(PDF) | Ausgabe Dezember 2008/ Januar 2009 - Compliance
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6 | Recht & Rechtsprechung<br />
FORTSETZUNG VON SEITE 1<br />
Falsche Signale aus Brüssel<br />
stabil wie möglich zu halten. Die Höhe des<br />
Bußgeldes begründet EU-Kommissarin Neelie<br />
Kroes mit der Größe des Marktes, der<br />
Schwere der Zuwiderhandlung sowie der Beteiligung<br />
von Saint-Gobain an früheren Verstößen.<br />
Unpräzise Grundlagen<br />
Der neue Rekord kommt zu einer Zeit, in der<br />
die Kritik an der Kommission wächst: Erst im<br />
September hatte die Rechtsanwaltskanzlei<br />
Gleiss Lutz eine Studie veröffentlicht, in der<br />
Umstritten: Neelie Kroes, EU- Wettbewerbskommissarin,<br />
im medienwirksamen Kampf für die Verbraucher<br />
unter anderem die unpräzisen rechtlichen<br />
Grundlagen und Kriterien für die Bußgeldbemessung<br />
moniert werden. Zahlreiche Praktiker<br />
wie Dr. Peter Herbel, Chefjurist von Total,<br />
Dr. Klaus Moosmayer, Leiter des <strong>Compliance</strong>-<br />
Programms von Siemens, und Prof. Dr. Karl<br />
Hofstetter, Chefjurist der Schweizer Schindler<br />
Holding, schlossen sich Medienberichten<br />
zufolge der Kritik an.<br />
„Im Grunde dreht sich die Diskussion um<br />
die extrem großen Ermessensspielräume der<br />
Kommission. Zwar gibt es ein Schema, aber<br />
je nachdem, welche Annahmen zugrunde gelegt<br />
werden, lässt sich fast jeder Betrag rechtfertigen“,<br />
meint Anne Federle, Kartellrechtsexpertin<br />
bei der Rechtsanwaltskanzlei Linklaters<br />
in Brüssel.<br />
EU-Kommission<br />
Präventivmaßnahmen belohnen<br />
Viele <strong>Compliance</strong>-Verantwortliche erzürnt<br />
besonders, dass die <strong>Compliance</strong>-Bemühungen<br />
von Unternehmen bei der Bußgeldbemessung<br />
weder auf europäischer noch auf<br />
nationalstaatlicher Ebene eine Rolle spielen.<br />
„Damit senden die Aufsichtsbehörden die<br />
vollkommen falschen Signale“, kritisiert zum<br />
Beispiel Dr. Michael Herrmann, CCO der<br />
Bayer AG (siehe auch S. 3), und auch Hofstetter<br />
meint: „Die Bemühungen der Konzerne,<br />
Verstöße zu verhindern, müssen berücksichtigt<br />
werden“.<br />
Doch tatsächlich ist derzeit eher das<br />
Gegenteil der Fall: <strong>Compliance</strong>-Programme<br />
können die kartellrechtlichen Risiken sogar<br />
erhöhen. Denn, so heißt es in der Studie von<br />
Gleiß Lutz: „Die meisten <strong>Compliance</strong>-<br />
Programme drohen Angestellten mit ernsthaften<br />
Konsequenzen und Sanktionen, sollten<br />
sie sich an Kartellen beteiligen. Daher ist<br />
es in Unternehmen mit <strong>Compliance</strong>-Programmen<br />
wesentlich schwieriger, die Angestellten<br />
für eine Zusammenarbeit zu gewinnen<br />
und Einzelheiten des Kartells zu offenbaren.“<br />
Die Rechtsanwälte fordern daher,<br />
dass die Strafbemessung weniger auf die<br />
reine Abschreckung setzen, sondern stattdessen<br />
vielmehr Präventivmaßnahmen unterstützen<br />
solle.<br />
Vorbild Kanada<br />
Ein immer wieder vorgebrachtes Gegenargument<br />
ist, dass es schwierig sei, die Anforderungen<br />
an ein adäquates <strong>Compliance</strong>-System<br />
ausreichend zu definieren. Federle hält dagegen,<br />
dass dies in anderen Rechtssystemen<br />
längst geschehen sei: „Beispielsweise hat die<br />
kanadische Kartellbehörde detaillierte Richtlinien<br />
veröffentlicht und bietet den Unternehmen<br />
so eine sehr gute Orientierung. Ich<br />
sehe keinen Grund dafür, warum dies in<br />
Europa nicht möglich sein sollte.“<br />
Viele europäische Unternehmen würden<br />
diesen Anforderungen derzeit allerdings<br />
nicht genügen, so Federle. Im Wesentlichen<br />
sieht sie derzeit drei Defizite: „Erstens führen<br />
viele Unternehmen einmalig Schulungen<br />
durch, frischen diese dann aber nicht auf<br />
oder schulen nicht systematisch neue Mitarbeiter.<br />
Zweitens fehlt oft die Überwachung.<br />
Nur schulen, aber dann die Einhaltung nicht<br />
kontrollieren, ist gefährlich. Drittens berücksichtigen<br />
viele Unternehmen zu wenig, dass<br />
für den einzelnen Mitarbeiter oft Zielkonflikte<br />
bestehen. Muss ein Vertriebler die Preise<br />
um 10 Prozent erhöhen, um einen Bonus zu<br />
erhalten, sollte vor Auszahlung des Bonus<br />
auch nachgefragt werden, wie er das Ziel erreicht<br />
hat. Ansonsten helfen auch die besten<br />
Schulungen der Welt nicht weiter.“<br />
Ernsthafte Reformbestrebungen sieht Federle<br />
derzeit allerdings nicht. „EU-Kommissarin<br />
Neelie Kroes gefällt sich sehr gut in ihrem<br />
erbitterten Kampf für die Rechte der Verbraucher.<br />
Die gigantischen Bußgelder sind<br />
dabei sehr medienwirksam.“ Außerdem sollte<br />
man nicht vergessen, dass die Strafen, seit<br />
2003 fast 9 Milliarden Euro, direkt in die EU-<br />
Kasse fließen. Dennoch: „Die Diskussion ist<br />
angestoßen. Die Kommission wird sich der<br />
Kritik stellen müssen“, so Federle. <br />
IMPRESSUM<br />
<strong>Compliance</strong><br />
<strong>Dezember</strong> <strong>2008</strong> | <strong>Januar</strong> <strong>2009</strong><br />
Kommentar<br />
Blauäugig<br />
Nichts sehen, nichts<br />
hören, nichts sagen.<br />
Jahrzehntelang saßen<br />
die KPMG-Prüfer bei<br />
Siemens wie die drei<br />
berühmten Affen.<br />
Schwarzgeldkonten<br />
und Bestechung aufdecken<br />
Das war<br />
nicht Teil des Prüfungsauftrages. Und<br />
außerdem nicht gut für das Geschäft.<br />
Nun hat KPMG das profitable Mandat<br />
doch verloren. „Ein Signal im Sinne einer<br />
bestmöglichen Corporate Governance“,<br />
so begründet Siemens den Prüferwechsel.<br />
Im Vergleich zu Siemens sind die blinden,<br />
tauben und stummen Prüfer mit einem<br />
blauen Auge davongekommen, denn<br />
haften müssen sie nicht. Das Governance-<br />
Signal sollten sie trotzdem wahrnehmen.<br />
Denn die Daseinsberechtigung der<br />
Prüferzunft ergibt sich nicht aus der<br />
gutgläubigen Testatsunterzeichnung,<br />
sondern aus dem kritischen Hinterfragen –<br />
egal was im Prüfungsauftrag steht.<br />
kas<br />
Haben Sie Anregungen, Fragen oder<br />
Kritik Über Ihr Feedback freuen wir uns.<br />
Katharina Schlüter (kas)<br />
Verantwortliche Redakteurin<br />
Telefon: (030) 44 03-51 10<br />
Telefax: (069) 75 91-32 24<br />
E-Mail: schlueter@finance-magazin.de<br />
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Bezugspreis Jahresabonnement: kostenlos<br />
Erscheinungsweise<br />
monatlich (10 <strong>Ausgabe</strong>n im Jahr)<br />
Anzeigenvertrieb: Sylvia Daun<br />
Telefon: (069) 75 91-14 82<br />
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Layout: Daniela Seidel<br />
Mitherausgeber: Marsh GmbH, Pricewaterhouse-<br />
Coopers AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft,<br />
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