Trade Talk
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GESELLSCHAFT<br />
Hans-Ulrich Jörges<br />
RUDEL<br />
JOURNALISMUS<br />
in der Kritik<br />
von Jessica Hellmann<br />
Opportunismus statt Wahrhaftigkeit? Hans-Ulrich Jörges,<br />
seines Zeichens Stern-Chefredakteur, referierte beim<br />
Dinnertalk im Wirtschaftsclub Düsseldorf über neue<br />
Entwicklungen in der Medienwelt und übte dabei scharfe<br />
Kritik an seiner eigenen Branche. Bei seinem Vortrag<br />
mit dem Titel „Wenn Wölfe heulen – die neue Welt der<br />
Medien“ monierte er, dass insbesondere Journalisten<br />
der überregionalen Zeitungen und Fernsehsender<br />
zunehmend Schönfärberei betreiben und gegen ihre<br />
Recherchepflichten verstoßen.<br />
Stern-Chefredakteur Hans-Ulrich Jörges<br />
Fotos: © Stefanie Siegel<br />
Es waren beeindruckende Bilder eines historischen Moments, die die<br />
Menschen auf der ganzen Welt zutiefst bewegten: Arm in Arm führten<br />
dutzende Staats- und Regierungschefs an jenem Tag im Januar den historischen<br />
Gedenkmarsch für die Opfer der islamistischen Anschläge in<br />
Paris an. Dabei verschwiegen die berichtenden Medien aber zunächst,<br />
dass die Politiker nicht – wie suggeriert – in der ersten Reihe der 1,5 Millionen<br />
demonstrierenden Franzosen durch die Innenstadt gelaufen sind:<br />
Der sogenannte Marsch der Mächtigen wurde in einer abgesperrten<br />
Seitenstraße inszeniert. „Dieser Eindruck war ein falscher Eindruck und<br />
so etwas darf nicht versteckt werden“, sagt Hans-Ulrich Jörges, Mitglied<br />
der Stern-Chefredaktion, mit bestimmter Stimme und nennt dieses<br />
Ereignis als Beispiel für eine zunehmende „Schönfärberei“.<br />
„Wir alle betrachten die Welt durch die Medien, das sind unsere Augen“,<br />
führte der Journalist aus. Im Gegensatz zu den Dingen die im<br />
eigenen Umfeld wahrgenommen werden, müsse man sich beim Rest der<br />
Weltbetrachtung auf die Medien verlassen können. Statt Unbefangenheit,<br />
Wahrhaftigkeit und die Entschlossenheit, nach bestem Wissen und<br />
Gewissen zu berichten und zu kommentieren, mache er aber zunehmend<br />
Schönfärberei, Opportunismus, Oberflächlichkeit, Gedächtnisverlust<br />
und einen Verstoß gegen Recherchepflichten aus. „Ich glaube, dass wir<br />
bei der kritischen Betrachtung der Medien immer größere Probleme<br />
haben, diese Unbefangenheit und Wahrhaftigkeit noch herzustellen.“<br />
Genau diese „gefährlichen“ und „kritikwürdigen“ Seiten der medialen<br />
Entwicklung standen im Fokus seines Vortrags „Wenn Wölfe heulen – die<br />
neue Welt der Medien“ beim Dinnertalk.<br />
Mediale Mobilmachung<br />
Die Gäste im Wirtschaftsclub lauschten aufmerksam den deutlichen<br />
Worten. Seine Kritik untermauerte Jörges dabei mit zahlreichen Beispielen.<br />
So berichtete er unter anderem über die Mahnwache am Brandenburger<br />
Tor in Berlin nach den Anschlägen in Paris, zu der der Zentralrat der<br />
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