Workshop - AIDS-Hilfe Wuppertal eV
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15<br />
Vortrag<br />
Der Titel meines Vortrages mag<br />
möglicherweise mehr versprechen,<br />
als der gegenwärtige<br />
Forschungsstand halten kann:<br />
Denn mitnichten ist es so, dass<br />
der hier zu behandelnde<br />
Problemraum bereits “abgefrühstückt”<br />
ist.<br />
Zunächst muss festgestellt werden,<br />
dass Inhalte zu dieser Thematik<br />
in den einschlägigen Lehrbüchern<br />
zur Entwicklungspsychologie<br />
nur rudimentär vorhanden<br />
sind. Des weiteren leidet<br />
ein Großteil der empirischen<br />
Studien, die sich mit der<br />
psychosexuellen Entwicklung<br />
lesbischer und schwuler Jugendlicher<br />
beschäftigen, unter methodischen<br />
Mängeln. So ist z.B.<br />
nach wie vor die Größe und<br />
Struktur der Grundgesamtheit<br />
lesbischer und schwuler Jugendlicher<br />
unbekannt. U.a. sind daher<br />
repräsentative Schlüsse aus Studien<br />
schwierig. Darauf aber an<br />
dieser Stelle näher einzugehen,<br />
würde jedoch den Rahmen<br />
sprengen und Sie voraussichtlich<br />
langweilen.<br />
Nur vorab ein paar Hinweise<br />
auf die blinden oder halbblinden<br />
Flecke der Forschung:<br />
Es fehlt nach wie vor eine empirisch<br />
fundierte und akzeptierte<br />
allgemeine Theorie zur Entstehung<br />
und Entwicklung von Homosexualität,<br />
Bisexualität und<br />
ihre Besonderheiten werden in<br />
vielen Studien weitgehend vernachlässigt.<br />
Ferner bestehen<br />
große Lücken im Wissen um Homosexualität<br />
in unteren sozialen<br />
Kai Seiler, Dipl.-Psychologe<br />
SITUATION LESBISCHER UND SCHWULER JUGENDLICHER<br />
AUS WISSENSCHAFTLICHER PERSPEKTIVE<br />
Schichten und bei Migranten/<br />
innen, da u.a. diese Bereiche<br />
aus verschiedenen Gründen selten<br />
in Stichproben vorkommen.<br />
Im Folgenden werde ich nun ein<br />
paar Befunde vorstellen, die aus<br />
wissenschaftlich fundierten Studien<br />
stammen. Dabei werde ich<br />
zunächst auf die Identitätsentwicklung<br />
eingehen und Umweltaspekte<br />
wie Familie, soziales<br />
Umfeld und Internet miteinbeziehen.<br />
Die psychosoziale<br />
Gesundheit der Jugendlichen<br />
stellt einen weiteren Schwerpunkt<br />
dar. Schließen will ich meinen<br />
Vortrag mit dem Aufzeigen notwendigerUnterstützungsmaßnahmen<br />
im familiären, schulischen,<br />
staatlichen Bereich und<br />
für die Jugendhilfe.<br />
Zunächst zur Identitätsentwicklung:<br />
Ein homosexueller Mensch zu<br />
sein, bedeutet immer auch, sich<br />
mit der Rolle eines Homosexuellen<br />
auseinander zu setzen und<br />
sie ggf. auch spielen zu müssen<br />
– so wie sie von der Gesellschaft<br />
gesehen wird. Die sexuelle Orientierung<br />
kann demnach für<br />
manche wesentlich die persönliche<br />
Identität mitbestimmen, da<br />
sie Einfluss auf Bereiche nimmt,<br />
die nicht allein der sexuellen<br />
Identität zuzuordnen sind. Ich<br />
merke das z.B. immer besonders<br />
daran, wenn ein heterosexueller<br />
guter Freund zu mir sagt: “Du<br />
wirkst überhaupt nicht schwul!”<br />
(Ich weiß nicht, ob ich das in<br />
diesem Zusammenhang als Beleidigung<br />
oder Kompliment auffassen<br />
soll – ich merke nur, dass<br />
ich mich von Zeit zu Zeit mit dieser<br />
Schublade auseinander setzen<br />
muss...).<br />
In der Sexualforschung ist hinsichtlich<br />
der homosexuellen<br />
Identitätsentwicklung ein Begriff<br />
geprägt worden, der Ihnen<br />
möglicherweise schon mal über<br />
den Weg gelaufen ist: das<br />
Coming Out.<br />
Allgemein kann unter Coming<br />
Out der Entwicklungsprozess<br />
verstanden werden, durch den<br />
sich homosexuell (und bisexuell)<br />
orientierte Menschen ihrer sexuellen<br />
Präferenzen bewusst werden<br />
und in dem sie sich dazu<br />
entschließen, dieses Wissen in<br />
ihr persönliches und soziales<br />
Leben zu integrieren. Ein Unterschied<br />
im Coming Out zwischen<br />
Mädchen und Jungen ist das<br />
durchschnittliche Alter. In vielen<br />
Forschungsergebnissen wurde<br />
bestätigt, dass Mädchen sich<br />
ihrer sexuellen Orientierung später<br />
bewusst werden als Jungen,<br />
obwohl sie früher als Jungen in<br />
die Pubertät kommen. In einer<br />
Umfrage von 1999 zeigt sich<br />
dieser Trend ebenfalls. Jungen