1/2008
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G e r i c h t s m e d i z i n<br />
Praxis Dr. XXX Halle, d.<br />
Abbildung 1<br />
Klinische Rechtsmedizin<br />
Unter der neuen Bezeichnung „Klinische<br />
Rechtsmedizin“ werden historisch gewachsene<br />
Schwerpunkte rechtsmedizinischer Tätigkeit<br />
zusammengefasst, so unter anderem die<br />
Befunddokumentation und Begutachtung von<br />
Gewaltopfern. So ist das Hallenser Institut<br />
für Rechtsmedizin fester Bestandteil der aktuellen<br />
Netzwerkstrukturen (u. a. im „Netzwerk<br />
gegen häusliche Gewalt“ und „Netzwerk<br />
Kinderschutz“). Es hat insbesondere eine Knotenfunktion<br />
bei der Verknüpfung der medizinischen<br />
und der juristischen Seiten des Netzes.<br />
Erst eine beweissichere Befunddokumentation<br />
ermöglicht die juristische Beurteilung, insbesondere<br />
im Sinne der von den Folgen der Gewalt<br />
Betroffenen. Wichtig sind hierbei eben<br />
nicht nur die klinisch im Mittelpunkt stehenden<br />
vital bedrohlichen, sondern auch die bei<br />
der Behandlung scheinbar unwichtigen Verletzungen<br />
(z. B. kleine Schnitte an den Fingern<br />
oder Unterblutungen an den Unterarmen).<br />
Eine rechtsmedizinische Konsiliaruntersuchung<br />
kann bei der Beurteilung von Verletzungen<br />
(Fremd-/Selbstbeibringung; Sturz/<br />
Schlag) von entscheidender Hilfe sein. Wegen<br />
fundierter Kenntnisse der Traumatologie, der<br />
Wundmorphologie und eigener forensischer<br />
Erfahrung kann der Rechtsmediziner auch<br />
den Kollegen in der Praxis behilflich sein (z. B.<br />
bei der Entscheidung ob Meldung an das Jugendamt,<br />
den ASD, Anzeige bei der Polizei).<br />
A N S P R E C H P A R T N E R :<br />
Institut für Rechtsmedizin:<br />
Franzosenweg 1<br />
Während der Regelarbeitszeit:<br />
Tel.: (0345) 557 -1885 (Pforte)<br />
-1768 Sekretariat<br />
-4553 Fax<br />
24-Stunden Bereitschaft:<br />
(0345) 5570 Vermittlung Diensthabender<br />
Rechtsmediziner oder Toxikologe<br />
Abbildung 2<br />
Voraussetzung einer forensischen Anforderungen<br />
genügenden Befunddokumentation<br />
ist, dass die Arztberichte für Polizei, Staatsanwaltschaft,<br />
Gericht, Anwälte und auch für den<br />
Betroffenen selbst lesbar sind und verstanden<br />
werden. Nicht nur Juristen haben Schwierigkeiten<br />
mit der sprichwörtlichen „Doktorschrift“<br />
und mit dem Verständnis medizinischer<br />
Fachbegriffe (sowohl Latein als auch<br />
Englisch). Oft genug erschließt sich selbst<br />
dem ärztlichen Sachverständigen Sinn und Inhalt<br />
einer Befund- oder Verlaufsdokumentation<br />
nicht, weil das Dokument von einem teilweise<br />
inflationären Gebrauch hausinterner<br />
Abkürzungen nur so strotzt.<br />
In einem Befundbericht (Abbildung 3, beispielhaft<br />
für den gleichen Patienten) sollte neben<br />
dem Praxisstempel des Untersuchers der<br />
Zweck und/oder der Adressat eindeutig ersichtlich<br />
sein. Dies dient vor allem auch dem<br />
Selbstschutz des ärztlichen Kollegen, der sich<br />
keine Vorstellung vom Missbrauchspotential<br />
solcher, mitunter als Gefälligkeit erbetener,<br />
Kurz-„Atteste“, macht.<br />
Von gleicher Bedeutung sind die Protokollierung<br />
von Datum, Uhrzeit und Ort der Untersuchung.<br />
Enthalten sein müssen natürlich<br />
auch die möglichst kompletten Angaben zur<br />
Person des Betroffenen. Wichtig ist, falls Aussagen<br />
zur Verletzungsentstehung gemacht<br />
werden, diese als anamnestische (u. U. fremdanamnestische)<br />
Angaben zu kennzeichnen<br />
und nicht einfach zu übernehmen und damit<br />
den Anschein eigener Feststellung zu erwecken.<br />
Die eigentliche Beschreibung der Verletzung<br />
muss, um den Anforderungen einer möglichen<br />
Rekonstruktion zu genügen, zunächst<br />
die Lokalisation, am besten mit Bezugspunkt<br />
am Körper des Betroffenen oder einfach oberhalb<br />
der Fußsohlenebene beinhalten (hilfreich<br />
ist hier mitunter die Anfertigung einer<br />
Skizze).<br />
Ärztliches Attest zur Vorlage bei ...<br />
Am 16.03.d.J. gegen 09.00 Uhr kam Herr<br />
M. in meine Behandlung und gab an letzte<br />
Nacht mit Fäusten geschlagen worden zu<br />
sein.<br />
Befund: Massive Schwellung der Wangenund<br />
Oberlippenhaut links mit kräftiger blauschwarzer<br />
Unterblutung. Unterblutung der<br />
Oberlippe links. Scharfrandige Berstungen<br />
der Lippen und Wangenschleimhaut<br />
korrespondierend zu den Zähnen 22 bis 25.<br />
Streifige 4:1,5cm messende Schürfung über<br />
dem linken Jochbein.<br />
Dr. XXX<br />
Abbildung 3<br />
Es sind dann Art und Gestalt der<br />
Verletzung(en) zu beschreiben, wobei beispielsweise<br />
unterschieden werden sollte nach<br />
Schwellung, Unterblutung, Schürfung (flächig<br />
oder oberflächliche Einzelkratzer) oder<br />
Hautdurchtrennung. Dabei sollte jede einzelne<br />
Verletzung hinsichtlich Form und Größe<br />
beschrieben werden. Hämatome erfordern es,<br />
deren Intensität, Farbe und eventuelle Farbunterschiede<br />
zu protokollieren.<br />
Bei perforierenden Verletzungen sollten neben<br />
der Beschreibung der Wundränder (glattrandig,<br />
unregelmäßig, Schürfsaum usw.)<br />
wenn möglich Wundkanäle (mit Richtung<br />
und Tiefe) sowie Verletzungen innerer Organe<br />
in der Beschreibung enthalten sein.<br />
Auf durchgeführte Zusatzuntersuchungen<br />
bzw. Dokumentationen (Fotos, Sonographie,<br />
Röntgen, CT) muss im Attest neben<br />
dem eigentlichen Befundbericht hingewiesen<br />
werden. Verweise auf weitere fachärztliche<br />
Konsultationen oder Behandlungen sowie<br />
Hinweise auf die voraussichtliche Dauer<br />
eines stationären Aufenthaltes oder einer Arbeitsunfähigkeit<br />
können hilfreich sein.<br />
Grundsätzlich gilt, dass Äußerungen zur<br />
Kausalität in diesem Stadium des Verfahrens<br />
und durch den als Zeugen - nicht als<br />
Sachverständigen (!) - geladenen Arzt nur<br />
sehr zurückhaltend erfolgen sollten. Erst<br />
in Kenntnis der Ermittlungsergebnisse, der<br />
Zeugenaussagen und der unter Umständen<br />
mehrfach revidierten eigenen Angaben<br />
des Betroffenen ist, ausgehend vom dokumentierten<br />
Befund, eine zusammenfassende<br />
Würdigung möglich.<br />
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