umed info 10 - Öffentlicher Gesundheitsdienst
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Impressum<br />
Herausgeber: Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg<br />
Umed Info <strong>10</strong><br />
Redaktion: Abt. 1 Umweltbezogener Gesundheitsschutz, Umwelthygiene,<br />
Toxikologie<br />
M. Schwenk<br />
S. Jovanovic<br />
R. Schulz<br />
Wiederholdstr. 15<br />
70174 Stuttgart<br />
Tel. : 0711/1849-313<br />
Fax: 0711/1849-242<br />
Druck: W. Köngeter, LGA<br />
Umed Info ISSN 1615-7974<br />
Umed Info <strong>10</strong>, September 2000<br />
Anmerkung in eigener Sache:<br />
Das Umed Info erscheint in unregelmäßigen Zeitabständen. Die im Umed Info wiedergegebenen<br />
namentlich gekennzeichneten Beiträge müssen nicht mit der Auffassung des Landesgesundheitsamtes<br />
übereinstimmen. Verantwortlich für den Inhalt sind die Autoren. Herausgeber<br />
und Redaktion übernehmen keine Gewähr, insbesondere für die Richtigkeit, Genauigkeit<br />
und Vollständigkeit der Angaben, sowie die Beachtung privater dritter Rechte.<br />
1
2<br />
Umed Info <strong>10</strong>
Inhaltsverzeichnis<br />
Umed Info <strong>10</strong><br />
Editorial.......................................................................................................... 5<br />
Allergien und Allergene<br />
Risikofaktoren für die Entstehung von Allergien ............................................ 7<br />
Allergien durch Schimmelpilze in Innenräumen ........................................... 19<br />
Asthma bronchiale im Kindesalter aus anthroposophischer Sicht ............... 21<br />
Physikalische Einflüsse auf die Entstehung von Schimmelpilzen ................ 27<br />
Biologische Innenraumbelastung................................................................. 31<br />
Nachweis von kultivierbaren und nicht-kultivierbaren Mikroorganismen<br />
sowie Nachweis von MVOC. Aussage und Bewertung............................... 37<br />
Bestimmung biogener Allergene.................................................................. 41<br />
Belastung mit Schimmelpilzen und Milben in Wohnräumen ........................ 43<br />
Gesundheitlicher Verbraucherschutz........................................................... 49<br />
Analytische Qualitätssicherung<br />
Agenda 21<br />
Akkreditierung eines umweltmedizinischen Labors und Validierung<br />
von umweltmedizinischen Methoden ........................................................... 51<br />
Auswertung der Austausche realer Proben ................................................. 55<br />
Human-Biomonitoring .................................................................................. 67<br />
Agenda 21 und ÖGD ................................................................................... 73<br />
Autorenverzeichnis ...................................................................................... 79<br />
3
4<br />
Umed Info <strong>10</strong>
Editorial<br />
Liebe Leserin, lieber Leser,<br />
im vorliegenden Umed Info <strong>10</strong> haben wir<br />
wieder interessante umweltmedizinische<br />
Fragestellungen aus LGA-Veranstaltungen<br />
zusammengestellt. Schwerpunktthemen<br />
sind die „analytische Qualitätssicherung“<br />
und „Allergien“. Mit den „Allergien“ haben<br />
wir ein Thema aufgegriffen, zu dem sich<br />
auch das Sondergutachten „Umwelt und<br />
Gesundheit – Risiken richtig einschätzen“<br />
(Metzler-Poeschel, Stuttgart, 1999) vom<br />
Sachverständigenrat für Umweltfragen,<br />
eingehend äußert.<br />
Thema „Allergien“ im Sondergutachten<br />
„Umwelt und Gesundheit“<br />
Nach Auffassung des Sachverständigenrates<br />
sollte den Allergien aufgrund der zunehmenden<br />
Häufigkeit, der Schwere der<br />
Krankheit im akuten Stadium (v.a. Asthmatiker)<br />
und des chronischen Krankheitsverlaufes<br />
mehr Beachtung, auch vom Gesetzgeber,<br />
geschenkt werden sollte. Da<br />
die Krankheitsgeschichte von vielen Allergikern<br />
bereits in der Kindheit beginnt, stellen<br />
Kinder mit einer allergischen Erkrankung<br />
nach Ansicht der Sachverständigen<br />
eine wichtige Patientengruppe dar,<br />
die es zu schützen gilt.<br />
Nach Auffassung des Rates sind gesetzliche<br />
Regelungen über einen Umgang mit<br />
sensibilisierenden Stoffen und einer Festlegung<br />
von Grenzwerten selten. Eine Deklaration<br />
von Inhaltsstoffen in Lebensmitteln<br />
die allergische Reaktionen hervorrufen<br />
können (z.B. glutenhaltiges Getreide,<br />
Eier, Milch) fehlt.<br />
Nach Ansicht Rates stellt der Selbstschutz<br />
eine wichtige Komponente bei der Risikoreduktion<br />
dar, der sich auf die einzelnen<br />
Lebensbereiche wie Außen- und Innenluft<br />
M. Schwenk<br />
Umed Info <strong>10</strong><br />
sowie den Arbeitsplatz bezieht. Oft lässt<br />
sich durch einfache Maßnahmen wie z.B.<br />
das sachgemäße Lüften von Wohnräumen,<br />
häufigeres Waschen von Bettzeug<br />
oder durch Meidung des Allergens eine<br />
Beschwerdelinderung erreichen.<br />
Möglichkeiten des individuellen Rechtsschutzes<br />
bestehen für den Allergiker vor<br />
allem in Bezug auf das Arbeits- und Sozialrecht.<br />
Hier werden durch mehrere<br />
Rechtsprechungen dem Allergiker, besonders<br />
im Bezug auf das Passivrauchen,<br />
Schutzmaßnahmen zugestanden. Auch<br />
kann eine allergische Erkrankung als Berufskrankheit<br />
anerkannt werden.<br />
Kooperationen: „Umwelt und Gesundheit“<br />
Der Sachverständigenrat hat mit diesem<br />
Sondergutachten wichtige Impulse für die<br />
Allergieforschung und Allergen-Expositionsminderung<br />
gegeben. Darüber hinaus<br />
hat er den hohen Stellenwert des Konzeptes<br />
„Umwelt und Gesundheit“ bei der<br />
Erkennung und Reduzierung gesundheitsschädlicher<br />
Umwelteinflüsse demonstriert.<br />
Wir halten es für wichtig, dass Schranken<br />
zwischen Umwelt und Gesundheitsverwaltung<br />
weiter reduziert werden und einer<br />
guten interdisziplinären Kooperationen für<br />
die Gestaltung einer gesunden Zukunft<br />
Platz machen.<br />
Wir hoffen, mit dem vorliegenden Umed<br />
Info <strong>10</strong> diesem Gedanken gerecht zu werden.<br />
Es ist das erste Umed Info mit einer<br />
ISSN-Nummer. Sie soll Ihnen das Zitieren<br />
erleichtern. Wir danken den Autoren ganz<br />
herzlich für Ihre hervorragenden Beiträge<br />
und wünschen Ihnen, liebe Leserinnen<br />
und Leser, viel Spaß beim Lesen.<br />
5
6<br />
Umed Info <strong>10</strong>
Schwenk, Risikofaktoren für die Entstehung von Allergien Umed Info <strong>10</strong><br />
Risikofaktoren für die Entstehung von Allergien<br />
Zunahme der Prävalenz<br />
Viele Beobachtungen deuten auf eine Zunahme<br />
der Prävalenz von allergischen Erkrankungen<br />
in den industrialisierten Ländern<br />
in den letzten 20 Jahren hin. Auch<br />
weisen vergleichende Untersuchungen,<br />
zum Beispiel in der ISAAC-Studie (International<br />
Study of Allergies and Asthma in<br />
Children) darauf hin, dass allergische Erkrankungen<br />
in stark industrialisierten Ländern<br />
wesentlich häufiger sind, als in weniger<br />
entwickelten Ländern. Dies spricht für<br />
einen Einfluss der Lebensweise. Ein aktuelles<br />
Beispiel für einen solchen Zusammenhang<br />
gibt die Latex-Allergie, die derzeit<br />
eine ernst zunehmende Gesundheitsgefährdung<br />
für medizinisches Personal<br />
und für bestimmte Patienten darstellt.<br />
Risikoansatz<br />
In der Regel geben epidemiologische Untersuchungen<br />
kaum Hinweise auf neue<br />
oder ungewöhnliche Allergen-Expositionen.<br />
Möglicherweise liegt die Prävalenz-<br />
M. Schwenk<br />
Zunahme weniger bei neuen Stoffen als<br />
bei anderen Faktoren der Lebensweise.<br />
Denn an der Auslösung einer allergischen<br />
Reaktion sind zahlreiche biologische Abläufe<br />
beteiligt, wie Allergenaufnahme, immunologische<br />
Bereitschaft, Mediatorausschüttung<br />
und funktionelle Antwort, welche<br />
neuronal und hormonell moduliert werden.<br />
So erscheint es bei der bevölkerungsmedizinischen<br />
Betrachtung sinnvoll, von Risikofaktoren<br />
für die Entstehung von Allergien<br />
zu reden. Dieses Konzept hat sich bei<br />
Herz-/Kreislauferkrankungen bewährt, mit<br />
den Risikofaktoren: Genetik, Stress, Ernährung,<br />
Rauchen, Bewegungsarmut. Die<br />
Kenntnis von Risikofaktoren ist die Voraussetzung<br />
für rationale Präventionsempfehlungen.<br />
Foliensatz<br />
Die nachfolgenden Vortragsfolien aus einer<br />
LGA-Fortbildung geben einen Überblick<br />
über derzeit bestehende Thesen zur<br />
Entstehung von Typ 1 Allergien.<br />
7
Schwenk, Risikofaktoren für die Entstehung von Allergien Umed Info <strong>10</strong><br />
8<br />
Naturstoffe,<br />
Chemikalien<br />
Kosmetika<br />
Wichtige Umweltkrankheiten<br />
Chemikalien<br />
Strahlung<br />
Allergien<br />
Chemikalien<br />
Biologische Stoffe<br />
Krebs<br />
Chemische<br />
Empfindlichkeit<br />
Organschäden<br />
Befindlichkeitsstörungen<br />
Chemikalien<br />
Infektionen<br />
Lärm,<br />
Gerüche,<br />
Reizsstoffe,<br />
Toxikophobie<br />
These: Allergien nehmen zu<br />
Viren<br />
Bakterien<br />
Pilze<br />
Parasiten<br />
In Japan nahm die Zahl der Zeder-Allergien von<br />
3,8% (1974) über 5,8% (1977) auf über <strong>10</strong>% zu.<br />
In Großbritannien verdoppelte sich die Zahl der<br />
Patienten mit Heuschnupfen und Asthma.<br />
In vielen Ländern gibt es starke Hinweise auf eine<br />
Zunahme.
Schwenk, Risikofaktoren für die Entstehung von Allergien Umed Info <strong>10</strong><br />
Allergie<br />
Atopie<br />
Antikörper<br />
Allergie - einige Begriffe<br />
Krankmachende immunologische Reaktion<br />
Ererbte Neigung zu zu allergischer Überempfindlich<br />
Allergen Stoff der Allergie auslöst<br />
Antigen Stoff der Bildung von Antikörpern auslöst<br />
Eiweißkörper, der ein Antigen bindet<br />
Immunglobulin Eiweißkörper, der ein Antigen bindet (IgG, IgE..)<br />
Schmuck<br />
Lebensmittel<br />
Medikamente<br />
Allergene in der Umwelt<br />
Pflanzen<br />
Schimmelpilze<br />
Allergene<br />
Kosmetika Formaldehyd<br />
Milben<br />
Haustiere<br />
Insektenstich<br />
Kunststoffe<br />
9
Schwenk, Risikofaktoren für die Entstehung von Allergien Umed Info <strong>10</strong><br />
<strong>10</strong><br />
Typ 1<br />
Typ 2<br />
Typ 3<br />
Typ 4<br />
Vier Typen von Allergie<br />
Typ Mechanismus Klinik<br />
Antigen vernetzt IgE auf Mastzelle:<br />
Freisetzung von Histamin<br />
Antigen bindet an an Zelle.<br />
Antikörper führt zu zu Zellzerstörung<br />
Antigen-Antikörper-Komplex<br />
adhäriert an an Zellen:<br />
Gewebezerstörung<br />
Allergen setzt Mediatoren frei:<br />
Lymphocyteneinwanderung<br />
Schweregrad akuter allergischer<br />
Reaktionen<br />
Heuschnupfen<br />
Bauchkrämpfe, Durchfall<br />
Rötung, Schwellung, Jucken<br />
Verengung der Atemwege = Asthma<br />
Heuschnupfen<br />
Medikament.<br />
Agranulozytose<br />
Rheumatoide<br />
Arthritis<br />
Kontakallergie<br />
Kreislaufkollaps = Anaphylaktischer Schock
Schwenk, Risikofaktoren für die Entstehung von Allergien Umed Info <strong>10</strong><br />
2 Stufen der allergischen Reaktion (Beispiel Asthma)<br />
1.Kontakt = Sensibilis.<br />
Epithelbarriere<br />
Blut<br />
Gewebe<br />
Antigen<br />
Plasmazelle<br />
Immunglobulin E<br />
(IgE)<br />
Ig E Ig E<br />
Mastzelle<br />
Antigen<br />
Antigen<br />
Ig E Ig E<br />
Mastzelle<br />
Nächste Kontakte = Reaktion<br />
Histamin<br />
Leukortrien B<br />
Prostaglandine<br />
PAF<br />
Histaminrezeptor<br />
Atemwegs-<br />
Muskelzelle<br />
Bronchospasmus<br />
These: Das Immunsystem langweilt sich<br />
Parasiten<br />
Die IgE-vermittelte Abwehr ist unterfordert, weil<br />
• Parasiten dringen mittels Eiweißen (Proteasen) in Körper<br />
• Immunglobulin E soll eindringende Parasiten abzufangen.<br />
• Gelangweiltes Immunsystem sucht andere Eiweiße; Proteasen<br />
• Eiweiße, besonders Proteasen sind sehr starke Allergene<br />
Bakterien und Viren<br />
Das kindliche Immunsystem ist unterbeschäftigt, weil<br />
• Impfungen Infekte verhindern<br />
• Antibiotika Infekte abschwächen<br />
• Kleinfamilien Infekthäufigkeit vermindern<br />
11
Schwenk, Risikofaktoren für die Entstehung von Allergien Umed Info <strong>10</strong><br />
12<br />
These: Es gibt einen erblichen Einfluß<br />
Höheres Allergierisiko bei atopischen Eltern<br />
Beide Eltern Atopiker; gleiches Symptom 50-70 %<br />
Beide Eltern Atopiker ; verschiedene Symptome 40-60 %<br />
Ein Eltern Atopiker 20-40 %<br />
0 ; 5-15 %<br />
Höheres Allergierisiko bei Jungen als Mädchen (<strong>10</strong>-jährig)<br />
Asthma 2,2-fach<br />
IgE (Inhalations) 1,7-fach<br />
Pfeifende Atemgeräusche 1,5-fach<br />
Im Erwachsenenalter überwiegen Frauen<br />
These: Frühkindliche Einflüsse sind<br />
wichtig<br />
Pränatale Arzneimittel<br />
- Propranolol im ersten Trimenon?<br />
Geburt im<br />
- Frühjahr erhöht Risiko einer Birken/Gräser-Allergie (frühblühend)<br />
- Spätsommer erhöht Risiko einer ragweed-Allergie<br />
(Jakobs-Kreuzkraut, Blüte in USA im August)<br />
Frühkindlicher Nahrungsallergenkontakt<br />
- Frühes Zuführen allergologisch ungeeigneter Nahrung erhöht<br />
Risiko von Nahrungsmittelallergien<br />
Langes Stillen<br />
- schützt vor allergischen Erkrankungen in den ersten Lebensjahren<br />
Passivrauchen<br />
- Erhöht Risiko einer allergischen Erkrankung
Schwenk, Risikofaktoren für die Entstehung von Allergien Umed Info <strong>10</strong><br />
These: Geschwister schützen<br />
Höheres Asthmarisiko bei Einzelkindern (<strong>10</strong>-jährig, BeobGA)<br />
0 Geschwister 7%<br />
1 Geschwister 5,7%<br />
2 Geschwister 3,6%<br />
Kleinkinder aus Kinderhorten haben weniger Allergien,<br />
als Kinder die zu Hause wohnen (Ost-West Vergleich)<br />
These: Luftschadstoffe beeinflussen Asthma<br />
Schwefeldioxid<br />
akut<br />
chronisch<br />
Ozon<br />
akut<br />
chronisch<br />
Smogkonzentrationen können Asthmaanfall<br />
auslösen<br />
Weniger Allergien in Osteuropa (unerwartet)<br />
Kann Histamin-Empfindlichkeit verstärken<br />
Wirkung unklar<br />
Dieselruß und Partikel<br />
Eindringen in Atemwege<br />
Mittragen von Allergenen<br />
Schädigung der Pollen<br />
13
Schwenk, Risikofaktoren für die Entstehung von Allergien Umed Info <strong>10</strong><br />
14<br />
Allergen<br />
IgE<br />
Mastzelle<br />
Infiltration<br />
Hyperreaktives Bronchialsystem<br />
Histamin, LTB..<br />
Entzündung<br />
LTB, PG, PAF, O 2 - , NO..<br />
Reizstoffe, Kälte, Infektionen<br />
Nervenversorgung der<br />
Bronchien und Destruktion der<br />
Bronchialschleimhaut des<br />
Asthmatikers.<br />
Bronchiole eines Neugeborenen, mit<br />
Immunhistochemischer Färbung der<br />
Nervenfasern. Fasern sind im Epithel,<br />
an Drüsen der Submukosa und in der<br />
glatten Muskelschicht<br />
aus Childhood Asthma...Chapman Medical 1995<br />
oben<br />
Schleim<br />
Verengung<br />
Nerven<br />
Akut<br />
Bronchokonstriktion<br />
Subakut<br />
ÖdemSubakut<br />
Infiltration<br />
Entzündung<br />
Defekte Barriere<br />
verzögerte Heilung<br />
chronisch<br />
Hyperreaktivität<br />
Erhöhte chemische<br />
Empfindlichkeit<br />
Biopsie der Bronchialschleimhaut von<br />
einem Asthma-Patienten mit Ödemen<br />
Zellverlust und Entzündungszellen.<br />
E = Eosinophile, M = Mastzelle<br />
aus Childhood Asthma...Chapman Medical 1995
Schwenk, Risikofaktoren für die Entstehung von Allergien Umed Info <strong>10</strong><br />
These: Allergenexposition sensibilisiert<br />
Beruflich<br />
• Mehlstauballergie des Bäckers<br />
• Bienengiftallergie der Imker<br />
• Latexallergie des Klinikpersonals (15%)<br />
Tägliches Leben<br />
• Hausstaubmilbenallergie<br />
frühe, hohe Exposition sensibilisiert<br />
• Schimmelpilzallergie<br />
Befeuchterlunge<br />
• Tierhaarallergie? Pollenallergie?<br />
Vermehrte feuchte oder schimmlige<br />
Wohnungen bei niesenden Kinder<br />
Metaanalyse<br />
, , , , , , , ,<br />
15
Schwenk, Risikofaktoren für die Entstehung von Allergien Umed Info <strong>10</strong><br />
These: Je mehr Allergene, desto komplizierter<br />
16<br />
Kreuzallergien<br />
häufig zwischen verwandten Spezies, seltener zwischen<br />
entfernten Spezies (ähnliche Proteinsequenzen) z.B.<br />
Hasel (Januar) und Birke (April)<br />
Esche und Ölbaum (Urlaub in Südeuropa)<br />
Birke (Inhalation) und Apfel (Ingestion)<br />
Pseudoallergische Reaktionen bei Atopikern<br />
•Acetylsalicylsäure, Erdbeeren, Fermentiertes können<br />
besonders bei Atopikern allergieähnliche Reaktionen<br />
Auslösen (direkte Aktivierung der Mastzellen).<br />
Allergentourismus durch Gentechnologie<br />
• Haselnußallergie bei Genuß einer Tomate<br />
These: Die Psyche beeinflußt Allergien<br />
Stand des Wissens<br />
• Asthma und Neurodermitis zählen zu den psychosomatischen<br />
Erkrankungen.<br />
• Die Psyche hat keinen Einfluß auf die Sensibilisierung<br />
• Die Psyche hat Einfluß auf Auslösung und Verlauf<br />
Psychische Prädisposition<br />
bei Asthma:<br />
• Emotionale Abwehr<br />
aggressiver Regungen<br />
• Bedürfnis nach Zuwendung<br />
Zelluläre Mechanismen:<br />
• Nervenendigungen an den<br />
Mastzellen<br />
• Cholinerge und adrenerge<br />
Rezeptoren auf Mastzellen<br />
• Cholinerge und adrenere<br />
Rezeptoren auf Effektorzellen<br />
(z.B. Bronchialmuskulatur)<br />
• Neurogene Entzündung
Schwenk, Risikofaktoren für die Entstehung von Allergien Umed Info <strong>10</strong><br />
Peperoni<br />
Schmerz<br />
Neuron (C-Faser)<br />
Neurogene Entzündung<br />
H<br />
Capsaicin<br />
Rezeptor<br />
Noxe<br />
1. Degranulation<br />
2. Speicherentleerung schützt<br />
vor folgenden Noxen<br />
Neuropeptide<br />
(Substanz P)<br />
bewirkt<br />
Degranulation<br />
Peptidase<br />
Entzündung<br />
Vasodilatation<br />
Ödem<br />
Leukozyteninfiltration<br />
Mastzelldegranulation<br />
These: Hoher Sozialstatus fördert Allergien<br />
Viele Untersuchungen zeigen diesen Einfluß in<br />
unterschiedlichem Ausmaß<br />
ISAAC (International Study of Asthma and<br />
Allergies in Children) hat 1992-1996 bei der<br />
Untersuchung von 463 801 Kinder im Alter von<br />
13-14 Jahren festgestellt:<br />
Die Unterschiede der Prävalenz zwischen<br />
Ländern sind 20-60-fach. Allergien sind<br />
besonder häufig in den hoch industrialisierten<br />
Ländern, besonders selten u.a. in Osteuropa.<br />
17
Schoenherr, Schimmelpilze in Innenräumen Umed Info <strong>10</strong><br />
18<br />
Indizien:<br />
Wohlstand fördert Allergien<br />
These (zusammenfassend):<br />
Zunahme der Allergien nur (?) in westlichen Ländern<br />
Ost-West-Vergleich Anfang der 90er Jahre<br />
ISAAC Studien<br />
Mechanismen<br />
• Kurze Stillzeit<br />
• Frühe Zufütterung<br />
• Dichte, warme Wohnungen, Teppichboden, Haustiere<br />
• Guter Infektionsschutz<br />
• Kleine Familien, wenig Kinderhorte<br />
• Allergene in exotischer Nahrung, Kosmetika, Schmuck<br />
Wo gibt es vermeidbare Allergie-Risiken?<br />
Unvermeidbar<br />
Familien-Geschichte,<br />
Ethnische Zugehörigkeit<br />
Geschlecht<br />
Pränatale Ereignisse<br />
Individuell vermeidbar<br />
Innenraum-Allergen<br />
Bett, Textilien, Teppichboden,<br />
Feuchtigkeit, Heizung<br />
Rauchende Eltern<br />
Prä- und Postnatales Passivrauchen<br />
Kurzes Stillen<br />
Modeschmuck<br />
Nickel-Kontakallergene<br />
Kosmetika<br />
Kaum vermeidbar<br />
Zulassen früher Infektionen<br />
weniger Antibiotika (fraglich)<br />
Zusammensein von Kindern<br />
Regulatorisch vermeidbar<br />
Billigschmuck (Nickel)<br />
Billigkosmetika (Allergene, Deklaration)<br />
Kiwi in Joghurt, Gummibären etc<br />
Außenluftschadstoffe<br />
Duftstoffe in Produkten, Kaufhäusern<br />
Anforderungen an Innenräume<br />
Birken, Haselnuß in Wohngebiet<br />
u.a.
Schoenherr, Schimmelpilze in Innenräumen Umed Info <strong>10</strong><br />
Allergien durch Schimmelpilze in Innenräumen<br />
Die Bedeutung von Umweltfaktoren für die<br />
Gesundheit des Menschen ist gegenwärtig<br />
viel diskutiert. Für eine Vielzahl von synthetischen<br />
Substanzen (z.B. Holzschutzmittel)<br />
konnte eine Beeinträchtigung von<br />
Gesundheit und Wohlbefinden des Menschen<br />
nachgewiesen werden. In den letzten<br />
Jahren fanden ebenso die pathogenen<br />
Effekte mikrobieller Umweltbelastungen<br />
Beachtung. In diesem Zusammenhang<br />
werden Schimmelpilze zunehmend als pathogenes<br />
Agens berücksichtigt, wobei drei<br />
Wirkprinzipien dieser Mikroorganismen im<br />
Mittelpunkt des Interesses stehen: Allergien,<br />
Infektionen und toxische Effekte.<br />
Allergien<br />
Schimmelpilze bzw. deren Sporen sind<br />
hochpotente Allergene bzw. Allergenmischungen.<br />
Hierbei sind extramurale (z.B.<br />
Cladosporium herbarum, Altermaria tenuis)<br />
von wahrscheinlich vorwiegend intramural<br />
wachsenden Schimmelpilzarten<br />
(z.B. Penicillium notatum, Aspergillus fumigatus,<br />
Mucor mucedo) zu differenzieren.<br />
Pilzsporen enthalten bis zu 30 unterschiedliche<br />
Allergene (Wahn et al. 1999).<br />
Nach Sensibilisierung können neben typisch<br />
allergischen Störungen (z.B. allergische<br />
Rhinitis, allergisches Asthma bronchiale,<br />
Neurodermitis) auch diffuse Befindlichkeitsstörungen<br />
(z.B. "Chronisches Müdigkeitssyndrom")<br />
auftreten. Hierbei sind<br />
alle vier Allergietypen möglich, wenn auch<br />
die Typen I (IgE-vermittelte Soforttyp-<br />
Reaktion) und IV (zellvermittelte Spätreaktion)<br />
von besonderer Bedeutung zu sein<br />
scheinen.<br />
Methodisch klassische Allergieteste wie<br />
der Hauttest (Pricktest) oder die Bestimmung<br />
spezifischer IgE-Antikörper (z.B.<br />
RAST) versagen häufig bei der Schimmelpilzdiagnostik<br />
(Jorde, W. 1999). Deshalb<br />
macht sich bei dringendem anamnestischen<br />
Verdacht häufig der Einsatz zusätzlicher<br />
Testverfahren erforderlich. Hierzu<br />
zählt insbesondere die in vivo Testung mittels<br />
nasalem Provokationstest. Für die in<br />
vitro-Testung sowohl von Typ-l- als auch<br />
G. Schoenherr<br />
Typ-IV- Allergien scheint sich nach meinen<br />
Erfahrungen der Lymphozytentransformationstest<br />
(LTT) sehr zu eignen.<br />
Ein zusätzlicher Vorteil des LTT besteht<br />
darin, dass ein Nachweis sensibilisierter T-<br />
Lymphozyten im peripheren Blut nur dann<br />
gelingen kann, wenn der letzte Allergenkontakt<br />
nicht länger als 3 - 6 Monate zurückliegt.<br />
Somit eignet sich diese Methode<br />
nicht nur zum Nachweis sensibilisierter<br />
T-Lymphozyten, sondern zeigt auch einen<br />
kürzlichen oder kontinuierlichen Allergenkontakt.<br />
Als Weiterentwicklung des LTT<br />
muss hier noch der "ELISPOT" erwähnt<br />
werden. Bei dieser kürzlich auf den kommerziellen<br />
Markt gebrachten Methodik<br />
werden die proliferierenden T - Lymphozyten<br />
anhand ihres Zytokinmusters als TH1 -<br />
oder TH2-Zellen identifiziert. Somit ergibt<br />
sich die Möglichkeit zur Differenzierung in<br />
Typ I- oder Typ IV-Allergien.<br />
Der wichtigste therapeutische Ansatzpunkt<br />
bei der Schimmelpilzallergie ist nach heutigem<br />
Kenntnisstand die Allergenkarenz.<br />
Dies ist bei einem Schimmelpilzbefall in<br />
Innenräumen durch eine sachkundige<br />
baubiologische Untersuchung der Räumlichkeiten<br />
mit Identifizierung der Schimmelpilzquelle<br />
und anschließender fachgerechter<br />
Sanierung zum Teil möglich. Ein<br />
extremer Schimmelpilzbefall verbunden<br />
mit ungünstigen baulichen Bedingungen,<br />
die eine erfolgreiche Sanierung nicht<br />
wahrscheinlich erscheinen lassen, kann in<br />
Einzelfällen in der Empfehlung zum Wohnungswechsel<br />
kulminieren. Bei der Anamneseerhebung<br />
müssen neben den häuslichen<br />
Bedingungen selbstverständlich<br />
auch andere mögliche Kontaktquellen eruiert<br />
werden (Arbeitsplatz?, Hobbys?).<br />
Zur Minimierung der Sporenzahl in der<br />
Raumluft können als vorübergehende<br />
Maßnahme Luftfiltersysteme mit HEPA-<br />
Filtern (High emission particle absorber)<br />
eingesetzt werden. Zusätzlich muss eine<br />
symptomatische antiallergische Behandlung<br />
mit Antihistamininka und/oder anderen<br />
antiallergischen Substanzen (z.B. Cro-<br />
19
Schoenherr, Schimmelpilze in Innenräumen Umed Info <strong>10</strong><br />
moglicinsäure als "Mastzellstabilisator")<br />
erfolgen. Auch sollte versucht werden,<br />
Sensibilisierungen gegen weitere Allergene<br />
nachzuweisen (z.B. Hausstaubmilben,<br />
Nahrungsmittel), um die allergene Gesamtbelastung<br />
des betroffenen Patienten<br />
zu reduzieren.<br />
Infektionen<br />
Im Bereich der Schimmelpilzinfektionen<br />
müssen lokale von systemischen Infektionen<br />
unterschieden werden. Es existieren<br />
eine Vielzahl potentiell humanpathogener<br />
Schimmelpilzarten. So sind gegenwärtig<br />
allein 19 humanpathogene Aspergillusspecies<br />
bekannt (DGPI-Handbuch<br />
1997). Relevante systemische Schimmelpilzinfektionen<br />
beschränken sich allerdings<br />
auf Patienten mit einem stark gestörten<br />
Immunsystem (z.B. Patienten nach Transplantation<br />
oder unter aggressiver zytostatischer<br />
Chemotherapie). HIV-Patienten<br />
sind im Gegensatz hierzu selten betroffen.<br />
Lokale Infektionen betreffen Haut und<br />
Hautanhangsgebilde sowie Schleimhäute.<br />
Insbesondere finden sich pulmonale<br />
Schleimhautbesiedlungen durch Aspergillusarten<br />
bei Patienten mit Krankheits-<br />
oder therapiebedingter Vorschädigung<br />
(z.B. allergisches Asthma bronchiale, Mukoviszidose,<br />
lang anhaltende Cortisonmedikation).<br />
Die chronisch allergische bronchopulmonale<br />
Aspergillose stellt eine therapeutische<br />
Herausforderung dar. Eine<br />
systemische antimykotische Therapie sollte<br />
nach Antibiogramm erfolgen.<br />
Literatur:<br />
20<br />
Unter den Bedingungen der modernen<br />
Medizin nimmt der Bevölkerungsanteil von<br />
Menschen mit einem gestörten Immunsystem<br />
stetig zu. Als Beispiele seien die deutlichen<br />
Erfolge in der Tumortherapie oder<br />
bei der Behandlung des Asthma-bronchiale<br />
und der Mukoviszidose genannt.<br />
Gerade solche Patienten können durch<br />
Schimmelpilzinfektionen betroffen sein.<br />
Toxine<br />
Mit der Entdeckung der Cancerogenität<br />
des Aflatoxins ist die toxische Bedeutung<br />
von Schimmelpilzstoffwechselprodukten<br />
für den Menschen belegt, die Untauglichkeit<br />
verschimmelter Lebensmittel für den<br />
Verzehr weithin bekannt und akzeptiert.<br />
Die Aufnahme von Schimmelpilztoxinen<br />
erfolgt jedoch nicht nur durch Ingestion.<br />
Ebenso ist es möglich, dass Mykotoxine,<br />
die z.B. an Schimmelpilzsporen gebunden<br />
sind, per inhalationem aufgenommen werden.<br />
Es sind eine Vielzahl von Schimmelpilzstoffwechselprodukten<br />
bekannt, die für<br />
den Menschen toxisch sind. Als Beispiele<br />
seien Satratoxin (Stachybotrys chartarum),<br />
Ochratoxin A (Aspergillus ochraceus) oder<br />
Chetomin (Chaetomium globosum) genannt.<br />
Schimmelpilztoxine wirken auf verschiedenste<br />
Organe und Organsysteme.<br />
So konnten beispielsweise nephrotoxische,<br />
neurotoxische, immunsupprimierende<br />
bzw. -modulierende Effekte nachgewiesen<br />
werden (Samson 1999).<br />
Wahn, U., Seger, R., Wahn, V.(Hrsg.): Pädiatrische Allergologie und Immunologie. 3. Auflage<br />
-München, Jena: Urban & Fischer, 1999, 696 S. (ISBN 3-437-213<strong>10</strong>-5)<br />
Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (Hrsg.): DGPI-Handbuch 1997: Infektionen<br />
bei Kindern und Jugendlichen: 2. Auflage -München: Futuramed-Verl., 1997, 745 S.<br />
(ISBN 3-923599-85-4)<br />
Jorde, W.: Schimmelpilzallergie: Eine Übersicht. Allergologie, 22 (1999) S. 326-329<br />
Samson, R.A.: Moulds in indoorenviromnents; identification and detection. Vortrag 3. Pilztagung<br />
des Berufsverbandes Deutscher Baubiologen e.V., Fulda 1999
Madeleyn, Asthma bronchiale Umed Info <strong>10</strong><br />
Asthma bronchiale im Kindesalter aus anthroposophischer Sicht<br />
Goethes Gesundheit<br />
Im Jahr des Gedenkens an Goethes 250.<br />
Geburtstag mag es gestattet sein, mit einigen<br />
Zitaten an ihn anzuknüpfen.<br />
Sein Hausarzt der frühen Weimarer Jahre,<br />
C. W. Hufeland, schreibt über ihn: „Es ist<br />
mir nie ein Mensch vorgekommen, welcher<br />
zu gleicher Zeit körperlich und geistig<br />
in so hohem Grade vom Himmel begabt<br />
gewesen wäre, und auf diese Weise in der<br />
Tat das Bild des vollkommensten Menschen<br />
darstellte. Aber nicht bloß die Kraft<br />
war zu bewundern, die bei ihm in so außerordentlichem<br />
Grade Leib und Seele erfüllte,<br />
sondern mehr noch das herrliche<br />
Gleichgewicht, was sich sowohl über die<br />
physischen als geistigen Funktionen ausbreitete,<br />
und die schöne Eintracht, in welcher<br />
beides vereinigt war, so dass keines,<br />
wie so oft geschieht, auf Kosten des anderen<br />
lebte oder es störte. Man kann mit<br />
Wahrheit sagen, dass dieses hauptsächlich<br />
seinen Geist auszeichnete, dass alle<br />
Geisteskräfte im gleich hohen Grade und<br />
in der schönsten Harmonie vorhanden waren,<br />
und dass selbst die bei ihm so lebendige,<br />
so schöpferische Phantasie durch<br />
die Herrschaft des Verstandes gemäßigt<br />
und gezügelt wurde. Und eben dies gilt<br />
von dem Physischen; kein System, keine<br />
Funktion hatte das Übergewicht; alle wirkten<br />
gleichsam zusammen zur Erhaltung<br />
eines schönen Gleichgewichtes“.<br />
Goethe selbst versteht Gesundheit nur im<br />
Gleichgewicht entgegengesetzter Kräfte,<br />
Krankheit aus einem Verwalten des einen<br />
über die anderen und prägt im Hinblick auf<br />
die Atmung, auf die sich ein Asthma bronchiale<br />
auswirkt, den Spruch:<br />
Im Atemholen sind zweierlei Gnaden:<br />
Die Luft einziehen, sich ihrer entladen;<br />
jenes bedrängt, dieses erfrischt;<br />
so wunderbar ist das Leben gemischt.<br />
Drum danke Gott, wenn er Dich preßt,<br />
und dank ihm, wenn er Dich wieder entläßt.<br />
R. Madeleyn<br />
Anthroposophischer Gesundheitsbegriff<br />
So, wie wir in der Anthrosophie eine Weiterentwicklung<br />
des Goetheanismus sehen<br />
können, geht der anthroposophische<br />
Krankheitsbegriff nicht wie derjenige der<br />
WHO von einer Abwesenheit körperlichen,<br />
seelischen und sozialen Wohlbefindens<br />
aus, sondern von einem unharmonischen<br />
Zusammenwirken der menschlichen Wesensglieder<br />
physischer Leib, Ätherleib,<br />
Astralleib und Ich bzw. der drei Funktionssysteme:<br />
Nerven-Sinnes-System als Träger<br />
des Denkens, der Vorstellungen und<br />
Wahrnehmungen, des rhythmischen Systems<br />
mit den zentralen Organen Herz<br />
und Lunge als Träger des Gefühlslebens<br />
und dem Stoffwechsel-Gliedmaßen-Systems<br />
als Träger des Willenslebens.<br />
Zunahme von Allergien und Asthma<br />
Nun ist bemerkenswert, dass nach der<br />
Erstbeschreibung des Heuschnupfens<br />
1828 durch den Londoner Arzt Bostock,<br />
der selbst darunter litt und jahrelang im<br />
Umkreis von London suchen musste, um<br />
eine kleine Zahl von Heuschnupfenkranken<br />
zu finden, die Erkrankungen des atopischen<br />
Formenkreises, also in erster Linie<br />
Heuschnupfen, Asthma bronchiale und<br />
Neurodermitis geradezu zu einer Volksseuche<br />
geworden sind. Je nach Erhebung<br />
werden Erkrankungsraten zwischen 25<br />
und 50% angegeben, es wird von einer<br />
Verdoppelung etwa alle <strong>10</strong> Jahre ausgegangen,<br />
das Asthma bronchiale gilt inzwischen<br />
als die häufigste chronische Krankheit<br />
des Kindesalters. Bei der Frage nach<br />
den Ursachen steht die naturwissenschaftlich<br />
orientierte Medizin vor einem<br />
Rätsel, offenbar genetische Zusammenhänge<br />
geben allein keine Erklärung und<br />
die sogenannte Umweltverschmutzung<br />
stellte nur einen kleinen Teilaspekt der<br />
Kausalkette dar.<br />
Interessant ist, dass in den meisten epidemiologischen<br />
Studien deutlich wird, dass<br />
atopische Erkrankungen, vor allem Krankheiten<br />
der „Kopfarbeiter“ und der oberen<br />
21
Madeleyn, Asthma bronchiale Umed Info <strong>10</strong><br />
sozialen Schichten sind. So betrug in der<br />
Schweiz die allgemeine Heuschnupfenrate<br />
<strong>10</strong>%, bei Landarbeitern 1%, bei Akademikern<br />
20%. Afrikaner und Eskimos, die ihre<br />
ursprüngliche und einfache Lebensweise<br />
beibehalten, leiden kaum an atopischen<br />
Erkrankungen, sobald sie jedoch die Lebensweise<br />
der modernen Zivilisation annehmen<br />
und in Städte ziehen, steigt auch<br />
bei ihnen die Rate atopischer Erkrankungen<br />
sprunghaft an.<br />
Ländervergleich<br />
In einem auf der Jahrestagung der Deutschen<br />
Gesellschaft für Kinderheilkunde<br />
1997 gehaltenen Vortrag zeigt die Münchner<br />
Allergologin, Frau von Mutius, dass ein<br />
inverser Zusammenhang zwischen dem<br />
Vorkommen von Asthma und der Inzidenz<br />
von Atemwegsinfektionen steht, so war in<br />
der ehemaligen DDR die Prävalenz allergischer<br />
Erkrankungen deutlich niedriger<br />
als im Westen, eine große Mehrheit der<br />
Kinder besuchte von ihrem ersten Geburtstag<br />
an Kinderkrippen und machte früh<br />
fieberhafte Infekte häufiger durch als eine<br />
vergleichbare Gruppe von Kindern in<br />
München, wo nur eine Minderheit der Kinder<br />
in dieser Altersgruppe Kinderkrippen<br />
besuchten. Bemerkenswert ist außerdem,<br />
dass in Guinea Bissau in Westafrika junge<br />
Erwachsene signifikant seltener atopisch<br />
sensibilisiert waren, wenn sie Masern in<br />
der Kindheit durchgemacht hatten im Vergleich<br />
mit geimpften Patienten. In Italien<br />
fand sich ein ähnlich starker protektiver Effekt<br />
für Infektionen mit Hepatitis A.<br />
Immunologische Mechanismen<br />
Plausibel wurden diese Untersuchungen<br />
durch immunologische Untersuchungen,<br />
wonach sich 2 gegenseitig ausschließende<br />
T-Helfer-Zell-Populationen aus einer<br />
gemeinsamen Stammzelle entwickeln<br />
und verschiedene Muster der Zytokinausschüttung<br />
von diesen unterschiedlichen<br />
T-Helferzellen produziert werden.<br />
Die TH2-Helferzellen produzieren Interleukin<br />
4 und 5 und sind vorwiegend bei der<br />
Pathogenese allergischer Erkrankungen<br />
beteiligt, wo hingegen TH1-Helferzellen Interleukin<br />
2 und Interferon Gamma produzieren.<br />
Interleukin 4 ist eines der notwendigen<br />
Signale um B-Zellklone für die<br />
Produktion von IgE zu aktivieren. Interfe-<br />
22<br />
ron Gamma andererseits wird u.a. im Verlauf<br />
in Infektionen gebildet und hindert die<br />
Proliferation der TH2-Klone und die Produktion<br />
von IgE durch B-Zellen. Daher<br />
könne eine vorwiegende Aktivierung der<br />
TH1-Helferzellen im Verlauf rez. viraler<br />
oder bakterieller Infektionen der Proliferation<br />
von TH2-Klonen und der Entwicklung<br />
von IgE-Antikörpern vorbeugen.<br />
Rolle von Infektionskrankheiten<br />
Wir können aus diesen Beobachtungen<br />
schließen, dass das ungenügend intensive<br />
Durchmachen akuter fieberhafter, entzündlicher<br />
Erkrankungen, wie es auch die<br />
klassischen Kinderkrankheiten sind, zu allergischen,<br />
d.h. chronisch verlaufenden<br />
entzündlichen Krankheiten disponiert.<br />
Anthroposophische Erklärungen für Allergien<br />
Entzündung in der antiken Medizin wurde<br />
bei Hippokrates als eine Art von Verdauung<br />
an falscher Stelle aufgefasst, in der<br />
heutigen Pathologie ist Entzündung eine<br />
Reaktion auf eine Noxe, also einen schädigenden<br />
Einfluss, die Verwandtschaft beider<br />
Entzündungsbegriffe liegt da, wo<br />
durch die Entzündung etwas Fremdes überwunden<br />
werden muss, so wie bei der<br />
Nahrungsaufnahme dem menschlichen<br />
Organismus zunächst fremde Substanzen,<br />
wie Früchte, Gemüse oder tierisches Eiweiß<br />
im Verdauungsprozess abgebaut<br />
werden, damit entweder körpereigene<br />
Substanz aufgebaut werden kann, oder<br />
körpereigene Lebensprozesse aufrecht<br />
erhalten werden können.<br />
Am Beispiel der Kuhmilchallergie des<br />
Säuglings soll dargestellt werden, wie sich<br />
eine Allergie entwickeln kann. Die Darmschleimhaut<br />
des kleinen Säuglings ist<br />
vermehrt durchlässig für Fremdprotein,<br />
das dann, bevor es in das kindliche Blut<br />
gelangt, ungenügend verdaut ist. Bekommt<br />
ein Säugling zu früh Kuhmilch statt<br />
Muttermilch, so ist er verstärkt disponiert<br />
für das Entstehen einer Atopie, die wir<br />
Sensibilisierung nennen, eine Art pathologischer<br />
Verdauungsbereitschaft an falscher<br />
Stelle entstehen kann (z.B. durch<br />
spezifische IgE-Antikörper).<br />
Bei späterem erneuten Kontakt mit Kuhmilch<br />
kommt es dann zu der überschie-
Madeleyn, Asthma bronchiale Umed Info <strong>10</strong><br />
ßenden Reaktion der Kuhmilchallergiker<br />
als Uritcaria, Ekzem, asthmatoide Bronchitis<br />
bis hin zum schweren anaphylaktischen<br />
Schock.<br />
Allergische Symptome spielen sich ab an<br />
unserem Grenzbereich, der Oberfläche<br />
von Haut und Schleimhäuten. Immer sind<br />
sie vom Charakter einer Überempfindlichkeitsreaktion<br />
geprägt, die stärker ist, als es<br />
dem Ausmaß der „Noxe“ (dem Allergen)<br />
entspricht.<br />
In diesem Sinne können wir bei der atopischen<br />
Konstitution von einer relativen<br />
Verdauungsschwäche oder Schwäche des<br />
Stoffwechsel-Gliedmaßen-Systems und<br />
von einem Überwiegen der Wahrnehmungs-<br />
und Vorstellungstätigkeit, die<br />
Empfindlichkeit bedingt, sprechen. Damit<br />
haben wir aus der anthroposophischen<br />
Menschenkunde heraus eine erste Brücke<br />
zu der Tatsache, dass Allergien vor allem<br />
Krankheiten der Kopfarbeiter sind. Es entspricht<br />
der Signatur unseres Jahrhunderts,<br />
immer mehr das Nerven-Sinnes-System<br />
durch Reizüberfluss und Informationsverarbeitung<br />
zu beanspruchen, während körperliche<br />
Betätigung vielfach durch Maschinen<br />
geleistet wird.<br />
Allergien und Asthma<br />
Nach diesen allgemeinen Ausführungen<br />
soll jetzt speziell auf das Asthma bronchiale<br />
eingegangen werden: Während der<br />
Heuschnupfen durch das Jucken und<br />
Brennen der Schleimhäute, die Schwellung<br />
der Bindehäute, den Niesreiz und die<br />
behinderte Nasenatmung, die Neurodermitis<br />
durch den quälenden Juckreiz auf<br />
der Haut zwar lästig, aber nicht gefährlich<br />
sind, ist dies beim Asthma durch die Atemnot<br />
anders, und es kann zu einer Bedrohung<br />
des Lebens kommen.<br />
Anthroposophische Erklärungen für<br />
Asthma<br />
Der Atemstrom in den Bronchien wird<br />
durch Schleimhautschwellung und einen<br />
Spasmus der Bronchialmuskulatur eingeengt,<br />
es kommt zum Luftstau, zur Überblähung<br />
der Lunge dadurch, dass vor allem<br />
die Ausatmung, weniger die Einatmung<br />
behindert ist. An die Stelle des Juckreizes<br />
bei der Neurodermitis tritt der Hustenreiz,<br />
seelisch kommt es zur Angst, die wie-<br />
derum verstärkend auf das Asthma zurückwirken<br />
kann. Rudolf Steiner beschreibt,<br />
dass beim Asthma die Lunge zu<br />
sehr „Kopf“ wird, so entspricht dem Kopfsystem<br />
der Charakter des Einatmens, des<br />
Aufnehmens wie beim Wahrnehmen, oder<br />
der Reizaufnahme der Nervenzelle.<br />
Die oberen Wesensglieder Astralleib und<br />
Ich-Organisation wirken im Nerven-Sinnes-System<br />
frei, während sie im Stoffwechsel-Gliedmaßen-Systemstoffgebunden<br />
und mit Überwindung von Fremdprozessen<br />
beschäftigt sind, im rhythmischen<br />
System schwingen sie vermittelnd hin und<br />
her, wirken wiederum beim Asthma zu<br />
sehr von außen, tauchen ungenügend in<br />
den Atemstrom ein, wodurch zu stark<br />
Wahrnehmung, d.h. Überempfindlichkeit<br />
hervorgerufen wird. Rudolf Steiner beschreibt,<br />
wie das Nerven-Sinnes-System<br />
Träger des Wachbewusstseins ist, das<br />
rhythmische System mit seiner Beziehung<br />
zum Fühlen, dem Traumbewusstsein verwandt<br />
ist und wie wir in unserem Stoffwechsel,<br />
aber auch in unserer Willensbetätigung<br />
wie schlafen, am meisten unbewusst<br />
sind. Unsere Zivilisation fordert immer<br />
mehr das Wachbewusstsein, was sich<br />
auch in der ständig zunehmenden Zahl<br />
von Schlafstörungen spiegelt. Schlaf fordert<br />
ein Lösen vom Tagesgeschehen,<br />
nimmt das Wachbewusstsein überhand,<br />
dann spiegelt sich das in der Atmung in<br />
einem Überwiegen des Bedrängen der<br />
Einatmung gegenüber dem erfrischenden,<br />
lösenden, befreiendem der Ausatmung um<br />
mit Goethe zu sprechen. Beim Kind kommen<br />
beide Prozesse im gesunden kindlichen<br />
Spiel in ein Gleichgewicht, im Spielen<br />
lernt das Kind quasi atmen, lernt sowohl<br />
die Gegenstände in ihrer Eigenart<br />
kennen, kann sie zugleich jedoch vermittels<br />
seiner Phantasie im Kleinen verändern.<br />
Die Reizüberflutung der modernen Medienwelt,<br />
aber auch jede Form von zu intellektueller<br />
Früherziehung greift störend in<br />
die Entwicklung des kindlichen Atmungssystems<br />
ein. Haben wir ein Kind vor uns,<br />
das durch ein Asthma bronchiale in seinem<br />
Atmungssystem gestört ist, dann ist<br />
es gut, auf den Schlaf-Wach-Rhythmus<br />
des Kindes in der Anamnese zu schauen,<br />
23
Madeleyn, Asthma bronchiale Umed Info <strong>10</strong><br />
jedoch auf darauf, unter welchen Bedingungen<br />
das Kind seinen Weg in sein Erdenleben<br />
gefunden hat, ob z.B. die<br />
Schwangerschaft bedroht war. Im Schlaf<br />
atmen wir quasi unser Seelisch-Geistiges<br />
aus, um es am Morgen in unseren Leib<br />
wieder einzuatmen und auch Geburt und<br />
Tod können wir als einen ganz großen Einatmungs-<br />
und Ausatmungsvorgang auffassen.<br />
Infekte und Asthma<br />
Die Psychosomatik des Asthma bronchiale<br />
bekommt damit eine andere Nuance, wir<br />
verstehen besser, wie die allergische<br />
Komponente und die seelische sich gegenseitig<br />
bedingen. Beim Infektasthma<br />
bewirken Infekte der oberen Luftwege ein<br />
Auslösen asthmatischer Zustände, immer<br />
wieder können wir bei diesen Kindern eine<br />
Schwierigkeit beobachten, Infekte durch<br />
hohes Fieber zu bewältigen, eine Unfähigkeit<br />
zu fiebern, fördert offensichtlich bei<br />
Entzündungen deren Chronifizierung.<br />
Hierzu paßt auch, dass Impfungen ein Risiko<br />
für das Entstehen einer Atopie darstellen,<br />
jedoch auch Unterdrückung akuter<br />
Infektionen durch Antibiotika und Antipyrese.<br />
Bei einer Impfung erwirbt sich das<br />
Kind seinen Schutz über die „Gedächtnisfunktion“<br />
des Immunsystems, ohne die<br />
entsprechende Krankheit mit dem ganzen<br />
Menschen durchgemacht zu haben, vergleichbar<br />
vielleicht mit dem Erlebnis einer<br />
abenteuerlichen Bergtour im Film oder<br />
Wirklichkeit.<br />
Therapie<br />
Doch nun zu den therapeutischen Möglichkeiten,<br />
die neben Maßnahmen der Lebensführung,<br />
der Diätetik, Klimawechsel,<br />
äußere Anwendungen, Inhalationen, Medikamente,<br />
Heileurythmie und künstlerische<br />
Therapie beinhalten.<br />
Die Vermeidung von Allergenen ist teilweise<br />
berechtigt, häufig jedoch, wie bei<br />
der Hausstauballergie problematisch. Vielfach<br />
gelingt es durch eine grundlegende<br />
Beeinflussung der atopischen Konstitution,<br />
dass vorübergehend weggelassene Allergene<br />
später wieder vertragen werden, wie<br />
besonders oft bei der Kuhmilchallergie des<br />
kleinen Kindes.<br />
24<br />
Domäne der schulmedizinischen Therapiemöglichkeiten<br />
ist die Notfalltherapie,<br />
insbesondere der Status asthmaticus. Für<br />
die Dauerbehandlung haben sich die noch<br />
vor einigen Jahren an erster Stelle eingesetzten<br />
β-Sympathicomimetica, meist inhalativ<br />
angewandt, als für die Langzeitprognose<br />
ungünstig mit Todesfällen durch<br />
Missbrauch erwiesen. Inzwischen wird den<br />
inhalativen Steroiden der Vorzug gegeben,<br />
wie in jeder Steroidtherapie müssen wir<br />
jedoch auch hierin eine rein symptomatische<br />
Therapie sehen, die die eigentlichen<br />
Ursachen der Krankheit ignoriert und vermutlich<br />
ähnlich in der der Lokalbehandlung<br />
die der Haut auf Dauer die Bronchialschleimhaut<br />
schädigt. Als relativ harmlos<br />
kann die Chromoglycinsäure, verwandt mit<br />
Inhaltsstoffen der Heilpflanze Ammi visnaga,<br />
angesehen werden.<br />
Eine Therapie, die am Stoffwechselpol ansetzt<br />
und die inneren Appetite, als das innerliche<br />
Sichverbinden mit den Nahrungsmitteln,<br />
stärkt, ist die Gabe von<br />
Gerbstoffen und Bittermitteln. Sie fördern,<br />
wie Rudolf Steiner in seiner Darstellung<br />
zur Asthmatherapie am 02.01.1924 ausführt,<br />
die richtige Verbindung der beiden<br />
mittleren Wesensglieder Ätherleib und Astralleib.<br />
Besonders bewährt hat sich uns<br />
die morgendliche Gabe von Eichenrindentee,<br />
einige Minuten gekocht ein Esslöffel<br />
bis ½ Tasse Wasser und die abendliche<br />
Gabe von Ehrenpreistee, mit kochendem<br />
Wasser aufgebrüht in der selben<br />
Menge. Diese Therapie kann kurweise<br />
über 2 Monate, oder auch länger, durchgeführt<br />
werden. Als auch in der Homöopathie<br />
in erster Linie krampflösendes Mittel<br />
eignet sich Cuprum, z.B. als Cuprum<br />
aceticum D4 zusammen mit dem defomationslösenden<br />
Tabacum Rh D6 (Weleda)<br />
für die akute Behandlung asthmatischer<br />
Zustände, 4-8 mal täglich 5-<strong>10</strong> Tropfen.<br />
Bei Kindern mit Hausstauballergie setzen<br />
wir Apis D30 als Injektion s.c. oder innerlich<br />
ein, bei schwächlichen Kindern Prunus<br />
spinosa D2 oder D3 innerlich oder ebenfalls<br />
zusammen mit Apis als Injektion. Für<br />
die Inhalationsbehandlung asthmatischer<br />
Zustände dient Emser Sole oder Kochsalzlösung,<br />
ca. 0,4% der Schleimlösung,<br />
während Gencydo, ein Präparat aus Quitte
Madeleyn, Asthma bronchiale Umed Info <strong>10</strong><br />
und Zitrone in Ampullenform (für jede Inhalation<br />
kann ↓ Ampulle Gencydo 7% genommen<br />
werden), den zu stark nach außen<br />
wirkenden Astralleib zusammenzieht<br />
und ihn wieder stärker in den Bronchialbaum<br />
einkoppelt. Meistens kombinieren<br />
wir Gencydo mit Quarz D20, ebenfalls<br />
in Ampullenform. Quarz verstärkt die Abgrenzungsfähigkeit<br />
von Haut und<br />
Schleimhäuten und wirkt damit antientzündlich.<br />
Äußere Anwendungen, vor allem Brustwickel,<br />
haben einen hohen Stellenwert in<br />
der Behandlung des Asthmas. Der warme<br />
Lavendelölwickel wirkt beruhigend, lösend<br />
und entspannend, der Ingwerwickel<br />
durchwärmend und der Senfwickel lokal<br />
hyperämisierend und ableitend. Viele Patienten<br />
verspüren während des Wickels<br />
eine unmittelbare Erleichterung. Vorsicht<br />
ist mit dem Senfwickel bei hautempfindlichen<br />
Kindern angebracht, auch kann es<br />
vorkommen, dass ein ängstlich-angespanntes<br />
Kind durch die starke lokale Reizung<br />
des Senfwickels in Panik gerät.<br />
Kur<br />
Immer wieder werden nach Klimakuren<br />
lang anhaltende Besserungen eines<br />
Asthmas beobachtet, dabei reagiert ein<br />
Kind günstiger auf Gebirgsklima, das andere<br />
auf Seeklima. Für Kinder in den ersten<br />
Lebensjahren ist manchmal das<br />
Nordseeklima zu rau und der Mittelmeerraum<br />
besser geeignet. Wirksamer Faktor<br />
ist das Zusammenspiel von Wind, Wasser,<br />
Sonne sowie die allgemeine Entspannung<br />
der Familie durch hoffentlich fehlende Belastung:<br />
Alle Beteiligten können wieder<br />
besser durch- und miteinander atmen.<br />
Ernährung<br />
In der Diätetik können wir zwischen den<br />
allgemeinen Empfehlungen einer gesunden<br />
Ernährung, wie sie durch Testungen<br />
und Provokation zu eruieren sind, unterscheiden.<br />
In jedem Fall ist eine vegetarische<br />
Vollwerternährung unter weitgehendem<br />
Meiden von Fleisch, Süßigkeiten und<br />
künstlichen Zusatzstoffen günstig, wie überhaupt<br />
ein Überangebot an Vielfalt eher<br />
Allergien fördert. Vollkornprodukte trainieren<br />
gerade zu den Stoffwechsel, während<br />
Zucker ihn entlastet, aber zugleich<br />
schwächt und die seelisch-geistige Aktivität<br />
mehr in den Kopfbereich verlagert.<br />
Künstlerische Betätigung<br />
Jede künstlerische Betätigung wirkt stärkend<br />
auf die rhythmische Organisation, in<br />
ganz besonderem Maße jedoch die Musik,<br />
die sich wie der Atmungsvorgang der Luft<br />
bedient, um von uns wahrgenommen werden<br />
zu können. Sowohl Musiktherapie als<br />
auch Maltherapie, mit der Möglichkeit in<br />
polaren Farben beim Aquarellmalen Atmen<br />
zu lernen, oder beim Formenzeichnen<br />
in schwingende Formen einzutauchen,<br />
haben sich besonders in der klinischen<br />
Asthmatherapie als „Intensivkur“<br />
bewährt. In der Heileurythmie gibt es spezielle<br />
Lautreihen wie das L, A, O, U, M, die<br />
in der Abfolge Konsonant-Vokal-Konsonant<br />
und der Art der gestalteten Lautbewegung<br />
geradezu das Urbild des gesunden<br />
Atemprozesses darstellen und sich<br />
immer wieder als sehr wirksam erwiesen<br />
haben.<br />
Behandlungserfolg<br />
An dieser Stelle mag die Frage entstehen,<br />
was durch all diese Maßnahmen wirklich<br />
für den Verlauf eines Asthmas bronchiale<br />
erreicht werden kann. Hierzu wurde an der<br />
Filderklinik und am Martiniziekenhuis in<br />
Groningen (Holland) eine orientierende<br />
Studie an jeweils 19 Schulkindern durchgeführt,<br />
wobei die Gruppen bezüglich Alter,<br />
Geschlecht und Schulbildung vergleichbar<br />
waren und jeweils 1 Jahr schulmedizinisch<br />
oder nach den Gesichtspunkten<br />
der anthroposophisch erweiterten<br />
Medizin, wie hier dargestellt, behandelt<br />
worden waren.<br />
In beiden Gruppen war es zu einer gleich<br />
guten Anfallsreduktion, die tendenziell in<br />
der anthroposophischen Gruppe etwas<br />
stärker war, gekommen, kein Kind in der<br />
anthroposophisch behandelten Gruppe, alle<br />
in der schulmedizinisch behandelten erhielten<br />
Steroide.<br />
Schließlich sei eine neue schwedische<br />
Forschungsarbeit (veröffentlicht im „Lancet,<br />
Vol 353, May 1999 Seite 1485-1488)<br />
erwähnt, die zeigt, dass atopische Erkrankungen<br />
bei Waldorfschülern signifikant<br />
seltener sind als bei einer vergleichbaren<br />
25
Madeleyn, Asthma bronchiale Umed Info <strong>10</strong><br />
Gruppe von Schülern konventioneller<br />
Schulen. Waldorfschüler hatten in ihrer<br />
Anamnese einen geringeren Verbrauch an<br />
Antibiotika, waren seltener gegen Masern,<br />
Mumps und Röteln geimpft, hatten weniger<br />
Antipyretika bekommen und wurden<br />
häufiger mit fermentierten Gemüse und<br />
Produkten aus ökologischem Anbau ernährt.<br />
Daraus kann geschlossen werden,<br />
dass Charakteristika eines anthroposophischen<br />
Lebensstils vor atopischen Erkrankungen<br />
schützen, hierzu gehört, statistisch<br />
nicht quantifizierbar sicherlich auch eine<br />
Pädagogik, die weniger Kopfwissen als<br />
vielmehr Willenserziehung und Gemütspflege<br />
(künstlerische Fächer, rhythmischer<br />
Teil des Hauptunterrichts) in Harmonie mit<br />
intellektueller Bildung vermittelt und als<br />
„ganzheitliche Pädagogik“ eine ganzheitliche<br />
Medizin ergänzen muss, um damit einer<br />
weiteren Ausbreitung der Seuche Atopie<br />
vorbeugend entgegenzuwirken.<br />
Zusammenfassung<br />
Aus dem Gesagten kann deutlich werden,<br />
dass mit medikamentösen Maßnahmen,<br />
mit Inhalation und äußeren Anwendungen<br />
eine Linderung asthmatischer Beschwerden<br />
möglich ist und diese Maßnahmen<br />
26<br />
dazu beitragen können, den Verlauf eines<br />
Asthma bronchiale so weit zu lindern, dass<br />
auf symptomatisch wirkende schulmedizinische<br />
Maßnahmen verzichtet werden<br />
kann. Es kann jedoch nicht übersehen<br />
werden, dass in unserer Zivilisation krankmachende<br />
Faktoren wirken, die das<br />
Gleichgewicht bzw. die Harmonie der verschiedenen<br />
menschlichen Seelenbetätigungen<br />
gefährden. Dieses Gleichgewicht<br />
kann vor allem durch künstlerische Betätigung<br />
im therapeutischen Sinne vermittelt<br />
werden. Auf der körperlichen Ebene erscheint<br />
es wichtig, dass das kleine Kind<br />
genügend akute entzündliche Erkrankungen<br />
durchmachen kann, begleitet von einem<br />
Arzt, dem es nicht in erster Linie darum<br />
geht, die Krankheitssymptome so<br />
schnell wie möglich beiseite zu schaffen,<br />
sondern Komplikationen zu verhindern,<br />
das Vertrauen zu haben, dass das Kind im<br />
Durchmachen akuter Krankheiten in seinem<br />
Immunsystem gestärkt wird. Hierfür<br />
steht eine Vielzahl naturheilkundlicher,<br />
homöopathischer und anthroposophischmedizinischer<br />
Medikamente inklusive der<br />
äußeren Anwendungen und diätetischer<br />
Maßnahmen zur Verfügung.
Bieberstein, Physikalische Einflüsse auf die Entstehung von Schimmelpilzen Umed<strong>info</strong> <strong>10</strong><br />
Physikalische Einflüsse auf die Entstehung von Schimmelpilzen<br />
Raumtemperatur und Raumluftfeuchte<br />
sind ein wesentlicher Faktor, um Schimmelpilzbildung<br />
in Räumen zu verhindern.<br />
Idealwerte: +20°C Raumtemperatur und<br />
maximal 65% relative Luftfeuchte, besser<br />
weniger. Die relative Luftfeuchtigkeit kann<br />
mit einem handelsüblichen Hygrometer<br />
kontrolliert werden. Hygrometer bekommen<br />
Sie überall dort, wo auch Thermometer<br />
erhältlich sind.<br />
Richtiges Heizen und Lüften<br />
Der einfachste Weg der Entsorgung von<br />
Feuchtigkeit aus Wohnräumen ist die Lüftung<br />
durch das Fenster. Sie soll den kompletten<br />
Luftaustausch, aber nicht die Abkühlung<br />
der Räume bewirken. Die erforderliche<br />
Lüftungsdauer für hygienisch<br />
saubere Luft und zur Vermeidung von<br />
Schimmelpilzbildung <strong>info</strong>lge zu hoher<br />
Feuchtigkeit ist von der Außenlufttemperatur<br />
abhängig. Die Möglichkeit, Feuchte<br />
aus Wohn- und Kellerräumen durch Lüftung<br />
abzuführen, wird von der jeweiligen<br />
Wettersituation mit beeinflusst. Deshalb<br />
müssen die Verhältnisse je nach Lage im<br />
Gebäude und Jahreszeit unterschieden<br />
werden.<br />
Oberirdische Wohnung im Sommer<br />
In aller Regel treten hier die geringsten<br />
Feuchteprobleme auf: Erstens ist die<br />
Wandoberfläche kaum kälter als die<br />
Raumluft, so dass auf ihr auch bei Raumluftfeuchten<br />
bis über 70% relativer Luftfeuchte<br />
kein Tauwasser entsteht. Zweitens<br />
erlaubt die Witterung ausgiebiges Fensterlüften,<br />
wodurch ein Großteil der Wohnfeuchte<br />
fortlaufend nach außen abgeführt<br />
werden kann, bevor sie sich in der Raumluft<br />
anreichert.<br />
Oberirdische Wohnung im Winter<br />
Die Querbelüftung bei weit geöffneten,<br />
sich gegenüber liegenden Fenstern, gegebenenfalls<br />
über mehrere Räume, sorgt für<br />
den schnellsten und effektivsten Luftwechsel.<br />
Bei Temperaturen um ± 0°C sind<br />
5 Minuten (bei Windstille) ausreichend. In<br />
den Übergangsjahreszeiten sind 15 Minuten<br />
Lüftungsdauer mindestens erforder-<br />
H. Bieberstein<br />
lich. Bei längerer Lüftung oder ständig gekippten<br />
Fenstern besteht die Gefahr der<br />
Auskühlung des Raumes, insbesondere<br />
der Umfassungsflächen (Laibungen,<br />
Sturz), der Lüftungsöffnung (Fenster, Tür).<br />
Warme Raumluft würde dann an diesen<br />
Flächen abgekühlt und könnte kondensieren.<br />
Dadurch entsteht ausreichend Feuchtigkeit<br />
für die Bildung von Schimmelpilzen.<br />
Eine Dauerlüftung beheizter Räume ist<br />
außerdem Energieverschwendung. Die<br />
Lüftung ist eng mit der Beheizung der<br />
Räume verbunden. Wenn die Räume im<br />
Winter auf +20°C beheizt werden und die<br />
Luftfeuchtigkeit 65% r.F. nicht übersteigt,<br />
kann die ausgetauschte Luft nach ihrer<br />
Erwärmung ausreichend Feuchtigkeit aufnehmen<br />
und beim nächsten Lüftungsvorgang<br />
entsorgen.<br />
Keller im Sommer<br />
In schlecht gedämmten Kellerräumen<br />
kann an schwülen Sommertagen Tauwasser<br />
ausfallen, wenn Außenluft in den Keller<br />
gelangt. Eine Tür am Kellerzugang<br />
verhindert, dass warme, feuchte Außenluft<br />
in das Untergeschoss eindringt. Eine Belüftung<br />
des Kellers durch Lüftungsöffnungen<br />
oder Kellerfenster sollte nur bei<br />
Bedarf an Tagen mit niedrigen Außentemperaturen<br />
und geringer Luftfeuchtigkeit<br />
bzw. nachts erfolgen. In Vorratskellern ist<br />
häufig eine hohe relative Luftfeuchtigkeit<br />
erwünscht.<br />
Keller im Winter<br />
Eine Belüftung der Räume ist nicht erforderlich.<br />
Wenn die Kellerwände <strong>info</strong>lge aufsteigender<br />
Feuchtigkeit aus dem Erdreich<br />
feucht sind, müssen die Grundmauern des<br />
Gebäudes saniert werden. Raumluftentfeuchter<br />
sind hier ungeeignet, denn sie<br />
können nicht das Mauerwerk entfeuchten.<br />
Die Ursachen aufsteigender Feuchtigkeit<br />
sind vielfältig. Sie müssen vor Ort untersucht<br />
und beseitigt werden.<br />
Übergangsjahreszeiten<br />
Kritische Situationen treten in den Übergangsjahreszeiten<br />
auf, wenn die Gebäude<br />
bereits kühl sind, die Luft aber tagsüber<br />
27
Bieberstein, Physikalische Einflüsse auf die Entstehung von Schimmelpilzen Umed<strong>info</strong> <strong>10</strong><br />
noch relativ hohe Temperaturen hat. Dann<br />
kann die Außenluft relativ viel Feuchtigkeit<br />
enthalten. Ein neuer Schimmelpilzherd<br />
kann davon zwar nicht entstehen, bereits<br />
bestehende Pilzherde entwickeln jedoch<br />
ein schnelles Wachstum in dieser Zeit. Die<br />
Lüftung der Räume ist am effektivsten, je<br />
größer der Temperaturunterschied zwischen<br />
innen und außen ist. Zur Belüftung<br />
der Räume sind dann die Morgen- oder<br />
Nachtstunden günstig.<br />
Als Wohnung genutzte Kellerräume/<br />
Souterrainwohnungen<br />
Wird Wasserdampf durch Bewohner und<br />
Haushaltsgeräte produziert, transportiert<br />
die täglich mehrmals notwendige Be- und<br />
Entlüftung dieser Räume zwangsläufig<br />
warme, feuchte Sommerluft in das Untergeschoss.<br />
Die Erwärmung der Oberflächen,<br />
der Umfassungswände und Böden<br />
dauert hier durch die Speichermasse des<br />
Erdreichs bedeutend länger an als in oberirdischen<br />
Geschossen. Bis diese Erwärmung<br />
statt gefunden hat, kann es zur<br />
Kondensation des Wasserdampfes aus<br />
der Luft und zu Feuchteschäden mit<br />
Schimmelpilzbildung kommen. An warmen,<br />
trockenen Tagen sollte ausgiebig gelüftet<br />
werden, um damit die Räume rasch<br />
zu erwärmen. Feuchtigkeit wird dabei fortlaufend<br />
nach außen geführt, bevor sie sich<br />
in der Raumluft anreichert. Nicht bei<br />
schwülem Wetter!<br />
Währen der Übergangsjahreszeiten dürfen<br />
diese Räume nicht auskühlen, sondern<br />
müssen konstant beheizt werden, bis sie<br />
jahreszeitlich bedingt nicht mehr auskühlen<br />
können. Auch Schlafräume in Untergeschossen<br />
sollten auf mindestens +16°C<br />
erwärmt werden. Die Möblierungsmöglichkeiten<br />
solcher Räume sind stark eingeschränkt,<br />
da keine Möbel vor Wänden gegen<br />
Außenluft oder Erdreich aufgestellt<br />
werden sollten. Wenn sich dennoch<br />
Feuchteschäden einstellen, kann nur eine<br />
zusätzliche Wärmedämmung der Wände<br />
und Böden gegen das Erdreich die Ober-<br />
28<br />
flächentemperaturen auf das erforderliche<br />
Niveau erhöhen.<br />
Wirtschaftsräume im Untergeschoss<br />
Problematisch sind Arbeitszimmer, Hobbyräume<br />
oder Wirtschaftsräume im Untergeschoss,<br />
die nur stunden- oder tageweise<br />
genutzt werden. Eine Belüftung ist für Hygiene<br />
und Feuchteabfuhr erforderlich.<br />
Wird in diesen Räumen bei der Nutzung,<br />
z.B. Wäsche waschen, Feuchtigkeit produziert,<br />
muss diese sofort weg gelüftet werden.<br />
Beschlagene Fensterscheiben sind<br />
ein deutliches Zeichen für zu hohe Raumluftfeuchtigkeit<br />
und sollten als Hinweis<br />
dienen, die Räume zu belüften.<br />
Hilfsgeräte zur Raumluftentfeuchtung<br />
Im Handel werden im wesentlichen zwei<br />
Prinzipien zur Raumentfeuchtung angeboten:<br />
Elektrisch betriebene Raumluftentfeuchter,<br />
in denen Wasserdampf durch Kondensation<br />
der Raumluft entzogen wird. Die Anschaffungspreise<br />
liegen bei mind. <strong>10</strong>00<br />
DM, wobei nicht immer ein Gerät pro<br />
Haushalt ausreichen wird. Der elektrische<br />
Entfeuchter produziert Wärme, die gerade<br />
im Sommer das Raumklima zusätzlich belastet.<br />
Der Stromverbrauch elektrisch betriebener<br />
Geräte kann je nach Einstellung<br />
und Betriebsweise bis zu 1,80 DM/Tag<br />
kosten. Er verursacht eine durchaus vermeidbare<br />
Umweltbelastung. Nicht zu unterschätzen<br />
ist die ständige Geräuschbelästigung<br />
durch diese Geräte.<br />
Raumluftentfeuchter auf Salzbasis – dabei<br />
wird die Eigenschaft von Salzen genutzt,<br />
Wasser aus der Luftfeuchtigkeit aufzunehmen.<br />
Von wenigen Extremfällen abgesehen, ist<br />
die Anschaffung eines elektrisch betriebenen<br />
oder auf Salzbasis funktionierenden<br />
Raumluftenfeuchters zur Raumentfeuchtung<br />
nicht erforderlich. Die Kapazität der<br />
Geräte ist beschränkt. Leistungen von 0,5<br />
– 5,0 Litern Wasser pro Tag stehen einem<br />
Aufkommen von ca. 12,0 Litern pro Tag in<br />
einem 4-Personen-Haushalt gegenüber.<br />
Hier kann nur richtiges Lüftungsverhalten<br />
helfen.
Bieberstein, Physikalische Einflüsse auf die Entstehung von Schimmelpilzen Umed Info <strong>10</strong><br />
.<br />
Tabelle 1: Wasserdampfproduktion in Wohnräumen durch Nutzer<br />
Wannenbad ca. 1,0 Liter pro Person<br />
Duschbad ca. 1,5 Liter pro Person<br />
Trocknende Wäsche<br />
(4,5 kg Trommel geschleudert) 1,0 – 1,5 Liter<br />
(4,5 kg Trommel tropfnass 2,0 – 3,0 Liter<br />
Kurzgericht 0,4 – 0,5 Liter pro Kochzeit<br />
Langgericht 0,5 – 0,8 Liter pro Kochzeit<br />
Braten ca. 0,6 Liter pro Kochzeit<br />
Spülmaschine ca. 0,2 Liter pro Spülgang<br />
Waschmaschine 0,2 – 0,3 Liter pro Waschgang<br />
Zimmerpflanzen 0,5- 1,0 Liter pro Tag<br />
Freie Wasseroberfläche<br />
(Aquarien, Zierbrunnen) 0,9 – 1,2 Liter pro m 2 und Tag<br />
Atmung (1 Person) ca. 0,1 Liter pro Stunde<br />
während der Schlafphase ca. 1,0 Liter pro Person<br />
In einem 4-Personenhaushalt summiert sich die durchschnittliche Wasserdampfproduktion<br />
pro Tag auf ca. 12,0 Liter.<br />
29
Bieberstein, Physikalische Einflüsse auf die Entstehung von Schimmelpilzen Umed Info <strong>10</strong><br />
30<br />
Witterungsabhängiges Stoßlüften durch ganz geöffnete Fenster<br />
oder Querlüften (Durchzug)<br />
Für die Lüftungszeiten<br />
besonders zutreffende<br />
Monate<br />
Dezember, Januar,<br />
Februar<br />
März, November<br />
April, Oktober<br />
Mai, September<br />
Juni, Juli, August<br />
Notwendige Lüftungsdauer<br />
für einen Luftwechsel bei ganz<br />
geöffnetem Fenster (Stoßlüftung)<br />
4 bis 6 Minuten<br />
8 bis <strong>10</strong> Minuten<br />
12 bis 15 Minuten<br />
16 bis 20 Minuten<br />
25 bis 30 Minuten<br />
Quelle: Energiespar<strong>info</strong>rmation Nr. 8: Lüftung im Wohngebäude. Hrsg. Hessisches Ministerium für<br />
Umwelt, Energie und Bundesangelegenheiten. Wiesbaden, 1990.<br />
• Keine Dauerbelüftung mit gekippten Fenstern<br />
• Geschlossene Türen zu weniger temperierten Räumen.<br />
• Badezimmer unmittelbar nach Benutzung über Fenster lüften.<br />
• Temperatur-Differenz zwischen Voll- und teilbeheizten Räumen nicht größer<br />
als 5 Grad.
Senkpiel, Biologische Innenraumbelastung Umed Info <strong>10</strong><br />
Biologische Innenraumbelastung<br />
Bewertung von feuchte- und schimmelpilzbelasteten Wohnungen<br />
Zusammenfassung<br />
Zur Risikoabschätzung mikrobiologischer<br />
Belastungen in Innenräumen können folgende<br />
Empfehlungen und Orientierungswerte<br />
aus folgenden Dokumenten herangezogen<br />
werden:<br />
Kanadische Public Health Arbeitsgruppe<br />
[22]. Bericht des WHO-Meeting in Rautavaara<br />
zum Thema : Indoor air quality: biological<br />
contaminants [8]. Guidlines der<br />
ACGIH = American Conference of Governmental<br />
Industrial Hygienists [1]. Europäisches<br />
Gemeinschaftsobjekt, Report No.<br />
12: Biological Particles in Indoor Environments<br />
(EUR 14988 EN) [23]. Kommission<br />
Innenraumlufthygiene des Umweltbundesamtes<br />
[ 9].<br />
Ein rechtsverbindliches Regelwerk speziell<br />
für die Durchführung der Messung und<br />
Bewertung von Schimmelpilzen in Innenräumen<br />
gibt es derzeit in der Bundesrepublik<br />
Deutschland nicht. Daher wird für die<br />
Erfassung und Bewertung von mikrobiellen<br />
Luftschadstoffen ein pragmatisches<br />
Vorgehen mittels Erfahrungs- bzw. Orientierungswerten<br />
empfohlen. Nach einem<br />
Erfahrungswert, der unabhängig von der<br />
Jahreszeit gilt, ist eine wohnhygienische<br />
Abklärung der Innenraumemissionsquelle<br />
vorzunehmen, wenn die mesophile<br />
Schimmelpilzmischpopulation ≥ <strong>10</strong>0<br />
KBE/m³ über einer unbelasteten Außenluft<br />
liegt [11,19]. Für die sog. „kältere Jahreszeit“<br />
(I. u. IV. Quartal) kann für unsere<br />
Breiten ein vorläufiger Orientierungswert<br />
von ~ 250 KBE/m³ (mesophile Mischpopulation;<br />
DG18-Agar, 22± 2°C) herangezogen<br />
werden. Bedingt durch das veränderte<br />
Lüftungsverhalten (verstärktes Hineinlüften<br />
von phylloplanen Schimmelpilzen)<br />
kann für schimmelpilzbelastete<br />
Wohnungen in der sog. „wärmeren Jahreszeit“<br />
(II. u. III. Quartal) ein vorläufiger<br />
Orientierungswert von ~ 500 KBE/m³<br />
(mesophile Mischpopulation) angegeben<br />
werden. Für die wichtigsten Aspergillusarten,<br />
die unter thermotoleranten Bedingungen<br />
anzüchtbar sind (DG18 bzw. MEA,<br />
K. Senkpiel<br />
36± 1°C), wird ein vorläufiger Orientierungswert<br />
von ~ 50 KBE/m³ empfohlen<br />
[5].<br />
Einleitung<br />
Klagen über Schimmelpilzbefall in Innenräumen<br />
nehmen zu. Besonders durch die<br />
teilweise nachgebesserten Wärmedämmungen<br />
im Altbau und die nachträglich<br />
eingesetzten dichten Fenster machen sich<br />
Wärmebrücken, Ausstattungs- und Beheizungs-<br />
sowie Belüftungsfehler bemerkbar,<br />
die früher bei besserer natürlicher Lüftung<br />
nicht auftraten [18]. Feuchtenbelastungen<br />
in Innenräumen können durch bauliche<br />
und wohnbedingte Umstände auftreten. Zu<br />
nennen wären: Wärmebrücken, falsche<br />
Grundrissgestaltung, fehlerhafte und<br />
falsch platzierte Heizungskörper, zu geringer<br />
Luftwechsel, zu geringer Fugendurchlasskoeffizient<br />
der Fenster, defekte Gebäudeaußenhülle,<br />
fehlerhafte Wärmedämmungs-<br />
u. Isolierungsmaßnahmen, ungenügende<br />
Wärmespeicherkapazität der<br />
Bauteile. Für den Erdbodenbereich sind zu<br />
nennen: Fehlerhafte vertikale Abdichtung<br />
(aufsteigende Feuchte), defekte Bodendrainage<br />
und Schaden an der horizontalen<br />
Abdichtung (defekte Bodenplatte).<br />
Die häufigsten Erkrankungen, die durch<br />
Inhalation von Innenraumallergenen verursacht<br />
werden sind die IgE vermittelten<br />
Soforttyp-Allergien ( Typ I-Reaktionen: allergische<br />
Rhinitis und Konjunktivitis, allergisches<br />
Asthma bronchiale[17,20,21] )<br />
sowie die gemischte Typ I/Typ III-Reaktion<br />
(IgE/IgG vermittelt) bei der allergisch-<br />
bronchopulmonalen Aspergillose (ABPA ).<br />
Dabei spielen die reinen Schimmelpilzallergien<br />
eine untergeordnete Rolle, da man<br />
in der Regel Sensibilisierungen gegen<br />
mehrere Allergene, wie z.B. Pollen,<br />
Hausstaubmilben, Tierhaarepithelien, Federn,<br />
Fasern, Schimmelpilze und Bakterien<br />
sowie Feinstäube beobachtet. Die<br />
durch Innenraumbelastungen eher selten<br />
auftretende exogen-allergische Alveolitis<br />
(Typ III-Reaktion; Spättyp) ist eine IgG-<br />
31
Senkpiel, Biologische Innenraumbelastung Umed Info <strong>10</strong><br />
und T-zellvermittelte Reaktion, die durch<br />
Ziervögelhaltung (Vogelkot) und Zierpflanzenhaltung<br />
(Blumenerde) ausgelöst wird.<br />
Toxische Wirkungen (toxische Alveolitis;<br />
ODTS [4,13,16,24]) sind bisher nur bei<br />
Arbeitsplätzen mit hoher Staubbelastung<br />
(z.B. Drescherfieber) oder bei Sprühbefeuchtungen<br />
in Klimaanlagen (z.B. Befeuchterfieber)<br />
beschrieben worden. Eine<br />
inhalative Mykotoxinbelastung setzt eine<br />
hohe Sporenkonzentration von > <strong>10</strong> 8<br />
KBE/m³ voraus, wobei die Schimmelpilze<br />
Stachybotrys chartarum (Satratoxine) und<br />
Aspergillus flavus (Aflatoxine) von besonderer<br />
medizinischer Bedeutung sind. Auch<br />
der dermale Aufnahmepfad von Mykotoxinen<br />
ist zu beachten. Infektionen treten<br />
nur bei Immunabwehr geschwächten Patienten<br />
auf (z.B. Aspergillose). Besonders<br />
gefährdet sind Patienten unter immunsuppressiver<br />
Therapie nach Transplantationen.<br />
Aufgrund von Abrissarbeiten im<br />
Klinikgelände können Aspergillussporen<br />
(vorwiegend A. fumigatus) freigesetzt und<br />
inhaliert werden [2]. Geruchsbelästigungen<br />
durch flüchtige organische Verbindungen<br />
(MVOC´s) können SBS-ähnliche<br />
Symptomatiken verursachen.<br />
Risikoabschätzung<br />
Zur Risikoabschätzung mikrobieller Luftbelastung<br />
in Innenräumen wurden von<br />
wissenschaftlich anerkannten Kommissionen<br />
Leitlinien, Empfehlungen und Orientierungswerte<br />
erarbeitet. In dem offiziellen<br />
Dokument wird die quantitative kulturelle<br />
Anzüchtungsmethode für luftgetragene<br />
Schimmelpilzsporen zur Keimzahlbestimmung<br />
und Differenzierung benannt. Im<br />
WHO-Bericht 31 wurden erstmals die von<br />
der kanadischen „Public Health-Arbeitsgruppe“<br />
erarbeiteten Orientierungswerte<br />
benannt. In der Größenordnung stimmen<br />
die hier aufgeführten Expositionsparameter<br />
(in KBE/m³) für Schimmelpilzsporen<br />
des Innenraumes mit den Erfahrungswerten<br />
einzelner Autoren [3,<strong>10</strong>,14,15] für die<br />
intramurale Gesamtschimmelpilzflora überein:<br />
Die Anwesenheit von pathogenen<br />
und toxigenen Schimmelpilzen in Innenräumen,<br />
wie z.B. Aspergillus fumigatus<br />
und Stachybotrys chartarum (S. atra) sind<br />
unakzeptabel, bei mehr als 50 KBE/m³ pro<br />
Einzelspezies muss eine Abklärung der<br />
Innenraumemissionsquelle erfolgen, bis zu<br />
32<br />
150 KBE/m³ Schimmelpilzsporen aus Innenraumquellen<br />
können akzeptiert werden,<br />
falls es sich um eine Mischpopulation<br />
von Schimmelpilzen handelt, bis zu 500<br />
KBE/m³ in Innenräumen können akzeptiert<br />
werde, wenn es sich um phylloplane (auf<br />
den Blattflächen von Pflanzen lebend)<br />
Schimmelpilze der Umwelt handelt [ 8].<br />
Raumhygienische Umgebungsanalyse<br />
Einige Schimmelpilze, wie z.B. Stachybotrys<br />
chartarum, lassen sich in Luftproben<br />
schwer nachweisen, hingegen in Materialproben<br />
oder Kontaktproben von Oberflächen<br />
gut identifizieren. Zur Beurteilung der<br />
wohnhygienischen Situation reicht es daher<br />
nicht aus nur Luftproben als augenblicklicher<br />
Expositionsparameter zu untersuchen.<br />
Die Einbeziehung von Materialproben<br />
liefert Hinweise auf die Lokalisation<br />
der Emissionsquelle. Durch Differenzierung<br />
kann eine Abgrenzung des intramuralen<br />
vom extramuralen Keimspektrums<br />
erfolgen. Die Hinzuziehung von<br />
Staubproben als Langzeitkontaminationsparameter<br />
bei Umgebungsanalysen dient<br />
als Hygienestandard. Die xerophilen<br />
Schimmelpilze repräsentieren die wichtigsten<br />
allergologischen Pilzallergene im<br />
Hausstaub. Sie sind in der Lage auf sehr<br />
trockenen Substraten zu wachsen [z.B.<br />
Wallemia sebi, Aspergillus versicolor, A.<br />
repens (Eurotium herbariorum)]. Mesophile<br />
und hydrophile Pilzarten können<br />
sich nicht im Hausstaub vermehren, bleiben<br />
aber lebensfähig. Für die hygienische<br />
Bewertung von Staubproben können die<br />
im Report 12 (EUR 14388 EN [23]) aufgeführten<br />
Orientierungswerte herangezogen<br />
werden. Der Pilznachweis in Suspension<br />
ist gegenüber dem direkten Ausspateln<br />
von Staubproben vorzuziehen. Eine<br />
sehr hohe Pilzsporenkonzentration im<br />
Hausstaub enthält > 120000 KBE/g Staub.<br />
Eine wohnraumhygienische Umgebungsanalyse<br />
sollte daher folgende Parameter<br />
erfassen:<br />
Expositionsparameter:<br />
Die Prüfung und Bewertung mikrobieller<br />
Belastung der Atmungsluft gibt Auskunft<br />
über die aktuelle Gefährdung insbesondere<br />
für Atopiker. Dieser Expositionsparameter<br />
wird zeitgleich mit einer Referenzwertmessung<br />
der unbelasteten Außenluft
Senkpiel, Biologische Innenraumbelastung Umed Info <strong>10</strong><br />
verbunden. Die Erfassung von wieder anzüchtbaren<br />
Sporen (quantitative kulturelle<br />
Methode) und nicht anzüchtbaren Pilzsporen<br />
(Sporenimpaktion auf beschichtete<br />
Objektträger und Auszählung unter dem<br />
Mikroskop) ist für eine Gesamtbeurteilung<br />
sinnvoll. Durch Einsatz von miniaturisierten<br />
personengebundenen bzw. wohnraumbezogenenLuftfiltrationskeimsammler<br />
bei relativ geringem Ansaugvolumenstrom<br />
und Laufzeiten von ca. 8 Stunden<br />
können für Schimmelpilzsporen Tagesmittelwerte<br />
erhoben werden.<br />
Kontaminationsparameter:<br />
Oberflächenmaterialprobe- (kultureller<br />
Nachweis) und Oberflächenkontaktprobenahmen<br />
(mikroskopischer Direktnachweis)<br />
geben nach Differenzierung darüber Auskunft,<br />
ob es sich um Spezies mit allergischen,<br />
toxischen oder pathogenen Wirkungen<br />
handelt.<br />
Die im Staub sedimentierten und in der<br />
Regel lebensfähigen Sporen geben Auskunft<br />
über die Langzeitkontamination mit<br />
Schimmelpilzen. Die Gefahr einer Remobilisation<br />
ist bei hoher Kontamination des<br />
Hausstaubes gegeben, wenn Kleinkinder<br />
auf dem Fußboden spielen und somit in<br />
besonderer Weise exponiert werden können.<br />
Erfahrungs- bzw. Orientierungswerte<br />
zur wohnhygienischen Bewertung<br />
Die aus der täglichen Praxis gestellte Forderung<br />
nach einer gesundheitsbezogenen<br />
Richtwertfestlegung von aerogenen<br />
Schimmelpilzsporen in der Raumluft ist<br />
äußerst schwierig und von komplexer Natur.<br />
Erfahrungswert:<br />
Eine wohnhygienische Abklärung des belasteten<br />
Innenraumes (unabhängig von<br />
der Jahreszeit) wird erforderlich, wenn die<br />
aerogene mesophile Schimmelpilzpopulation<br />
der intramuralen Mischflora > <strong>10</strong>0<br />
KBE/m³ über einer zeitgleich gemessenen<br />
unbelasteten Außenluft liegt.<br />
Es ist unumstritten, dass in der sog. „kälteren<br />
Jahreszeit“ die höchste Keimexposition<br />
in Feuchte belasteten Innenräumen<br />
auftreten, hingegen in der „wärmeren Jahreszeit“<br />
in Abhängigkeit von der pflanzlichen<br />
Vegetationsperiode höhere Keimex-<br />
positionen in der Außenluft nachzuweisen<br />
sind. Bei der Festlegung von Orientierungswerten<br />
muss daher die saisonale Abhängigkeit<br />
berücksichtigt werden.<br />
Winterhalbjahr:<br />
Unsere in Raum Lübeck und Umgebung<br />
durchgeführten Untersuchungen ergaben<br />
im Winterhalbjahr (I. u. IV. Quartal zusammengefasst)<br />
eine Innenraumluftbelastung<br />
von 3848 KBE/m³ (arithm, M. ; n =<br />
82). Im Vergleich zum zeitgleich erfassten<br />
unbelasteten Außenluftwert* von 250<br />
KBE/m³ lag durchschnittlich eine ca.<br />
12fache Erhöhung der Pilzsporenkonzentration<br />
in der Innenraumluft vor.<br />
Sommerhalbjahr:<br />
Im Sommerhalbjahr (II. u. III. Quartal zusammengefasst)<br />
liegt normalerweise keine<br />
intramurale Vegetationsperiode der<br />
Schimmelpilze im Innenraum vor. Die relativ<br />
hohen Außenlufttemperaturen verhindern<br />
eine Taupunkttemperatur-Unterschreitung.<br />
Des weiteren muss auch das<br />
veränderte Lüftungsverhalten in der wärmeren<br />
Jahreszeit berücksichtigt werden,<br />
so dass bei unseren Untersuchungen eine<br />
mittlere Schimmelpilz - Sporenkonzentration<br />
von 762 KBE/m³ (n = 29) bestimmt<br />
wurde. Das arithmetische Mittel der unbelasteten<br />
Außenluft lag bei 537 KBE/m³.<br />
Durch folgende Ausnahmesituationen<br />
können auch im Sommerhalbjahr extreme<br />
Keimexpositionen auftreten: Defekte Gebäudeaußenhüllen,<br />
defekte Bodenplatten,<br />
Wasser- bzw. Abwasser-Rohrbrüche<br />
[21a].<br />
Ganzjähriger Orientierungswert für<br />
Aspergillen:<br />
Da die Aspergillen ganzjährig mit Maxima<br />
im III. und IV. Quartal unabhängig von der<br />
pflanzlichen Vegetationsperiode auftreten,<br />
ist die Angabe eines ganzjährigen Orientierungswertes<br />
sinnvoll. Im Hinblick der<br />
medizinischen Relevanz (Infektionsrisiko)<br />
wird die bei allen Warmblütern<br />
(Mensch/Tier) adaptierte Temperatur von<br />
36± 1°C als Bebrütungstemperatur für<br />
thermotolerante Spezies gewählt. Die unter<br />
thermotoleranten Bedingungen anzüchtbaren<br />
Spezies sind in gesundheitlicher<br />
Hinsicht strenger zu bewerten als<br />
Spezies, die nur unter mesophilen Bedin-<br />
33
Senkpiel, Biologische Innenraumbelastung Umed Info <strong>10</strong><br />
gungen wachsen (22± 2°C). In Übereinstimmung<br />
mit anderen Autoren [5] wurde<br />
für thermotolerante Aspergillusarten ein<br />
Orientierungswert von ~50 KBE/m³ abgeleitet.<br />
Die Jahresmittel-Außenluft einer unbelasteten<br />
Wohngegend liegt bei 15-20<br />
KBE Aspergillen/m³ [12].<br />
Schlussfolgerungen<br />
Eine verlässliche Risikoabschätzung aufgrund<br />
von epidemiologischen Datenerhebungen<br />
ist derzeit nicht möglich. Für das<br />
pragmatische Handeln einer wohnhygienischen<br />
Beratung können in erster Näherung<br />
Orientierungswerte von ~250 KBE/m³<br />
für das Winterhalbjahr (I. u. IV. Quartal)<br />
und ~500 KBE/m³ für das Sommerhalbjahr<br />
(II. u. III. Quartal) sowie ganzjährig ~50<br />
KBE/m³ für thermotolerante Aspergillen<br />
herangezogen werden. Dabei sollten diese<br />
34<br />
Orientierungswerte nicht isoliert, sondern<br />
nur im Zusammenhang mit einer wohnhygienischen<br />
Umgebungsanalyse betrachtet<br />
werden, die sowohl Untersuchungen von<br />
Luftproben (Expositionsparameter), Materialproben,<br />
Hausstaubproben, Kontaktoberflächenproben(Kontaminationsparameter)<br />
sowie Außenluftproben mit Angabe<br />
der KBE und Spezies einschließen.<br />
*Laut einer Studie des Landesgesundheitsamtes<br />
Baden-Württemberg vom Nov.<br />
1997 bis März 1998 wurden die Wohnungen<br />
von 378 Kindern in 4 verschiedenen<br />
Orten des Landes auf eine mögliche<br />
Schimmelpilz- und Hausstaubmilbenbelastung<br />
hin untersucht. Die Außenluftwerte<br />
für das Winterhalbjahr lagen hier im arithm.<br />
Mittel bei 197 KBE/m³ (n=378)<br />
[6,7]).<br />
Literatur<br />
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35
36<br />
Umed Info <strong>10</strong>
Palmgren, Nachweis von kultivierbaren Umed Info <strong>10</strong><br />
und nichtkultivierbaren Mikroorganismen<br />
Nachweis von kultivierbaren und nicht-kultivierbaren Mikroorganismen<br />
sowie Nachweis von MVOC. Aussage und Bewertung.<br />
Viele mikrobielle Schäden sind nicht sichtbar.<br />
Trotzdem können diese Schäden<br />
Menschen gesundheitlich beeinflussen,<br />
denn Mikroorganismen geben (lebend und<br />
tot) sowohl flüchtige organische Substanzen<br />
(MVOC), als auch partikulär gebundene<br />
Substanzen (Mykotoxine) ab. Häufig<br />
klagen Personen in mit MVOC belasteten<br />
Räumen über Müdigkeit, angeschwollene<br />
Schleimhäute, Nebenhöhlenprobleme,<br />
Kopfschmerzen, Juckreiz oder Hautausschläge.<br />
Auch Gelenk- und Muskelschmerzen<br />
ähnlich einem Fibromyalgie-<br />
Syndrom werden häufig berichtet. Nicht alle<br />
Menschen reagieren sofort auf diese<br />
Stoffe. Eine Schleimhautreizung kann z.B.<br />
zuerst harmlos wirken, aber dann nach<br />
mehrmaligen Expositionen über längerer<br />
Zeit oder bei gewissen Arbeitsvorgängen,<br />
verstärkt zum Vorschein kommen.<br />
MVOC<br />
Die hauptsächliche Aktivität der Mikroorganismen<br />
richtet sich auf den Abbau von<br />
komplexen organischen Substanzen zu<br />
einfacheren Substanzen unter Bildung von<br />
Kohlendioxid, Wasser, mikrobieller Biomasse<br />
und Energiegewinn für die Lebensprozesse.<br />
Während dieses Um-/Abbaus<br />
werden eine ganze Reihe von Stoffwechselprodukten<br />
als flüchtige Verbindungen<br />
abgegeben. Gewöhnlicher weise ist muffige<br />
Luft auf Schimmel und Bakterien zurückzuführen<br />
(Dewey, S., Sagunski, H.,<br />
Palmgren). und Wildeboer, B., 1995). Im<br />
ganzen sind über 50 solcher Substanzen<br />
(MVOC) bekannt, aber nicht alle flüchtigen<br />
Stoffwechselprodukte von Mikroorganismen<br />
sind (ohne besondere Markierung)<br />
eindeutig einer mikrobiellen Quelle zuzuordnen;<br />
so werden z.B. lineare aliphatische<br />
Alkohole (Ethanol, Propanol, Butanol,<br />
etc.) häufig auch als technische Lösemittel<br />
eingesetzt.<br />
Es ist somit sehr wichtig, nur die Stoffe als<br />
MVOC zur Bewertung heranzuziehen, die<br />
wirklich nur von Mikroorganismen stam-<br />
U. Palmgren<br />
men können, da ihr Einsatz als Lösemittel<br />
erfahrungsgemäß sehr ungewöhnlich wäre.<br />
Dies bedeutet gleichzeitig, dass viele<br />
flüchtige Substanzen von Mikroorganismen<br />
abgegeben werden, die wegen mangelnder<br />
Spezifität nicht sicher als MVOC<br />
definiert werden können. Die wirkliche Abgabe<br />
der flüchtigen organischen Stoffe<br />
von Mikroorganismen wird so deutlich unterschätzt<br />
(Wessén, B. und Schoeps, K.-<br />
O. (1996). In: Analyst, Sept., Vol. 121, pp<br />
1203-1205). Andererseits liegen inzwischen<br />
umfangreiche Erfahrungen vor, die<br />
das Auftreten charakteristischer MVOC<br />
(z.B. 2-methyl-Furan) speziellen Lebens-<br />
und Wachstumsbedingungen zuordnen<br />
lassen. Bestimmungen der MVOC sind<br />
nicht nur als Arbeitsmilieu - Untersuchungen<br />
z.B. bei Mülldeponien oder als Kontrollen<br />
von Innenräumen durchgeführt<br />
worden, sondern auch als Kontrollen in<br />
der Außenluft (Pegasus Gesamtwert von<br />
15 ausgewählte MVOC, ohne Isobutanol<br />
und 1-Butanol =< 0,1µg/m 3 ).<br />
Keime in der Luft<br />
Auch in einer Luftprobe ist eine Mengenbestimmung<br />
der Mikroorganismen (pro m 3 )<br />
unerlässlich. Der quantitative Nachweis<br />
von luftgetragenen Mikroorganismen leidet<br />
aber unter erheblichen Einschränkungen,<br />
da nur eine kleiner Anteil (meist weniger<br />
als 3%) der in der Luft vorhandenen Mikroorganismen<br />
als Kolonie bildende Einheiten<br />
(KBE) heranwächst. Der weitaus<br />
größte Anteil kann auf Nährmedien nicht<br />
gezüchtet werden, ist aber als Gesamtzellzahl<br />
und als Allergen vorhanden. Eine<br />
Korrelation zwischen allergischen Reaktionen<br />
und der Menge luftgetragener Keime<br />
als KBE ist somit nicht sinnvoll. Um die<br />
Menge der wirklich vorhandene Mikroorganismen<br />
nachzuweisen, könnte die<br />
CAMNEA-Methode verwendet werden<br />
(Palmgren et al. (1986).<br />
Das Vorkommen der verschiedenen<br />
MVOC-Substanzen und deren Konzentra-<br />
37
Palmgren, Nachweis von kultivierbaren Umed Info <strong>10</strong><br />
und nichtkultivierbaren Mikroorganismen<br />
tionen eignen sich weitaus besser mikrobielle<br />
Bauschäden mittels Luftproben zu<br />
finden, als luftgetragene KBE. Denn die im<br />
Material befindlichen Mikroorganismen<br />
können, wenn sie z.B. im Estrich wachsen<br />
oder nicht kultivierbar sind auch nicht als<br />
luftgetragene KBE nachgewiesen werden.<br />
Neuere Publikationen zeigen eine gute<br />
Korrelation zwischen von Pegasus LAB<br />
bestimmten Gehalten an MVOC, mikrobielle<br />
Schäden und dem Auftreten von Gesundheitsproblemen<br />
bei den Bewohnern<br />
(Alsen-Hinrichs, C., et al., 1998).<br />
Palmgren, U., Ström, G., Blomquist, G, &<br />
Malmberg, P. (1986). In: Collection of airborne<br />
micro-organisms on Nuclepore filters, estimation<br />
and analysis - CAMNEA method, J. Appl.<br />
Bact. 61, pp 401-406).<br />
Malmberg,P., Palmgren,U., und Rask-<br />
Andersen,A. (1986). In: Relationship between<br />
symptoms and exposure to mould dust in<br />
swedish farmers, American Journal of Industrial<br />
Medicine, pp <strong>10</strong>:316-317)<br />
Malmberg, P., Rask-Andersen, A. Palmgren,<br />
U., Höglund, S., Kolmodin-Hedman, B., und<br />
Stålenheim, G., (1985). In: Exposure to microorganisms,<br />
febril and airway-obstructive symptoms,<br />
immune status and lung function of<br />
Swedish farmers, Scand. J. Work Environ.<br />
Health 11, pp 287-293)<br />
Anteil der koloniebildenden Einheiten (KBE) an Gesamtzahl<br />
38<br />
Gesamtzellzahl<br />
Die in den nachfolgenden Studien durchgeführten<br />
Tests enthalten eine Bestimmung<br />
der Gesamtzellzahl (tote + nicht kultivierbare<br />
lebende Mikroorganismen +<br />
KBE) sowie Bestimmung von KBE und Arten.<br />
In den Untersuchungen zur "Farmer's<br />
Lung" wurden die Untersuchungen mit<br />
Personen getragenen Filterhaltern und<br />
Sammelvorrichtungen durchgeführt. Die<br />
Gesamtzellzahl der Mikroorganismen ist<br />
im Epifluoreszens-Mikroskop nach der<br />
CAMNEA-Methode bestimmt.<br />
In der neueren CAMNEA-Methode wird als<br />
Filterhalter eine Kunststoff - Kohlenstaubkassette<br />
mit geringer Aufladungstendenz<br />
verwendet, die auch für Astbestbestimmung<br />
geeignet ist.<br />
Wenn die Gesamtzellzahlen, die mit der<br />
CAMNEA-Methode ermittelt wurden gleich<br />
<strong>10</strong>0% sind, sind in den verschiedenen<br />
Probenentnahmebereichen folgende Prozentsätze<br />
für die Kolonie bildenden Einheiten<br />
festgestellt worden (P. Kämpfer, W.<br />
Beyer, G. Danneberg, L. Grün, W. Martens,<br />
A. Neef, U. Palmgren, und R. Szewzyk.<br />
Neuere Methoden zum Nachweis<br />
luftgetragener Mikroorganismen und zur<br />
Quellenidentifikation. In : Schriftenreihe<br />
des Vereins für Wasser-, Boden-, und<br />
Lufthygiene. Band 30. 321-402. 1999.)<br />
KBE Bakterien KBE Schimmel<br />
Deutschland<br />
Landwirtschaft 2,3% 5,7%<br />
(Durchschnitt bei 81 Proben) min.
Palmgren, Nachweis von kultivierbaren Umed Info <strong>10</strong><br />
und nichtkultivierbaren Mikroorganismen<br />
Anteil der koloniebildenden Einheiten (KBE) an Gesamtzahl<br />
Schweden KBE Bakterien KBE Schimmel<br />
Innenraummilieu 2,1% 4,7%<br />
(Durchschnitt bei 285 Proben) min.
Palmgren, Nachweis von kultivierbaren Umed Info <strong>10</strong><br />
und nichtkultivierbaren Mikroorganismen<br />
6) Nur durch verstärkte Lüftung, etwa mit<br />
raumlufttechnischen Anlagen, werden Gesundheitsprobleme<br />
in einem verschimmelten<br />
Gebäude nicht verschwinden.<br />
7) Ein dichtes Gebäude muss eine raumlufttechnischen<br />
Abluft- und Zuluftanlage<br />
haben, sonst werden die Wände früher<br />
oder später verschimmeln.<br />
8) Man ist sich auch einig, dass das Untersuchen<br />
von mikrobiell geschädigten<br />
Häusern eine schwierige Aufgabe ist.<br />
Denn nur ein positiver Befund (erhöhte<br />
40<br />
Werte) kann etwas über den Schadensumfang<br />
aussagen (z.B. Schimmelschaden<br />
vorhanden).<br />
Mehrere Negativbefunde in einem Zimmer<br />
können jedoch nicht aussagen, dass kein<br />
Schimmel in dem Zimmer vorhanden ist.<br />
Wer nichts findet, kann über Zusammenhänge<br />
zwischen Messungen und Gesundheitsstörungen<br />
auch nichts aussagen.<br />
Ein Schadensermittler, der mit aussagekräftigen<br />
und mehr feinfühligen Methoden<br />
ein Haus untersucht, wird wesentlich mehr<br />
Menschen mit Gesundheitsproblemen helfen<br />
können.
Mayer, Bestimmung biogener Allergene Umed Info <strong>10</strong><br />
Wir Menschen verbringen den Großteil<br />
unserer Zeit (>90%) in Innenräumen, welche<br />
oftmals hermetisch abgeschlossen<br />
sind, durchgehend geheizt, mit Teppichen<br />
und Polstern ausgestattet, besiedelt von<br />
Hund und Katze sind. So wurde der<br />
einstmals funktional geprägte Schutz zur<br />
Quelle von Innenraumallergenen. Dies<br />
führt zu einer stetigen Zunahme von Erkrankungen<br />
wie Rhinitis bis hin zu Asthma.<br />
Besonders der Atopie prädisponierte<br />
Mensch erleidet dadurch massive Probleme.<br />
Die Allergene der Hausstaubmilben<br />
Dermatophagoides pteronysinus und Dermatophagoides<br />
farinae, sowie die Allergene<br />
von Katze , Hund und Küchenschabe<br />
sind die best erforschten Innenraumallergene,<br />
auch darum, weil sie statistisch<br />
die häufigsten Allergene sind, die<br />
als Ursache für schwere allergische Symptome<br />
gelten. In dieser Reihe sind sicherlich<br />
auch viele Vertreter der Schimmelpilze<br />
einzureihen. Neuerdings wird auch das<br />
Latex- und Ficus-Allergen oft beschrieben.<br />
Welche Rolle Pollen als Innenraumallergene<br />
spielen, wird an unterschiedlichen<br />
Stellen erforscht.<br />
Grundsätzlich gibt es zwei methodische<br />
Ansätze, die Innenraumallergene nachzuweisen.<br />
Zum einen im Hausstaub (z.B.<br />
Dustscreen), zum anderen in der Luft (Halogen-Essays)<br />
Bestimmung biogener Allergene<br />
F. Maier<br />
Die Bedeutung beider Methoden ist sicherlich<br />
unterschiedlich. Die „Hausstaub-<br />
Methode“ hat sicherlich ihren Stellenwert,<br />
wenn es um das Initiieren und Follow-Up<br />
von Sanierungsmethoden geht. Die Expositionsmessung<br />
(Luft) dient z.B. der genauen<br />
Lokalisierung des Übels und der<br />
persönlichen Exposition.<br />
Bisher gibt es nicht unbedingt verlässliche<br />
Hinweise auf den Allergengehalt im Hausstaub<br />
im Verhältnis zur Symptomatik bzw.<br />
Exposition des Betroffenen. Die beiden<br />
Methoden unterscheiden sich in der<br />
Sammeltechnik: Staubsaugen für Reservoirmessung<br />
und Luftsammler für die Expositionsmessung.<br />
Die Sensitivität beider<br />
Methoden ist stark verschieden. Der Halogen-Essay<br />
misst einen Allergengehalt von<br />
<strong>10</strong>pg bis 20pg, was in etwa 200 x sensitiver<br />
ist, als die ELISA-Methode wie der<br />
DUSTSCREEN.<br />
Der Stellenwert beider Methoden in der allergologischen<br />
Praxis muss sicherlich<br />
noch tiefer untersucht werden. Doch haben<br />
wir heute dadurch verlässliche Methoden,<br />
Antworten und Fakten auf Umstände<br />
zu bekommen, die unser Wohlbefinden<br />
massiv manipulieren.<br />
Eine gezielte Prävention, Sanierungsmaßnahme<br />
und spezifische Therapie erfordern<br />
eine Allergenanalyse in Innenräumen.<br />
41
42<br />
Umed Info <strong>10</strong>
S. Jovanovic, I. Piechotowski, T. Gabrio, M. Schwenk Umed Info <strong>10</strong><br />
Belastung mit Schimmelpilzen und Milben in Wohnräumen in Baden-Württemberg<br />
Belastung mit Schimmelpilzen und Milben in Wohnräumen<br />
in Baden-Württemberg<br />
S. Jovanovic, I. Piechotowski, T. Gabrio, M. Schwenk<br />
Einleitung:<br />
Schimmelpilze und Hausstaubmilben stellen<br />
Risiken für Allergien und Atemwegserkrankungen<br />
dar. Über die häusliche<br />
Belastung mit diesen biogenen Kontaminanten<br />
in Süddeutschland ist wenig<br />
bekannt. In der vorliegenden Studie an<br />
den vier Beobachtungsgesundheitsämtern<br />
in Baden-Württemberg (Verdichtungsraum:<br />
Stuttgart und Mannheim, Verdichtungsraum<br />
im ländlichen Raum: Kehl und<br />
ländlicher Raum: Ravensburg bzw. Aulendorf/Bad<br />
Waldsee) wurden von November<br />
1997 bis Mai 1998 Daten zur Belastung<br />
mit Schimmelpilzen und Hausstaubmilben<br />
1n 379 Wohnungen von Kindern (4. Klässler)<br />
in Baden-Württemberg ermittelt.<br />
Studiendesign:<br />
Die Studie war als Fall-Kontroll-Studie angelegt.<br />
Dabei wurden Kinder mit atopischen<br />
Erkrankungen (Fälle), Kindern ohne<br />
atopische Erkrankungen (Kontrollen) gegenübergestellt.<br />
Die Untersuchung umfasste<br />
einen Fragebogen zu Atemwegserkrankungen<br />
und Allergien, eine Wohnungsbegehung<br />
mit Begehungsprotokoll<br />
und Probenahme im Kinderzimmer für die<br />
Bestimmung von Schimmelpilzen in Innenraumluft,<br />
Außenluft, Boden- und Matratzenstaub<br />
sowie Milbenallergen im Boden-<br />
und Matratzenstaub. Im Serum der Kinder<br />
wurden zusätzlich IgE-Bestimmungen gegen<br />
gegen Schimmelpilzmischung und<br />
Hausstaubmischung durchgeführt.<br />
Schimmelpilze:<br />
Methode<br />
Die Luftprobennahme wurde mit Filtration<br />
(Gerät FH2) durchgeführt. Das Probevolumen<br />
betrug 50 l und <strong>10</strong>0 l. als Medium<br />
wurden DG 18 (Dichloran-Glyzerin-Agar)<br />
Platten verwendet.<br />
• Für die Staubprobennahme wurden<br />
handelsübliche Staubsauger verwendet,<br />
die mit einem speziellen Filterhalter<br />
mit Saugöffnung von ca. 0,5 cm<br />
versehen waren. Die Probenahme erfolgte<br />
bei einer Saugleistung von ca.<br />
15 l/min und einer Sauggeschwindigkeit<br />
von ca. 12 m/s auf Gelatinefilter<br />
(Durchmesser 5 cm, Porengröße<br />
3µm). zunächst wurde auf der Matratze<br />
und danach vom Boden eine<br />
Fläche von 1 m 2 innerhalb von 5 min<br />
abgesaugt.<br />
• Für die Schimmelpilzbestimmung wurde<br />
der ausgewogene Staub einschließlich<br />
Filter 1 : <strong>10</strong>0 mit 0,9% NaCl/0.01%<br />
TWEEN 80 versetzt und 30 Minuten<br />
auf dem Magnetrührer gerührt. Die<br />
enthaltene Suspension wurde 1 : <strong>10</strong><br />
verdünnt. Von der Ausgangssuspension<br />
und Verdünnung wurden jeweils 3<br />
DG-18 Platten beschickt (200 µl). Die<br />
Platten wurden bei 25°C bebrütet. Die<br />
Auszählung erfolgte nach 2 und 5 Tagen.<br />
Es wurde die Gesamtkeimzahl<br />
und die Spezieszusammensetzung<br />
bestimmt. Die Häufigkeitsverteilung<br />
der einzelnen Gattungen wurde durch<br />
die Vergabe von Rängen festgehalten<br />
(3 = überwiegend, 2 = mäßig viel, 1 =<br />
wenig).<br />
43
S. Jovanovic, I. Piechotowski, T. Gabrio, M. Schwenk Umed Info <strong>10</strong><br />
Belastung mit Schimmelpilzen und Milben in Wohnräumen in Baden-Württemberg<br />
Ergebnisse<br />
• Die Mediane der Schimmelpilzkonzentration in der Außenluft lagen an den vier Untersuchungsorten<br />
zwischen 1<strong>10</strong> und 160 KBE/m 3 und in der Innenraumluft zwischen 95 und<br />
160 KBE/m 3 (Abb. 1).<br />
• Die Schimmelpilzbelastung in der Innenraumluft ist in Stuttgart und Kehl signifikant niedriger<br />
als in Aulendorf/Bad Waldsee (Abb. 1).<br />
• Das 95. Perzentil der Differenz Außenluftbelastung-Innenraumluftbelastung lag bei 5<strong>10</strong><br />
KBE/m 3 (ABB. 2)<br />
44<br />
700<br />
600<br />
500<br />
Ein<br />
hei 400<br />
ten<br />
300<br />
200<br />
<strong>10</strong>0<br />
0<br />
Box-Diagramm<br />
Getrennt nach: Ort<br />
Schimmel IL KBE/cbm Schimmel AL KBE/cbm<br />
Kehl<br />
Mannheim<br />
Ravensburg<br />
Stuttgart<br />
Abbildung 1: Verteilung der Schimmelpilzbelastung in der Innenraumluft (IL) und Außenluft (AL)<br />
Anzahl<br />
140<br />
120<br />
<strong>10</strong>0<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
Histogramm<br />
0<br />
-<strong>10</strong>00 -500 0 500 <strong>10</strong>00 1500<br />
Il - Al<br />
Abbildung 2: Verteilung der Differenz der Schimmelpilzbelastung in der Außenluft und in der Innenraumluft
S. Jovanovic, I. Piechotowski, T. Gabrio, M. Schwenk Umed Info <strong>10</strong><br />
Belastung mit Schimmelpilzen und Milben in Wohnräumen in Baden-Württemberg<br />
• Die Mediane der Schimmelpilzkonzentration im Bodenstaub lagen zwischen 23300 und<br />
32500 KBE/g Staub und im Matratzenstaub zwischen 13000 und 21800 KBE/g Staub<br />
(Abb. 3).<br />
Einheiten<br />
140000<br />
120000<br />
<strong>10</strong>0000<br />
80000<br />
60000<br />
40000<br />
20000<br />
0<br />
Abbildung 3: Verteilung der Schimmelpilzbelastung im Bodenstaub und im Bettstaub<br />
• Eine schwache Korrelation zwischen den Schimmelpilzkonzentrationen im Bodenstaub<br />
und Bettstaub ist erkennbar. Für andere Medien ergaben sich keine Korrelationen (Abb.<br />
4).<br />
150000<br />
Sc<br />
him<br />
mel<br />
- <strong>10</strong>0000<br />
Bet<br />
t<br />
KB<br />
E/g<br />
50000<br />
Box-Diagramm<br />
Getrennt nach: Ort<br />
0<br />
Schimmel-Bett KBE/g Schimmel Boden KBE/g<br />
Regressionsdiagramm<br />
0 <strong>10</strong>0 200 300 400 500 600 700<br />
Schimmel IL KBE/cbm<br />
Y = 28034,281 + 4,555 * X; R^2 = ,007<br />
Kehl<br />
Mannheim<br />
Ravensburg<br />
Stuttgart<br />
Abbildung 4: Korrelation der Schimmelpilzbelastung in der Innenraumluft und im Bodenstaub<br />
45
S. Jovanovic, I. Piechotowski, T. Gabrio, M. Schwenk Umed Info <strong>10</strong><br />
Belastung mit Schimmelpilzen und Milben in Wohnräumen in Baden-Württemberg<br />
• In allen untersuchten Medien waren Aspergillus und Penicillium die dominierenden Gattungen<br />
(Abb. 5)<br />
Abbildung 5: Muster der Schimmelpilzgattungen in allen untersuchten Medien<br />
Milben:<br />
Methode<br />
• Die Staubprobennahme erfolgte wie bei der Schimmelpilzuntersuchung. Der direkte Allergennachweis<br />
von Der f1 im Hausstaub wurde mittels ELISA-Test (ALK Allergenanalyse)<br />
durchgeführt. Aus technischen Gründen wurde das Milbenallergen Der p1 nicht mitbestimmt.<br />
Ergebnisse<br />
• Die Mediane der Milbenallergenkonzentration Der f1 im Bodenstaub lagen an den 4 Orten<br />
zwischen 1 und 5 µg/g Staub und im Matratzenstaub zwischen 2 und 12 µg/g Staub<br />
(Abb. 6).<br />
• Die Milbenbelastung im Bettstaub und im Bodenstaub ist in Kehl signifikant höher als in<br />
Aulendorf/Bad Waldsee (Abb. 6)<br />
46<br />
2<br />
1,5<br />
1<br />
0,5<br />
0<br />
-0,5<br />
Außenluft Innenluft Bett Boden<br />
Einheiten<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
<strong>10</strong><br />
5<br />
0<br />
-5<br />
Box-Diagramm<br />
Getrennt nach: Ort<br />
Diff. Innen-Aussen<br />
Der f1 Bett (µg/g) Der f1 Boden (µg/g)<br />
Aspergillus<br />
Penicillium<br />
Alternaria<br />
Cladosporium<br />
Sonstige<br />
Kehl<br />
Mannheim<br />
Ravensburg<br />
Stuttgart<br />
Abbildung 6: Verteilung der Milbenbelastung im Bodenstaub und im Bettstaub
S. Jovanovic, I. Piechotowski, T. Gabrio, M. Schwenk Umed Info <strong>10</strong><br />
Belastung mit Schimmelpilzen und Milben in Wohnräumen in Baden-Württemberg<br />
Diskussion und Schlussfolgerung:<br />
Ein großer Anteil der süddeutschen Wohnungen weist eine auffällig hohe Schimmelbelastung<br />
und Milbenbelastung im Hausstaub auf. Ein Vergleich mit üblichen Bewertungsmaßstäben<br />
zeigt Tab. 1 und 2.<br />
• 22,3% der Bodenstaubwerte und 12,4% der Matratzenstaubwerte lagen über 50000<br />
KBE/g Staub.<br />
• 36,4% der Bodenstaubwerte lagen zwischen 2 und <strong>10</strong> µg/g Staub und 15,6% über <strong>10</strong><br />
µg/g Staub.<br />
• 26,2% der Matratzenstaubwerte lagen zwischen 2 und <strong>10</strong> µg/g Staub und 33,6% über <strong>10</strong><br />
µg/g Staub.<br />
Aus den Ergebnissen der vorliegenden<br />
Studie kann eine Schimmelpilzbelastung<br />
im Innenraum im Bereich von 500 KBE/m 3<br />
über der Außenluftbelastung als vorläufiger<br />
Referenzwert für die kalte Jahreszeit<br />
diskutiert werden. Dieser Wert liefert einen<br />
Hinweis auf eine spezifische Belastungsquelle<br />
im Innenraum. Eine gesundheitliche<br />
Bewertung kann aus diesem Wert jedoch<br />
nicht abgeleitet werden.<br />
Bewertungsmaßstab*<br />
< 50 000<br />
(gering)<br />
50 000 -<br />
< 120000<br />
(hoch)<br />
> = 120000<br />
(sehr hoch)<br />
Da eine Risikoverminderung an Milben-<br />
und Schimmelpilzbedingten Allergien zu<br />
erkranken, durch das eigene Verhalten<br />
des Menschen möglich ist, besteht ein<br />
Bedarf für die Aufklärung über die Problematik<br />
der Schimmelpilz- und Milbenbelastung<br />
bei der Bevölkerung. Eine Verbesserung<br />
des Raumklimas bzw. eine Verminderung<br />
der Schimmelpilz- und Milbenbelastung<br />
ist mit relativ einfachen und billigen<br />
Maßnahmen möglich.<br />
Gesamt Kehl Mannheim Aulendorf Stuttgart<br />
N = 331<br />
87,6 %<br />
N = 36<br />
9,5 %<br />
N = 11<br />
2,9 %<br />
N = 99<br />
90,0 %<br />
N = 8<br />
7,3 %<br />
N = 3<br />
2,7 %<br />
N = <strong>10</strong>0<br />
90,1<br />
N = 8<br />
7,2 %<br />
N = 3<br />
2,7 %<br />
N = 69<br />
821,2<br />
N = 12<br />
14,1%<br />
N = 4<br />
4,7 %<br />
N = 63<br />
87,5<br />
N = 8<br />
11,1 %<br />
N = 1<br />
1,4 %<br />
Tabelle 1: Bewertung von gemessenen Schimmelpilzsporen im Bettstaub (KBE/g Staub)<br />
*Commission of the European Communities (1993): Report No. 12 Biological Particles in Indoor<br />
Environments, EUR 14988 EN<br />
47
S. Jovanovic, I. Piechotowski, T. Gabrio, M. Schwenk Umed Info <strong>10</strong><br />
Belastung mit Schimmelpilzen und Milben in Wohnräumen in Baden-Württemberg<br />
48<br />
Bewertungsmaßstab*<br />
< 0,4<br />
(gering)<br />
0,4 - < 2<br />
(bedeutend)<br />
2 - < <strong>10</strong><br />
(hoch)<br />
> = <strong>10</strong><br />
(sehr hoch)<br />
Gesamt Kehl Mannheim Aulendorf Stuttgart<br />
N = 56<br />
14,8 %<br />
N = 96<br />
25,4 %<br />
N = 99<br />
26,2 %<br />
N = 127<br />
33,6 %<br />
N = 7<br />
6,4 %<br />
N = 16<br />
14,5 %<br />
N = 27<br />
24,5 %<br />
N = 60<br />
54,6 %<br />
N = 22<br />
19,8 %<br />
N = 36<br />
32,4 %<br />
N = 25<br />
22,5 %<br />
N = 28<br />
25,2 %<br />
N = 18<br />
21,2 %<br />
N = 21<br />
24,7 %<br />
N = 22<br />
25,9 %<br />
N = 24<br />
28,2 %<br />
N = 9<br />
12,5 %<br />
N = 23<br />
31,9 %<br />
N = 25<br />
34,7 %<br />
N = 15<br />
20,8 %<br />
Tabelle 2: Bewertung von gemessenem Milbenallergen Der f1 im Bettstaub (µg Der<br />
f1/g Staub)<br />
*Einschätzung der Hausstaubmilben-Arbeitsgruppe der internationalen Gesellschaft für Allergologie<br />
und Immunologie
S. Jovanovic, M. Appelt, J.M. Körber Umed Info <strong>10</strong><br />
Gesundheitlicher Verbraucherschutz -Ausstellungsprojekt<br />
Gesundheitlicher Verbraucherschutz<br />
Ausstellungsprojekt: Milben, Schimmelpilz & Co.<br />
Allergie-Risiko und gesundes Raumklima<br />
Vor dem Hintergrund der geplanten EU-<br />
Entschließung zu einem verbraucherpolitischen<br />
Aktionsplan 1999-2001 und im<br />
Zusammenhang mit einer stärkeren Kundenorientierung<br />
des öffentlichen <strong>Gesundheitsdienst</strong>es<br />
sind die Gesundheitsämter<br />
in den Landkreisen und Stadtkreisen<br />
aufgefordert, dem Bürger vermehrt Informationsdienstleistungen<br />
zu gesundheitlichen<br />
Risiken fachkompetent und zugleich<br />
allgemeinverständlich aufzubereiten und<br />
zur Verfügung zu stellen. Das Landesgesundheitsamt<br />
als "fachliche Leitstelle für<br />
den ÖGD" hat deshalb den gesundheitlichen<br />
Verbraucherschutz als neues Thema<br />
aufgegriffen und bereitet derzeit für<br />
die regionale Umsetzung durch die Gesundheitsämter<br />
ein langfristig angelegtes<br />
Projekt (vorerst 1999-2000) vor. Damit<br />
unterstützt das Landesgesundheitsamt<br />
Baden-Württemberg die Gesundheitsäm-<br />
Die Bausteine der Ausstellung sind:<br />
• 11 Ausstellungstafeln mit Pinwänden<br />
• Eye-catcher<br />
S. Jovanovic, M. Appelt, J.M. Körber<br />
ter bei ihrer Informations- und Aufklärungsarbeit<br />
im Rahmen des gesundheitlichen<br />
Verbraucherschutzes.<br />
Zur Förderung der Information und Aufklärung<br />
der Bevölkerung hat das Landesgesundheitsamt<br />
ein Ausstellungsprojekt<br />
mit dem Titel "Milben, Schimmelpilz & Co<br />
- Allergie-Risiko und gesundes Raumklima"<br />
auf den Weg gebracht. Das Ausstellungsprojekt<br />
beschäftigt sich konkret<br />
mit sogenannten Inhalationsallergien,<br />
ausgelöst durch Hausstaubmilben,<br />
Schimmelpilzbefall oder Haustierhaltung<br />
in Innenräumen. Die Ausstellung besteht<br />
aus Informationspostern und -broschüren,<br />
Anschauungsmaterialien und einem Beratungsangebot<br />
und entstand in enger<br />
Kooperation mit dem Gesundheitsamt<br />
des Landkreises Karlsruhe.<br />
� Hausstaubmilbe mit Acrylglas-Vitrine<br />
� „Schimmelpilz-Ecke“<br />
� Stoff-Hausstiere-Arragement (Hund und Katze in Korb / Hase und Meerschweinchen<br />
im Käfig<br />
� Puppenstube zum Thema "Gesundes Raumklima", 2-teilig<br />
� Agarplatten/Nährböden mit ausgewählten Schimmelpilzen (jeweils neu vom LGA anzufordern)<br />
Werbeträger<br />
� Aufsteller/Bockständer (2) für Plakatformat DIN A 1<br />
� Prospektständer (8 x Format DIN A 4)<br />
� Plakate (DIN A 2, Hochformat) mit Eindruckfläche für den jeweiligen Veranstalter<br />
� Spannband, (B x L) <strong>10</strong>0 x 300 cm mit Ösen, zur Befestigung im Außenbereich<br />
49
S. Jovanovic, M. Appelt, J.M. Körber Umed Info <strong>10</strong><br />
Gesundheitlicher Verbraucherschutz -Ausstellungsprojekt<br />
Die Auftaktveranstaltung war am 14.<strong>10</strong>.1999 in Baden-Baden. Die Ausstellung wurde anschließend<br />
an weitere Gesundheitsämter weitergegeben und unter deren Federführung<br />
und in Zusammenarbeit mit örtlichen Kooperationspartnern (wie beispielsweise Selbsthilfegruppen,<br />
Volkshochschule, Krankenkassen) durch ein Begleitprogramm ergänzt.<br />
Für alle interessierten Gesundheitsämter in Baden-Württemberg und zur Weiterbildung der<br />
entsprechenden Fachkräfte (v.a. der UmweltmedizinerInnen) bietet das LGA darüber hinaus<br />
folgende fachlichen Hilfen an:<br />
• Info-Koffer "Tipps & Tools"<br />
mit Fachliteraturauswahl, Präsentationsfolien für Fachvorträge, Adressenliste fachkompetenter<br />
Ansprechpartner, Zusammenstellung von weiteren beispielhaften Projekten<br />
in Gesundheitsämtern, Tipps für Begleitprogramm<br />
• Info-Faltblätter<br />
� "Gesundes Raumklima",<br />
� "Allergie-Vorbeugung bei Säuglingen und Kleinkindern",<br />
� "Empfehlungen bei häuslicher Milbenbelastung",<br />
� "Empfehlungen bei häuslicher Schimmelpilzbelastung".<br />
• Projektbezogenes Fortbildungsangebot<br />
für Fachkräfte der beteiligten Gesundheitsämter (zu fachlichen Fragestellungen und<br />
zur verbesserten Öffentlichkeitsarbeit / zielgruppenorientierten Präsentation).<br />
50
Thomsen, Akkreditierung eines umweltmedizinischen Labors Umed Info <strong>10</strong><br />
Akkreditierung eines umweltmedizinischen Labors und Validierung<br />
von umweltmedizinischen Methoden<br />
Thomsen<br />
-Was heißt Akkreditierung-<br />
Eine Akkreditierung nach DIN EN 45001<br />
ist eine formelle Anerkennung der Kompetenz<br />
eines Prüflaboratoriums, bestimmte<br />
Prüfungen oder Prüfungsarten<br />
auszuführen.<br />
-Wer führt Akkreditierungen durch-<br />
Im gesetzlich nicht geregelten Bereich<br />
sind in chemischen, physikalischen, biologischen,<br />
mikrobiologischen und medizinischen<br />
Laboratorien die Akkreditierungsstellen<br />
DACH (Deutsche Akkreditierungsstelle<br />
Chemie GmbH) DASMIN (Deutsche<br />
Akkreditierungsstelle Mineralöl GmbH)<br />
DAP (Deutsches Akkreditierungssystem<br />
Prüfwesen GmbH) und GAZ (Gesellschaft<br />
für Akkreditierung und Zertifizierung mbH)<br />
von Bedeutung.<br />
-Wie verläuft eine Akkreditierung-<br />
Das Laboratorium stellt einen Antrag auf<br />
Akkreditierung an die Akkreditierungsstelle<br />
und reicht die hierfür notwendigen Unterlagen<br />
ein. Die Akkreditierungsstelle<br />
schlägt dem zu akkreditierenden Labor<br />
Begutachter vor. Das Laboratorium kann<br />
die Begutachter annehmen oder ablehnen.<br />
Nach Annahme und damit Beauftragung<br />
der Begutachter erfolgt die Dokumentenprüfung<br />
und Begutachtung im Labor. Der<br />
Begutachter erstellt einen Bericht, den er<br />
der Akkreditierungsstelle zuschickt. Das<br />
Labor erhält Gelegenheit nach Erhalt des<br />
Begutachtungsberichtes Stellung zu nehmen.<br />
Die Akkreditierungsstelle leitet den<br />
Begutachtungsbericht mit einem Entscheidungsvorschlag<br />
der Begutachter, einschließlich<br />
evtl. Stellungnahmen seitens<br />
des Laboratoriums an den Akkreditierungsausschuss<br />
(AKA) weiter. Der Akkreditierungsausschuss<br />
entscheidet über die<br />
Akkreditierung oder Ablehnung und <strong>info</strong>rmiert<br />
hierüber die Akkreditierungsstelle.<br />
Bei einer Akkreditierung erhält das Laboratorium<br />
von der Akkreditierungsstelle eine<br />
Akkreditierungsurkunde mit einer Anlage<br />
in der alle Prüfverfahren die akkreditiert<br />
worden sind aufgeführt werden. Eine Ak-<br />
kreditierung ist für 5 Jahre gültig. Im Abstand<br />
von 12-18 Monaten werden Überwachungsbegehungen<br />
durchgeführt. Nach<br />
5 Jahren erfolgt eine Reakkreditierung im<br />
vollen Umfang.<br />
Wesentlich ist, dass die Begutachtung eines<br />
Laboratoriums von unabhängigen Begutachtern<br />
durchgeführt wird, die nach einem<br />
einheitlichen Bewertungsmaßstab<br />
vorgehen (Checkliste, Auswertungsbogen).<br />
Wichtig ist, sich als Auftraggeber<br />
nicht nur die Akkreditierungsurkunde schicken<br />
zu lassen, sondern auch die Anlage<br />
zur Akkreditierungsurkunde. Denn ein Laboratorium,<br />
das die Wasseranalytik beherrscht<br />
und nur darin akkreditiert ist,<br />
muss keine umweltmedizinische Analytik<br />
beherrschen.<br />
-Was muss ein Labor nachweisen um<br />
akkreditiert werden zu können-<br />
Die Akkreditierung erfolgt prüfverfahrenbezogen<br />
oder nach Prüfarten. Die Forderungen<br />
der Norm betreffen bzw. fordern:<br />
„Rechtliche Identifizierbarkeit“, „Unparteilichkeit,<br />
Unabhängigkeit und Integrität“,<br />
„Technische Kompetenz“, „Zusammenarbeit<br />
(mit Auftraggebern, Akkreditieren, anderen<br />
Prüflaboratorien, Normensetzern)“.<br />
Im folgenden will ich mich auf die Punkte<br />
beschränken, die einen direkten Einfluss<br />
auf die Qualität eines Analysenergebnisses<br />
haben: Unter „Technische Kompetenz“<br />
werden folgende Punkte gezählt:<br />
„Verwaltung und Organisation“, „Personal“,<br />
„Räumlichkeiten und Einrichtungen“,<br />
„Arbeitsweise“. Die Punkte Verwaltung<br />
und Organisation sowie Personal betreffen<br />
weitgehend Selbstverständlichkeiten. Das<br />
Personal muss kompetent sein, die Verantwortlichkeiten<br />
klar geregelt und ein<br />
technischer Leiter muss die Verantwortung<br />
für den Laborbetrieb und die Prüfberichte<br />
haben. Der Punkt „Räumlichkeiten und<br />
Einrichtungen“ nimmt bezüglich der Kompetenz<br />
eine Schlüsselfunktion ein. Gesundheits-<br />
und Sicherheitsanforderungen<br />
sind zu befolgen und Prüf- und Messeinrichtungen<br />
müssen überwacht werden.<br />
51
Thomsen, Akkreditierung eines umweltmedizinischen Labors Umed Info <strong>10</strong><br />
Neue Geräte müssen einer Eingangsprüfung<br />
unterzogen werden, Geräteanweisungen<br />
mit Angaben zur Wartung und Kalibrierung<br />
vorliegen und die vom Mitarbeiter<br />
durchgeführten Reparaturen, Änderungen<br />
etc. dokumentiert werden.<br />
Wesentlich ist, dass gut ausgebildetes<br />
Personal und ein gewisser Standard an<br />
Geräten vorhanden sein muss um gute<br />
Analytik leisten zu können.<br />
Zur „Arbeitsweise“: Die Handhabung der<br />
Proben und die Prüfverfahren (Methoden)<br />
müssen dokumentiert sein, einschließlich<br />
der Angaben zur Validierung und den Angaben<br />
zur Qualitätskontrolle. Wesentliche<br />
Bestandteile analytischer Qualitätssicherung<br />
ist die Validierung von Untersuchungsverfahren,<br />
die Verwendung von internen<br />
Standards, die Verwendung von<br />
Kontrollmaterialien und die Teilnahme an<br />
Ringversuchen oder am Austausch realer<br />
Proben. Validieren ist eine systematische<br />
Bewertung und Inkraftsetzung eines Analysenverfahrens.<br />
Im Rahmen der Validierung<br />
werden die Leistungsmerkmale in<br />
bezug auf den Anwendungsbereich, die<br />
Matrix und die Qualitätsanforderungen der<br />
für einen bestimmten Anwendungszweck<br />
entwickelten Verfahren festgestellt. Als<br />
Merkmalswerte kommen in Frage: Arbeitsbereich,<br />
Linearität, Bestimmungsgrenze,<br />
Nachweisgrenze, Empfindlichkeit,<br />
Selektivität, Spezifität, Robustheit, Richtigkeit<br />
und Präzision. Welche Merkmalswerte<br />
im speziellen Fall relevant sind, muss im<br />
Hinblick auf Einsatz und Anwendungsbereich<br />
des Verfahrens entschieden werden.<br />
Es folgt ein Beispiel für kalibrierbedürftige<br />
Verfahren wie z.B. „Bestimmung von Pentachlorphenol<br />
(PCP) im Serum und Plasma<br />
mittels GCMS“. Zunächst muss der<br />
Arbeitsbereich festgelegt werden. Die Arbeitsbereiche<br />
von Kalibrierfunktionen sollen<br />
sich an den in der Praxis häufig vorkommenden<br />
Konzentrationen in realen<br />
Proben orientieren. Für den Arbeitsbereich<br />
werden <strong>10</strong> Standardlösungen angesetzt,<br />
deren Konzentrationen äquidistant über<br />
den Arbeitsbereich verteilt sind. Diese Lösungen<br />
werden gemessen und die Verfahrenskenndaten<br />
des reinen analytischen<br />
Grundverfahrens, d.h. für matrixfreie Kalibrierstandards,<br />
ermittelt. Danach wird der<br />
Einfluss der einzelnen im Analysenverfahren<br />
notwendigen Verfahrensschritte (z.B.<br />
52<br />
Aufschluss, Extraktion usw.) auf die Kalibrierfunktion<br />
ermittelt, sowie die Matrixbeeinflussung<br />
am Beispiel typischer Matrices<br />
geprüft. Hierzu werden <strong>10</strong> Proben, die aus<br />
einem Pool stammen können, dotiert, so<br />
dass deren Konzentrationen äquidistant<br />
über den Arbeitsbereich verteilt sind. Des<br />
weiteren ist zu überprüfen ob eine „Verschleppung“<br />
von dem zu analysierenden<br />
Wirkstoff stattfindet. Diesbezüglich sind<br />
mindestens 3 Blindwerte mitzuführen. Die<br />
Blindwerte sind jeweils nach einer dotierten<br />
Probe zu analysieren. Die Verfahrenskenndaten,<br />
die aus den Messdaten berechnet<br />
werden können, sind z.B. Wiederfindung,<br />
Linearität, Verfahrensvariationskoeffizient,<br />
Vertrauensbereich und Bestimmungsgrenze.<br />
Die Verwendung von internen Standards<br />
sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Interne<br />
Standards sollen im chemischen<br />
Verhalten ähnlich dem Kalibrierstandard<br />
bzw. dem zu analysierenden Wirkstoff<br />
sein. Der interne Standard wird der Probe<br />
und dem Kalibrierstandard zugesetzt. Die<br />
Auswertung findet über den internen<br />
Standard statt.<br />
Als fortlaufende Überwachung der analytischen<br />
Tätigkeiten im Labor dient die Qualitätskontrolle<br />
mit Kontrollproben (interne<br />
Qualitätssicherung). Man unterscheidet<br />
Kontrollproben für die Richtigkeitskontrolle<br />
(Erkennung von systematischen Fehlern)<br />
und für die Präzisionskontrolle (Erkennung<br />
von zufälligen Fehlern). In jeder Analysenserie<br />
ist eine Kontrollprobe erforderlich.<br />
Nicht für alle Parameter sind Richtigkeitskontrollproben<br />
erhältlich. Hier bieten sich<br />
dann, sofern für das Verfahren Ringversuche<br />
angeboten werden, die Verwendung<br />
von Ringversuchsmaterialien an. Da der<br />
Messwert des Ringversuchsmaterials bekannt<br />
ist, wird eine Richtigkeitskontrollkarte<br />
geführt (z.B. PCP). Steht kein Ringversuchsmaterial<br />
zur Verfügung, kann als<br />
Präzisionskontrolle eine reale Probe (Probenpool)<br />
eingesetzt werden. Ist der<br />
Messwert nicht bekannt, wird eine Präzisionskontrollkarte<br />
angelegt. Das Anlegen<br />
und Führen der Richtigkeitskontrollkarte<br />
und der Präzisionskontrollkarte, sollte im<br />
umweltmedizinischen Bereich in Anlehnung<br />
an die Richtlinien der Bundesärztekammer<br />
erfolgen.
Thomsen, Akkreditierung eines umweltmedizinischen Labors Umed Info <strong>10</strong><br />
Die Durchführung der externen Qualitätssicherung,<br />
die in sog. Ringversuchen oder<br />
am Austausch realer Proben besteht, dient<br />
der Objektivierung der Zuverlässigkeit der<br />
einzelnen Laboratorien sowie zur Prüfung<br />
der Vergleichbarkeit der Ergebnisse verschiedener<br />
Laboratorien.<br />
Wesentlich ist, ein akkreditiertes<br />
Prüfverfahren ist ausreichend abgesichert,<br />
indem das Verfahren validiert, laufend<br />
kontrolliert (Kontrollmaterial) und extern<br />
verglichen wird (Ringversuche/Austausch<br />
realer Proben). Durch die interne Absicherung<br />
ist eine Reproduzierbarkeit der Ergebnisse<br />
am Gerät gewährleistet.<br />
-Was unterscheidet ein akkreditiertes<br />
Labor von einem nicht akkreditierten<br />
Labor-<br />
Die Aufführungen haben gezeigt, dass ein<br />
gewisser Qualitätsstandard im Laboratorium<br />
vorhanden sein muss um akkreditiert<br />
werden zu können. Ein nicht akkreditiertes<br />
Labor kann auch Qualität liefern, sollte<br />
aber dann in der Lage sein, die wesentlichen<br />
Bestandteile analytischer Qualitätssicherung<br />
wie die Validierung von Untersuchungsverfahren,<br />
die Verwendung von<br />
internen Standards, die Verwendung von<br />
Kontrollmaterialien und die Teilnahme an<br />
Ringversuchen bzw. am Austausch realer<br />
Proben sowie Standardarbeitsanweisungen<br />
nachzuweisen. Der Auftraggeber kann<br />
sich diese Nachweise und Auszeichnungen<br />
zeigen lassen. Der Nachweis von bestandenen<br />
Ringversuchen reicht jedoch in<br />
der Regel nicht aus, denn das Laboratorium<br />
kann die Ringversuchsproben zur<br />
Analytik an ein anderes Laboratorium verschickt<br />
haben. Ein weiteres Problem liegt<br />
darin, dass das Labor bezüglich Standardarbeitsanweisungen<br />
ungern Know-how offen<br />
legt. Für den Auftraggeber ist es daher<br />
einfacher ein akkreditiertes Laboratorium<br />
auszuwählen, das von einer unabhängigen<br />
Stelle bescheinigt bekommen<br />
hat, den Anforderungen der Norm zu entsprechen.<br />
Wesentlich ist, dass der Auftraggeber bei<br />
einem akkreditierten Laboratorium einen<br />
Qualitätsstandard voraussetzen kann. Bei<br />
einem akkreditiertem Laboratorium kann<br />
der Auftraggeber in das Qualitätsmanagementhandbuch<br />
(QMH) Einblick nehmen.<br />
Das QMH gibt Aufschluss über die Qualitätspolitik<br />
die Organisation und über allgemeine<br />
Abläufe der Qualitätssicherung.<br />
Des weiteren muss das Laboratorium nicht<br />
akkreditierte Untersuchungsverfahren und<br />
Untersuchungen die in Unterauftrag vergeben<br />
werden, im Prüfbericht kenntlich<br />
machen.<br />
-Was fällt nicht in den Bereich der Akkreditierung- <br />
In der Umweltmedizin ist die Probenahme<br />
ein Bereich, auf den die Laboratorien meistens<br />
keinen Einfluss haben und daher<br />
nicht in den Bereich der Akkreditierung<br />
fällt. Die richtige Probenahme ist jedoch<br />
Grundvoraussetzung für ein aussagekräftiges<br />
und reproduzierbares Analysenergebnis.<br />
Sofern es keine Vorschriften zur<br />
Probenahme gibt ist zu empfehlen, Verfahren<br />
zur Probenahme festzulegen und<br />
mit dem Auftraggeber abzusprechen.<br />
Transport und Lagerungsbedingungen<br />
bzw. Zeiten sind so zu konzipieren, dass<br />
die Stabilität und / oder Zusammensetzung<br />
der Proben gewährleistet ist. D.h. es<br />
ist z.B. darauf zu achten, dass keine Verdunstungsverluste<br />
auftreten, vor allem ist<br />
dann darauf zu achten, wenn im Untersuchungsmaterial<br />
leichtflüchtige Verbindungen<br />
nachgewiesen werden sollen. Des<br />
weiteren ist auf die richtige Wahl der<br />
Transportmedien zu achten, so dass keine<br />
Adsorptionen der zu analysierenden Komponenten<br />
an den Wänden des Probengefäßes<br />
stattfinden können und das Untersuchungsmaterial<br />
unverändert bleibt.<br />
Zusammenfassung<br />
Die Etablierung eines QM-Systems in einem<br />
analytischen Laboratorium dient der<br />
Sicherstellung und Verbesserung der Qualität<br />
und der Vertrauensbildung beim Auftraggeber.<br />
Die Etablierung eines QM-<br />
Systems nach DIN EN 45001 und die Überprüfung<br />
des QM-Systems durch unabhängige<br />
Begutachter (Akkreditierung)<br />
stellt hierbei die zur Zeit am besten geeignete<br />
Form dar<br />
53
54<br />
Umed Info <strong>10</strong>
T. Gabrio, Auswertung der Austausche realer Proben Umed Info <strong>10</strong><br />
Auswertung der Austausche realer Proben<br />
Zielstellung<br />
Das Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg<br />
(LGA) bemüht sich seit ca. fünf<br />
Jahren in Zusammenarbeit mit anderen<br />
Fachkollegen um eine Analytische Qualitätssicherung<br />
im umweltmedizinischen Bereich<br />
in Baden-Württemberg. Diese Arbeit<br />
wird vor allem in Form eines „Qualitätszirkels“,<br />
der sich aus Mitgliedern von öffentlichen<br />
und privaten Labors in und auch außerhalb<br />
Baden-Württembergs zusammensetzt,<br />
geleistet. Ein wichtiges Instrument<br />
für die Qualitätssicherung ist der Austausch<br />
realer Proben. Ziel dieses Austausches<br />
ist:<br />
• Verbesserung der Vergleichbarkeit der<br />
Ergebnisse der verschiedenen Labors<br />
• Diskussionsgrundlage zur methodischen<br />
Verbesserung einzelner Analysenverfahren<br />
• Diskussion über die Bewertung umweltmedizinischer<br />
Analysenergebnisse<br />
• Zusammenführung umweltmedizinischer<br />
Analysenergebnisse in einer<br />
gemeinsamen Datenbank für Baden-<br />
Württemberg<br />
Jeweils vor der Durchführung eines Probenaustausches<br />
erfolgt eine Absprache<br />
zwischen den Labors über die Form der<br />
Durchführung und Diskussion über methodische<br />
Probleme, die bei den einzelnen<br />
T. Gabrio<br />
Tabelle 1: Teilnehmende Labors am Austausch realer Proben<br />
Untersuchungsparametern relevant sein<br />
können. Zur darauf folgenden Auswertung<br />
trafen sich die interessierten Labors ebenfalls.<br />
Die organisatorischen Aufgaben, wie<br />
der Versand der entsprechenden Proben<br />
und Zusammenfassung der gemeinsamen<br />
Daten erfolgten durch das LGA.<br />
Austausch realer Proben im Bereich<br />
Human-Biomonitoring<br />
Das Human-Biomonitoring spielt als Belastungsmonitoring<br />
neben dem Umgebungs-<br />
und Wirkungsmonitoring seit Jahren<br />
eine große Rolle zur Beurteilung von<br />
Schadensfällen im umweltmedizinischen<br />
Bereich. Daneben besitzt es eine große<br />
Bedeutung bei der Gesundheitsbeobachtung<br />
wie z.B. im Bereich des Umwelt-Survey.<br />
Daher werden an die Richtigkeit und<br />
Präzision von Human-Biomonitoring-Ergebnissen<br />
hohe Anforderungen gestellt.<br />
Dieser Qualitätszirkel sah eine wichtige<br />
Aufgabe in der Organisation und der<br />
Durchführung eines Austausches realer<br />
Proben. Dies ist eine Ergänzung zu den<br />
bisher angebotenen Ringversuchen, die<br />
auf idealisierten, dotierten Proben basieren,<br />
deren Konzentrationsbereich meist<br />
deutlich über dem umweltmedizinischen<br />
Bereich liegt. Tabelle 1 zeigt die bisher<br />
durchgeführten Austausche realer Proben.<br />
Parameter 96/1 96/2 96/3 96/4 97/1 97/2 98/1 98/1 99/1 99/2<br />
Blei im Blut 9 17 18 14 15 11<br />
Cadmium im Blut 12 14 14 15 13 13 <strong>10</strong><br />
Quecksilber im Blut 9 14 20 16 21 19 17 13<br />
Quecksilber im Speichel 8 12 14 14 21 19 18 11<br />
Selen im Serum <strong>10</strong> 11 14 8 9 7<br />
PCP im Serum 11 14 13 11 15 <strong>10</strong> 9 9<br />
PCP im Urin 11 15 12 12 13 <strong>10</strong> 9 8<br />
PCB und andere Organo-<br />
Chlorverbindungen im Blut<br />
15 16 12 15 <strong>10</strong> <strong>10</strong> 11<br />
55
T. Gabrio, Auswertung der Austausche realer Proben Umed Info <strong>10</strong><br />
Auf Grundlage der Erfahrungen und der<br />
Auswertung von den bisher durchgeführten<br />
Austausche wurden in Absprache zwischen<br />
den beteiligten Labors und dem<br />
LGA statistische Kriterien zur Bewertung<br />
der Ergebnisse der einzelnen Labors erarbeitet,<br />
um ihre Eignung bestätigen und ihre<br />
Ergebnisse in eine zentrale Datensammlung<br />
für Baden-Württemberg einfließen<br />
lassen zu können. Diese Kriterien basieren<br />
auf folgenden Punkten:<br />
• In die zentrale Datensammlung fließen<br />
nur Daten von Labors ein, bei denen<br />
im Rahmen der letzten beiden Austausche<br />
realer Proben mindestens drei<br />
Viertel der Ergebnisse im Bereich von<br />
± 30% des Median aller teilnehmenden<br />
Labors liegen. Das übrige Viertel der<br />
Ergebnisse darf höchstens um ± 50%<br />
abweichen<br />
• Beim PCB erfolgt eine Gesamtbewertung<br />
auf Grund der Ergebnisse der drei<br />
Kongeneren 138, 153, 180 bzw. 28, 52<br />
56<br />
und <strong>10</strong>1. Sollten über 50% aller Teilnehmer<br />
diese Kriterien nicht erfüllen,<br />
erfolgt keine gemeinsame Auswertung.<br />
• Konstante Abweichungen von oben<br />
genannten Forderungen müssen nicht<br />
bedeuten, dass das Labor falsch misst.<br />
Möglicherweise werden u.a. durch das<br />
Messverfahren z.T. andere Spezies erfasst<br />
oder bei der Probenvorbereitung<br />
von anderen Modellen einer möglichen<br />
toxikologischen Relevanz ausgegangen.<br />
Da der Wahre Wert der Konzentration in<br />
den Proben unbekannt ist, hat sich der<br />
„Qualitätszirkel“ darauf geeinigt, den Median<br />
als Bezugswert für die Beurteilung<br />
heranzuziehen. Der Median der Ergebnisse<br />
der Labors ist nicht so stark von<br />
Ausreißern abhängig wie der Mittelwert (s.<br />
Tabelle 2).<br />
Tabelle 2: Vergleich der Ergebnisse der Blutprobe eines Probanden bei PCB 138 [µg/l] (97/2,<br />
98/2, 99/1 und 99/2 waren eine blinde Wiederholung von 79/1)<br />
Labor Nr. 97/1 Q 97/2 Q 98/2 Q 99/1 Q 99/2 Q MQ srMQ<br />
1 0,25 0,91 0,27 1,00 0,96 6,66<br />
3 0,20 0,73 0,20 0,73 0,73 0,00<br />
4 0,23 0,84 0,26 0,94 0,89 7,95<br />
5 0,19 0,69 0,69<br />
6 1,22 4,44 0,87 3,26 0,21 0,86 0,17 0,78 2,34 77,72<br />
7 0,28 1,02 0,31 1,12 0,32 1,20 0,22 0,91 0,27 1,25 1,<strong>10</strong> 12,48<br />
8 0,35 1,27 0,35 1,28 0,26 0,98 0,21 0,86 0,23 1,08 1,09 16,70<br />
9 0,17 0,62 0,13 0,49 0,56 16,56<br />
11 0,31 1,13 0,31 1,15 0,31 1,18 1,15 2,18<br />
12 0,27 0,98 0,25 0,93 0,24 1,13 1,01 <strong>10</strong>,27<br />
13 0,21 0,80 0,25 1,16<br />
14 0,36 1,31 0,31 1,13 1,22 <strong>10</strong>,43<br />
15 0,24 0,87 0,27 0,99 0,24 0,96 0,27 1,<strong>10</strong> 0,16 0,73 0,93 14,92<br />
17 0,21 0,76 0,22 0,79 0,17 0,65 0,24 0,98 0,17 0,81 0,80 14,92<br />
18 0,53 1,93 1,93<br />
20 0,19 0,70 0,36 1,48 0,21 1,00 1,06 37,12<br />
21 0,38 1,38 0,33 1,21 0,29 1,08 0,25 1,02 0,33 1,55 1,25 17,48<br />
22 0,39 1,42 0,29 1,05 0,77 3,14 1,87 59,64<br />
32 0,51 2,08 2,08<br />
34 0,22 0,91 0,18 0,82 0,87 7,36<br />
36 0,27 1,03 1,03<br />
40 0,14 0,64 0,64<br />
Mittelwert<br />
Mittelwert: 0,35 0,27 0,31 0,33 0,21 0,29<br />
Median: 0,28 0,27 0,27 0,25 0,21 0,26<br />
Standardabw.: 0,25 0,06 0,20 0,18 0,06 0,15<br />
rel. Standardabw.: 71,8 22,0 64,3 55,5 27,0 48,13<br />
Q = x/Median MQ = mittlerer Quotient srMQ = relative Standardabweichung der Quotienten
T. Gabrio, Auswertung der Austausche realer Proben Umed Info <strong>10</strong><br />
Aus der Tabelle 2 wird deutlich sichtbar,<br />
dass die Labors bei einer blinden Wiederholungsuntersuchung<br />
97/2 bei dem gleichen<br />
Probanden den fast gleichen Median<br />
ermittelt haben. Ein Großteil der Labors<br />
erzielte bei den Messungen ein fast identisches<br />
Ergebnis. Zwei Labors (Labor 6,<br />
18), die beim Austausch 97/1 stark abweichende<br />
Werte ermittelt hatten, nahmen<br />
97/2 nicht teil. Beim Mittelwert schlagen<br />
die Ergebnisse dieser Labors deutlich<br />
durch. Der Median hingegen ist stabil. Auf<br />
eine Ausreißerprüfung wurde bei der relativ<br />
kleinen Datenmenge bewusst verzichtet.<br />
Die Ergebnisse der Labors gehören in<br />
den meisten Fällen keiner einheitlichen<br />
Grundgesamtheit an, sondern verschiedenen<br />
Untergruppen (z.B. bestimmte Arten<br />
der Probenvorbereitung, der instrumentellen<br />
Durchführung). Im Gegensatz zur<br />
geringen Abhängigkeit von Ausreißern<br />
wird der Median stärker von der Anzahl<br />
der Labors in den verschiedenen Untergruppen<br />
beeinflusst. Daher ist darauf zu<br />
achten, dass die Zusammensetzung der<br />
Untergruppen von Austausch zu Austausch<br />
nicht zu stark variiert.<br />
In Tabelle 3 wird die Abhängigkeit der relativen<br />
Standardabweichung von der ungefähren<br />
Konzentration in der Human-<br />
Probe deutlich sichtbar. Unerwartet ist allerdings<br />
die starke Streuung bei der Bestimmung<br />
von PCB und den anderen organischen<br />
Verbindungen in Oktan bzw.<br />
Cyclohexan. Die große Streuung im Niedrigdosisbereich<br />
ist also nicht nur auf die<br />
zufälligen bzw. systematischen Fehler bei<br />
der Probenvorbereitung zurückzuführen,<br />
sondern offensichtlich auch zum großen<br />
Teil auf die des analytischen Messverfahrens,<br />
wie im o. g. Falle die der Gaschromatografie.<br />
Tabelle 3: Mittlere relative Standardabweichung der Ergebnisse der Labors bei realen Proben<br />
im heute üblichen Konzentrationsbereich<br />
Parameter Ungefähre Kon- sr sr sr<br />
zentration [µg/l] 98/2 99/1 99/2<br />
Selen im Serum <strong>10</strong>0 ~ 18 ~ 16 ~ 14<br />
Blei im Blut 30 ~ 27 ~ 30 ~ 20<br />
Cadmium im Blut 1 ~ 64 ~ 33 ~ 80<br />
Quecksilber im Urin<br />
><strong>10</strong> ~ 20 ~ 6<br />
1 ~ 46 ~ 250 ~ 26<br />
Quecksilber im Nüchternspeichel<br />
2 ~ 66 ~ 70 ><strong>10</strong>0<br />
Quecksilber im Kauspeichel <strong>10</strong>0 ~ 28 ~ 42 ><strong>10</strong>0<br />
PCP im Serum<br />
15 ~ 21<br />
≤5 ~ 22 ~ 40 ~ 50<br />
PCP im Urin 2 ~ 64 ~ 65 ~ 50<br />
PCB 138, 153, 180 in Serum bzw. Blut 0,5 ~ 40 ~ 40 ~ 30<br />
PCB 28, 52 <strong>10</strong>1 + γ- bzw. α-HCH in Serum bzw. Blut <strong>10</strong>0 ~ <strong>10</strong>0 ><strong>10</strong>0<br />
β-HCH in Serum bzw. Blut >0,05 ~ 57 ~ 75 ~ 30<br />
HCB in Serum bzw. Blut 1 ~ 49 ~ 35 ~ 35<br />
DDE in Serum bzw. Blut 2 ~ 30 ~ 45 ~ 40<br />
PCB 138, 153 + 180 in Octan bzw. Cyclohexan 5000 ~ 21 ~ 40 ~ 30<br />
PCB 28, 52 + <strong>10</strong>1 in Octan bzw. Cyclohexan 500 ~ 20 ~ 40 ~ 30<br />
γ-HCH in Octan bzw. Cyclohexan 500 ~ 37 ~ 45 ~ 30<br />
β-HCH in Octan bzw. Cyclohexan 2500 ~ 39 ~ 50 ~ 33<br />
HCB in Octan bzw. Cyclohexan 2500 ~ 42 ~ 43 ~ 25<br />
DDE in Octan bzw. Cyclohexan 5000 ~ 37 ~ 35 ~ 25<br />
57
T. Gabrio, Auswertung der Austausche realer Proben Umed Info <strong>10</strong><br />
Austausch realer Proben im Bereich<br />
Biologische Innenraumschadstoffe<br />
In den letzten Jahren hat das Problem der<br />
Belastung von Innenräumen mit biologischen<br />
Schadstoffen an Bedeutung gewonnen.<br />
Sowohl im öffentlichen <strong>Gesundheitsdienst</strong><br />
als auch in der Öffentlichkeit<br />
und in den Medien besitzt dieses Problem<br />
einen hohen Stellenwert.<br />
Seit 1997 führt das Landesgesundheitsamt<br />
Baden-Württemberg (LGA) innerhalb<br />
des Projektes Beobachtungsgesundheitsämter<br />
Untersuchungen zur biologischen<br />
Innenraumbelastung der Kinderzimmer<br />
von Schülern der 4. Klasse durch. Im Zusammenhang<br />
mit diesen Untersuchungen<br />
erschien es dem LGA wichtig, Fragen der<br />
Analytischen Qualitätssicherung im Bereich<br />
der Innenraummessung biologischer<br />
Schadstoffe gemeinsam mit anderen interessierten<br />
Labors zu bearbeiten. Von der<br />
sich daraus bildenden Arbeitsgruppe wurden<br />
folgende Fragen bearbeitet:<br />
- Standardisierung der Messbedingungen<br />
- Fragebogen – Begehungsprotokoll<br />
- Probenaufarbeitung<br />
- Bewertung von Pilzen in der Luft<br />
- Forderungskatalog - Qualitätsmanagement<br />
Die Ergebnisse der gemeinsamen Arbeit<br />
wurden in einer Broschüre zusammengefasst,<br />
die gegebenenfalls vom LGA bezogen<br />
werden kann.<br />
Tabelle 4: Mittelwerte aller Labors - Luftprobe<br />
58<br />
3. Tag<br />
KBE<br />
5. Tag<br />
KBE<br />
Ein weiteres Ergebnis der Arbeitsgruppe<br />
war der Aufbau eines Systems zur externen<br />
Qualitätskontrolle in diesem Bereich,<br />
in dem es bisher keine Ringversuche gibt.<br />
Arbeitsergebnisse der Arbeitsgruppe<br />
„Analytische Qualitätssicherung im Bereich<br />
der Innenraumluftmessung biologischer<br />
Schadstoffe“<br />
Das LGA bemühte sich daher in Zusammenarbeit<br />
mit interessierten Labors einen<br />
Austausch realer Schimmelpilzsporen<br />
(Luft, Staub und Differenzierung der Reinkulturen)<br />
durchzuführen. Die teilnehmenden<br />
Labors erhalten nach Auswertung<br />
des Austausches durch das LGA zur Einordnung<br />
ihrer Ergebnisse folgende Angaben:<br />
• Einzelergebnisse aller Labors<br />
• Mittelwert, Median, Min, Max, Standardabweichung<br />
der Einzelergebnisse<br />
und Ergebnisse aller Labors<br />
• Quotient (Ergebnis des Labors/Median<br />
aller Labors)<br />
• Prozentueller Anteil der von den einzelnen<br />
Labors nachgewiesenen<br />
Schimmelpilzspezies<br />
• Rangfolge der von den einzelnen Labors<br />
nachgewiesenen Schimmelpilzspezies<br />
• Grafische Auswertung<br />
Bisher wurden drei Austausche solcher<br />
Proben durchgeführt. Die Ergebnisse des<br />
letzten Austausches geben die Tabellen 4<br />
und 5 wieder.<br />
6. Tag<br />
KBE<br />
Endergebnis<br />
KBE/m 3<br />
Luftprobe 1 (<strong>10</strong>0 I)<br />
Mittelwert 18 20 19 191<br />
Median 19 20 19 200<br />
Min 8 12 11 1<strong>10</strong><br />
Max 22 27 28 282<br />
rel. S% 0,28 0,25 0,30 0,27<br />
Luftprobe 2 (<strong>10</strong>0 I)<br />
Mittelwert 17 19 19 182<br />
Median 18 19 19 184<br />
Min <strong>10</strong> 15 <strong>10</strong> <strong>10</strong>0<br />
Max 20 22 23 234<br />
rel. S% 0,19 0,12 0,20 0,19
T. Gabrio, Auswertung der Austausche realer Proben Umed Info <strong>10</strong><br />
Tabelle 5: Mittelwerte aller Labors - Staubprobe<br />
Probe 1<br />
Verdünnung 1:<strong>10</strong>0<br />
3. Tag<br />
KBE<br />
5. Tag<br />
KBE<br />
6. Tag<br />
KBE<br />
Endergebnis<br />
KBE/g<br />
Mittelwert 144 153,65 133,65 137.161<br />
Median 174 161,75 154,50 159.500<br />
Min 8 79,50 8 8.000<br />
Max 206 208,50 208,50 208.500<br />
Verdünnung 1:1.000<br />
Mittelwert 28 26,32 28,15 275.000<br />
Median 27,50 26,50 27,25 272.500<br />
Min 21,50 12,50 22,00 125.000<br />
Max 37 35 35,50 370.000<br />
Verdünnung 1:<strong>10</strong>.000<br />
Mittelwert 2,8125 3 3,35 321.250<br />
Median 3 3 3,75 360.000<br />
Min 1 1 1,5 150.000<br />
Max 4 4,5 4,5 450.000<br />
Probe 2<br />
Verdünnung 1:<strong>10</strong>0<br />
Mittelwert 47,3125 67,9091 72,1 83.208<br />
Median 48 72 75,75 76.5000<br />
Min 12,5 37 32 32.000<br />
Max 76,5 115 120,5 241.000<br />
Verdünnung 1:1.000<br />
Mittelwert 6,75 11,1364 14,3 130.000<br />
Median 4,5 11 13,5 115.000<br />
Min 1 1 1 <strong>10</strong>.000<br />
Max 20,5 21,5 27,5 265.000<br />
Verdünnung 1:<strong>10</strong>.000<br />
Mittelwert 1 2,15 2,6 235.417<br />
Median 0,5 2,5 2,75 250.000<br />
Min 0 0 0,5 50.000<br />
Max 3,5 4 4,5 500.000<br />
Tabelle 6: Differenzierung der Agar-Platten mit Einzelspezies<br />
Labor 1<br />
Labor 2<br />
Labor 3<br />
Labor 4<br />
Labor 5<br />
Labor 6<br />
Labor 7<br />
Labor 8<br />
Labor 9<br />
Labor <strong>10</strong><br />
Labor 11<br />
Labor 12<br />
Richtiges Ergebnis<br />
Anzahl der richtigen<br />
Differenzierungen<br />
Platte 1<br />
Aspergillus ochraceus<br />
Aspergillus ochraceus<br />
Aspergillus ochraceus<br />
Aspergillus ochraceus<br />
Aspergillus ochraceus<br />
Aspergillus ochraceus<br />
Aspergillus ochraceus<br />
Aspergillus ochraceus<br />
Aspergillus ochraceus<br />
Aspergillus ochraceus<br />
Aspergillus ochraceus<br />
Aspergillus ochraceus<br />
11,0<br />
Platte 2<br />
Penicillium nalgiovense<br />
Penicillium sp.<br />
Penicillium camemberti<br />
Penicillium nalgiovense<br />
Penicillium camemberti<br />
Penicillium nalgiovense<br />
Penicillium camemberti<br />
Penicillium camemberti<br />
Penicillium candidum<br />
Penicillium sp.<br />
Penicillium nalgiovense<br />
Penicillium nalgiovense<br />
5,0<br />
Platte 3<br />
Cladosporium herbarum<br />
Cladosporium sp.<br />
Cladosporium oxysporum<br />
Cladosporium herbarum<br />
Cladosporium herbarum<br />
Cladosporium herbarum<br />
Cladosporium oxysporum<br />
Cladosporium sp.<br />
Cladosporium herbarum<br />
Cladosporium sp.<br />
Cladosporium cladosporioides<br />
Cladosporium herbarum<br />
6,5<br />
Anzahl der<br />
richtigen<br />
Differenzierungen<br />
3,0<br />
2,0<br />
1,0<br />
3,0<br />
2,0<br />
3,0<br />
1,0<br />
1,5<br />
2,0<br />
2,0<br />
2,0<br />
59
T. Gabrio, Auswertung der Austausche realer Proben Umed Info <strong>10</strong><br />
Die Ergebnisse verdeutlichen, dass bei<br />
Luftproben mit einem Fehler von ca. 30%<br />
zu rechnen ist, bei Staubproben mit einem<br />
von 50%. Die Auswertung zeigt deutlich,<br />
dass die ermittelte Gesamt-KBE-Zahl sehr<br />
stark von der Belegung pro Platte (Verdünnung)<br />
abhängig ist. Die Bestimmung<br />
der Gesamt-KBE-Zahl sollte so angelegt<br />
werden, dass <strong>10</strong> bis <strong>10</strong>0 KBE pro Platte<br />
ausgezählt werden können. Bei zu geringer<br />
Belegung ist der statistisch bedingte<br />
Fehler sehr hoch. Ist die Belegung zu<br />
hoch, behindern die Schimmelpilzsporen<br />
sich gegenseitig in ihrem Wachstum. Die<br />
Schimmelpilz-Differenzierung von Umweltproben<br />
und Reinkulturen bereitet den<br />
Labors z.T. größere Schwierigkeiten.<br />
Die Teilnehmer an dem Austausch realer<br />
Proben einigten sich auf folgende vorläufige<br />
Beurteilungskriterien:<br />
Gesamt-KBE<br />
Zwei Staubproben – die Ergebnisse des<br />
Einzellabors dürfen bei der Verdünnungsstufe,<br />
die ein Auszählen von <strong>10</strong> –<strong>10</strong>0 KBE<br />
am besten ermöglicht (möglichst im mittleren<br />
Bereich), höchstens um 50% vom Median<br />
aller Labors abweichen.<br />
Zwei Luftproben – die Ergebnisse des<br />
Einzellabors dürfen höchstens um 30%<br />
vom Median aller Labors abweichen.<br />
Speziesbewertung<br />
(Summe aller Spezies, die zu einer Gattung<br />
gehören)<br />
Zwei Staubproben – wenn von einem Genus<br />
mehr als 30% der Gesamt-KBE in einer<br />
Probe auftritt, ist der Genus zu<br />
bestimmen. Bei dieser Bestimmung darf<br />
bei den in Frage kommenden Zuordnungen<br />
höchstens eine falsch und mindestens<br />
eine richtig sein.<br />
60<br />
Zwei Luftproben – wenn von einem Genus<br />
mehr als 30% der Gesamt-KBE in einer<br />
Probe auftritt, ist der Genus zu bestimmen.<br />
Bei dieser Bestimmung darf bei den in<br />
Frage kommenden Zuordnungen höchstens<br />
eine falsch und mindestens eine richtig<br />
sein.<br />
Differenzierung von Reinkulturen<br />
Die Reinkulturen sind bis zur Spezies zu<br />
differenzieren (bei zukünftigen Austauschen<br />
werden nur Spezies der gemeinsamen<br />
Stammsammlung verschickt). Für die<br />
richtige Bestimmung der Spezies wird ein<br />
Punkt vergeben, für die des Genus 0,5<br />
(z.B. Aspergillus fumigatus 1 Punkt, Aspergillus<br />
sp. 0,5 Punkte, Aspergillus flavus<br />
0 Punkte). Bei den drei Reinkulturen müssen<br />
zwei Punkte erzielt werden.<br />
Die Teilnehmer, die mindestens 8 der insgesamt<br />
11 Bewertungskriterien erfüllen,<br />
erhalten ein Zertifikat.<br />
Schlussfolgerungen<br />
Wie die Ergebnisse im Bereich Analytische<br />
Qualitätssicherung Human-Biomonitoring<br />
zeigen, sind die Daten bei den wichtigen<br />
Parametern wie z.B. Blei im Blut, Quecksilber<br />
im Urin, Selen im Serum, PCP im<br />
Serum, PCB 138, 153, 180 und DDE, HCB<br />
bzw. β −HCH im Blut mit ausreichender<br />
Sicherheit bestimmen. Die im Konzentrationsbereich<br />
niedriger liegenden Parameter<br />
wie z.B. Cadmium im Blut, PCP im Urin,<br />
PCB 28, 52, <strong>10</strong>1 und α− bzw. γ−HCH im<br />
Blut sind hingegen mit einem hohen Fehler<br />
behaftet. Neben Maßnahmen zur Optimierung<br />
der Probenvorbereitung ist im<br />
Bereich Analytische Qualitätssicherung<br />
Human-Biomonitoring auf Möglichkeiten<br />
zur Minimierung des Fehlers durch Analyseverfahren<br />
zu achten.
T. Gabrio, Auswertung der Austausche realer Proben Umed Info <strong>10</strong><br />
Im Bereich Analytische Qualitätssicherung-Schimmelpilze<br />
ist es wichtig, die<br />
Aussagekraft der Untersuchungsergebnisse<br />
zu qualifizieren, daher beabsichtigt<br />
die Arbeitsgruppe gemeinsam eine<br />
Stammsammlung anzulegen und im Frühjahr<br />
2000 eine 2 ½ tägige Fortbildungsveranstaltung<br />
zum Thema Schimmelpilzdifferenzierung<br />
durchzuführen. Folgende<br />
Punkte im Bereich Analytische<br />
Qualitätssicherung-Schimmelpilze sind<br />
noch offen und bedürfen der Diskussion:<br />
• Wie aussagefähig ist die Bestimmung<br />
der vermehrbaren Schimmelpilze<br />
• Wie können die nicht vermehrbaren<br />
Schimmelpilze bestimmt werden<br />
• Ermöglicht die Bestimmung von<br />
Stoffwechselprodukten der Schimmelpilze,<br />
wie z.B. der leichtflüchtigen<br />
Stoffwechselprodukte (MVOC),<br />
bzw. der Toxine eine aussagefähige<br />
Bestimmung einer Schimmelpilzbelastung<br />
• Gibt es allgemeine Summenparameter<br />
zur Bestimmung einer<br />
Schimmelpilzbelastung<br />
Die Analytische Qualitätssicherung-<br />
Schimmelpilze besitzt hohe Aktualität und<br />
soll in den nächsten Jahren im LGA verstärkt<br />
bearbeitet werden.<br />
61
62<br />
Umed Info <strong>10</strong>
C. Krause, Referenz- und Human-Biomonitoring Umed Info <strong>10</strong><br />
Referenz- und Human-Biomonitoring-(HBM)-Werte<br />
Kommission Human-Biomonitoring des Umweltbundesamtes<br />
Das Human-Biomonitoring (HBM) spielt für<br />
die Beurteilung der internen Schadstoffbelastung<br />
der Bevölkerung sowie von Personengruppen<br />
und Einzelpersonen eine<br />
wesentliche Rolle. Die Kommission „Human-Biomonitoring”<br />
des Umweltbundesamtes<br />
(UBA) hat seit 1996 in mehreren<br />
ausführlichen Mitteilungen zu grundsätzlichen<br />
und praktischen Fragen des „Human-Biomonitoring”<br />
im Bundesgesundheitsblatt<br />
Stellung genommen [1, 2, 3]. Im<br />
Beitrag sind die für die Befund-Beurteilung<br />
von der Kommission bisher abgeleiteten<br />
Referenz- und Human-Biomonitoring-<br />
Werte (HBM-Werte) für die Stoffe Pb, Cd,<br />
Hg und PCP in Körperflüssigkeiten (Tab.<br />
1) zusammengestellt. Darüber hinaus sind<br />
die von der Kommission festgelegten Referenzwerte<br />
für PCB-138,-153, -180 und<br />
deren Summe sowie für β-HCH, HCB in<br />
Vollblut, Blutplasma und Frauenmilch<br />
(Tab. 2 + 3) sowie Gesamt-DDT in Frauenmilch<br />
(Tab. 3) tabellarisch wiedergegeben.<br />
Die ausführlichen Begründungen für<br />
die Festlegungen und Ableitungen dieser<br />
C. Krause, C. Schulz<br />
Werte sind den jeweiligen Stoffmonographien<br />
und Stellungnahmen zu entnehmen.<br />
Die Kommission weist erneut darauf hin,<br />
dass Referenzwerte rein statistisch definierte<br />
Werte sind, denen per se keine gesundheitliche<br />
Bedeutung zukommt. Sie<br />
gelten für eine bestimmte Bevölkerungsgruppe<br />
zum Zeitpunkt der Untersuchung<br />
[3].<br />
Die HBM-Werte werden dagegen auf der<br />
Grundlage von toxikologischen Untersuchungen<br />
und im Sinne eines expert judgement<br />
abgeleitet. Die Definition der<br />
HBM-Werte und ihre umweltmedizinische<br />
Bedeutung sind in der Tabelle 4 veranschaulicht<br />
[3]. Vorsorglich weist die Kommission<br />
darauf hin, dass die HBM-Werte<br />
kein Niveau angeben, bis zu dem „aufgefüllt“<br />
werden kann. Bei der Anwendung<br />
sind ferner Anamnese, Symptomatik und<br />
zeitliche Zusammenhänge zu berücksichtigen,<br />
um u. a. Präventionsmaßnahmen<br />
nicht zu behindern.<br />
63
C. Krause, Referenz- und Human-Biomonitoring Umed Info <strong>10</strong><br />
Tabelle 1: Referenz- und HBM-Werte für Blei, Cadmium, Quecksilber und Pentachlorphenol<br />
64
C. Krause, Referenz- und Human-Biomonitoring Umed Info <strong>10</strong><br />
Tabelle 2: Referenzwerte für polychlorierte Biphenyle in Vollblut und Blutplasma [8,9] und für<br />
Organochlorverbindungen im Vollblut [<strong>10</strong>]<br />
Tabelle 3: Referenzwerte für polychlorierte Biphenyle und für Organochlorverbindungen in Frauenmilch<br />
[11]<br />
Referenzwert für DDT gilt nur für stillende Frauen in den alten Bundesländern und nicht für die neuen<br />
Bundesländer.<br />
Tabelle 4: Die Definition der HBM-Werte und ihre umweltmedizinische Bedeutung [3]<br />
Literatur aus der Kommissionsarbeit<br />
1. Human-Biomonitoring: Definitionen, Möglichkeiten und Voraussetzungen. Berichte,<br />
Bundesgesundhbl., Bd. 39 (6), (1996), 213-214.<br />
2. Qualitätssicherung beim Human-Biomonitoring. Berichte, Bundesgesundhbl. Bd. 39<br />
(6), (1996), 216-221.<br />
3. Konzept der Referenz- und Human-Biomonitoring-Werte (HBM) in der Umweltmedizin.<br />
Berichte, Bundesgesundhbl., Bd. 39 (6), (1996), 221-224.<br />
65
C. Krause, Referenz- und Human-Biomonitoring Umed Info <strong>10</strong><br />
4. Stoffmonographie Blei - Referenz- und Human-Biomonitoring-Werte (HBM). Bekanntmachung<br />
des Instituts für Wasser-, Boden- und Lufthygiene des Umweltbundesamtes, Bundesgesundhbl.,<br />
Bd. 39 (6), (1996), 236-241.<br />
5. Stoffmonographie Pentachlorphenol - Referenz- und Human-Biomonitoring-Werte<br />
(HBM), Bekanntmachung des Instituts für Wasser-, Boden- und Lufthygiene des Umweltbundesamtes,<br />
Bundesgesundhbl., Bd. 40 (6), (1997), 212-222.<br />
6. Stoffmonographie Cadmium - Referenz- und Human-Biomonitoring-Werte (HBM), Bekanntmachung<br />
des Instituts für Wasser-, Boden- und Lufthygiene des Umweltbundesamtes,<br />
Bundesgesundhbl. Bd. 41 (5), (1998), 218-226.<br />
7. Quecksilber - Referenzwerte. Bekanntmachung des Instituts für Wasser-, Boden- und<br />
Lufthygiene des Umweltbundesamtes, Kommission Human-Biomonitoring des Umweltbundesamtes.<br />
Bundesgesundhbl., Bd. 41 (6), (1998), 270.<br />
8. Referenzwerte für die PCB-Kongenere Nr. 138, 153, 180 und deren Summe im Humanblut.<br />
Bekanntmachung des Instituts für Wasser-, Boden- und Lufthygiene des Umweltbundesamtes,<br />
Kommission „Human-Biomonitoring“ des Umweltbundesamtes. Bundesgesundhbl.,<br />
Bd. 41 (9), (1998), 416.<br />
9. Statusbericht zur Hintergrundbelastung mit Organochlorverbindungen in Humanblut.<br />
Empfehlungen, Institut für Wasser-, Boden- und Lufthygiene des Umweltbundesamtes,<br />
Kommission „Human-Biomonitoring“ des Umweltbundesamtes. Bundesgesundheitsbl. - Gesundheitsforsch.<br />
–Gesundheitsschutz 42 (5), (1999), 446-448.<br />
<strong>10</strong>. Stoffmonographie PCB - Referenzwerte für Blut. Empfehlung, Instituts für Wasser-, Boden-<br />
und Lufthygiene des Umweltbundesamtes, Kommission „Human-Biomonitoring“ des<br />
Umweltbundesamtes. Bundesgesundheitsbl. – Gesundheitsforsch. - Gesundheitsschutz 42<br />
(6), (1999), 511-521.<br />
11. Stoffmonographie Quecksilber - Referenz- und Human-Biomonitoring-Werte (HBM).<br />
Empfehlung, Institut für Wasser-, Boden- und Lufthygiene des Umweltbundesamtes, Kommission<br />
„Human-Biomonitoring“ des Umweltbundesamtes. Bundesgesundheitsbl. - Gesundheitsforsch.<br />
–Gesundheitsschutz 42 (6), (1999),522-532.<br />
12. Referenzwerte für HCB, β-HCH, DDT und PCB in Frauenmilch.<br />
Empfehlung, Institut für Wasser-, Boden- und Lufthygiene des Umweltbundesamtes, Kommission<br />
„Human-Biomonitoring“ des Umweltbundesamtes. Bundesgesundheitsbl. - Gesundheitsforsch.<br />
–Gesundheitsschutz 42 (6), (1999), 533-539.<br />
13. Aktualisierung der Referenzwerte für Pentachlorphenol im Serum und im Urin.<br />
Empfehlung, Institut für Wasser-, Boden- und Lufthygiene des Umweltbundesamtes, Kommission<br />
„Human-Biomonitoring“ des Umweltbundesamtes. Bundesgesundheitsbl. - Gesundheitsforsch.<br />
- Gesundheitsschutz 42 (7), (1999), 599-600.<br />
66
C. Krause et al: Ergebnisse aus dem Umwelt-Survey Umed Info <strong>10</strong><br />
Human-Biomonitoring<br />
Ergebnisse aus dem Umwelt-Survey 1990/92<br />
C. Krause, U. Becker, C. Schulz<br />
Elemente und Verbindungen in Blut und Urin der Allgemeinbevölkerung (25- bis 69jährigen) der<br />
Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1990/92<br />
BG N n
C. Krause et al: Ergebnisse aus dem Umwelt-Survey Umed Info <strong>10</strong><br />
Elemente und Verbindungen in Blut und Urin der Kinder (6- bis 14 Jahre) der Bundesrepublik<br />
Deutschland in den Jahren 1990/92<br />
BG N n
C. Krause et al: Ergebnisse aus dem Umwelt-Survey Umed Info <strong>10</strong><br />
Umwelt-Survey<br />
Zur Ermittlung repräsentativer Daten über die<br />
bestehenden korporalen Schadstoffbelastungen<br />
und der Schadstoffbelastungen im häuslichen<br />
Bereich der Allgemeinbevölkerung in<br />
der Bundesrepublik Deutschland (25 bis 69<br />
Jahre und 6 bis 14 Jahre) konnte im Auftrag<br />
des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz<br />
und Reaktorsicherheit 1985/86 erstmalig<br />
eine repräsentative bundesweite Erhebung<br />
durchgeführt werden, der "Umwelt-Survey".<br />
Mit dem Umwelt-Survey 1985/86 wurde<br />
ein erster Beitrag zur Ermittlung von Referenzwerten<br />
für korporale Schadstoffbelastungen<br />
(Human-Biomonitoring) und für<br />
Schadstoffbelastungen im häuslichen Bereich<br />
(Wohnraum- und Trinkwasserhygiene)<br />
geleistet. In den Jahren 1990/91 konnte dann<br />
der 2. Umwelt-Survey-West in den alten<br />
Bundesländern und 1991/92 der Umwelt-<br />
Survey-Ost in den neuen Bundesländern<br />
durchgeführt werden. In diese beiden letzten<br />
Erhebungen wurden Kinder, die in den<br />
Haushalten der untersuchten Probanden lebten,<br />
einbezogen.<br />
Ziel<br />
Mit den Daten der beiden Erhebungen in den<br />
alten Ländern wird ein zeitlicher Vergleich<br />
(alte Bundesländer 1985/86 versus 1990/91)<br />
zum Human-Biomonitoring und zu Schadstoffbelastungen<br />
in den Haushalten ermöglicht,<br />
während die Daten des Umwelt-Surveys-West<br />
und des Umwelt-Surveys-Ost zum<br />
Vergleich zwischen alten und neuen Bundesländern<br />
herangezogen werden können<br />
und eine gesamtdeutsche Darstellung ermöglichen.<br />
Die an repräsentativen Querschnittsstichproben<br />
der Bevölkerung gewonnenen<br />
Daten können darüber hinaus als Vergleichswerte<br />
und zur Ermittlung von Referenzwerten<br />
zur Beurteilung von Stoffkonzentrationen<br />
in Blut, Urin, Haaren, Trinkwasser,<br />
Hausstaub und Innenraumluft genutzt werden.<br />
Design<br />
Nach mehrfach geschichteten zweistufigen<br />
Auswahlverfahren wurden Querschnittsstichproben<br />
der deutschen Wohnbevölkerung (alte<br />
und neue Bundesländer) nach den Merkmalen<br />
Gemeindegrößenklasse, Geschlecht<br />
und Alter zufällig gezogen. In den alten Bundesländern<br />
nahmen 1980/81 aus den <strong>10</strong>0<br />
ausgewählten Erhebungspunkten (71 Gemeinden)<br />
2524 Personen im Alter von 25 bis<br />
69 Jahren teil (Ausschöpfungsrate: 63,1 %).<br />
In den neuen Bundesländern waren es bei 50<br />
Erhebungspunkten (47 Gemeinden) 1763<br />
Personen im Alter von 18 bis 79 Jahren<br />
(Ausschöpfungsrate: 69,0 %) bzw. 1497 Personen<br />
im Alter von 25 bis 69 Jahren<br />
(1991/92). Ferner wurden 453 Kinder im Alter<br />
von 6 bis 14 Jahren (alte Bundesländer) sowie<br />
359 Kinder/ Jugendliche im Alter von 6<br />
bis 17 Jahren (neue Bundesländer) bzw. 283<br />
Kinder im Alter von 6 bis 14 Jahren in die<br />
Umwelt-Surveys einbezogen.<br />
Der Berichtsband Ιa enthält zum einen die<br />
Studienbeschreibung und zum anderen deskriptive<br />
Auswertungen zum Human-<br />
Biomonitoring (Blut und Urin) bei der 1990/92<br />
untersuchten Bevölkerung in der Bundesrepublik<br />
Deutschland. Die gemessenen Pb-,<br />
Cd-, Cu-, Hg-Gehalte im Blut sowie die As-,<br />
Cd-, Cr-, Cu-, Hg-, Nikotin-, Cotinin-Gehalte<br />
im Urin (volumen- und creatininbezogen)<br />
werden in Tabellenform unter Angabe diverser<br />
Kennwerte in den Gesamtpopulationen<br />
und stratifiziert nach soziodemographischen<br />
sowie elementspezifischen Merkmalen wiedergegeben.<br />
Die Ergebnisse werden textlich<br />
interpretiert, mit Angaben in der Literatur verglichen<br />
und anhand von Orientierungswerten<br />
bewertet. Die gewählte Darstellungsform ermöglicht<br />
eine Übersicht über die korporalen<br />
Schadstoffbelastungen in der Bundesrepublik<br />
Deutschland in den Jahren 1990/92 und damit<br />
eine bundeseinheitliche Einordnung und<br />
Bewertung anderer Studien- und Einzelfallergebnisse<br />
auf nationaler, aber auch auf internationaler<br />
Ebene.<br />
Interpretation<br />
Als erste grobe Übersicht sind die im Umwelt-Survey<br />
ermittelten Substanzgehalte in<br />
Blut und Urin der Erwachsenen und Kinder in<br />
Deutschland sowie in den alten und neuen<br />
Ländern tabellarisch dargestellt (Siehe Tab.).<br />
Ein Vergleich der Ergebnisse der Umwelt-<br />
Surveys mit denjenigen anderer Länder ist<br />
nur bedingt möglich, da keine entsprechenden<br />
nach Lebensalter, Geschlecht und Gemeindegrößenklasse<br />
repräsentativen Stichproben<br />
in denselben Jahren in anderen Ländern<br />
/ Nationen untersucht wurden. Zusätzlich<br />
ist ein internationaler Vergleich der Uringehalte<br />
durch die unterschiedlichen Methoden<br />
zur Probenahme (24h-Urin, Morgen-/<br />
Spontanurin, Normierung auf Creatinin) erschwert.<br />
Im folgenden wird, soweit möglich,<br />
eine Einordnung der in Deutschland ermittel-<br />
69
C. Krause et al: Ergebnisse aus dem Umwelt-Survey Umed Info <strong>10</strong><br />
ten Gehalte in die internationalen Daten vorgenommen.<br />
Ergebnisse<br />
Die Bleigehalte im Blut der 25- bis<br />
69jährigen Bevölkerung sind mit 45 µg/l im<br />
geometrischen Mittel in den alten und neuen<br />
Bundesländern 1990/92 gleich. Allerdings<br />
weisen die Frauen in den neuen Bundesländern<br />
einen im Mittel niedrigeren Wert (36<br />
µg/l) auf als die Frauen in den alten Bundesländern<br />
(38 µg/l), wohingegen bei den Männern<br />
in den neuen Ländern ein im Mittel signifikant<br />
(p
C. Krause et al: Ergebnisse aus dem Umwelt-Survey Umed Info <strong>10</strong><br />
14jährigen Kindern wurden 0,33 µg/l im Blut<br />
und 0,54 µg/l im Urin bzw. 0,39 µg/g Creatinin<br />
im Urin ermittelt. Die Quecksilbergehalte<br />
liegen bei den Erwachsenen sowohl im Blut<br />
(0,71 µg/l) als auch im Urin (0,61 µg/l bzw.<br />
0,42 µg/g Creatinin) in den neuen Bundesländern<br />
signifikant (p
C. Krause et al: Ergebnisse aus dem Umwelt-Survey Umed Info <strong>10</strong><br />
zeitraum 1990/92 für den Kupfergehalt im<br />
Blut ein geometrischer Mittelwert von 0,95<br />
mg/l und im Urin von 9,47 µg/l (6,93 µg/g<br />
Creatinin) ermittelt. Für die 6- bis 14jährigen<br />
Kinder wurden im Mittel 0,99 mg/l Blut und<br />
13,64 µg/l Urin bzw. 9,74 µg/g Creatinin im<br />
Urin bestimmt. Weder für die Erwachsenen<br />
noch für die Kinder der alten bzw. neuen<br />
Bundesländer werden signifikant unterschiedliche<br />
Kupfergehalte im Blut festgestellt.<br />
Die mittleren Kupfergehalte im Urin der Erwachsenen<br />
der alten Länder sind signifikant<br />
höher als in den neuen Ländern; die der Kinder<br />
unterscheiden sich nicht. Ein entsprechender<br />
Vergleich der Kupferblutgehalte<br />
zeigt, dass die in der vorliegenden Untersuchung<br />
ermittelten Werte dem von Iyengar<br />
(1984) angegebenen Wertebereich entsprechen.<br />
Der zeitliche Vergleich der Kupfergehalte<br />
im Urin der Erwachsenen in den alten<br />
Bundesländern von 1985/86 zu 1990/91 zeigt<br />
einen signifikanten Anstieg von 8,4 µg/l<br />
(1985/86) auf 9,7 µg/l (1990/91). Der Anstieg<br />
des Kupfergehaltes im Urin gilt gleichermaßen<br />
für Frauen und Männer.<br />
Die Nikotin- und Cotiningehalte im Urin der<br />
Erwachsenen der neuen Länder liegen mit<br />
18,3 µg/l und 18,4 µg/l signifikant niedriger<br />
als die der alten Länder mit 27,1 µg/l und<br />
29,2 µg/l. Bei den nie-rauchenden Erwachsenen<br />
der neuen Länder wurden ebenfalls<br />
signifikant niedrigere Nikotin- und Cotiningehalte<br />
im Urin festgestellt als bei den Erwachsenen<br />
in den alten Ländern. Die entsprechenden<br />
Gehalte im Urin der Kinder in den<br />
alten und neuen Ländern unterscheiden sich<br />
nicht.<br />
Die Daten über die korporalen Belastungen<br />
verbessern die umweltepidemiologische Datenlage<br />
in Deutschland wesentlich und dienen<br />
als Basisdaten für die gesundheitsbezogene<br />
Umweltberichterstattung sowie als<br />
Ausgangsdaten zur Konzeption und Überprüfung<br />
von Präventions-, Interventions- und<br />
72<br />
Verminderungsstrategien im Bereich der gesundheits-<br />
und umweltpolitischen Umsetzung.<br />
Bei einem Unterkollektiv von 1295 Erwachsenen<br />
und 695 Kindern wurde im Rahmen<br />
des Umwelt-Surveys 1990/92 PCP im Urin<br />
bestimmt. Die Ergebnisse sind nicht in Band<br />
Ιa enthalten, seien aber hier ergänzend angegeben.<br />
In Jahren 1990/92 betrug der mittlere<br />
PCP-Gehalt im Urin der erwachsenen<br />
Bevölkerung 1,9 µg/g Creatinin und der der<br />
Kinder 2,9 µg/g Creatinin. In den alten Ländern<br />
ist für 1990/91 (GM=2,0 µg/g Creatinin)<br />
feststellbar. Unterschiedliche Belastungen in<br />
den alten und neuen Ländern konnten zwar<br />
bei den 6- bis 14jährigen Kindern, nicht jedoch<br />
bei den 25- bis 69jährigen Erwachsenen<br />
beobachtet werden. Die mittlere PCP-<br />
Konzentration im Urin der westdeutschen<br />
Kinder (3,2 µg/g Creatinin) lag signifikant über<br />
der der ostdeutschen Kinder (2,3 µg/g<br />
Creatinin). 1990/92 wurden bei jeweils 0,5%<br />
der Erwachsenen und der Kinder PCP-<br />
Gehalte im Urin von mehr als 20 µg/g Creatinin<br />
HBM-Ι) ermittelt. Bei 0,2% dieser Personen<br />
war auch der HBM-ΙΙ-Wert (30 µg/g<br />
Creatinin) überschritten.<br />
Bei einem weiteren Unterkollektiv von 150<br />
Erwachsenen, die angaben, nie geraucht zu<br />
haben, und 668 Kindern zwischen 6 und 14<br />
Jahren wurden zusätzlich zu den in Band Ιa<br />
deskribierten Stoffen PAK-Metaboliten im Urin<br />
untersucht. Bei allen Metaboliten wurden<br />
bei Erwachsenen und Kindern der neuen<br />
Bundesländer signifikant höhere Gehalte<br />
festgestellt. So betrug z.B. die mittlere I-OH-<br />
Pyrenausscheidung bei Erwachsenen der<br />
neuen Bundesländer 284 ng/l und bei Erwachsenen<br />
der alten Bundesländer 99 ng/l.<br />
Hohe Gehalte der PAK-Metaboliten im Urin<br />
können u.a. durch eine falsche Angabe zum<br />
Rauchstatus verursacht sein.<br />
Die Ergebnisse des Umwelt-Surveys 1998<br />
werden Ende 2000 publiziert.<br />
Nach: WaBoLu-Heft 1/96:<br />
C. Krause, W. Babisch, K. Becker, W. Bernigau, K. Hoffmann, P. Nöllke, C. Schulz, R. Schwabe,<br />
M. Seiwert, W. Thefeld: Umwelt-Survey 1990/92, Band Ιa: Studienbeschreibung und Human-<br />
Biomonitoring: Deskription der Spurenelementgehalte in Blut und Urin der Bevölkerung der Bundesrepublik<br />
Deutschland<br />
Weitere Literatur bei den Autoren.
M. Schwenk, Agenda 21 und ÖGD Umed Info <strong>10</strong><br />
Die Wahrung gesunder Lebensverhältnisse<br />
gehört zu den Kernaufgaben des öffentlichen<br />
<strong>Gesundheitsdienst</strong>es. In Anbetracht<br />
rasanter Umweltveränderungen<br />
mit potentiellen Auswirkungen auf die Gesundheit<br />
durch Klimaveränderungen, Bodenerosion,<br />
Wasserverschmutzung, Verkehr,<br />
Städtebau und andere Entwicklungen<br />
erscheint es naheliegend, die vorhandene<br />
Sachkompetenz der Umweltärzte<br />
des ÖGD nicht nur bei der Lösung aktueller<br />
Probleme, sondern auch für die Zukunftsbewältigung<br />
zu nutzen. Die Agenda<br />
21 bietet die Chance hierfür.<br />
Was ist die Agenda 21?<br />
Die Agenda 21 ist ein Leitbild für die Zu-<br />
Entwicklung der globalen Konzepte<br />
1962 R. Carson<br />
1972<br />
Club of<br />
Rome<br />
1984 WHO<br />
1992 UNO Agenda 21<br />
1999<br />
EU<br />
BRD<br />
kunftsgestaltung auf der Erde im 21. Jahrhundert.<br />
Sie wurde im Jahre 1992 von über<br />
170 Staats- und Regierungschefs/innen<br />
auf der Konferenz der Vereinten<br />
Nationen in Rio de Janeiro verabschiedet.<br />
Diese Vereinbarung ist Ausdruck<br />
des Bewusstseins, dass die Naturzerstörung<br />
durch den Menschen eingeschränkt<br />
Agenda 21 und ÖGD<br />
M. Schwenk<br />
Buch: „Der stumme Frühling“<br />
Hinweise auf Naturzerstörung durch den Menschen<br />
Buch: „Die Grenzen des Wachstums“<br />
Die Ressourcen der Erde sind erschöpflich<br />
Strategiepapier: „Gesundheit für Alle“<br />
Gemeinsame Zielvorgaben bis zum Jahre<br />
2000<br />
Dritte Ministerkonferenz über Umwelt und Gesundheit.<br />
Aktionsprogramm „Umwelt und Gesundheit“.<br />
werden muss, dass die Ressourcen der<br />
Erde beschränkt sind, und dass alle Länder<br />
der Erde gemeinsame Ziele setzen<br />
müssen.<br />
Die Agenda 21 mit ihren 40 Kapiteln ist<br />
auch ein globaler Aktionsplan. Sie geht<br />
von der fachlichen Prämisse aus, dass eine<br />
zukunftsfähige Entwicklung der<br />
Menschheit nur möglich sein wird, wenn<br />
die Erdatmosphäre geschützt, die Ressourcen<br />
geschont (Nachhaltigkeit) und alle<br />
Lebewesen beachtet werden. Sie macht<br />
die organisatorische Prämisse, dass diese<br />
Ziele nur durch Einbeziehung der Akteure<br />
auf lokaler Ebene erreichbar sein werden.<br />
Eine Schlüsselrolle spielt das Prinzip der<br />
Nachhaltigkeit, das in<br />
der Forstwirtschaft<br />
schon lange prakti-<br />
ziert wird: „Der Natur<br />
dürfen nur so viele<br />
Ressourcen entzogen<br />
werden, wie sie<br />
nachliefert“. Für die<br />
Zukunftsentwicklung<br />
bedeutet dies, dass<br />
der Mensch seine<br />
Bedürfnisse befriedigen<br />
soll, ohne zu riskieren,<br />
dass dies auf<br />
Kosten künftiger Generationen<br />
geschieht<br />
(englisch: „sustainability“).<br />
Dies lässt sich<br />
durch Beachtung folgender<br />
vier Prinzipien<br />
erreichen: Zukunftsfähigkeit durch<br />
sparsames Wirtschaften; soziale Gerechtigkeit<br />
auf der ganzen Erde; Schutz der<br />
Umwelt unter Beachtung der Regenerationsfähigkeit,<br />
und öffentliche Beteiligung<br />
durch Einbeziehung aller Betroffener.<br />
73
M. Schwenk, Agenda 21 und ÖGD Umed Info <strong>10</strong><br />
74<br />
1 Präambel<br />
Die 40 Kapitel der Agenda 21<br />
I Soziales und Wirtschaft<br />
2 Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern<br />
3 Armutsbekämpfung<br />
4 Veränderung der Konsumgewohnheiten<br />
5 Bevölkerungsdynamik<br />
6 Menschliche Gesundheit<br />
7 Nachhaltige Siedlungsentwicklung<br />
8 Integration von Umwelt- und Entwicklungs-<br />
zielen<br />
II Natürliche Ressourcen<br />
9 Schutz der Erdatmosphäre<br />
<strong>10</strong> Bodenressourcen<br />
11 Entwaldung<br />
12 Wüstenbildung und Dürren<br />
13 Berggebiete<br />
14 Landwirtschaft und ländliche Entwicklung<br />
15 Biologische Vielfalt<br />
16 Biotechnologie<br />
17 Ozeane und Meere<br />
18 Süßwasserressourcen<br />
19 Toxische Chemikalien<br />
20-2 Gefährliche, feste, radioaktive Abfälle<br />
III Rolle wichtiger Gruppen<br />
23 Präambel<br />
24 Frauen<br />
25 Kinder und Jugendliche<br />
26 Eingeborene Bevölkerungsgruppen<br />
27 Nichtstaatliche Organisationen<br />
28 Kommunen<br />
29 Arbeitnehmer und Gewerkschaften<br />
30 Privatwirtschaft<br />
31 Wissenschaft und Technik<br />
32 Bauern<br />
IV Möglichkeiten der Umsetzung.<br />
33 Finanzierung<br />
34 Technologietransfer<br />
35 Wissenschaft<br />
36 Schulbildung, Bewusstseinsbildung und berufliche<br />
Aus- und Fortbildung<br />
37 Stärkung personeller und institutioneller Kapazitäten<br />
in den Entwicklungsländern<br />
38 Institutionelle Rahmenbedingungen<br />
39 Rechtsinstrumente und -mechanismen<br />
40 Information
M. Schwenk, Agenda 21 und ÖGD Umed Info <strong>10</strong><br />
Agenda 21 und Gesundheit<br />
Die menschliche Gesundheit wird schwerpunktmäßig<br />
im Kapitel 6 behandelt, spielt<br />
aber auch in den Kapiteln 9, 18, 19, 20, 21,<br />
22, 24, 25 und 26 eine größere Rolle. Diese<br />
ist für den globalen Entwicklungsprozess in<br />
zweifacher Hinsicht von größter Bedeutung.<br />
Einerseits stellt die Gesundheit einen zentralen<br />
Grundwert an sich dar. Andererseits, ist<br />
sie Voraussetzung für eine nachhaltige Entwicklung,<br />
die durch kranke Menschen<br />
schwerlich realisiert werden kann. In der Einleitung<br />
(Abschnitt 6.1) zum Kapitel Gesundheit<br />
steht:<br />
„Gesundheit und Entwicklung stehen in einer<br />
engen Wechselbeziehung zueinander. Entwicklungsdefizite<br />
und die daraus resultierende<br />
Armut, ebenso wie Entwicklungsmängel<br />
und der daraus resultierende verschwenderische<br />
Verbrauch können im Verbund mit einer<br />
kontinuierlich steigenden Weltbevölkerung<br />
sowohl in Entwicklungs-, als auch in Industrieländern<br />
Ursache gravierender umweltbedingter<br />
Gesundheitsgefahren sein. Die einzelnen<br />
Aktionspunkte der Agenda 21 müssen<br />
sich gezielt mit den Bedürfnissen der Weltbevölkerung<br />
im Bereich der primären Gesundheitsversorgung<br />
befassen, da diese eine<br />
unverzichtbare Voraussetzung für die Verwirklichung<br />
der Ziele nachhaltiger Entwicklung<br />
und basisorientierten Umweltschutzes<br />
sind. Aufgrund des Zusammenhangs zwischen<br />
Gesundheit, umweltbezogenen und<br />
sozioökonomischen Verbesserungen sind<br />
sektorübergreifende Bemühungen erforderlich.<br />
Solche Bemühungen, in die der Bildungsbereich,<br />
der Wohnungsbau, öffentliche<br />
Anlagen und kommunale Gruppen ebenso<br />
wie Wirtschaftsunternehmen, Schulen und<br />
Universitäten sowie religiöse Gruppen, Bürgerinitiativen<br />
und kulturelle Organisationen<br />
einbezogen werden müssen, sind darauf<br />
ausgerichtet, den Menschen innerhalb ihrer<br />
Gemeinschaften die notwendigen Fähigkeiten<br />
für eine nachhaltige Entwicklung zu vermitteln.<br />
Besonders wichtig ist dabei, dass<br />
auch Vorsorgeprogramme vorgesehen werden<br />
und nicht nur auf kurative und therapeutische<br />
Maßnahmen zurückgegriffen wird.<br />
Ausgehend von den einzelnen Programmteilen<br />
dieses Kapitels sollen die Länder Pläne<br />
für vorrangig durchzuführende Maßnahmen<br />
entwickeln, die auf einer Zusammenarbeit<br />
der verschiedenen Ebenen der Regierung,<br />
nichtstaatlicher Organisationen und örtlicher<br />
Gruppierungen basieren. Die Gesamtkoordination<br />
soll von einer geeigneten internationalen<br />
Organisation wie etwa der WHO übernommen<br />
werden“.<br />
Kapitel 6 der Agenda 21 hat fünf Schwerpunkte<br />
zum Thema Gesundheit. Darin wer-<br />
Kapitels 6: "Gesundheit":<br />
A. Primäre Gesundheitsversorgung<br />
B. Kontrolle übertragbarer Krankheiten<br />
C. Schutz empfindlicher Gruppen<br />
D. Gesundheitsprobleme der Städte<br />
E. Reduzierung der umweltbezogenen<br />
Gesundheitsrisiken<br />
den sowohl medizinische, als auch organisatorische<br />
Ziele formuliert wie z.B.: „ Reduktion<br />
der aktuellen Atemwegsinfektionen bei Kindern<br />
unter 5 Jahren um mindestens ein Drittel<br />
bis zum Jahre 2000, besonders in Ländern<br />
mit hoher Kindessterblichkeit“ und „bis<br />
zum Jahr 2000 sollen –soweit möglich- eine<br />
geeignete nationale Infrastruktur und Programme<br />
zur Beobachtung von Umweltgefahren<br />
entwickelt werden“. In Kapitel 6A wird ein<br />
Ausbau der Gesundheitsversorgung besonders<br />
dort, wo die Not am größten ist, gefordert.<br />
Diese Systeme sollen praktikabel, gemeindebezogen,<br />
wissenschaftlich vernünftig,<br />
sozial akzeptabel und zunächst auf die gravierendsten<br />
Probleme bezogen sein. In Kapitel<br />
6B wird ausgeführt, dass die Seuchenprävention<br />
weiterentwickelt werden<br />
muss, zumal dies kostengünstiger ist, als die<br />
Bekämpfung von Seuchen. Bei der Bekämpfung<br />
übertragbarer Krankheiten (z.B. Malaria,<br />
kindliche Diarrhö, Tuberkulose) werden spezifische<br />
Ziele formuliert, die durch nationale<br />
Aktionspläne realisiert werden sollen. Kapitel<br />
6C befasst sich mit besonders schützenswerten<br />
Gruppen. Hierzu zählen Kinder, Jugendliche<br />
und Frauen (besonders in der Schwangerschaft),<br />
auch unter dem Gesichtspunkt<br />
des Missbrauches. Als Weg für deren gesunde<br />
Entwicklung werden bessere medizinische<br />
Versorgung und Selbsthilfe, soziale Gleichstellung<br />
und Mitwirkung, aktive Familienprogramme<br />
und Zugang zum Bildungssystem<br />
angesehen. Kapitel 6D widmet sich den Problemen<br />
der Großstädte und Slums mit ihrer<br />
Massenarbeitslosigkeit und den damit verbundenen<br />
Erkrankungen und hygienischen<br />
75
M. Schwenk, Agenda 21 und ÖGD Umed Info <strong>10</strong><br />
Problemen. Auch hier wird ein Schlüssel zur<br />
Lösung im Ausbau des öffentlichen Gesundheitssystems<br />
und der Einbindung der betroffenen<br />
Gruppen in Entscheidungsprozesse<br />
gesehen. Im Kapitel 6E werden die Gesundheitsrisiken<br />
durch Umweltverschmutzung behandelt:<br />
Oberstes Ziel ist die Minimierung<br />
des Gefährdungspotentials und die Bewahrung<br />
der Umwelt dahingehend, dass Gesundheit<br />
und Sicherheit der Menschen nicht<br />
beeinträchtigt werden. Vorgeschlagen werden<br />
Überwachungssysteme und ein höherer<br />
Stellenwert der Umwelthygiene an Schulen<br />
und Universitäten.<br />
Aktionsprogramme und Agenda 21<br />
In den letzten Jahren wurden verschiedene<br />
nationale und internationale Programme zum<br />
Thema Umwelt und Gesundheit auf Basis der<br />
Agenda 21 formuliert. Davon sind zwei Programme<br />
für die Arbeit in Deutschland relevant:<br />
Hierzu gehört das Programm der dritten<br />
EU-Ministerkonferenz „Umwelt und Gesundheit“<br />
vom Juni 1999 in London. Diese schloss<br />
an die Konferenzen von 1989 in Frankfurt<br />
und von 1994 in Helsinki an. Die nahezu<br />
<strong>10</strong>00 Teilnehmer, darunter 70 Minister, sehen<br />
besorgniserregende Trends in Bereichen<br />
wie Klimaveränderung, Ozonabbau, unhaltbare<br />
Konsumgewohnheiten und Produktionsverfahren.<br />
Es wird eine Zusammenarbeit<br />
zwischen Gesundheits- und Umweltbereichen<br />
bei Entscheidungsprozessen in den Bereichen<br />
Verkehr, Wasserwirtschaft, Raumplanung,<br />
Infrastruktur u.a. empfohlen. Auch<br />
das deutsche Aktionsprogramm „Gesundheit<br />
und Umwelt“ der Gesundheitsministerin und<br />
des Umweltministers vom Jahre 1999 möchte<br />
die Zusammenarbeit an der Schnittstelle<br />
zwischen Gesundheits- und Umweltpolitik<br />
verbessern. Ziel ist es u.a., die Zusammenhänge<br />
zwischen Umwelt und Gesundheit<br />
aufzuklären und umweltbedingte Gesundheitsbelastungen,<br />
z.B. in der Außenluft zu<br />
verringern.<br />
Lokale Agenda 21<br />
In den letzten beiden Jahren kam der lokale<br />
Agenda 21 Prozess in Bewegung. Grundlage<br />
ist Kapitel 28 der Agenda 21, das bei der<br />
Umsetzung der Agenda Programme den<br />
Kommunen und Betroffenen eine zentrale<br />
Rolle zuschreibt. Inzwischen gibt es z.B. in<br />
Baden-Württemberg weit über <strong>10</strong>0 Agenda<br />
21 Projekte. Das Agenda 21 Büro an der<br />
Landesanstalt für Umweltschutz in Karlsruhe<br />
76<br />
bietet den lokalen Aktionen in Baden-<br />
Württemberg engagiert fachliche und organisatorische<br />
Unterstützung.<br />
Agenda 21 und ÖGD<br />
Es ist unschwer zu erkennen, dass der ÖGD<br />
bei der Realisierung der gesundheitlichen<br />
Ziele eine wichtige Rolle spielen sollte. Zum<br />
einen bietet er die gewünschten organisatorischen<br />
Strukturen die zur Zielerreichung benötigt<br />
werden. Zum anderen stimmen seine<br />
inhaltlichen Ziele in hohem Maße mit denen<br />
der Agenda 21 überein: Bekämpfung übertragbarer<br />
Krankheiten und Reduzierung umweltbezogener<br />
Gesundheitsrisiken gehören<br />
zu seinen Kernaufgaben. Ebenso die Mitwirkung<br />
bei der Lösung der Gesundheitsprobleme<br />
der Städte, auch wenn die Kriterien für<br />
eine Gesundheitsverträglichkeitsprüfung<br />
noch nicht allgemein anerkannt sind. Insgesamt<br />
kann man sagen, dass sich die gesundheitsbezogenen<br />
Maßnahmen der Agenda<br />
21 weitgehend mit den Aufgaben des<br />
ÖGD decken.<br />
Bei einer Analyse der laufenden lokalen Agenda<br />
21 Projekte in Baden-Württemberg<br />
zeigte sich, dass dort gesundheitliche Aspekte<br />
bisher nur eine geringe Bedeutung haben.<br />
Entsprechend ergab eine Umfrage bei den<br />
Gesundheitsämtern, dass –abgesehen von<br />
einigen sehr engagierten Projekten- diese<br />
bisher nur wenig und unsystematisch in die<br />
Agenda 21-Prozesse eingebunden sind. Als<br />
Gründe werden die Überlastung, unklare Ziele,<br />
Vereinnahmung durch komplexe Gruppenprozesse,<br />
aber auch die noch unzureichenden<br />
Kenntnisse über die Agenda Prozesse<br />
angegeben.<br />
So ist es erforderlich, die gesundheitlichen<br />
Themen und organisatorischen Abläufe der<br />
Agenda im Gesundheitsbereich besser bekannt<br />
zu machen. Das Landesgesundheitsamt<br />
BW und das Agenda 21 Büro bei<br />
der Landesanstalt für Umweltschutz wollen<br />
diesen Prozess fördern. Erster Schritt war eine<br />
Veranstaltung zum Thema „Agenda 21<br />
und ÖGD“ im Herbst 1999 in Stuttgart. Darüber<br />
hinaus ist eine überregionale Kooperation<br />
mit dem nordrhein-westfälischen LÖGD<br />
angedacht, mit dem Ziel, die Gesundheitsämter<br />
an die Agenda 21 Prozessen heranzuführen.<br />
Dieser Prozess könnte in drei Stufen ablaufen:<br />
Weitere Verbreitung der Kenntnisse<br />
über Agenda 21, Erarbeitung von allgemein
M. Schwenk, Agenda 21 und ÖGD Umed Info <strong>10</strong><br />
gültigen und praktikablen Konzepten, Formulierung<br />
geeigneter Indikatoren und schließlich<br />
Mitgestaltung des Agende-Prozesses.<br />
In Anbetracht der großen Chance für eine<br />
konstruktive Zukunftsgestaltung sollte der<br />
ÖGD seine fachlichen und organisatorischen<br />
Sachkenntnisse vermehrt ihn den Agenda<br />
21-Prozess einfließen lassen. Das Landesgesundheitsamt<br />
BW wird bemüht sein, hierbei<br />
seine Rolle als fachliche Leitstelle aktiv<br />
zu spielen.<br />
77
78<br />
Umed Info <strong>10</strong>
Autorenverzeichnis Umed Info <strong>10</strong><br />
Autorenverzeichnis<br />
Herr M. Appelt<br />
Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg<br />
Wiederholdstraße 15<br />
70174 Stuttgart<br />
Herr Dipl. Ing. (FH) H. Bieberstein<br />
Reichsstraße 19<br />
01445 Radebeul<br />
Herr Dr. T. Gabrio<br />
Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg<br />
Wiederholdstraße 15<br />
70174 Stuttgart<br />
Frau Dr. S. Jovanovic<br />
Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg<br />
Wiederholdstraße 15<br />
70174 Stuttgart<br />
Frau J. M. Körber<br />
Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg<br />
Wiederholdstraße 15<br />
70174 Stuttgart<br />
Herr Prof. Dr. C. Krause<br />
Umweltbundesamt<br />
Institut WaBoLu<br />
Corrensplatz 1<br />
14195 Berlin<br />
Herr Dr. R. Madeleyn<br />
Filderklinik<br />
70794 Filderstadt<br />
Herr F. Maier<br />
ADL-Vertriebsgesellschaft mbH<br />
Jechtinger Straße 9<br />
79111 Freiburg<br />
Herr Dr. rer. nat. Palmgren<br />
Pegasus Labor GmbH<br />
Oberkasselerstraße 81<br />
40545 Düsseldorf<br />
Frau Dr. I. Piechotowski<br />
Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg<br />
Wiederholdstraße 15<br />
70174 Stuttgart<br />
Herr Dr. G. Schoenherr<br />
Kaiserwertherstraße 93<br />
40476 Düsseldorf<br />
79
Autorenverzeichnis Umed Info <strong>10</strong><br />
Herr Prof. Dr. M. Schwenk<br />
Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg<br />
Wiederholdstraße 15<br />
70174 Stuttgart<br />
Herr Dr. Senkpiel<br />
Medizinische Universität zu Lübeck<br />
Inst. f. med. Mikrobiologie u. Hygiene<br />
Ratzeburger Allee 160<br />
23538 Lübeck<br />
Frau Thomsen<br />
PMA Sindelfingen GmbH<br />
Nüßstraße 5<br />
7<strong>10</strong>65 Sindelfingen<br />
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