<strong>JAHN</strong><strong>REPORT</strong>37. Ausgabe, November 2013„Für die <strong>Jahn</strong>-Forschung bleibt noch viel zu tun…“ –Ein unbekannter <strong>Jahn</strong>-Brief aus dem Jahre1816Josef UlfkotteAlljährlich werden bei großen Auktionen im In- und Ausland Handschriften von bekanntenDichtern, Schriftstellern, Wissenschaftlern, Künstlern, Sportlern und Politikernversteigert. In vielen Fällen werden dabei Preise erzielt, die Außenstehenden geradezu astronomischanmuten. Häufig erwerben Privatpersonen diese wertvollen Handschriften, inanderen Fällen gehen sie in den Besitz öffentlicher Einrichtungen über und stehen dann inder Regel auch der Forschung zur Verfügung.Ein Blick in die Auktionskataloge einzelner Autographenhandlungen zeigt, dass auch<strong>Jahn</strong>-Briefe immer einmal wieder in den Handel gelangt sind. Diese Gelegenheit habenEinrichtungen wie das Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin oder dieZentral- und Landesbibliothek Berlin häufig genutzt, um den Bestand ihrer <strong>Jahn</strong>-Handschriftensammlungzu ergänzen. Viele dieser gehandelten Briefe sind bereits bekannt undin der ersten großen Ausgabe der <strong>Jahn</strong>-Briefe enthalten, die Wolfgang Meyer im Auftragder Deutschen Turnerschaft 1913 herausgegeben hat. Einige blieben der Öffentlichkeitaber bis heute verborgen. Dazu zählt <strong>Jahn</strong>s Brief an einen unbekannten Adressaten vom1. Juni 1816, der im Deutschen Literaturarchiv in Marbach 1 aufbewahrt wird. Dieser Briefhat folgenden Wortlaut:Berlin den 1ten des Brachmonds 1816.Mit einer guten Gelegenheit, durch einen braven Deutschen, den Hauptmann Leopoldvon Gerlach schicke ich Ihnen „die Deutsche Turnkunst“. Ich hoffe Sie werden der Schrifteinen Platz in Ihrer Bücherei vergönnen. Haben Sie so viel Muße, so lesen Sie doch gefälligstden Vorbericht, und sagen mir unverhohlen Ihr Urtheil über meine Grundsätze derWortbildung, und deren Anwendung. Der vierte Abschnitt würde Ihnen vielleicht dannam Anziehendsten sein.Vieweg hat mir mahl gesagt: Es würde noch ein Ergänzungsband zum Campe nachgeliefertwerden. Wahrscheinlich haben Sie dann auch die Besorgung. Auf diesen Fall will ichIhnen bereitwillig meine Sammlungen als Nachlese zustellen. Es sind doch wenigstens einPaar tausend Wörter die noch alle gäng und gäbe sind, worunter viele so schon seit LutherSchriftsässigkeit haben.1Deutsches Literaturarchiv Marbach B: F.L. <strong>Jahn</strong>.18
37. Ausgabe, November 2013 <strong>JAHN</strong><strong>REPORT</strong>Die Ankündigung von Krauses Urwortthum schicke ich Ihnen; um sie zu prüfen undauch Ihre Stimme als Worthalter in der Sprachgemeinde abgeben. Es ist es jetzt ein Aufschwarkenso vieler Sprachwolken die nur der lebendige Odem des Sprachgeistes auseinanderwehen kann. Der leidige Sprachkrittel reitet auf dem Höllheß blind zu Moder undVerwesung. Auch ich sollte ein Vor-Urtheil zur Ankündigung schreiben, was ich aber vorder Sprachgemeinde nicht zu verantworten glaubte.Dies für sich. Sonst vertrage ich mich mit Wolke, Zeune, Dr. Karl Müller, der ein Verteutschwörterbuchder Kriegsprache 2 versucht hat, recht gut, halte Ihnen aber in der BerlinischenGesellschaft für Deutsche Sprache Obstand, wenn sie die Sprache verständigenwollen. Haben Sie Müllers Verteutschwörterbuch nicht, so will ich es Ihnen schicken.Die Gesetzurkunde der Berl[inischen] Gesellschaft für Deutsche Sprache werden Siemit dem Einladungsschreiben zur Mitgliedschaft bereits erhalten haben.Sie sind uns nun an der Warthe näher, als an der Prosna, und werden gewiß im Slavenlandenicht versklaven.Ihr ergebenster<strong>Friedrich</strong> <strong>Ludwig</strong> <strong>Jahn</strong>Große <strong>Friedrich</strong>straße 208.Dem nicht bekannten Briefempfänger ließ <strong>Jahn</strong> also das gerade erschienene Lehrbuch„Die deutsche Turnkunst“ ebenso zukommen wie vielen anderen Repräsentanten des öffentlichenLebens, von denen er sich Anerkennung und eine Unterstützung für die weitereVerbreitung des Turnens erhoffte. Zum Kreis dieser Personen zählten übrigens auch WilhelmGrimm und Johann Wolfgang von Goethe, den <strong>Jahn</strong> in seinem Brief vom 3. Mai1816 wissen ließ, dass es ihm eine große Freude sei, „wenn Sie das ‚Deutsche’ im Namendes Buches nicht als leeres Beiwort finden“.<strong>Jahn</strong> liegt sehr daran, von dem Adressaten dieses Briefes eine Rückmeldung über seine„Grundsätze der Wortbildung“ zu erhalten, die er bei der Lektüre des „Vorberichtes“kennen lernen kann. Er betrachtete also den „Vorbericht“, der aus seiner Feder stammte,während der turnfachliche Teil des Turnlehrbuches eher seinem Co-Autor und MitarbeiterErnst Eiselen zuzuschreiben ist, durchaus als eine „germanistische“ Arbeit, die er einempotentiellen Neumitglied der im Januar 1815 gegründeten „Berlinischen Gesellschaft fürdeutsche Sprache“ zur Beurteilung zukommen ließ.Namhafte Berliner Professoren und Schulmänner gehörten dieser Gesellschaft an,deren „Gesetzesurkunde“ am 18. Januar 1816 in <strong>Jahn</strong>s Wohnung, <strong>Friedrich</strong>straße 208,2Karl Christian Müller: Allgemeines Verteutschwörterbuch der Kriegssprache. Ein Versuch, Leipzig1814.19
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