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Berlin – Einwanderungsstadt ‚under construction'? Von der ...

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306 Frank Gesemann<br />

‚reizvollen‘, aber ‚armen‘ Hauptstadt im wie<strong>der</strong>vereinigten Deutschland. Die Zuwan<strong>der</strong>ung<br />

von Auslän<strong>der</strong>n nach Westberlin ist zu Recht als die „bedeutendste sozialstrukturelle Verän<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> Nachkriegszeit“ (Kapphan 2001: 91) bezeichnet worden, da sie erhebliche<br />

Auswirkungen auf Bevölkerungs- und Beschäftigtenstruktur, Wirtschaftswachstum und<br />

Wohlstand sowie soziale Schichtung und Mobilität hatte. Der <strong>Berlin</strong>er Senat hat früher als<br />

an<strong>der</strong>e Städte <strong>–</strong> zunächst im Rahmen einer ressortübergreifenden Planung, später durch die<br />

Einrichtung einer Auslän<strong>der</strong>beauftragten <strong>–</strong> auf die Herausfor<strong>der</strong>ung durch die Zuwan<strong>der</strong>ung<br />

von Auslän<strong>der</strong>n reagiert. Die Erfolge <strong>der</strong> <strong>Berlin</strong>er Integrationspolitik insbeson<strong>der</strong>e in<br />

<strong>der</strong> sozialen Integration von Migranten, <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung von Selbstorganisationen und <strong>der</strong><br />

politischen Teilhabe von Migranten werden seit <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>vereinigung aber von <strong>der</strong> beispiellosen<br />

Krise auf dem Arbeitsmarkt, einer negativen Bilanz in <strong>der</strong> Bildungspolitik und<br />

scheinbar unaufhaltsamen sozialräumlichen Prozessen bedroht.<br />

Im folgenden Beitrag wird <strong>–</strong> nach einem kurzen Überblick zur Geschichte <strong>der</strong> Zuwan<strong>der</strong>ung<br />

in <strong>der</strong> <strong>Einwan<strong>der</strong>ungsstadt</strong> <strong>Berlin</strong> <strong>–</strong> die Entwicklung <strong>der</strong> <strong>Berlin</strong>er Integrationspolitik<br />

in den vergangenen vier Jahrzehnten skizziert. Es folgen Ausführungen zu zentralen Handlungsfel<strong>der</strong>n<br />

<strong>der</strong> Integrationspolitik des <strong>Berlin</strong>er Senats, wobei ich mich auf die Integration<br />

von Zuwan<strong>der</strong>ern in den Arbeitsmarkt, das Bildungswesen und auf den Wohnungsmarkt<br />

sowie die Entwicklung von Einbürgerungen und die För<strong>der</strong>ung von Migrantenselbstorganisationen<br />

konzentrieren werde. Ein kurzes Resümee schließt den Beitrag ab.<br />

1 <strong>Einwan<strong>der</strong>ungsstadt</strong> <strong>Berlin</strong><br />

Die Geschichte <strong>Berlin</strong>s ist seit Jahrhun<strong>der</strong>ten mit <strong>der</strong> wechselhaften Geschichte von Migration<br />

und Integration verbunden. Die rasche Entwicklung <strong>der</strong> Residenzstadt im 17. und 18.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>t ist eng verknüpft mit dem Ansiedlungsprivileg für jüdische Familien von 1671<br />

und dem Edikt von Potsdam von 1685, das die Aufnahme von Glaubensflüchtlingen aus<br />

Frankreich ermöglichte. Ihnen folgten in den dreißiger Jahren des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts weitere<br />

protestantische Zuwan<strong>der</strong>er wie die relativ wohlhabenden Salzburger und die böhmischen<br />

Glaubensflüchtlinge. Das rasante Bevölkerungswachstum <strong>der</strong> Stadt im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t und<br />

<strong>der</strong> Aufstieg <strong>Berlin</strong>s zur führenden und größten Industriemetropole auf dem europäischen<br />

Kontinent basierte auch auf umfangreichen Zuwan<strong>der</strong>ungen polnischsprachiger Arbeitskräfte<br />

aus den preußischen Ostgebieten. Seit den achtziger Jahren des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts kam<br />

es zudem zu einer starken Einwan<strong>der</strong>ung von Juden aus Osteuropa (vgl. Gesemann 2004:<br />

26). Die unterschiedlichen Gruppen von Zuwan<strong>der</strong>ern haben die wirtschaftliche Entwicklung<br />

und den kulturellen Reichtum <strong>Berlin</strong>s nachhaltig geprägt. Die historische Forschung<br />

hat allerdings auch auf die „zuweilen außerordentlich mühseligen und langwierigen“ Prozesse<br />

<strong>der</strong> Integration von Zuwan<strong>der</strong>ern hingewiesen und damit das verbreitete und idealisierende<br />

Bild <strong>der</strong> Metropole als „Schmelztiegel“ von Menschen unterschiedlicher Herkunft<br />

korrigiert (Jersch-Wenzel 1990: 8).<br />

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde <strong>Berlin</strong> in vier Sektoren bzw. Besatzungszonen<br />

geteilt, die zwei gegensätzlichen politischen Systemen und konkurrierenden Machtblöcken<br />

angehörten. Die räumliche und wirtschaftliche Isolation des Westteils sowie die sozialistische<br />

Umgestaltung des Ostsektors hatten zur Folge, dass <strong>Berlin</strong> nicht mehr an seine frühere<br />

politische, wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung anknüpfen konnte. Trotz <strong>der</strong> Isolation<br />

<strong>der</strong> Stadt kamen aber bis Ende <strong>der</strong> fünfziger Jahre über 1,5 Millionen Flüchtlinge aus <strong>der</strong>

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