Trade Talk
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column<br />
regierung ist kompetent in digitalen Fragen“,<br />
sagte er bei der Podiumsdiskussion im Wirtschaftsclub.<br />
Dabei sorgt bei ihm vor allem die<br />
Diskussion über den Breitbandausbau für Verärgerung.<br />
Nach Plänen der Bundesregierung<br />
sollen in Deutschland bis 2018 zwar flächendeckend<br />
Leitungen mit 50 Megabit in der<br />
Sekunde zur Verfügung stehen; in Knüwers<br />
Augen reicht das aber noch lange nicht aus:<br />
„Ein Politiker der sich dafür feiert, der kann<br />
auch jeden Morgen eine Ehrenrunde ums Bett<br />
drehen, weil er es geschafft hat, aufzustehen.“<br />
Wenn dem Thema nicht mehr Bedeutung<br />
zugemessen wird, könnte Deutschland im Bereich<br />
der Softwareentwicklung bald weit hinter<br />
andere Länder zurückfallen: „England hat<br />
weitaus mehr Start-Ups als Deutschland bei<br />
weniger Bevölkerung: Warum? Weil in England<br />
jemand, der ein Start-Up gründet, hoch angesehen<br />
ist.“ Dort werde er gefeiert. Die deutsche<br />
Gründermentalität lässt das jedoch nicht zu.<br />
„Entscheidend ist, dass man den Weg nach vorne<br />
geht und die Entwicklung positiv umarmt“,<br />
so der Digitalberater weiter. Es brauche in<br />
Zukunft zwei Dinge: Zum einen sollten Politiker<br />
sich intensiver mit den sozialen Netzwerken<br />
beschäftigen und eine positivere Einstellung<br />
gegenüber Facebook und Co. schaffen. „Ja, da<br />
werden Daten in den USA gesammelt, aber solange<br />
die uns sowieso komplett überwachen, ist<br />
das doch ziemlich egal“, gibt er zu bedenken.<br />
Auf der zweiten Ebene müsse man Kompetenz<br />
schaffen. Ein Internetminister sei vielleicht der<br />
einzige Weg, das Thema voranzutreiben.<br />
Weichen gestellt<br />
Professor Tobias Kollmann sieht in Sachen<br />
Digitalisierung in Deutschland aber durchaus<br />
eine positive Entwicklung: „Mit Sicherheit<br />
sind wir in den letzten Jahren nicht vorneweg<br />
gelaufen, was die Wichtigkeit des Themas<br />
angeht, aber diese dynamische Welt muss eben<br />
auch erst mal in den Entscheidungsebenen<br />
der Politik ankommen. Dort sind schließlich<br />
keine Digital Natives zu finden“, so der Wirtschaftswissenschaftler.<br />
Das Thema sei aber<br />
erkannt und die Weichen gestellt worden.<br />
„Wissen muss auch im politischen Apparat<br />
verankert werden. Ich glaube, es ist angekommen<br />
und wir sind an der Schwelle zu den konkreten<br />
Maßnahmen.“<br />
Sandro Gianello von Google sieht ebenfalls<br />
positive Ansätze: „Bei aller Kritik tut Deutschland<br />
auch ein bisschen mehr Selbstvertrauen<br />
gut. Es werden schließlich Unternehmen in<br />
diesem Bereich gegründet, sowohl in Berlin<br />
als auch in Düsseldorf.“ Es habe schwierigere<br />
Zeiten gegeben, um Unternehmer zu sein als<br />
das heute der Fall ist.<br />
Mehr Technikoffenheit<br />
Mit einem bekannten Beispiel belegt er, dass<br />
sich das Bewusstsein für die Wichtigkeit der<br />
digitalen Welt durchaus verändert hat: Es gebe<br />
seit Jahren starke Kritik an Street View und am<br />
Umgang mit Daten bei Google. „Heute fragen<br />
aber immer wieder Unternehmen an, wann wir<br />
endlich vorbeikommen und neue Aufnahmen<br />
machen, weil sie zum Beispiel in das Gebäude<br />
investiert haben“, erzählt Gianello. „Auch<br />
Bürgermeister beschweren sich und wollen<br />
neuere Aufnahmen von ihren Städten haben.<br />
Heute wird Street View genutzt; damals war<br />
es das schlimmste Beispiel, wie man mit Innovation<br />
umgehen kann.“ In dieser Hinsicht<br />
würde Deutschland ein bisschen mehr Technikoffenheit<br />
guttun.<br />
Dass das Thema Digitalisierung durchaus<br />
schon eine wichtige Rolle in der Düsseldorfer<br />
Wirtschaft spielt, wurde durch das große Interesse<br />
an der Netzwerkveranstaltung bestätigt.<br />
Die Gäste erschienen zahlreich im Wirtschaftsclub,<br />
um sich zu informieren, auszutauschen<br />
und zu diskutieren. Darunter war auch Hauptredner<br />
Vodafone-Chef Jens Schulte-Bockum<br />
zu finden, der erklärte, dass sein Unternehmen<br />
bereits in sämtlichen digitalen Kanälen wie<br />
Facebook, Twitter oder Xing aktiv ist. Auch in<br />
Zukunft sollen die sozialen Netzwerke eine<br />
große Rolle spielen: „Die klassische Werbung<br />
ist nur noch ein Teilausschnitt davon, wie<br />
Kunden Unternehmen wahrnehmen. Das Gros<br />
läuft über Ratings und Empfehlungen.“ Sogar<br />
ein Social Media Listening sei entwickelt<br />
worden, das aufzeigt, was im Netz über das<br />
Unternehmen gesprochen wird. „Wir haben<br />
den digitalen Wandel verstanden, aber wir<br />
sind noch längst nicht am Ziel.“<br />
Digitalisierung nicht aufzuhalten<br />
Allerdings haben noch nicht alle Unternehmer<br />
die Wichtigkeit dieses Themas erkannt. „Die<br />
Digitalisierung ist nicht aufzuhalten“, sagte<br />
Gastredner Klemens Skibicki, Professor für<br />
Wirtschaftsgeschichte. „Ob man diesen Prozess<br />
gut findet oder nicht, ist unerheblich.“ Allerdings<br />
sind deutsche Unternehmen seiner Ansicht<br />
nach noch am Anfang dieser Entwicklung.<br />
Er weist aber auch darauf hin, dass sich<br />
das Kundenverhalten verändert hat: Empfehlungen<br />
bei Facebook seien weitaus relevanter,<br />
als viele glaubten. „Darauf müssen Unternehmen<br />
reagieren.“<br />
Nach dem großen Interesse an der Veranstaltung<br />
kündigten Rheinische Post und Wirtschaftsclub<br />
bereits eine Fortsetzung an. „Düsseldorf<br />
Digital“ soll ab sofort regelmäßig stattfinden,<br />
um Start-Ups und etablierte Unternehmen<br />
zusammenzubringen.<br />
Prof. Klemens Skibicki, Wirtschaftshistoriker<br />
Fotos: © Oleksandr Voskresensky<br />
Jens Schulte-Bockum, Vorstandschef Vodafone<br />
<strong>Trade</strong><strong>Talk</strong> 29