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Reflexives Entwerfen I Reflexive Design

ISBN 978-3-86859-298-6

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Gleichzeitig ist das Kulturhus auch das Projekt zweier Persönlichkeiten, des Museumsdirektors<br />

Pontus Hultén und des Architekten Peter Celsing, deren gemeinsame Vision entscheidend<br />

zur Entstehung des gesamten Projekts beigetragen hat. Ihre Zusammenarbeit<br />

ist das Beispiel einer gemeinsamen Autorschaft, zu der beide grundlegende konzeptuelle<br />

Elemente für das Gebäude beigetragen haben. Tatsächlich könnte man das Kulturhus<br />

als das Ergebnis zweier unterschiedlicher, sich in diesem Projekt begegnender Herangehensweisen<br />

beschreiben – der architektonische Entwurf als Formfindung und tektonische<br />

Konzeption auf der einen, die Tätigkeit des ,Avantgarde-Kurators‘ auf der anderen Seite.<br />

Dieser Text über die Entwicklung und Realisierung des Kulturhus ist der Versuch, zu<br />

verstehen, wie die beiden unterschiedlichen Ansätze, ihre Sprache und das, was man als<br />

Wissenssysteme beschreiben könnte, zusammenkamen, um gemeinsam sowohl ein radikal<br />

neues, institutionelles Konzept als auch die eigentliche Konstruktion des Gebäudes<br />

voranzutreiben.<br />

Kultur als Vermittler sozialer Veränderung Das Kulturhus in Stockholm ist ein<br />

vom Architekten Peter Celsing entworfenes Kulturzentrum, das in enger Zusammenarbeit<br />

mit Pontus Hultén entstanden ist, der als sein ,Erfinder‘ beschrieben werden könnte. Das<br />

Gebäude entwickelte sich aus einer intensiven öffentlichen Debatte heraus, die die Dynamik<br />

der Kulturdiskurse der Zeit sowie kulturelle, auf weite Teile Westeuropas einwirkende<br />

Transformationen widerspiegelte. Historisch betrachtet ist der Vorschlag für eine Institution<br />

wie das Kulturhus das direkte Resultat der im Schweden der 1960er Jahre breit<br />

geführten Diskussion darüber, wie das Wohlfahrtssystem den Bedingungen einer sich<br />

entwickelnden Konsumgesellschaft begegnen sollte. Wie Untersuchungen zur kulturellen<br />

Teilhabe, die sowohl in Schweden als auch von Pierre Bourdieu in Frankreich durchgeführt<br />

wurden, zeigten, erreichten die Systeme staatlich subventionierter Kulturversorgung keineswegs<br />

alle sozialen Gruppen im gleichen Maße. In Reaktion darauf wollte man mit<br />

dem Kulturhus alle symbolischen und funktionalen Hürden beseitigen, die vermeintlich<br />

oder tatsächlich an Galerie- oder Theaterbesuche nicht gewöhnte Menschen am Besuch<br />

hinderten. Als explizit interdisziplinäre Institution mit einer modernen Kunstgalerie als<br />

,Rückgrat‘ geplant, sollte das Kulturhus ,Kultur‘ nicht als eine Palette separater Praktiken<br />

repräsentieren, sondern als ein einziges, alle Arten intellektueller und kreativer Aktivität<br />

umfassendes Phänomen. Umgeben von Kaufhäusern, Banken oder Konzernzentralen und<br />

mit Blick auf einen Platz, der sich zu einer modernen Agora entwickeln sollte, einem<br />

physischen Zentrum politischer Aktivität im öffentlichen Raum, verkörperte das Kulturhus<br />

den Anspruch der Kulturproduzenten, dass ihre Aktivitäten nicht in einer idealen, autonomen<br />

Sphäre stattfinden, sondern explizit in politische und ökonomische Fragen eingreifen<br />

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