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Recht und Praxis SCHOTEC - Beiten Burkhardt

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<strong>Recht</strong> <strong>und</strong> <strong>Praxis</strong><br />

damit für die Entscheidung über die Baugenehmigung<br />

bestimmend ist. Dagegen<br />

eröffnet sie nicht generell die Möglichkeit, in<br />

öffentlich-rechtlicher Form Verpflichtungen<br />

auch dann zu übernehmen, wenn hierfür<br />

unter baurechtlichen Aspekten kein auch<br />

nur entferntes Bedürfnis erkennbar ist 5 . Eine<br />

Baulast kann nach der <strong>Recht</strong>sprechung des<br />

VGH Baden-Württemberg allerdings auch<br />

auf Vorrat ohne einen konkreten Anlass<br />

erklärt werden. Es darf dann aber nicht<br />

ausgeschlossen sein, dass die Baulast in<br />

naher Zukunft baurechtlich Bedeutung<br />

gewinnen kann.<br />

Zu berücksichtigen ist, dass zum Aufgabenbereich<br />

der Baubehörde nicht nur die<br />

Beachtung der bauordnungsrechtlichen,<br />

sondern auch sonstiger öffentlich-rechtlicher<br />

Anforderungen gehört. Auch die<br />

Erfüllung dieser Anforderungen kann durch<br />

Baulast gesichert werden. Gegenstand der<br />

Baulast können deshalb gr<strong>und</strong>sätzlich alle<br />

Anforderungen in öffentlich-rechtlichen<br />

Vorschriften sein. Damit darf sich eine Baulast<br />

nach der <strong>Recht</strong>sprechung auch auf die<br />

Nutzung eines Gr<strong>und</strong>stücks in bodenrechtlicher<br />

(bebauungsrechtlicher) Hinsicht beziehen;<br />

denn darauf erstreckt sich allgemein<br />

das bauaufsichtliche Verfahren. 6 Ein privatrechtlicher<br />

<strong>Recht</strong>svorgang kann dagegen<br />

nicht Gegenstand einer Baulast sein. So hat<br />

der VGH Mannheim in einer jüngeren Entscheidung<br />

zutreffend entschieden, dass die<br />

in der Baulast übernommene Verpflichtung,<br />

nicht an bestimmte Einzelhandelsunternehmen<br />

zu vermieten, nicht durch eine<br />

Baulast gesichert werden kann 7 .<br />

Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> ergeben sich<br />

vielfältige Möglichkeiten der Anwendung<br />

der Baulast. Die Ausführungsvorschriften<br />

zu § 82 der BauO Bln – Errichtung <strong>und</strong><br />

Führung des Baulastenverzeichnisses 8 –<br />

im Folgenden „AV Baulasten Bln“ – führen<br />

zwölf Muster auf, angefangen von Fällen,<br />

in denen das zulässige Maß der baulichen<br />

Nutzung eines Gr<strong>und</strong>stücks eingeschränkt<br />

wird zugunsten anderer Gr<strong>und</strong>stücke,<br />

deren zulässiges Maß der baulichen Nutzung<br />

überschritten werden soll, über Fälle<br />

der Errichtung eines Gebäudes auf zwei<br />

oder mehreren Gr<strong>und</strong>stücken (sog. Vereinigungsbaulast)<br />

<strong>und</strong> Fälle, in denen die<br />

Abstandsfläche auf das Nachbargr<strong>und</strong>stück<br />

fällt (sog. Abstandsflächenbaulast), bis<br />

hin zu Kinderspielplatz oder Stellplätzen<br />

auf einem anderen Gr<strong>und</strong>stück. In der<br />

<strong>Praxis</strong> kommt der Abstandflächenbaulast<br />

besondere Bedeutung zu. Mit einer solchen<br />

wird die Abstandsfläche ganz oder<br />

teilweise auf das Nachbargr<strong>und</strong>stück verlagert,<br />

um die bauliche Ausnutzbarkeit des<br />

„begünstigten“ Gr<strong>und</strong>stücks zu erweitern<br />

<strong>und</strong> zugleich zu sichern. Für die abstandsrechtliche<br />

Beurteilung des begünstigten<br />

Gr<strong>und</strong>stücks ist damit nicht die tatsächliche<br />

Gr<strong>und</strong>stücksgrenze maßgeblich, sondern<br />

die fiktive Größe des um die Baulastenfläche<br />

vergrößerten Gr<strong>und</strong>stücks 9 .<br />

2. Die <strong>Recht</strong>snatur der Baulast<br />

Zivilrechtlich ist die Baulast keine auf dem<br />

Gr<strong>und</strong>stück lastende öffentlich-rechtliche<br />

Last i.S.v. § 436 Abs. 2 BGB, da sie freiwillig<br />

übernommen wird. 10 Die Baulast ist eine<br />

auf dem Gr<strong>und</strong>stück haftende dingliche<br />

Last, ähnlich einer öffentlich-rechtlichen<br />

Dienstbarkeit 11 , die auch bei Zwangsversteigerung<br />

des belasteten Gr<strong>und</strong>stücks<br />

als öffentliche Last nicht durch Zuschlag<br />

erlischt 12 . Da die Eintragung der Baulast<br />

in das Baulastenverzeichnis konstitutiv<br />

für das Entstehen der Baulast ist 13 , ist in<br />

diesem Zusammenhang festzuhalten, dass<br />

das Baulastenverzeichnis, anders als das<br />

Gr<strong>und</strong>buch (§ 892 BGB), keinen öffentlichen<br />

Glauben genießt 14 . Aufgr<strong>und</strong> dessen kann<br />

sich ein Erwerber eines Gr<strong>und</strong>stücks nicht<br />

guten Glaubens auf eine bestimmte Baulasteintragung<br />

verlassen. Ist das Baulastenverzeichnis<br />

unrichtig geführt, so wird von<br />

der Literatur ein Amtshaftungsanspruch<br />

aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG gegenüber<br />

der Bauaufsichtsbehörde bejaht 15 .<br />

Verwaltungsrechtlich ist die Baulast eine<br />

auf das Gr<strong>und</strong>stück bezogene dingliche<br />

Verpflichtung 16 . Dem entsprechend muss in<br />

Ländern ohne Baulastregelung in der Landesbauordnung<br />

für das öffentlich-rechtliche<br />

Verhältnis auf zivilrechtliche dingliche<br />

Institute (Dienstbarkeiten) zurückgegriffen<br />

werden. Ob die Eintragung/Löschung der<br />

Baulast im Baulastenverzeichnis einen<br />

Verwaltungsakt im Sinne des § 35 S. 1<br />

VwVfG darstellt, ist davon abhängig, wie<br />

das <strong>Recht</strong>sinstitut in den einzelnen B<strong>und</strong>esländern<br />

ausgestaltet ist 17 . Bedeutung<br />

kommt dieser Frage insbesondere im Hinblick<br />

auf den <strong>Recht</strong>sschutz zu. Nur gegen<br />

Verwaltungsakte kann Anfechtungs- oder<br />

Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1<br />

VwGO erhoben werden. Handelt es sich<br />

dagegen nicht um einen Verwaltungsakt, ist<br />

lediglich die Leistungs- oder Unterlassungsklage<br />

bzw. die gr<strong>und</strong>sätzlich subsidiäre<br />

Feststellungsklage zulässig (vgl. § 43 Abs. 2<br />

S. 1 VwGO), sofern nicht die Feststellung der<br />

Nichtigkeit eines Verwaltungsakts nach § 43<br />

Abs. 2 S. 2 VwGO begehrt wird.<br />

Ein Verwaltungsakt ist nach § 35 S. 1 VwVfG<br />

bzw. den entsprechenden landesrechtlichen<br />

Bestimmungen jede Verfügung,<br />

Entscheidung oder andere hoheitliche<br />

Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung<br />

eines Einzelfalls auf dem Gebiet<br />

des öffentlichen <strong>Recht</strong>s trifft <strong>und</strong> die auf<br />

unmittelbare <strong>Recht</strong>swirkung nach außen<br />

gerichtet ist. Für die Einordnung der Baulast<br />

ist deshalb entscheidend, ob sie eine<br />

Regelung mit unmittelbarer <strong>Recht</strong>swirkung<br />

trifft 18 . Eine Regelung im genannten Sinne<br />

ist eine einseitig angeordnete, verbindliche,<br />

rechtsfolgenbegründende, hoheitliche<br />

Ordnung eines Lebenssachverhalts, also<br />

eine Anordnung, die feststellend oder gestaltend<br />

bestimmt, was für den Betroffenen<br />

rechtens sein soll 19 , d. h. <strong>Recht</strong>e eines Betroffenen<br />

müssen unmittelbar begründet,<br />

geändert, aufgehoben oder festgestellt<br />

werden 20 . Dies ist dann nicht der Fall, wenn<br />

die Eintragung <strong>und</strong>/oder Löschung der<br />

Baulast im Baulastenverzeichnis nur die<br />

deklaratorische Bestätigung einer bereits<br />

wirksam abgegebenen empfangsbedürftigen<br />

Willenserklärung darstellt, die in entsprechender<br />

Anwendung der Vorschriften<br />

5) VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 10.1.2007 - 3 S<br />

1251/06, IMR 2007, 95; vgl. BVerwG, Beschl. v. 4.10.1994<br />

- 4 B 175/94, BauR 1995, 377 m.w.N.<br />

6) Zutreffend VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 10.1.2007<br />

- 3 S 1251/06, IMR 2007, 95 unter Hinweis auf BVerwG,<br />

Beschl. v. 12.11.1987 - 4 B 216/87, Buchholz 406.17<br />

Nr. 24.<br />

7) VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 10.1.2007 - 3 S<br />

1251/06, IMR 2007, 95.<br />

8) Ausführungsvorschriften zu § 82 der BauO Bln./ Einrichtung<br />

<strong>und</strong> Führung des Baulastenverzeichnisses (AV<br />

Baulasten) v. 24.11.2005 (ABl. S. 4670) geändert durch<br />

Verwaltungsvorschriften v. 15.8.2006 (ABl. S. 3343).<br />

9) OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 8.9.2004 - 7<br />

B 14/94 m.w.N.; vgl. auch OVG Niedersachsen, Urt. v.<br />

26.8.2004 - 1 LB 298/03.<br />

10) Palandt-Putzo, BGB, 66. Aufl., 2007, § 43 BGB<br />

Rdn. 12.<br />

11) Dageförde, GE 2004, 524 [526].<br />

12) OVG Berlin NJW 1994, 2971 [2972].<br />

13) OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 20.6.2006<br />

- 3 l 91/00; lediglich die Landesbauordnung für Baden-<br />

Württemberg sieht noch die deklaratorische Baulasteintragung<br />

vor; vgl. dazu VGH Baden-Württemberg, NJW<br />

1991, 2786 <strong>und</strong> die Ausführungen oben.<br />

14) OLG Schleswig, NJW-RR 1991, 96; VGH Baden-<br />

Württemberg NJW 1991, 2786 [2787]: allenfalls kann<br />

es eine tatsächliche Vermutung in die Richtigkeit seiner<br />

Eintragungen begründen; Jeromin/Schmidt, a.a.O., § 86<br />

Rdn. 44; kritisch deshalb überhaupt zur Baulast: Schöner/<br />

Stöber, Gr<strong>und</strong>buchrecht, Rdn. 3197.<br />

15) Masloh, NJW 1995, 1993 [1996 m.w.N.]<br />

16) VGH Baden-Württemberg NJW 1990, 268 [269];<br />

DiFabio, BauR 1990, 25; Jeromin/Schmidt, Kommentar<br />

zur LBauO Rh-Pf, 2005, § 86 Rdn. 16.<br />

17) Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz,<br />

6. Aufl., 2001, § 35 Rdn. 62 b m.w.N.<br />

18) Knack/Hennecke, Verwaltungsverfahrensgesetz,<br />

8. Aufl., 2004, § 35 Rdn. 62 zur <strong>Recht</strong>snatur der Eintragung<br />

in Register; a.A. allerdings Knuth/Neuhäuser,<br />

NVwZ 1996, 739 [742], die den Verwaltungsaktcharakter<br />

mit der Begründung verneinen, es fehle „sowohl an der<br />

Erforderlichkeit der Inanspruchnahme der Präklusionswirkung<br />

als auch an der Titelfunktion“; vgl. zum Ganzen<br />

auch Martens, NVwZ 1989, 112 ff.<br />

19) Wolff/Bachhof/Stober, Verwaltungsrecht Band 2,<br />

6. Aufl., 2000, § 45 Rdn. 43.<br />

20) Knack/Hennecke, a.a.O., § 35 Rdn. 22 m.w.N.<br />

374<br />

DAS GRUNDEIGENTUM Nr. 6/2008

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