Prof. Gerhard Roth

vor ihren Missetaten stehen, aber keinerlei Regung zeigen.
Ist das ein Ergebnis solcher Gehirnschädigungen oder Deformationen, von
denen Sie gerade gesprochen haben?
Gerhard Roth:
Also, man findet, wenn man diese Psychopathen oder Soziopathen untersucht, in
aller Regel, dass sie frühkindlich schwer geschädigt wurden. Es ist ein klinisches
Indiz dafür, dass ihre psychopathischen Auffälligkeiten in der Regel sehr früh
erkennbar sind, zum Teil mit 3, 4 Jahren, schon im Kindergarten und in der Schulzeit.
Solche Menschen fangen früh an und die sind nicht zu bändigen. Und wenn die aber
gleichzeitig sehr intelligent sind, was ja durchaus möglich ist, dann kommen sie damit
hervorragend durch die Welt.
Also, schlecht sind die dran, die diese psychopathischen Auffälligkeiten haben, diese
antisozialen Auffälligkeiten, aber nicht intelligent sind. Die fliegen dann von der
Schule, kommen in ein Jugendheim, und dann beginnen sie eine kriminelle Karriere.
Wenn man sehr intelligent ist, macht man Karriere und kommt nach ganz oben
hin und ist genauso ein Psychopath, der 40 Milliarden Euro oder Dollar beseitigt
und Unmengen Leute ins Elend stürzt, von Stalin, Mao oder Hitler mal ganz
abgesehen.
Doris Weber:
Weil die Intelligenz diesen Menschen hilft zu spielen mit anderen Menschen, sie zu
verführen und zu manipulieren, auch Gefühlen zu scannen, weil sie keine eigenen
haben?
Gerhard Roth:
Ja - das ist umstritten. Aber zumindest gehört es zur Checkliste, wie man sagt, dieser
Psychopathen, da sie ja einen Oberflächencharme haben und dass sie eine charismatische
Wirkung auf andere Leute haben. Das ist ein richtig klinisch
relevantes Merkmal.
Und diese Leute sind dann die großen erfolgreichen Stars, die aber gewissenlos
vorgehen, aber diese Gewissenlosigkeit komplett übertünchen können, bis zum
Knall, wo alles rauskommt, irgendwann kommt's raus. Haben die Leute fasziniert
denen zugeschaut, haben ihr letztes Geld ihnen gegeben und kamen nicht auf die
Idee, dass das alles unglaubliche Betrüger waren.
Doris Weber:
Die Nichtanerkennung von Grenzen, das Nichtwahrnehmen, dass es außer mir
selbst noch ein "du" gibt, dieser Impuls: "Ich nehme mir was ich will, egal welchen
Schaden ich dabei anrichte", gehört der dann dazu?
Gerhard Roth:
Ja. Der ist bei diesen so genannten Psychopaten besonders ausgeprägt. Und wenn
man jetzt überlegt woher er kommen könnte, wird man gleich fündig: Solche
Menschen waren immer, oder fast immer, das Opfer von Traumatisierungen,
sie wurden extrem gedemütigt, sie hatten sehr negative Bindungserfahrungen.
Entweder von der Mutter vernachlässigt, gedemütigt, vom Vater oder vom
Onkel misshandelt, missbraucht. Und deshalb konnten sie keine normale
emotionale Bindungserfahrung machen.
Doris Weber:
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