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Dolmeç - Afrikanet.info

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BILDER: DOLMEÇ, PRIVAT<br />

<strong>Dolmeç</strong><br />

deutsche beilage der türkischen monatszeitung yeni hareket nr.04 | mai 2009<br />

Gut<br />

Fatima, das erfolgreiche Qualifizierungsprojekt für junge<br />

Frauen, organisiert von den „Jungen Musliminnen“, geht<br />

2010 in die fünfte Runde. Am 25. 5. findet die Abschlußveranstaltung<br />

der 4. Gruppe statt. http://projektfatima.at<br />

vereinte nationen<br />

Scheitern bei<br />

Anti-Rassismus?<br />

»Chibo Onyeij war<br />

im Laufe seines Lebens<br />

schon einiges: Soldat,<br />

Journalist, Seemann,<br />

Arbeiter. Er studierte in<br />

Skopje, an der Webster,<br />

der Texas A&M, lehrte an<br />

der Uni Wien. Bekannt<br />

ist Onyeij als Dichter, er<br />

schreibt in Englisch und<br />

Ibo. In seiner Funktion<br />

als Vizepräsident des Eu­<br />

ropean Network against<br />

Racism nahm er an der<br />

„Durban Review“ in Genf<br />

teil. Für <strong>Dolmeç</strong> analysiert<br />

er den Eklat rund um die<br />

Rede Ahmadinejads bei<br />

dieser UN­Konferenz gegen<br />

Rassismus. Während<br />

der Rede verließen Repräsentanten<br />

westlicher<br />

Staaten den Saal.<br />

» s.08<br />

black muslims<br />

Zu Besuch in einer<br />

afrikanischen Moschee<br />

»<br />

Die drei Geschwister<br />

Osenat (11), Amudalat<br />

(10) und Asenat (11),<br />

im Bild v.l.n.r., besuchen<br />

regelmäßig das gemeinschaftliche<br />

Freitagsgebet<br />

im „Nigerian Islamic Forum“.<br />

Der sunnitische Verein,<br />

dem längst nicht mehr<br />

nur Nigerianer angehören,<br />

sondern Menschen aus<br />

allen Teilen Westafrikas,<br />

betreibt im 20. Gemeindebezirk<br />

die einzige afrikanische<br />

Moschee des Landes.<br />

Dabei haben schätzungsweise<br />

40% aller Afrikaner<br />

in Wien muslimische Wurzeln.<br />

Doch viele beten in<br />

gemischten Moscheen oder<br />

bekennen sich nicht mehr<br />

zum Glauben. » s.07<br />

Böse<br />

Amnesty International konstatiert in der Studie „Opfer<br />

oder Verdächtige: Eine Frage der Hautfarbe“ bei Polizei<br />

und Justiz chronischen, also institutionellen, Rassismus.<br />

Das Innenministerium mauert und streitet ab.<br />

»Am 1.Mai fand der<br />

10.Todestag von Marcus<br />

Omofuma statt (siehe Blattinneres).<br />

Aus diesem Anlaß<br />

organisierten einige NGOs<br />

eine Demo. Dem Aufruf<br />

folgten etwa 2000 Menschen,<br />

die ausgehend vom Omofuma­Stein<br />

bis zum Schubhaftgefängnis<br />

marschierten<br />

­ trotz einsetzenden Regens.<br />

Warum läufst du heute bei dieser<br />

Demo mit?<br />

Sidy: Weil es wichtig ist. Und uns hilft.<br />

Und damit all diese Gewalt einmal aufhört.<br />

Was hat sich in diesen letzten zehn<br />

Jahren verändert?<br />

Sidy: Viele schlimme Sachen sind passiert.<br />

Die Dinge verändern sich leider<br />

nur sehr langsam. Aber je mehr Präsenz<br />

wir zeigen, um so besser wird<br />

es. Es gibt minimale Verbesserungen.<br />

Auch bei der Polizei. Ich bin guter<br />

Hoffnung.<br />

Du warst ein enger Freund Seibanes.<br />

Wie siehst du den Fall heute?<br />

Sidy: Wir alle empfinden die Urteile als<br />

ungerecht. Acht Täter kamen straffrei<br />

davon. Und zwei erhielten nur milde<br />

bedingte Haftstrafen. Superschlimm ist,<br />

daß sich das offizielle Österreich niemals<br />

bei der Familie entschuldigt hat.<br />

Schließlich waren das Staatsbedienstete,<br />

durch die er zu Tode kam. Das muß auf<br />

jeden Fall nachgeholt werde. Sie waren<br />

im Dienst der Allgemeinheit unterwegs.<br />

Also in unser aller Namen.<br />

In den Redebeiträgen wurde<br />

auf alle hingewiesen, die im<br />

Laufe der letzten 10 Jahre im<br />

Zuge von Amtshandlungen<br />

Opfer rassistischer Gewalt<br />

wurden. <strong>Dolmeç</strong> sprach am<br />

Rande der Demo mit drei<br />

Teilnehmern: Sidy Mamadou<br />

Wane aus dem Senegal<br />

ist Performancekünstler<br />

und war ein enger Freund<br />

Der muslimische Hip-<br />

Hop-Musiker Topoke<br />

im <strong>Dolmeç</strong>-Interview<br />

»s.05<br />

Jenseits<br />

Nach langem zähem Ringen einigten sich Lehrergewerkschaft<br />

und Bildungsministerin: Schulautonome freie Tage<br />

sind gestrichen, stattdessen gibt es Nachhilfeunterricht.<br />

Nutzen für Budget und Bildungswesen: gegen Null.<br />

marcus omofuma<br />

Auch wir sind<br />

hier zuhause!<br />

Seibane Wagues. Seibane<br />

ist 2003 im Zuge einer<br />

Amtshandlung erdrückt<br />

worden. Mehrere Polizisten<br />

und Sanitäter knieten oder<br />

standen auf ihm. Charles<br />

Ofoedu aus Nigeria ist<br />

Schriftsteller und Kandidat<br />

der AK­Liste „Bunte<br />

Demokratie“. Im Zuge der<br />

„Operation Spring“ wurde<br />

Was hat sich in diesen letzten zehn<br />

Jahren verändert?<br />

Charles: Es hat sich nicht so viel geändert.<br />

Menschen sterben immer wieder.<br />

Aber der Fall Omofuma hat den Leuten<br />

die Augen geöffnet.<br />

Was muß sich bei der Polizei verändern,<br />

damit es nicht auch weiterhin zu<br />

solchen Fällen kommt?<br />

Charles: Die Polizisten sind menschenrechtlich<br />

nicht ausreichend geschult.<br />

Und sie brauchen mehr Kontakt zu<br />

Menschen aus anderen Kulturen. Die<br />

Polizei sollte auch verstärkt Migranten<br />

aufnehmen. Aber wenn die Gesellschaft<br />

uns besser akzeptiert, wird sich<br />

das auch bei der Polizei sofort verbessern.<br />

Auch wir sind hier zuhause. Wir<br />

wollen zusammen leben. Außerdem<br />

sollten die Polizisten auch in anderen<br />

Ländern ausgebildet werden, damit sie<br />

die Menschen kennenlernen.<br />

Also österreichische Polizisten in Afrika?<br />

Charles: Ja, warum nicht? Ich würde<br />

mich freuen auch mal Weiße Polizisten<br />

in Afrika zu sehen. [lacht]<br />

der unbequeme Aktivist als<br />

„Drogenboß“ verhaftet. Die<br />

Beschuldigungen erwiesen<br />

sich als haltlos. Ulrike<br />

Lunacek ist Nationalratsabgeordnete<br />

und außenpolitische<br />

Sprecherin der Grünen.<br />

Derzeit fungiert sie als<br />

Grüne Spitzenkandidatin<br />

für die Wahl zum Europaparlament<br />

(7.6.09).<br />

Warum bist du auf der Demo?<br />

Ulrike: Die Menschen, die in die EU<br />

flüchten, erwarten, daß mit ihnen<br />

würdig umgegangen wird. Wir sind<br />

oft mitverantwortlich, daß Menschen<br />

fliehen müssen. Das heißt, das Gedenken<br />

beinhaltet auch den Appell eine<br />

gerechte und ökologische Wirtschaftspolitik<br />

zu betreiben, die nicht nur den<br />

freien Handel als oberstes Ziel hat, sondern<br />

etwas tut, damit die Menschen in<br />

ihren Ländern leben können.<br />

Was hat sich getan in diesen zehn Jahren?<br />

Ulrike: Nicht viel. Wir hatten einen<br />

Unterausschuß im Nationalrat, in dem<br />

es um die neue Asylrechtslinie der EU<br />

ging. Da ist vieles drin, was wir Grünen<br />

gefordert hatten. Z.B. Grundversorgung<br />

für Flüchtlinge, zumindest keine<br />

Schubhaft für unbegleitete Minderjährige.<br />

Und die Innenministerin hat gesagt,<br />

nein, weil dann kommen ja alle zu<br />

uns. Die EU­Asylpolitik ist eine, in der<br />

täglich Menschen im Mittelmeer ertrinken.<br />

Und da geht es um Asylrecht!<br />

Ich meine, für Migration braucht man<br />

kluge Konzepte. Aber Asylrecht ist ein<br />

Menschenrecht.


BILDER: DOLMEÇ, PRIVAT<br />

02<br />

marcus omofuma<br />

leitartikel<br />

BLACK POWERless?<br />

»Und wenn ich heute<br />

einen Blick auf 1999<br />

werfe, dann erinnere ich<br />

mich an die Formierung<br />

von organisiertem Widerstand<br />

seitens der Schwarzen<br />

Community angesichts<br />

rassistischer Polizeiübergriffe<br />

und den Tod von Ahmed<br />

F. (r.i.p.) in Wien.<br />

Ich erinnere mich an eine<br />

Zeit des politischen Aufbruchs,<br />

an eine Zeit der<br />

Emanzipation von unterwürfiger<br />

Dankbarkeit (d.h.<br />

Danke das wir hier in Europa<br />

bzw. in Österreich<br />

sein dürfen), an eine Zeit<br />

der eigenen Mobilisierung<br />

und Selbstorganisation. Ich<br />

erinnere mich an eine Zeit<br />

der Bewusstseinswerdung,<br />

dass wir es mit allem anderem<br />

als mit „unglücklichen<br />

Einzelfällen“ sondern<br />

mit institutionalisiertem<br />

Rassismus zu tun haben.<br />

Ich erinnere mich an eine<br />

Zeit der Bewusstseinswerdung,<br />

dass Bob Marleys:<br />

Get Up Stand Up. Stand<br />

Up For Your Rights in unserem<br />

hier und jetzt ganz<br />

real lebensnotwendig ist,<br />

weil die Rechte von Unterdrückten<br />

niemals, nirgends<br />

auf dieser Welt jemals als<br />

Geschenke vom Himmel<br />

gefallen sind.<br />

Im März des Jahres 1999<br />

organisierte das ungefähr<br />

17 Organisationen umfassende<br />

Netzwerk der Afrikanischen<br />

Communities<br />

in Allianz mit linken migrantischen<br />

Organisationen<br />

eine Demonstration unter<br />

dem Titel: Stoppt den rassistischen<br />

Polizeiterror!<br />

Wir, oder um nur für mich<br />

zu sprechen, ich war mir<br />

damals keiner Radikalität<br />

bewusst. Als der Tod Marcus<br />

Omofumas, aufgrund<br />

der Tatsache, dass er auf<br />

bulgarischem Hoheitsgebiet<br />

bei seiner Abschiebung<br />

qualvoll unter Gewahrsam<br />

dreier österreichischer Polizisten<br />

starb, bekannt wurde,<br />

befand sich die Schwarze<br />

Community in Wien im<br />

schon politisierten Prozess<br />

der Mobilisierung.<br />

Im Bewusstsein um die politische<br />

Verantwortung des<br />

Innenministeriums organisierte<br />

das Netzwerk der afrikanischen<br />

Communities<br />

ab 5. Mai eine Mahnwache<br />

vor dem Innenministerium<br />

am 8. Mai folgte eine von<br />

vielen Organisationen getragene<br />

Demonstration.<br />

Unsere Mahnwachen fanden<br />

mit 27. Mai 1999 ein<br />

jähes Ende. In den frühen<br />

Morgenstunden zerschlug<br />

die damals größte Polizeiaktion<br />

der 2. Republik Österreich<br />

bei der es erstmal<br />

zum Einsatz des großen<br />

Lauschangriffs kam, nach<br />

eigenen Angaben einen<br />

international operierenden<br />

nigerianischen Drogenring.<br />

Charles Ofoedu, Dichter<br />

und aktiver Teil der gerade<br />

wachsenden Protestbewegung<br />

der Schwarzen Community,<br />

wurde in dieser<br />

Nacht verhaftet und in ausnahmslos<br />

allen gängigen<br />

Printmedien und im ORF<br />

als Boss dieser vermeintlich<br />

ausgehobenen kriminellen<br />

Organisation präsentiert.<br />

Unser Widerstand<br />

gegen rassistische Polizeigewalt<br />

wurde öffentlich<br />

erfolgreich als wichtiger<br />

Bestandteil der kriminellen<br />

Organisation konstruiert<br />

und kriminalisiert.<br />

Warum ich mich hier<br />

schriftlich daran erinnern<br />

möchte, ist, weil ich das<br />

Gefühl habe, dass diese Geschichte<br />

des widerständigen<br />

Aufbruchs der Schwarzen<br />

Community es nicht<br />

oder viel zu wenig in die<br />

Gegenwart von 2009 ge-<br />

schafft hat. Und sich damit<br />

auf ganz leise Weise unsere<br />

Mundtodheit und Unsichtbarkeit<br />

als politische<br />

Subjekte mit politischen<br />

Forderungen in der Gegenwart<br />

zementiert.<br />

Den Medien war damals<br />

zu entnehmen, dass der<br />

Todeskampf von Marcus<br />

Omofuma von den Exekutivbeamten<br />

als bedrohliche,<br />

beißend animalisierte Aggressivität<br />

gesehen wurde,<br />

gegen die sich die Polizisten<br />

verteidigen mussten. Die<br />

Vorstellung von Schwarzen<br />

Menschen als einfach<br />

von Natur aus aggressiv<br />

wurde von der damaligen<br />

Justizsprecherin der FPÖ<br />

und ehemaligen Richterin<br />

(!) Patrik-Pable 1999 in<br />

einer Sondersitzung des<br />

Parlaments verkündet. Als<br />

tödliche, rassistische Praxis<br />

spiegelt sie (die Vorstellung)<br />

sich längst in den<br />

Realitäten, den Umständen,<br />

medialen, politischen<br />

(nicht)Reaktionen und<br />

Gerichtsurteilen des Todes<br />

von Seibane Wague und<br />

mit ihm in den Realitäten<br />

der unbenannten Toten<br />

und Opfern von Polizeigewalt<br />

wieder.<br />

Marcus Omofuma wurde<br />

diesem Muster folgend im<br />

wahrsten Sinne des Wortes<br />

mund-tod gemacht, wurde<br />

qualvoll erstickt. Über<br />

den Protest der Schwarzen<br />

Community ließ sich nach<br />

der Operation Spring u.a.<br />

folgendes entnehmen, wie<br />

bei der Pressekonferenz<br />

vom damaligen Sicherheitsdirektor<br />

Sika verlautbart<br />

wurde:<br />

Die Lauschangriffe dokumentieren,<br />

dass die Drogenbosse<br />

ihre Laufburschen<br />

angewiesen hätten, sich bei<br />

Polizeikontrollen auf ‚rassistische<br />

Behandlung’ zu<br />

berufen. ‚Wir wissen, dass<br />

sie aufgefordert waren bei<br />

den Demonstrationen und<br />

Mahnwachen für Omofuma<br />

teilzunehmen.’<br />

Angesichts der damaligen<br />

Erstickung unseres Protestes<br />

durch eine wirksame,<br />

systematische, direkte, medial<br />

aufbereitete Kriminalisierung<br />

verdeutlicht sich<br />

die widerständige Bedeutung,<br />

sich dieser an den<br />

Rand der Vergessenheit<br />

gedrängten Geschichte in<br />

der Gegenwart zu erinnern<br />

und mit ihr in Verbindung<br />

zu bleiben.<br />

Im April 2009 veröffentliche<br />

Amnesty International<br />

einen Bericht der ganz klar<br />

darlegt, dass institutionalisierter<br />

Rassismus sowohl<br />

in der österreichischen<br />

Exekutive als auch im<br />

Justizsystem eine Realität<br />

darstellt. Damit ist 10 Jahre<br />

später eine der Kernforderungen<br />

der Schwarzen<br />

Community an die Öffentlichkeit<br />

gelangt, was einen<br />

Durchbruch darstellt.<br />

Der Bericht macht gleichzeitig<br />

auch ein Stück Gesamtheit<br />

rassistischer<br />

Diskriminierungen in Österreich<br />

sichtbar. Gerade<br />

hier wird aus meiner Sicht<br />

die Wichtigkeit von noch<br />

stark ausbaufähigen widerständigen<br />

Allianzen der<br />

Schwarzen Community zu<br />

anderen MigrantInnencommunities<br />

und rassistisch<br />

diskriminierten Minderheiten<br />

in Österreich<br />

deutlich.<br />

Ich frage mich heute selbstkritisch<br />

ob 2009 eine Demonstration<br />

mit dem Titel:<br />

Stoppt den rassistischen<br />

Polizeiterror überhaupt<br />

zustande kommen könnte.<br />

Ob sie auf wienerisch gesagt,<br />

ein Leiberl hätte?<br />

Wie ich schon gesagt habe<br />

waren wir uns, oder um bei<br />

mir selbst zu bleiben ich,<br />

war ich mir damals keinster<br />

Radikalität bewusst. Heute<br />

sehe ich den Titel des Demoaufrufs<br />

nicht als unradikal.<br />

Gleichzeitig denke ich<br />

dolmeç nr.4 mai 2009<br />

Ich sehe den 1. Mai 1999 und den 15. Juli 2003, die Todesdaten von Marcus Omofuma (r.i.p.) und Seibane Wague (r.i.p.), als Daten, die in unser hier in<br />

Österreich sein, in unsere zum Teil noch verschüttete Geschichte, in unsere Gegenwart und Zukunft eingeschrieben sind. Gleichzeitig gibt, gab und wird<br />

es überall dort wo es Unterdrückung gibt auch Widerstand geben. Text: Araba Evelyn Johnston-Arthur<br />

Seit dem Tod von Marcus<br />

Omofuma gab es in der<br />

Schwarzen Community und<br />

darüber hinaus den Wunsch,<br />

in Wien einen Gedenkstein<br />

zu schaffen. Die Künstlerin<br />

Ulrike Truger kam diesem<br />

Wunsch nach und reichte<br />

Skizzen eines solchen Denkmals<br />

bei öffentlichen Stellen<br />

ein. Eine Finanzierung wurde<br />

allerdings abgelehnt. „Ja, machen<br />

S´des, aber Geld gibt´s<br />

kein´s.“ Also schaffte sie in Ei-<br />

geninitiative einen Gedenkstein,<br />

der auf den Wunsch<br />

vieler Afrikaner Rücksicht<br />

nahm, ohne Abbildung<br />

auszukommen. Und seit<br />

2003 steht nun dieser Stein<br />

vor dem Museumsquartier,<br />

nachdem die Bezirksvorstehung<br />

des 7. Bezirks dem<br />

zuvor illegal errichteten Gedenkstein<br />

„Asyl“ gewährte.<br />

Das Prozedere mag außergewöhnlich<br />

sein, paßt aber<br />

hervorragend zum Thema.<br />

mir in den Worten der afrikanisch-amerikanischen<br />

Theaterschriftstellerin Lorraine<br />

Hansberry:<br />

„Unsere gegenwärtige Lage<br />

hinzunehmen ist die einzige<br />

Form des Extremismus,<br />

die uns vor unseren<br />

Kindern unglaubwürdig<br />

macht.“<br />

Der Widerstände gehen<br />

weiter und haben viele<br />

Stimmen und Gesichter.<br />

...Dont give up the Fight...<br />

ARABA EVELYN<br />

JOHNSTON-ARTHUR<br />

ist Aktivistin, Theorie-, Kultur-<br />

und Communityarbeiterin.<br />

Sie forscht u.a. zur Geschichte<br />

der Gegenwart der<br />

afrikanischen Diaspora mit<br />

Schwerpunkt Österreich, institutionalisierten<br />

Rassismus<br />

und Dekolonisation. Lehrt<br />

an der Universität Wien.<br />

Stein des Anstoßes<br />

Seitdem wird der Stein regelmäßig<br />

beschmiert. Offensichtlich<br />

ist er einigen Menschen in<br />

Wien ein Dorn im Auge. Der<br />

„Arbeitskreis Marcus Omofuma<br />

Stein“ kümmert sich darum<br />

den Gedenkstein immer<br />

wieder zu säubern und veröffentlichte<br />

nun die Broschüre<br />

„Ohne Aufenthaltstitel“, die<br />

weitaus mehr ist als nur eine<br />

Dokumentation der Ereignisse.<br />

Zu bestellen unter: ohneaufenthaltstitel@gmail.com


BILDER: DOLMEÇ<br />

dolmeç nr.4 mai 2009 islamophobie | wirtschaft<br />

gewalt gegen muslime<br />

Islamophobie<br />

droht zu eskalieren<br />

wirtschaftskolumne<br />

Die grosse Wirtschaftskrise:<br />

Finanzkrise, Bankenkrise, Konjunkturkrise – mit der Wirtschaft geht´s bergab.<br />

So hört man es in der ZIB, so steht`s in der Zeitung. Aber weshalb ist das so, was steckt<br />

dahinter? Eine Serie von Martin Seelos<br />

» Wir sind in unserer Serie<br />

über die Wirtschaftskrise<br />

zu dem vorläufigen Ergebnis<br />

gekommen, daß die<br />

Banken aus Angst, in den<br />

Geruch der Illiquidität (d.i.<br />

Zahlungsunfähigkeit) zu<br />

kommen …<br />

• sich untereinander kaum<br />

noch mit Taggeldern aushelfen<br />

und<br />

• dadurch Privat- und Geschäftskredite<br />

knapp gehalten<br />

und teurer werden.<br />

So weit, so schlecht. Denn<br />

wiewohl wir Privatpersonen<br />

so oder so nur dann einen<br />

Kredite aufnehmen wenn´s<br />

nicht anders geht, etwa um<br />

eine Wohnung zu bekommen<br />

… ist das in der Wirtschaft<br />

ganz anders. Dadurch,<br />

daß Produktion einerseits<br />

»Am 1. Mai demonstrierten<br />

rund zweischenReligionspädagogischen<br />

Akademie wird vor<br />

hundertNeofaschis- ihrer Fachhochschule tätten<br />

vom Praterstern zum lich angegriffen. Ihr wird<br />

Schwedenplatz, unbe- der Hijab vom Kopf gerismerkt<br />

und unbehelligt sen und sie wird mit Cola<br />

von der Polizei. Die FPÖ überschüttet. Eine Schüle-<br />

plakatiert „Abendland in rin der Islamischen Fach-<br />

Christenhand – Tag der schule wird auf offener<br />

Abrechnung“. Am 14. Mai Strasse geprügelt, eine an-<br />

marschiert die Initiative dere Muslima unvermittelt<br />

„Mosche Ade“ zum Rat- auf einem Bahnsteig angehaus.<br />

Die Tür zum Islamispuckt… Es häufen sich die<br />

schen Gebetsraum im All- islamfeindlichen Angriffe<br />

gemeinen Krankenhaus in Wien. Opfer der Über-<br />

wird mit Hakenkreuzen griffe sind insbesondere<br />

beschmiert (siehe Bild). Frauen mit Kopftuch, da sie<br />

Eine Studentin der Islami- als Muslime sichtbar sind. und Verkaufserlös ander­<br />

YeniHareket_NEU_250brx183h 06.04.2009 22:29 Uhr Seite 1<br />

. .<br />

HANGI ÜLKENIN VATANDAS¸I<br />

OLURSA OLSUN, HER AK<br />

. .<br />

ÜYESININ OY HAKKI VARDIR.<br />

S¸IMDI GERADE TAM JETZT: ZAMANI:<br />

seits zeitlich so weit auseinander<br />

liegen, sind Kredite<br />

für die Wirtschaft Gang und<br />

gebe. Die große, moderne<br />

Industrie ist ohne Banken<br />

gar nicht mehr vorstellbar.<br />

Werden Kredite aber rar und<br />

teuer, führt dies zwangsläufig<br />

zu einem Rückgang der<br />

gesamten Produktion und<br />

Geschäftstätigkeit.<br />

Deswegen war es das erste<br />

Ziel aller Regierungen seit<br />

Ausbruch der Krise im September<br />

2008, dem Kreditmarkt<br />

wieder Leben einzuhauchen.<br />

In den USA und in<br />

ganz Europa wurden Bankenhilfspakete<br />

beschossen.<br />

In Österreich etwa wurden<br />

dafür noch von der Regierung<br />

Gusenbauer 130 Mrd.<br />

Euro reserviert. Der größte<br />

Brocken davon: Kreditga­<br />

rantien in der Höhe von 80<br />

Mrd. Euro. Mit diesem Posten<br />

sollen etwaige Kreditausfälle<br />

staatlicherseits abgesichert<br />

werden. Diese 80 Mrd.<br />

Euro wurden noch nicht<br />

„schlagend“, wie das so schön<br />

heißt – das heißt, es gibt bislang<br />

keine Kreditausfälle, die<br />

mit Staatsgeldern abgedeckt<br />

werden mußten. Sollen sie<br />

ja auch gar nicht, es ging<br />

bei diesem Posten ja nur<br />

darum, das Vertrauen der<br />

Banken wiederherzustellen,<br />

damit sie wieder fleißig Kredite<br />

vergeben. Tun sie aber<br />

nicht. Und genau hier fängt<br />

das eigentliche Problem an.<br />

Vertrauen läßt sich nun mal<br />

nicht dekretieren.<br />

Statt dessen erklärten sich die<br />

großen Banken nach einigem<br />

Zögern entgegenkommen­<br />

03<br />

4. Teil: Die Kreditklemme läßt die Banken kalt<br />

derweise bereit, Staatsgelder<br />

anzunehmen. Und zwar die<br />

BA bis zu 2,7 Mrd. Euro, die<br />

Erste Bank: 1,9 bis 2,7 Mrd.<br />

Euro, die RZB 1,75 Mrd.<br />

Euro, die Volksbanken bis zu<br />

1 Mrd. Euro, die Hypo Alpe<br />

Adria 900 Mio. Euro und so<br />

weiter und so fort.<br />

Was lernen wir daraus? Eigentlich<br />

nicht viel, aber für<br />

ein kleines Dankeschön<br />

müßte schon Zeit und Platz<br />

sein: Wir danken Euch, ihr<br />

großen Banken, daß ihr unsere<br />

Steuergelder uneigennützig<br />

doch noch angenommen<br />

habt und uns wegen Eurer<br />

nach wie vor hohen Zinsen<br />

davor bewahrt, etwas von<br />

diesem Geld wiederzusehen.<br />

Na dann Tschüs, das nächste<br />

Mal geht’s weiter mit der<br />

Zinskrise!<br />

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BILDER: DOLMEÇ, PRIVAT<br />

04<br />

dai-kolumne | islamophobie<br />

dokumentationsarchiv<br />

islamophobie<br />

Gedanken zum<br />

aktuellen Gedenken.<br />

» Neben dem ungewöhnlichsommerlichen<br />

und deshalb äußerst<br />

stimmungsaufhellenden<br />

Aprilwetter gab es die<br />

Tage auch einen traurigen<br />

Anlass auf die Strasse<br />

zu gehen. Eine Gedenk­<br />

Kundgebung. Der Tod<br />

des Asylwerbers Marcus<br />

Omofuma jährte sich am<br />

1.Mai 2009 zum zehnten<br />

Mal. Eine Dekade ist es<br />

nun also her, dass vier Personen<br />

ein Flugzeug bestiegen<br />

und nur drei auf ihren<br />

eigenen Beinen wieder heraus<br />

kamen.<br />

Ein Jahrzehnt ist es her,<br />

dass die Öffentlichkeit<br />

auf diese drei Männer<br />

aufmerksam wurde, auf<br />

Exekutivbeamte, auf ausführende<br />

Organe unseres<br />

Staates, die es für notwendig<br />

hielten, einen ihnen<br />

anvertrauten ­ vor Verzweiflung<br />

tobenden Menschen,<br />

den Lebensatem zu<br />

nehmen. Marcus Omofuma<br />

wurde verschnürt.<br />

Wie ein Paket. Nase und<br />

Mund: verklebt. Mundtot.<br />

Die Beamten wurden erst<br />

drei Jahre später vor ein<br />

Gericht gestellt. Zwei von<br />

ihnen sind heute weiterhin<br />

im Dienst. Der Staat<br />

unternahm also: nichts.<br />

Er gab den Beamten (indirekt)<br />

Recht und schützte<br />

sie. Aber das heißt nicht,<br />

dass sie sich richtig verhalten<br />

haben. Fragen drängen<br />

sich auf: Wie viel Abneigung<br />

musste in diesen<br />

Männern sein und wer,<br />

oder was hat sie dorthin<br />

gepflanzt? Und brüsten sie<br />

sich (heimlich?) stolz oder<br />

leben sie einen Alptraum?<br />

Ein Mensch wurde gewaltsam<br />

zu Tode gebracht.<br />

Eine Tochter hat einen Vater<br />

verloren.<br />

Leider starben und verschwanden,<br />

in der Obhut<br />

von Staatsbediensteten,<br />

auch nach Herrn Omofuma,<br />

Menschen mit<br />

schwarzer Hautfarbe. Er<br />

war und blieb kein Einzelfall.<br />

Viele Geschehnisse<br />

kommen nicht an die Öffentlichkeit.<br />

Amnesty International<br />

stuft die österreichische<br />

Exekutive 2009,<br />

zum wiederholten Mal, als<br />

rassistisch ein.<br />

Der Tod von Marcus<br />

Omofuma hat allerdings<br />

Veränderungen gebracht.<br />

Ein Menschenrechtsbeirat<br />

im Innenministerium<br />

wurde gegründet, sowie<br />

die Abschiebepraxis abgeändert.<br />

Unter den Schulungen<br />

der Exekutive findet sich<br />

ein spezielles Angebot für<br />

Interessierte. So werden<br />

jährlich Gruppen zusammengestellt<br />

die zur Hälfte<br />

aus PolizistInnen und zur<br />

Hälfte aus Minderheiten<br />

der österreichischen Gesellschaft<br />

bestehen. Sie<br />

werden zu Zweierteams<br />

zusammengestellt und<br />

haben so die Möglichkeit<br />

sich in entspannter Atmosphäre<br />

zu „beschnuppern“.<br />

Vielleicht überraschend<br />

für beide Seiten und das<br />

Ergebnis ist durchwegs<br />

positiv. Eine Feststellung<br />

schwebt im Raum: „Des<br />

is a Mensch wie i a aner<br />

bin.“<br />

Text: Verena E. Kozmann<br />

griechenland<br />

» Thessaloniki war einst<br />

eine multikulturelle<br />

Stadt, mit einer großen jüdischen<br />

Gemeinde. Davon<br />

ist heute nicht mehr viel zu<br />

spüren. Eine alte osmanische,<br />

aber natürlich nicht<br />

mehr intakte, Moschee<br />

ausgenommen. Eine offizielle<br />

Moschee gibt es nicht,<br />

auch nicht in Athen. Zudem<br />

meinte eine Professorin bei<br />

ihrer Präsentation, seien<br />

82% der Griechen, laut einer<br />

Umfrage, gegenüber Ausländern<br />

negativ eingestellt.<br />

Sehr überrascht waren wir<br />

über die Info, daß man<br />

mit einem muslimischen<br />

Namen nicht griechischer<br />

Staatsbürger werden könne,<br />

da die Beamten da nicht<br />

„mitspielen“ würden. Bestätigt<br />

wurde dies von einem<br />

aus Ägypten stammenden<br />

griechischen Staatsbürger,<br />

den wir interviewten. Er<br />

hat seinen muslimischen<br />

Namen aufgegeben.<br />

Die Kolleginnen, die Kopftuch<br />

trugen, wurden stän­<br />

» Wer in der Stadt unterwegs<br />

ist, begegnet<br />

einem Plakat der SPÖ, auf<br />

dem wir – very british –<br />

zu gutem Benehmen aufgefordert<br />

werden (siehe<br />

Bild). Charmant, bloß: Was<br />

will man uns damit sagen?<br />

Auf dem Plakat steht eine<br />

Nummer: Hallo, was meint<br />

Ihr eigentlich damit? – daß<br />

alle sich an Regeln halten<br />

müssen, wenn man zusammenleben<br />

möchte – ja, aber<br />

wen meint ihr damit? - Das<br />

fängt bei den Ausländern<br />

an, Integration, natürlich<br />

sollen die Deutsch lernen,<br />

das ist ja auch für die selber<br />

am besten… hebt die junge<br />

Dame von der SP an. Schön,<br />

aber ich warte auf die Bim,<br />

es kommen nur alte Garnituren<br />

daher, in die ich mit<br />

meinem Kinderwagen nicht<br />

rein kann. Dann der Hundekot<br />

im 10., auch nicht lustig<br />

mit kleinen Kindern… - den<br />

Kot müssen die Hundehalter<br />

schon selbst beseitigen, klärt<br />

dig ungläubig angestarrt.<br />

In einem Cafe wurden sie<br />

nicht bedient und ein Obstverkäufer<br />

weigerte sich ihnen<br />

Obst zu verkaufen.<br />

Nach dem Besuch des Freitagsgebetes<br />

in einem „Kulturzentrum“,<br />

eingerichtet<br />

in einer Wohnung, machten<br />

wir uns auf den Weg<br />

ins Hotel. Dabei auch Studentinnen<br />

mit Kopftuch,<br />

was der Polizei verdächtig<br />

mich die Stimme der SPÖ<br />

Wien auf. Eins zu null. Ich<br />

gebe aber nicht auf: Stimmt<br />

– sage ich – aber wenn das<br />

niemand macht, müßte die<br />

Gemeinde das Problem lösen.<br />

Oder hat sie zu wenig<br />

Geld, weil Millionen mittels<br />

Cross-Border-Leasing<br />

verspekuliert wurden? Und<br />

was Ausländer betrifft, ich<br />

habe bisher kein Plakat der<br />

SP kennengelernt, auf dem<br />

vorkam. Drei Beamte laufen<br />

uns nach. Sie wollen<br />

wissen, wer wir seien, was<br />

wir hier machen, woher<br />

wir kommen und wann wir<br />

wieder zurückkehren. „You<br />

control us, just because we<br />

are Muslims?“. Dies sei nur<br />

eine ganz normale Personenkontrolle,<br />

versichert<br />

der Polizist. „It is really<br />

just a normal ID­control,<br />

believe me….The greatest<br />

sie aufgefordert werden,<br />

sich besser zu benehmen,...<br />

- Stimmt, bekomme ich<br />

Recht, das ist zum ersten<br />

Mal auf einem Plakat zu<br />

lesen. Wien ist tatsächlich<br />

anders! Hier sagt eine große<br />

wahlwerbende Partei nicht,<br />

was sie für Initiativen setzten<br />

wird, um das Zusammenleben<br />

zu verbessern,<br />

wenn sie 2010 genügend<br />

Stimmen bekommt. Es ist<br />

dolmeç nr.4 mai 2009<br />

Thessaloniki sehen und staunen<br />

Anfang April brachen wir, Studierende aus verschiedenen EU-Staaten auf, um an einem Erasmus-Intensivprogramm<br />

teilzunehmen. Wir sollten die Situation der muslimischen Gemeinschaften<br />

sowie die Entwicklungen in der islamischen Religionspädagogik kennenlernen. In Griechenland<br />

wurden wir von einer offen islamfeindlichen Stimmung überrascht. Text: Moussa Al-Hassan<br />

wahlen und rassismus<br />

Studierende aus Belgien, Niederlande, Deutschland, Österreich und eine Professorin aus England vor Atatürks Geburtshaus<br />

in Thessaloniki.<br />

terrorist on earth looks like<br />

me.“, was wohl ein Art Versprecher<br />

war.<br />

Während in England, Belgien<br />

und den Niederlanden<br />

aber auch in Österreich<br />

Bürger mit muslimischem<br />

Hintergrund eine gewisse<br />

gesellschaftliche oder auch<br />

staatliche Anerkennung<br />

genießen, scheint in Griechenland<br />

alles noch in den<br />

Kinderschuhen zu stecken.<br />

Anruf bei der Hausverwaltung,<br />

pardon, beim Bürgermaster!<br />

umgekehrt. Hausmeister<br />

Häupl möchte vielleicht<br />

überhaupt das Wahlvolk<br />

austauschen, bevor er selbst<br />

ausgetauscht wird, und<br />

droht mit Delogierung...<br />

Genau genommen ist das<br />

nicht richtig. Denn die SP<br />

wirbt mit diesem Plakat tatsächlich<br />

einfach nur um die<br />

Stimmen der FP­Rassisten!<br />

Text: Martin Seelos


“<br />

Seit wann machst du<br />

Musik?<br />

Hauptberuflich seit 2000.<br />

Ich versuche davon zu leben.<br />

Was in Österreich<br />

eigentlich unmöglich ist.<br />

Und das zwingt mich eben<br />

mehrere Sachen gleichzeitig<br />

zu tun. Etwa Schauspielerei.<br />

So bin ich auch zum Fernsehen<br />

gekommen. Das hält<br />

mich über Wasser, hilft mir<br />

meine Familie zu ernähren,<br />

meine Kinder in die Schule<br />

zu schicken.<br />

BILDER: DOLMEÇ, PRIVAT<br />

dolmeç nr.4 mai 2009<br />

HIP-HOP<br />

„Ihr müßt<br />

euch eure<br />

Räume selber<br />

schaffen.“<br />

Patrick Bongola ist TOPOKE, einer der wenigen politischen HipHoper<br />

des Landes. Sein Papa stammt aus dem Kongo, seine Mama ist<br />

halb Österreicherin, halb Französin. Geboren in Ottakring wuchs<br />

Topoke in Kinshasa auf. Der zweifache Vater ist seit 14 Jahren<br />

verheiratet, die Gattin kommt aus Chile. Topoke spricht (und<br />

singt) 6 Sprachen: Englisch, Französisch, Deutsch, Lingala, Suaheli,<br />

Spanisch. Seine Leidenschaft ist seine Musik. Und die ist pure<br />

Energie; trikontinental, elektronisch, raggalastig, rockig, …<br />

Seine Texte sind intelligent, berührend und aufrührerisch. Und<br />

ganz nebenbei werkt Topoke als Schauspieler bei Theaterproduktionen<br />

mit, demnächst steht er mit Roland Düringer vor der ORF-<br />

Kamera. Aber das ist eher „nur“ der Brotberuf.<br />

BARUCH WOLSKI sprach mit dem Tausendsassa.<br />

Wie würdest deine Musik<br />

charakterisieren?<br />

Ich mache HipHop. Mit<br />

HipHop läßt sich alles kombinieren:<br />

klassische Musik,<br />

afrikanische Instrumente,<br />

Hardrock, Elektronik, ...<br />

Deshalb glaube ich, daß<br />

HipHop die beste Sprache<br />

ist, um Menschen zu erreichen.<br />

Es eine revolutionäre<br />

Sprache. Der echte Hiphop<br />

stammt so aus den 60ern/<br />

70ern und zeigt soziale<br />

Mißstände auf.<br />

Was hörst du gerne für Musik?<br />

Was beeinflußt dich?<br />

Ich höre gerne gute Musik.<br />

Querdurch. Das fängt an<br />

bei unserer Musik aus dem<br />

Kongo, dem sukus ndombolo.<br />

Die ist einfach Bombe,<br />

die animiert zum Tanzen.<br />

Es gibt keine bessere Musik<br />

auf diesem Planeten. Mein<br />

Vater hat sehr viel Rock´n<br />

Roll gehört, sehr viel Soul.<br />

Damit bin ich auch aufgewachsen.<br />

Ich habe in Österreich<br />

dann Heavy Metall<br />

kennengelernt. Mein Zimmerkollege<br />

im Internat hat<br />

mir die Liebe zu dieser Musik<br />

vermittelt. Es ist so, wie<br />

Jan Delay es formuliert hat:<br />

Wer HipHop macht und nur<br />

HipHop hört, betreibt Inzest.<br />

Man muß seinen Horizont<br />

erweitern, schauen was die<br />

Welt zu bieten hat.<br />

Du sagtest vorhin, HipHop<br />

sei eine revolutionäre Sprache.<br />

Davon ist aber oftmals<br />

nur wenig zu spüren.<br />

Der ganze moderne Hiphop,<br />

was man heute so<br />

hört, wie 50Cent und so<br />

weiter, das hat auch seine<br />

Berechtigung. Aber meine<br />

Philosophie ist eine andere.<br />

HipHop muß anecken<br />

und Mißstände aufzeigen.<br />

Tres Monos ist Spanisch für<br />

„drei Affen“. Die berühmten<br />

drei Affen, die nicht sehen,<br />

nicht sprechen, nicht hören.<br />

Ich will aber genau das Gegenteil<br />

erreichen. Ich habe<br />

gemerkt, daß man in Österreich<br />

sich eher davor scheut,<br />

politische Themen anzutasten.<br />

Weil es ja nachteilig<br />

sein kann für die Karriere,<br />

für keine Ahnung was. Obwohl:<br />

der Wettbewerb 2006<br />

gegen die FPÖ war eine<br />

Ausnahme. Damals war der<br />

Wahlkampf in Wien extrem<br />

ausländer- und islamfeindlich.<br />

Strache hat einen Rap<br />

gesungen, oder was auch<br />

immer das sein sollte. Und<br />

da hat sich die HipHop-<br />

Community gedacht: na ja,<br />

ok, wir wollen zwar keine<br />

Politik machen, aber wenn<br />

so jemand sich auf unser<br />

Terrain begibt, dann haben<br />

wir auch die Möglichkeit zu<br />

antworten.<br />

Wird deine Musik im Radio<br />

gespielt?<br />

„Seibane“ wird immer gespielt,<br />

vor allem wenn wieder<br />

jemand verprügelt oder<br />

mißhandelt wurde. Aber<br />

auch Firefly, Lacucaracha,<br />

Africa_Moto laufen auf<br />

Afrika TV und go tv. Aber<br />

auch Ö3, FM4, … Wenn<br />

uns die einen nicht spielen,<br />

dann spielen uns die anderen.<br />

Üblicherweise beschweren<br />

sich österreichische Musiker,<br />

daß sie ignoriert werden?<br />

Viele fragen mich: Wie<br />

schaffst du das überhaupt,<br />

daß deine Videos auf go tv<br />

gespielt werden? Ich geh<br />

einfach hin, gebe mein Tape<br />

ab. Man muß einfach wissen,<br />

was man will und den<br />

Mut aufbringen. Als Teil<br />

einer Minderheit hat man<br />

es natürlich schwerer. Das<br />

geht jetzt an alle Jugos und<br />

an alle Türken da draußen:<br />

Ihr müßt euch eure Räume<br />

selber schaffen. Die wird<br />

uns keiner schenken. Das<br />

wird sonst eine Assimilation,<br />

in der wir uns total verlieren.<br />

Und das kann es auch<br />

nicht sein. Weil wir sind ja<br />

dadurch eine Bereicherung,<br />

weil wir anders sind. Wir<br />

bringen Frische, wir bringen<br />

andere Ideen, wir bringen<br />

eine andere Perspektive,<br />

wir bringen eine andere Art,<br />

die Dinge zu erledigen. …<br />

Aber ist das auch so einfach,<br />

sich Platz verschaffen?<br />

Ich bin froh darüber, wie<br />

mein Leben verlaufen ist.<br />

Es hat mich auch stärker<br />

gemacht. Ich weiß, daß ein<br />

Eingeborener nicht das<br />

aushalten könnte, was ich<br />

auszuhalten hatte. Aber<br />

manchmal verschwendet<br />

man so viel Energie, weil einem<br />

dies oder das angetan<br />

wurde. Ich sage nicht, daß<br />

es falsch wäre zu kämpfen.<br />

Man muß den Mut aufbringen<br />

zur richtigen Zeit, am<br />

richtigen Ort, den Mund<br />

aufmachen. Aber man darf<br />

sich auch nicht lähmen lassen<br />

und immer sagen, diese<br />

Scheißgesellschaft will mich<br />

nicht, weil ich so oder so bin.<br />

Dann muß ich halt doppelt<br />

so hart arbeiten. Wenn sie<br />

mich übersehen wollen,<br />

werde ich das nicht zulassen.<br />

Ich werde noch lauter<br />

schreien. Dann führt kein<br />

Weg an mir vorbei. So wird<br />

die Gesellschaft gezwungen<br />

sein, mich als Teil des Ganzen<br />

anzuerkennen. Und vor<br />

allem, was noch wichtiger<br />

ist, als positiver Teil des<br />

Ganzen.<br />

Also einfach hartnäckig<br />

bleiben und hart arbeiten?<br />

Und nicht ungeduldig sein.<br />

Erst nach neun Jahren Musik<br />

fange ich an zu merken,<br />

es fängt an zu laufen, ich<br />

krieg ein bißchen mehr<br />

Gage … Am Anfang, als<br />

Musiker, habe ich mir auch<br />

gedacht: Meine Musik ist<br />

gut, wieso merkt das diese<br />

beschissene Welt nicht?<br />

Aber man kann nicht fünf<br />

Songs schreiben und dann<br />

warten, daß man Glück hat<br />

und es ein Hit wird. Glück<br />

hat ja nichts mit Anerkennung<br />

oder Respekt zu tun.<br />

Und die suchen wir, nicht<br />

das Glück, oder? Wenn man<br />

eine Sache mit Überzeu-<br />

müsik<br />

05<br />

gung verfolgt, dann merken<br />

es die Leute. Und dann<br />

kommen irgendwann auch<br />

die Früchte.<br />

Ist es besonders schwierig,<br />

wenn man Schwarz ist?<br />

Im Kongo gelte ich als<br />

Weißer. In Österreich als<br />

Schwarzer. Es ist verrückt.<br />

Ist man als Weißer im Kongo<br />

benachteiligt?<br />

Im Gegenteil, Weiß sein<br />

heißt auch dort bessergestellt<br />

zu sein.<br />

Was sollte deiner Ansicht<br />

nach die Schwarze Community<br />

in Österreich tun,<br />

um ihre Lage zu verbessern?<br />

Afrika ist ein Kontinent<br />

mit über 30 Ländern, hunderten<br />

Sprachen. Afrika ist<br />

nicht nur reich an Bodenschätzen,<br />

die gierig ausgebeutet<br />

werden, Afrika ist<br />

reich an Kulturen. Afrika<br />

kann nicht als homogenes<br />

Etwas angesehen werden.<br />

Mein Bruder aus Nigeria,<br />

meine Schwester aus Kamerun<br />

- wir unterstützen uns.<br />

Aber trotzdem gibt es nicht<br />

so etwas wie eine African<br />

Community. Weil wenn jemand<br />

aus Nigeria kommt,<br />

dann sucht er zuerst einmal<br />

Anschluß an die nigerianischen<br />

Leute. Genauso<br />

würde ein Österreicher in<br />

Los Angeles wahrscheinlich<br />

zuerst einmal Österreicher<br />

suchen und keine Franzosen.<br />

Es gibt keine Community,<br />

weil wir es noch<br />

nicht geschafft haben ein<br />

panafrikanisches Denken<br />

zu entwickeln. Wir denken<br />

noch zuwenig als Söhne<br />

und Töchter des Kontinents.<br />

Als Menschen, die doch<br />

ein gleiches Schicksal teilen,<br />

wenn sie nach Europa<br />

kommen. Viele hatten den<br />

gleichen Weg, haben Wüsten,<br />

Dschungel, Meere überquert.<br />

Unsere Geschichten<br />

ähneln sich, aber wir haben<br />

es noch nicht geschafft eine<br />

Lobby für uns herzustellen.<br />

_____________<br />

Das Interview in voller Länge:<br />

www.yenihareket.com<br />

Weitere Infos zu Topoke:<br />

www.daskunst.at<br />

www.myspace.com/projecttopoke,<br />

www.myspace.com/tresmonos


06<br />

marcus omofuma<br />

Cold Case Omofuma.<br />

Eine offene Wunde<br />

BILDER: PRIVAT<br />

Der Tod von Marcus Omofuma markiert eine Zäsur in der jungen<br />

Geschichte der afro-österreichischen Gemeinde. Seitdem<br />

ist deutlich geworden, daß Schwarze Menschen in Österreich<br />

nicht gleich behandelt werden. Mehr noch, es scheint sogar,<br />

daß Schwarzes Leben in Österreich nicht ebenso viel wert<br />

ist, wie Weißes.<br />

Die schmerzhafte Wunde, die Omofumas Tod ins Bewußtsein<br />

der Community gerissen hat, hatte bisher nur wenig Gelegenheit<br />

zu verheilen. Dazu hat die Politik beigetragen, die<br />

den „institutionellen Rassismus“ (Amnesty) leugnet, Konsequenzen<br />

ablehnt und kein Wort des Bedauerns findet. Dazu<br />

hat die Polizei beigetragen, die immer wieder neue „Einzelfälle“<br />

produziert, in der Schwarze Menschen gefoltert oder<br />

gar getötet werden. Dazu hat die Justiz beigetragen, die die<br />

Täter großteils straffrei davonkommen läßt. Und dazu hat<br />

der Boulevard beigetragen, der Opfer rassistischer Gewalt<br />

nachträglich wider besseren Wissens verleumdet und Afrikaner<br />

in Wien pauschal als Drogendealer stigmatisiert.<br />

Zehn Jahre Markus Omofuma; <strong>Dolmeç</strong> hat wichtige Persönlichkeiten<br />

der „African Community“ in Wien um eine kurze<br />

Stellungnahme gebeten.<br />

» Am 1. Mai 1999 kommt bei einer Abschiebung ein<br />

unbekannter junger Mann aus Nigeria ums Leben,<br />

sein Name ist Marcus Omofuma. Sein Tod wird unter<br />

den in Wien lebenden Afrikanern fast zu einem ähnlichen<br />

Symbol der Diskriminierung und der Chancenungleichheit<br />

wie der Tod Steve Bikos in Südafrika. Von<br />

„Mord“ sprechen manche Afrikaner, von absichtlicher<br />

Tötung eines „minderwertigen“, da afrikanischen Lebens.<br />

Nach Österreich kommende Afrikaner haben große<br />

Schwierigkeiten, dem teilweisen oder gänzlichen Abgleiten<br />

in die Illegalität zu entgehen. Der formale Zugang<br />

nach Österreich ist den meisten aus vielen Gründen<br />

verschlossen und der äußerst schwierige Zugang<br />

zum Arbeitsmarkt treibt teilweise auch Menschen in<br />

die Illegalität, die über eine formale Aufenthaltsberechtigung<br />

verfügen, wie Studierende, Familiennachzug<br />

oder Asylwerber. So müssen afrikanische Studierende<br />

pro Studienjahr Eigenmittel von etwa 5100 Euro<br />

nachweisen, dürfen in Österreich aber nicht arbeiten.<br />

In ihren Heimatländern entsprechen 5100 Euro meist<br />

dem Jahresgehalt eines leitenden Angestellten.<br />

Ähnlich geht es Asylwerbern, die aus der Bundesbetreuung<br />

herausfallen oder niemals in sie hineingelangen,<br />

und Erwachsenen im Zuge des Familiennachzugs.<br />

Das Verhältnis zwischen Österreichern und Afrikanern<br />

ist kompliziert, ist doch in manchen Köpfen das Bild<br />

des Drogendealers dank Zeitungsberichten und mancher<br />

tatsächlicher krimineller Fehltritte fest verankert.<br />

Das Wissen um die Kultur der jeweils anderen ist dagegen<br />

bescheiden. Vorurteile haben Afrikaner den Österreichern<br />

gegenüber ebenso wie umgekehrt.<br />

e l a m i n e l y a s hat Politikwissenschaft, Arabistik, Afrika-<br />

nistik und Internationale Entwicklung studiert, stammt<br />

aus dem Sudan, spricht muttersprachlich Arabisch<br />

und arbeitet als Supervisor und in der Erwachsenenbildung.<br />

» Marcus Omofuma ist<br />

einer von vielen Gefallenen<br />

in der EU, die nicht im<br />

Krieg getötet wurden. Frage:<br />

Warum?<br />

1999, der offizielle Beginn<br />

der Zerschlagung der demokratischen<br />

und humanistischenGesellschaftswerte<br />

in Österreich. Eine<br />

von oben zugelassene Tötung.<br />

Eine von oben zugelasseneMenschenentwertung.<br />

Mit Folgen!<br />

Ahmed F., Richard I., Johnson<br />

O., Cheibani W., Yankuba<br />

C., Essa T., Bakery J.,<br />

Mike B...<br />

Immer noch fühle ich<br />

mich wie in einem<br />

schlechten Dokufilm aus<br />

dem Südafrika oder Aust-<br />

» Marcus Omofuma mußte Österreich vor 10 Jahren<br />

verlassen. Weil er einen negativen Asylbescheid bekam,<br />

mußte er deportiert werden. Er wehrte sich gegen seine<br />

Abschiebung und mußte dies mit seinem Leben bezahlen.<br />

Seine Nase und sein Mund wurden von begleitenden<br />

Polizisten mit Leukoplast verklebt. Mithilfe von<br />

Klebebandfesselung wurde er an seinen Flugzeugsitz<br />

bewegungsunfähig gestellt. Laut Augenzeugen war er<br />

wie ein Paket verschnürt. So arbeiteten Angestellte der<br />

Polizei, der sogenannten „größten Menschenrechtsorganisation<br />

des Landes“. Es gibt keine Konsequenzen. Die<br />

zuständigen Polizisten sind bis heute im Dienst, in anderen<br />

Abteilungen der Polizei. Was hat die Polizei inzwischen<br />

unternommen, um Rassismus in ihrem Inneren zu<br />

bekämpfen? Nichts.<br />

Felicia Omofuma, die Mutter von Marcus, muß heute mit<br />

diesem Schmerz leben. Am 25. Juni 1999 reiste sie nach<br />

Wien um „die Leiche ihres Sohnes zu identifizieren“. Ein<br />

großer PR-Gag des damaligen Außenminister Wolfgang<br />

Schüssel. Viele erzählen, daß der Fall Omofuma die politische<br />

Karriere des damaligen Innenminister Karl Schlögl,<br />

des heutigen Bürgermeisters von Purkersdorf (NÖ), zerstört<br />

hat. Und? Die Abschiebung Omofumas hat die Geschichte<br />

der Abschiebung von Afrikanern aus Österreich<br />

und der EU nur verschärft.<br />

Aktuellstes Beispiel: Am 14. November 2008 wurden 71<br />

abgelehnte Asylwerber aus elf EU-Staaten in ihre Heimat<br />

gebracht – per Charter-Maschine vom Flughafen Wien-<br />

Schwechat, direkt nach Lagos (Nigeria) bzw. weiter nach<br />

Banjul (Gambia). Die Öffentlichkeit wurde darüber nicht<br />

<strong>info</strong>rmiert. Diese Abschiebung kostete 569.535,03 €.<br />

Kosten pro Abgeschobenem: 8021 €. Das ist das Menschenrechtsgesicht<br />

der EU...<br />

s i m o n i n o u stammt aus Kamerun, ist Soziologe und mehr-<br />

fach ausgezeichneter Journalist und lebt seit 1995 in Österreich.<br />

Er arbeitet unter anderem als Redakteur für die<br />

Integrationsseite der Presse, im Rahmen des von ihm<br />

geschaffenen migrantischen Medienprojekts M-Media.<br />

ralien der fünfziger Jahre.<br />

Ich will es nicht begreifen,<br />

daß die eine grausame<br />

Tötung wie ein Kavaliersdelikt<br />

behandelten.<br />

Unbegreiflich, aber real.<br />

Oft frage ich mich, wie<br />

viele Nazis, Rassisten, Sadisten<br />

verstecken sich<br />

hinter ehrlichen Berufen<br />

wie Politiker und Polizist<br />

…?<br />

g r a c e m. l a t i g o – Mutter<br />

Slowakin und Vater aus<br />

Uganda – ist in Österreich<br />

aufgewachsen. Sie<br />

ist Künstlerin und Menschenrechtsaktivistin.Zuletzt<br />

erschien ihr Buch<br />

„Meine Worte“ im AAI-Verlag.<br />

dolmeç nr.4 mai 2009<br />

Rosen für Omofuma<br />

Wir weinen nicht um dich<br />

Wir weinen um die Sonne der Freiheit,<br />

die unterging<br />

Als zwei Vögel auf deinen Schultern<br />

geschlachtet wurden<br />

In deinen Augen wurden unsere<br />

Träume getötet<br />

Auf deinen Lippen wurden Wolken<br />

gefangen<br />

Wir weinen nicht um dich<br />

Bis unsere Qualen enden<br />

Trotzdem singen wir<br />

Unsere Trommeln verstummen nicht<br />

Wir pflanzen dich in unsere Kinder<br />

Es blüht ein Baum, bunt<br />

In seinem Schatten<br />

Singen wir für Gleichheit<br />

i s h r a g a m u s t a f a h a m i d stammt aus<br />

dem Sudan und arbeitet als Autorin,<br />

Journalistin und Lektorin am Institut<br />

für Politikwissenschaft der Uni Wien.<br />

» Kein Vergessen, kein Verzeihen – Mord verjährt nicht.<br />

Unter diesem Motto wurde die Demo am 1. Mai 09 zum<br />

10. Todestag von M.O. durchgeführt. Dieses Motto riecht<br />

zunächst nach Auge um Auge, Zahn um Zahn. Die Demo<br />

war auch Beweis dafür, dass nur Lebende um jemanden<br />

zu trauern wissen, und zwar als indirekte Interferenz zwischen<br />

dem eigenem Leben und Tod oder um eine Abrechnung<br />

mit dem eigenen Tod zu zelebrieren. Für viele<br />

war diese Demo ein Ausdruck der Erinnerung und des<br />

Zorns. Anthropologisch gesehen vermitteln uns die Toten<br />

zwecks Versöhnung symbolisch die „Kraft“, sich den Antworten<br />

bzw. dem Konsens bezüglich unserer jeweiligen<br />

Differenzen zu widmen. Daher stellt sich auch heute die<br />

Frage, wie sich die Zivilgesellschaft politisch mit den Behörden<br />

und politischen Parteien versöhnen bzw. Konsens<br />

suchen soll, wenn sie seit 10 Jahren nur leere Kilometer<br />

zurückgelegt hat und weder Konsens noch Versöhnung<br />

zwischen unterschiedlichen NGO-Projekten erzielt wurde.<br />

Auch wenn die Toten nicht wieder „lebendig“ gemacht<br />

werden können und die Demo Ausdruck einer weiteren<br />

zivilgesellschaftlichen Klage war, steht uns nun bevor, architektonisch<br />

die zivilgesellschaftliche außerparlamentarische<br />

Opposition zu implementieren, so dass künftig solche<br />

Aktionismen als Ausdruck der „Macht“ verstanden<br />

werden, und zwar als Klage, die ein diesbezüglich verbessertes<br />

Gesellschaftsprojekt als Alternative widerspiegelt.<br />

d r. d i-t u t u b u k a s a ist unter anderem Gründer der Fußball-<br />

mannschaft „FC Sans Papiers“, Obmann des European<br />

Network against Racism und Chefredakteur der „Bunten<br />

Zeitung“.


BILDER: DOLMEÇ<br />

dolmeç nr.4 mai 2009<br />

»„Nigerian Islamic Forum“<br />

heißt der Verein,<br />

der die bisher einzige<br />

afrikanische Moschee des<br />

Landes betreibt. Der Name<br />

ist mißverständlich. Denn<br />

längst sind nicht nur Nigerianer<br />

Teil der kleinen<br />

aber lebendigen Moscheengemeinde.<br />

„Wir haben<br />

drei Imame, die sich abwechseln.<br />

Alle drei kommen<br />

aus Ghana.“, erzählt<br />

Dr. Ajibade. „Die Gründer<br />

der Moschee sind Nigerianer,<br />

aber zu uns kommen<br />

Muslime aus ganz Westafrika.“<br />

Mogaji Ajibade ist<br />

Arzt am Wilhelminenspital<br />

und gehört zu eben diesen<br />

Nigerianern, die 1996 die<br />

Moscheengemeinde organisierten.<br />

Anfangs traf man<br />

sich in Privatwohnungen<br />

oder in der Zentralmoschee<br />

am Hubertusdamm. Aber<br />

der Wunsch nach einem eigenen<br />

Ort ist immer größer<br />

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YOUTALK YOUTALK<br />

geworden. Seit 2002 hat der<br />

Verein das kleine Sousterrain­Lokal<br />

angemietet. „Zu<br />

uns kommen aber auch türkische<br />

Brüder und Schwestern<br />

aus der Umgebung.<br />

Nicht nur Afrikaner“, beeilt<br />

sich Mag Mashood Abass<br />

hinzuzufügen. „Weil bei uns<br />

neben Arabisch vor allem<br />

in Englisch gepredigt wird.<br />

Für viele eine Gelegenheit<br />

ihre Sprachkenntnisse zu<br />

verbessern“. Die Sprache<br />

war auch der ausschlaggebende<br />

Grund sich eigenständig<br />

zu organisieren.<br />

Viele Afrikaner können nur<br />

begrenzt Arabisch und die<br />

vielen türkischsprachigen<br />

Moscheen in Wien sind da<br />

auch keine Hilfe gewesen.<br />

Neben der selbstverständlichen<br />

Freitagspredigt treffen<br />

sich die Gläubigen auch<br />

jeden Sonntag in ihrem<br />

Camii. Um Koranexegese<br />

zu betreiben, die Sunna<br />

YOUTALK<br />

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Ladebons erhältlich in Handy- und Callshops und in allen Niedermeyer, Post, Libro, Hartlauer Filialen.<br />

oder aktuelle Themen zu<br />

diskutieren. Und zu Ramadan<br />

ist natürlich jeden<br />

Tag voller Betrieb. Ob man<br />

mit Rassismus konfrontiert<br />

sei? „Als Taxifahrer hatte<br />

ich viele schlechte Erfahrungen<br />

gemacht, aber als<br />

Muslim darf ich nicht pauschalisieren.<br />

Natürlich ist<br />

es oft schwierig, wenn du<br />

überall hörst, tut mir leid,<br />

der Job ist schon vergeben.<br />

Wir nehmen es als Prüfung<br />

Gottes.“, meint Herr Abass.<br />

„Außerdem müssen unsere<br />

Leute ihre Sprachkenntnisse<br />

verbessern. Damit können<br />

wir Mißverständnisse<br />

vermeiden.“ Und wie sieht<br />

es aus mit Rassismus unter<br />

Muslimen? Gibt es denn?<br />

„Nur wenn die Leute keine<br />

Taqwa haben, keine Gottesfurcht.<br />

Denn prinzipiell<br />

ist es nicht möglich Mus­<br />

YOUTALK ist ein Mobilfunk-Produkt<br />

der MITACS<br />

Telekomservice GmbH.<br />

und bietet maßgeschneiderte<br />

Auslands-Tarife für<br />

verschiedene ethnische<br />

Gruppen an. Das Netz von<br />

YOUTALK ist praktisch flächendeckend<br />

in Österreich<br />

verfügbar. Die Markteinführung<br />

erfolgte im Jänner<br />

2008. Nun war es Zeit für die<br />

erste Zwischenbilanz. Mit<br />

über 18.000 Kunden kann<br />

sich Youtalk-Geschäftsführer<br />

Siby Thomas zufrieden<br />

zeigen: „Wir freuen<br />

uns, dass wir uns im ersten<br />

Jahr erfolgreich etablieren<br />

konnten. Dank umfangreicher<br />

Kooperationen konnten<br />

wir mit YOUTALK einen<br />

Meilenstein in unserer langjährigenUnternehmensgeschichte<br />

erzielen. Durch un-<br />

islam in österreich<br />

lim und Rassist zu sein.“<br />

Trotzdem gab es da diese<br />

denkwürdige Begebenheit<br />

zu Ramadan vor einigen<br />

Jahren, von der Dr. Ajibade<br />

zu berichten weiß. „Die<br />

Saudis haben einen Imam<br />

in die Zentralmoschee geschickt.<br />

Die Leute stellen<br />

sich in Reih und Glied zum<br />

Gebet auf. Der Imam geht<br />

nach vorne. Und es stellt<br />

sich heraus: Er ist Schwarz.<br />

sere Angebote hat sich der<br />

Markt für Auslandsgespräche<br />

drastisch geöffnet. Viele<br />

Mitbewerber sind durch<br />

den Erfolg von YOUTALK<br />

nachgezogen.“<br />

Bereits mehrmals wurden<br />

die Preise von YOUTALK<br />

an den Markt angepasst,<br />

zuletzt im September<br />

2008. Vor vielen Jahren<br />

kosteten Auslandstelefonate<br />

noch bis zu 4 EUR pro<br />

Minute. Über YOUTALK<br />

telefoniert man aber bereits<br />

ab 1 Cent/Minute,<br />

ohne Grundgebühr bezahlen<br />

zu müssen. Im Laufe<br />

des Jahres hatte Youtalk<br />

etliche Aktionsangebote,<br />

unter anderem die speziellen<br />

EM-Tarife im Sommer<br />

2008, die Aktion kostenlose<br />

SIM-Karte, die<br />

Ramadan-Türkei-Aktion,<br />

07<br />

black muslims<br />

Ar-Rasheed – Die erste afrikanische Moschee<br />

Die afrikanische Community ist eine der kleinsten Österreichs. Aber sie ist auch eine der am schnellsten wachsenden. Viele Afrikaner haben<br />

muslimische Wurzeln. Aber nur die wenigsten bekennen sich in Europa zu ihnen. „Viele Europäer haben Vorbehalte gegen den Islam. Deswegen<br />

geben sich viele Afrikaner als Christen aus.“, meint Dr. Ajibade, einer der Mitbegründer der ersten afrikanischen Moschee Wiens.<br />

Imam Chabib Adam aus Ghana mit jungem Moscheenbesucher Mag Mashood Abass und Dr Mogaji Ajibade (v.l.n.r.)<br />

Bereits über<br />

18.000 Kunden<br />

bei YOUTALK<br />

Man hört ein Rumoren.<br />

Einige gehen.“ Und wie ist<br />

das weitergegangen? „Es<br />

gab eine heftige Diskussion.<br />

Aber es ist nicht unser Problem,<br />

wenn jemand nicht<br />

hinter einem Schwarzen<br />

Imam beten kann.“ Im Allgemeinen<br />

sind die Beiden<br />

sehr zufrieden. „Alhamdulillah.<br />

Die Gemeinde ist am<br />

Wachsen. Wie du siehst, es<br />

ist gerammelt voll. Das Einzige<br />

was uns fehlt ist Geld.<br />

Wir zahlen alles aus eigener<br />

Tasche und viele unserer<br />

Geschwister sind arm.“<br />

Von der offiziellen Glaubensgemeinschaft<br />

würde<br />

man sich mehr Einbindung<br />

wünschen. Und hier und da<br />

auch etwas finanzielle Solidarität.<br />

__________________<br />

Ar-Rasheed-Moschee,<br />

Nigerian Islamic Forum,<br />

Hellwagstrasse 3, 1200 Wien,<br />

bei der U6 Station Dresdnerstrasse<br />

die Kurban Bayrami-Aktion,<br />

und zahlreiche Veranstaltungs-<br />

und Messe-<br />

Auftritte, zB auf der ITnT<br />

2009, bei der GAST-Messe<br />

in Wien und Futura-Messe<br />

in Salzburg. Der flächendeckende<br />

Vertrieb erfolgt<br />

durch die Partnern Up-<br />

Com, Niedermeyer, Libro<br />

sowie Paybox, Post und<br />

Hartlauer. Und darüberhinaus<br />

natürlich auch über<br />

zahlreiche Handyshops,<br />

Callshops und Internet-<br />

Cafes. YOUTALK Startpakete<br />

sind im Fachhandel,<br />

bei Niedermeyer und Libro,<br />

sowie in zahlreichen<br />

Handy- und Callshops erhältlich.<br />

Ladebons sind<br />

zum Wert von 10 Euro und<br />

20 Euro flächendeckend<br />

im Fach- und Einzelhandel<br />

erhältlich.


BILDER: un - DuRBAn REVIEw cOnfEREncE<br />

08<br />

kommentar<br />

»Die Weltkonferenz<br />

gegen Rassismus, die<br />

2001 in Durban, Südafrika,<br />

stattfand, brachte als<br />

Abschlußdokument die<br />

„Durban Declaration and<br />

Programme of Action“ hervor.<br />

Diese Erklärung wurde<br />

von 189 Ländern (von 192)<br />

einvernehmlich befürwortet.<br />

Die Ausnahmen: USA,<br />

Kanada und Israel. Acht<br />

Jahre später wurde nun eine<br />

Nachfolgekonferenz organisiert,<br />

die erzielte Fortschritte<br />

in der Umsetzung<br />

der Beschlüsse bewerten<br />

sollte. Diese „Durban Review<br />

Conference“ hat nun<br />

wiederum ein Ergebnisdokument<br />

hervorgebracht,<br />

welches diesmal von 182<br />

Ländern konsensuel angenommen<br />

worden ist. 10<br />

Länder (USA, Israel, Tschechien,<br />

Deutschland, Niederlande,<br />

Australien, Neuseeland)<br />

enthielten sich. Dabei<br />

hat die Mehrheit dieser<br />

boykottierenden Länder an<br />

der Erarbeitung aktiv teilgenommen<br />

und auch den<br />

Entwurf befürwortet, bevor<br />

sie die Konferenz verliessen.<br />

Und obwohl die USA nicht<br />

an der Review­Konferenz<br />

teilgenommen haben, so<br />

haben sie sich doch verpflichtet<br />

„sich an allen aufrichtigen<br />

Bemühungen zu<br />

beteiligen, die sich mit dem<br />

Thema Rassismus beschäftigen“.<br />

Also, was soll dieser<br />

Symbolakt des Boykotts<br />

denn nun bedeuten?<br />

Einen plausiblen Hinweis<br />

zur Beantwortung dieser<br />

Frage bietet das wenig<br />

überraschende Drama, das<br />

sich nach dem Drehbuch<br />

des iranischen Präsidenten<br />

am Eröffnungstag der<br />

„Durban Review Conference“<br />

ereignete. Nämlich:<br />

Der Boykott demonstriert,<br />

daß der Westen, von wenigen<br />

Ausnahmen abgesehen,<br />

nur wenig Achtung hat vor<br />

dem Elend des Rests der<br />

Welt. Wie könnte sonst ein<br />

derart berechenbarer Mann<br />

erfolgreich ein solch unfreundliches<br />

Verhalten orchestrieren,<br />

in dem 23 europäische<br />

Staaten während<br />

seiner Rede den Saal verlassen?<br />

Unfreundlich deshalb,<br />

weil der verhandelte<br />

Gegenstand der Konferenz<br />

für alle Beteiligten viel zu<br />

wichtig ist, um davon fernzubleiben,<br />

selbst nur für<br />

eine Millisekunde, was auch<br />

immer geschehen mag. Und<br />

am wenigsten für eine Rede,<br />

deren Tonfall ohnehin zu<br />

erwarten war. Man gewinnt<br />

den Eindruck, daß die 23<br />

Staaten ­ entgegen dem<br />

äußeren Anschein­ nicht<br />

den iranischen Präsidenten<br />

sitzengelassen haben, sondern<br />

den ganzen Rest der<br />

Welt. Glücklicherweise hat<br />

Norwegen angemessenes<br />

Format bewiesen und seine<br />

Stellung behauptet, indem<br />

es das aufgeboten hat, was<br />

die UN­Hochkomissarin<br />

für Menschenrechte Navi<br />

Pillay eine „vernünftige<br />

Antwort“ auf die Rede des<br />

Präsidenten nennt. Und es<br />

ist diese Antwort, die die<br />

symbolische politische Haltung<br />

der anderen 23 europäischen<br />

Ländern eher kindisch<br />

und unverantwortlich<br />

erscheinen lässt.<br />

Denn das Problem der Armut,<br />

das im Zentrum der<br />

Misere des Rests der Welt<br />

steht, ist eng verwandt mit<br />

der rassistischen Diskriminierung.<br />

Es sind die Armen,<br />

die diskriminiert werden<br />

und wiederum am stärksten<br />

an Nahrungsknappheit<br />

und verschiedenen Formen<br />

sozialer Ausgrenzung leiden.<br />

Rassismus, ethnische<br />

Diskriminierung, Fremdenangst<br />

und anverwandte<br />

Intoleranz sind sowohl<br />

im Aufsteigen begriffen als<br />

auch, daß sie neue Formen<br />

annehmen. Zugleich werden<br />

die Ressourcen immer<br />

knapper und der weltweite<br />

wirtschaftliche Abschwung<br />

verspricht mindestens weitere<br />

100 Millionen Menschen<br />

der Armutsstatistik<br />

hinzuzufügen. Und weil zu<br />

den Opfern des Rassismus<br />

Abermillionen Menschen<br />

zählen, hat Norwegen richtig<br />

verstanden, daß 1) es<br />

kaum Raum bei der Konferenz<br />

gegeben hat für politische<br />

Posen jeglicher Art, 2)<br />

es höchst unverantwortlich<br />

wäre, die schwerwiegenden<br />

Anliegen der Konferenz<br />

von weniger wichtigen Angelegenheiten<br />

überschatten<br />

zu lassen; und 3) wir niemals<br />

eine wichtige Debatte<br />

Extremisten überlassen<br />

dürfen. Präsident Obamas<br />

Gelöbnis „sich an allen aufrichtigen<br />

Bemühungen zu<br />

beteiligen, die sich mit dem<br />

Thema Rassismus beschäftigen“<br />

mutet hingegen wie<br />

ein nachträglicher Einfall<br />

an, eher pointenlos. Und die<br />

Andeutung in diesem Gelöbnis,<br />

daß der Konsensbeschluß,<br />

wie er von 182 souveränen<br />

Staaten und allen<br />

regionalen Gruppen, inklusive<br />

der Europäischen Union,<br />

angenommen worden<br />

dolmeç nr.4 mai 2009<br />

vereinte nationen<br />

Durban Review Conference<br />

monumentales scheitern der westlichen staaten<br />

<strong>Dolmeç</strong><br />

DEUTSCHSPRACHIGE BEILAGE DER TÜRKISCHEN MONATSZEITUNG YENI HAREKET<br />

IMPRESSUM: Herausgeber: Yetkin Bülbül. Redaktion: Baruch Wolski,<br />

Sinan Ertugrul, Zeki Kücükgöl, Rabiya Yılmaz, Halim Avcı, Murat Batur.<br />

Erscheinungsort: Wien. Auflage 10.000. Grafik: Murat Batur.<br />

Offenlegung der Blattlinie: Informationen von und für die<br />

austrotürkische Community und darüber hinaus. Politisch unabhängig,<br />

kritisch, offen, islamisch orientiert. Gegen Diskriminierungen jeglicher<br />

Art. Wirbt für Respekt.<br />

NICHT REICH<br />

aber möglicherweise berühmt werden...<br />

...kannst du, wenn du bei <strong>Dolmeç</strong> mitarbeitest. Wir suchen AutorInnen<br />

und FotografInnen und andere kreative Köpfe. Wir freuen uns über<br />

eingesandte Beiträge (dolmec@yenihareket.com). Schreib über alles,<br />

was du interessant findest.<br />

Schellhammergasse 8/3, 1160 Wien. Tel & Fax: +43 (1) 990 96 23.<br />

Schwerpunkt<br />

nächste Ausgabe<br />

<strong>Dolmeç</strong> Juni 2009<br />

Fernweh &<br />

Reisefieber<br />

ist, kein „aufrichtiges Bemühen“<br />

sei, läßt Bedenken aufkommen,<br />

ob die USA auch<br />

tatsächlich gute Absichten<br />

hegen. Aber das wird wohl<br />

nicht das letzte Mal sein, in<br />

der wir der üblichen USamerikanischen<br />

Arroganz<br />

begegnen werden.<br />

Der Verdacht der bösen<br />

Absicht wird bestärkt von<br />

den Gründen (Entschuldigungen?),<br />

die die USA<br />

für den Boykott anführen.<br />

Hauptsächlich wird damit<br />

argumentiert, daß das Abschlußdokument<br />

der Review<br />

Conference nochmals<br />

das Abschlußdokument<br />

von 2001 bestätigt. Die USA<br />

wenden weiters ein, daß die<br />

Erklärung einen Verweis<br />

enthält, der zu Feindschaft<br />

aufwiegeln kann. Allerdings<br />

deutet diese Referenz nur<br />

auf ein bereits etabliertes<br />

Konzept des internationalen<br />

Rechts hin, gedeckt durch<br />

Artikel 20 des Internationalen<br />

Abkommens über<br />

bürgerliche und politische<br />

Rechte. Was uns bleibt ist<br />

die Frage auszuloten, warum<br />

die boykottierenden<br />

Staaten diese Handlungsweise<br />

wählten. Könnte es<br />

sein, daß Rassismus in ihren<br />

jeweiligen Ländern der Geschichte<br />

angehört und sie<br />

daher keinen Grund sahen<br />

weiter bei der Konferenz<br />

herumzuhängen und dabei<br />

mitzuhelfen ein Dokument<br />

zu für Länder zu verfassen,<br />

in denen Rassismus nach<br />

wie vor ein Problem ist?<br />

Möglicherweise. Was auch<br />

immer ihre Gründe sein<br />

mögen, die Konferenz verlassen<br />

zu haben, ihre Zustimmung<br />

für den Entwurf,<br />

macht ihr grandioses Versagen<br />

nicht wett. Sie haben<br />

es nicht geschafft Führungsstärke<br />

zu beweisen. Die einzige<br />

Möglichkeit moralische<br />

Autorität zurückzugewinnen<br />

und ihre Länder zu rehabilitieren,<br />

besteht darin,<br />

zur Herde zurückzukehren<br />

und die gemeinsam erarbeiteten<br />

Ergebnisdokumente<br />

zu ratifizieren.<br />

Text: Chibo Onyeij,<br />

geboren in Nigeria, Schriftsteller<br />

und Dichter in Ibo<br />

und Englisch und Vizepräsident<br />

des European Network<br />

against Racism. Von der Redaktion<br />

aus dem Englischen<br />

übersetzt und gekürzt.

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