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Oecher - Karneval in Aachen

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er sei wirklich der Pr<strong>in</strong>z, den holt dieGeme<strong>in</strong>schaft wieder zurück auf denTeppich. Es stärkt, wenn man erlebt,dass man wieder auf den Boden derTatsachen zurück kommt. <strong>Karneval</strong> iste<strong>in</strong>e wunderbare Charakterschulung.Ist der <strong>Karneval</strong>ist am Aschermittwoche<strong>in</strong> anderer, e<strong>in</strong> neuer oder der gleicheMensch?Der <strong>Karneval</strong>ist ist zunächst der gleicheMensch, so wie der Schauspielergeschm<strong>in</strong>kt und ungeschm<strong>in</strong>kt der gleicheMensch ist. Wer im närrischen Spielerlebt, „ich b<strong>in</strong> auch wer!“,der hat e<strong>in</strong>neues Selbstbewusstse<strong>in</strong>, er kann ausdiesem Spiel des <strong>Karneval</strong>s etwas mitnehmen.Die Tür öffnen zu neuen Seitense<strong>in</strong>er selbst, kann das <strong>Karneval</strong>sfest.<strong>Karneval</strong> ist e<strong>in</strong> Fest, dass die Alltagsregelnteilweise außer Kraft setzt. DerGehemmte hat es leichter, etwas mehraus sich heraus zu gehen. Es kann aberebenso passieren, dass die EnthemmungMaß vergessen lässt und auch die Extremevorkommen können. Aus dem Flirtkann Anmache, aus dem Schwips kannSuff werden. Die Triebkräfte der Seelekönnen sich Raum verschaffen. Haltekräfte,die uns b<strong>in</strong>den, s<strong>in</strong>d im Fest enthalten,es s<strong>in</strong>d die Regeln des Brauchtums.Es gibt e<strong>in</strong> schönes Beispiel füre<strong>in</strong>e solche Regel.Der Eid der Roten Funken, der KölnerStadtsoldaten, enthält die Passage:„... ich verspreche, ich will suffe, ichwill suffe, so viel wie der Magen ohneBiesterei kann jood vedrare!“ „ So vielder Magen ohne Probleme vertragenkann...!“, ist die e<strong>in</strong>gebaute Bremse.Ich gehe bis an die Grenze, ohne siezu überschreiten und sollte es mir e<strong>in</strong>malnicht ganz gel<strong>in</strong>gen, habe ich me<strong>in</strong>eFreunde, die mich unterstützen, dieseGrenzen e<strong>in</strong>zuhalten.<strong>Karneval</strong> und Religion, Opium fürs Volk?Gibt es e<strong>in</strong>e Beziehung zwischen <strong>Karneval</strong>und Religion.<strong>Karneval</strong> stammt aus der Religion. OhneOstern ke<strong>in</strong>e Fastnacht, ohne Fastnachtke<strong>in</strong> <strong>Karneval</strong>. <strong>Karneval</strong> ist ohne Religionnicht denkbar. Wie bereits erwähnt,ist <strong>Karneval</strong> e<strong>in</strong> Wendefest. Die Menschenbrauchen so etwas. Im Mittelalterwurde Narrheit demonstriert, umsie zu überw<strong>in</strong>den, der Mensch konnte<strong>in</strong> den „Spiegel“ schauen und erken-nen, welche Fliehkräfte <strong>in</strong> ihm stecken.<strong>Karneval</strong>, e<strong>in</strong> „Wendefest“ vom nüchternenAlltag <strong>in</strong> den ausgelassenen <strong>Karneval</strong>und am Aschermittwoch wiederzurück <strong>in</strong> die Realität, zurück zurBes<strong>in</strong>nlichkeit und dem Bewusstse<strong>in</strong>der Vergänglichkeit.Muss man Christ se<strong>in</strong>, um diese Wendevon der Ausgelassenheit zur Bes<strong>in</strong>nlichkeitzu erleben?Der Wechsel von e<strong>in</strong>em Zustand <strong>in</strong> e<strong>in</strong>enanderen Zustand als e<strong>in</strong> ganz privatesWendefest, kann auch von Menschenanderer Kulturen und Religionen erfahrenwerden. Man denke an die Wendevom Fasten zum Zuckerfest im Islam,wo Glanz und Essen angesagt ist, aberrekrutierend aus dem Bewusstse<strong>in</strong>der anderen, der kargen Zeit. DiesesGrundphänomen kann<strong>in</strong> der christlichenReligion, aber auch<strong>in</strong> der jüdischen odermuslimischen Religionerlebt werden.Wird der Menschdurch den <strong>Karneval</strong>menschlicher? Istder Mensch se<strong>in</strong>emNächsten im <strong>Karneval</strong>näher als im alltäglichenLeben?Durch das Rollenspielim <strong>Karneval</strong>entdecken wir andereFacetten unseres Menschse<strong>in</strong>s.Das macht uns <strong>in</strong> gewissem S<strong>in</strong>nemenschlicher. Im <strong>Karneval</strong> hat mandie Chance, den anderen rascherzu erkennen und mit ihm <strong>in</strong> Kontaktzu treten. Je mehr man aber zugedröhntwird, sei es mit Alkohol, oderauch akustisch, um so ger<strong>in</strong>ger istdie Chance, den anderen kennen zulernen. E<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames Lied zu s<strong>in</strong>gen,ist kaum noch möglich. Ich höreme<strong>in</strong>en Tischnachbarn nicht, ich hörenur die Musik aus dem Lautsprecher.Das Gebot der Stunde ist heute nichtdie Forcierung und Beschleunigung,oder die Optimierung des <strong>Karneval</strong>s,heute ist die Entschleunigung des<strong>Karneval</strong>s das Gebot der Stunde. Eskommt nicht auf übertriebene Prachtund Perfektion an. Es muss auch nichtse<strong>in</strong>, dass e<strong>in</strong>e gute Sitzung nur danngut war, wenn ich m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>enProm<strong>in</strong>enten aus Film oder Fernsehengesehen habe. E<strong>in</strong> Vortrag im Pfarrkarnevalzu e<strong>in</strong>em Thema aus der Pfarreist näher an den Menschen dran, alse<strong>in</strong> geschliffener Vortag e<strong>in</strong>es herumreisendenVortragskünstlers.Muss man im <strong>Karneval</strong> auch auf den„Putz hauen“? Ist es wichtig für den Menschen,dass er auch mal die „Sau jagt“?Es kann für e<strong>in</strong>en im Alltag stets diszipl<strong>in</strong>iertlebenden Menschen wichtig se<strong>in</strong>,auch e<strong>in</strong>mal über die Stränge zu spr<strong>in</strong>gen.Dies ist aber eigentlich nicht dasWesentliche im <strong>Karneval</strong>. Die Kraft des<strong>Karneval</strong>s liegt nicht im Lauten und imVerkleiden, obwohl dies dazu gehört, esist eher der Bereich zwischen den lautenund den leisen Tönen und die Sehnsuchtnach der Geme<strong>in</strong>schaft nebendem Anarchischenauch das Bewahrende.<strong>Karneval</strong> ist e<strong>in</strong>Kunstwerk für e<strong>in</strong>enTag. Auf diesen Tagwird fast e<strong>in</strong> ganzenJahr lang h<strong>in</strong>gearbeitet.Die Eruption amRosenmontag hate<strong>in</strong>e Vorbereitungszeitund nur der, derdiese Zeit mitmacht,spürt die Bremse diebewirkt, dass manke<strong>in</strong> Chaos und ke<strong>in</strong>enStress verbreitet.<strong>Karneval</strong> hat auch dieFunktion gehabt, die Obrigkeit auf denArm zu nehmen. Was wird aus dem <strong>Karneval</strong>,wenn die Obrigkeit sich selbstad absurdum führt und die Kirche nichtmehr die Bedeutung für Leben, Tod undden Lieben Gott hat. Haben wir dannnur noch Party statt <strong>Karneval</strong>?Die Gefahr besteht. Der <strong>Karneval</strong> stehtschon seit geraumer Zeit am Scheidewegund ich glaube, man wird noch e<strong>in</strong>eZeit lang Parallelentwicklungen erleben,Party dort und das, was andereden richtigen, den brauchspezifischen<strong>Karneval</strong> nennen mögen auf der anderenSeite. Die Politiker durch den Kakaoziehen, greift heute nicht mehr, daskann Kabarett oder Comedy viel aktueller,spitzer, schärfer und manchmalauch witziger.hko.19

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