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1 Gestalt-Wandel, Gestalttherapeutische Praxis, Bettina Binder, Dr ...

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einzeln getroffen, nicht als für den Rückfall relevant erkannt werden, sind kritische<br />

Bestandteile von Verhaltensketten, die zu rückfallgefährlichen Situationen bzw. einem Rückfall<br />

führen können (z. B. Die Entscheidung, am Bahnhof die Semmeln zu holen, weil diese besonders<br />

gut sind).<br />

– Kenntnis angemessener Strategien zur Bewältigung dieser rückfallkritischen Situation und<br />

Fähigkeit, diese anzuwenden führt zur Steigerung des Gefühls der individuellen Kontrollfähigkeit<br />

und der Erwartung, auch die nächst auftretende Situation erfolgreich meistern zur können.<br />

– Wenn keine angemessenen Strategien zur Erkennung und Bewältigung der kritischen<br />

Situationen vorhanden sind vermindert sich die Wahrnehmung der Selbsteffizienz (Einschätzung<br />

der eigenen Fähigkeiten). Dies ist häufig gekoppelt an ein gesteigertes Gefühl der Hilflosigkeit und<br />

der Resignation. Mit verminderter Selbsteffizienz sinkt auch die Erwartung, zukünftig schwierige<br />

Situationen bewältigen zu können. Erwartet die/der Abhängige in solchen Momenten vom Alkohol<br />

Bewältigungshilfen, so steigt die Wahrscheinlichkeit für einen Rückfall.<br />

Ist es „zum ersten Schluck“ („lapse“) gekommen, so hängt es von weiteren Faktoren ab, ob sich<br />

daraus die Wiederaufnahme des früheren Trinkverhaltens („relapse“) entwickelt.<br />

– „lapse“ löst Mechanismus des „Abstinenz – Verletzungs – Effektes“ (AEV) aus. Aufgrund der<br />

Unvereinbarkeit der früheren Absicht, abstinent zu bleiben, kommt es zu Konflikt- und<br />

Schuldgefühlen. In dem Maße, in dem die/der Abhängige früher Alkohol als<br />

Bewältigungsstrategie für konfliktreiche Situationen oder Schuldgefühle eingesetzt hat, steigt die<br />

Wahrscheinlichkeit, nach einem „lapse“ auf diese früher gelernten Verhaltensweisen<br />

zurückzugreifen.<br />

– Weiterer Bestandteil des AEV ist die Ursachenzuschreibung. Wird die Ursache eines „lapse“ in<br />

der eigenen Willensschwäche oder dem eigenen Versagen zugeschrieben, so steigt damit auch<br />

die Erwartung an zukünftige Fehlschläge, was wiederum die eigene Wahrnehmung der<br />

verminderten Kontrollfähigkeit steigert.<br />

Auf diese Weise bewegt sich die/der Abhängige im Sinne einer Spirale abwärts, die sich nach<br />

unten hin zunehmend verengt. Der Ausstieg aus dieser Rückfallspirale ist zu jeder Zeit möglich<br />

und sollte so früh wie möglich unterstützt werden.<br />

– gedankliche und emotionale Prozesse (Gedanken, dass man vielleicht doch kontrolliert trinken<br />

könne, dass man keine Entzugssymptome und kein Verlangen nach mehr Alkohol bei sich<br />

feststelle, dass man sich Vorwürfe wegen dieses Fehltritts macht oder dass man Triumphgefühle<br />

erlebt, weil das „kontrollierte“ oder „normale“ Trinken bei einem doch gehe)<br />

Ein schwerer Rückfall ist nach dieser Theorie also die Folge der gedanklich-gefühlmäßigen<br />

Verarbeitung des „Ausrutschers“ – und damit eine sich selbst erfüllende Prophezeiung: Die/der<br />

Abhängige sagt sich nach dem „ersten Schluck“: „Es hat ja eh` keinen Sinn mehr“ - und verhält sich<br />

dem entsprechen (vgl. KÖRKEL, 1998, S. 30 f).<br />

Möglicher Umgang in der <strong>Praxis</strong><br />

Hindernisse sind die schrecklichen<br />

Dinge, die wir sehen, wenn wir das<br />

Ziel aus den Augen verlieren.<br />

Es liegt also nahe, dass es nicht der „alkoholkranke Körper“ ist, der das erste Glas zum<br />

ausgewachsenen Rückfall werden lässt. Entscheidend dafür, wie es nach dem „ersten Schluck“<br />

weitergeht, scheinen vielmehr gedankliche und emotionale Prozesse zu sein.<br />

Folgende Prozesse, die „im Kopf und Herzen“ der/des Abhängigen laufen, sollten<br />

berücksichtigt und individuell bearbeitet werden.<br />

– Die/der Abhängige glaubt, dass eigene Willensschwäche oder Unfähigkeit zur Abstinenz der<br />

maßgebliche Grund dafür ist, dass es zum „ersten Schluck“ gekommen ist.<br />

– Sie/er ist davon überzeugt, dass sie/er ihr/sein Trinkverhalten ohnmächtig gegenübersteht. („Da ist<br />

sowieso nichts mehr zu ändern: Es ist wieder so weit, dass ich abstürze!“)<br />

– Sie/er wird von Schamgefühlen und Schuldgefühlen geplagt, weil sie/er sich als Versager sieht und<br />

sich Vorwürfe macht.<br />

8 <strong>Gestalt</strong>-<strong>Wandel</strong>, <strong>Gestalt</strong>therapeutische <strong>Praxis</strong>, <strong>Bettina</strong> <strong>Binder</strong>,<br />

<strong>Dr</strong>-Gessler-Str. 18, 93051 Regensburg, www.gestalt-wandel.de

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