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Bulletin - Lempertz

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42<br />

Herausragende<br />

Provenienz<br />

Outstanding<br />

Provenance<br />

Uli-Figuren sind die wichtigsten Objekte zum Gedenken und zur Verehrung<br />

bedeutender Ahnen oder Clan-Chefs in der traditionellen Kultur Neu-Irlands.<br />

Höhepunkt der aufwendigen Gedenkfeierlichkeiten, die über einen Zeitraum<br />

von mehr als einem Jahr stattfanden, war die Präsentation der Uli-Skulpturen, die<br />

den Verstorbenen verkörperten. Ulis waren hoch geschätzte und wirkmächtige<br />

Figuren, die über Generationen hinweg in den Versammlungshäusern der Männer<br />

aufbewahrt wurden. Sie hatten die Funktion, den nachfolgenden Clan-Chef<br />

in seinen wichtigen Aufgaben für die Gemeinschaft zu unterstützen.<br />

Die Verwendung eines speziellen Holzes zur Herstellung der Uli-Figuren, des<br />

Alstonia-Baumes, ist dabei von symbolischer Art. Alstonia-Bäume wurden auf<br />

den Gräbern der Clanchefs gepflanzt, um die spirituelle und intellektuelle Kraft<br />

der Ahnen aufzunehmen. Augustin Krämer, der als einer der ersten europäischen<br />

Reisenden in Neu-Irland den Uli-Kult beschrieben hat, stellt eine enge<br />

Verbindung zwischen den Uli-Gedenkfiguren und dem einheimischen<br />

Schädel-kult her: Er publiziert holzgeschnitzte Figuren, die einen menschlichen<br />

Schädel tragen und damit als Urformen der Ulis gelten können. Sie tragen<br />

daher stets einen mächtigen Kopf über einem massigen Körper. Ihr Gesicht<br />

wird von großen starren Augen dominiert, der Mund ist in aggressiver Geste<br />

geöffnet. Obwohl die Uli-Figuren männliche Verstorbene repräsentieren, tragen<br />

sie weibliche Brüste, wohl als Zeichen dafür, daß der Clan-Chef wie eine fürsorgliche<br />

Mutter über das Wohlergehen seines Dorfes Sorge zu tragen hat.<br />

Zwölf unterschiedliche Typen von Uli-Figuren sind überliefert, wovon einige<br />

kleinere Assistenzfiguren auf den Hüften tragen oder selbst von solchen getragen<br />

werden. Die Figur aus dem Besitz von Otto Dix entspricht mit seinen auf dem<br />

Leib ruhenden Händen dem lembankákat egilampe genannten Typus, wobei<br />

die Geste der zusammengeführten Arme Wohlergehen symbolisiert.<br />

Bedingt durch den Umstand, dass Neu-Mecklenburg von 1885 – 1899 unter<br />

deutschem Protektorat stand und bis 1914 Teil der Deutschen Kolonien war,<br />

gelangten ethnologische Objekte aus der Südsee recht früh und in großer Anzahl<br />

in die deutschen völkerkundlichen Sammlungen. Allein das Völkerkundemuseum<br />

Berlin verzeichnet 4227 Objekte aus Neu-Irland und Neu-Hannover,<br />

gesammelt durch frühe deutsche Expeditionen zwischen 1873 und 1909.<br />

Insbesondere die Künstler des Deutschen Expressionismus (und wenig<br />

später darauf ebenso die Künstler des Surrealismus) faszinierte die formale Ausdruckskraft<br />

der traditionellen Südseekunst. Ein Beispiel der frühen Künstlersammler<br />

ist Emil Nolde, der 1913 als offizielles Mitglied der „Medizinischdemographischen<br />

Deutsch Neuguinea Expedition“ die Südsee bereiste und<br />

1914 eine Ausstellung seiner Südseegemälde in Kävieng, dem Hauptort Neu-<br />

Mecklenburgs, organisierte. Auch wenn sich im Werk von Otto Dix keine<br />

direkte künstlerische Beeinflussung zeigt, muss man von einer frühen Begegnung<br />

auch dieses Künstlers mit Beispielen der Stammeskunst ausgehen. Der<br />

Berliner Galerist von Dix, Karl Nierendorf, zeigte Stammeskunst in Dialog<br />

mit Kunst der Moderne, und Alfred Flechtheim, dessen Portrait Otto Dix 1926<br />

malte, organisierte im selben Jahr eine umfassende Ausstellung mit 184 „Südsee-<br />

Plastiken“, worunter sich allein acht Uli-Figuren befanden.<br />

Ein frühes Foto von 1924 zeigt unsere Skulptur in der Berliner Wohnung<br />

des berühmten Sammlers und Händlers Arthur Speyer, der sie möglicherweise<br />

kurz zuvor aus dem Berliner Völkerkundemuseum erworben hat (freundliche<br />

mündliche Mitteilung Markus Schindlbeck, Berlin). Über den Händler Friedrich-<br />

Wilhelm Fuchs gelangte sie vermutlich schon in den 1920er Jahren, jedenfalls<br />

aber noch vor 1940, in den Besitz von Otto Dix.<br />

Slg. Arthur Speyer Otto Dix<br />

Uli figures are the central objects in the commemoration and honour of a deceased<br />

chief or clan founder. Following the death of such a high ranking man, a series of largescale<br />

feasts were held over a period of one full year.<br />

The ceremonies culminated in a final gathering for which the large uli figures<br />

had been carved to represent the deceased. People from neighbouring villages assembled<br />

to participate in dances and pig feasts. Uli sculptures were highly esteemed, powerful<br />

objects that were kept in the villages for generations. They were used for a long<br />

time, were repainted and displayed in huts constructed especially for this purpose. The<br />

uli was kept in the men’s house after the ceremonies where it was believed to continue<br />

to aid the successor and his people.<br />

To carve the uli from a special specimen of wood is symbolic. A special tree, the<br />

Alstonia, was planted above the grave of the deceased. After the roots of the Alstonia<br />

had embraced the grave, the skull of the deceased was removed and kept in shrines.<br />

The wood from which the sculpture was carved was then thought to incorporate the<br />

spirit of the ancestor.<br />

Thus the relation between a cult of skulls and the uli figures might be quite<br />

close. As one of the first European authors on this subject, Augustin Krämer published<br />

a photo showing a wooden sculpture supporting an over-modelled skull so that we<br />

could suggest uli sculptures began from this tradition. This could explain the consistently<br />

large dimensions of the head in this type of sculpture as a demonstration of the<br />

head as place of intellectual and spiritual powers.<br />

Each uli shows the standing figure with stout and strong body, the bearded<br />

head of massive proportions with high domed coiffure. The face is dominated by the<br />

large staring eyes and open mouth in an aggressive attitude. The black mask encircling<br />

the face from the eyes to the tip of the pointed chin is a pattern worn by warriors<br />

and hunters. Although uli represent male chiefs, they are hermaphroditic as indicated<br />

by the female breasts. Some authors claim that the breasts signify fertility and the<br />

chief’s motherly care for the prosperity of the village.<br />

Twelve different types of uli carvings are known. The most complex show the<br />

central figure being carried by a smaller figure from underneath it or with smaller

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