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Dolmeç - Afrikanet.info

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BILDER: un - DuRBAn REVIEw cOnfEREncE<br />

08<br />

kommentar<br />

»Die Weltkonferenz<br />

gegen Rassismus, die<br />

2001 in Durban, Südafrika,<br />

stattfand, brachte als<br />

Abschlußdokument die<br />

„Durban Declaration and<br />

Programme of Action“ hervor.<br />

Diese Erklärung wurde<br />

von 189 Ländern (von 192)<br />

einvernehmlich befürwortet.<br />

Die Ausnahmen: USA,<br />

Kanada und Israel. Acht<br />

Jahre später wurde nun eine<br />

Nachfolgekonferenz organisiert,<br />

die erzielte Fortschritte<br />

in der Umsetzung<br />

der Beschlüsse bewerten<br />

sollte. Diese „Durban Review<br />

Conference“ hat nun<br />

wiederum ein Ergebnisdokument<br />

hervorgebracht,<br />

welches diesmal von 182<br />

Ländern konsensuel angenommen<br />

worden ist. 10<br />

Länder (USA, Israel, Tschechien,<br />

Deutschland, Niederlande,<br />

Australien, Neuseeland)<br />

enthielten sich. Dabei<br />

hat die Mehrheit dieser<br />

boykottierenden Länder an<br />

der Erarbeitung aktiv teilgenommen<br />

und auch den<br />

Entwurf befürwortet, bevor<br />

sie die Konferenz verliessen.<br />

Und obwohl die USA nicht<br />

an der Review­Konferenz<br />

teilgenommen haben, so<br />

haben sie sich doch verpflichtet<br />

„sich an allen aufrichtigen<br />

Bemühungen zu<br />

beteiligen, die sich mit dem<br />

Thema Rassismus beschäftigen“.<br />

Also, was soll dieser<br />

Symbolakt des Boykotts<br />

denn nun bedeuten?<br />

Einen plausiblen Hinweis<br />

zur Beantwortung dieser<br />

Frage bietet das wenig<br />

überraschende Drama, das<br />

sich nach dem Drehbuch<br />

des iranischen Präsidenten<br />

am Eröffnungstag der<br />

„Durban Review Conference“<br />

ereignete. Nämlich:<br />

Der Boykott demonstriert,<br />

daß der Westen, von wenigen<br />

Ausnahmen abgesehen,<br />

nur wenig Achtung hat vor<br />

dem Elend des Rests der<br />

Welt. Wie könnte sonst ein<br />

derart berechenbarer Mann<br />

erfolgreich ein solch unfreundliches<br />

Verhalten orchestrieren,<br />

in dem 23 europäische<br />

Staaten während<br />

seiner Rede den Saal verlassen?<br />

Unfreundlich deshalb,<br />

weil der verhandelte<br />

Gegenstand der Konferenz<br />

für alle Beteiligten viel zu<br />

wichtig ist, um davon fernzubleiben,<br />

selbst nur für<br />

eine Millisekunde, was auch<br />

immer geschehen mag. Und<br />

am wenigsten für eine Rede,<br />

deren Tonfall ohnehin zu<br />

erwarten war. Man gewinnt<br />

den Eindruck, daß die 23<br />

Staaten ­ entgegen dem<br />

äußeren Anschein­ nicht<br />

den iranischen Präsidenten<br />

sitzengelassen haben, sondern<br />

den ganzen Rest der<br />

Welt. Glücklicherweise hat<br />

Norwegen angemessenes<br />

Format bewiesen und seine<br />

Stellung behauptet, indem<br />

es das aufgeboten hat, was<br />

die UN­Hochkomissarin<br />

für Menschenrechte Navi<br />

Pillay eine „vernünftige<br />

Antwort“ auf die Rede des<br />

Präsidenten nennt. Und es<br />

ist diese Antwort, die die<br />

symbolische politische Haltung<br />

der anderen 23 europäischen<br />

Ländern eher kindisch<br />

und unverantwortlich<br />

erscheinen lässt.<br />

Denn das Problem der Armut,<br />

das im Zentrum der<br />

Misere des Rests der Welt<br />

steht, ist eng verwandt mit<br />

der rassistischen Diskriminierung.<br />

Es sind die Armen,<br />

die diskriminiert werden<br />

und wiederum am stärksten<br />

an Nahrungsknappheit<br />

und verschiedenen Formen<br />

sozialer Ausgrenzung leiden.<br />

Rassismus, ethnische<br />

Diskriminierung, Fremdenangst<br />

und anverwandte<br />

Intoleranz sind sowohl<br />

im Aufsteigen begriffen als<br />

auch, daß sie neue Formen<br />

annehmen. Zugleich werden<br />

die Ressourcen immer<br />

knapper und der weltweite<br />

wirtschaftliche Abschwung<br />

verspricht mindestens weitere<br />

100 Millionen Menschen<br />

der Armutsstatistik<br />

hinzuzufügen. Und weil zu<br />

den Opfern des Rassismus<br />

Abermillionen Menschen<br />

zählen, hat Norwegen richtig<br />

verstanden, daß 1) es<br />

kaum Raum bei der Konferenz<br />

gegeben hat für politische<br />

Posen jeglicher Art, 2)<br />

es höchst unverantwortlich<br />

wäre, die schwerwiegenden<br />

Anliegen der Konferenz<br />

von weniger wichtigen Angelegenheiten<br />

überschatten<br />

zu lassen; und 3) wir niemals<br />

eine wichtige Debatte<br />

Extremisten überlassen<br />

dürfen. Präsident Obamas<br />

Gelöbnis „sich an allen aufrichtigen<br />

Bemühungen zu<br />

beteiligen, die sich mit dem<br />

Thema Rassismus beschäftigen“<br />

mutet hingegen wie<br />

ein nachträglicher Einfall<br />

an, eher pointenlos. Und die<br />

Andeutung in diesem Gelöbnis,<br />

daß der Konsensbeschluß,<br />

wie er von 182 souveränen<br />

Staaten und allen<br />

regionalen Gruppen, inklusive<br />

der Europäischen Union,<br />

angenommen worden<br />

dolmeç nr.4 mai 2009<br />

vereinte nationen<br />

Durban Review Conference<br />

monumentales scheitern der westlichen staaten<br />

<strong>Dolmeç</strong><br />

DEUTSCHSPRACHIGE BEILAGE DER TÜRKISCHEN MONATSZEITUNG YENI HAREKET<br />

IMPRESSUM: Herausgeber: Yetkin Bülbül. Redaktion: Baruch Wolski,<br />

Sinan Ertugrul, Zeki Kücükgöl, Rabiya Yılmaz, Halim Avcı, Murat Batur.<br />

Erscheinungsort: Wien. Auflage 10.000. Grafik: Murat Batur.<br />

Offenlegung der Blattlinie: Informationen von und für die<br />

austrotürkische Community und darüber hinaus. Politisch unabhängig,<br />

kritisch, offen, islamisch orientiert. Gegen Diskriminierungen jeglicher<br />

Art. Wirbt für Respekt.<br />

NICHT REICH<br />

aber möglicherweise berühmt werden...<br />

...kannst du, wenn du bei <strong>Dolmeç</strong> mitarbeitest. Wir suchen AutorInnen<br />

und FotografInnen und andere kreative Köpfe. Wir freuen uns über<br />

eingesandte Beiträge (dolmec@yenihareket.com). Schreib über alles,<br />

was du interessant findest.<br />

Schellhammergasse 8/3, 1160 Wien. Tel & Fax: +43 (1) 990 96 23.<br />

Schwerpunkt<br />

nächste Ausgabe<br />

<strong>Dolmeç</strong> Juni 2009<br />

Fernweh &<br />

Reisefieber<br />

ist, kein „aufrichtiges Bemühen“<br />

sei, läßt Bedenken aufkommen,<br />

ob die USA auch<br />

tatsächlich gute Absichten<br />

hegen. Aber das wird wohl<br />

nicht das letzte Mal sein, in<br />

der wir der üblichen USamerikanischen<br />

Arroganz<br />

begegnen werden.<br />

Der Verdacht der bösen<br />

Absicht wird bestärkt von<br />

den Gründen (Entschuldigungen?),<br />

die die USA<br />

für den Boykott anführen.<br />

Hauptsächlich wird damit<br />

argumentiert, daß das Abschlußdokument<br />

der Review<br />

Conference nochmals<br />

das Abschlußdokument<br />

von 2001 bestätigt. Die USA<br />

wenden weiters ein, daß die<br />

Erklärung einen Verweis<br />

enthält, der zu Feindschaft<br />

aufwiegeln kann. Allerdings<br />

deutet diese Referenz nur<br />

auf ein bereits etabliertes<br />

Konzept des internationalen<br />

Rechts hin, gedeckt durch<br />

Artikel 20 des Internationalen<br />

Abkommens über<br />

bürgerliche und politische<br />

Rechte. Was uns bleibt ist<br />

die Frage auszuloten, warum<br />

die boykottierenden<br />

Staaten diese Handlungsweise<br />

wählten. Könnte es<br />

sein, daß Rassismus in ihren<br />

jeweiligen Ländern der Geschichte<br />

angehört und sie<br />

daher keinen Grund sahen<br />

weiter bei der Konferenz<br />

herumzuhängen und dabei<br />

mitzuhelfen ein Dokument<br />

zu für Länder zu verfassen,<br />

in denen Rassismus nach<br />

wie vor ein Problem ist?<br />

Möglicherweise. Was auch<br />

immer ihre Gründe sein<br />

mögen, die Konferenz verlassen<br />

zu haben, ihre Zustimmung<br />

für den Entwurf,<br />

macht ihr grandioses Versagen<br />

nicht wett. Sie haben<br />

es nicht geschafft Führungsstärke<br />

zu beweisen. Die einzige<br />

Möglichkeit moralische<br />

Autorität zurückzugewinnen<br />

und ihre Länder zu rehabilitieren,<br />

besteht darin,<br />

zur Herde zurückzukehren<br />

und die gemeinsam erarbeiteten<br />

Ergebnisdokumente<br />

zu ratifizieren.<br />

Text: Chibo Onyeij,<br />

geboren in Nigeria, Schriftsteller<br />

und Dichter in Ibo<br />

und Englisch und Vizepräsident<br />

des European Network<br />

against Racism. Von der Redaktion<br />

aus dem Englischen<br />

übersetzt und gekürzt.

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