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Der Musiker Friedrich Nietzsche. Zugleich eine Anleitung zum ...

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Abschließend sei hier, angesichts des starken Anteils fragmentarischer Kompositionen<br />

im Gesamtœuvre, ein Schlaglicht auf die Schaffensweise <strong>Nietzsche</strong>s geworfen.<br />

„Wer s<strong>eine</strong> Notizbücher und Arbeitshefte kennt“, bemerkte <strong>Nietzsche</strong>s Herausgeber<br />

Mazzino Montinari, „weiß, dass s<strong>eine</strong> Werke das Resultat langen Ausfeilens,<br />

beharrlicher und sorgfältiger Ziselierarbeit sind.“ 46 In s<strong>eine</strong>n späteren Schriften hob<br />

<strong>Nietzsche</strong>, gänzlich unbescheiden, denn auch mit Vorliebe die Qualität und den<br />

Anspruch s<strong>eine</strong>r schriftstellerischen Arbeit hervor. „Man weiß vor mir nicht, was man<br />

mit der deutschen Sprache kann, — was man überhaupt mit der Sprache kann“ 47 , heißt<br />

es in Ecce homo (Warum ich so gute Bücher schreibe); im zweiten Band von Menschliches,<br />

All<strong>zum</strong>enschliches (<strong>Der</strong> Wanderer und sein Schatten) findet sich die Mahnung „Den Stil<br />

verbessern – das heißt den Gedanken verbessern, und gar nichts weiter!“ 48 und die<br />

berüchtigte Invektive Unsere Prosa:<br />

„K<strong>eine</strong>s der jetzigen Kulturvölker hat <strong>eine</strong> so schlechte Prosa wie das deutsche […].<br />

Sucht man nach den Gründen, so kommt man zuletzt zu dem seltsamen Ergebnis, dass<br />

der Deutsche nur die improvisierte Prosa kennt und von <strong>eine</strong>r anderen gar k<strong>eine</strong>n Begriff<br />

hat. […] Um Vers, Bild, Rhythmus und Reim hat man sich redlich zu bemühen – das<br />

begreift auch der Deutsche und ist nicht geneigt, der Stegreif-Dichtung <strong>eine</strong>n besonders<br />

hohen Wert zu<strong>zum</strong>essen. Aber an <strong>eine</strong>r Seite Prosa wie an <strong>eine</strong>r Bildsäule arbeiten? –<br />

es ist ihm, als ob man ihm etwas aus dem Fabelland vorerzählte.“ 49<br />

In der Vorrede zur neuen Ausgabe von Morgenröte. Gedanken über die moralischen<br />

Vorurteile schließlich kam <strong>Nietzsche</strong> 1887, auf der Suche nach s<strong>eine</strong>m idealen Leser,<br />

auch wieder auf sein Philologentum zurück: „Man ist nicht umsonst Philologe<br />

gewesen, man ist es vielleicht noch, das will sagen, ein Lehrer des langsamen Lesens: –<br />

endlich schreibt man auch langsam.“ 50<br />

Das in langsamer Arbeit, in stetem Streben nach Verbesserung Gewachsene, das,<br />

handwerklich meisterhaft beherrscht, das Letzte aus dem Material gewinnt — mit<br />

spürbarer Lust setzte der spätere <strong>Nietzsche</strong>, wenn es um die Sprache ging, diese eigene<br />

Errungenschaft polemisch gegen das angeblich nur Improvisierte der ,Anderen‘ ab. Die<br />

Tragweite s<strong>eine</strong>s einst, nach s<strong>eine</strong>m Dafürhalten „in richtiger Selbsterkenntnis“ 51<br />

46 Mazzino Montinari, <strong>Friedrich</strong> <strong>Nietzsche</strong>. Eine Einführung, Berlin und New York 1991, S.<br />

65.<br />

47 KGW VI, 3, S. 304.<br />

48 KGW IV, 3, S. 248.<br />

49 ebd., S. 233.<br />

50 KGW V, 1, S. 9.<br />

51 s. Anm. 2.

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