22.05.2015 Aufrufe

Trade Talk

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column<br />

regierung ist kompetent in digitalen Fragen“,<br />

sagte er bei der Podiumsdiskussion im Wirtschaftsclub.<br />

Dabei sorgt bei ihm vor allem die<br />

Diskussion über den Breitbandausbau für Verärgerung.<br />

Nach Plänen der Bundesregierung<br />

sollen in Deutschland bis 2018 zwar flächendeckend<br />

Leitungen mit 50 Megabit in der<br />

Sekunde zur Verfügung stehen; in Knüwers<br />

Augen reicht das aber noch lange nicht aus:<br />

„Ein Politiker der sich dafür feiert, der kann<br />

auch jeden Morgen eine Ehrenrunde ums Bett<br />

drehen, weil er es geschafft hat, aufzustehen.“<br />

Wenn dem Thema nicht mehr Bedeutung<br />

zugemessen wird, könnte Deutschland im Bereich<br />

der Softwareentwicklung bald weit hinter<br />

andere Länder zurückfallen: „England hat<br />

weitaus mehr Start-Ups als Deutschland bei<br />

weniger Bevölkerung: Warum? Weil in England<br />

jemand, der ein Start-Up gründet, hoch angesehen<br />

ist.“ Dort werde er gefeiert. Die deutsche<br />

Gründermentalität lässt das jedoch nicht zu.<br />

„Entscheidend ist, dass man den Weg nach vorne<br />

geht und die Entwicklung positiv umarmt“,<br />

so der Digitalberater weiter. Es brauche in<br />

Zukunft zwei Dinge: Zum einen sollten Politiker<br />

sich intensiver mit den sozialen Netzwerken<br />

beschäftigen und eine positivere Einstellung<br />

gegenüber Facebook und Co. schaffen. „Ja, da<br />

werden Daten in den USA gesammelt, aber solange<br />

die uns sowieso komplett überwachen, ist<br />

das doch ziemlich egal“, gibt er zu bedenken.<br />

Auf der zweiten Ebene müsse man Kompetenz<br />

schaffen. Ein Internetminister sei vielleicht der<br />

einzige Weg, das Thema voranzutreiben.<br />

Weichen gestellt<br />

Professor Tobias Kollmann sieht in Sachen<br />

Digitalisierung in Deutschland aber durchaus<br />

eine positive Entwicklung: „Mit Sicherheit<br />

sind wir in den letzten Jahren nicht vorneweg<br />

gelaufen, was die Wichtigkeit des Themas<br />

angeht, aber diese dynamische Welt muss eben<br />

auch erst mal in den Entscheidungsebenen<br />

der Politik ankommen. Dort sind schließlich<br />

keine Digital Natives zu finden“, so der Wirtschaftswissenschaftler.<br />

Das Thema sei aber<br />

erkannt und die Weichen gestellt worden.<br />

„Wissen muss auch im politischen Apparat<br />

verankert werden. Ich glaube, es ist angekommen<br />

und wir sind an der Schwelle zu den konkreten<br />

Maßnahmen.“<br />

Sandro Gianello von Google sieht ebenfalls<br />

positive Ansätze: „Bei aller Kritik tut Deutschland<br />

auch ein bisschen mehr Selbstvertrauen<br />

gut. Es werden schließlich Unternehmen in<br />

diesem Bereich gegründet, sowohl in Berlin<br />

als auch in Düsseldorf.“ Es habe schwierigere<br />

Zeiten gegeben, um Unternehmer zu sein als<br />

das heute der Fall ist.<br />

Mehr Technikoffenheit<br />

Mit einem bekannten Beispiel belegt er, dass<br />

sich das Bewusstsein für die Wichtigkeit der<br />

digitalen Welt durchaus verändert hat: Es gebe<br />

seit Jahren starke Kritik an Street View und am<br />

Umgang mit Daten bei Google. „Heute fragen<br />

aber immer wieder Unternehmen an, wann wir<br />

endlich vorbeikommen und neue Aufnahmen<br />

machen, weil sie zum Beispiel in das Gebäude<br />

investiert haben“, erzählt Gianello. „Auch<br />

Bürgermeister beschweren sich und wollen<br />

neuere Aufnahmen von ihren Städten haben.<br />

Heute wird Street View genutzt; damals war<br />

es das schlimmste Beispiel, wie man mit Innovation<br />

umgehen kann.“ In dieser Hinsicht<br />

würde Deutschland ein bisschen mehr Technikoffenheit<br />

guttun.<br />

Dass das Thema Digitalisierung durchaus<br />

schon eine wichtige Rolle in der Düsseldorfer<br />

Wirtschaft spielt, wurde durch das große Interesse<br />

an der Netzwerkveranstaltung bestätigt.<br />

Die Gäste erschienen zahlreich im Wirtschaftsclub,<br />

um sich zu informieren, auszutauschen<br />

und zu diskutieren. Darunter war auch Hauptredner<br />

Vodafone-Chef Jens Schulte-Bockum<br />

zu finden, der erklärte, dass sein Unternehmen<br />

bereits in sämtlichen digitalen Kanälen wie<br />

Facebook, Twitter oder Xing aktiv ist. Auch in<br />

Zukunft sollen die sozialen Netzwerke eine<br />

große Rolle spielen: „Die klassische Werbung<br />

ist nur noch ein Teilausschnitt davon, wie<br />

Kunden Unternehmen wahrnehmen. Das Gros<br />

läuft über Ratings und Empfehlungen.“ Sogar<br />

ein Social Media Listening sei entwickelt<br />

worden, das aufzeigt, was im Netz über das<br />

Unternehmen gesprochen wird. „Wir haben<br />

den digitalen Wandel verstanden, aber wir<br />

sind noch längst nicht am Ziel.“<br />

Digitalisierung nicht aufzuhalten<br />

Allerdings haben noch nicht alle Unternehmer<br />

die Wichtigkeit dieses Themas erkannt. „Die<br />

Digitalisierung ist nicht aufzuhalten“, sagte<br />

Gastredner Klemens Skibicki, Professor für<br />

Wirtschaftsgeschichte. „Ob man diesen Prozess<br />

gut findet oder nicht, ist unerheblich.“ Allerdings<br />

sind deutsche Unternehmen seiner Ansicht<br />

nach noch am Anfang dieser Entwicklung.<br />

Er weist aber auch darauf hin, dass sich<br />

das Kundenverhalten verändert hat: Empfehlungen<br />

bei Facebook seien weitaus relevanter,<br />

als viele glaubten. „Darauf müssen Unternehmen<br />

reagieren.“<br />

Nach dem großen Interesse an der Veranstaltung<br />

kündigten Rheinische Post und Wirtschaftsclub<br />

bereits eine Fortsetzung an. „Düsseldorf<br />

Digital“ soll ab sofort regelmäßig stattfinden,<br />

um Start-Ups und etablierte Unternehmen<br />

zusammenzubringen.<br />

Prof. Klemens Skibicki, Wirtschaftshistoriker<br />

Fotos: © Oleksandr Voskresensky<br />

Jens Schulte-Bockum, Vorstandschef Vodafone<br />

<strong>Trade</strong><strong>Talk</strong> 29

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