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Reflexives Entwerfen I Reflexive Design

ISBN 978-3-86859-298-6

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und Offenheit der Großstadt, sowohl in ihrer traditionellen Form des 19. Jahrhunderts als<br />

auch in ihrer Nachkriegsgestalt. Vielleicht ist es dieser Glaube an die positiven Effekte des<br />

zwischenmenschlichen Kontakts, des Wagnisses und der Begeisterung für den Variantenreichtum<br />

der modernen Metropole, die es dem Architekten ermöglichten, seine spezielle<br />

architektonische Herangehensweise an das Kulturhus zu entwickeln. Die Einbeziehung informeller<br />

und populärer Unterhaltung sowie etablierter kommerzieller Strukturen, die er<br />

erhalten wollte, eröffnete dem Gebäude neue Möglichkeiten jenseits kuratorischer Innovationen.<br />

Das erweiterte, aufgeschlossenere Konzept des Gebäudes als Abfolge von öffentlichen<br />

Räumen wird sehr deutlich in den Skizzen, die Celsing von alltäglichen Situationen<br />

anfertigte, die in dem neuen Gebäude und seiner Umgebung entstehen sollten. Mit diesen<br />

Skizzen eröffnete Celsing der Vermittlung des Projekts eine vollkommen neue Ebene. Lebendige<br />

Darstellungen von Menschenmengen, die sich um Straßenkünstler scharen, oder<br />

von Varietédarstellern, die sich auf der Bühne des Volkstheaters ,Kilen’ versammeln, –<br />

vom Architekten geplant, aber nie so recht umgesetzt – standen neben eher traditionellen<br />

Skizzen vom Treppenhaus. Eine Serie von Zeichnungen war besonders bezeichnend. Konfrontiert<br />

mit der Kritik von Aktivisten, die in den frühen 1970ern die ganze Idee des Kulturhauses<br />

infrage stellten, zeigte Celsing, wie sein Gebäude durch Container, die Theateraufführungen<br />

in verschiedenen Teilen der Stadt ermöglichten, zum Ausgangspunkt für eine<br />

dezentralisierte kulturelle Versorgung werden könnte. Celsing nutzte hier die ihm eigenen<br />

Mittel, um sich in die Debatte über die Rolle der Architektur als Kulisse für kulturelle Aktivitäten<br />

einzubringen, versuchte jedoch auch, seinen Entwurf zu verteidigen (Abb. 7–10).<br />

Architektur als Vermittler sozialer Veränderungen Im Realisierungsprozess<br />

des Kulturhus verwässerte sich das ursprüngliche, radikale Konzept der Institution. Im<br />

Lauf des Jahres 1967 wurde Hultén zunehmend ausgegrenzt und verließ schließlich das<br />

Unternehmen ganz, um als erster Direktor des Centre Pompidou in Paris tätig zu werden.<br />

Doch auch so stellt das Stockholmer Projekt einen einzigartigen Versuch dar, die Rolle<br />

der Kultur in einer entwickelten Konsumgesellschaft neu zu verhandeln, was letztlich zu<br />

einer radikalen Hinterfragung der Definition von produktiver und kreativer Arbeit und<br />

des Werts der Kulturindustrie hätte führen können. Hultén sprach nicht ausdrücklich von<br />

einer ernsthaft beabsichtigten revolutionären Revision des politischen und ökonomischen<br />

Gefüges der Gesellschaft. Der Plan für ein Gebäude, in dem die grundlegenden Regeln der<br />

Machtverhältnisse aufgehoben wären, implizierte eine Vorstellung von Kultur als Vermittler<br />

einer Kritik, die über ihren traditionellen Rahmen hinausgeht und das politische<br />

und ökonomische Modell des schwedischen Wohlfahrtsstaats radikal hinterfragt. Dass ein<br />

solcher Vorschlag ernsthaft in Betracht gezogen und sich als Gebäudeprojekt materiali-<br />

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