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Lesestoff-Jahresausgabe 2012 - GamersGlobal

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dennoch freudestrahlend und euphorisch bleiben konnte<br />

– der hatte das Essentielle der digitalen Revolution ins<br />

Kinderzimmer geholt. Ich wurde damals von einem Virus<br />

infiziert, das mich bis heute im Bann hält.<br />

Die typische „Karriere“ eines Computerspielers meiner<br />

Generation sieht so aus: Erster Computer C64. Später<br />

Amiga 500, irgendeine (oder mehrere) Konsolen kommen<br />

dazu, vielleicht das Flaggschiff der beginnenden<br />

90er, das Super Nintendo Die CD-Ära teilen sich meist<br />

Playstation und PC, wobei später der PC zum Alleinherrscher<br />

im Kinder... oder besser Jugendzimmer wird. Bei<br />

nicht wenigen sind erste Ausbildungsgehälter kontinuierlich<br />

in die Aufrüstung des PCs geflossen. Als AMD und Intel<br />

sich um die Jahrtausendwende das große Megahertz-<br />

Rennen liefern, kann man alle 2 Monate einen neuen,<br />

wieder um 200 MHz schnelleren Athlon kaufen. Damals<br />

heizte DOOM (Man darf es wieder schreiben!!!) noch<br />

nicht den Gemütern scheinheiliger Politiker, sondern der<br />

völlig überforderten Grafikkarte ein – Ersatz musste her!<br />

Als ich in der Mittelstufe – das war so Mitte der 90er<br />

Jahre – Informatik als Wahlfach belegte, saß ich noch<br />

mit wenigen „Freaks“ zusammen im Unterricht – um<br />

zu erkennen, dass ich das, was uns auf den 14-Zoll-<br />

Röhrenmonitoren präsentiert wurde, längst in Eigenregie<br />

gelernt hatte. Auch hier war die Welt noch ein wenig klarer<br />

strukturiert: Informatik-Kenntnisse, Computerspiele<br />

und ein „Nerd“-Image waren in meiner Jugend nicht der<br />

beste Weg, um damit Mädchen zu beeindrucken, auch<br />

wenn Matthew Broderick in Wargames zeigte, dass auch<br />

das manchmal klappen kann. Auch wenn auf der „Fusion<br />

LAN“, einer großen Netzwerkparty im Dezember 2002,<br />

schon ein kleiner, aber erkennbarer Frauenanteil unter<br />

den knapp 1000 Teilnehmern war, ja sogar ein Frauen-<br />

Clan die meisten männlichen Zocker in die CounterStrike-Grenzen<br />

verwies – die Attraktion auf der Bühne, eine<br />

Stripperin im Nikolaus-Outfit, brachte die Menge zwar<br />

zum Feiern, den „Glücklichen“, der auf die Bühne durfte<br />

aber eher zum Erröten und Stottern.<br />

Seit Jahren nun schon sind Videospiele und -spieler in<br />

der Mitte der Gesellschaft angekommen. Spiele verkaufen<br />

sich besser als Hollywood-Blockbuster, dank Casual-<br />

Produkten werden auch Menschen vor die Bildschirme<br />

gelockt, an denen die gesamte digitale Revolution bisher<br />

vorbeigegangen ist. Darüber hinaus ist auch die allem<br />

digitalen anhaftende „Nerd“-Kultur salonfähig geworden.<br />

Gab es in meiner Jugend tatsächlich noch das Klischee<br />

„Computerfreak“, so darf sich heute jeder als Spieler oder<br />

IT-Bastler outen, ohne im gesellschaftlichen Abseits zu<br />

landen. Schulalltag war damals härter! Gipfeln tut der<br />

neue Chic der „Nerd“-Kultur darin, dass sogar die Modewelt<br />

einstmals verhasste Stile entdeckt und ausgebeulte<br />

Chino-Hosen, Superhelden-T-Shirts oder dicke Brillen<br />

zum Schlager der Saison erklärt. Und zum Schluss zeigen<br />

Leonard, Sheldon und Co., dass die Loser von einst<br />

heute die Winner sind (wow, ein Bob Dylan-Zitat ˆˆ).<br />

„The Great Giana Sisters“.<br />

Dieser neue Chic zieht natürlich eine weitaus größere<br />

Masse von Leuten an – Mainstream überzeugt eben<br />

leichter. Ich arbeite im Marketing, in der so genannten<br />

„Kreativ-Branche“ – das lockt natürlich immer wieder<br />

sehr junge Menschen (aka Schüler), die ein Praktikum in<br />

diesem interessanten Bereich machen wollen. Es stand<br />

mal ein 16jähriger Schüler mit einem Stapel kopierter<br />

Unterlagen vor mir, und auf seinem T-Shirt prangte in<br />

bunten 80er-Farben die Risszeichnung eines C64.<br />

Ich: „Ach, der gute alte Brotkasten“<br />

Er: „Wie Brotkasten“<br />

Ich: „Na, der C64 auf deinem T-Shirt“<br />

Er: „“<br />

Ich: „So einen Computer hatte ich Ende der 80er Jahre“<br />

Er: „Ach, das ist ein Computer Ich dachte das wäre nur<br />

so ein Muster...“<br />

Immer, wenn eine Gruppe von Menschen das Gefühl<br />

bekommt, ihre Profession, ihre Leidenschaft oder einfach<br />

nur ihr Hobby wird plötzlich von Leuten wahrgenommen,<br />

die sich vormals gar nicht dafür interessierten,<br />

dann kommen gewisse Abgrenzungshaltungen ins Spiel.<br />

Das mussten die Profi-Fotografen durchmachen, als digitale<br />

Spiegelreflexkameras plötzlich auf Normalverdiener-<br />

Preisniveau sanken, das kennen die Bewohner kleiner<br />

Urlaubsorte, die – vormals Geheimtipp – vom Massentourismus<br />

entdeckt werden, und das reicht sicherlich zurück<br />

zu den ersten Menschen, die ihr Wissen über die ertragreichsten<br />

Äcker nur Stammesmitgliedern verrieten, im<br />

Wissen, dass sich sonst Massen Anderer in ihrer Gegend<br />

niedergelassen hätten.<br />

<strong>Lesestoff</strong> 4/<strong>2012</strong> Weißt du noch . . . Seite 6

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