Lesestoff-Jahresausgabe 2012 - GamersGlobal
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Szene aus Dragon’s Dogma: Die Dialektik von Schicksal und Selbstbestimmung ist das Hauptthema des Rollenspiels.<br />
Ein Spiel – eine Myriade<br />
künstlerischer Ausdrucksformen<br />
Wir haben festgestellt, dass Spiele gerne religiöse, politische<br />
oder zumindest popularphilosophische Ideen thematisieren.<br />
Es lässt sich nun folgern, dass die Kunst – wie<br />
scheinbar seit jeher in der Geschichte – das Vehikel ist,<br />
mit dem diese Ideen suggeriert werden. Dabei beinhaltet<br />
der Begriff Kunst ein ganzes Konglomerat mannigfaltiger<br />
Ausdrucksformen. Musik und Geräusch-Entwicklung,<br />
Gesang, Schauspielerei, Malerei, Architektur und Literatur<br />
(von Poesie über Novellistik bis hin zum Screenwriting)<br />
– alle möglichen Gattungen der freischaffenden<br />
Künste sind in Spielen vertreten. Hinzu kommen noch<br />
expressiver Tanz, Akrobatik und Stunts im Rahmen das<br />
Motion-Capturing, was auf der ohnehin respektablen<br />
Liste oftmals übersehen wird.<br />
Kunst bahnt sich ihren Weg<br />
ungeachtet ihrer Kritiker<br />
Ein Spiel ist meines Erachtens nicht nur Kunst, sondern<br />
die höchste und edelste Ausdrucksform von Kunst, die<br />
es derzeit gibt. Im Vergleich zu herkömmlichen Medien<br />
vereint es die bisher größte Anzahl der oben genannten<br />
Facetten des Kunstbegriffs innerhalb eines einzigen<br />
Mediums. Damit hat das Videospiel sogar den Film als<br />
bisher reichhaltigstes kulturelles Sprachrohr abgelöst.<br />
Hinzu kommt, dass ein Spieler nicht nur im Stadium<br />
eines passiven Betrachters, Lesers oder Zuhörers verharrt,<br />
sondern durch die Interaktion des Mediums selbst<br />
ein Teil des Kunstwerks wird. Mit jedem Atemzug des<br />
Alter Egos atmet auch der Spieler die Wünsche, Hoffnungen,<br />
Träume, Ängste und Alpträume all der Künstler, die<br />
am Schöpfungsprozess des Werkes beteiligt waren. Und<br />
gleichzeitig modelliert er die digitale Welt durch die Art<br />
wie er agiert und reagiert und sich dem Spiel auf ganz<br />
individuelle Weise hingibt.<br />
An ein und demselben Ort im Spiel mag der erste Spieler<br />
über eine traurige Wendung der Handlung nachdenken.<br />
Ein zweiter verbessert seine Ausrüstung und Statuswerte.<br />
Wieder ein anderer will an dieser Stelle einfach nur<br />
den Sonnenuntergang bewundern. Ein vierter mag komplett<br />
innehalten, die Pausetaste drücken und sich fragen,<br />
warum er so gerne spielt, und was der realen Welt verlorengegangen<br />
ist, das er in Spielen zu finden scheint.<br />
Es mag ihn zu Tränen rühren, obwohl er sich nicht erklären<br />
kann, warum. Manche Erfahrungen lassen sich<br />
nicht in Worte kleiden – man erlebt sie, atmet sie ein<br />
und verinnerlicht sie und schreitet dann wieder fort in<br />
den Lebensalltag – vielleicht mit einer neuen Perspektive.<br />
Am Ende mögen sich die Wege aller vier Spieler<br />
wieder trennen. Und auch wenn sie vielleicht niemals<br />
beschreiben können, was sie im Einzelnen so bewegt<br />
und fasziniert hat, steht eines fest: das Kunstwerk hat zu<br />
ihnen gesprochen. Kunst – als kulturelles Ereignis – ist<br />
wieder einmal geschehen. Sie wird es immer tun, weil<br />
sie es im Laufe der Geschichte immer getan hat. Wie ein<br />
reißender Strom bahnt sie sich ihren Weg wo und wann<br />
und mit welchen Mitteln sie will.<br />
Und ja, Freunde der Kultur und des guten Geschmacks,<br />
wenn sie sich dazu entschließt, dann sogar im unorthodoxen<br />
Gewand eines modernen Computerspiels.<br />
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<strong>Lesestoff</strong> 4/<strong>2012</strong> Videospiele: „Das soll Kunst sein!“ Seite 213