />
haben manchmal nicht mal e<strong>in</strong>en<br />
Arzt. Wer mehrere Leiden hat, für<br />
den müssen mehrere ärztliche Gutachten<br />
e<strong>in</strong>geholt werden. Das E<strong>in</strong>gliederungsverfahren<br />
kommt h<strong>in</strong>zu.<br />
In jedem Fall versuchen wir aber,<br />
möglichst schnell e<strong>in</strong>e Lösung zu<br />
f<strong>in</strong>den.<br />
Wieso entsteht der E<strong>in</strong>druck, dass<br />
die IV-Gelder ungerecht verteilt<br />
werden<br />
Viele Leute haben e<strong>in</strong>e falsche Vorstellung<br />
davon, wie e<strong>in</strong> IV-Bezüger<br />
aussieht oder was erhaben muss.<br />
Vor allem bei psychischen Krankheiten<br />
kommt dies häufig zum Ausdruck,<br />
weil diese von aussen nicht<br />
sichtbar s<strong>in</strong>d. IV-Bezüger müssen<br />
aber nicht zw<strong>in</strong>gend bl<strong>in</strong>d se<strong>in</strong> oder<br />
im Rollstuhl sitzen. Und nicht jeder,der<br />
im Rollstuhl sitzt oder bl<strong>in</strong>d<br />
ist, bezieht e<strong>in</strong>e IV-Rente.<br />
Wie gehen Sie persönlich mit dem<br />
schlechten Image der IV um<br />
Das istnicht immer lustig und kann<br />
auch demotivierend se<strong>in</strong>. Ich denke,<br />
dass das Image imMoment so<br />
schlecht ist, weil wir uns <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Wandel bef<strong>in</strong>den. Wir gehen weg<br />
von e<strong>in</strong>er IV, die vor allem Renten<br />
gesprochen hat, h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>er IV, die<br />
<strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie E<strong>in</strong>gliederung macht.<br />
Da werden noche<strong>in</strong>igeFronten aufe<strong>in</strong>ander<br />
treffen.<br />
mfr<br />
MEHR HÖHENFLÜGE,<br />
MEHR VOM LEBEN.