Berlin – Einwanderungsstadt ‚under construction'? Von der ...
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322 Frank Gesemann<br />
Thränhardt 2001). <strong>Berlin</strong> verfügt <strong>–</strong> wie keine an<strong>der</strong>e Stadt in Deutschland <strong>–</strong> über eine große<br />
Zahl von Migrantenorganisationen sowie ein vielfältiges Netz von Initiativen, Organisationen<br />
und Vereinen. 114 Eintragungen umfasst allein die ‚Öffentliche Liste <strong>der</strong> Vereine, die<br />
zu auslän<strong>der</strong>politischen Themen angehört werden‘, 30 auch wenn es vor allem große Organisationen<br />
wie <strong>der</strong> Türkische Bund <strong>Berlin</strong>-Brandenburg, die Türkische Gemeinde zu <strong>Berlin</strong><br />
o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Polnische Sozialrat sind, denen in <strong>der</strong> integrationspolitischen Debatte <strong>der</strong> Stadt<br />
eine nicht unbedeutende Rolle zukommt. Als Interessenvertretungen, Selbsthilfeorganisationen,<br />
Einrichtungen zur För<strong>der</strong>ung sozialer und kultureller Aktivitäten sowie Erfahrungsräume<br />
für das Erlernen öffentlicher Wirksamkeit leisten die Eigenorganisationen einen<br />
wichtigen Beitrag zur sozialen Integration <strong>der</strong> Zuwan<strong>der</strong>er (vgl. Fijalkowski 2001: 177).<br />
Die Neuausrichtung <strong>der</strong> <strong>Berlin</strong>er Integrationspolitik hat in den vergangenen Jahren<br />
auch zu einigen Akzentverschiebungen in <strong>der</strong> Projektför<strong>der</strong>ung geführt. Aus den Haushaltsmitteln<br />
des Integrationsbeauftragten werden neben den Migrantensozialdiensten Projekte<br />
geför<strong>der</strong>t, die <strong>der</strong> Integration von Migrantinnen und Migranten dienen und/o<strong>der</strong> zur<br />
interkulturellen Öffnung <strong>der</strong> aufnehmenden Gesellschaft beitragen (einschließlich <strong>der</strong> Projekte<br />
gegen Rechtsextremismus). Im Jahr 2005 wurden 93 Projekte mit insgesamt über 4,8<br />
Millionen Euro geför<strong>der</strong>t, die von Beratungsprojekten über Treffpunkt- und/o<strong>der</strong> Kulturprojekte<br />
wie <strong>der</strong> Werkstatt <strong>der</strong> Kulturen bis zu Selbsthilfeprojekten reichen. Um <strong>der</strong> Projektför<strong>der</strong>ung<br />
„einen klaren und transparenten Rahmen“ zu geben, hat <strong>der</strong> Integrationsbeauftragte<br />
im März 2005 erstmals För<strong>der</strong>grundsätze 31 veröffentlicht:<br />
„Gegenüber <strong>der</strong> bisherigen Praxis wird ein starker Akzent auf die För<strong>der</strong>ung von Projekten bei<br />
Migrantenorganisationen gelegt, um die Aktivierung und Partizipation <strong>der</strong> Zuwan<strong>der</strong>er/innen zu<br />
unterstützen; ferner auf die interkulturelle Verständigung zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen<br />
und auf die Bekämpfung von Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit. Die interkulturelle<br />
Ausrichtung <strong>der</strong> Projektträger 32 wird erwartet“ (Beauftragter für Integration und<br />
Migration 2005: 48).<br />
Es spricht einiges dafür, dass die <strong>Berlin</strong>er Selbsthilfeför<strong>der</strong>ung einen erheblichen Beitrag zu<br />
einer besseren Versorgung und ‚behutsamen Integration‘ <strong>der</strong> Zuwan<strong>der</strong>er in die Mehrheitsgesellschaft<br />
geleistet hat, auch wenn sich diese Einschätzung nicht auf Ergebnisse einer<br />
umfassenden Evaluierung stützen kann (vgl. Blaschke 1996). Der Umgang mit Vertretern<br />
von Migrantenorganisationen dürfte zudem in Politik und Verwaltung zu einem verbesserten<br />
Verständnis und einer differenzierteren Auseinan<strong>der</strong>setzung mit den Bedürfnissen und<br />
Interessen <strong>der</strong> Einwan<strong>der</strong>ungsbevölkerungen beigetragen haben. Im Zuge <strong>der</strong> Neuausrichtung<br />
<strong>der</strong> <strong>Berlin</strong>er Integrationspolitik in den vergangenen Jahren scheint die traditionelle<br />
Selbsthilfeför<strong>der</strong>ung für Migranten aber zunehmend an Bedeutung zu verlieren. Darauf<br />
deuten das Aktionsprogramm ‚Vielfalt för<strong>der</strong>n <strong>–</strong> Zusammenhalt stärken‘ und das ‚Landesprogramm<br />
gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus‘ hin, die mit neuen<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen an die Beantragung, Durchführung und Evaluierung von Projekten verbunden<br />
sind. Allerdings ist noch offen, ob es in Zukunft gelingt, die verschiedenen För<strong>der</strong>pro-<br />
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Stand: 09.08.2007.<br />
Siehe Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz (2005).<br />
Die Anwendung <strong>der</strong> allgemeinen integrationspolitischen Zielsetzung <strong>der</strong> interkulturellen Öffnung auf die<br />
Projektpraxis hat zur Folge, dass „ethnienübergreifende Projekte bei sonst gleichen Voraussetzungen gegenüber<br />
Projekten, die nur einzelne Herkunftsgruppen einbeziehen, den Vorzug erhalten“.