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Prof. Gerhard Roth

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Ich kenne keinen Psychotherapeuten, der behauptet, er würde seine Patienten<br />

heilen, sondern was er erreicht ist, dass die Patienten es ganz langsam lernen - jetzt<br />

bei tiefer gehenden psychischen Schwierigkeiten wie Angststörungen, Depressionen,<br />

Persönlichkeitsstörungen - dass sie lernen besser mit ihren Schwierigkeiten<br />

umzugehen. Weil die Strukturen, die da in frühkindlicher Zeit mal verändert<br />

wurden, sich nicht mehr verändern lassen, sondern da […] wird man sich<br />

eine Ersatzschaltung im Gehirn anlegen.<br />

Doris Weber:<br />

Sie geben ja auch ganz liebevolle Tipps, die auch hoffen lassen. Also Sie sagen ja<br />

schon, man kann sich durchaus ändern, wenn man in seinen Ansprüchen bescheiden<br />

ist. Sie empfehlen die Ungeduld zügeln, sich selbst motivieren, Durststrecken<br />

überstehen, sich zurücknehmen, selbstgenügsam werden, mehr<br />

Ehrgeiz, Ordnung, Pünktlichkeit.<br />

Das sind ja Verhaltensweisen oder auch sogar Tugenden, die in unserer Zeit,<br />

die nach dem Motto lebt: "Ich will alles, und zwar sofort" als ziemlich antiquiert<br />

gelten.<br />

<strong>Gerhard</strong> <strong>Roth</strong>:<br />

Sicher, das ist richtig, aber es gibt zwei Strategien. Man sucht sich nach ein paar<br />

Jahren einen neuen Partner und mit dem ist das dann genauso wieder, oder man<br />

gibt sich Mühe. Aber man muss sehen, dass dieses Mühegeben natürlich immer im<br />

Rahmen der eigenen Persönlichkeit stattfindet. Jenseits dieses Rahmens ist<br />

Mühegeben vergeblich.<br />

[…]<br />

Doris Weber:<br />

Bildet sich in unserem Hirn da auch etwas, was unterscheiden lernt zwischen Gut<br />

und Böse?<br />

<strong>Gerhard</strong> <strong>Roth</strong>:<br />

Ja. Es gibt eine Region, die man inzwischen gut untersucht hat, der so genannte<br />

orbitofrontale Cortex, das ist der Teil der Großhirnrinde, der direkt über unseren<br />

Augen liegt. Von dem weiß man seit langer Zeit, dass er der Sitz unseres Gewissens<br />

ist. Und man weiß auch wie der sich ausbildet. Und wenn Menschen, den nicht<br />

ausbilden oder wenn sie Verletzungen zum Beispiel in Form von Schlaganfällen dort<br />

erleiden, dann können sie über Nacht zu völlig gewissenlosen Menschen werden.<br />

Also es gibt drei Möglichkeiten, entweder bildet der sich überhaupt nicht aus, dann<br />

kann es sein, dass man von Geburt an ein absolutes Rabenaas ist. Es muss nicht so<br />

sein, manchmal können Gehirne auf rätselhafte Weise das kompensieren.<br />

Das Zweite ist, dass ich in früher Kindheit Dinge erlebe, die die Entwicklung<br />

dieses Teils des Gehirns stark schädigen. Das ist diese sehr negative Bindungserfahrung,<br />

die Traumatisierung, die da wütet. Oder ich erlebe durch<br />

Verletzung, Schlaganfall, Gehirnblutung oder einen Unfall eine Verletzung dieses<br />

Teils. Alles drei ist, dass ich dann jede Moral und jede Ethik im schlimmsten<br />

Falle verliere.<br />

Doris Weber:<br />

Es gibt ja diese Menschen, die tun schreckliche Dinge und empfinden weder Reue<br />

noch Schuld. Heute spricht man von Soziopathen oder Psychopathen, die dann<br />

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