10.07.2015 Aufrufe

D-A-CH TAGUNG 2011 - SGEB

D-A-CH TAGUNG 2011 - SGEB

D-A-CH TAGUNG 2011 - SGEB

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

D-A-<strong>CH</strong> <strong>TAGUNG</strong> <strong>2011</strong>Erdbebeningenieurwesenund Baudynamik


C. Könke (Hrsg.)12. D-A-<strong>CH</strong> Tagung <strong>2011</strong>Erdbeben und Baudynamikveranstaltet vonDeutsche Gesellschaft für Erdbebeningenieurwesenund Baudynamik(DGEB) e.V.undBundesanstalt für Geowissenschaftenund Rohstoffe (BGR)in Zusammenarbeit mitÖsterreichische Gesellschaft für Erdbebeningenieurwesenund Baudynamik (OGE)undSchweizer Gesellschaft für Erdbebeningenieurwesenund Baudynamik (<strong>SGEB</strong>)DGEB Publikation <strong>2011</strong>–01ISBN 3-930108-11-9


Herausgeber: Univ.-­‐Prof. Dr.-­‐Ing. habil. Carsten Könke Institut für Strukturmechanik Bauhaus-­‐Universität Weimar Marienstraße 10 99423 Weimar Tel: +49-­‐3643-­‐584501 Fax: +49-­‐3643-­‐584514 e-­‐mail: dgeb@bauing.uni-­‐weimar.de für die Deutsche Gesellschaft für Erdbebeningenieurwesen und Baudynamik (DGEB) e.V. ©<strong>2011</strong> Das Copyright der Beiträge liegt bei den jeweiligen Autoren. Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprache, vorbehalten. Foto auf dem Einband mit freundlicher Genehmigung von Herrn Dr. Thomas Wenk, Schweizer Gesellschaft für Erdbebeningenieurwesen und Baudynamik.


Wir danken dem Sponsor der D-A-<strong>CH</strong> Tagung <strong>2011</strong> für die gewährte finanzielle Unterstützungder VeranstaltungRIB Engineering GmbHEin Unternehmen der RIB GruppeVaihinger Str. 15170567 Stuttgarttel.: +49(711)7873-157fax: +49(711)7873-88157http://www.rib-software.com


VorwortDie Deutsche (DGEB), die Österreichische (OGE) und die Schweizer (<strong>SGEB</strong>) Gesellschaftenfür Erdbebeningenieurwesen und Baudynamik führen seit 1989 im zweijährigen Turnusgemeinsame Tagungen durch. Gastgeber der diesjährigen 12. D-A-<strong>CH</strong>-Tagung am 15. und 16.September <strong>2011</strong> ist die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) inHannover.Die Tagung soll Bauingenieuren und Seismologen ein gemeinsames Plenum zur Diskussionaktueller Entwicklungen in Forschung und Praxis in den Bereichen des Erdbebeningenieurwesen,der Baudynamik und der Seismologie bieten. Das Programm wurde so gestaltet, dassein breites Themenspektrum von der Beschreibung von Erdbebeneinwirkungen und Boden-Bauwerks-Interaktionseffekten, über das Systemmonitoring und dynamische Messungen bishin zu Fragen der Bewertung und Ertüchtigung bestehender Bausubstanz behandelt wird. ImJahr <strong>2011</strong> jährt sich zudem zum hundertsten mal das Albstadt-Erdbeben von 1911, das deshalbeinen besonderen Schwerpunkt einnimmt.Programmkomitee:T. Bistry, C. Butenweg, R. Flesch, K.-G. Hinzen, D. Kaiser, C. Könke, H. Sadegh-Azar, J.Schlittenhardt, Th. Spies, L. Stempniewski, T. Wenk, V. Zabel


InhaltsverzeichnisErdbebeneinwirkungen und Bauwerk-Boden-InteraktionReinterpretation der Schütterwirkungen des „Mitteleuropäischen Erdbebens“vom 16. November 1911S. Beinersdorf, J. Schwarz ..................................................................................................... 1Deterministic Scenarios for the Northern Rhine RegionJ. E. Daniell, F. Wenzel ....................................................................................................... 13Untersuchungen historischer Erdbeben in der SchweizD. Fäh, M. Gisler, G. Schwarz-Zanetti, S. Fritsche, P. Kästli, D. Giardini......................... 25Historische Erdbebenforschung in Tirol im Rahmen des INTERREG IVProjektes HAREIA – Historical And Recent Earthquakes in Italy and AustriaCh. Hammerl ....................................................................................................................... 37DIN 4149 – konforme spektrale Abnahmebeziehungen für deutscheErdbebengebieteCh. Kaufmann, J. Schwarz .................................................................................................. 49Standsicherheitsnachweise an Erdschüttdämmen unter Erdbebenbelastungmittels eines modifizierten Krey-Bishop AlgorithmusC. Könke, H. Sadegh-Azar .................................................................................................. 61Erdbeben im Jahr 1911 – Der Erdbebenschwarm im Hohen VennK. Lehmann ......................................................................................................................... 73Erdbebenkatalog für Deutschland mit Randgebieten für die Jahre 800 bis 2008G. Leydecker ....................................................................................................................... 85Boden-Bauwerk-Interaktion bei Flüssiggastanks unter Berücksichtigung derfrequenzabhängigen Steifigkeiten und DämpfungenP. Sadegh-Azar, J. Roetzer .................................................................................................. 93Urbane Seismologie am Beispiel der aktuellen seismischen Ereignisse unterLandau, SüdpfalzJ. R. R. Ritter ..................................................................................................................... 113Ein wellenbasiertes Modell für die Echtzeitvorhersage derErdbebenbeschleunigungR. J. Scherer, A. Zahedi Kameneh .................................................................................... 121Welche Lehren hat uns das Beben vom 16. November 1911 erteilt?G. Schneider ...................................................................................................................... 133Resultierende Erdbebeneinwirkung aus zwei HorizontalkomponentenK. Smoczynski, T. Schmitt ................................................................................................ 143Mikroseismizität in Bayern – Eine Herausforderung an den ErdbebendienstJ. Wassermann, T. Megies, H. Igel .................................................................................... 153Spatial correlation of strong ground motion and its influence on earthquake lossestimationF. Wenzel, V. Sokolov ...................................................................................................... 155


Systemidentifikation und dynamische MessungenSystemidentifikation zu einer speziellen Schwingungsanregung vonPapiermaschinenK. Beyer, S. Appel, J. Fiedler ............................................................................................ 179Untersuchungen zum Tragverhalten eines Schwergewichtsfundaments fürOffshore-Windenergieanlagen mit Versuchen im OriginalmaßstabT. Bierer, U. Hartwig ......................................................................................................... 191Dynamische Probleme bei einer kleinen, vertikalachsigen WindturbineR. Cantieni, Y. Deger ........................................................................................................ 203Modale Identifikation mit Zeitbereichsverfahren am Beispiel vonRütteltischversuchen einer Stahl-LeichtbaukonstruktionC. Ebert, F.-O. Henkel ....................................................................................................... 215Erdbebeninduzierte Massenbewegungen – Neue Ansätze für das Monitoringund die Modellierung mit Echtzeitdaten von SensornetzwerkenH. Klapperich, R. Azzam, T. M. Fernandez-Steeger, T. Shen .......................................... 225Monitoring und kontinuierliche Systemidentifikation der Tragstruktur einerWindenergieanlage zur SchädigungsverfolgungS. Lachmann, R. Höffer, D. Hartmann .............................................................................. 237Ein berührungsloses, hochgenaues Monitoring-Verfahren zur Bestimmungdynamischer Tragwerkseigenschaften bestehender BauwerkeG. Läufer, S. Rödelsperger, J. Schneider, J. Hilcken ........................................................ 249Ein Beitrag zur experimentellen SchadensidentifikationA. Lenzen .......................................................................................................................... 251Identifikation von physikalischen Parametern von Fußgängerbrücken mitTilgernB. Weber, G. Feltrin .......................................................................................................... 261Experimentelle Modalanalyse einer Straßenbrücke im Rahmen einerBelastungsanalyseM. O. Rosenquist, R. Cantieni ........................................................................................... 273Systemidentifikation von Gründerzeithäusern im Wiener BeckenD. Schäfer, H. Wenzel, F. Kopf......................................................................................... 285Experimental and numerical investigation of the global dynamic behaviour steelrailway bridgeV. Zabel, M. Brehm, S. Ahmad, L. He, G. De Roeck ....................................................... 297Beurteilung und Ertüchtigung bestehender BauwerkeSeismische Beurteilung von Wiener GründerzeithäusernG. Achs, C. Adam .............................................................................................................. 311Einfluss benachbarter Gebäude auf das seismische SchwingverhaltenR. Borsutzky, H. Sadegh-Azar, H.-G. Hartmann .............................................................. 323Innovative seismische Ertüchtigung eines Schulgebäudes in Athen mittelsSchwingungstilgernA. Brendike, Y. Petryna, P. Nawrotzki ............................................................................. 337


Verhalten von Ankerschienensystemen unter seismischen BeanspruchungenC. Butenweg, J. Park ......................................................................................................... 349Stand und Entwicklung der Erdbebenvorsorge in der SchweizB. Duvernay ....................................................................................................................... 367Verbesserung der Tragfähigkeit von Mauerwerkswänden durch Stahlbeton-Lagerbalken und experimentelle Untersuchung mit Hilfe pseudodynamischerSubstrukturtestsE. Fehling, E. Aldoghaim .................................................................................................. 375Nachweis der Erdbebensicherheit einer Verbrennungsanlage für radioaktiveAbfälleR. Flesch, H. Friedl, M. Kwapisz ...................................................................................... 387Erhöhung der Erdbebensicherheit für nicht duktile Tragwerke im Hochbaudurch streifenförmige LagerungH. Friedl, M. Kwapisz, R. Flesch, P. Burtscher, M. Dietrich ............................................ 399Nachweis des seismischen Widerstands von Wiener Gründerzeithäusern:Numerische Modellierung des MauerwerksT. Furtmüller, C. Adam ..................................................................................................... 409Konstruktion und Rütteltischversuche an einer Stahl-LeichtbaukonstruktionF.-O. Henkel, J. Röhner ..................................................................................................... 421Erdbebenvorsorge der Infrastrukturen in der Schweiz – Handlungsbedarf,Beurteilung und Umsetzung anhand von zwei konkreten BereichenS. Heunert .......................................................................................................................... 431Abschätzung der seismischen Kollapskapazität von Tragwerken mittelsKollapskapazitätsspektrenC. Jäger, C. Adam .............................................................................................................. 443Die statischen und dynamischen Untersuchungen der fast 500 Jahre alten undim Laufe der Zeit durch das unterschiedlich starke Erdbeben beschädigteMinarettI. Leylek ............................................................................................................................. 455Ein probabilistisches Konzept zur Ermittlung von Dübelverschiebungen beiErdbebeneinwirkungT. Luther, H. Sadegh-Azar ................................................................................................ 467Vorschlag eines Konzepts für die Versicherungswirtschaft zur realistischenregionalen Abschätzung von Erdbebenschäden an Mauerwerksbauten auf derGrundlage numerischer TragwerkssimulationenA. Mühlhausen, U. Dorka, A. Smolka, M. Stupazzini ...................................................... 483Experimentelle Untersuchungen von Stahlschubwänden zur Verstärkung vonbestehenden Stahlbetongebäuden unter ErdbebenbelastungD. Schmitt, M. Gündel, B. Hoffmeister ........................................................................... 497Experimentelle Untersuchungen von Ertüchtigungsmaßnahmen an einemMauerwerksgebäude mit multiaxialem Fasergelege unter ErdbebenbeanspruchungUrban, L. Stempniewski .................................................................................................... 509


Erdbebeneinwirkung undBoden-Bauwerk-Interaktion


Würde sich ein Erdbeben dieser Stärke an gleicher Stelle wiederholen, wäre nach [5] miteinem absoluten Verlust von ca. 1.1 bis 3.6 Mrd. € zu rechnen, was einen beträchtlichenwirtschaftlichen Schaden nicht nur für die direkt betroffene Region darstellen würde.Die Beschreibung der makroseismischen Wirkungen des Bebens in Baden-Württemberggeht auf Sieberg und Lais (1925; Abk. SL25) [2] zurück. Ihre Ausarbeitung enthält auch eine inihrer Detailliertheit bemerkenswerte Schüttergebietskarte, die sich besonders durch starkstrukturierte, kleinräumige Abgrenzungen (Intensitätsinseln) auszeichnet (s.a. Abb. 1.1). DieserKartentyp eignet sich aufgrund seiner Detailtreue zu Identifikation lokaler Intensitätsanomalien.Abb. 1.1 Reproduzierte Schütterkarte nach [2]Hinweis: Die Isoseisten nach [2] sind nicht in Deckungsgleichheit mit den Koordinaten der Ortschaften zubringen für die Befunde recherchiert werden konnten! Dies resultiert für die Isoseistenkarte u.a. ausUngenauigkeiten aufgrund der nicht exakt bestimmbaren verwendeten Projektion (hier verwendet:Azimutal Längentreu) und dem Digitalisierungsprozess (Scann). Dieser kann im ungünstigen Fall bis zu1km betragen.2


Tabelle 1.1Kennwerte des ErdbebensKenngrößeQuelleLongitude 9.00 ° EKDAG [6]Latitude 48.23 ° EKDAG [6]Lokalbebenmagnitude M L 6.1 (instrumentell) Ahorner (2003) [7]; EKDAG [6]Momentenmagnitude M W 5.7 (instrumentell) Ahorner (2003) [7]; EKDAG [6]Herdtiefe h 0 10 km EKDAG [6]Epizentralintensität I 0 VIII (8.0) EKDAG [6]maximal beobachtete Intensität I 0,max = I obs,max VIII (8.0)Fühlbarkeitsradius R f505 kmDie Beschreibungen der stärksten Schütterwirkungen vermitteln einen Eindruck von derStärke und dem Ausmaß, welches dieses größte, durch die Erdbebenzonenkarte der DIN4149:2005 [1] abgedeckte Ereignis bezogen auf den zum Bebenzeitpunkt vorhandenenBauwerksbestand verursacht hat. Verfolgt man die Intensitäts-Deskriptoren der EMS-98 [4]fällt auf, dass Bauten mit erhöhter Verletzbarkeit (vulnerability) in der Tat wesentlich dasSchadensbild bestimmten, was durch folgende Aussagen verdeutlicht wird [2]: „Massive, ausBruchsteinen oder Backsteinen ausgeführte Gebäude haben stärker gelitten als leicht gebauteFachwerk- oder Holzhäuser.“ oder: „Wichtig ist eine Nachricht aus Lautlingen, welche dieErdbebensicherheit der sozusagen aus einem Stück bestehenden Eisenbetonhäuser dartut: andem sonst stark mitgenommenen Schulgebäude sind die in Eisenbeton ausgeführten vierSchulsäle im Erdgeschoß unbeschädigt geblieben.“.In diesem Zusammenhang ist jedoch nicht zu übersehen, dass eine Vielzahl isolierterIntensitätsinseln der makroseismischen Karte (Abb. 1.1) nicht unwesentlich auf die Schäden anSakralbauten (Kirchen, Kapellen) zurückzuführen sind. So wird von [2] bestätigt, dass vorallem Kirchtürme und andere hochragende Bauten besonders stark beschädigt wurden. DasKirchen und andere Monumentalbauten (monumental buildings) nach der EMS-98 aufgrundihrer spezifischen Merkmale und Erdbebenanfälligkeit von der Intensitätsbewertungausgeklammert werden sollten, wenn andere Beschreibungen der Schütterwirkungen(Deskriptoren) vorliegen, sei hier als grundsätzliches Problem genannt. Im hier vorgestelltenTestgebiet I wurden nur Schäden an Wohngebäuden berichtet.Das von diesem Beben eine offensichtlich druckfähig aufbereitete Datenzusammenstellungvorgelegt wurde, ist [2] zu entnehmen: Die Bearbeitung und der Druck des Beobachtungsmaterialswar im Herbst 1918 beendet; es füllt einen stattlichen Band von 350 Seiten, dessenDruckbogen, ebenso wie sämtliche Originalbeobachtungen, seitdem unbenutzt beim Institut dePhysique du Globe in Straßburg lagern. Unsere nachstehenden Untersuchungen stützen sichauf das gedruckte Beobachtungsmaterial. Leider konnte unter den obwaltenden Verhältnissenauf die Originalbeobachtungen nicht zurückgegriffen werden, so erwünscht es auch inmanchen Fällen gewesen wäre.1.2 Untersuchte TestgebieteDie aufbereiteten Schütterwirkungen des Mitteleuropäischen Bebens von 1911 im Gebietder Schwäbischen Alb erlauben die Untersuchung relativ kleinräumiger Testgebiete, dieanhand der Isoseistenformen, des Besiedlungsraums und vor allem des berechnetenIntensitätsinkrements I aus beobachteter Intensität I obs und berechneter Intensität I calc nach [8],s.a. Gl. (1), ausgewählt werden (s. Abb. 1.2). Durch Verknüpfung der Datenebenen [9] wirdüberprüft, ob Intensitätsüberhöhungen für ausgewählte Standorte begründet werden könnenoder ob eine Indikation für die Fehlinterpretation bzw. Überbewertung von tatsächlichenSchütterwirkungen vorliegt.3


Die makroseismische Karte wird zunächst in eine digitale Form überführt, um in Verbindungmit modernen messtechnischen Hilfsmitteln, Auswertemethoden und einem GeografischenInformationssystem (GIS) andere Datenebenen überlagern zu können (s. Abb. 1.1).Zur Reinterpretation der Schütterwirkungen wird eine hybride Vorgehensweise entwickelt, inder die historischen Beobachtungen mit instrumentellen Auswertungen und Standortanalysengekoppelt werden (s. Abs. 2.4).Mit Hilfe der Intensitätsabnahme nach [8]:1I I 3log h D 3log e( h D h )2 2 2 20 0 0 0h0erhält man für die Testgebiete mit den entsprechenden mittleren Entfernungen D in km zumEpizentrum mit den Annahmen:die folgenden IntensitätenI calc in Tabelle 1.2.Die insbesondere in den Karten der historischen Starkbeben erkennbaren „Buchten“,„Zungen“, „Kerne“, „Rücken“ und „Inseln“ (Bezeichnungen nach [10], s.a. Abb. 1.3) spiegelnin vielen Fällen topografische und geologische Besonderheiten wider. RegelmäßigeIsoseistenkarten, so wie sie meist erwartet werden, sind somit so gut wie ausgeschlossen. In dieErstellung der Karten fließen subjektive Eindrücke, die speziellen Standortbedingungen(Geologie, Topografie, Bebauungsstruktur, Alter der Bebauung sowie lokale Bauweisen undMaterialien) ein. Es ist zu empfehlen, für eine einheitliche Intensitätsbewertung eindeutigeDeskriptoren der EMS-98 [4] zu verwenden, die sich nicht nur auf menschliche Eindrückebeziehen, sondern auch Auswirkungen auf Gegenstände und Gebäude berücksichtigen.Amstein et al. (2005) [9] veranschaulichen ausgehend von den Schütterwirkungen historischerErdbeben die Verwendung der Kombination von Datenebenen für die Risikobewertungim makro- und auch mikroskaligen Maßstab, die jeweils den Bauwerksschaden über lokaleIntensitätsüberhöhungen (Schadenskonzentrationen) oder auch auffällig geringe Schütterwirkungentrotz vermeintlich hoher Schütterstärke (Bodenbewegung) bzw. auch die nur inEinzelfällen bekannten Schadensangaben zum Ausgangspunkt nehmen.Für die Testgebiete I bis V (s. Abb. 1.2) wurden folgende Auswahlkriterien zugrunde gelegt: Isoseistenformen (Kerne, Buchten, Inseln etc.), als Ausdruck der makroseismischenSchütterwirkungen (Abb. 1.1, Abb. 1.3); Besiedlungsraum: die teilweise markanten Übereinstimmungen zwischen dem Verlauf derIsoseisten und der bebauten Umwelt (Siedlungsraum) deuten darauf hin, dassmakroseismische Befunde historischer Erdbeben insbesondere von den besiedeltenBereichen (Städte und Dörfer) vorliegen (Abb. 2.1, Abb. 2.2); Geologie mit der Durchführung messtechnischer Untersuchungen (Abb. 2.3, Abb. 2.5).I VIII (8.0), 0.001, h 10km0 0(1)Tabelle 1.2Erwartete Intensitäten bei gegebenen Randbedingungen für die betrachteten TestgebieteTestgebietmittlere EntfernungzumEpizentrumD[km]berechneteIntensität I calcbezogen auf DMaximalbeobachteteIntensitätI obs,SL25 [2]MaximalbeobachteteIntensitätI obs,Sie18 [11]I = I obs,SL25 - I calc(s.a. Abb. 1.2)I. Neckar I 118 4.6 VII-VIII (7.5) VII-VIII (7.5) 2.9II. Neckar II 85 5.1 VII (7.0) VII (7.0) 1.9III. Donau 103 4.8 VII (7.0) VII (7.0) 2.2IV. Schwäbische Alb 6 7.8 VIII (8.0) VIII (8.0) 0.2V. Neckar III 122 4.6 VII (7.0) VII (7.0) 2.44


Abb. 1.2 Intensitätsinkrement I aus mittlerer, beobachteter Intensität I avg,obs anhand der makroseismischenSchütterkarte nach [2] und berechneter Intensität I calc,Spo60 nach [8] bezogen auf die GemeindeflächeAbb. 1.3 Isoseistenformen nach [10]Abb. 1.4 Testgebiet I : Reproduzierte Schütterkarte nach [2] undmakroseismische Beobachtungen nach [11]5


2 DATENEBENEN ZUR REINTERPRETATION DER S<strong>CH</strong>ÜTTERWIRKUNGEN2.1 Testgebiet Neckar IDie Festlegung der Testgebiete erfolgte auf Basis der qualitativen Beschreibung nach [10]für makroseismische Karten. Insbesondere die „Insel“ als punktuelle Intensitätserhöhung ineinem Gebiet mit geringerer Intensität gegenüber dem umgebenden Intensitätsniveau wird fürdie Untersuchung herangezogen (s.a. Abb. 1.4). Meist sind es nur ein bis zwei Intensitätspunktedie im Vergleich zu den umgebenden Beobachtungen diese Erhöhung der Intensität bedingen.Am Beispiel des Testgebietes I (Neckar I) soll die angewendete Vorgehensweise näher erläutertund mit Hilfe von Kartierungen unterlegt werden.Zur Interpretation der Schütterwirkungen des Testgebietes I werden die makroseismischenSchütterwirkungen aufbereitet und neu bewertet sowie die Datenebenen Gebäudedichte undBauwerksalter (Abb. 2.1), Einwohnerdichte (Abb. 2.2) und Geologie (Alter in Millionen Jahren[Ma]) (Abb. 2.3) herangezogen.Durch Verknüpfung der Datenebenen ist zu entscheiden, ob Intensitätsüberhöhungen fürausgewählte Standorte begründet werden können oder ob eine Indikation für die Fehlinterpretationbzw. Überbewertung von tatsächlichen Schütterwirkungen vorliegt. Informationenzu den beobachteten Schütterwirkungen nach [2] und [11] sind der makroseismischenIntensitätskarte (Abb. 1.4) zu entnehmen.2.2 Bebauung und EinwohnerdichteWie in den Bebenbeispielen von [9] durch die Überlagerung der Schüttergebietskarten mitden Angaben zur Bebauungsdichte veranschaulicht werden kann, ist zu klären, ob ein Bebenüberhaupt gespürt werden konnte (receptivity). Erdbebenbeobachtungen sind an vorhandenerBesiedlung bzw. Bebauung gebunden. Ihre Dichte kann als indirekter Gradmesser für die Vertrauenswürdigkeitvon Schadensmeldungen verstanden werden. Dieser Aspekt wird in derIntensitäts-Skala EMS-98 [4] dadurch berücksichtigt, dass die Auftretensrate (Quantität) vonSchadensgraden in die Festlegung der Intensität eingeht.Abb. 2.1 Bebauungsdichte und Verteilung des Bauwerksalters mit Quellen nach [11] des Testgebietes I6


Abb. 2.2 Einwohnerdichte mit Quellen nach [11] des Testgebietes IDie Interpretation zeitlich weiter zurückliegender (historischer) Erdbeben würde an dieserStelle die Einbeziehung von historischem Datenmaterial zur Entwicklung der Bebauungvoraussetzen. Eine solche Untersuchung der Verletzbarkeit der Bauweisen in unterschiedlichenZeitfenstern muss hier als eine weiterhin ausstehende Aufgabe genannt werden. EinzelneSchäden, die zur Bewertung einer Gemeinde mit einer entsprechenden Intensität führten, sindjedoch in der Regel nicht mehr haus- oder punktgenau zurück verfolgbar. Die Bewertunghistorischer Erdbeben erfolgt somit vornehmlich im makroskaligen Bereich.2.3 Maximale makroseismische Beobachtungen und SchädenDie Neubewertung der maximal beobachteten Schütterwirkungen nach [11] zeigt, dass nurdie Intensitätsbeobachtung Michelfeld (Sinsheim) sich nicht in das Bild der umgebendenBeobachtungen einordnen lässt. Die weiteren Quellen sind mit einer Intensität nach EMS-98von V (5.0) bis V-VI (5.5) zu bewerten, vgl. Tabelle 2.1. Dies ist nur eine Überhöhung von ½bis 1 Intensitätsgrad über der berechneten Intensität für das Testgebiet von I calc = 4.6 (IV- V).2.4 Geologie und Verstärkungspotential des UntergrundesEinfluss auf die Standortintensität nehmen die geologischen Untergrundbedingungen undder lokale anstehende Baugrund. Während der geologische Untergrund im makroskaligenBereich kartierbar ist und in dieser Form auch mit der Karte geologischer Untergrundklassen in[1] vorliegt, entzieht sich der Baugrund einer solchen Darstellungsebene.Zur Form der Isoseisten ist festzustellen, dass die Geologie nicht zur Korrektur derIsoseisten herangezogen wurde. Vielmehr folgen die Isoseisten den verspürten undbeobachteten Effekten (Schütterwirkungen) und Berücksichtigung der geologischenGegebenheiten. So stellt Sieberg (1933) [10, Tabelle 7] anhand seiner Untersuchungen (s.Tabelle 2.2) fest, dass der Untergrund die vor Ort verspürte Intensität wesentlich beeinflussthat. Vor allem die jüngeren Gesteine und Böden, welche im Quartär und vor allem im Holozänanzusiedeln sind, können eine Erhöhung um bis zu 3-4 Intensitätsgrade bewirken. Dies wirdauch durch die Untersuchungen von [12] bestätigt.7


Tabelle 2.1Stärkste makroseismische Schütterwirkungen im Bereich des Testgebietes Neckar I nach[11] und Neubewertung nach EMS-98Ort Beschreibung der beobachteten Schütterwirkungen Intensitätnach [11]Michelfeld(Sinsheim)Dielheim(Wiesloch)Mückenloch(Heidelberg)Reihen(Sinsheim)Rohrbach(Sinsheim)Die Wände bekamen Risse und der Verputz fiel von den Decken.Verschiedene Decken und Wände älterer Häuser stürzten ein. 5 Kaminestürzten ein. Die Bewohner flüchteten auf die Straßen. - Gegen 24 hmehrfaches Wetterleuchten in der Richtung gegen Wiesloch.Plötzliches Schütteln, E oder SE, ca. 90 (!) Sek. - Geschirr und Bilderstürzten zu Boden, Schränke öffneten sich und wurden schief, Verputzbröckelte ab, Häuser erhielten Risse, Ziegel und Kamine stürztenherunter, Geflügelställe stürzten ein. - Vorher Winseln der Hunde undBrüllen des Viehs.Mancherlei Schäden. Ziegel fielen von den Dächern, und dieSchornsteine stürzten ein. Leute in grossem Schreck.An manchen Häusern wurde Schaden angerichtet.Erschütterung, ca. 5 Sek. Auch in den unteren Stockwerken der Häusersehr deutlich verspürt. Das elektrische Licht versagte plötzlich, weilsich durch die Erschütterung die Verankerung des Mastes lockerte unddieser dann durch den Wind umgeworfen wurde. An verschiedenenHäusern fiel der Deckenverputz ab und die Kamine stürzten ein.VII-VIII(7.5)VII(7.0)VII(7.0)VII(7.0)VII(7.0)Intensitätnach EMS-98VII(7.0)V-VI(5.5)V-VI(5.5)V(5.0)V-VI(5.5)Aufgrund des Alters der geologischen Formationen wurde versucht, eine Korrelationzwischen den beobachteten Schütterwirkungen und der lokalen Geologie in den Testgebietenherzustellen. Je jünger die Formation, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit einerVerstärkung der Intensität. Zur Beurteilung dieses Sachverhalts wurden Standortmessungenherangezogen, s.a. Abb. 2.3.Um den Zusammenhang zwischen Intensitätsanomalien und den geologischen Verhältnissenherauszuarbeiten, erweist sich die spektrale H/V-Methode als besonders geeignet. Grundlagebilden kurzzeitige (temporäre) Registrierungen der natürlichen seismischen Bodenunruhe(ambient seismic noise, microtremors) an der Geländeoberfläche. Wie gezeigt werden kann,gelingt mit dem von [13, 3] entwickelten Klassifikationsschema in vielen Fällen eine durchausplausible Erklärung lokaler Intensitätsinseln.Tabelle 2.2 Erdbebengefährlichkeit von Gesteinen nach [10, Tabelle 7]GesteinLocker- und SchwemmlandbödenUntergrundkoeffizientenI [Mercalli-Grade]Alluvionen, Geschiebe, Sande, Grus, Torf 3-6 1-2Tonböden, Mergel, Löß, Lehme, Geschiebelehme 2-10 1-3Schuttböden, natürliche und Bauschutt. 5-12 2-3Marsch- und Moorböden, verlandete Seen 8-16 3-4Verwitterungsböden fester GesteineVerwitterte Quarzite, Kieselschiefer, Kalksteine, Marmore,1 0DolomiteVerwitterte Sandsteine, Brekzien, Konglomerate 3-6 1-2Verwitterte Granite, Quarzporphyre, Trachyte, Diabase, Gneise 3-6 1-2Verwitterte Basalte, Phonolithe, Grauwacken, Tonschiefer, Tuffe 2-10 1-38


Die messtechnischen Untersuchungen beinhalten im Wesentlichen kurzzeitige (temporäre)Registrierungen der natürlichen seismischen Bodenunruhe an ausgewählten Standorten innerhalbder Testregion I (Neckar I). Die Auswahl der Messstandorte erfolgte unter Beachtung dergeologischen und topografischen Verhältnisse, sowie durch Berücksichtigung der historischaufgetretenen Schütterwirkungen (Isoseistenkarten). Makroseismische Befunde historischerErdbeben liegen insbesondere von den besiedelten Bereichen (Städte und Dörfer) vor. Dabeiwurde darauf geachtet, die Messstandorte im Bereich der historischen Bebauung (Ortskerne)festzulegen, um somit die Nähe zu eventuellen makroseismischen Befunden zu gewährleisten.Abb. 2.3 Geologie, dargestellt nach Alter der Schichten in Ma auf Basis der Einteilung von [12] mitrecherchierten makroseismischen Beobachtungen [11] und den StandortmessungenAbb. 2.4 Spektrale H/V-Relationen der natürlichen Bodenunruhe unter Kennzeichnung der Bereiche dominanterStandortfrequenzen f n ; Klassifikationsschema nach [3]9


Abb. 2.5 Verstärkungspotential des Untergrundes ermittelt anhand von Untergrundprofilen, s.a. [5]Anhand von Abb. 2.4 ist zu erkennen, dass im Testgebiet I vorrangig die UntergrundklasseC-R vorhanden ist. Die Standorte, die sich an den entsprechenden Gemeinden anhand dermakroseismischen Befunde orientieren, liegen vor allem in Talniederungen. Dies ist unteranderem mit der Siedlungsgeschichte begründet. Auch im Bereich der Intensitätserhöhung istder Untergrund der Klasse C-R zuzuordnen.Das Verstärkungspotential des Untergrundes, berechnet auf Basis von Untergrundprofilen[5], liegt im Bereich der untersuchten maximalen Schütterwirkungen (s. Abb. 2.5) bei einemmaximalen Intensitätsgrad von ½ (0.5). Mit diesem Korrekturwert kann die nach EMS-98 neubewertete Intensität nochmals korrigiert werden und fügt sich somit besser in die erwartetenErschütterungen ein. Die Schadensbeobachtungen in Michelfeld lassen sich anhand der H/V-Messungen in einer verfeinerten Betrachtung mit den lokalen Untergrundbedingungen inVerbindung bringen. Die Messung ist im Bereich dieses Intensitätswertes als C-R zuklassifizieren (s. Abb. 2.4).Für eine erweiterte Betrachtung dieser Intensitätserhöhung kann eine erweiterteArchivrecherche für ausgesuchte Punkte sich als aussichtsreich erweisen sowie zurAbsicherung der Aussagen auch makroseismische Karten weiterer Erdbeben herangezogenwerden. Dabei wird unterstellt, dass sich Anomalien infolge des lokalen Untergrundes imWiederholungsfall von Erdbeben abbilden.Tabelle 2.3Vergleich der Ergebnisse der Intensitätsbewertung nach [11], neubewertet nach EMS-98und korrigiert um das Inkrement aus der Geologie, s. Abb. 2.5Ort Intensität nach [11] Intensität nach EMS-98 Intensität ohne Einfluss GeologieMichelfeld (Sinsheim) VII-VIII (7.5) VII (7.0) VI-VII (6.65)Dielheim (Wiesloch) VII (7.0) V-VI (5.5) V (5.25)Mückenloch (Heidelberg) VII (7.0) V-VI (5.5) V-VI (5.35)Reihen (Sinsheim) VII (7.0) V (5.0) IV-V (4.5)Rohrbach (Sinsheim) VII (7.0) V-VI (5.5) V (5.25)10


3 ZUSAMMENFASSUNGDie Untersuchungen zu den Schütterwirkungen historischer Erdbeben schließen dieeingehende Würdigung der Erdbebenkataloge und der unterschiedlichen Vorgehensweisen zurAufbereitung makroseismischer Schüttergebietskarten ein.Insgesamt werden am Beispiel der Schütterwirkungen des Mitteleuropäischen Erdbebensvon 1911 mehrere „Problemfälle“ im Detail untersucht. Es wird eine hybride Vorgehensweiseentwickelt, die eine Interpretation historischer Beobachtungen auf der Grundlage vonStandortanalysen und instrumentellen Auswertungen ermöglicht.Mit den Methoden der Datenerfassung, Datenaufbereitung und Datenanalyse mit HilfeGeografischer Informationssysteme (GIS) erschließen sich neue Anwendungsgebiete. Es wirdeine Methodik entwickelt, um unterschiedliche Datenebenen zu verknüpfen und aus der Art derInformationskopplung Schlussfolgerungen über die reale Qualität der Schütterwirkungen unddie Ausprägung möglicher Einflussfaktoren abzuleiten (s.a. Abb. 3.1). Die Kopplung unterschiedlicherDatenebenen erfolgt im makroskaligen Maßstab. Die Aufbereitung der einzelnenDatenebenen ermöglicht eine Interpretation der beobachteten Intensitätsüberhöhungen, die ineinigen Fällen auf untergrundbedingte, topografische oder auch bauwerksbedingte Einflussfaktorenzurückzuführen sind. In anderen Fällen erfordern die historischen Quellen eine kritischeReinterpretation der tatsächlich beobachteten Effekte.Am Beispiel des Bebens vom 16.11.1911 werden methodische Grundlagen für die makroseismischenund auch makroskaligen Untersuchungen vorgelegt. Unverzichtbarer Bestandteilbildet dabei die messtechnische Verifikation von Standortanomalien.Die Neubewertung der in Tabelle 2.1 aufgezeigten Quellen ergibt eine Intensität für dieausgewählten maximalen Beobachtungen von V (5.0) bis V-VI (5.5). Im Falle der QuelleMichelfeld (Sinsheim) mit einer Intensität VII (7.0) nach EMS-98 ist darauf zu schließen, dassdie Beobachtung unter anderem auf die geologischen Bedingungen (Untergrundklasse C-Rnach [1]) zurückgeführt werden kann (s. Abb. 2.3, Abb. 2.4). Unter Verwendung vonKorrekturfaktoren auf Basis der Geologie zeigt sich ein verändertes Bild der untersuchtenIntensitätsinsel (s. Tabelle 2.3).Abb. 3.1 Kombination der untersuchten Faktoren – Einwohnerdichte, Gebäudedichte und Geologie11


4 LITERATUR[1] DIN 4149: Bauten in deutschen Erdbebengebieten - Lastannahmen, Bemessung und Ausführungüblicher Hochbauten. Deutsche Normen, (2005).[2] Sieberg, A.; Lais, R.: Das mitteleuropäische Erdbeben vom 16. November 1911:Bearbeitung der makroseismischen Beobachtungen. Veröffentlichungen der Reichsanstaltfür Erdbebenforschung in Jena. Nr. 4, Jena, (1925).[3] Lang, D. H.; Schwarz, J.: Instrumental subsoil classification of Californian strong motionsites based on single-station measurements. In proceedings: in 8th U.S. NationalConference on Earthquake Engineering, April 18-21, 2006, S. 10, San Francisco,California (2006) (Paper No. 120).[4] Grünthal, G. Musson, R. M. W. Schwarz, J.; Stucci, M.: European macroseismic scale1998. hrsg. v. Grünthal (Ed.), Bd. 15, Luxembourg, (1998). [online] http://www.gfzpotsdam.de/pb5/pb53/projekt/ems/[5] Schwarz, J. Langhammer, T.; Kaufmann, C.: Quantifizierung der Schadenspotentialeinfolge Erdbeben - Teil 2: Modellstudie Baden-Württemberg. In: Bautechnik, Bd. 83(2006) Nr. 12, S. 827-841, doi:10.1002/bate.200610072.[6] Schwarz, J. Beinersdorf, S. Meidow, H.; Ahorner, L.: MagnitudenorientierterErdbebenkatalog für deutsche und angrenzende Gebiete EKDAG – erweiterter Ahorner-Katalog. (2009). [online] http://www.edac.biz/erdbebenkatalog.html[7] Ahorner, L.: Herdparameter von mitteleuropäischen Erdbeben im Zeitraum 1911-2003.(2003). pers. Mitteilung.[8] Sponheuer, W.: Methoden zur Herdtiefenbestimmung in der Makroseismik.Veröffentlichungen des Instituts für Bodendynamik und Erdbebenfprschung in JenaNr.88, Berlin, (1960).[9] Amstein, S. Lang, D. H.; Schwarz, J.: Schütterwirkungen historischer Erdbeben undaktuelle Anwendungsgebiete für das Erdbebeningenieurwesen. In: Bautechnik, Bd. 82(2005) Nr. 9, S. 641-656.[10] Sieberg, A.: Erdbebenforschung und ihre Verwertung für Technik, Bergbau und Geologie- eine erste Einführung zum Selbststudium. Erw. Sonderdr. Aufl., Jena, (1933).[11] Sieberg, A.: Material zum Süddeutschen Erdbeben vom 16. November 1911. (1918).unveröffentlicht - Manuskript.[12] Bossu, R. Scotti, O. Cotton, F. Cushing, M.; Levret, A.: Determination of geomechanicalsite effects in France from macroseismic intensities and reliability of macroseismicmagnitude of historical events. In: Tectonophysics, Bd. 324 (2000), S. 81-110. – Poster.[13] Lang, D. H.: Schadenspotential seismischer Bodenbewegung unter Berücksichtigunglokaler Standorteffekte. Bauhaus-Universität Weimar, (2004). Dissertation.[14] BKG: ATKIS® VG250. (2003).Hinweis: Die Auswertungen stützen sich auf Angaben der nachfolgenden Landesämter:Statistisches Landesamt Baden-Württemberg Stuttgart (2003), Bayrisches Landesamt fürStatistik und Datenverarbeitung München (2004), Hessisches Statistisches LandesamtWiesbaden (2004), Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik NRW Düsseldorf (2003);Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz Bad Ems (2003). Die Klammerangaben beziehen sichauf den Zeitpunkt, zu dem die Daten-Files erworben wurden.Die Karten wurden mit Hilfe des GIS-Programms Mapinfo ® erstellt. Die VerwaltungsgrenzenATKIS ® VG250 [14] des © Bundesamts für Kartographie und Geodäsie werden verwendet.12


12. D-A-<strong>CH</strong> Tagung – Erdbeben und BaudynamikC. Könke (Hrsg.)Hannover, Deutschland, 15.–16. September <strong>2011</strong>DETERMINISTIC EARTHQUAKE SCENARIOS FOR THE NORTHERNRHINE REGIONJ. E. Daniell* and F. Wenzel* [1] General Sir John Monash Scholar, The General Sir John Monash Foundation, Level 5,30 Collins Street, Melbourne, Victoria, Australia 3000.[2] Center for Disaster Management and Risk Reduction Technology (CEDIM), KarlsruheInstitute of Technology (KIT), Hertzstrasse 16, 76187, Karlsruhe, Germany.[3] SOS Earthquakes, Earthquake-Report.com web service, Cederstraat 21, 2800 Mechelen,Belgium.E-mail: j.e.daniell@gmail.comKeywords: earthquake, risk, Germany, Northern Rhine, earthquake loss estimationAbstract. For the first time an estimate of total damage for the entire region affected caused bya sizeable earthquake in the Northern Rhine region is estimated across a number of countriesin detail. We design a scenario event with a magnitude of Mw = 5.7-5.8 (I 0 =8) at the Erft blockstructure near Cologne which represents a return period of approximately 1500 years. Themethodology for assessing the damage is intensity-based and relies on an attenuation relationcompatible with the observations during the 1756 Düren earthquake. It includes site effectsestimated from slope angles according to [1]. With the building and vulnerability classificationof the European Macroseismic Scale (EMS) and an estimated inventory of the building stock,we provide upper and lower bounds for the loss to residential buildings but add other sectorssuch as commerce, the public sector, energy supply etc. The estimated loss, dependent onassumptions of direct damage, ranges between €10-50 Billion. The main sources of uncertaintyare attenuation and site effects in terms of intensities. With indirect losses, the total lossescould approach in the order of €75-100 billion. Casualties (dead and injured) will rangebetween 1000 and 2000. The total damage numbers are in the order of magnitude of economiclosses of the Northridge 1994 earthquake. Due to the low mean damage ratios, casualties willremain significantly lower. The Newcastle 1989 earthquake provides a likely comparison withthe northern Rhine Region although the latter has a much increased, exposed population andindustrial output.113


1 INTRODUCTIONThe methodology used in this paper is comparable and compatible with methodologies usedby others in [2] and [3]. The main difference is to consider the entire affected region instead ofonly looking at part of the region, e.g. Cologne, or only the German affected regions. Becauseof this, the total damage numbers are much higher than those that have been published so far.For Cologne, we come up with comparable numbers to [4], [5] and [6]. The total economicdamage is in the same range as the losses of the 1994 Northridge earthquake. This is aremarkable fact and a surprise. However, there has been no earthquake of that size in the builtupNorthern Rhinegraben region after World War II. The Roermond earthquake (1992) wasMw5.2-5.3 and caused €200 million damage (<strong>2011</strong>-adjusted). It is remarkable that themagnitude increased by 0.5 and a site located closer to the densely populated areas increasedthe damage by about two orders of magnitude.It should be mentioned that a scenario earthquake of 5.7Mw – which has the same size asthe Düren (1756) earthquake cannot be considered as an extreme event, as it is associated witha return period of 1500 years for the Erft Sprung. However, it exceeds the magnitude of anevent with the standard return period of 475 years utilized for hazard assessment, seismiczoning and codes for residential buildings. As the mean damage ratio (MDR) for the expectedground motion is in the range of 0-15% over the settlements, casualties will remain rather low(1000 to 2000). Given the size of the area, it is expected that the regional capacities for healthcare would be able to cope with this number. However, the losses to the residential sector (inthe order of €20-25 billion) and also to sectors like public buildings (€15-20 billion) willimpose considerable stress on private and public financing. In addition, there is presently nopreparation mechanism in place to deal with the size and scope of such an event. It would affectthousands of square kilometres, involve response agencies of three countries, and requireorganisational coordination on a large scale.In the past years, there have been a number of studies done looking into the probabilisticloss of earthquakes in the North Rhine – Westphalia Area, especially for Cologne ([5],[7]).This study looks into the impact of a realistic deterministic earthquake based on historicearthquakes. Some historic earthquake scenario loss estimates have been undertaken forCologne area, such as those of [4] with a M6, 10km depth giving $14.5bn USD (1998) (M6.4,10km = $55bn; M6.7, 15km = $106bn). Although these city-wide studies and probabilisticstudies have been undertaken, there have been less studies on scenario-based multi-settlementassessment using historic earthquakes at longer return periods (greater than 500 years).2 HISTORIC EARTHQUAKES IN THE NORTHERN RHINE REGIONThe known history of earthquakes in the northern Rhine region begins in 800AD with anearthquake which destroyed the Praetorium in Cologne. Significant work into historicearthquakes in the Germany and Northern Europe region has been undertaken by [8] and [9].Paleoseismologically constrained earthquakes [10] have been constrained up to Mw7.0 inthe Rhine Valley and much work has been done by [11] and [12] to constrain earthquakesthrough damage reports. [13] suggests a M5 earthquake every 100 years, M6 every 1200 yearsand M7 every 14000 years in the Northern Rhine Area. It has been assumed that a Mw5.7-5.8earthquake could have caused the damage to the Praetorium in Cologne. Historic earthquakerecords have been collated through many sources and form part of the historical damaging142


earthquakes catalogue. There have been some 50 recorded damaging earthquakes in theWestern Germany area in [14]. It has been decided that the 1756 Düren earthquake should bereconstructed on a closer fault to Cologne using similar intensity relationships, as well as siteeffects, as this seems a reasonable size earthquake. It has been chosen as it seems a reasonablerepeatable size for the destruction of the Praetorium in 800AD, and also a possible size for thefault types seen in the Rhine valley. With at least 4 dead, the 1756 Düren earthquake was oneof the strongest of all time, with much damage recorded.Although an earthquake is possible on the Viersen Fault System which runs through theCologne area, it has been decided that another fault location (the Erft Fault System) that wasshown in [13] will be selected for the reconstruction of a Mw5.7 earthquake. This was alsodiscussed in the report of [7] but with different return periods for a certain magnitudeearthquake. The felt intensities (MSK) for the 1756 Düren earthquake ranged from 8.0 near theepicentre and the earthquake was felt as far away as London in the UK and Besançon in France.Thus the intensity attenuation of the 1756 earthquake will be used but transposed onto the ErftSprung fault (available through [15]). In Northern Europe, [15] uses the MSK-64 scale. Othersuse MCS and MMI intensities, whereas many use the EMS-98 scale. [16] has undertakenequivalence testing and finds that the scales are all roughly equal through the damagingintensities. In this report, all 12-deg. MMI, MSK and EMS-98 scales are used interchangeably.3 HAZARD COMPONENTS FOR THE EQ SCENARIOThe hypocentre for the deterministic earthquake has been set at the eastern end of the faultat a depth of 10km, (51N, 6.57E), with a Ml6.1, Mw5.7 (assuming this was the magnitude ofthe 1756 Düren earthquake). This is found to be located below the large town of Bedburg. Theend of the fault break is at 51.14N, 6.17E. The distribution of ground motions has beencalculated in three ways, the first using the intensity relation derived from the Dürenearthquake, and distance attenuations (Q values) from other past earthquakes, using data from[15] and other felt damage reports and attenuation relationships. A list of cities and their MSK-64 intensity was given by [15]. From this, modelling analysis has been done to derive therelative intensity for a given distance and average site conditions. The hypocentre of the Dürenearthquake was then transferred to the deterministic earthquake site and a distance relationshipwas adjusted based on relative distance of the fault from the sites.87MSK‐64 Intensity (I)65432y = 7.3657e ‐0.0021xR 2 = 0.8707101 10 100 1000Hypocentral Distance (km)Figure 1: The intensity relationship imposed on the Erft Sprung Fault (left) and a V s,30 map of the NorthernRhine region using the algorithm of [1] (right).315


Thus a new intensity prediction relationship can be created for the deterministic earthquake.This is calculated at each city using the [15] database and then adjusting for site effects at eachof the locations in the Erft Sprung fault in line with the original intensities in Düren for 57 sitesof the 108 sites. In this case, the average shear wave velocity was 572.5 m/s. In comparison,the shear wave velocity in Cologne is between 200 and 380 m/s (average 330m/s).Site conditions are calculated using shear wave velocity in the top 30m (V s,30 ) from theGlobal Vs,30 project [1]to ensure that the approximate intensities seen at non-rock sites in theDüren Earthquake are repeated i.e. taking into account soil site amplification of groundmotions. This is extremely important in Cologne and other such cities located in the Rhinevalley, built on soil. These site conditions at Cologne mimic those results of [17] and associatedpapers.Thus, the final city based hazard (for the upper bound case) is calculated as2 2 22 2MMI site =8.16 − 2 .67 * log( ( R + h ) / h ) − 0.00118 * ( R + h − h + (497-V s,30,ave,site. )/497 (1)497m/s is the average site shear wave velocity in the top 30m (V s,30 ) across the wholelocation with I>4.5. This equation results in a 0.5 increase in intensity for a soft soil site of250m/s, and a 0.5 decrease in intensity for a rock site. A maximum of V s,30,ave,site of 760m/s isemployed. For the median value, a 0.25 increase/decrease in intensity is used. For the lowervalue, an average site effect is used. This is much less than the work of [18] recommends interms of intensity. It is very difficult to equate the increase in ground motion to intensity (ameasure of damage), due to the change in the entire spectra (period and shape), not just peak.The second method recalculates the EMS-98 intensity at each location using differentmacroseismic intensity relationships relevant for use in the Northern Rhine region; [19], [20],[21], the two versions of [22] – Rhine and SCR regressions and the two versions of the [23] –WLQ and <strong>CH</strong>IQ regressions. It has been decided that these would be tested; however, due tothe multiple earthquakes that they have used, they do not take into account the differences inshear wave velocity over all the sites for a specific earthquake. If the standard deviation is used,then the soft soil sites may still be within the range. This is especially the case for the hazard atCologne, where most of the city is on soil, and thus amplifies ground motion significantly ascompared to these equations. Cologne is the location of the largest economic loss to beexpected, thus significantly changing the results. Note that this analysis starts from intensities,rather than magnitude. The form of the equation shows the various intensity-attenuationrelationship formats applied:2 2 22 2I − I = a * log( ( R + h ) / h ) + b(R + h − ).(2)*hTable 1: The various intensity prediction relationships used in the Northern Rhine Region for this studywith regression parameters.Model a b Regression Error Io-I* I*Sponheuer (1960)- [19] 3 0.00261 0 8Ambraseys (1985)- [20] 2.85 0.0024 -0.22 8.22Hinzen and Oemisch (2001)- [21]I MSK =1.2673*M LI -0.7374-0.0184*∆ iBakun and Scotti Rhine (2006)- [22] -3.71 ± 0.32 0 8.53Bakun and Scotti SCR (2006)- [22] -3.37 ± 0.13 0 8.349Stromeyer and Grünthal WLQ (2009)- [23] 2.80 0.00126 0.637 0.09 ± 0.22 7.91Stromeyer and Grünthal <strong>CH</strong>IQ (2009)- [23] 2.95 0.00252 0.643 0.11 ± 0.27 7.89Düren [15] Full Site Eff. (2010) 2.67 0.00118 8.16164


3 EXPOSURE/VULNERABILITY COMPONENTS FOR THE EQ SCENARIOConsidering the large number of settlements affected by an earthquake of this magnitude,classification of settlements using the methodology of [2],[5] and [6] has been used to createvulnerability relationships based on the town size (class P1, P2, P3, P4, P5). This works wellfor Germany, Belgium and Netherlands due to the differing housing types between settlementsizes (i.e. multiple family houses and apartments are more common in cities, and one and twofamily homes are more likely in smaller settlements). This is not always the case in othercountries such as Australia where the typologies remain similar between small towns and largecities.A detailed residential housing and settlements analysis has been first undertaken to examinethe various previous seismic codes employed in Germany, Netherlands and Belgium, buildingtypologies, building costs and building year for each of the 5 types of settlements based onpopulation class. 1917 marked the first construction industry standard (DIN) for Germany. [24]gives a good comparison of past seismic codes for Germany. The first seismic code wasemployed as DIN4149:1957, slightly after the Euskirchen earthquake of 1951. Updates to thiscode were made in 1981 following the 1978 Albstadt earthquakes, in 1992 and then in 2005where Eurocode 8 changes were taken into account [25]. [26] also provides useful input intovulnerability calculations as a result of the employed seismic codes combined with hazardcalculations.It has been assumed for this study that the neighbouring regions in Belgium and Netherlandsare the same as Germany. The study of [27] shows the approximation that the locations ofZones 1 (a o >0.05g) and 2 (a o >0.1g) in Belgium are the same as Zones 2 (a o >0.066g) and 3(a o >0.1g) in Germany. In the Netherlands, [28] shows Zone C (EMS-98 VI, a o >0.05g) and D(EMS-98, VII, a o >0.1g) which will be taken the same as zones 2 and 3 in Germany. Thus, inthe vulnerability measurements, two classes will be calculated – low seismic protection andmoderate seismic protection.A loose residential building typology based on the EMS-98 damage classes from theCEDIM study by [2] has been defined. However, it has been decided that there existed enoughdata to do a detailed analysis of building typologies. This has been updated to more accuratevalues using the additional information sources from [6] for Cologne as well as [29], [30] and[31]. Most databases in Germany consist of occupancy housing types (one or two familyhomes, country houses, row houses, terrace houses, more family houses, block houses and highrise buildings) rather than including data on the load-bearing structures. As part of this study,HAZUS classes have been created for the building stock within this northern Rhine region.There are many different load bearing structures that can be found in Germany, dependingon location, age of settlement, building material availability and other factors. Some of themost common typologies include:- 1) masonry buildings with wooden flooring, 2) masonrybuildings with waffle beam flooring (hollow blocks), 3) reinforced concrete (RC) columns withmasonry infill and concrete diaphragms, 4) stone buildings, 5) reinforced concrete buildings, 6)steel moment frame masonry infill, 7) wood/timber constructions.It is reasonably difficult to characterise these due to the sheer number of living quarters(39.6 million in 2009) in Germany. Thus, it is necessary to also consult age in order tocharacterise which building types have been used. [30] provides a good summary of thesetypologies classified by year and by certain building types – one family houses, row houses,517


multi-family houses, group housing and apartment blocks. A further comparison can be seen in[29], which splits the data between East and West Germany, also using year of construction andliving area (sqm.). There are a large number of aggregated databases available for Germany forbuilding year. Collating these for the Northern Rhine area and making some assumptions, thebuilding year was determined for residential buildings. It can be seen that the two World Warsplayed a major role and the reconstruction post-Second World War is characterised in manycities by apartment block and multi-family homes in monotonic reinforced concrete ormasonry.Table 2: Combination age of buildings for particular settlement types P1-P5 as distributed over theDIN4149: German Seismic Construction Type changes% of Buildings pre-1919 1919-1948 1948-1981 1981-2005 post-2005P1 (300000 people) 9 14 57 16 4Using [32], it is found that in the Netherlands, the housing stock has 25% pre-1946buildings, 20% built between 1946 and 1965 and 55% built after 1965. This is very comparableto that of Germany; thus the same percentages will be used. In the Netherlands, 68% ofresidential buildings are single family homes, with 32% of residential buildings beingapartment blocks.In Belgium, [33] finds that approximately 35% of the housing stock is built pre-1945, 54%is built between 1945 and 1980 and approximately 11% is built post-1981.Converting the extra building since then, this equates to about 32% pre-1945, 52% 1945-1980 and 16% post-1981, which is approximately the same as in Germany. A higher percentageof residential buildings are single family homes (approximately 78.5%), with only 21.5% beingapartments [33]. Therefore, using a combination of this data, the building type percentages inthe Northern Rhine Area can be derived.Table 3: The relative population and building percentages of seven common types of German buildingtypes.% Population Living in % of BuildingsPopulation Class P1 P2 P3 P4 P5 P1 P2 P3 P4 P5Country houses or farms 60 30 10 5 0 81.2 55.7 30.3 22.2 0.0One or two family houses 30 50 40 20 10 17.4 39.8 51.9 38.0 27.9Row houses 0 1 2 3.5 5 0.0 0.6 1.8 4.7 9.8Terrace houses 0 1 3 5 7 0.0 0.6 2.7 6.7 13.7More family homes 10 17 38 53 63 1.4 3.2 11.5 23.5 41.0Block houses 0 1 5 10 10 0.0 0.2 1.5 4.4 6.5High rise buildings 0 0 2 3.5 5 0.0 0.0 0.2 0.6 1.2The study of [29] includes building cost data for Western Germany. Data up to 2000 showedthe residential building cost at €1254/m 2 in North Rhine-Westphalia. In addition, studies havebeen done on INFAS data by [34] for the whole of Germany. Adding the construction costindex trends for Germany up to 2010 in Western Germany and a combination of GDP data, thefollowing construction cost data has been found. [14] shows this data.186


Construction costs have been seen to be approximately 10% less in Belgium, andapproximately 10% greater in the Netherlands. This has been adjusted within the analysis.Based on [34] and other city and town values of construction costs, the population class alsogives a change in the construction cost per m 2 . In cities, construction is more expensive than incountry towns. Based on population in the settlements to keep the average construction cost perm 2 living area at €1450 per m 2 , the following construction factors are proposed.Table 4: Median range per population class of construction cost per m 2 living area.Population Class P1 P2 P3 P4 P5€/m 2 1070 1260 1380 1480 1640In Western Germany, the average space per inhabitant is 44m 2 . In the Netherlands, thisvalue is 57m 2 . In Belgium, the average space per inhabitant is approximately the same as inGermany. Some non-residential exposure elements have been modelled using the guidelines ofthe [3] and [6] studies for Cologne. Additional calculations of assets based on area, totaleconomic value and no., were calculated for various settlements in the P1, P2, P3, P4 and P5classes in the following elements:- (1) Manufacturing and industrial elements, (2) PublicService, Educational and other associated infrastructure, (3) Commercial and Serviceselements, (4) Transportation and Communication, (5) Energy and Water supplies, (6)Agricultural elements.It is very difficult to generalise non-residential elements however, spatial and percentagedistributions have been made, based on location. It must be noted that there are additionallosses due to non-settlement based agricultural, manufacturing, energy and service supplies andthese must be added via other methods (use of remote sensing, percentage of GDP or othermethods).Table 5: Percentage of direct economic loss associated with non-residential elementsResidential IndustrialPublic/EduTrans. AndCommercial/GovCommunic.Energy Agric.P1 79.81 3.99 0.80 0.80 0.24 3.19 11.17P2 74.91 5.24 4.49 3.00 0.37 4.49 7.49P3 70.08 7.01 6.31 6.31 0.49 5.61 4.20P4 66.23 7.95 7.28 9.27 0.66 6.62 1.99P5 61.24 9.19 8.57 12.25 0.80 7.35 0.61The floor space for certain age classes of the building stock was also taken into accountusing values from the census. This was used for vulnerability classification but also in thepercentage of elements. This vulnerability classification has been used as well as other studies,the results of [3] and [6]. After characterisation of the various building stock components,residential classes have been loosely based on the work of [2] and further research. It must benoted that most earthquake design is calculated to ERD-L or a low earthquake resistant designlevel (i.e. intensity VII) even within seismic code regions.The following mean damage ratios are suggested by EMS-98 vulnerability classes. There isa distribution around this mean to take into account natural variation i.e. not all buildings with avulnerability class A will have a mean damage of 92%, but there will be some completelydestroyed, and a few with only 50% damage. A normal distribution has been used around thesevalues, using the damage grading as recommended in [35], [2] etc.719


The percentage of vulnerability classes has been calculated using the building analysis andalso the seismic construction code details. Thus, percentages of vulnerability class A, B, C andD values are defined for each population class for each DIN4149:2005 zone. It has been foundthat the values for Zones 0 and 1 are similar, and those of Zones 2 and 3 are reasonably similar.Thus, by combining the EMS-98 intensity measures with this vulnerability information thefollowing mean damage % per intensity has been produced for each settlement type.Mean Damage (%)6050403020P1,Z01P2,Z01P3,Z01P4,Z01P5,Z01P1,Z23P2,Z23P3,Z23P4,Z23P5,Z23100V VI VII VIII IXIntensity (EMS-98)Figure 2: Mean Damage – intensity relationship for different seismic construction zone types and variouspopulation classes. Z01 – Seismic zones 0 or 1, Z02 – Seismic zones 2 or 3.The standard deviation has been applied over the following damage grade, where the centraldamage factor defining the middle of the grade was converted to a damage grade, and then theprobability distribution applied to see the number of buildings in each damage class (0-5) withvarying central damage factors and ratios, as per specifications in [2]. For the non-residentialelements, a mean damage ratio of 0.015 was applied for intensity VI, 0.05 for intensity VII and0.12 for intensity VIII.4 LOSS ANALYSIS FOR THE Mw5.7 BEDBURG EARTHQUAKE SCENARIOThe following tables show the compiled results of the studies of and damage grading used inEMS-98. Approximately 3500 settlements in Germany, Netherlands and Belgium had someform of damage. In large settlements (P5) checks were made as to the distribution of damageover the city area. The following are the top settlement in each of the 3 countries affected bythe earthquake with the mean damage %. The higher damage in lower population cities ischaracterised by the greater use of unreinforced masonry buildings which have lower seismicresistance than engineered reinforced concrete buildings.Table 6: The top settlement in each of the 3 affected countries with the highest damage grades.Name Lat. (°N) Long (°E) Country Pop.SeismicCodeRegionRhyp,faultV s,30ave.MMIPopClassMeanDamage(%)Vlodrop 51.13 6.08 NL 2523 M 12.80 180 8.19 P2 23.24 2.441Bedburg 50.99 6.57 DE 24937 M 39.13 496 8.16 P3 18.84 2.295Maaseik 51.10 5.80 BE 23684 M 33.30 240 6.99 P3 4.18 1.387Dm208


The following is the damage grade in Germany, the Netherlands and Belgium in terms ofdamage grade. This is a function of the exposure, hazard (site soil type (V s,30 ), distance, GMPEused), vulnerability (seismic code used, building type etc.). Latitude is shown on the Y axis,longitude on the X axis and damage grade in the legend. The diagram also shows the economicloss per square kilometre in terms of millions of Euros. It can be seen that the diagram isdominated by the cities of Cologne, Düsseldorf, Duisberg, Essen, Bonn and Monchengladbach.The centre of the city has greater infrastructure and therefore there is a greater damage persquare kilometre in economic terms (this is not necessarily dependent on mean damage ratio).As seen in the damage classification diagram, the damage grade is a greater function of faultdependence, site class, vulnerability and distance.Figure 3: Damage grade map and economic loss (€mill per km 2 ) of the Northern Rhine region.The median estimate of total economic loss from the earthquake is shown. From theStromeyer [23] intensity relationships, this tends to underestimate the probable intensities atmany locations as the intensity results are less at locations a lot closer than the 1756 Dürenearthquake. Even with the underestimate, the median result for the [23] WLQ equation isapproximately €20 billion direct economic loss. From the Bakun and Scotti [22] relationship,the median economic loss is approximately €40 billion direct. This shows the effect of adetailed site effects analysis for certain historic scenarios. When looking at 1 standarddeviation, the [23] <strong>CH</strong>IQ can be as low as €2.9bn or as high as €59bn, and the [23] WLQ from€4.0bn to €70bn. For the [22] relations, the same orders of magnitude are seen. This shows theincredible uncertainties in macroseismic intensity relationships.Table 7: Predicted Final Economic Loss from the Mw5.7 scenario earthquake(in € million)LowerMedianResLowerMedianTotalMedianResidentialMedianTotalUpperMedianResUpperMedianTotalSponheuer (1960)- [19] 8215 18475Ambraseys (1985)- [20] 14207 30009Hinzen and Oemisch (2001)- [21] 14893 34682B&S Rhine (2006)- [22] 9246 19410 12555 25458 17173 33882B&S SCR (2006)- [22] 6218 12794 13465 25841 27949 49939S&G WLQ (2009)- [23] 5338 13513 8555 19951 12725 27696S&G <strong>CH</strong>IQ (2009)- [23] 3693 9634 6892 16050 11358 24261Düren [15] Full Site Eff. (2010) 15015 32574 18368 37739 20182 46367Thus, the total direct economic loss from such an earthquake is preferred between €32.5billion and €46.4 billion, depending on the choice of intensity prediction equation. When takingdifferences in vulnerability, the difference can be larger. This shows the uncertainties in suchanalysis for a single estimate. Using industrialised nations with large losses, the average921


indirect losses are in the order of 0.83 times the direct loss for a 2-year period through the workof [14]. Depending on damage to local resources, follow-on effects and also the industry in theNRW area as well as over the border, losses could be over 1.21 times the direct loss for the 5-year period. This gives a total approaching between €72 billion and €102.5 billion. This isabout as expected for a Newcastle, Australia 1989 event for a region (€4 billion (<strong>2011</strong>HNDECI-adjusted)) with significantly more exposure and much greater economic output. Theimpacted region with I>6 from this Mw5.7 Bedburg Scenario event has approximately 30 timesthe population of the I>6 region in the Newcastle event.The following are the top 5 cities in terms of total economic loss from the earthquake. Theyare all located in Germany. Cologne is found to have the highest loss with €6.185 billion directloss.Table 8: The top 5 settlements in terms of economic loss in terms of Düren Site Effect Relation (Upper).NameLat. LongPopulationPop MMI Mean Damage Residential Total Loss(°N) (°E)Class mean (%) Loss (€mill) (€mill)Neuss 51.20 6.68 162214 P4 7.60 9.61 1012 1507Düsseldorf 51.22 6.77 609313 P5 6.77 1.50 762 2111Köln 50.94 6.95 1031770 P5 7.16 3.28 2827 6185Krefeld 51.35 6.55 253519 P4 7.16 4.83 795 1311Duisburg 51.43 6.77 536685 P5 6.70 1.37 617 1739Additional economic losses due to Rhine Valley traffic reduction, possible damage to locksystems, landslides/rockslide potential and other features are not included. It could also beexpected that landslides (small landslips, minor rockslips, scree slope falls) and minorliquefaction effects could occur. Minor cracks in the ground could also occur. Although thisregion has a low fragility and high resilience, earthquakes are not very common, and thusrecovery, reconstruction, business interruption and other indirect effects of earthquakes mayplay a greater role due to the lack of preparedness for an earthquake of this scale. In addition,due to material and labour shortage, demand surge may occur, as has been seen in many otherdeveloped countries post-disaster.The economic loss to coal mining and other energy systems could be substantial. A largecoal mine is located in the Northern Rhine region and losses due to business interruption mayoccur. Kraftwerk Niederaußem is the closest coal electricity plant to the fault, with a totalof 3864MW per year. This is located at Bergheim, very close to the epicentre of the fault.If there is delayed production, then this could cause high losses. For the Mw5.7 Bedburgearthquake, a worst case scenario is assumed where the entire population of a town is located inthat township at the time of the earthquake i.e. the total population is exposed. This relationshipis based on past earthquakes and, due to the large return period of earthquakes in Germany, astable based Human Development Index function is used as an assumption. Between 98-166deaths and 880-1791 injuries are the median social loss estimates for this earthquake scenario.5 CONCLUSIONThe study by [36] showing the damage for the 1878 Tollhausen earthquake in Cologne andalso the 475 year return period probabilistic earthquake damage show that the damage grade inCologne from the Mw5.7 Bedburg earthquake scenario is greater than that of the 475 yearreturn period. The Mw5.7 Bedburg earthquake results of €6 billion direct loss for Cologne aresignificantly less than the M6.0 earthquake loss results of USD14 billion (1998) from [4] which2210


seems reasonable. The scenario also agrees with other studies done on minor scales in thereference list. A potential €100 billion event could occur with the reoccurrence of such anearthquake but the range of uncertainty leads to a more conservative estimate of between €60-80 billion, including indirect losses.The next step in this study is to undertake a full HAZUS-based analysis to produce acomparable estimate to the intensity-based procedure presented within this paper and to furthertest the uncertainties in vulnerability functions. This paper shows the socio-economicsignificance of earthquakes in this area and also some of the uncertainties. Further detailedanalysis should be undertaken on this region as a whole, and not just focussing on Cologne.REFERENCES[1] T.I. Allen and D.J. Wald, Topographic slope as a proxy for global seismic site conditions(VS30) and amplification around the globe. USGS OF Report 2007-1357, 2007.[2] S. Tyagunov, G. Grünthal, R. Wahlström, L. Stempniewski and J. Zschau, Seismic riskmapping for Germany. Nat. Hazards Earth Syst. Sci., 6, 573-586, 2006.[3] J. Schwarz, H. Maiwald and M. Raschke, Zu erwartende Erdbebenszenarien für deutscheGroßstadträume und Quantifizierung der Schadenspotentiale (DFNK), Report STR04/01,GeoForschungsZentrum Potsdam, 135–148, 2004.[4] A. Allmann, E. Rauch, and A. Smolka, New paleoseismological findings on majorearthquakes in Central Europe. Possible consequences for the earthquake loss potential inGermany. Proceedings 11th ECEE Paris/France, Rotterdam, 1998.[5] J. Schwarz, M. Raschke and H. Maiwald, Comparative Seismic Risk Studies for GermanEarthquake Regions on the Basis of the European Macroseismic Scale EMS-98. Nat.Hazards, 38, 259–282, 2006.[6] G. Grünthal, A.H. Thieken, J. Schwarz, K. Radtke, A. Smolka, and B. Merz,Comparative Risk Assessments for the City of Cologne – Storms, Floods, Earthquakes.Natural Hazards, 38, 21–44, 2006.[7] G. Grünthal and R. Wahlström, New Generation of Probabilistic Seismic HazardAssessment for the Area Cologne/Aachen Considering the Uncertainties of the InputData. Natural Hazards, 38, 159–176, 2006.[8] G. Grünthal and R. Wahlström, An Mw based earthquake catalogue for central, northernand northwestern Europe using a hierarchy of magnitude conversions. Journal ofSeismology, 7, 4, 507–531, 2003. Also CENEC, 2008, 2010.[9] EKDAG – J. Schwarz, S. Beinersdorf, C. Golbs, L. Ahorner and H. Meidow, EKDAG2006 - Erdbebenkatalog für Deutschland und angrenzende Gebiete – erweiterer Ahorner-Katalog, Cologne/Weimar, 2006.[10] T. Camelbeeck, K. Vanneste, et al., Relevance of active faulting and seismicity studies toassessments of long-term earthquake activity and maximum magnitude in intraplatenorthwest Europe between the Lower Rhine Embayment and the North Sea. GeologicalSociety of America, Special Papers, 425, 193-224, 2007.[11] L. Ahorner, Möglichkeiten und Grenzen paläoseismologischer Forschung inmitteleuropäischen Erdbebengebieten. DGEB-Publikation 9, 9-44, 1998 and references.[12] K-G. Hinzen and S. Schütte, Evidence for earthquake damage on Roman buildings inCologne, Germany. Seismological Research Letters, 74, 124-140, 2003.1123


[13] K-G. Hinzen, S.K. Reamer, Seismicity, seismotectonics and seismic hazard in theNorthern Rhine Area. Geo. Soc. Of America, Special Papers, 425, 225-242, 2007.[14] J.E. Daniell, The Worldwide CATDAT Damaging Earthquakes Database. NaturalHazards and Earth System Sciences, in sub.[15] SisFrance, SisFrance Catalogues des Seismes, accessed online 02/2010, 2010.[16] R. Musson, G. Grünthal, M. Stucchi, The comparison of macroseismic intensity scales,Journal of Seismology, DOI 10.1007/s10950-009-9172-0, 2009.[17] S. Parolai, S.M. Richwalski, C. Milkereit, D. Fäh, S-wave velocity profiles forEarthquake Engineering purposes for the Cologne Area, Bull. Eq. Eng., 4, 65-94, 2006.[18] TC4-ISSMGE, Manual for Zonation on Seismic Geotechnical Hazards (RevisedVersion), The Japanese Geotechnical Society, 1999.[19] W. Sponheuer, Methoden zur Herdtiefenbestimmung in der Makroseismik. FreibergerForschungsheft C88, Akademie-Verlag Berlin, 1960.[20] N. Ambraseys, Intensity-attenuation and magnitude-intensity relationships for NorthwestEuropean earthquakes. Earthq. Eng.Struct. Dyn., 13, 733-778, 1985.[21] K-G. Hinzen, M. Oemisch, Location and magnitude from seismic intensity data of recentand historic earthquakes in the N Rhine area, Central Europe. BSSA, 91, 40-56, 2001.[22] W. Bakun, O. Scotti, Regional intensity attenuation models for France and the estimationof magnitude & location of historical earthquakes. Geophys. J. Int., 164, 596-610, 2006.[23] D. Stromeyer, G. Grünthal, Attenuation relationship of macroseismic intensities inCentral Europe. Bull. Seis. Soc. Am., 99, 2A, 554-565, 2009.[24] L. Abrahamczyk, T. Langhammer, J. Schwarz, Erdbebengebiete der BundesrepublikDeutschland–eine statistische Auswertung. Bautechnik, 82, 8, 500–507, 2005 (DIN4149)[25] Comité Europeen de Normalization (CEN), Eurocode 8: Design of Structures forEarthquake Resistance – Parts 1-6. EN 1998-1-6, Brussels, Belgium, 2005.[26] S. Amstein, D.H. Lang, J. Schwarz, Schütterwirkungen historischer Erdbeben und ihreBedeutung für das Erdbebeningenieurwesen. Bautechnik, 82, 641-656, 2005.[27] G. Solomos, A. Pinto, S. Dimova, A review of the Seismic Hazard Zonation in NationalBuilding Codes in the context of EC8. JRC Report, EUR 23563 EN-2008, 2008.[28] Th. De Crook, A seismic zoning map conforming to EC8, and practical earthquakeparameter relations for the Netherlands, Geologie en Mijnbouw, 75, 11-18, 1996.[29] Y. Frech, F.G. Hoffman, F.U. Vogdt, C. Wetzel, State of Art: Germany. IOS Press, 2007.[30] DESTATIS, Statistical data for Germany [online], <strong>2011</strong> (+ add. statistical agencies)[31] J. Schwarz, T. Langhammer, H. Maiwald, A. Smolka, Comparative Seismic Risk Studiesfor German Earthquake Regions - Damage and Loss Assessment for the City ofCologne, 13th WCEE, Canada, 238, 2004.[32] M.T. Andeweg, F.W.A. Koopman, State of the Art: Netherlands. IOS Press, 2007.[33] A. De Naeyer, State of the Art: Belgium. IOS Press, 2007.[34] L. Kleist, A.H. Thieken, M. Müller, I. Seifert, D. Borst, U. Werner, Estimation of theregional stock of residential buildings as a basis for comparative risk assessment forGermany. Natural Hazards and Earth System Sciences, 6, 541-552, 2006.[35] G. Grünthal, D. Mayer-Rosa, W.A. Lenhardt, Abschätzung der Erdbebengefährdung fürdie D-A-<strong>CH</strong>-Staaten. Bautechnik, 75, 10, 753–767, 1998.[36] J. Schwarz, M. Raschke, A. Gerstenberger, Seismische Schadenspotentiale in deutschenGrosstadträumen – Fallstudie Köln. DGEB-Publikation Nr. 11, 69–83, 2002.2412


12. D-A-<strong>CH</strong> Tagung – Erdbeben und BaudynamikC. Könke (Hrsg.)Hannover, Deutschland, 15.–16. September <strong>2011</strong>UNTERSU<strong>CH</strong>UNGEN HISTORIS<strong>CH</strong>ER ERDBEBEN IN DER S<strong>CH</strong>WEIZD. Fäh *, M. Gisler, G. Schwarz-Zanetti, S. Fritsche, P. Kästli und D. Giardini* Schweizerischer Erdbebendienst ETH ZürichSonneggstrasse 5, <strong>CH</strong>-8092 ZürichE-mail: faeh@sed.ethz.chStichworte: Historische Erdbeben, Schweiz, Makroseismik, Seismische GefährdungKurzbeschreibung: Der Schweizerische Erdbebendienst der ETH Zürich hat in den Jahren1999 bis 2002 eine Gesamtrevision des historischen Erdbebenkatalogs der Schweizvorgenommen und als ECOS-02 online publiziert. Mitte 2010 wurde eine weitere Revisiondurchgeführt, der aktualisierte Katalog ist seit Frühjahr <strong>2011</strong> auf der Internetseite desSchweizerischen Erdbebendienstes (ECOS-09) zugänglich (http://www.seismo.ethz.ch). Er wirdsowohl im Nachfolgeprojekt der seismischen Gefährdungsanalyse der Kernanlagen in derSchweiz, als auch für die neue Generation der seismischen Gefährdungskarten der Schweiz zurAnwendung kommen.Im Rahmen der Aufarbeitung aller bekannten Schadenbeben wurden in zahlreichenArchiven und Bibliotheken der Schweiz und der angrenzenden Regionen Hunderte vonDokumenten gesichtet und nach Hinweisen zu Erdbeben durchforstet. Zudem wurden alleverfügbaren Erdbebenstudien, -kataloge und -datenbanken abgeglichen und in einer eigensdazu entwickelten Datenbank zusammengefasst. Insgesamt wurden für die Schweiz über 500Erdbeben historisch neu bewertet. Davon erreichten 144 eine maximale Intensität von VI oderhöher. Über 400 Ereignisse konnten als fehlerhaft oder als Duplikate identifiziert werden. Diegewonnenen Daten wurden anschliessend an die historische Aufarbeitung seismologischausgewertet. Für jedes Erdbeben mit nennenswerten Auswirkungen wurde einemakroseismische Karte erstellt. Diese makroseismischen Daten sind ebenfalls auf derInternetseite des Schweizerischen Erdbebendienstes greifbar (http://www.seismo.ethz.ch). DieErgebnisse dieser umfangreichen Studien dienen der Abschätzung der Erdbebengefährdungder Schweiz ebenso wie Untersuchungen zum Erdbebenverhalten heutiger Bausubstanzen.125


1 HISTORIS<strong>CH</strong>E ERDBEBENFORS<strong>CH</strong>UNG IN DER S<strong>CH</strong>WEIZDer Schweizerische Erdbebendienst der ETH Zürich hat in den Jahren 1999 bis 2002 eineGesamtrevision des historischen Erdbebenkatalogs der Schweiz vorgenommen [3] und alsEarthquake Catalog of Switzerland 2002 (ECOS-02) online publiziert. Mitte 2010 wurde eineweitere Revision durchgeführt [4]; dieser aktualisierte Katalog ist seit Frühjahr <strong>2011</strong> auf derInternetseite des Schweizerischen Erdbebendienstes als Earthquake Catalog of Switzerland2009 (ECOS-09) zugänglich (http://www.seismo.ethz.ch). Er wird sowohl im Nachfolgeprojektder seismischen Gefährdungsanalyse der Kernanlagen in der Schweiz PRP (PEGASOSRefinement Project), als auch für die neue Generation der seismischen Gefährdungskarten derSchweiz zur Anwendung kommen.Im Rahmen der Aufarbeitung aller bekannten Schadenbeben sowie ausgewählterschwächerer Ereignisse wurden in zahlreichen Archiven und Bibliotheken der Schweiz und derangrenzenden Regionen Hunderte von Dokumenten gesichtet und nach Hinweisen zu Erdbebendurchforstet. Zudem wurden alle verfügbaren Erdbebenstudien, -kataloge und -datenbankenabgeglichen und in einer eigens dazu entwickelten Datenbank zusammengefasst. Insgesamt galtes, über 500 Erdbeben historisch neu zu bewerten. Davon erreichten 144 eine maximaleIntensität von VI oder höher, sie verursachten also (zum Teil schwere) Gebäudeschäden.Die Suche nach historischen Dokumenten in Archiven und Bibliotheken hat eine Vielzahlwichtiger (Zeitzeugen-)Berichte zu Tage gefördert, die zum Teil detailliert über die Wirkungund die Folgen von Erdbeben Auskunft geben. Diese Dokumente enthalten wertvolleBeschreibungen der Erdbebenwirkung auf Gebäude, auf Menschen sowie auf die Landschaft,letztere beispielsweise in der Schilderung von Bergstürzen, von Bodenverflüssigungen odervon Flutwellen in Seen. Solche (auch unspektakuläre) Berichte wurden systematisch erfasstund ausgewertet, und die gewonnenen Basisdaten in einer Datenbank zusammengeführt. Eineintensive Kollaboration mit benachbarten Forschungsgebieten wie die Paläoseismologie, dieArchäologie oder das Ingenieurwesen, erlaubte es, Fragen der Erdbebenwirkung hinsichtlichder Verletzbarkeit von Gebäuden oder des Einflusses des lokalen Untergrundes zu erörtern. Beider Bearbeitung standen die Schadenbeben im Zentrum, zahlreiche kleinere Beben geselltensich im Zuge der Aufarbeitung dazu. Über 400 im Vorgängerkatalog MECOS99 (MacroseismicEarthquake Catalog Of Switzerland 1999) aufgeführte Ereignisse konnten als fehlerhaft oderals Duplikate identifiziert werden. Vereinzelt wurden auch bislang unbekannte Beben«entdeckt».Zu den folgenschweren Beben gehören das Ereignis von Augusta Raurica vom Jahr 250, dieErdbeben in der Schweiz in der Spätantike und im Frühmittelalter, das falsche Basler Erdbebenvon 1021, das berühmte Erdbeben von Basel 1356 sowie ein weiteres von 1650 in der RegionBasel, die Erdbeben von Ardon 1524 und Aigle 1584 (letzteres mit ausgelöstem Bergsturz undFlutwelle im Genfersee), die Erdbeben in der Zentralschweiz 1601 (mit Tsunami imVierwaldstättersee und Bergsturz am Bürgenstock), 1774, 1775 und 1777 und dieErdbebenserie von 1964, die Schadenbeben in Graubünden von 1295, 1504 und 1622 bzw. imSt. Galler Rheintal von 1795 und 1796. Von eminenter Bedeutung waren die WalliserEreignisse, insbesondere diejenigen von 1755, 1837, 1855, 1880 und 1924 in der Region Brig-Visp-Törbel bzw. von 1685 und 1946 im Mittelwallis.Anschliessend an die historische Aufarbeitung wurden die gewonnenen Daten seismologischausgewertet. Für jedes Erdbeben mit nennenswerten Auswirkungen wurden makroseismische262


Parameter erhoben und Karten erstellt. Diese Daten sind ebenfalls auf der Internetseite desSchweizerischen Erdbebendienstes abrufbar (http://www.seismo.ethz.ch).Abbildung 1. Aktuelle Übersichtspublikationen zu historischen Erdbeben in der Schweiz.Die Ergebnisse dieser zehnjährigen Forschung wurden nicht nur online, sondern auch inzahlreichen Publikationen in Fachzeitschriften bzw. in Buchform veröffentlicht. Im 2008erschienenen Buch „Nachbeben“ [11] sind die wichtigsten Schadenbeben beschrieben sowieweitere Ereignisse der Erdbebengeschichte der Schweiz dokumentiert. Das Buch „Erdbeben inGraubünden“ [18] beschreibt die wichtigsten Erdbeben für den Kanton Graubünden. Um denStand der wissenschaftlichen Forschung in der historischen Seismologie geht es in einemaktuellen Doppelband von <strong>2011</strong> [10, 27]. Hierin wurden alle bekannten Schadenereignisse undalle identifizierten Falschmeldungen, die in früheren Erdbebenkatalogen der Schweiz und desAuslands aufgeführt waren, sowie einige ausgewählte Schwachbeben vorgestellt und mitmakroseismischen Informationen und weiterführenden Kommentaren versehen. Der erste327


Teilband umfasst die Jahre 1000–1680, der zweite schliesst direkt daran an und führt bis zurZeit der Gründung der Schweizerischen Erdbebenkommission 1878. Diese, eine Vorgängerindes Schweizerischen Erdbebendienstes, publizierte ab 1879 ihrerseits Jahresberichte, diegedruckt greifbar sind und heute noch weitergeführt werden [32, 33] (Abbildung 1).Die Untersuchungen der letzten Jahre führten zu erweiterten Kenntnissen derErdbebengefährdung der Schweiz. Der folgende Beitrag stellt exemplarisch einige historischeErdbeben vor, diskutiert kurz deren Datenbasis sowie einige Besonderheiten. Abschliessenwird der Aufsatz mit einer Diskussion der Anwendung makroseismischer Daten in derseismischen Gefährdungsanalyse. Für ausführliche Informationen sei auf die oben genanntenSchriften sowie auf die Publikationenliste am Ende dieses Beitrags verwiesen.2 BEISPIELE HISTORIS<strong>CH</strong>ER ERDBEBEN IN DER S<strong>CH</strong>WEIZ2.1 Augusta Raurica im Jahr 250Für das Gebiet der heutigen Schweiz lassen sich für die Zeit vor dem Jahr 1000 rund einhalbes Dutzend Erdbeben nachweisen [14, 16]. Dies ist sehr wenig, wenn man bedenkt, dass inder Schweiz pro Jahr mit einem bis vier verbreitet verspürten seismischen Ereignissen zurechnen ist. Gründe dafür liegen in der Schwierigkeit, für diese Zeit historische Daten zufinden; der Zeitraum gilt, insbesondere für die Schweiz, als quellenarm.Bekannt sind die Beben in den Jahren 849 (zwei Ereignisse), 867, 902, 944 sowie 954. Einangebliches Ereignis im Jahr 563 wurde als Bergsturz identifiziert. Offen bleiben muss fürdiese frühen Beben deren Lokalisierung ebenso wie eine konkrete Zuordnung derSchadensbilder. Es wird auch nicht erwartet, dass in Zukunft noch ergänzendes Materialauftauchen wird, denn für diese Zeit sind alle schriftlichen Zeugnisse bekannt und ausgewertet.Eine Ausnahme könnten allerdings archäologische Funde bilden.In diesem Zusammenhang ist das vermutete Erdbeben bei der Römerstadt Augusta Raurica(heute Augst BL) interessant. Archäologische Befunde sowie seismologische Untersuchungenordnen das an diesem Ort anzutreffende Schadensbild mit Vorbehalt einem oder zwei Erdbebenum die Mitte des 3. Jahrhunderts zu [2]. Denn das Schadensbild weist markante Eigenschaftenauf, die für ein Erdbeben sprechen. So konzentrieren sich die Schäden auf ein bestimmtes Areal(die Oberstadt), mit typischer Zerstörung wie sie aus der Archäologie als Folge von Erdbebenbekannt ist: im Verband umgestürzte Mauern, Skelettfunde unter solchen Mauerverstürzen,Spuren eines raschen, improvisierten Wiederaufbaus. All dies deutet auf ein kurzanhaltendes(im Gegensatz zu einem kriegerischen Angriff) zerstörerisches Ereignis hin [23].Ein weiterer Hinweis auf ein Erdbeben ist die Möglichkeit der Existenz eines aktiven Bruchsin der Umgebung von Augusta Raurica, ausserhalb des Rheingrabens. Die zu erwartendengrossen Standorteffekte während eines Erdbebens machen den Ort zu einem äusserstinteressanten Studienobjekt für die Seismologie. Im Rahmen eines Nationalfondsprojekts(„Spuren von Erdbeben, Kämpfen und Wiederaufbau in Augusta Raurica – Ein archäologischseismologischesForschungsprojekt“) wurden Felduntersuchungen im Gebiet durchgeführt, ummögliche Bruchstrukturen in der nahen Umgebung zu identifizieren und ein Modell der lokalenGeologie zu konstruieren [2, 6, 22]. Dieses Modell wurde anschliessend für numerischeSimulationen von möglichen Erdbeben benutzt, zur Abschätzung der Bodenbewegungen beieinem Erdbeben und der Auswirkung für das Gebiet der Römerstadt (Abbildung 2). Undschliesslich wurden Starkbebenmessgeräte installiert, die der Überprüfung der numerischen284


Modelle und der langfristigen Überwachung möglicher Bruchstrukturen in der Umgebung vonAugst dienen. Die bis heute aufgezeichneten Signale und Verstärkungen bestätigen dieResultate der numerischen Modellierung. Eine abschliessende Antwort auf die Frage derExistenz oder Nichtexistenz eines grossen Erdbebens in der Mitte des 3. Jahrhundert kannjedoch auch damit nicht gegeben werden.Abbildung 2. Mögliche Auswirkungen eines lokalen Erdbebens der Magnitude 5.9 in der Römerstadt. Dieberechneten makroseismischen Intensitäten wurden mit den erdbebenrelevanten archäologischen Fundenverglichen. Bedeutung der makroseismischen Intensitäten: VI=leichte Gebäudeschäden; VII=Gebäudeschäden;VIII=schwere Gebäudeschäden; IX=zerstörend.2.2 Das falsche Basler Erdbeben vom 12. Mai 1021Seit dem 16. Jahrhundert findet sich in allen einschlägigen Erdbebenkatalogen dieBehauptung, dass ein im Jahr 1021 im Raum Basel sich ereignendes Erdbeben dem starkenErdbeben von 1356 vergleichbare Schäden verursacht haben soll. Ein zweites ähnlich starkesEreignis beeinflusst die Risikoeinschätzung für Basel entsprechend. Es galt also, dieseBehauptung zu überprüfen, umso mehr, als bislang zeitgenössische Berichte fehlten [31]. ImRahmen eines internen Projekts wurden folglich Arbeiten der Basler Geschichtsschreibung derersten Hälfte des 16. Jahrhunderts untersucht und Texte zur Münstergeschichte philologischanalysiert. Dies erlaubte den einwandfreien Nachweis, dass die Geschichtsschreiber des 16.Jahrhunderts in mehreren Schritten die knappe Quellenlage zum Neubau des Basler Münstersim 11. Jahrhundert mit verschiedenen Schadensthesen, unter anderem einer seismischen, zubelegen versuchten. Zudem wurde in der sogenannten Stumpf-Chronik von 1547/48 dieErdbebenthese fälschlicherweise mit Details aus einem Originalbericht zum Erdbeben von1356 sowie dem Datum des Bayern-Ostschweiz-Bebens vom 12. Mai 1021 ausgeschmückt undals Faktum dargestellt. Das Erdbeben fand zwar statt, aber anders als es uns die Überlieferung529


isher glaubhaft machen wollte (ein schwaches Beben im Raum Bayern-Ostschweiz). Mit demNachweis einer Fälschung für Basel und der Eliminierung eines starken Ereignisses aus derStatistik grosser Schadenbeben musste die Folgenabschätzung der Erdbebengefährdung für denRaum Basel korrigiert werden.2.3 Das Erdbeben von 1295 in ChurwaldenDas Erdbeben von 1295 mit Epizentrum im Raum Churwalden (Kanton Graubünden) ist dasgrösste bisher bekannte Erdbeben im Gebiet der Südostschweiz. Mehrere zeitgenössischeQuellen belegen, dass am Nachmittag des 3. September 1295 ein starkes Erdbeben dieOstschweiz, Süddeutschland, Österreich und Italien erschütterte. Dabei wurden das dortigeKloster und die Burgen der weiteren Umgebung stark beschädigt [30]. Es handelt sich hierbeium das älteste Schweizer Schadenbeben, das sich aufgrund mehrerer Schriftquellen zuverlässigbeschreiben lässt. Überträgt man dieses Erdbeben auf die heutige Zeit, so werden für einehypothetische Wiederholung eines derartigen Erdbebens allein für das Gebiet des heutigenKantons Graubünden Gebäudeschäden von ungefähr fünf Milliarden Schweizer Frankenerwartet [18]. Aufgrund von Erfahrungen aus einer Vielzahl von Erdbeben weiss man, dass dieGesamtschäden rund zwei-bis dreimal höher sind als die Gebäudeschäden. Somit würde sichder Gesamtschaden im Kanton Graubünden auf ungefähr zwölf Milliarden Franken belaufen.2.4 Das Erdbeben von Basel 1356Der Raum Basel gehört trotz des irrtümlichen Bebens von 1021 zu den von Erdbeben amstärksten betroffenen Regionen der Schweiz. Dafür ist, wenn auch nicht ausschliesslich, dasbekannte Erdbeben von Basel von 1356 verantwortlich. Verschiedene ältere Studien haben sichmit der Parametrisierung dieses Ereignisses befasst. Auffallend dabei war die nichtunerhebliche Divergenz der Angaben zur Magnitude. Eine Sichtung dieser Studien ergab, dasssich diese lediglich auf Teilbereiche stützten, etwa dass nur die Stadt Basel untersucht wurde,oder dass lediglich die zerstörten Burgen neu lokalisiert wurden, ohne etwa das gesamteSchadensausmass zu bestimmen.Grund genug, das Erdbeben als Gesamtereignis zu untersuchen. Im Rahmen des Projekts„Neubewertung des Erdbebens in Basel von 1356“ wurde mittels eines interdisziplinärenZugangs (Geschichte, Philologie, Archäologie, Paläoseismologie, Seismologie,Ingenieurwesen) das Ereignis neu aufgerollt und alle heute bekannten Quellen erneutausgewertet [5, 11, 29]. Zwar ist die Quellenlage für das Basler Beben von 1356 deutlich besserals etwa diejenige des Churwaldner Bebens von 1295, doch ist sie für eine seismologischeAuswertung immer noch knapp. Die Zusammenarbeit des Schweizerischen Erdbebendienstesmit der Basler Denkmalpflege und der archäologischen Bodenforschung der Stadt Baselermöglichte es allerdings, für die Stadt Basel ein umfangreiches Gebäudeinventarzusammenzustellen und mögliche Schäden des Erdbebens systematisch zu erfassen. Dieserlaubte eine genaue Analyse der Wirkung des Bebens in der Stadt (Abbildung 3). Zudemkonnte erstmals die Sequenz der starken Vorbeben rekonstruiert werden.306


Abbildung 3. Übersicht über das Schadensbild des Erdbebens von 1356 in der Stadt Basel (modifiziert aus [5]).2.5 Flutwellen und Bergstürze im März 1584 im Genferseegebiet und 1601 amVierwaldstätterseeAm 11. März 1584 erschütterten mehrere starke Beben die Region rund um den Genfersee[11, 26]. Die erste heftige Erschütterung löste einen Bergsturz am oberen Teil der Tour d’Aïbei Aigle aus, Teile des Bergs fielen auf eine Moränenterrasse, von der aus sich drei Tagespäter Schuttlawinen lösten und die Dörfer Corbeyrier und Yvorne zudeckten.Kaum Beachtung bei der Auswertung des Ereignisses fand bislang die Beschreibung vonungewöhnlich heftigen Bewegungen im Wasser des Genfersees. Das grosse Ausmass derbeschriebenen sekundären Schäden lässt auf äusserst starke Bodenbewegungen rückschliessen.Dadurch wurden subaquatische Rutschungen ausgelöst, die Flutwellen erzeugten, die ihrerseitsim Uferbereich des Rhonedeltas starke Schäden anrichteten.Lassen sich die Flutwellen für das oben angeführte Ereignis lediglich aus schriftlichenQuellen erschliessen, so konnten die im Zusammenhang mit dem Innerschweizer Erdbeben von1601 ausgelösten Rutschungen durch paläoseismologische Untersuchungen an mehrerenStellen im Vierwaldstättersee nachgewiesen werden [21, 24, 25, 28]. Am Morgen des 18.Septembers 1601 wurde Unterwalden heftig erschüttert, die Stösse wurden in weiten TeilenMitteleuropas und bis nach Norditalien verspürt; gravierende Schäden und vermutlich aucheinige Todesopfer waren die Folge. Die nachgewiesenen subaquatischen Rutschungen führtenin Kombination mit einem ausgelösten Bergsturz am Bürgenstock zu einer Flutwelle anmehreren Orten im Vierwaldstättersee, mit beträchtlichen Schadensfolgen. Uferpartien undnahegelegene Gebäude wurden stark beschädigt.731


Bemerkenswert in diesem Zusammenhang sind weitere nachgewiesene prähistorischeEreignisse in der Zentralschweiz, die eine Vielzahl von Rutschungen im Vierwaldstättersee undim Zürichsee verursacht haben könnten [34]. Falls diese grösseren seismischenErschütterungen zugeordnet werden können, müssten letztere deutlich stärker gewesen sein, alsdies aus historischen Aufzeichnungen für die Zentralschweiz zu rekonstruieren ist.Im Gegensatz dazu hinterliess das Erdbeben von 1356 im Vierwaldstättersee keine Hinweiseauf Rutschungen; die Distanz zum Erdbebenherd war schlicht zu gross, die Bodenbewegungenhätten dafür nicht ausgereicht.2.6 Schadenanalyse der Ereignisse von 1855, 1946 und 1964Intensive Forschung wurde im Zusammenhang mit dem Projekt „The history of strongearthquakes in Switzerland“ in den Jahren 2003 bis 2007 betrieben [7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 15,17, 27, 28, 30]. Dabei wurden unter anderem sämtliche verfügbaren Schadensbeschriebe für dieErdbeben von 1855, 1946 im Wallis bzw. von 1964 in Obwalden zusammengestellt undanalysiert. Für ausgewählte Standorte mit grosser Informationsdichte wurden die Ursachen derSchäden detailliert untersucht. Dazu wurden geologische Informationen, Messungen mit Hilfegeophysikalischer Methoden und die Eigenschaften der beschädigten wie auch der intaktgebliebenen Gebäude analysiert. So entstand ein umfangreiches Inventar von verschiedenenGebäudetypen und deren Beschädigungen. Zweck der Untersuchung war die Beantwortung derFrage, ob das Schadensbild durch einen Standorteinfluss aufgrund der lokalenBodenverhältnisse geprägt ist, und/oder ob die Verletzbarkeit der Gebäude eine wesentlicheRolle gespielt hat. Dabei konnten Gebiete nachgewiesen werden, in denen aufgrund des lokalenUntergrunds Verstärkungen der Bodenbewegungen aufgetreten sind. Zudem wurde eineVielzahl von ausgelösten Hangrutschungen, Steinschlag und Lawinen sowieBodenverflüssigungen kartiert. Solche sekundären Phänomene sind auch bei zukünftigenBeben wieder zu erwarten.Abbildung 4. Schadensübersicht in Visp,nach dem grossen Erdbeben von 1855 imOberwallis (aus [9]). Die Zahlenbezeichnen die Schadensgrade nach EMS-98 für einzelne Gebäude. Phänomene wieBodenverflüssigung, Steinschlag undHangrutschungen waren weit verbreitetePhänomene.328


Abbildung 4 zeigt das Beispiel der Analyse des Erdbebens von 1855 im Oberwallis [9].Aufgrund der historischen Quellenlage konnte das Schadensbild in Visp mit grosserGenauigkeit rekonstruiert und die Lage einer Vielzahl von Gebäuden bestimmt werden.Historische Recherchen erlaubten es auch, zuverlässige Aussagen über die Bauweisen zumachen. Aus den vorliegenden Untersuchungen können Informationen zur Verletzbarkeit derGebäude und zu möglichen Ausdehnungen der sekundären Phänomene abgeleitet werden, diein Zukunft für die Entwicklung von Erdbebenszenarien verwendet werden können. DieErkenntnisse über die Schadensverteilung der Erdbeben helfen zudem, Mikrozonierungsstudienzu validieren und Gebiete mit zu erwartenden standortbedingten Verstärkungseffektenabzugrenzen. Aktuell wird für die Region Brig-Visp-Mattertal im Projekt COGEAR(http://cogear.ethz.ch) an solchen Szenarien gearbeitet.3 ANWENDUNG MAKROSEISMIS<strong>CH</strong>ER DATENDie aus den historischen Daten generierten makroseismischen Intensitätsfelder wurden dazuverwendet, historische Erdbeben neu zu kalibrieren und eine Magnitudenabschätzungvorzunehmen [1]. Für unterschiedliche Oberflächengeologien und tektonische Regionenkonnten typische Verstärkungseffekte bei Erdbeben abgeleitet werden. Die so entstandeneAmplifikationskarte der Schweiz erlaubte – trotz beträchtlicher Unsicherheiten – dieBerechnung realistischer Szenarien für die Auswirkungen realer oder hypothetischer Beben[19, 20]. Solche Erdbebenmodelle werden für schnelle Folgenabschätzungen imKatastrophenfall (Bodenerschütterungskarten oder Shakemaps zugänglich auf der Internetseitedes Schweizerischen Erdbebendienstes, http://www.seismo.ethz.ch), wie auch fürErdbebenszenarien verwendet. Bei einigen Dutzend Ortschaften der Schweiz mit genügendguter Datenlage konnten direkt und ohne Verwendung geologischer Informationenungewöhnlich hohe oder ausserordentlich tiefe Intensitätswerte festgestellt werden [20]. DiesesVorgehen erlaubt es, geologisch bedingte Amplifikationen, etwa durch ausgedehnteSeeablagerungen (Luzern und Yverdon) oder durch die wassergesättigten Sand- undSiltablagerungen in Flusstälern, zu quantifizieren oder die Wirkung von zwei- oderdreidimensionalen Resonanzphänomenen zu beobachten. Für einige Gebiete können dieUrsachen heute noch nicht erklärt werden. Die Erkenntnisse aus diesen Untersuchungenwerden bei der Standortwahl für neue Starkbebenstationen im laufenden Projekt zurErneuerung des Starkbeben-Netzwerks in der Schweiz berücksichtigt.4 AUSBLICKPrimäres Ziel der nächsten Jahre wird es sein, die Zusammenarbeit der historischenSeismologie mit Nachbardisziplinen, vor allem dem Ingenieurwesen, weiterzuführen und zuvertiefen. Im Vordergrund stehen dabei die kleineren Schadenbeben des 19. und 20Jahrhunderts, für die eine Fülle von historischem Material, auch dank eines immer besserenZugangs zu Archivmaterial, zu erwarten ist. Diese Beben sind insofern relevant, als sie neueErkenntnisse zur Erdbebengefährdung in der Schweiz liefern können und dasErdbebenverhalten heutiger Bausubstanz gezielter beurteilt werden kann.933


BIBLIOGRAPHIE[1] S. Álvarez-Rubio, P. Kästli, D. Fäh, S. Sellami, D. Giardini, Parameterization ofhistorical earthquakes in Switzerland. Journal of Seismology (eingereicht), <strong>2011</strong>.[2] D. Fäh, Ein Erdbeben in Augusta Raurica? Jahresberichte aus Augst und Kaiseraugst 30,2009, 291–305, 2009[3] D. Fäh, D. Giardini, F. Bay, F. Bernardi, J. Braunmiller, N. Deichmann, M. Furrer, L.Gantner, M. Gisler, D. Isenegger, M.J. Jimenez, P. Kästli, R. Koglin, V. Masciadri, M.Rutz, C. Scheidegger, R. Schibler, D. Schorlemmer, G. Schwarz-Zanetti, S. Steimen, S.Sellami, S. Wiemer und J. Wössner, Earthquake Catalog Of Switzerland (ECOS) AndThe Related Macroseismic Database. Eclogae Geol. Helv. Swiss Journal of Geosciences96, 219–236, 2003.[4] D. Fäh, D. Giardini, P. Kästli, N. Deichmann, M. Gisler, G. Schwarz-Zanetti, S. Alvarez-Rubio, S. Sellami, B. Edwards, B. Allmann, F. Bethmann, J. Wössner, G. Gassner-Stamm, S. Fritsche und D. Eberhard, ECOS-09 Earthquake Catalog of Switzerland <strong>2011</strong>release, report and database, public catalog, 17. 4. <strong>2011</strong>. Swiss Seismological ServiceETH Zurich, Report SED/RISK/R/001/<strong>2011</strong>0417, <strong>2011</strong>.[5] D. Fäh, M. Gisler, B. Jaggi, P. Kästli, T. Lutz, V. Masciadri, C. Matt, D. Mayer-Rosa, D.Rippmann, G. Schwarz-Zanetti, J. Tauber und T. Wenk, The 1356 Basel earthquake: aninterdisciplinary revision. Geophys. J. Int. 178, 351–374, 2009.[6] D. Fäh, S. Steimen, I. Oprsal, J. Ripperger, J. Wössner, R. Schatzmann, P. Kästli, I.Spottke und P. Huggenberger, The earthquake of 250 A.D. in Augusta Raurica, a realevent with a 3D site-effect? Journal of Seismology 10 (4), 459–477, 2006. DOI:10.1007/s10950-006-9031-1.[7] S. Fritsche und D. Fäh, The 1946 Magnitude 6.1 Earthquake in the Valais: Site-Effects asContributor to the Damage. Swiss J. Geosci. 102, 423–439, 2009. DOI 10.1007/s00015-009-1340-2.[8] S. Fritsche, D. Fäh, B. Steiner und D. Giardini, Damage Fields and Site-Effects:Multidisciplinary Studies of the 1964 Earthquake Series in Central Switzerland. NaturalHazards, DOI 10.1007/s11069-008-9258-y, 2007.[9] S. Fritsche, D. Fäh, M. Gisler und D. Giardini, Reconstructing the damage field of the1855 earthquake in Switzerland: historical investigations on a well-documented event.Geophys. J. Int. 166, 719–731, 2006.[10] M. Gisler und D. Fäh, Grundlagen des Makroseismischen Erdbebenkatalogs der Schweiz,Band 2, 1681–1878. Herausgegeben vom Schweizerischen Erdbebendienst, Zürich: vdf,185 Seiten, <strong>2011</strong>.[11] M. Gisler, D. Fäh und D. Giardini (Hg.), Nachbeben. Eine Geschichte der Erdbeben inder Schweiz, Bern: Haupt Verlag, 187 Seiten, 2008.[12] M. Gisler, D. Fäh und N. Deichmann, The Valais Earthquake of December 9, 1755.Eclogae Geol. Helv. Swiss Journal of Geosciences 97, 411–422, 2004.[13] M. Gisler, D. Fäh und P. Kästli, Historical Seismicity in Central Switzerland. EclogaeGeol. Helv. Swiss Journal of Geosciences 97, 221–236, 2004.[14] M. Gisler, D. Fäh und V. Masciadri, „Terrae motus factus est”: Earthquakes inSwitzerland before A.D. 1000. A critical review. Nat. Hazards 43, 63–79, 2007.3410


[15] M. Gisler, D. Fäh, D. und R. Schibler, Two serious earthquakes in the Rhine Valley at theend of the 18th century: The events of December 6, 1795 and April 20, 1796. EclogaeGeol. Helv. Swiss Journal of Geosciences 96, 357–366, 2003.[16] M. Gisler, Erdbeben in der Schweiz im ersten Jahrtausend – Evidenzen und Grenzen. In:G. H. Waldherr und A. Smolka (Hg.), Antike Erdbeben im alpinen und zirkumalpinenRaum. Befunde und Probleme in archäologischer, historischer und seismologischer Sicht/Earthquakes in Antiquity in the Alpine and Circum-alpine Region. Findings andProblems from an Archaeological, Historical and Seismological Viewpoint, Stuttgart,133–153, 2007.[17] M. Gisler, J. Kozák und J. Vaněk, The 1855 Visp (Switzerland) Earthquake: A Milestonein Macroseismic Methodology? In: J. Fréchet, M. Meghraoui, M. Stucchi (Hg.),Historical Seismology. Interdisciplinary Studies of Past and Recent Earthquakes,Heidelberg, 225–241, 2008.[18] M. Gisler, M. Weidmann und D. Fäh, Erdbeben in Graubünden. Vergangenheit,Gegenwart, Zukunft, Chur: Desertina, 135 Seiten, 2005.[19] P. Kästli und D. Fäh, Rapid estimation of macroseismic effects and shake mapscombining macroseismic and instrumental data. In: Proceedings of the First EuropeanConference on Earthquake Engineering and Seismology (ECEES), Genève (CD ROM),2006.[20] P. Kästli und D. Fäh, Site amplification factors for intensity attenuation; a case study forSwitzerland. In: Earthquake Catalog of Switzerland (ECOS-09), documentation,Appendix D, greifbar über http://www.seismo.ethz.ch, <strong>2011</strong>.[21] K. Monecke, F. Anselmetti, A. Becker, M Sturm und D. Giardini, Signature of historicalearthquakes in lake sediments in Central Switzerland. Tectonophysics 394, 21–40, 2004.[22] Oprsal und D. Fäh, 1D vs 3D strong ground motion hybrid modeling of site, andpronounced topography effects at Augusta Raurica, Switzerland – Earthquakes or battles?4th International Conference on Earthquake Geotechnical Engineering, June 25–28,Paper No. 1416, 2007.[23] R. Schatzmann, Ein Erdbeben? – Die Koloniestadt Augusta Raurica als Fallbeispiel.Mittelalter 11, 165–170, 2006.[24] M. Schnellmann, F. Anselmetti, D. Giardini, J. A. McKenzie und S. N. Ward, Prehistoricearthquake history revealed by lacustrine slump deposits. Geology 30 (12), 1131–1134,2002.[25] M. Schnellmann, F. Anselmetti, J. A. McKenzie und D. Giardini, 15’000 Years of massmovementhistory in Lake Lucerne: Implications for seismic and tsunami hazards.Eclogae Geol. Helv. Swiss Journal of Geosciences 99, 409–428, 2006.[26] G. Schwarz-Zanetti et al., Two earthquakes in the 16th century – Ardon 1524 and Aigle1584 (in Vorbereitung), <strong>2011</strong>.[27] G. Schwarz-Zanetti und D. Fäh, Grundlagen des Makroseismischen Erdbebenkatalogsder Schweiz, Band 1, 1000–1680. Herausgegeben vom Schweizerischen Erdbebendienst,Zürich: vdf, 279 Seiten, <strong>2011</strong>.[28] G. Schwarz-Zanetti, D. Fäh, R. Schibler, V. Masciadri, P. Kästli und D. Giardini, Theearthquake in Unterwalden and the rockslide from the Bürgenstock into Lake Lucerne on1135


September 18, 1601. Eclogae Geol. Helv. Swiss Journal of Geosciences 96, 441–450,2003.[29] G. Schwarz-Zanetti, M. Gisler, D. Fäh und P. Kästli, Interdisziplinäre Rekonstruktion desBasler Erdbebens von 1356 an der ETHZ. Ein Werkstattbericht. In: Mittelalter, MoyenAge, Medioevo, Temp Medieval. Zeitschrift des Schweizerischen Burgenvereins 11,140–144, 2006.[30] G. Schwarz-Zanetti, N. Deichmann, D. Fäh, V. Masciadri und J. Goll, The Earthquake inChurwalden (<strong>CH</strong>) of September 3, 1295. Eclogae Geol. Helv. Swiss Journal ofGeosciences 97, 255–264, 2004.[31] G. Schwarz-Zanetti, V. Masciadri, D. Fäh und P. Kästli, The false Basel earthquake ofMay 12, 1021. Journal of Seismology 12, 125–129, 2007.[32] Schweizerische Erdbebenkommission, Jahresberichte 1879–1912.[33] Schweizerischer Erdbebendienst, Jahresberichte 1913–1963.[34] M. Strasser, F. Anselmetti, D. Fäh, D. Giardini und M. Schnellmann, Magnitudes andsource areas of large prehistoric northern Alpine earthquakes revealed by slope failures inlakes. Geology 34 (12), 1005–1008, 2006. DOI: 10.1130/G22784A.1.3612


12. D-A-<strong>CH</strong> Tagung – Erdbeben und BaudynamikC. Könke (Hrsg.)Hannover, Deutschland, 15.–16. September <strong>2011</strong>HISTORIS<strong>CH</strong>E ERDBEBENFORS<strong>CH</strong>UNG IN TIROL IM RAHMEN DESINTERREG IV PROJEKTES HAREIA – HISTORICAL AND RECENTEARTHQUAKES IN ITALY AND AUSTRIACh. HammerlZAMG – Zentralanstalt für Meteorologie und GeodynamikA – 1190 Wien, Hohe Warte 38E-mail: christa.hammerl@zamg.ac.atKeywords: Historische Erdbebenforschung, Tirol, Zivil- und Katastrophenschutz,EUROCODE-8, Baunorm.Abstract. Im Rahmen des INTERREG IV Projektes HAREIA – Historical And RecentEarthquakes in Italy and Austria (Lead Partner: Amt der Tiroler Landesregierung, AbteilungZivil- und Katastrophenschutz) – werden u.a. die historischen Erdbeben in Tirol erforscht, dadiese Region zu den seismisch aktivsten Gebieten in Österreich gehört. Um ein besseres Bildüber die seismische Gefährdung zu gewinnen, untersucht man in interdisziplinärerZusammenarbeit nach den Methoden der Historischen Erdbebenforschung folgende Erdbeben,die zu den stärksten in Tirol zählen:Tabelle 1. Historische Starkbeben in Tirol/Österreich.Jahr Monat Tag Epizentrum Epizentralintensität imÖsterreichischenErdbebenkatalog nachEMS-981571 11 01 Innsbruck 7°1572 01 04 Innsbruck 8°1670 07 17 Hall 8°1689 12 22 Innsbruck 8°Dafür werden vor allem in den Tiroler Archiven vorrangig zeitgenössische historische Quellenausgehoben, transkribiert und quellenkritisch interpretiert, um aus dieser Information dieneuen Erdbebenparameter abzuschätzen. Anhand von Beispielen werden die Arbeitsmethodesowie der Forschungsstand demonstriert.137


1 EINLEITUNG1.1 Das Projekt: HAREIA – Historical and Recent Earthquakes in Italy and Austria2009 fand das Kick off meeting des INTERREG IV Projektes HAREIA – Historical andRecent Earthquakes in Italy and Austria statt. Lead partner ist das Amt der TirolerLandesregierung – Zivil- und Katastrophenschutz Landeswarnzentrale, Projekt Partner sindfolgende Institutionen: Ufficio Geologia e Prove materiali, Provincia autonoma Bolzano - AltoAdige; Protezione Civile di Palmanova, Regione Autonoma Friuli Venezia Giulia; ARPAV –Agenzia Regionale per la Prevenzione e Protezione Ambientale del Veneto, DipartimentoProvinciale di Belluno.1.2 Schwerpunkte des ProjektsEin Schwerpunkt des Projekts ist die historische Erdbebenforschung in den Regionen Tirol,Südtirol, Friaul-Julisch-Venetien und Veneto. Dabei werden historische Quellen in Archivenund Bibliotheken nach Hinweisen auf wichtige Erdbebenereignisse durchsucht und interpretiertund in einem Erdbebenkatalog zusammengefasst (WP2).Ein weiterer Schwerpunkt des Projekts befasst sich mit der Erweiterung der technischenInfrastruktur in diesen Regionen, die in der Zeit von 2004 bis 2007 im Rahmen der INTERREGIIIA-Projekte Österreich-Italien „FASTLINK – Grenzüberschreitende seismologischeMessnetze im südöstlichen Alpenraum“ unter Mitwirkung der Zentralanstalt für Meteorologieund Geodynamik/ZAMG – in Wien geschaffen wurde. Eine Erweiterung des bestehendenMesssystems mit drei sogenannten Strong-Motion Stationen pro Region in ausgewähltenSiedlungsbereichen wird angestrebt (WP1).Der dritte Schwerpunkt des Projekts ist das Projektmanagement, das nicht nur den korrektenAblauf des Projekts sicher stellen soll, sondern auch durch die Vernetzung der einzelnenDatenzentren einen ständigen Datenaustausch zwischen den Partnerregionen ermöglichen soll.Die ZAMG/Abteilung Geophysik ist sowohl am WP1 als auch am WP2 beteiligt, imAuftrag des LP werden die stärksten historischen Erdbeben Tirols erstmals nach den Kriteriender Historischen Erdbebenforschung studiert. Die Region ist eine der seismisch aktivstenÖsterreichs. Das Studium der stärksten historischen Erdbeben in Tirol ist auch Thema desvorliegenden Beitrags.1.3 Historische Erdbebenforschung in TirolDem Wissen um historische Erdbeben wird in den letzten Jahren immer mehr Bedeutungzugemessen, da man verlässliche, vollständige und genaue Daten benötigt, um eine schlüssigeErdbebengefährdungsbewertung für ein bestimmtes Gebiet durchführen zu können.Insbesondere seit der Einführung des EUROCODE-8 – dem Normenwerk fürerdbebengerechtes Bauen in Europa – kommt der Erfassung und der quellenkritischenBeurteilung historischer Erdbeben vermehrt Interesse zu, da der Beurteilungszeitraum für dieFestlegung der Erdbebengefährdung von 100 auf über 450 Jahre ausgedehnt wurde. Das heißt,dass bei der Erdbebengefährdungsbewertung auch Erdbeben berücksichtigt werden müssen, dievor der instrumentellen Erfassung stattgefunden haben. Aber auch auf Grund derverhältnismäßig langen „Wiederkehrperioden“ von Erdbeben in Österreich kommt derInterpretation historischer Erdbeben große Bedeutung zu.382


Umfassendere Untersuchungen für Tirol stammen großteils aus der Zeit um dieJahrhundertwende (z.B. Volger [1], Baratta [2], Schorn [3]) und entsprechen nicht mehr demStand der Wissenschaft. Auch neuere Untersuchungen über die Erdbebentätigkeit in Tirol (z.B.[4]) konnten die Frage nach der Genauigkeit, Vollständigkeit und Verlässlichkeit derhistorischen Quellen nicht beantworten, da hier die Problemstellung eine andere war.Im Rahmen des INTERREG IV Projektes HAREIA werden für die in Tab.1 angeführtenSchadensbeben in Tirol bestehende Interpretationen untersucht und durch zeitgenössischeQuellen aus den Archiven die historische Information vervollständigt. Dies dient als Grundlagefür die Einschätzung der Erdbebengefährdung.Abbildung 1. Erdbeben in Tirol. Innsbruck und Hall in Tirol sind die Epizentren der untersuchten historischenStarkbeben. Quelle: ZAMG.2 MethodeErdbebenkataloge dienen allgemein als Einstieg bei der Erforschung eines historischenBebens. In einem so genannten „Stammbaum” werden die in den Katalogen angeführtenLiteratur- und Quellenzitate für jedes historische Beben, das für das Projekt von Interesse ist,eingetragen.Unter Katalogen versteht man im weiteren Sinne einerseits z.B. den Erdbebenkatalog desSeismologischen Dienstes der ZAMG, die italienischen Erdbebenkataloge, aber auch allehistorischen Erdbebenkompilationen, in diesem Fall vor allem die von Volger [1], Baratta [2]und Schorn [3].Abbildung 2. Arbeitsschritte: Erstellung von Stammbäumen – Quellenrecherche in den Archiven –Bearbeitung der Quellen.339


Ein weiterer Arbeitsschritt ist die Aushebung der in den Stammbäumen angeführtenLiteratur, und darauf aufbauend die Suche nach den zeitgenössischen Originalquellen, vorallem in den Tiroler Bibliotheken und Archiven.Die Stammbäume wurden für alle in Tab.1 angeführten Beben erstellt. Die Abbildung 3zeigt exemplarisch den ersten vorläufigen Stammbaum des Bebens vom 1. November 1571 mitdem im Erdbebenkatalog ursprünglich angegebenen Epizentrum in Innsbruck und derEpizentralintensität I 0 =7°. Abbildung 3 zeigt bereits auf den ersten Blick, dass esUngereimtheiten bei der Datierung des Bebens gibt.Abbildung 3. Erster vorläufiger Stammbaum des Bebens vom 1. November 1571.Einen nächsten, sehr wichtigen Arbeitsschritt stellt die Quellenkritik dar. Für jede einzelneQuelle müssen folgende Angaben erhoben werden:Information zum Autor des jeweiligen Textes: Es ist wichtig zu wissen, ob der AutorZeitgenosse und/oder sogar Augenzeuge des Bebens war. Der Ort, wo die Nachrichtniedergeschrieben wurde, muss erhoben werden: dies ist oft ein wichtiges Indiz dafür, ob derAutor die Auswirkungen des Bebens selbst miterlebt hat, also Augenzeuge ist, oder ob er seineInformation nur vom Hörensagen bezieht.Abbildung 4. Arbeitsschritte: Quellenkritik – Erstellung der datapoints (Ortsliste) – Abschätzung der MDPS –Abschätzung der Erdbebenparameter.404


Der Beruf und das Umfeld des Autors sind bei der Beurteilung des Textes wichtig, um dieKriterien Genauigkeit und Verlässlichkeit besser beurteilen zu können. Einen wesentlichenPunkt der Quellenkritik macht aber die Erforschung der Abhängigkeiten der Quellenuntereinander aus.Nach Abschluss der Recherchen für Tirol werden für die vier o.g. Schadensbeben alle jeneOrte angegeben, in welchen die Beben Schäden anrichteten bzw. gefühlt wurden. Für dieseOrte – data points/DPs – sind erstmals auch die Koordinaten angegeben. Diese Informationstellt die Grundlage für die Intensitätszuordnung und die damit erhaltenen MDPs –Macroseismic Data Points – dar.Diese (M)DPs fehlten bisher im Österreichischen Erdbebenkatalog, sind aber für dieBestimmung der Parameter eines Bebens unerlässlich und entsprechen inzwischen deminternationalen Standard.Das Ergebnis der Studien im Projekt sind analysierte Erdbebennachrichten für die genanntenvier Schadensbeben, darunter versteht man bereits quellenkritisch analysierte und aufbereitete –u.a. transkribierte, übersetzte und interpretierte – Erdbebentexte. Diese historische Informationwird zur Abschätzung der Intensitäten herangezogen, um schlussendlich dieErdbebenparameter neu zu bestimmen.2 HISTORIS<strong>CH</strong>E S<strong>CH</strong>ADENSBEBEN IN TIROL2.1 Das Erdbeben vom 1. November 1571Eine erste kurze Beschreibung des Erdbebens vom 1. November 1571 liefert dieKompilation des Tiroler Naturforschers und Lehrers Josef Schorn [3].Schorns Publikation kann vergleichsweise zu anderen Erdbebenkompilationen alsweitgehend verlässlich angesehen werden. Um die Angaben zu den einzelnen Erdbeben zuüberprüfen und auch transparent zu machen werden aber Schorns Angaben quellenkritischgeprüft:Josef Schorn, Die Erdbeben von Tirol und Vorarlberg (Zeitschrift des Ferdinandeums 3.Folge, H.46, 1902) S.127:1571. Nach einer historischen Chronik (F.B. VIII.h.3.p.887) ist in diesem Jahre zuInnsbruck „ein grosser erdbidem gespühret worden, welcher der orthen nicht wenig schadengethan.“ Aehnliches berichtet Seyfart (p.25). Keferstein (p.292) verlegt es auf den März, derNationalkalender (1846 p.22) auf den 1. November, ebenso Gümbel (p.90.).Dass eine quellenkritische Überprüfung notwendig ist, wird am folgenden Bespiel deutlich:Es stellte sich heraus, dass Schorns Hauptquelle für das genannte Beben, die Signatur F.B.VIII.h.3.p.887, in der Bibliothek des Ferdinandeums nicht zurückverfolgt werden kann.Ein ausführlicher neuer Stammbaum wurde erstellt und die darin enthaltene Informationanalysiert und interpretiert.541


Abbildung 5. Neuer erweiterter Stammbaum für das Beben vom 1. November 1571.Dabei stellte sich nach sorgfältiger Recherche letztendlich heraus, dass am 1. November1571 kein Erdbeben in Innsbruck stattfand. Das Datum 1. November korreliert mit derAllerheiligenflut in Antwerpen, die noch dazu im Jahre 1570 stattfand. Der 1. November 1571für das Erdbeben wurde erstmals bei Keferstein [5], dann von Von Hoff [6], demNationalkalender [7], Peinlich [8], Gümbel [9], Toperczer und Trapp [10] und schließlich imÖsterreichischen Erdbebenkatalog [11] übernommen. Ein vermeintliches Erdbeben am 1.November 1571 in Innsbruck wurde auch von einigen Autoren mit jenem vom 4. Jänner 1572verwechselt. Zusätzliche Konfusion brachte das schwere Idrija Beben vom 26. März 1511:Besonders Kärntner Chroniken verwechselten das Ereignis von 1511 und machten es zu einemim Jahre 1571, wahrscheinlich auf Grund der ähnlichen Ziffern 1 und 7. Die Vermutung, dasskein Erdbeben im Jahre 1571 Innsbruck stark erschütterte, wird auch dadurch bestätigt, dass inden Innsbrucker Ratsprotokollen jede Nachricht von einem Erdbeben fehlt. Damit wird diesesBeben in die Liste der sogenannten „fakes“ eingereiht.2.2 Das Erdbeben vom 4. Jänner 1572Schorns Kompilation [3] aus 1902 zeigt, dass sich das Hauptbeben bereits am 3. Jännerdurch ein Vorbeben ankündigte und dass es von zahlreichen Nachbeben gefolgt war.Das Erdbeben findet sich unter folgenden Parametern im Österreichischen Erdbebenkatalog:1572 01 04 Innsbruck, I 0 = 8°.Nach den Innsbrucker Ratsprotokollen [12] und den Ambraser Akten [13], waren inInnsbruck die durch diese Erdbeben bewirkten Beschädigungen bedeutend größer als in Hall:Fast kein Gebäude blieb unbeschädigt, ja einige hatten so gelitten, dass sie zum Teil oderganz abgetragen werden mussten. Zahlreiche „zerkhlobne gwölb, pogen und thürgericht“, viele„erschittet oder niedergefallen kemich“ und manches „abgestossen einfallet liecht“ mussten„gepessert“ oder neu „aufgefuert“, und auseinandergewichenen Mauern musste mit„schleudern, durchzüg, zwerchpämen, dienst und anderweg hilf beschehen.“ (siehe [3]).Auch die Stadtmauern und Türme hatten unter den zahlreichen Erschütterungen starkgelitten; der Innturm war sogar dermaßen beschädigt, dass man denselben zum Teil abtragenmusste.Dezidiert Schäden sind aus historischen Originalquellen nur für Innsbruck allgemein belegt.Die Quelle zu Hall berichtet nur von „schrecklichen“ Erdbeben, besonders auch von den vielen426


Nachbeben, welche die Bevölkerung sicherlich nachhaltig beeindruckt haben. Für Schwaz sindebenfalls keine Schäden belegt.Die Quellen für Innsbruck sprechen von „viele erschittet oder niedergefallen kemich [Anm.:Kamine]“ was eine Entsprechung in der EMS-98 unter Schadensgrad 2 bis 3 und folglich unterIntensität 7° findet. Diese Abschätzung ist aber nur wenig untermauert und bedarf mehrInformation, die aber nicht vorhanden ist. Um diesem Aspekt gerecht zu werden, entspricht esdem internationalen Gebrauch, statt Intensitäten abzuschätzen, die Begriffe „damage“ und„felt“ zu verwenden. Für drei datapoints gibt es zeitgenössische Information: Hall in Tirol,Innsbruck und Schwaz.2.3 Das Erdbeben vom 17. Juli 1670 in Hall in TirolEines der schwersten Erdbeben, das den Tiroler Raum jemals heimsuchte, war wohl dasErdbeben vom 17. Juli 1670. Das Erdbeben findet sich unter folgenden Parametern imÖsterreichischen Erdbebenkatalog: 1670 07 17 Hall, I 0 = 8°.Noch heute zeugt selbst in der Tiroler Landeshauptstadt am Goldenen Dachl eine Inschrift inForm eines Chronogramms von diesem Beben. Die Inschrift wurde 1671 angebracht underinnert an die Restaurierungsarbeiten nach dem Erdbeben von 1670:restaVror post horrenDos ContInVo ano et VLtra perpessos terrae MotVs(5+500+100+1+5+5+50+1000+5=1671)Übersetzung: Ich werde nach den schrecklichen Erdbeben, die ununterbrochen in diesemJahr und darüber hinaus erlitten worden sind, wiederhergestellt.Zahlreiche zeitgenössische Texte berichteten über das Erdbeben, darunter die „DreifacheChronik der Stadt Hall …“ [14]:„Von denen grossen und erschröckhlichen auch vilen erdpidmen, so sich in dem underenYhnthall, vornemblich allhie zu Hall den 17 : Julliuss anno 1670, biss wider den 17 : Julius1671 erhebt“, schreibt ein ungenannter Chronist, wahrscheinlich ein Jesuit aus dem Haller-Kollegium u.a.:… So ist dan den 17. Julius Ao. 1670 zu morgen frühe, nach deme eben die uhr allhie zweygeschlagen, ohnversehens diser erdpiden mit einer windsbraudt also erschröckhlichausgebrochen, dass er das ganze untere thall vornemblich Insprugg und Hall, und derostärckheste thurnen und gebair, mit drey so starkhen stösse ein guettes halbes viertl stund aufein ander also zerstossen und zerschüttelt, das es das ansehen gehabt, vornemblich allhie zuHall, als fühle alles über den hauffen. Allhie zu Hall haten sich die gloggen in den thurnenetwas beweget und gethönt: es ware ein erschröckhliches khrachen und praschlen von denpoden fallenden S. Nicolai-thurn, und andern häusern, und caminen, jederman khlein undgross schrie und jammerte, wusste gleichsam nirgent auss: es luffen vill ganz nackhent, vollerschröckhen, auss den häusern, der maiste thail fluhe zur statt hinauss, erwartete mit forcht, wiees sich ferner erzaigen wurde…Und ob zwar dise 15 täg und nächt dises verloffenen monats July sehr grosse vile, und nochmehr khleinere erdpiden, so sich leichtlich über die zwayhundert belauffen dörffen, gewesen, sohaben sie doch durch die gnaden Gottes nichts geschadet; aller schaden aber, so geschehen, istdem ersten greulichen und erschröckhlichen erdpiden zue zumessen, welcher nit allein disestat, sonder auch alle herum ligente khirchen, thurn, schlösser, häuser, und wass gemauertegebäw gewesen, ja auch hin und wider die berg zerrissen und zerkhloben…“743


In Hall wurden viele Häuser beschädigt, einige stürzten sogar ein: zwei Häuser in derSalvatorgasse, eines in der Schmiedgasse, zwei fast zur Gänze in der Fürstengasse, eines in derRosengasse, eines in der Eugengasse, eines in der Milser Straße, und zwei in der Agramsgasse.Auch die öffentlichen, sowohl sakralen als auch profanen Gebäude blieben nicht verschont:Der Turm der Pfarrkirche St.Nikolaus stürzte zum Teil. Das Stadtgefängnis in derSchergentorgasse (damals Schiffgasse) wurde stark beschädigt. Ein Teil der Stadtmauer stürztein den Fischgraben und beschädigte das Gasthaus „Zum Hirschen“ (Seilergasse 9). DerBrunnen am Oberen Stadtplatz wurde zerstört. Von den Stadttoren waren besonders dasAbsamer, das Engelhauser und das Schmiedtor vom Erdbebeben betroffen. Der Frauenturm(Agramsgasse) musste teilweise abgetragen werden, der Turm der Salvatorkirche und derMünzerturm wurden schwer beschädigt, ebenso die Türme der Damenstiftskirche (Herz JesuKirche) und der Jesuitenkirche (siehe auch [15]).Zu den Schäden in Hall werden hier exemplarisch einige Beispiele aus der „DreifachenChronik der Stadt Hall im Innthale“ [14] im Originaltext wiedergegeben:Das Haus in der Schmiedgasse 13 (Familie Högwein) wurde stark beschädigt und erhieltnach dem Erdbeben eine Stützmauer.In der Schmidtgassen [heute: Schmiedgasse] seind 78 stüzen gewesen, sambt einemeingefalnem hauss: Nemblich Sebastian Stephan Riemers [Haus des Riemermeisters SebastianStefan (heute:) in der Schmiedgasse 12]; welcher sambt einem Töchterlein und magd Thottgepliben, sein hausfrau aber ist nach etlich stunden mit einen khind an den armben, und einem6: Jährigem Söhnlein lebendig und ohne sonderen schaden, auss dem eingefalnen Wesenheraussgepracht worden. So sein auch andere Zwey häuser fast untauglich Zu bewohnen, wieauch h: Maders [heute: Schmiedgasse 11] und h: hallers starkh gelitten.Freiherr Franz von Wicka war in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts Salzmair in Hall.Der Salzmaier [Anm.: Maier, d. i. Verwalter] war damals einer der wichtigsten undangesehensten Beamten. Beim Erdbeben wurde sein Ansitz Rainegg [heute: Waldaufstraße 16]stark beschädigt.Auf dem Pfaffenpichl [heute: Waldaufstraße] 6 stizen, sambt h: Salzmayrs Franc. VonWickhä Schlösssl, sehr verkhloben, auch etlicher eingefalnen mauren.Da das neue Franziskanerkloster erst 1645 fertig gestellt und die neue Franziskanerkirche1648 geweiht wurde, wiesen diese im Vergleich neuen Gebäude wenig Schäden auf, die baldausgebessert werden konnten, trotzdem vermerkte die Chronik:Der Woll Ehrwürdigen hh. Franciscaner khirchen [Franziskanerkirche und –kloster], undkhloster ist auch ubel beklüfftet.Das Jesuitenkloster und die Jesuitenkirche wurden durch das Beben beschädigt. Besondersder Turm erlitt großen Schaden. Die Chronik berichtet folgendes:Der Patrum Societatis Collegium [Jesuiten] auch inwendig sehr Zerschrandet, undZerkhloben, das etliche mawren müessen abgetragen werden, und von aussen an dem Egg(gegen dem Salzberger Würth uber) müssen mit Zwoh stizen, unnd inwendig auch an etlichenorthen, unterstizt werden. Die khirch hat noch unter allen das wenigste gelitten, fürnemblich anden haubtmäwren und gewölb: von aussen ist der pyramis oder stein, so zu obrist auf demfrontispicio gestanden herab geworffen, und das Tach Zerrissen, ist auch wass von demgemäur des thurns herabgefallen.Das Gymnasium hat hin und her khlufften bekhommen, doch von neuem nit Pawfölligerworden, als an der Mauer so an das vor einem Jahr erkhaufftes Hernach aber448


Puechbergerische Hauss genannt, stosset, Welches halbe hausss hinden her Zu hauffengefallen, in dem Zween khnaber der Inwohnenten Frawen Wilderin Sohn wunderbarlicherrettet worden. Dass Schuelglögglthürnlein ist ganz Zerschrandet und die Mantlmaur müessenabgetragen werden.Die Schäden an der Pfarrkirche Sankt Nikolaus wurden wie folgt beschrieben:Wolloblicher Statt Pfarrkirchen Thurn bei S. Nicolaus [Pfarrkirche St.Nikolaus] ist biss Zudem Gloggenstuel eingefallen, herunder auf den Freydhoff und den Plaz, mit verschmetterungeines thails des gewölbs auf der Sacristey, jedoch ohne sonderbare weitere beschädigung. Daskhirchengewölb hatt etlicher löcher bekhommen und sonst hin und wider Zerkhlufftet, undetliche schwere stuckh von den Graden herunder gefallen, und noch etliche gefahrlich hangen,also dass man mit der Verrichtung der Gottsdienst darinnen nit trawen darff. In gemelten thurnist einer auss den Zween wachteren Zu thott geschlagen worden, der ander hatt sich nachvierthalb stunden mit harter mühe aussgearbeitet, und darvon khommen.1. Agramsgasse 52. Frauenturm3. Arbesgasse 64. Schlossergasse5. Rosengasse6. Damenstiftskirche7. Krippgasse 68. Münzerturm9. Oberer Stadtplatz 4,5,610. Schmiedgasse 1211. Waldaufstraße 1612. Franziskanerkirche und -kloster13. Jesuitenkloster14. Wallpachgasse15. St. Nikolaus16. Spital und Spitalskirche17. Hl. Sebastiankirche (ehem.Klarissenkloster in der Thurnfeldgasse)18. SalvatorkircheAbbildung 6. Historisches Zentrum der Stadt Hall in Tirol. Die Punkte geben die durch das Beben vom17. Juli 1670 beschädigten Häuser bzw. Sakralbauten an.Das Erdbeben vom 17. Juli 1670 ist durch zahlreiche zeitgenössische Quellen bestensbelegt. Die Schäden in Hall (siehe Abb. 6) deuten mindestens auf eine Intensität 7° EMS-98. InInnsbruck, bedingt durch die schlechte Bauweise, dürfte eine Intensität zwischen 6°-7° EMS-98ausgereicht haben, um die entstandenen Schäden zu erklären. Das Beben forderte vermutlichweniger als zehn Todesopfer.Aus den zeitgenössischen Quellen erhält man vorläufig Information zu 22 MDPs: Absam,Augsburg, Baumkirchen, Donauwörth, Hall, Innsbruck, Kolsass, Kempten, Leutkirch imAllgäu, Lindau, Memmingen, Mils, Nürnberg, Regensburg, Salzburg, Schwaz, St. Gallen,Thaur, Venedig, Volders, Vomp, Wattenberg und Zillertal.945


2.4 Das Erdbeben vom 22. Dezember 1689 in InnsbruckIm Bericht über „Erdbeben im Tiroler Inntal im 17. und 18. Jahrhundert“ schreibt P.Oliveraus dem Franziskanerkloster in Hall [16]:Eine besonders verhängnisvolle Erdbebennacht rüttelte die Bewohner des Inntals am 22.Dezember 1689 aus dem Schlaf, vor allem Innsbruck war schwer betroffen. Einenumfangreicheren Bericht bietet dazu das Konventprotokoll des Innsbrucker Hofklosters:Abbildung 7. KPI II, 110. Archiv desFranziskanerklosters in Hall in Tirol.Am 22. Dezember 1689, bald nach 2 Uhr in derNacht, wurde die Stadt Innsbruck von einemschrecklichen Erdbeben erschüttert. Dieses Bebenunterschied sich von jenem, das vor 19 Jahren dasganze Inntal am Fest des hl. Alexius schwer inMitleidenschaft gezogen hatte insofern, als diesesin der Dauer und Stärke intensiver war und denBoden aufriss. Das Dröhnen nahm seinen Anfangin der oberen Region (Oberinntal) und in derOrtschaft Zirl (Manuskript in lateinischer Sprache,siehe Abb. 7 letzter Absatz).Der Schrecken löste einen Tumult aus unterunseren im Refektorium [Anm. desFranziskanerklosters; heute werden dieRäumlichkeiten des Klosters vom TirolerVolkskundemuseum genutzt] beim Nachtgebetmeditierenden Brüdern, der Küchenkamin brachunter lautem Getöse zusammen. Während der einehierhin der andere dorthin rannte, war ein zweites,schwächeres Beben zu vernehmen. In demDurcheinander suchten alle Schutz, doch war keinsicheres Asyl zu finden, hierauf eilten wir in dieInfirmerie [Anm.: Krankenstation], das Erbarmenund die Güte Gottes erflehend.In der Stadt lief alles in den Gassendurcheinander, unter aufblitzenden Lichtern konnteman Häuser und Möbel hin und her fallen sehen… Danach kehrten wir in den Konvent zurück,wo wir schlaflos die Nacht verbrachten unter vielen spürbaren Erdstößen. Am 24. Dezemberzwischen 2 und 3 Uhr am Nachmittag schwankte die Erde ein weiteres mal merkbar. Nach demAbendessen im Refektorium wurde beraten, ob in der Kirche die Weihnachtsfeierlichkeitengehalten werden könnten, da doch vom Kirchturm eine Gefahr für den Chorbereich und dieOrgel ausgehe. In unserem Kloster zum hl. Kreuz [Anm. Franziskanerkirche zum Hl. Kreuzoder Hofkirche oder Schwarzmanderkirche] sind alle Mauern kreuzweise gespalten, die großeStiege zum Dormitorium ist zerbrochen, die Kamine eingestürzt und die Gewölbe großteilsruiniert. In der Kirche sind die Gewölbe in den beiden Seitenschiffen zwischen dem AntoniusundPetrusaltar bzw. dem Marien- und Hyazinthaltar stark beschädigt, so dass die Seitengängeabgesperrt werden mussten, besonders auch der Zugang zum Kreuzgang, über dem ein großesStück Gewölbe herausgebrochen war. Im Mittelschiff gibt es auch Schwierigkeiten, besondersüber dem Altar des hl. Paschal und dem Hoforatorium. Am 25. Dezember sprach unserHofprediger P. Vigilius Salvotti von der Kanzel in der Servitenkirche, wohin der ganze Hof unddas Volk zusammenströmte, weil es ein weniger gefährlicher und beschädigter Ort war. Wenn4610


dies Zerstörung vom Himmel der Stadt Innsbruck in der Heiligen Nacht geschickt wordenwäre, hätte es sicherlich eine große Menschenmenge allein in unserer Kirche erschlagen. Zuden ruinierten Gebäuden des Erdbebens ist unser Turm zu rechnen, sodass vom Hofbau-Schreiberamt nach einer Inspektion beschlossen wurde, ihn ein Stück weit abzutragen. [17][18] [19]Der im Innsbrucker Kloster stationierte Exprovinzial P. Justin Kaltprunner notiert zumErdbeben am 22. Dezember 1689 darüber hinaus einige Schäden in Innsbruck:In der Stadt sind viele Häuser zerstört, die Kamine umgefallen. Im Gasthof zum Roten Adlersind zugleich drei Stockwerke eingestürzt und etliche Personen erschlagen worden. Beim HerrnBarbier ist alles wundersam hergegangen. Alles kann ich heute nicht beschreiben, es wärezuviel; Die Pfarrkirche und unsere Kirche [Anm.: Franziskanerkirche], die Jesuitenkirche (inder die ganze große Kuppel einstürzte), die Kirche der Nonnen (gemeint sind wohl dieServitinnen) samt dem Turm, jene in Hötting, Allerheiligen, Mühlau und Arzl sind alle inMitleidenschaft gezogen worden. Von den Bürgerhäusern gar nicht zu sprechen: Für HerrnWensers drei Häuser würde man keine 500 Gulden mehr geben, für das Harantische Hauskeine 6 Kreuzer, es muss alles von neuem erbaut werden. [18]Das Konventprotokoll des Klosters Schwaz hält sich hingegen kurz:Am 22. Dezember 1689 um halb drei Uhr nachts war in Schwaz ein großes Erdbeben zuspüren, es dauerte etwa drei Vater unser. Gott sei Dank gab es in Schwaz nur wenigeGebäudeschäden; schwere Schäden gab es jedoch in Innsbruck und Hall. [19]Interessant ist bei diesem Beben, dass obwohl es 19 Jahre später als jenes des Jahres 1670stattfand, bisher weniger Quellen die Auswirkungen des Naturereignisses wiedergeben.Trotzdem scheint es, dass die Schäden in Innsbruck und Hall zumindest nicht geringer als imJahre 1670 waren. Dass die bereits durch das Beben von 1670 geschädigte Bausubstanz bei denaufgetretenen Schäden vielleicht auch eine Rolle spielte, ist wahrscheinlich. Auch dieses Bebenforderte, wie jenes im Jahr 1670, Todesopfer. Im Rahmen des INTERREG-IV ProjektesHAREIA wurde daher nach weiteren Quellen gesucht und diese auch in den Archivengefunden. Diese neu gefundenen Quellen werden derzeit transkribiert und analysiert und tragenmaßgeblich zur Neubestimmung der Erdbebenparameter bei.Aus den zeitgenössischen Quellen erhält man vorläufig Information zu 4 datapoints:Augsburg, Hall, Innsbruck und Schwaz.3 ERGEBNISIm Rahmen des INTERREG-IV Projektes HAREIA wurden für Tirol zeitgenössischeQuellen in den Archiven erforscht. Viele neue Quellen und die Neuinterpretation vorhandenerInformation konnten das Bild über die vier stärksten historischen Erdbeben in Tirol deutlichverbessern. Das Ergebnis der Studien zu Projektende 2012 sind kritisch analysierteErdbebennachrichten für die genannten vier Schadensbeben. Es zeigte sich, dass das Bebenvom 1. November 1571 ein sogenanntes „fake“ ist. Für die Starkbeben von 1572, 1670 und1689 werden neue Bewertungen vorgenommen, die grundlegend für dieErdbebengefährdungsabschätzung von Tirol sind.1147


REFERENCES[1] O. Volger, Untersuchungen über das Phänomen der Erdbeben in der Schweiz, Gotha,1857.[2] M. Baratta, I Terremoti d’Italia, 1901, reprint, Forni ed., Bologna, 1979.[3] J. Schorn, Die Erdbeben in Tirol und Vorarlberg. Zeitschrift Ferdinandeum III. Folge 46,97-282, 1902.[4] G. Duma, R. Meurers und A. Vogelmann, Projektendbericht – SeismischeMikrozonierung des Raumes Innsbruck-Kufstein, unteres Inntal. Projekt TC 10/98 imRahmen der Bund/Bundesländer-Kooperation. BMWK-Tiroler Landesregierung, 2000.[5] Ch. Keferstein, Versuch eines chronologischen Verzeichnisses der Erdbeben undvulkanischen Ausbrüche seit Anfang unserer Zeitrechnung. Zeitschrift für Geognosie,Geologie und Naturgeschichte des Innern der Erde, Weimar, 1826.[6] K. E. A. von Hoff, Chronik der Erdbeben und Vulcan-Ausbrüche, 1840.[7] Allgemeiner Nationalkalender für Tirol und Vorarlberg aus das gemeine Jahr 1846, N.F.1. Jg., Innsbruck, 1846.[8] R. Peinlich, Geschichte der Pest in der Steiermark, Bd. 1, Graz 1877.[9] C.W. v. Gümbel, Das Erdbeben vom 22.Februar 1889 in der Umgebung von Neuburga.D. Sitzb. d. Münchner Akad.m.ph.Cl. 19. B., 87-108, 1889.[10] M. Toperczer und E. Trapp, Ein Beitrag zur Erdbebengeographie Österreichs, nebstErdbebenkatalog 1904 – 1948 und Chronik der Starkbeben. Mitteilungen der Erdbeben-Kommission, N. F. 65, 13, Wien, 1950.[11] Österreichischer Erdbebenkatalog. Computerfile, ZAMG/Geophysik <strong>2011</strong>.[12] Innsbrucker Raths-Protocolle FB 1221 fol. 389r; StAI, Ratsprotokoll 1572, f 141r;Innsbrucker Raths-Protocolle FB 1221 fol. 393r./394v; StAI, Ratsprotokoll 1572, f 162v.[13] TLA, Ambraser Akten VII,12.[14] Dreifache Chronik der Stadt Hall im Innthale. Ein historisches Manuskript alsErgänzung der Schweyger’schen Chronik. Hg. von P. Philibert Seeböck, Ord. S. F. III –Erdbeben-Chronik der Stadt Hall – Fortsetzung der Schrotzer’schen Chronik. Zeitschriftdes Ferdinandeums für Tirol und Vorarlberg. 3. Folge, 26. Heft, Innsbruck, 1882.[15] H. Moser, Hall in Tirol - Entwicklung und Erneuerung der Altstadt. StadtgemeindeHall in Tirol, 1989.[16] P.O. Ruggenthaler OFM, Erdbeben im Tiroler Inntal im 17. und 18. Jahrhundert. TirolerHeimatblätter, 80. Jg., Innsbruck 2005.[17] Archiv des Franziskanerklosters in Hall in Tirol, KPI II, 107-112.[18] Archiv des Franziskanerklosters in Hall in Tirol, Akten Provinzarchiv Schwaz 6/1-R-94.[19] Archiv des Franziskanerklosters in Hall in Tirol, KPS I, 223.4812


12. D-A-<strong>CH</strong> Tagung – Erdbeben und BaudynamikC. Könke (Hrsg.)Hannover, Deutschland, 15.–16. September <strong>2011</strong>DIN 4149- KONFORME SPEKTRALE ABNAHMEBEZIEHUNGEN FÜRDEUTS<strong>CH</strong>E ERDBEBENGEBIETECh. Kaufmann * und J. Schwarz* Bauhaus-Universität Weimar, Zentrum für die Analyse von Erdbebenschäden (EDAC)Marienstraße 13, D-99421 Weimar, GermanyE-mail: christian.kaufmann@uni-weimar.deStichworte: Bodenbewegungsmodell, untergrundabhängige Normspektren, Regression.Zusammenfassung. Spektrale Abnahmebeziehungen sind Modelle der seismischenBodenbewegung, die aufgrund der Kenntnis des instrumentell bestimmten Erdbebenstärkeparameters,der Magnitude, den Zusammenhang zwischen Spektral- oderBodenbewegungskenngrößen entfernungsabhängig beschreiben. Sie basieren auf derAuswertung von Erdbebenregistrierungen und können demzufolge in Gebieten geringerSeismizität nicht problemlos aufbereitet werden. Die notwendige Datenbasis ist aus denBesonderheiten der regionalen Standortbedingungen abzuleiten, die in deutschenErdbebengebieten anders einzuschätzen ist als in den seismischen Hauptgebieten weltweit.Aufgrund der Unterschiedlichkeit der Untergrundbedingungen und der Verschiedenartigkeitder Tiefenprofile in deutschen Erdbebengebeiten ist ein neuartiges Klassifikationsschemaerforderlich, dass mittlerweile mit dem Konzept der geologie- und untergrundabhängigenSpektren Eingang in die Baunormung (DIN 4149: 2005) gefunden hat.Ausgehend von umfänglichen instrumentellen Standortuntersuchungen an Starkbebenmess-Stationen werden die im Rahmen langjähriger Forschungs-arbeiten erhobenen Erdbebenregistrierungennach herkömmlichen Untergrundklassen (rock, stiff soil, soft soil) und denstandortspezifischen Kombinationen von Baugrund- und geologischen Untergrundklassen nachDIN 4149: 2005 eingeteilt. Analoge (im Beitrag nicht vorgestellte) Untersuchungen liegen vontürkischen stationär und (im Rahmen von TaskForce-Einsätzen) temporär betriebenenStationen vor (Schwarz et al., 2005 [1]).Die Auswertung der Bodenbewegungsmodelle ist so angelegt, dass Datenbasen und Datensätzez.B. nach regionalen oder untergrundspezifischen Gesichtspunkten kombiniert und in Formunterschiedlicher spektraler Abnahmebeziehungen ausgewertet werden können.Die spektralen Abnahmebeziehungen berücksichtigen die standorttypischen Merkmale desTiefenprofils und die Ergebnisse messtechnischer Standortuntersuchungen. BesondereAufmerksamkeit wird den herdnahen Ereignissen gewidmet, indem die bis dato üblicheBegrenzung auf untere (schadensrelevante) Magnituden durch Berücksichtigung vonSchwachbebenregistrierungen (mit Magnituden zwischen 3.0 bis 4.0 und kleiner) aufgegebenwird. Ausdrücklich wird damit nicht auf Registrierungen moderater bzw. schwächererErdbeben in der Standortumgebung verzichtet, sondern überprüft, welchen Einfluss dieseDaten auf die Bodenbewegungsmodelle nehmen.149


1 EINFÜHRUNGDie Qualität spektraler Abnahmebeziehungen lässt sich (sieht man von der methodischenVorgehensweise ihrer Ermittlung ab) nur durch die verwendete Datenbasis verbessern. Dienotwendige Datenbasis ist aus den Besonderheiten der regionalen Standortbedingungenabzuleiten, die in deutschen Erdbebengebieten anders einzuschätzen ist als in den seismischenHauptgebieten weltweit, deren Daten in den herkömmlichen Abnahmebeziehungen dominieren.Ein neuartiges Klassifikationsschema, das diese Besonderheiten berücksichtigt, ist mit demKonzept der geologie- und untergrundabhängigen Spektren gegeben, das zwischenzeitlich inder DIN 4149: 2005 Eingang gefunden hat. Dabei kann auf eine vom Erdbebenzentrumentwickelte Methodik zur messtechnischen Verifikation der Untergrundbedingungenzurückgegriffen werden (Lang, 2004 [2]; Lang & Schwarz, 2006 [3]); die Leistungsfähigkeitdes Instrumentariums wird in einer umfänglichen Publikationstätigkeit nachgewiesen. DieZulässigkeit der vom Grundschema DIN EN 1998-1 abweichenden Einteilung wird durch denPassus gewährleistet, dass der Einfluss des geologischen Untergrundes auf dieErdbebeneinwirkung zu berücksichtigen ist (s. 3.1.2(1)). Spektrale Abnahmebeziehungen, diedie Merkmale des Tiefenprofils und Ergebnisse messtechnischer Standortuntersuchungenberücksichtigen, liegen in der hier verfolgten Form weltweit noch nicht vor.2 GRUNDLAGEN2.1 Datenbasen und Unterscheidung von DatensätzenZur Unterscheidung des Datenumfanges, der Datenvollständigkeit, der regionalen bzw. auchereignisspezifischen Zugehörigkeit und der gewählten Auswahlmethodik werden von Schwarzet al. (2010) [4] unterschiedliche Begriffe eingeführt, die auch eine Hierarchie in einerlangfristig anzustrebenden Datenbankstruktur erkennen lassen.Die Datenbibliothek (DL) umfasst den gesamten Umfang einer Datenzusammenstellung,wie sie u.a. der European Strong-Motion Database (Ambraseys et al., 2004 [5]) oder der NGADatabase (z.B. Boore & Atkinson, 2008 [6]) zugrunde liegen. Sie bilden den Ausgangspunktzur Auswahl von Untermengen in Form der Datenbasen (DB).Eine Datenbasis (DB) konzentriert sich hier auf die Unterscheidung der regionalenZugehörigkeit und bezieht sich auf den erreichten Erhebungsstand. Im folgenden Beitrag wirdausschließlich die Datenbasis [CAL] – kalifornische Starkbebenregistrierungen untersucht, aufdie eine einheitliche Methodik der Untergrundklassifikation angewandt wird.Unter Datensätzen (DS) werden Untermengen einer Datenbasis verstanden. Diese könnensich auf die Nachbebenregistrierungen, die Daten unterschiedlicher Bearbeiter oder aufspezifische Untergrundbedingungen beziehen. Jeder Datensatz steht für eine spezifischeQualität der Datenauswahl und/oder -aufbereitung.Aus den Datensätzen lassen sich Datengruppen ableiten, die beispielsweise durch dieEinführung von Parametervorgaben (z.B. in Form einer unteren Grenzmagnitude) oder dieausschließliche Betrachtung von Daten vorgegebener Aufzeichnungsstationen oderErdbebentypen erzeugt werden.Datenbasen und Datensätze können ebenso wie die Datengruppen (z.B. nach regionalen oderuntergrundspezifischen Gesichtspunkten) kombiniert werden. Die spektralen Abnahmebeziehungenwerden nachfolgend für ganze Datenbasen oder Datensätze ausgewertet.502


2.2 Klassifikationsschema nach DIN 4149: 2005Als „Baugrund“ im Sinne der DIN 4149: 2005 werden die oberflächennahen Schichten bisin eine Tiefe von etwa 20 m bezeichnet; darunter liegend setzt der geologische Untergrund an,der bis zum felsigen Grundgebirge reicht. Baugrund und geologischer Untergrund bilden dasTiefenprofil. Aufgrund der Mächtigkeit der Lockersedimente an verschiedenen Standorten(insbesondere entlang des Oberrheingrabens) ist es notwendig, neben den oberflächennahenBodenschichten auch die Tiefenausdehnung und somit eine von den herkömmlichenEinteilungsprinzipien abweichende Vorgehensweise zu verfolgen, um den Standortbedingungenin realistischer Weise gerecht zu werden.Der Einfluss der Untergrundverhältnisse auf die Erdbebeneinwirkung wird in DIN 4149:2005 ausgehend von der Einstufung in eine der drei geologischen Untergrundklassen (R, T, S)und eine der drei Baugrundklassen (A, B, C) berücksichtigt. Insgesamt werden sechsverschiedene Untergrundkombinationen definiert (Tabelle 2.1).UntergrundklassenGeologischeUntergrundklasseR: felsartigerGesteinsuntergrundT: ÜbergangsbereichzwischenR und SS: sedimentgefüllteBeckenBaugrundklasse H tot < 25 m 25 m < H tot < 100m H tot > 100 mA: unverwitterteFestgesteineB: grobkörnigeLockergesteineC: feinkörnigeLockergesteinev s,25 1) > 800 A-R - -350 < v s,25 1) < 800 B-R B-T (B-S) 2)150 < v s,25 1) < 350 C-R C-T C-STabelle 2.1: Untergrundklassen nach DIN 4149: 2005 (aus: Schwarz et.al., 2007 [7])1) Durchschnittliche Scherwellengeschwindigkeit in den oberen 25 m [m/s].2) Folgt dem Vorschlag von Schwarz et al. (1999) [8]; die Kombination ist in DIN 4149: 2005 nicht vorgesehen.3 DATENBASIS [CAL]: KALIFORNIS<strong>CH</strong>E STRONG-MOTION DATEN3.1 Identifikation und Klassifikation der Strong-Motion StationenZur Identifikation der Standorte der Strong-Motion-Stationen wurde in folgender Weiseverfahren: Auf einer großmaßstäblichen Karte wurden anhand der verfügbaren und teilweisesehr ungenauen Koordinaten die Stationen (Zielpunkte) markiert (Abb. 3.1).Für die Stationen wurden alle verfügbaren Informationen aufbereitet, die zu derenAuffindung hilfreich sein könnten. Hierzu gehören Karten, Adressen, Bilder undBeschreibungen. Für Stationen im Bereich von Ballungszentren (San Francisco, Los Angeles)wurden die Informationen in Stadtpläne übertragen.Mit Hilfe der groben GPS-Koordinaten und der zusätzlichen Informationen wurden dieStationspunkte angefahren und vor Ort mögliche Kontrollmarkierungen von seismologischenMessgeräten gesucht.351


Abb. 3.1: Straßenkarte für die Gebiete Mittel- und Südkaliforniens mit geographischen Merkmalen(zusammengesetzt aus den zuvor georeferenzierten Teilkarten) unter Zuordnung der Strong-Motion Standorte vonUSGS und CSMIP (hier: Straßenkarte von Freytag & Berndt – Karto+Grafik Frankfurt/M.); die Grafik wurde aus.Schwarz et al. (2007) [7], Fig. 1 übernommen.Die auf diese Weise identifizierten Messpunkte (teilweise unterirdisch gelegen, in einfacheneingeschossigen Gebäuden bzw. Hallen untergebracht, Abb. 3.2) wurden dokumentiert, um imNachgang den Einfluss der Standortbedingungen auf die konkreten Messergebnisse nachvollziehenzu können.a) b)Abb. 3.2: Identifizierte seismische Stationen a) 5337: Fire Station #4 und b) 5245: County Government Ctr zurDurchführung der Standortmessungen in der Nähe (vgl. Lang & Schwarz, 2006 [3])524


In der Nähe der seismischen Stationen wurden Standortmessungen durchgeführt und übereinen 1-stündigen Messzeitraum die Bodenunruhe aufgezeichnet. Die Entfernung derMesspunkte von den konkreten Stationen wurde ebenfalls festgestellt, um im Nachgang eineQualitätsbestimmung aufgrund der Entfernungsdifferenzen und möglicher Untergrundvariationenvornehmen zu können.Die Stationen sind in unterschiedlich verkehrsintensiven Gebieten gelegen, so dass aucheine Unterscheidung nach dem Umgebungsrauschen vorgenommen wurde. Auch hier ist esmöglich, die Aufzeichnung im Hinblick auf mögliche Störsignale zu qualifizieren.Einflussfaktoren auf die konkreten Standortmessungen, Abweichungen zur Stationslage unddie allgemeinen verkehrstechnischen Randbedingungen bzw. Störungen aus möglichenunterirdischen Leitungen oder anderen bebauungsbedingten Sachverhalten gestatten eineQualitätsklassifikation. Sie wird in der Form vorgenommen, dass zwischen drei Kategorienunterschieden wird und im Hinblick auf die Datenqualität auch eine Überprüfung derKonsequenzen auf die konkreten Abnahmebeziehungen vorgenommen werden könnte.3.2 Klassifikation der UntergrundbedingungenFür die Bewertung der Standortbedingungen werden die Verhältnisse zwischen horizontalerund vertikaler Bodenunruhe zur Bestimmung der dominanten Standortfrequenzen herangezogen.Der maximal verstärkte Bereich der spektralen H/V-Relation kennzeichnet dabei diedominante Frequenz des am Aufzeichnungsstandort vorhandenen geologischen Untergrundbzw.Tiefenprofils und gibt über die Amplitude weiteren Aufschluss über dessen seismischesVerstärkungspotential.Grundlage für die Einteilung der Stationen (Messpunkte) in die Untergrundklassen der DIN4149: 2005 bzw. DIN EN 1998-1/NA: <strong>2011</strong>-01 [9] bildet ein durch Lang (2004) [2]vorgelegtes und von Lang & Schwarz (2006) [3] in der hier verwendeten Form präzisiertesKlassifikationsschema.Mit dem von EDAC entwickelten Ansatz wird das Klassifikationsschema mit den H/V-Spektren überlagert, so dass eine direkte Anbindung an das Konzept der geologie- und untergrundabhängigenSpektren gewährleistet ist.Der Einfluss der Untergrundverhältnisse auf die Erdbebeneinwirkung wird in DIN 4149:2005 ausgehend von der Einstufung in eine der drei geologischen Untergrundklassen (R, T, S)und eine der drei Baugrundklassen (A, B, C) berücksichtigt. Insgesamt werden sechsverschiedene Untergrundkombinationen definiert. In Anlehnung an Schwarz et al. (1999) [8]wird ein weitere Klasse (B-S) eingeführt.Die entwickelte und hier zur Anwendung gebrachte Methodik ist in mehreren Veröffentlichungenumfänglich beschrieben; sie konnte im Rahmen von Erdbebeneinsätzen weltweit(u.a. Lang & Schwarz, 2000 [10]; Lang & Schwarz, 2006 [3]) und an exponierten Standorten indeutschen Erdbebengebieten (Lang, 2004 [2]) erfolgreich zur Präzisierung der Tiefenprofilebzw. der bodendynamischen Kenngrößen angewendet werden.3.3 Ergebnis der KlassifikationNach Abschluss der Klassifikation konnte 182 untersuchten Stationen eine Untergrundklassenach DIN 4149: 2005 zugeordnet werden. Von diesen Stationen wurden bis zum Zeitpunkt derUntersuchung 97 Beben aufgezeichnet. Daraus ergeben sich 635 triachsiale, DIN klassifizierteStrong-Motion Aufzeichnungen, welche die Datenbasis [CAL] bilden.553


Abb. 3.3: Abgedeckte Magnituden- und Entfernungsbereiche der Datensätze [CAL] A-R und [CAL] C-SAbb. 3.3 zeigt am Bespiel der Untergrundklassen A-R und C-S die Magnituden- undEntfernungsbereiche die durch die Daten abgedeckt werden. Die Datenbasis [CAL] wird durchAufzeichnungen der Untergrundklasse C-S dominiert.4 DATEN- UND ERGEBNISAUFBEREITUNG4.1 Regressionstechniken und BestimmungsgleichungenSpektrale Abnahmebeziehungen sind auf der Auswertung von Erdbebenregistrierungenbasierende Modelle der seismischen Bodenbewegung, die aufgrund der Kenntnis desinstrumentell bestimmten Erdbebenstärkeparameters, der Magnitude, auch den Zusammenhangzwischen Spektral- oder Bodenbewegungskenngrößen entfernungsabhängig beschreiben. (Inder Fachliteratur firmieren diese „empirischen Beziehungen“ unter der Bezeichnung GroundMotion Prediction Equation GMPE.)Ungeachtet der zunehmenden Komplexität und Differenziertheit der Koeffizienten in denBestimmungsgleichungen unterscheiden Schwarz et al. (2007, 2010) [7, 4] die Abnahmebeziehungenim Hinblick auf die ausgewerteten Erdbebenregistrierungen nach demRegressionstyp in zwei Gruppen:Typ I: Betrachtung untergrundspezifischer DatengruppenTyp I geht von der separaten Betrachtung untergrundspezifischer Datengruppen aus. DasAbnahmemodell ist mit Beziehung (1) beschrieben:log (y) = C 1 + C 2 M + C 3 log (r) + P (1)Die Zielgröße y steht hier für eine Variante der Bodenbewegungskenngröße (vgl.Erläuterungen Abb. 4.1) und die mit 5% gedämpften Spektralbeschleunigungen; P steht für dieUnsicherheit der Bestimmung (P = 0: 50% - Fraktile; P = 1: 84% - Fraktile).Weiter gilt: M = Magnitude; r = (r e ² + h 0 ²) 0.5 – Entfernung; wobei r e die Entfernung zumEntstehungsort des Bebens (kürzeste Entfernung zur Verwerfung, sonst Epizentralentfernung)ist. Das Regressionsmodell bezieht sich dabei auf den für die Untergrundklasse (z.B. Fels) ausgewähltenDatensatz; Koeffizienten für die Untergrundklasse entfallen (vgl. Ende & Schwarz,2004) [11].546


Typ II: Fels bezogene Betrachtung aller DatengruppenTyp II orientiert auf eine auf Fels bezogene Betrachtung aller Datengruppen. Ein solcheseinfaches und dennoch völlig ausreichendes Modell wird u.a. von Ambraseys et al. (1996) [12]verwendet. Das Bodenbewegungsmodell ist mit Beziehung (2) beschrieben:log (y) = C 1 + C 2 M + C 3 log (r) + C 4 SW UGK1 + C 5 SW UGK2 + P (2)Die Untergrundkoeffizienten (site coefficients) SW UGK1 bzw. SW UGK2 stehen in der Regel fürsteifen (stiff soil) oder weichen Baugrund (soft soil). Sie besitzen eine Schalterfunktion: ZurBestimmung der Spektren für die Untergrundklasse UGK1 ist SW UGK1 = 1 undSW UGK2 = 0 zu setzen usw.Eine wesentliche Verfeinerung dieser Bestimmungsgleichungen wird von Schwarz et al.(2007) eingeführt. Die herkömmlichen Untergrundklassen (rock, stiff soil, soft soil) werdendurch die standortspezifischen Kombinationen von Baugrund- und geologischenUntergrundklassen nach DIN 4149: 2005 ersetzt. Die Beziehung wird durch die Standortkoeffizienten(site class coefficients) C 4 bis C 8 und die entsprechenden “switch”- Variablen(0 oder 1) SW UGKi - GCj erweitert, wobei hier UGKi für die Baugrundklasse i und GCj für diegeologische Untergrundklasse j stehen.Das Bodenbewegungsmodell wird durch Beziehung (3) gegeben:log (y) = C 1 + C 2 M + C 3 log (r) +C 4 SW B-R + C 5 SW C-R + C 6 SW B-T + C 7 SW C-T + C 8 SW C-S + P (3)Um die für den Standort charakteristischen Spektren zu berechnen ist der „Schalter“ dermaßgeblichen Untergrundklasse z.B. bei Klasse C-S mit SW C-S = 1.0 zu setzen.4.2 Zielgrößen und BezugsgrößenFür die durch eine Abnahmebeziehung zu beschreibende Kenngröße stehen insbesondere fürdie horizontale Bodenbewegung unterschiedliche Definitionen zur Verfügung, wobei dieHorizontalkomponenten oder die Resultierende am häufigsten Anwendung finden (vgl.Erläuterungen Abb. 4.1).Bodenbewegungsmodelle für die horizontale Bewegungsrichtung können nach unterschiedlichenDefinitionen ermittelt werden. Unterschiede resultieren einerseits aus der Art derBerücksichtigung der Horizontalkomponenten, andererseits aus der durch vektorielle oderorientierungsabhängige Ansätze begründeten Suche nach der ungünstigsten (größten)Bodenbewegung im Raum. Dabei wird unterstellt, dass durch die Messgeräte bzw. mit denbeiden orthogonal registrierten Komponenten das Amplitudenmaximum der sich räumlichausbreitenden Erdbebenwellen nicht erfasst wird.In den nachfolgenden Auswertungen kommt einheitlich die Variante „Kombination aus denjeweils größeren Spektralbeschleunigungen der Komponenten für die einzelnen Perioden“(maxS a,i ) zur Anwendung. In Abbildung 4.1 werden beispielhaft Ergebnisse für dieverschiedenen Definitionen vorgelegt. Die Grafiken zeigen Spektren von Abnahmebeziehungen,die sich nur in der verwendeten Variante der Bezugsgröße unterscheiden.755


a) b)Abb. 4.1: Einfluss der Wahl der Bezugsgröße auf die berechneten Spektren einer Abnahmebeziehungfür a) M = 5.0; D = 20 km und b) M = 7.0; D = 80 kmErläuterungen:H1Komponente in Nord-Süd RichtungH2Komponente in Ost-West RichtungH1 und H2 Berücksichtigung beider HorizontalkomponentenmaxS a,i Kombination aus den jeweils größeren Spektralbeschleunigungen der Komponenten für dieeinzelnen Perioden (Umhüllende der Komponenten)MEAN arithmetisches Mittel der Spektren aus den HorizontalkomponentenSRSS vektorielle Ermittlung der Spektren aus den HorizontalkomponentenmaxPGA Komponente mit der größeren BodenbeschleunigungmaxSa Komponente mit der größeren Spektralbeschleunigung4.3 RegressionsflächenAbbildung 4.2 veranschaulicht die Bestimmung einer Abnahmebeziehung mit Hilfe derRegressionsanalyse. Abb. 4.2a zeigt die Datenwolke aller Aufzeichnungen des Datensatzes[CAL] C-S. Jeder Punkt steht für die Spektralbeschleunigung S a einer Aufzeichnung beiPeriode T = 0.05 s und ordnet dieser eine Magnitude und eine Entfernung zu.a) b)Abb. 4.2: Datenpunkte a),b) und Oberfläche b) des Datensatzes [CAL] C-S im Magnituden-Entfernungs-Raum[Sa (M, D, T=0.05 s, 5% Dämpfung)]568


Bei der Entwicklung einer Abnahmebeziehung muss eine Gleichung für eine (evtl. höherdimensionale)Fläche bestimmt werden, die sich dieser Datenwolke mit möglichst geringenAbweichungen annähert. Der für jede Regressionsfläche im Magnituden – Entfernungsraumberechnete – Term quantifiziert den Grad der Annäherung.Die Form der Fläche (Abb. 4.2b) ist abhängig von Aufbau der Gleichung. Durchkomplexere Gleichungen können komplexere Flächen abgebildet werden. Die Lage der Flächewird durch die Koeffizienten bestimmt, die das eigentliche Ergebnis der Regressionsanalysesind. Sie positionieren die Fläche so, dass diese die Punktwolke mit dem kleinsten Fehler, alsodem kleinsten möglichen – Term durchdringt.4.4 KoeffizientenDie Tabellen 4.1 und 4.2 zeigen beispielhaft die durch die Regressionsanalyse ermitteltenKoeffizienten für verschiedene Datensätze und Regressionstypen. Mit Hilfe der Koeffizientenund der zugehörigen Gleichungen können Spektren für jeden Punkt des durch diezugrundeliegenden Daten abgedeckten Magnituden- und Entfernungsbereichs berechnetwerden.T [s] C1 C2 C3 h0 0,05 -1,9934 0,4211 -1,0517 9,29 0,28600,10 -1,4005 0,4142 -1,2472 13,72 0,30330,20 -1,7492 0,4418 -1,0848 11,32 0,29420,30 -2,2799 0,5030 -1,0087 8,92 0,29210,40 -2,7141 0,5498 -0,9649 7,55 0,27700,50 -2,9822 0,5902 -0,9826 8,77 0,27460,60 -3,3890 0,6314 -0,9299 6,86 0,27070,70 -3,6871 0,6585 -0,8949 5,32 0,27530,80 -3,9696 0,6859 -0,8651 4,60 0,27480,90 -4,1986 0,7057 -0,8290 4,10 0,27661,00 -4,3779 0,7281 -0,8343 4,38 0,28021,50 -5,1307 0,8147 -0,8299 4,60 0,30372,00 -5,5902 0,8543 -0,8184 4,19 0,3113Tabelle 4.1 Koeffizienten der Abnahmebeziehung für den Datensatz [CAL] C-S undBezugsgrößenvariante maxS a,i nach Regressionstyp I (vgl. Abb. 4.2 b)T [s] C 1 C 2 C 3 C 4 C 5 C 6 C 7 C 8 h 0 0,05 -2,1656 0,4185 -0,9985 0,2944 0,2100 -0,0277 0,0330 0,0834 7,05 0,28670,10 -1,6971 0,4054 -1,1140 0,2359 0,2008 -0,0308 -0,0095 0,0912 9,61 0,30050,20 -1,9276 0,4365 -1,0096 0,0794 0,0728 -0,0321 0,0157 0,0629 8,40 0,29180,30 -2,4699 0,5054 -0,9631 -0,0390 -0,0175 0,0247 0,1357 0,0904 7,08 0,30550,40 -2,8851 0,5577 -0,9443 -0,0534 -0,0332 0,0399 0,1106 0,0870 6,49 0,29970,50 -3,2083 0,5978 -0,9401 -0,1057 -0,1166 0,0205 0,1857 0,1019 6,77 0,29920,60 -3,6015 0,6364 -0,9050 -0,1188 -0,1523 0,0501 0,2582 0,1365 5,56 0,29370,70 -3,8966 0,6712 -0,8950 -0,1622 -0,2035 0,0411 0,2949 0,1368 4,86 0,29490,80 -4,1892 0,6963 -0,8652 -0,1255 -0,2164 0,0669 0,3247 0,1611 4,31 0,29210,90 -4,4404 0,7152 -0,8321 -0,0761 -0,2106 0,0822 0,3304 0,1941 3,96 0,29501,00 -4,6307 0,7351 -0,8332 -0,0615 -0,1988 0,0843 0,3080 0,2112 4,11 0,30001,50 -5,3728 0,8137 -0,8353 -0,0144 -0,1911 0,0969 0,2408 0,2537 4,23 0,30782,00 -5,8071 0,8493 -0,8458 -0,0123 -0,1648 0,1295 0,2349 0,2881 4,30 0,3092Tabelle 4.2 Koeffizienten der Abnahmebeziehung für die Datenbasis [CAL] und BezugsgrößenvariantemaxS a,i nach Regressionstyp II (vgl. Abb. 4.5)957


4.5 ErgebnisseDie Abbildung 4.3 und 4.4 zeigen weitere Möglichkeiten die Regressionsflächen auch inanderen Koordinatensystemen darzustellen. In Abb. 4.3 ist beispielsweise die Veränderung derSpektren mit zunehmender Entfernung vom Epizentrum gut zu erkennen. Der Einfluss derSchalter bei Regressionstyp II wird durch Abb. 4.5 veranschaulicht. Durch die simple Strukturder Bestimmungsgleichung wird die Regressionsfläche durch die Schalter lediglich entlang derSpektralbeschleunigungs-Achse S a verschoben.a) b)Abb. 4.3: Oberflächen der nach Regressionstyp I ermittelten untergrundspezifischen Abnahmebeziehungen ausDatenbasis [CAL] im a) Magnituden-Entfernungs-Raum [Sa (M, D, T=0.05 s, 5% Dämpfung)] undb) Magnituden-Perioden-Raum [Sa (M, D=10 km, T, 5% Dämpfung)]Abb. 4.4: Oberflächen der nach Regressionstyp Iermittelten untergrundspezifischen Abnahmebeziehungenaus Datenbasis [CAL]Abb. 4.5: Oberflächen der nach Regressionstyp IIermittelten untergrundspezifischen Abnahmebeziehungenaus Datenbasis [CAL]4.6 Überprüfung der DIN-SpektrenZur Überprüfung der in DIN EN 1998-1/NA: <strong>2011</strong>-01 [9] für die einzelnen Untergrundklassenbereitgestellten Normspektren wird von Kaufmann et al. (<strong>2011</strong>) [13] die Datenbasis[CAL] in mehreren Gruppen statistisch ausgewertet (Abb. 4.6): alle Daten (1); Auswahl nachMagnituden gemäß EC8 (2, 3); Auswahl nach Magnituden und Entfernungen (4, 5).5810


Abb. 4.6: Magnituden – Entfernungsbereiche die zurstatistischen Auswertung herangezogen wurden(vgl. Ergebnisse für Datensatz [CAL] C-S in Abb. 4.7)Abb. 4.7: Vergleich der statistisch ausgewertetennormierten Antwortspektren des Datensatzes[CAL] C-S mit den Normspektren von EC 8 Typ 2 undDIN 4149 (vgl. Abb. 4.6)Die Ergebnisse sind exemplarisch für den Datensatz [CAL] C-S in Abb. 4.7 dargestellt. DieUntersuchung bestätigt im Wesentlichen die „DIN-Spektren“ in ihrer qualitativen Form(Amplifikation); sie zeigt aber auch für einzelne Untergrundklassen unterschiedlichausgeprägte Abweichungen zwischen den Normspektren und den Spektren realerErdbebenereignisse; dies betrifft insbesondere die Festlegung des Bodenfaktors.5 AUSBLICKMit den vorgelegten spektralen Abnahmebeziehungen steht ein leistungsfähigesInstrumentarium zur Verfügung, das die Ermittlung der Bodenbewegung für die spezifischendeutschen Erdbebenbedingungen und Untergrundverhältnisse ermöglicht. Die vorgelegtenAbnahmebeziehungen stellen einen ersten Schritt der Auswertung dar, der dadurchgekennzeichnet ist, dass methodische Grundlagen zur standortspezifischen Auswahl vonBebenregistrierungen und zum Aufbau einer Standort spezifischen Datenbank entwickelt undsomit auch die Basisgrößen für moderne probabilistische Gefährdungsanalysen bereitgestelltwerden.Die in den Grundlagenarbeiten der „DIN-Spektren“ von Schwarz et al. (1999) durch Standortanalysenermittelten Bodenbewegungen für die jeweilige Untergrundklasse könnenverifiziert werden. Mit den neuartigen Abnahmebeziehungen ist somit die Möglichkeitgegeben, ihre Qualität und Konsistenz im Hinblick auf die Abstimmung zwischen denUntergrundklassen zu überprüfen.Abnahmebeziehungen sind ein Ergebnis aus Datensätzen bzw. Datenbanken, deren Qualitätnicht unwesentlich dadurch bestimmt wird, inwieweit die Herdkenngrößen bzw. Untergrundangabeneine Unterscheidung oder Kombination verschiedener Datengruppen zulassen.Insofern besteht die Aufgabe darin, diese Datenbanken zu pflegen und zu erweitern, um aufderen Grundlage entsprechend modifizierte Abnahmebeziehungen vorlegen zu können.1159


Die weitere Auswertung der Datenbasis [CAL] ist in Richtung einer differenziertenBetrachtung des Herdmechanismus, der Kombination von unterschiedlichen Datensätzen(Stark- und Schwachbeben) sowie der Reduzierung von Streubreiten und Prüfung fehlerminimierenderRegressions-Techniken vorgesehen.6 REFERENZEN[1] Schwarz, J., Ende, C., Lang, D.H. (2005):Site-dependent ground motion data recorded by German TaskForce in Turkey. In: P. Gülkan and J.G.Anderson (eds.), Directions in Strong Motion Instrumentation. 2005 Springer, 223–239.[2] Lang, D.H. (2004):Damage potential of seismic ground motion considering local site effects. Dissertation. scientific technicalreports 1, 2004, Zentrum für die Ingenieuranalyse von Erdbebenschäden (EDAC), Bauhaus-UniversitätWeimar, 293 pp.[3] Lang, D.H., Schwarz, J. (2006):Instrumental subsoil classification of Californian strong motion sites based on single-station measurements.Eighth U.S. National Conference on Earthquake Engineering, San Francisco, California, April 18-22, 2006.[4] Schwarz, J., Kaufmann, Ch., Lang, D.H., Abrahamczyk, L. (2010):Entwicklung spektraler Abnahmebeziehungen (für die Auslegung kerntechnischer Anlagen in deutschenErdbebengebieten). Abschlussbericht zum Projekt 246 132 75 der VGB-Kenziffer SA „AT“ 64/05,Erdbebenzentrum am Institut für Konstruktiven Ingenieurbau, Bauhaus-Universität Weimar, August 2010.[5] Ambraseys, N., Douglas, J., Sigbjörnsson, R., Berge-Thierry, C., Suhadolc, P., Costa, G., Smit, P. (2004):Dissemination of European Strong-Motion Data, Vol. 2 using Strong-Motion Datascape Navigator. 2004.[6] Boore, D. M., Atkinson, G. M., (2008):Ground-motion prediction equations for the average horizontal component of PGA, PGV, and 5%-dampedPSA at spectral periods between 0.01 s and 10.0 s, Earthquake Spectra 24, 99–138. NGA-Bericht Juli 2007[7] Schwarz, J. , Lang, D.H., Kaufmann, Ch., Ende, C. (2007):Empirical ground-motion relations for Californian strong-motion data based on instrumental subsoilclassification. 9th Canadian Conference on Earthquake Engineering, Ottawa, Paper 1359, 2007.[8] Schwarz, J., D.H. Lang, Golbs, Ch. (1999).Erarbeitung von Spektren für die DIN 4149-neu unter Berücksichtigung der Besonderheiten deutscherErdbebengebiete und der Periodenlage von Mauerwerksbauten. Scientific Report, Earthquake DamageAnalysis Center, September 1999.[9] DIN EN 1998-1/NA: <strong>2011</strong>-01:Nationaler Anhang-National festgelegte Parameter- Eurocode 8: Auslegung von Bauwerken gegen Erdbeben-Teil 1: Grundlagen, Erdbebeneinwirkungen und Regeln für Hochbau. Ersatz für DIN EN 1998-1:2010-12und DIN EN 1998-5:2010-12 Ersatz für die 2010-12 zurückgezogene Norm DIN 4149: 2005.Normenausschuß im Bauwesen (NABau) im DIN Deutsches Institut für Normung e.V., Berlin, Januar <strong>2011</strong>.[10] Lang, D.H., Schwarz, J. (2000):A comparison of site response estimation techniques: Case studies in earthquake-affected areas. Proceedingsof the 6 th International Conference on Seismic Zonation, Palm Springs/USA, 2000.[11] Ende, C., Schwarz, J. (2004):Einfluss von Analysemethoden auf spektrale Abnahmebeziehungen der Bodenbewegung. Schriftenreihe derBauhaus-Universität Weimar 116: Seismische Gefährdungsberechnung und Einwirkungsbeschreibung.Erdbebenzentrum am Institut für Konstruktiven Ingenieurbau, Weimar, 105–115.[12] Ambraseys, N.N., K.A. Simpson, and J.J. Bommer (1996):Prediction of horizontal response spectra in Europe. Earthquake Engineering and Structural Dynamics 25,371–400.[13] Kaufmann, C., Schwarz, J., Lang, D. (<strong>2011</strong>):Ground motion prediction equations on the basis of instrumentally verified subsoil classes of strong-motionrecording sites. Proceedings of 63rd EERI Annual Meeting, February 9-12, <strong>2011</strong>, San Diego, CA, USA,Poster, 195.6012


12. D-A-<strong>CH</strong> Tagung – Erdbeben und BaudynamikC. Könke (Hrsg.)Hannover, Deutschland, 15.–16. September <strong>2011</strong>STANDSI<strong>CH</strong>ERHEITSNA<strong>CH</strong>WEISE AN ERDS<strong>CH</strong>ÜTTDÄMMENUNTER ERDBEBENBELASTUNG MITTELS EINES MODIFIZIERTENKREY-BISHOP ALGORITHMUSC. Könke 1 , H. Sadegh-Azar 21 Instuitut für Strukturmechanik, Bauhaus-Universität WeimarMarienstrasse 15, 99423 WeimarE-mail: carsten.koenke@uni-weimar.de2 Hochtief Solutions AG, Consult IKS EnergyKeywords: Erdschüttdämme, Erdbebenbelastung, Böschungsbruch, Krey-Bishop Algorithmus.Abstract. Zum Nachweis der Standsicherheit an Erdschüttdämmen des Panama-Kanals wurdeeine modifizierte Nachweismethode basierend auf dem Krey-Bishop Algorithmus entwickelt.Während bisher die Krey-Bishop Methode im Fall von Erdschüttdämmen unter Erdbebenlastenmit quasistatischen Lasten eingesetzt wurde, verwendet der neue Algorithmus die zeitvariantenErgebnisse einer FEM-Simulation aus direkter Zeitintegration. In einem Nachlaufprozesswerden für jeden Zeitschritt eine Vielzahl möglicher Gleitlinien untersucht, für die jeweils dieabtreibenden und rückhaltenden Kräfte aus den Spannungsergebnissen der FEM-Simulationermittelt werden.Sobald das Abgleiten eines Blocks entlang einer Gleitlinie entdeckt wird, wird die zuerwartende Endverschiebung mittels des Newmark-Algorithmus untersucht. Dabei wird derbekannte Newmark-Algorithmus, der mit einer konstanten kritischen Beschleunigung arbeitetdem jeweiligen zeitvarianten Spannungszustand am Gleitkreis angepasst. Das weitere Gleitendes Blocks wird für jeden Zeitschritt nachdem sich der kritische Zustand eingestellt hat, durcheine erneute Prüfung der Gleichgewichtsbedingungen entlang der festgehaltenen Gleitkurveüberprüft.Im Beitrag wird die entwickelte Methodik am Beispiel eines Erdschüttdamma des Panama-Kanals diskutiert und die Ergebnisse mit den Resultaten aus expliziten FE-Berechnungenverglichen.161


1 EINLEITUNGDer Nachweis der Standsicherheit von Stein und Erdschüttdämmen in Erdbebenzonen istoftmals der für den Entwurf des Bauwerks entscheidende Nachweis. Im Verhältnis zu denstatischen Lasten infolge Eigengewicht, Verkehrslasten und hydrostatischem Wasserdruckkönnen die Lasten infolge Erdbebenwirkungen um ein Vielfaches höher liegen. AlsStandsicherheitsnachweis für derartige Bauwerk wird der Nachweis derBöschungsbruchsicherheit und der Nachweis der Gleitsicherheit auf der Aufstandsflächegefordert. Für beide Fälle werden dabei abtreibende Kräfte infolge statischer und dynamischerLasten mit den rückhaltenden Kräften aus Kohäsion und Reibung entlang von potentiellenGleitlinen verglichen. Zwei bekannte Versagensfälle von Erdschüttdämmen unter Erdbebenbelastungsind der Lower San Fernando Damm, der am 09. Februar 1971 während einesErdbebens der Magnitude M = 6.6 infolge Bodenverflüssigung teilweise versagte. InAbbildung 1a ist der Damm nach dem Abrutschen eines größeren Teils des Damms auf derReservoirseite gezeigt. Abbildung 1b zeigt den Fujinuma Damm in Japan, der beim TohokuErdbeben am 11. März <strong>2011</strong> mit einer Magnitude M = 9.0 vollständig versagte, was zurkompletten Entleerung des Reservoirs führte.a) b)Abbildung 1a: Versagen des Lower San Fernando Damms, (US Geological Survey) 1b: Versagen des FujinumaDamms, (Chief Hira, Wikimedia)Im Erdbebenfall werden klassischerweise diese Nachweise mit quasistatischen Ersatzkräfteninfolge Erdbebenbelastung als rein statische Nachweise durchgeführt, entsprechende demBöschungsbruchnachweis nach Krey-Bishop. Im hier präsentierten Beitrag wird dasquasistatische Vorgehen durch eine zeitvariante Methodik erweitert. Hierzu wird der klassischeKrey-Bishop Algorithmus im Rahmen einer numerischen Simulation des Antwortverhaltensder Dammstruktur mittels der Finiten Elemente Methode eingesetzt. Die Antwort der Strukturunter einer Erdbebenbelastung wird mittels direkter Zeitschrittintegrationsverfahren ermittelt.Der Nachweis der Böschungsbruchsicherheit erfolgt dann in jedem Zeitschritt für eine Reihevon vorgegebenen möglichen Gleitlinien, die durch eine parametrisierte Beschreibung in ihrerGeometrie definiert sind. Wird entlang einer der vorgegeben Gleitlinien ein Abgleiten622


detektiert, so lässt sich eine Abschätzung der am Ende festzustellenden Bewegung desGleitkörpers durch die zweifache Integration der Beschleunigungen im Schwerpunkt der Massedes Gleitkörpers erreichen. Dieser Newmark-Algorithmus wird automatisch für jeden alskritisch erkannten Gleitkörper ausgeführt.Der Beitrag präsentiert die entwickelte Methodik anhand eines Erdschüttdamms desPanama-Kanals.2 NA<strong>CH</strong>WEIS DER BÖS<strong>CH</strong>UNGSBRU<strong>CH</strong>SI<strong>CH</strong>ERHEIT NA<strong>CH</strong> KREY-BISHOPDer Nachweis der Böschungsbruchsicherheit wird in konventionellen Programmen fürstatische Belastungen oftmals durch das Verfahren von KREY/BISHOP durchgeführt.Dynamische Lasten werden über dynamische Vergrößerungsfaktoren in quasistatische Lastfälleumgerechnet. Im Rahmen dieser Untersuchung wurde ein Verfahren eingesetzt, mit dem dieBerechnung der Böschungsbruchsicherheit für beliebige Zeitschritte einer Struktur unterstatischen oder dynamischen Lasten, basierend auf dem jeweils aktuellen Spannungszustandmöglich ist. Das Verfahren wurde in ein eigenständiges Programm implementiert, welches alsunabhängiges Nachlaufprogramm jeder FE-Berechnung verwendet werden kann. Als Ergebnisder FE-Simulation müssen, neben den Informationen zu Knotenkoordinaten, Elementinzidenzenund Materialparametern, die Spannungsergebnisse an allen Knotenpunkten in eineASCII-Datei ausgegeben werden. Der Algorithmus kann sowohl für statische Belastungen alsauch für dynamische Belastungen, bei denen die Spannungsergebnisse als zeitlichveränderliche Informationen in einer Reihe von diskreten Zeitpunkten vorliegen, eingesetztwerden.Das Verfahren von KREY/BISHOP [1,2] geht von einer kreisförmigen Gleitfläche aus, diesich im Bruchzustand ausbildet (Abbildung 2).Abbildung 2: FE-Netz mit potentiellem GleitkreisIn Abbildung 2 ist ein solcher Gleitkreis durch ein FE-Netz dargestellt. Hat man denSpannungszustand innerhalb des Dammes berechnet, so lassen sich die Hauptspannungenderjenigen Elemente, die vom Gleitkreis geschnitten werden, in ihre radialen und tangentialenAnteile bezüglich des Gleitkreises transformieren. Diese Spannungstransformation ist inAbbildung 3 dargestellt.363


Abbildung 3: Spannungstransformation in tangentiale und normale AnteileDie Integration der tangentialen Spannungen σ T über die Gleitkreislinie liefert die treibendeKraft T vorh :T ∫ σvorh TdL(1)=LDie radialen Spannungen σ N erzeugen Reibungskräfte beziehungsweise Spannungen, dieden treibenden Spannungen entgegenwirken. Zusätzlich wirken in kohäsiven BödenKohäsionsspannungen c´, die ebenfalls einen Widerstand gegenüber der abtreibenden Wirkungergeben. Die Integration beider Widerstände entlang der zu untersuchenden Gleitlinie ergibt diehaltende KraftTzul( ϕ′+ c )= ∫ σ ′Ntan dL(2)LDie Sicherheit gegen Böschungsbruch lässt sich dann durch den Quotienten der haltenden zuden treibenden Kräften ermitteln:Tzulη =(3)TvorhDie oben beschriebene Untersuchung wird nun für eine Vielzahl möglicher Gleitkreisedurchgeführt. Im nächsten Schritt geht es darum, den Gleitkreis mit der geringsten Sicherheitzu finden. Dazu werden in einem vom Benutzer festzulegenden Raster möglicheMittelpunktslagen der Gleitkreise festgelegt. Für jeden Gleitkreismittelpunkt, d.h. jedenRasterpunkt, wird dann zunächst der Abstand d des Gleitkreismittelpunktes von der Böschungbestimmt (kürzeste Entfernung) und dann ein minimaler Radius R min so bestimmt, dass derzugehörige Gleitkreis die Böschung gerade tangiert (Abbildung 4).644


M 1M 2M 3R 1,mind2 = R 2,mind 1d 3R3,minAbbildung 4: Ermittlung des minimalen Radius für die Suche nach dem Gleitkreis mit minimaler Sicherheit gegenBöschungsbruchWeiterhin wird ein maximaler Radius so bestimmt, dass sichergestellt ist, dass der Fußpunktund der oberste Punkt der Böschungslinie bei der Suche nach dem Gleitkreis mit minimalerSicherheit von mindestens einem Gleitkreis durchlaufen werden. Ausgehend von demminimalen Radius wird der Radius in vom Benutzer festgelegten Schrittweiten bis zummaximalen Radius variiert und die Sicherheit der verschiedenen Gleitkreise berechnet. DerBenutzer kann sowohl den minimalen, als auch den maximalen Radius um ein konstantes Maßvergrößern. Da es bei Gleitkreisen, die nur in geringer Tiefe in den Böschungskörpereinschneiden, oftmals aufgrund numerischer Effekte zu Instabilitäten kommt, wird eineMindesttiefe des einschneidenden Gleitkreises von t = 3,0 m angesetzt. Gleitkreise, die wenigertief in den Damm einschneiden werden nicht ausgewertet.3 NA<strong>CH</strong>WEIS DES MAXIMALEN RUTS<strong>CH</strong>UNGSWEGS NA<strong>CH</strong> NEWMARKSobald ein Gleitkries als kritisch erkannt wurde, wird der Rutschungsweg des zugehörigenBruchkörpers ermittelt. Dazu werden die Beschleunigungen im Schwerpunkt des Bruchkörpersüber die Zeit ausgewertet und zweifach zu den Verschiebungen integriert. Dies geschieht füralle Zeitschritte für die die Beschleunigungswerte im Schwerpunkt des Bruchkörpers oberhalbeiner kritischen Beschleunigung liegen.Der Newmark-Algorithmus basiert auf der Annahme, dass der Bruchkörper entlang erGleitlinie als Ganzes abrutscht, sobald eine kritische Beschleunigung, beispielsweis infolgeErdbebenanregung, überschritten wird. Die kritische Beschleunigung wird für den Bruchkörperdurch Auswertung des Momentengleichgewichts mit dem Bezugspunkt im Schwerpunkt desBruchkörpers ermittelt, siehe Abbildung 5. Der klassische Newmark-Algorithmus ermittelt diekritischen Beschleunigungswert in dem Zeitschritt, in dem der Bruchkörper anfängt sich zubewegen und hält diesen Wert anschließend bis zum Ende der Anregung konstant. In unseremAnsatz wird der kritische Beschleunigungswert für jeden Zeitschritt neu durch die Auswertungdes Momentengleichgewichts berechnet. Dabei wird der jeweils aktuelle Spannungszustandangesetzt.565


Sobald die auftretende Beschleunigung größer ist als der kritische Beschleunigungswert,werden die Beschleunigungen im Schwerpunkt des Bruchkörpers zweifach zu denVerschiebungen integriert und zu den bisherigen Verschiebungen hinzu addiert.hd ohd uMRd ovS om oe ⋅ a kritd uvm oe ⋅ gf rsS um ur ⋅ gm ug ⋅ a kritem ogm urm uAbbildung 5: Momentengleichgewicht für den Newmark-Algorithmus... Masse gesättigter Boden oberhalb Grundwasserlinie... Masse des vollständig gesättigten Bodens unterhalb der Grundwaserlinie... reduzierte Masse des vollständig gesättigten Bodens unterhalb derGrundwasserlinieg ... Gravitationskonstantea krit ... kritische horizonatle Beschleunigungf r ... Widerstandskraft entlang der GleitlinieM ... Mittelpunkt de GleitkreisesR ... Radius des GleitkreisesS o ... Schwerpunkt des Bruchkörpers oberhalb der GrundwasserlinieS u ... Schwerpunkt des Bruchkörpers unterhalb der Grundwasserlinies ... Länge der Gleitliniehd o ... horizontaler Abstand zwischen den Kräften des oberen Bruchkörpers unddem Gleitkreismittelpunktd uhd ovd uv... horizontaler Abstand zwischen den Kräften des unteren Bruchkörpers unddem Gleitkreismittelpunkt... vertikaler Abstand zwischen den Kräften des oberen Bruchkörpers unddem Gleitkreismittelpunkt... vertikaler Abstand zwischen den Kräften des unteren Bruchkörpers unddem GleitkreismittelpunktDamit ergibt sich das Momentengleichgewicht zur Ermittlung der kritischenBeschleunigung als:666


e h r h e v g v( ) ( )∫ frds ⋅R = Fr⋅R = mo⋅d o+mu⋅du ⋅g+ mo⋅d o+mu⋅du ⋅akrit (4)sGl. (4) aufgelöst nach der kritischen Beschleunigung wird zu:a =e h r h( )F⋅R-m⋅d+m⋅d ⋅gr o o u ukrit e v g vmo⋅d o+mu⋅du(5)Die relative Geschwindigkeit v i zwischen dem abrutschenden Block und der restlichenDammstruktur last sich durch Integration der relativen Beschleunigungen zwischen den beidenKörpern ermitteln. Dabei stellt a i aufg die vorhandene Beschleunigung im Schwerpunkt desBruchkörpers im Zeitschritt i dar. a i krit ist der aus Gl. (5) berechnete Wert der kritischenBeschleunigung im Zeitschritt i. Integriert wird die Beschleunigung nur dann, wenn es zu einerVergrößerung der Rutschung kommt.( aufg krit )i i i i-1v = Δt a + -av ⋅ 0 ≥ (6)Die resultierende relative Verschiebung v i zwischen den beiden Körpern ergibt sich dannnach erneuter Zeitintegration der relativen Geschwindigkeiten. Die resultierende Rutschung desBruchkörpers im Zeitschritt i ergibt sich dann zu:s Δt =v + s ⋅ (7)i i i-1summesumme4 BÖS<strong>CH</strong>UNGSBRU<strong>CH</strong>SI<strong>CH</strong>ERHEIT EINES DAMMS DES PANAMA-KANALS4.1 Borinquen Damm 2EDie in den vorherigen Kapiteln dargestellte Vorgehensweise wird auf dieStandsicherheitsuntersuchung eines Damms des Panama-Kanals angewendet. Am Standort sindErdbeben mit maximalen Beschleunigungsamplituden von ca. 1 g zu erwarten. Im Zuge desAusbaus des Panama-Kanals soll der Kanal im Bereich der Miraflores Schleusen verlegtwerden. Abbildung 6 zeigt in einem Luftbild die neue Situation in diesem Bereich.Zur Untersuchung der Standsicherheit wird der Damm 2E in einem zweidimensionalenModell im ebenen Dehnungszustand untersucht. Der Querschnitt des Damms mit derDarstellung der unterschiedlichen Materialzonen ist in Abbildung 7 dargestellt. In Abbildung 7sind ebenfalls die durch eine quasistatische Analyse ermittelten Gleitlinien eingezeichnet, diesich im Verlauf des 2500-jährien Erdbebens ergeben.767


Abbildung 6: Übersicht Borinquen Damm, [3]Abbildung 7: Querschnitt Borinquen Damm 2E, Materialzonen, [3]4.2 FE-Modells des Borinquen Damms 2EDas Finite Element Netz des betrachteten Querschnitts ist in Abbildung 8 dargestellt. Amunteren Rand des Modells sowie an den beiden vertikalen Ränderndes Gebiets werden alleVerschiebungsfreiheitsgrade gesperrt. Die so festgehaltenen Ränder sind in Bild 8 mit grünerFarbe gekennzeichnet. Entlang des unteren Gebietsrands wird der Beschleunigungszeitverlauffür die Erdbebenanregung in horizontaler und vertikaler Richtung aufgebracht. Das Modellwird grundsätzlich mit linear-elastischen Materialgesetzen berechnet. Jedoch werden dieMaterialsteifigkeiten entsprechend der von Seed und Idriss [4] vorgeschlagenenVorgehensweise mit zunehmender Schubdehnung verringert. Gleichzeitig wird die Dämpfungmit zunehmender Schubdehnung heraufgesetzt. Die Berechnung findet als dynamische Analysemittels direkter Zeitschrittintegration mit einer Schrittweite von Δt = 0.01 s über die Zeitdauerdes Erdbebens von ca. 25 s statt.688


Abbildung 8: Borinquen Damm 2E, FE-Modell mit Randbedingungen, [3]Die Zeitverläufe für die anzusetzenden Erdbebenbeschleunigungen in horizontaler undvertikaler Richtung mit einer Wiederkehrperiode von 2500 Jahren sind in den Abbildungen 9und 10 dargestellt. Als Anfangszustand werden der statische Eigengewichtszustand sowie derstatische hydrostatische Druck einschließlich des Auftriebszustand auf den Damm aufgebracht.Dieser Grundzustand wird konstant über den gesamten Berechnungszeitraum gehalten.Abbildung 11 stellt das Raster der untersuchten Mittelpunktslagen für die Gleitkörper aufder linken Seite des Damms dar. Man erkennt die vom Nutzer vorzugebenden Abstände derRasterpunkte. Der Rasterabstand entspricht quasi einer Diskretisierungsgröße, ähnlich wie dievom Nutzer vorzugebende Netzgröße.In den Abbildungen 12 und 13 sind einige zu unterschiedlichen Zeitpunkten auftretendekritische Gleitkreise dargestellt. Man erkennt daran, dass sich zeitlich aufeinanderfolgendeGleitkreise überschneiden können, da in der Folge der Ausbildung von Gleitkörpern keineLastumlagerung stattfindet.10horizontal acceleration 2500yr_lp89_srtg_fn864acceleration [m/s**2]20-2-4-60 5 10 15 20 25 30 35 40 45-8-10time [s]Abbildung 9: Erdbebenbeschleunigungsverläufe, horizontal, [3]969


vertical acceleration 2500yr_lp89_srtg_vert10864acceleration [m/s**2]20-2-4-60 5 10 15 20 25 30 35 40 45-8-10time [s]Abbildung 10: Erdbebenbeschleunigungsverläufe, vertikal, [3]Abbildung 11: Mittelpunktsraster der untersuchten Gleitkreise auf der linken Dammseite, [3]Kritischer Gleitkreis Nr.17 t = 9.01 sAbbildung 12: kritischer Gleitkreis auf der linken Dammseite, [3]7010


Kritischer Gleitkreis Nr. 19 t = 9.06 sKritischer Gleitkreis Nr. 22 t = 11.52Abbildung 13: kritische Gleitkreise auf der linken Seite des Damms [3]Als Abschätzung der finalen Rutschungen der Bruchkörper ergeben sich die in derfolgenden Tabelle 1 zusammengestellten Werte. Man erkennt, dass die Rutschwegeunterschiedlich ausfallen, je nachdem ob die horizontale Beschleunigung mit positivem odernegativem Vorzeichen angesetzt wird.Zum Vergleich wurden die Verschiebungen infolge Erdbeben auch mit der explizitennichtlinearen dynamischen Finite-Differenzen-Methode ermittelt. Hierzu wurde das ProgrammFLAC (Fast Lagrangian Analysis of Continua) eingesetzt. Als Ausgangssystem derdynamischen Zeitverlaufsberechnungen wurde der statische Spannungszustand im Dammermittelt und angesetzt. Hierzu wurde auch eine Grundwasserströmungsanalyse durchgeführt.Die resultierenden maximalen Verschiebungen aus den durchgeführten explizitenZeitverlaufsberechnungen liegen bei 1,65m.Es konnte somit gezeigt werden, dass das hier angewandte erweiterte Newmark-Verfahrenin der Lage ist, die zu erwartenden Rutschwege und Verschiebungen mit ausreichenderGenauigkeit und mit relativ geringem Aufwand zu ermitteln.1171


Tabelle 1: abgeschätzte Rutschwege mit dem erweiterten Newmark-Algorithmuscrit.raster point coordinatesaccelerationfinal slip displacementNo. site Loadstep Time Raster ID x_m y_m R AreaResistanceForce a_y for a_y for -a_y[s] [m] [m] [m] [m²] [N] [m/s²] [m] [m]1 left 0s+15 3.22 25 -76.744 26.744 21.5 61.3 398900 0.71 1.715 2.1812 left 5s+8 5.72 67 -76.744 44.744 39.0 120.0 1467743 3.41 0.191 0.0533 left 5s+13 6.11 6 -64.744 23.744 12.0 20.4 409884 7.88 0.003 0.0004 left 5s+23 6.61 25 -76.744 26.744 22.0 74.6 292449 -0.665 left 5s+33 7.11 7 -58.744 26.744 14.0 46.3 988406 8.88 0.000 0.0006 left 5s+35 7.21 8 -52.744 29.744 15.0 51.6 860172 6.30 0.017 0.0027 left 5s+37 7.31 52 -40.744 53.744 33.5 64.7 1469971 8.68 0.000 0.0008 left 5s+42 7.56 90 -64.744 59.744 53.5 393.4 2849709 0.81 1.556 1.8589 left 5s+42 7.56 173 -70.744 92.744 83.5 281.3 2930588 2.14 0.550 0.25610 left 5s+46 7.76 95 -34.744 74.744 54.5 190.7 2926208 5.22 0.045 0.00911 left 5s+59 8.41 50 -52.744 47.744 32.5 90.9 1593521 6.09 0.021 0.00312 left 5s+60 8.46 29 -52.744 38.744 25.0 109.1 2099462 7.42 0.006 0.00013 left 5s+70 8.96 57 -10.744 68.744 48.5 393.4 3575735 3.70 0.142 0.04014 left 5s+70 8.96 36 -10.744 59.744 49.0 976.6 8537847 4.40 0.085 0.02015 left 5s+71 9.01 35 -16.744 56.744 43.0 679.9 4911467 2.89 0.305 0.10216 left 5s+71 9.01 14 -16.744 47.744 46.0 1547.4 12529882 4.33 0.090 0.02217 left 5s+71 9.01 94 -40.744 71.744 67.0 1161.4 10313507 2.57 0.399 0.14718 left 5s+71 9.01 154 -58.744 89.744 86.5 1031.4 12109544 3.42 0.189 0.05219 left 5s+72 9.06 92 -52.744 65.744 56.5 499.0 6667261 4.12 0.105 0.02720 left 10s+16 11.52 95 -34.744 74.744 56.0 263.1 3490499 4.30 0.092 0.02221 left 10s+16 11.52 131 -70.744 74.744 65.0 169.3 2764786 5.13 0.048 0.00922 left 10s+16 11.52 158 -34.744 101.744 85.5 504.7 6130597 4.13 0.105 0.02723 left 10s+16 11.52 176 -52.744 101.744 86.5 296.0 4666167 5.10 0.049 0.0105 ZUSAMMENFASSUNGAnhand eines Erdschüttdamms des Panama-Kanals wurde gezeigt, dass der Krey/BishopAlgorithmus zur Untersuchung der Sicherheit von Böschungen durch geringfügigeModifikationen auch für dynamische Lastfälle eingesetzt werden kann. Die maximal zuerwartenden Rutschwege können über den hier vorgestellten erweiterten Newmark-Algorithmus ausreichend präzise abgeschätzt werden. Nachteilig an dem präsentiertenVorgehen ist, dass die sich ausbildenden Gleitkörper keine Auswirkungen auf dieLastumlagerung haben. Um derartige Effekte zu berücksichtigen, müssen die sich ausbildendenScherzonen im Boden in einer zeitvariante Analyse mit nichtlinearem Materialverhalten unterBerücksichtigung des Softening-Verhaltens des Materials untersucht werden. Doch selbst beiAnwendung dieser in der Theorie genauerer Verfahren sind die Ungenauigkeiten der ModellundMaterial-Parameter in einer Größenordnung, welche die Qualität der Ergebnisse derverbesserten Theorie teilweise wieder verwässert.Das hier vorgestellte Verfahren besitzt gegenüber diesem sehr aufwändigen Vorgehen denVorteil, dass es mit geringem Aufwand an jede Zeitverlaufsberechnung angehängt werden kannund dabei die zu erwartenden Rutschwege mit ausreichender Genauigkeit ermittelt.REFERENCES[1] KREY, Erddruck, Erdwiderstand und Tragfähigkeit des Baugrundes, 5. Auflage, Ernstund Sohn, Berlin, 1936[2] BISHOP, Use of the slip circle in the stability analysis of slopes, Geotechnique, Band 5,S.7, 1955[3] URS, Final Technical Memorandum, TASK C.1.4, Embankment Seismic Stability,DAM 2E, Autoridad del Canal de Panama, 2008[4] SEED, H.B., IDRISS, I.M., "Soil Moduli and Damping Factors for Dynamic ResponseAnalyses", Report No. EERC 70- 10, Earthquake Engineering Research Center,University of California, Berkeley, California, 19707212


12. D-A-<strong>CH</strong> Tagung – Erdbeben und BaudynamikC. Könke (Hrsg.)Hannover, Deutschland, 15.–16. September <strong>2011</strong>ERDBEBEN IM JAHR 1911 –DER ERDBEBENS<strong>CH</strong>WARM IM HOHEN VENNK. Lehmann ** Geologischer Dienst NRWDe-Greiff-Str. 195, D-47803 KrefeldE-mail: klaus.lehmann @ gd.nrw.deKeywords: Erdbebenkatalog, Hohes Venn, Aachen, Nordrhein-Westfalen.Abstract. Neben dem Starkbeben bei Albstadt am 6. September 1911 wurde im gleichen Jahr auch derNordrand der Eifel im heutigen Nordrhein-Westfalen von einem Erdbebenschwarm erschüttert. DieseAbfolge bestand mindestens 15 Ereignissen, von denen hier 12 aus einer Reihe von Erdbebenkatalogenzeitlich und teilweise räumlich bestimmt und zusammengestellt werden konnten. Die Epizentren desBebenschwarms lagen im Bereich des Hohen Venns zwischen Aachen, Düren, Eupen und Monschau,also in einer Region, in der sowohl in historischer Zeit als auch aktuell – anhand seismischerRegistrierungen – Erdbebenaktivität nachgewiesen werden kann.Verschiedenen Studien zufolge wurden 1911 bei einzelnen Ereignissen des Schwarms Lokalmagnitudenbis zu 4,5 bzw. 4,2 erreicht. Die Beben seien in Aachen, Düren und Eupen (B) undNieuwenhagen b. Kerkrade (NL) spürbar gewesen. Schäden an Gebäuden sind jedoch in den vorliegendenQuellen nicht belegt. Mindestens sieben Beben mit Magnituden von etwa 4 auf der Richter-Skala sind dabei für einen Zeitraum von nur zwei Tagen, am 30. und 31. Mai 1911, dokumentiert. Eineweitere Abfolge fand nach einer Ruhepause am 6. September 1911, einige Stunden nach dem Albstadt-Beben, statt. Das zeitliche Zusammentreffen veranlasste Sieberg seinerzeit, über einen Zusammenhangzu spekulieren.Unterschiedliche Lokalisierungen einzelner Ereignisse durch verschiedene Autoren zeigen, dass sichdie jeweils genutzte Datenbasis zur Charakterisierung des Erdbebenschwarms teilweise nicht deckt. Miteiner gezielten Zusammenführung aller verfügbaren Informationen wird hier versucht, die Kenntnis derEigenschaften dieser Ereignisse und der zugrunde liegenden Prozesse zu verfeinern. Die Zusammenstellungder in dieser Studie zur Verfügung stehenden makro- und mikroseismischen Daten aus wissenschaftlichenAufsätzen und lokaler Berichterstattung bestätigt den Intensitätswert von V bis VI für dasstärkste Bebens des 30. Mai 1911. Für die hohen Intensitäts- und Magnitudenwerte einiger weitererSchwarmbeben wurden jedoch keine Belege gefunden. Auch das Beben vom 6. September 1911 imHohen Venn hatte nach den zeitgenössischen Beschreibungen vermutlich eine Intensität von V bis VI.Dem Erdbebenschwarm im Mai 1911 wurde eine einheitliche Lage südlich der Ortschaft Zweifallzugeordnet. Eine abweichende Lage der einzelnen Ereignisse ist aufgrund der vorliegenden Daten nichtsignifikant. Die Epizentren der Beben vom 6. September sind wahrscheinlich weiter nördlich, im Südender Niederrheinischen Bucht anzusetzen.Die Ergebnisse bedeuten eine punktuelle Verfeinerung des Erdbebenkatalogs und dienen so, gemeinsammit weiteren Detailstudien, der Überprüfung und Präzisierung von Berechnungen der Erdbebengefährdungim lokalen bis regionalen Maßstab.173


1 EINLEITUNGDie Niederrheinische Bucht gehört zu den Gebieten mit der höchsten Erdbebentätigkeit inDeutschland. Sie ist Teil einer seismisch aktiven Zone, die sich von den Niederlanden undBelgien her über das Mittelrheingebiet bis in den Oberrheingraben erstreckt, und besteht auseinem Mosaik von nach Nordosten gekippten Schollen, die von tief reichenden Verwerfungenbegrenzt sind. Das Erdbeben von Roermond am 13. April 1992 zeigte mit seiner Stärke von 5,9auf der Richter-Skala das Potenzial für die vorhandene Gefährdung durch Erdbeben exemplarischauf [1]. Die Bilanz dieses Ereignisses lag bei 30 Verletzten und einem Sachschadenvon etwa 40 Mio. Euro allein auf dem Gebiet von Nordrhein-Westfalen.In historischen Chroniken wird seit der Zeit Karls des Großen immer wieder von Schadenverursachenden Erdbeben berichtet (z. B. [2]). Das bisher stärkste bekannte Beben auf demGebiet von Nordrhein-Westfalen fand 1756 in der Nähe von Düren statt. Es war Teil einer übermehr als zwei Jahre andauernden Erdbebenserie. Die Magnitude des stärksten Ereignissesdieser Abfolge wird auf 6,1 [3] bis 6,4 [4] geschätzt. Für das belgische Verviers ist für das Jahr1692 sogar ein Beben der Magnitude 6,8 verbürgt [5]. Paläoseismische Befunde stützenzusätzlich die Annahme, dass in vorhistorischer Zeit Beben mit Stärken bis zu 7 an den Verwerfungender Niederrheinischen Bucht stattgefunden haben [6].Auswertungen historischer Erdbebenkataloge und aktueller instrumenteller Registrierungenzeigen, dass die Erdbebengefährdung innerhalb der Niederrheinischen Bucht in der Gegend umDüren und Aachen am höchsten ist. In der Einteilung des Eurocodes 8 (DIN EN 1998-1/NA)fällt diese Region in die Erdbebenzone 3. Etwas weiter südlich beginnt das RheinischeSchiefergebirge und unmittelbar bei Aachen das Hohe Venn, das SW-NE-streichend nachBelgien reicht [7]. Diese Region wird tektonisch durch die Venn-Überschiebung dominiert, diemit der fortlebenden Abschiebungstektonik der NW-SE-verlaufenden westlichen Randstaffelnder Niederrheinischen Bucht eine Zuordnung von Erdbebenherden schwierig gestalten.Zu Beginn des letzten Jahrhunderts wurde mit der Schaffung eines seismischen Beobachtungsnetzesder Übergang von ausschließlich makroseismischen Beobachtungen hin zumikroseismischen Messungen manifestiert. 1908 wurde in Belgien die Station Uccle am KöniglichenObservatorium von Belgien eingerichtet [8], 1911 in De Bilt am Königlich-NiederländischenMeteorologischen Institut. In der Technischen Hochschule Aachen war bereits etwa1907 eine Station errichtet worden, die als eine der 11 Hauptstationen der Kaiserlichen Hauptstationfür Erdbebenforschung fungierte [9]. In diese Pionierzeit der seismologischenObservatoriumstätigkeit vor 100 Jahren fiel der Erdbebenschwarm im Hohen Venn im Mai undSeptember 1911.Als einer der ersten Fälle sind für Ereignisse in dieser Region makro- und mikroseismischeErkenntnisse vorhanden. Durch die Lage Aachens am Dreiländereck Belgien – Niederlande –Deutschland können für Bewertung von Ereignissen oft Aufzeichnungen und Dokumentationenaus drei Ländern herangezogen werden, die sich in einer Zusammenschau zu einem einheitlichenBild ergänzen lassen.2 ERDBEBENKATALOGEVerschiedene Erdbebenkataloge der drei Länder listen Ereignisse des Erdbebenschwarmsvon 1911 auf: In den Zusammenstellungen von Visser [10], van Rummelen [11], Van Gils &Zaczek [12], Van Gils & Leydecker [13], Houtgast [14], Alexandre [15], Grünthal &742


Wahlström [16], Leydecker [17], Schwarz et al. [18] und Observatoire Royal de Belgique [19]wurden entsprechende Einträge recherchiert.Stellt man diese Informationen vergleichend zusammen, erhält man eine Übersicht über dieErdbebentätigkeit dieser Region und Hinweise auf die Ereignisse des Erdbebenschwarms von1911 (Tab. 1 und 2, Abb. 1).Nr.DatumZeit Koordinaten(UTC) nB öLz 0[km]I 0(MSK)M Epizentrum Ref.A1 07.11.1910 00:40 9 V M L = 3,6 Roetgen [12]00:40 50,65 6,20 9 V Venn area [13]V Hautes Fagnes [15]00:4050,65 6,20,±5 km9 V Roetgen [17]A2 30.05.1911 19:26:17 50,650 6,250 VM L = 4,3M S = 3,7Eifel,MausbachEifel-A3 30.05.1911 19:43 7 V-VI M L = 4,2[12]Eicherscheid19:43 50,58 6,32 7 V-VI Venn area [13]19:43 50,58 6,31 7 V-VI M W = 3,5 [16]19:43 50,58 6,32 7 V-VI M L = 4,219:43:25 50,650 6,233 VM L = 4,5M S = 4,0Simmerath-EicherscheidEifel,EicherscheidA4 30.05.1911 22:30 V Eifel-Schmidt [12]22:30 50,65 6,40 V Venn area [13]22:30 50,65 6,40 V Schmidt, Eifel [17]Tabelle 1: Zusammenstellung der Erdbeben in der nördlichen Eifel von 1910 bis zum 30.05.1911 nach Einträgenin den Erdbebenkatalogen (Fortsetzung in Tabelle 2). Die Koordinaten sind in Grad nördlicher Breite (nB) undöstlicher Länge (öL) angegeben. z 0 bezeichnet die Herdtiefe, I 0 die Epizentralintensität.Auch in der Übersichtskarte von Ahorner [20] sind für das Jahr 1911 zwei Beben in dieserRegion vermerkt. Weitere Beschreibungen oder Erwähnungen dieser Ereignisse sind beiReinhold [21] und später bei Faber [22] zu finden. Sieberg nahm Bezug auf die Ereignisse A1und A12 (s. Tab. 1 und 2) zur Diskussion der Geologie der Erdbeben im Rheinland [23].Besonders reichhaltige Informationen förderte eine Recherche in der damaligen AachenerTageszeitung, dem ‚Echo der Gegenwart‘, zutage. Hier fand sich auch der in [21] zitierteArtikel von Haußmann [24], dem Leiter des Aachener Observatoriums. Die in verschiedenenAusgaben des Jahres 1911 [25-32] enthaltenen Informationen werden hier für eine Neuzusammenstellungund -bewertung des Erdbebenschwarms im Hohen Venn verwendet.[19][17][19]3 MAKROSEISMIS<strong>CH</strong>E BEOBA<strong>CH</strong>TUNGENAus den makroseismischen Beschreibungen der Beben in den zur Verfügung stehendenQuellen wird deutlich, dass es sich nicht um einzelnen Stöße gehandelt hat sondern um eineAbfolge vieler Ereignisse. Während in [12] auf die Anzahl von 15 Ereignissen hingewiesenwurde, berichtet Haußmann sogar von 26 Stößen, die bei Lammersdorf (Forsthaus Jägerhaus)am 30. und 31. Mai 1911 gespürt worden seien [24].375


Nr.DatumZeit Koordinaten(UTC) nB öLz 0[km]I 0(MSK)M Epizentrum Ref.Eifel-A5 31.05.1911 00:18 IV-V M L = 3,6[12]Eicherscheid00:18 50,57 6,32 V-VI Venn area [13]00:18 50,56 6,31 V-VI M W = 3,6 [16]00:18 50,57 6,32 V-VISimmerath-Eicherscheid[17]00:18:42 50,650 6,233 V M L = 3,6Eifel,Eicherscheid[19]A6 31.05.1911 02:08 V-VI M L = 4,0Eifel-Wenau-Heistern[12]02:08 50,78 6,33 V-VI Venn area [13]02:08 50,78 6,33 V-VI M W = 3,6 [16]02:08 50,78 6,33 V-VI M L = 4,002:08:03 50,650 6,233 VIM L = 4,3M S = 3,7Wenau,Heistern, EifelEifel, Wenau,HeisternA7 31.05.1911 02:20 V Eifel-Mausbach [12]02:20 50,78 6,33 V-VI Venn area [13]Wenau,02:20 50,78 6,33 V-VI[17]Heistern, EifelA8 31.05.1911 10:03 15 V M L = 3,2 Eifel- Buesbach [12]10:03:31 50,650 6,233 V M L = 4,0 Eifel, Buesbach [19]A9 31.05.1911 15:05:12 50,650 6,233 V M L = 4,0Eifel,Mausbach[19]A10 31.05.1911 21:05 IV-V M L = 3,5Eifel-Imgenbroich[12]21:05 50,58 6,27 IV-V Venn area [13]21:05 50,58 6,27 IV-VImgenbroich,Eifel[17]21:05:44 50,650 6,233 IV M L = 4,1Eifel,Imgenbroich[19]A11 31.05.1911 23:28:43 50,563 6,255 M L = 4,1 Eifel, Buesbach [19]A12 06.09.191114:14(lokal)50,75 6,25Nieuwenhagen,Aken13:54 50,75 6,25 [11]13:54 10 VI M L = 4,1 Eifel-Raeren [12]13:54:10 50,70 6,32 VI M L = 4,1 Raeren [13]13:54 50,75 6,25 10 VI M L = 4,1 Aken [14]13:54 50,75 6,25 VI M W = 4,0 [16]13:54:47 50,75 6,25 10 VI M L = 4,1 Aachen [17]13:54 50,75 6,25 VI M W = 4,0 Aachen [18]13:54:13 50,700 6,316 VM L = 4,3M S = 3,7Tabelle 2: Zusammenstellung der Erdbeben in der nördlichen Eifel vom 31.05.1911 bis 1912 nach Einträgen inden Erdbebenkatalogen (Fortsetzung von Tabelle 1).[17][19][10]Eifel, Raeren [19]764


Abbildung 1: Seismizität in der Region des Hohen Venns seit 1980 nach Aufzeichnungen des GeologischenDienstes NRW (schwarz) und Epizentren der Erdbeben von 1910 bis 1911 nach den Angaben der Tabellen 1 und 2(lichte Kreise). Die Lage des in Kap. 5 angesetzten Epizentrums (Stern) ist mit seinem Unsicherheitsbereich eingezeichnet.Haußmann fasst die Ereignisse vom Mai 1911 im ‚Echo der Gegenwart’ zusammen: Dasstärkste Beben habe sich am Abend des 30. Mai, gegen 20:45 Uhr ereignet. Dieses Beben habe„kaum den 4. Grad der allgemeinen Erdbebenskala“ (d. i. hier die Mercalli-Skala) erreicht. Essei in einem Gebiet von etwa 20 km in Länge und Breite gespürt worden: von Herzogenrath bis‚Montjoie‘ (Monschau) und von Herbesthal bis Düren und Gemünd. Am deutlichsten seien dieErdbeben zwischen Aachen, Eschweiler, Schmidt (b. Gemünd) und ‚Rötgen‘ (Roetgen) wahrgenommenworden und hier noch besonders stark in Breinig, Zweifall und im Forsthaus Jägerhausb. Lammersdorf. Bei den hier erwähnten Zeiten handelt es sich jeweils um Angaben derOrtszeit. Die vorliegenden Informationen werden im Folgenden stichwortartig zusammengestellt.3.1 07.10.1910Nachts, 01:40 Uhr, Erdbeben in Aachen und Umgebung:- Aachen, Monheimsallee: Krachen und Knistern in den Schränken.- Aachen, verschiedene Stadtteile: o. g. Beobachtungen werden bestätigt.- Stolberg: wahrgenommen.- Aachen, Erdbebenstation: zwischen 01:33 und 01:34 Uhr [25].- An einigen Orten: unterirdisches Rollen. Gegenstände in Zimmern bewegten sich.- Brandenberg, Bergstein, Maubach: wahrgenommen.577


- Walheim, Rötgen, gesamte Nordeifel: wahrgenommen.- Langerwehe: verspürt zwischen 01:30 und 01:45 Uhr.- Während des um die Zeit ausgebrochenen, überaus heftigen Sturmes wahrgenommen.- Düren: nicht gespürt [26].3.2 30.05.1911Nachmittag, 13:30 Uhr, Aachen und Umgebung: schwaches Erdbeben.Abends, zwischen 20:40 und 20:45 Uhr, Aachen und Umgebung: wiederholtes Erdbeben instärkerem Maße.- Aachen, Möbelstücke in Zimmern schwankten.- Aachen, Crefelderstr.: 20:50 Uhr [27].- Aachen und Umgebung: deutlich wahrgenommen.- Aachen?, Waldrestaurant: Gegenstände fielen von den Wänden.- Aachen, Kaiserallee: Bewohner vermuten Explosion.- Nahes Schloß (Ort?): Turmuhr in Bewegung gesetzt und zum Schlagen gebracht.- Aachen, andere Häuser: merkliches Schwanken der Möbel.- Aachen: Schwanken des Bodens wahrgenommen, Unwohlsein verspürt.- Aachen, Beguinenstr.: 20:15 Uhr, im Schreiben behindert, offener Fensterflügel bewegtesich, 2. Stoß: 20:35 Uhr (Rathausuhr), 3. Stoß: 20:50 Uhr, Kinder riefen, jemand hätte ander Bettstelle gerückt, Nachbarn waren alle an den Fenstern [29].- Aachen, Erdbebenstation: 20:43 Uhr, Verbindungsstücke gelöst [30].- Eschweiler: Schwanken des Bodens verspürt.- Zweifall: 2 Erdbeben, 20:45 Uhr, Vasen umgeworfen, Ziegel fielen vom Dach, Kalklöste sich von den Wänden [29].- Büsbach: Erdstöße deutlich wahrgenommen, 2. Stoß gegen 21:00 Uhr, schlafendeKinder geweckt.- Schmidt (Eifel): 20:40 Uhr, starker Stoß, deutlich vernehmbares Brausen [30].- Montjoie: Scheiben klirrten [29].- ‚Contzen‘ b. Montjoie (Konzen): 20:15 Uhr, leichter Stoß, 20:45 Uhr, Beben, ein einehalbe Minute andauerndes Geröll vorausgehend, Häuser und Möbel zitterten stark,allgemein gleich empfunden [30].- Eupen: merklich wahrgenommen, stellenweise schwankten die Möbel in denWohnungen [29].- Ostgrenze Belgiens: 20:26 und 20:43 Uhr gefühlt [8].3.3 31.05.1911Nachts, gegen 03:00 Uhr, Aachen und Umgebung.- Aachen und Umgebung: deutlich wahrgenommen.- Stellenweise: Fensterscheiben zitterten heftig, Gegenstände wie Nippsachen von derStelle gerückt, vielfach bemerkt, mehrere (Leser) aufgewacht.- Zweifall: bemerkt [29].- Büsbach: nachts, ganze Familie geweckt.- Schmidt (Eifel): 01:15 und 03:15 Uhr, starke Stöße, deutlich vernehmbares Brausen.- Contzen (b. Montjoie): gegen 03:00 und 04:00 Uhr, leichte Stöße [30].Fazit: Das Erdbeben habe keinen größeren Schaden angerichtet [29].786


3.4 01.06.1911Nachts, 00:28 Uhr.- Aachen: gespürt [8].3.5 06.09.1911Mittags, 14:57 Uhr, Hauptbeben, 14:58 Uhr, auch ein starkes Beben. 15:45 Uhr, weitererStoß bemerkt. Bis 18:30 Uhr, weitere Stöße wahrgenommen.- Elsenborn: 14:40 Uhr.- Pumpstation Brandenburg: 14:54 Uhr, Erschütterung wahrgenommen.- ‚Preußisch-Moresnet‘ (Neu-Moresnet), Düren, Büsbach, Stolberg: bemerkt [31].- Zweifall: 14:40 Uhr, heftig gespürt, Schwanken und Zittern der Häuser war so stark,dass die Leute erschreckt auf die Straße stürzten, ein lose aufgeschichteter Holzhaufenstürzte zusammen.- Breinig: 14:55 Uhr, wahrgenommen.- Würselen: 14:55 Uhr, Möbelstücke gerieten ins Schwanken, an manchen Stellen war einstarkes Geräusch vernehmbar.- Grube „Goulen“: Arbeiter bemerkten Schwanken der Anlagen und Betriebsstätten.- Eupen: 14:55 Uhr, verspürt [32].- Düren: Fleischstücke fielen im Kühlhaus des Schlachthofes von den Gestellen [31].- Eupen: 14:55 Uhr, verspürt [32].- Nieuwenhagen b. Kerkrade: verspürt [11, 21, 22].- ‚Cöln‘: 15:00 Uhr, wahrgenommen [31].Fazit: Beben richtete keinerlei Schaden an [32].4 MIKROSEISMIS<strong>CH</strong>E AUFZEI<strong>CH</strong>NUNGENDie Beben des Jahres 1911 wurden in den neu eingerichteten Erdbebenstationen der Umgebungauch mikroseismisch aufgezeichnet. Für die Stationen Aachen ([24, 33]), Uccle ([33], ca.125 km), De Bilt ([11], ca. 160 km) und Hamburg ([34], ca. 410 km) liegen Ankunftszeiteneinzelner Ereignisse vor (Tab. 3). Registrierungen an den Stationen Bochum (ca. 110 kmEntfernung) und Ingenheim b. Darmstadt (ca. 210 km) für die ersten drei bzw. zwei stärkerenBeben sind belegt [24], konnten hier aber nicht ermittelt werden. Die Zeitauflösung der Stationin Uccle betrug zu dieser Zeit etwa 1 Sekunde [8]. Für Hamburg wird im Regelbetrieb eineKorrektur der Größenordnung von 0,5 Sekunden angegeben [34]. Diese Unsicherheiten müssenbei Lokalisierungen mit diesen Ankunftszeiten berücksichtigt werden.Die Lokalisierung für die Ereignisse B2 und B4 (s. Tab. 3) ergab unter Ansatz des aktuellverwendeten Untergrundmodelles des Geologischen Dienstes NRW zufrieden stellenden Resultate.Orientiert man sich bei der Lokalisierungsberechnung an dem Gebiet, in der größte Intensitätbeobachtet wurde, etwa durch die Vorgabe eines Azimuths, konnten die Ankunftszeiteninnerhalb der Unsicherheiten bestätigt werden. Für die Aufzeichnung der Station De Biltmusste allerdings angenommen werden, dass der Einsatz der S-Welle angegeben worden war.Die Zeiten der Station Hamburg sind bereits als unsicher gekennzeichnet und werden hier nichtweiter berücksichtigt. Gemittelt für beide Beben ergibt sich als Lokalisierung: 50,70° nB;6,25° öL (südlich von Zweifall), mit einer Herdtiefe von z 0 ≈ 15 km. Das Beben vom06.09.1911 weist abweichende Zeitdifferenzen auf, die für eine weiter nördliche Lage des Epizentrumssprechen.779


Nr. Datum Zeit (GMT/UTC) StationB1 30.05.1911 19:26:20 Aachen19:26:38 Uccle19:27:08 De BiltB2 30.05.1911 19:43:28 Aachen19:43:46 Uccle19:44:16 De Bilt19:44:(41) HamburgB3 31.05.1911 00:18:46 Aachen00:19:03 UccleB4 31.05.1911 02:08:06 Aachen02:08:23 Uccle02:08:55 De Bilt02:10 HamburgB5 31.05.1911 10:03:16 AachenB6 31.05.1911 15:04:57 AachenB7 31.05.1911 19:05:28 AachenB8 31.05.1911 23:28:26 Aachen23:28,3 De BiltB9 06.09.1911 13:54:14 Aachen13:54:33 Uccle13:54:47 De Bilt13:55,5 HamburgTabelle 3: Zusammenstellung der Erdbeben in der nördlichen Eifel des Jahres 1911 nach mikroseismischenAufzeichnungen.5 DISKUSSION5.1 IntensitätEpizentralintensitäten wurden bei Haußmann [24] und Somville [33] für die folgendenEreignisse (s. Tab. 1, 2 und 3) mit Bezug auf die Mercalli-Skala angegeben:A3/B2 – 30.05.1911, 19:43 GMT – IV [24, 33]A6/B4 – 31.05.1911, 02:08 GMT – III [33]A12/B9 – 06.09.1911, 13:54 GMT – IV [33]Ein Vergleich der makroseismischen Skalen zeigt, dass die Intensitäten III bis VI auf derzehnteiligen Mercalli-Skala von 1902 in guter Näherung auf die MSK-Skala übertragen werdenkönnen (z. B. [14]).Die aufgeführten Berichte der Erdbebenwirkungen (Kap. 3) belegen im Gegensatz zu dieserEinschätzung zumindest für das Ereignis A3/B2 eine Intensität von V, Einzelbeobachtungender Ereignisse A3/B2 und A12/B9 sprechen sogar für Aspekte der Intensität VI (MSK). DerSchütterradius kann abweichend von der Angabe in [24] und übereinstimmend mit [13] und[17] mit etwa 30 km angegeben werden (s. Abb. 2). Eine pauschale Zuordnung des Bebens808


A12/B9 zur Intensität VI erscheint jedoch nicht plausibel angesichts der Feststellung, dasskeinerlei Schaden angerichtet worden sei. Für dieses Ereignis geben die Erdbebenkataloge [13]und [17] einen Schütterradius von 105 km an. Setzt man anhand der Indizien aus denmikroseismischen Auswertungen eine Lage im Süden der Niederrheinischen Bucht an, wäreauch ein Schütterradius von nur 50 km möglich. Zu diesem Ereignis sind weitere Recherchenerforderlich.Hier wird vorgeschlagen, für die Ereignisse A3/B2 und A12/B9 eine Epizentralintensitätvon V bis VI mit einem Unsicherheitsintervall von 0,5 anzusetzen. Die in den Tabellen 1 und 2besonders für die Ereignisse A2 und A4 bis A9 angegebenen Intensitätswerte erscheinenanhand der zitierten Beobachtungen als zu hoch.5.2 LokalisierungDas Epizentrum des Ereignisses A1 (07.10.1910) wird bei Sieberg auf die ‚BrandenbergerStörung‘ zwischen ‚Rötgen‘ und ‚Lamersdorf‘ (Lammersdorf) festgelegt. Die vorliegendenmakroseismischen Beobachtungen lassen hier keine weiteren Schlüsse zu. Die größte Intensitätfür das stärkste der Ereignisse vom Mai 1911, A4/B2, wurde in der Gegend von Breinig,Zweifall und Lammersdorf beobachtet. Diese Orte liegen maximal 10 km von einander entfernt.Auf Grundlage dieser Indizien und der mikroseismischen Auswertungen kann das Epizentrumdieser Ereignisse auf den Hürtgenwald zwischen Zweifall und Roetgen gelegt werden.Die detaillierten Beobachtungen am Forsthaus Jägerhaus im Hürtgenwald stützen diesenAnsatz. Zur Lagebeschreibung des Epizentrums werden hier folgende Koordinaten angesetzt:50,69° nB; 6,23° öL, ±3 km (WGS84, s. Abb. 1).Auf eine abweichende Lokalisierung der schwächeren Beben des Schwarms geben dievorliegenden Beobachtungen keinen Hinweis.Die Beobachtungen zum Ereignis vom 06.09.1911, A12/B9, eignen sich nicht zu einergenauen Bestimmung des Epizentrums. Es fällt jedoch auf, dass besonders aus Düren starkeWirkungen berichtet wurden. Dies könnte für ein weiter nördlich gelegenes Epizentrumssprechen im Vergleich zu den Schwarmbeben vom Mai 1911. Diese Einschätzung wird auchdurch die Auswertung der mikroseismischen Daten nahe gelegt.5.3 HerdtiefeIn den Erdbebenkatalogen werden Tiefen von 7 bis 15 km für die Ereignisse A1, A2, A8und A12 (Tab. 1 und 2) angesetzt. Die Gründe für eine unterschiedliche Tiefenzuordnungkönnen aufgrund der hier diskutierten Daten nicht nachvollzogen werden. Somville leitet ausden Ankunftszeiten an den Erdbebenstationen Aachen und Uccle eine Tiefe von etwa 25 km ab[33]. Typische Herdtiefen für die Region des angesetzten Epizentrums (s. Kap. 5.3) betragennach den Seismizitätsbeobachtungen des Geologischen Dienstes NRW seit 1980 etwa 10 bis20 km, 15 km kann dabei als ein typischer Wert angenommen werden.5.4 MagnitudeBei einer Vorgabe der Intensität I 0 von V–VI (± 0,5) und einer Herdtiefe von z 0 =(15 ± 5) km kann aus einer empirischen Beziehung von Kárník der Wert M LH = 4,0 ± 0,3 fürdie Magnitude ermittelt werden [35]. Unter der Annahme, dass M LH ≈ M L (Richter), erweisensich die für das Ereignis A3/B2 angegebenen Magnitudenwerte als plausibel. Werte der Lokalmagnitudegrößer als oder gleich 4 für die Ereignisse A2, A6, A8 bis A11 erscheinen jedoch,wie auch die zu hohen Intensitätswerte, nicht begründet.981


6 ZUSAMMENFASSUNGDiese Studie wirft ein Schlaglicht die Erdbebentätigkeit in Nordrhein-Westfalen in denJahren 1910/1911. In diesem Zeitraum fanden im Gebiet der Nordeifel bzw. des Hohen Vennsein Erdbebenschwarm vom 30. Mai bis zum 1. Juni und, ggf. etwas weiter nördlich, eine zweiteAbfolge von Erdbeben am 6. September statt. Einige dieser Ereignisse wurden deutlich gespürt,sie verursachten aber nur im Einzelfall geringe Schäden an Gebäuden. Eine Recherche derverfügbaren Quellen ermöglichte die Zusammenführung von Daten verschiedener Autoren undDienste. Besonders aufschlussreich sind dabei die Berichte aus dem Jahr 1911 und der beidenfolgenden Jahrzehnte. Die aus diesen Daten abgeleiteten Ereignisse sind in Tabelle 4zusammengestellt.Nr. Datum Zeit (GMT/UTC) Intensität BemerkungenC1 / A1 07.10.1910 01:33 VC2 30.05.1911 ca. 12:30 1 ErwähnungC3 30.05.1911 ca. 19:08 1 BeobachtungC4 / A2 / B1 30.05.1911 19:26:16 VC5 / A3 / B2 30.05.1911 19:43:24 V-VIC6 / A5 / B3 31.05.1911 00:18:42 IV?C7 / A6 / B4 31.05.1911 02:08:02 VC8 / A7 31.05.1911 02:20 1 BeobachtungC9 / A8 / B5 31.05.1911 10:03:12 III?C10 / (A9) / B6 31.05.1911 15:04:53 III?C11 / (A10) / B7 31.05.1911 19:05:24 III?C12 / A11/ B8 31.05.1911 23:28:22 III?C13 / A12 / B9 06.09.1911 13:54 V-VIC14 06.09.1911 ca. 14 :45 III?… 06.09.1911 bis 17:30 1 ErwähnungTabelle 4: Zusammenstellung der Erdbeben in der nördlichen Eifel des Jahres 1911 nach Beobachtungen undDaten, die in dieser Studie recherchiert wurden. Die Nummern beziehen sich auf entsprechende Ereignisse, die inden Tabellen 1 bis 3 aufgelistet sind. In Klammern angegebene Nummern weisen auf abweichende Zeitangabenhin. Mit Fragezeichen versehene Intensitätswerte sind Schätzungen.Die in [12] erwähnte Anzahl von 15 Ereignissen im Jahr 1911 konnte annähernd bestätigtwerden. Berichte von 26 Erdstößen, allein Ende Mai 1911, erscheinen vor dem Hintergrund dermaximalen Epizentralintensitäten von V-VI plausibel, können aber nicht mit weiteren Detailsuntermauert werden. Die Lage der Hypozentren kann für die Ereignisse im Mai 1911 in guterNäherung mit den Koordinaten (50,70° nB; 6,25° öL, ±5 km) und der Herdtiefe von 15 kmbeschrieben werden.Die Überprüfung der Informationen zu diesen Ereignissen zeigen jedoch kaum Auswirkungenauf die Abschätzung der Erdbebengefährdung in dieser Region. Da die Ereignisse derbeiden Zeiträume jeweils als abhängig gelten müssen, werden in Gefährdungsbetrachtungen diejeweils stärksten Ereignisse des 30.05. und des 06.09.1911 berücksichtigt. Es wurde hier derHinweis herausgearbeitet, dass die für das Ereignis vom 6. September angesetzte Stärke imVergleich zu den Angaben der Erdbebenkataloge zu überprüfen ist.8210


REFERENZEN[1] R. Pelzing, Source parameter of the 1992 Roermond earthquake, the Netherlands, andsome of its aftershocks recorded at the stations of the Geological Survey of Northrhine-Westphalia. Geologie en Mijnbouw, 73, 215-223, 1994.[2] K. Lehmann, K. Reicherter, Erdbeben im Bereich der Niederrheinischen Bucht im 8. und9. Jahrhundert n. Chr. – Eine Spurensuche in Katalogen historischer Beben. 70. Jahrestagungder Dt. Geophys. Ges., SO 20, Köln, <strong>2011</strong>.[3] H. Meidow, Rekonstruktion und Reinterpretation von historischen Erdbeben in dennördlichen Rheinlanden unter Berücksichtigung der Erfahrungen bei dem Erdbeben vonRoermond am 14. April 1992. Dissertation. Math.-Nat. Fak., Univ. zu Köln, 1995.[4] K.-G. Hinzen, M. Oemisch, Location and magnitude from seismic intensity data of recentand historic earthquakes in the northern Rhine area, central Europe. Bull. Seism. Soc.Am., 91 (1), 40-56, 2001.[5] P. Alexandre, D. Kusman, T. Petermans, T. Camelbeeck, The 18 September 1692earthquake in the Belgian Ardenne and its aftershocks. In: J. Fréchet, M. Meghraoui,M. Stucchi, (Hrsg.). Historical Seismology – Interdisciplinary Studies of Past and RecentEarthquakes. 261-311. Springer, Heidelberg, 2008.[6] T. Camelbeeck, M. Meghraoui, Geological and geophysical evidence for large palaeoearthquakeswith surface faulting in the Roer Graben (northwest Europe). Geophys. J.Int., 132, 347-362, 1998.[7] K.-H. Ribbert, H. Baumgarten, A. Gawlik, F. Richter, H. Schuster, Geologie imRheinischen Schiefergebirge, Teil 1: Nordeifel. Geol. Dienst NRW, Krefeld, 2010.[8] T. Camelbeeck, Mécanisme au foyer des tremblements de terre et contraintes tectoniques:le cas de la zone intraplaque belge. Dissertation. Fac. Sc., Univ. Catholique de Louvain,1993.[9] E. Hennig, Erdbebenkunde. J. A. Barth, Leipzig, 1909.[10] S.W.Visser, Aardbevingen in Nederland. Tijdschrift van het Nederlandsch AardrijkskundigGenootschap, 2. Reeks, LIX, 494-507, 1942.[11] F.H. van Rummelen, Overzicht van de tusschen 600 en 1940 in Zuid-Limburg enomgeving waargenomen aardbevingen, en van aardbevingen welke mogelijk hier hareninvloed kunnen hebben doen gelden. – Mededeelingen behoordende bij het jaarverslag1942 en 1943, 15, 130 S. Geologisch Bureau vor het Mijngebied te Heerlen, Maastricht,1945.[12] J.-M. van Gils, Y. Zaczek, La séismicité de la Belgique et son application en genieparasismique. Ann. des Travaux Publics de Belgique, 6, 502-538, 1978.[13] J.-M. van Gils, G. Leydecker, Catalogue of European Earthquakes with IntensitiesHigher than 4. Nuclear Science and Technology, CD-NA-13406-EN-C. Commission ofthe European Communities, Luxembourg, 1991.[14] G. Houtgast, Aardbevingen in Nederland: Catalogus van aardbevingen t/m 1990. KNMIpublicatie,179, 166 S. Koninklijk Nederlands Meteorologisch Instituut, De Bilt, 1991.[15] P. Alexandre, Liste provisoire des principaux séismes ressentis en Belgique et dans lesrégions voisines de 700 à 1900. In : [9], 1993.1183


[16] G. Grünthal, R. Wahlström, An M W based earthquake catalogue for central, northern andnorthwestern Europe using a hierarchy of magnitude conversions. J. Seismol., 7, 507-531,2003.[17] G. Leydecker, Erdbebenkatalog für die Bundesrepublik Deutschland mit Randgebietenfür die Jahre 800 – 2004. Datenfile, www.bgr.de/quakecat. Bundesanst. f. Geowiss. u.Rohstoffe, Hannover, 2005.[18] J. Schwarz, S. Beinersdorf, Ch. Golbs, L. Ahorner, H. Meidow, Erdbebenkatalog fürDeutschland und angrenzende Gebiete – erweiterter Ahorner-Katalog (EKDAG 2006) –Auszug mit Schadenbeben der Intensität ≥ VI. Bauhaus-Univ. Weimar, Erdbebenzentrum,Köln/Weimar, 2006.[19] Observatoire Royal de Belgique, Catalogue des séismes instrumentaux depuis 1900.Datenfile, seismologie.oma.be. Bruxelles, 2010.[20] L. Ahorner, Erdbeben und jüngste Tektonik im Braunkohlenrevier der NiederrheinischenBucht. Z. Dt. Geol. Ges., 118, 150-160, 1968.[21] Th. Reinhold, Over recente bedembevingen en verschuivingen in Zuid-Limburg. Tijdschriftvan de Koninklijk Nederlandsch Aardrijkskundig Genootschap, 37, 176-180,1920.[22] F.J. Faber, Geologie van Nederland. I. Algemeene Geologie, II. Historische Geologie.3. Aufl., J. Noorduijn en Zoon, Gornichem, 1948.[23] A. Sieberg, Zur Geologie der Erdbeben im Rheinland. Z. Geophys., II, 279-286, 1926.[24] K.G.F. Haußmann, Die Aachener Erdbeben. Echo der Gegenwart, 134 (2), Aachen,09.06.1911.[25] Echo der Gegenwart, Ein Erdbeben … . 260 (2). Aachen, 07.11.1910.[26] Echo der Gegenwart, Das Erdbeben … . 261 (1). Aachen, 08.11.1910.[27] Echo der Gegenwart, Erdbeben … . 127 (1). Aachen, 31.05.1911.[28] Echo der Gegenwart, Starke Erdbeben … . 127 (2). Aachen, 31.05.1911.[29] Echo der Gegenwart, In dem Erdbeben … . 128 (1). Aachen, 01.06.1911.[30] Echo der Gegenwart, In dem Erdbeben in Aachen… . 128 (2). Aachen, 01.06.1911.[31] Echo der Gegenwart, Ein Erdbeben … . 210 (1). Aachen, 07.09.1911.[32] Echo der Gegenwart, Ueber das gestrige Erdbeben … . 210 (2). Aachen, 07.09.1911.[33] O. Somville, Les tremblements de terre en Belgique. Publications de l’ObservatoireRoyal de Belgique, Gembloux, 1936.[34] E. Tams, Die seismischen Registrierungen in Hamburg vom 1. Januar 1910 bis zum31. Dezember 1911. Mitteilungen aus dem Physikalischen Staatslaboratorium inHamburg, 6. Beiheft zum Jahrbuch der Hamburgischen Wissenschaftlichen Anstalten,XXIX. Lucas Gräfe & Sillem, Hamburg, 1912.[35] V. Kárník, Seismicity of the European Area, Part 1. D. Reidel Publishing, Dordrecht,1969.8412


12. D-A-<strong>CH</strong> Tagung – Erdbeben und BaudynamikC. Könke (Hrsg.)Hannover, Deutschland, 15.–16. September <strong>2011</strong>ERDBEBENKATALOG FÜR DEUTS<strong>CH</strong>LAND MIT RANDGEBIETENFÜR DIE JAHRE 800 BIS 2008G. LeydeckerAm Wesenbeek 11, 30916 Isernhagen(vormals: Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), Hannover)guenter.leydecker@gmx.deKeywords: Erdbeben, Katalog, Epizentrum, Seismizität, Deutschland.Abstract. Der hier vorgestellte Erdbebenkatalog für Deutschland mit Randgebieten für dieJahre 800 bis 2008 enthält aus dem Gebiet 47°N – 56°N und 5°E – 16°E ca.12700 Erdbeben,die entweder makroseismisch verspürt wurden oder eine Lokalmagnitude von ML ≥ 2.0 hatten.Der Erdbebenkatalog wurde vom Autor erstmals im Jahre 1986 in digitaler Form veröffentlichtund enthielt ca. 1890 Erdbeben, überwiegend aus dem damaligen Gebiet der BundesrepublikDeutschland und für den Zeitraum von 1000 bis 1981. Seither ist der Katalog zeitlich undräumlich erweitert, jährlich aktualisiert und entsprechend dem jeweiligen Stand der historischenErdbebenforschung korrigiert bzw. ergänzt worden.Die Anhänge zum Katalog enthalten die zu jedem Beben genannte Hauptreferenz, die weiterebenutzte Literatur, sowie Listen der gestrichenen Erdbeben und der Erdbeben mit grundlegendbzw. signifikant veränderten Parametern. Um die Veränderungen nachvollziehbar zu machen,sind diese immer mit Begründung und dem Datum der Änderung versehen.185


1 EINLEITUNGDer Erdbebenkatalog für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Randgebietenwurde erstmals 1986 in computerlesbarem Format für die Jahre 1000 – 1981 publiziert [1].Seitdem ist der Katalog ständig verbessert und erweitert und in seiner jeweils aktuellen Formdigital (ASCII-Format) im Internet zum Download für jedermann zur Verfügung gestellt worden(www.bgr-bund.de/). Die stetige Fortentwicklung des deutschen Erdbebenkatalogs hat dieBundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), Hannover, übernommen, wobeidie Einarbeitungen, Aktualisierungen und Ergänzungen von Anfang an vom Autor durchgeführtwurden.Der hier vorgestellte Erdbebenkatalog für Deutschland ist das Ergebnis einer umfassendenÜberarbeitung der bisherigen Katalogversionen unter Einbeziehung der Kataloge der angrenzendenNachbarländer. Ein Erdbebenkatalog ist kein abgeschlossenes Werk, sondern muss zumindestjährlich aktualisiert und neue Forschungsergebnisse und Erkenntnisse zu früheren Erdbebenmüssen eingearbeitet werden. Das Auffinden bisher unbekannter Dokumente kann füreinzelne seismische Ereignisse deren Neubewertung mit einer möglichen Revision der bisherangenommenen Werte bis hin zu einer Streichung des Ereignisses erforderlich machen. Allediese Veränderungen sind zu dokumentieren, um dem Nutzer des aktuellen Katalogs beim Vergleichmit früheren Versionen die Unterschiede offen zu legen und die Gründe zu erläutern. Eineigener Katalogteil beinhaltet dies, jeweils mit Datum der Änderung. Der neue Erdbebenkatalogumfasst den Zeitraum 800 bis 2008 und liegt sowohl gedruckt, – allerdings nur ab einerbestimmten Bebenstärke – zur Dokumentation und zum Nachschlagen, als auch in digitalerForm vor [2].2 ERDBEBENKATALOG UND EPIZENTRENKARTENDer neue Erdbebenkatalog für Deutschland mit Randgebieten für die Jahre 800 bis 2008 enthältaus dem Gebiet 47°N – 56°N und 5°E – 16°E ca.12700 Erdbeben, die entweder makroseismischverspürt wurden oder eine Lokalmagnitude von ML ≥ 2.0 hatten. Der Erdbebenkatalogwurde vom Autor erstmals im Jahre 1986 in digitaler Form veröffentlicht undenthielt ca. 1890 Erdbeben, überwiegend aus dem damaligen Gebiet der BundesrepublikDeutschland und für den Zeitraum von 1000 bis 1981. Seither ist der Katalog zeitlich undräumlich erweitert, jährlich aktualisiert und entsprechend dem jeweiligen Stand der historischenErdbebenforschung korrigiert bzw. ergänzt worden. Die Daten eines Jahres für die Fortschreibungdes Katalogs sind abgeleitet aus dem jeweiligen Datenkatalog des deutschen seismologischenRegionalnetzes, zusammengestellt und herausgegeben von der BGR, sowie mitPriorität aus den regionalen Katalogen der Betreiber lokaler Seismometernetze. Hinzugefügt zuden Erdbebendaten werden die makroseismischen Parameter wie Epizentralintensität und Isoseistenradien.Zudem ist jedem Erdbeben seine erdbebengeographische Region zugeordnet(Abb. 1).Mit Blick auf die Abschätzung der seismischen Gefährdung von Standorten oder Gebietenin Deutschland sollten grenznahe Beben außerhalb Deutschlands und Beben in grenzüberschreitendenerdbebengeographischen Regionen möglichst vollständig erfasst werden, Bebenaus weiter entfernten Regionen erst ab einem höheren Intensitäts- bzw. Magnitudenniveau.Werden auch für solche Regionen vollständige Datensätze benötigt, so wird auf die jeweilsaktuellen nationalen Erdbebenkataloge verwiesen.862


Abb. 1:Neue erdbebengeographische Einteilung Deutschlands und benachbarter Länder mit den englischenNamen der Regionen.387


Der Erdbebenkatalog für das Gebiet der DDR [3] wurde 1991 eingearbeitet. In den letztenJahren erfolgte ein Abgleich mit den Katalogen der angrenzenden Länder, insbesondere mitdem neuen Katalog der Schweiz [4] und dem Katalog Österreichs [5]. Durch die Zusammenarbeitmit Kollegen konnten die Daten der Vogtland-Schwarmbeben aus dem 20. Jahrhundertbezüglich des Epizentrums, der Magnitude und der Epizentralintensität korrigiert und vereinheitlichtund auf die nachweisbaren Beben reduziert werden. Ebenso wurde eine Neubewertungder Beben aus dem Oberrheingraben anhand der Aufzeichnungen aus der jahrelangen seismischenÜberwachung mit lokalen Stationsnetzen vorgenommen. Die Momentmagnitude ist neuin die Liste der Parameter aufgenommen worden.Die Epizentrenkarte aller Beben (Abb. 2) und die Karte der Schadenbeben (Abb. 3) ab IntensitätVI–VII, beide für den Zeitraum 800 – 2008, zeigen sehr deutlich die unterschiedlicheErdbebentätigkeit in Deutschland und in den angrenzenden Gebieten. In der Karte mit denSchadenbeben (Abb. 3) sind die Gebiete erhöhter Seismizität und somit auch stärkerer Gefährdungbesonders gut erkennbar.Die Anhänge zum Katalog enthalten die zu jedem Beben genannte Hauptreferenz, die weiterebenutzte Literatur, sowie Listen der gestrichenen Erdbeben und der Erdbeben mit grundlegendbzw. signifikant veränderten Parametern. Um die Veränderungen nachvollziehbar zu machen,sind diese immer mit Begründung und dem Datum der Änderung versehen.Eine Veröffentlichung des Erdbebenkatalogs im Geologischen Jahrbuch, BGR Hannover, istim Druck [2]. Wegen der großen Ereigniszahl sind darin nur die Erdbeben ab Intensität IV oderab Magnitude ML = 3.0 ausgedruckt. Eine Zusammenstellung empirischer Beziehungen solldem Nutzer Hilfe bei der Anwendung des Katalogs bei Fragen zu Bruchparametern, zur lokalenund regionalen Auswirkung einzelner Beben und zur Gefährdungsabschätzung geben. Auf Gebirgsschlägewird gesondert eingegangen. Die beigelegte CD enthält den kompletten Erdbebenkatalogmit Formatbeschreibung und Referenzliste mit allen Literaturzitaten sowie dieStreichungs- und Änderungsliste. Computerprogramme zur Bearbeitung des Erdbebenkatalogshinsichtlich bestimmter Auswahlkriterien – zeit-, orts- und stärkeabhängig – sollen die Nutzungdes Katalogs erleichtern. Ein weiteres Computerprogramm und der Datenfile mit den Eckpunktender erdbebengeographischen Regionen Mitteleuropas ermöglichen die Einordnung einesEpizentrums in seine Region.Mit dem hier vorgestellten Erdbebenkatalog steht eine Datenbasis zur Verfügung, die einenumfassenden Überblick über das seismische Geschehen eines Gebietes ermöglicht. Der Erdbebenkatalogist, was die Vergangenheit betrifft, sicherlich nicht vollständig und muss deshalbimmer wieder ergänzt werden; und er muss natürlich auch zeitlich fortgeschrieben werden.Aber er bietet die notwendige Datenbasis, um die seismische Gefährdung eines Gebietes odereines Standortes besser abschätzen zu können, um so eine ausreichende Gefahrenabwehr zuermöglichen.Auf der Grundlage dieses Katalogs bzw. seiner Vorgängerkataloge wurden in der BGRstandortbezogene seismische Gefährdungsabschätzungen durchgeführt und darauf basierendLastannahmen zur erdbebensicheren Dimensionierung von Bauwerken festgelegt, z. B. für dieStandorte von Zwischenlagern für abgebrannte Brennelemente an deutschen Kernkraftwerken[5] oder für Staudämme.884


Abb. 2:Karte der Erdbeben in Deutschland mit Randgebieten für die Jahre 800 bis 2008. Die Größe derErdbebensymbole ist entsprechend der Epizentralintensität I 0 gezeichnet. Die Dreiecke kennzeichnennichttektonische Ereignisse wie Gebirgsschläge, Ereignisse in Bergbaugebieten und inErdöl- und Erdgasfördergebieten, induzierte Beben. I 0 < 4.5 schließt auch nicht verspürte Erdbebenmit ein.589


Abb. 3: Karte der Schadenbeben in Deutschland mit Randgebieten für die Jahre 800 bis 2008.Dargestellt sind alle Beben ab Intensität VI – VII (VI ½) (kleinere Gebäudeschäden). Die Größe derErdbebensymbole ist entsprechend der Epizentralintensität I 0 gezeichnet. Die Dreiecke kennzeichnenGebirgsschläge (Zusammenbruch von Bergwerksbereichen) mit Schäden an oberirdischen Gebäuden.906


Die Seismizität Deutschlands ist zwar im Vergleich mit anderen Regionen der Erde relativgering, aber sie darf nicht unterschätzt werden. Deutschland ist ein dicht besiedeltes und hochindustrialisiertes Land und die hier auftretenden Erdbeben können zu Zerstörungen führen, wiedie Vergangenheit gezeigt hat. Deshalb muss die Erdbebentätigkeit ständig überwacht werden,um ein möglichst aktuelles Bild der Vorgänge in der Erdkruste zu erhalten. Durch paläoseismologischeUntersuchungen können sehr seltene, starke und weit zurückliegende Erdbeben erkanntwerden. Das Wissen über Paläo-, historische und neuzeitliche Erdbeben kann so zu einerimmer besseren Abschätzung der Erdbebengefährdung und zu darauf basierenden VorsorgeundSchutzmaßnahmen führen.REFERENZEN[1] G. Leydecker: Erdbebenkatalog für die Bundesrepublik Deutschland mit Randgebieten fürdie Jahre 1000 – 1981. – Geol. Jb., E 36; 3–83, 7 Abb., 2 Tab.; BGR, Hannover, 1986.[2] G. Leydecker (<strong>2011</strong>): Erdbebenkatalog für die Bundesrepublik Deutschland mit Randgebietenfür die Jahre 800 - 2008 (Earthquake catalogue for Germany and adjacent areas forthe years 800 to 2008). – Geol. Jb., E 59; 198 S., 12 Abb., 5 Tab., 1 CD; BGR Hannover,(Vertrieb: E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart) <strong>2011</strong>.[3] G. Grünthal, Erdbebenkatalog des Territoriums der Deutschen Demokratischen Republikund angrenzender Gebiete von 823 bis 1984. – Zentralinstitut für Physik der Erde, Nr. 99;Potsdam, 1988.[4] Earthquake Catalogue of Switzerland. ECOS Report to PEGASOS; ECOS Catalogue,Version 31.12.2001. – ETH Zürich, Swiss Seismological Service. 208 pp, 4 appendices;2001 (and further updated catalogue versions till 2010).[5] Austrian Earthquake Catalogue. Computer File. -- Central Institute of Meteorology andGeodynamics, Department of Geophysics, Vienna/Austria, 2010[6] G. Leydecker, T. Schmitt, H. Busche, H. and Th. Schaefer, (2008): Seismo-engineeringparameters for sites of interim storages for spent nuclear fuel at German nuclear powerplants. – Soil Dynamics and Earthquake Engineering 28/9: 754–762, 4 fig., 3 tab.; 2008.DOI information 10.1016/j.soildyn.2007.10.007.791


12. D-A-<strong>CH</strong> Tagung – Erdbeben und BaudynamikC. Könke (Hrsg.)Hannover, Deutschland, 15.–16. September <strong>2011</strong>BODEN-BAUWERK-INTERAKTION BEI FLÜSSIGGASTANKS UNTERBERÜCKSI<strong>CH</strong>TIGUNG DER FREQUENZABHÄNGIGENSTEIFIGKEITEN UND DÄMPFUNGENP. Sagedh-Azar * and J. Roetzer *** E.ON New Build & Technology GmbHBlutenburgstraße 4, 80636 MünchenE-mail: parviz-rainer.sadegh-azar@eon.com** STRABAG International GmbHMies-van-der-Rohe-Strasse 6, 80807 MünchenE-mail: josef.roetzer@strabag.comKeywords: LNG-Tanks, dynamische Berechnung, frequenzabhängige Streifigkeiten, ImpedanzFunktionen, Boden-Bauwerk-Interaktion, SSI, Sassi,Abstract. The worldwide transport of liquid gas requires tanks for temporary storage in theproducer and consumer countries. For transport and storage the gas is cooled down to -165°C.State-of-the-art tanks consist of a 9% nickel steel inner tank and a prestressed concrete outertank. The steel tank typically is not anchored to the concrete tank.The gas fields are often located in seismic active regions. Therefore the dynamic calculation ofthe coupled tank systems is a governing task for safety reasons.In order to achieve a high technical safety standard and to generate also an economicalsolution, the consideration of the soil-structure-interaction effect is required. In this way thesubstructure method using frequency dependent stiffness and damping is visualized and theresults are compared with simple and conventional approaches without consideration offrequency depended stiffness.193


1 EINFÜHRUNGBis in die zweite Hälfte des 20ten Jahrhunderts wurde Erdgas als ein wertloses Beiproduktbei der Erdölgewinnung betrachtet. Gegenwärtig steuert Erdgas ca. 21% zu der globalenEnergieversorgung bei. Die Gründe für diesen Wandel sind vielfältig, doch der entscheidendeFaktor ist wohl, dass bei der Verbrennung von Erdgas - im Vergleich zu Kohle und Eröl -deutlich weniger Treibhausgase freigesetzt werden und Erdgas somit der umweltfreundlichsteEnergiespender der fossilen Brennstoffe ist.Der derzeitige Weltverbrauch an Erdgas beträgt etwa 2,5 Billionen m³ pro Jahr – Tendenzstark ansteigend, angesichts der anhaltenden Diskussion um die Atomkraft und denunübersichtlichen Folgen des Klimawandels.Die energiehungrigen Volkswirtschaften wie Japan, Korea, China, Indien aber auch dieVerbrauchsregion Europa und aufstrebende Länder in Südamerika, haben keine oder nurgeringe eigene Erdgasvorkommen. Diese Länder und Regionen sind auf den Import von Erdgasangewiesen.Allerdings ist Erdgas in seinem natürlichen Aggregatszustand noch immer schwer zutransportieren. Pipelines sind ab einer Länge von ca. 4.500 km nicht mehr wirtschaftlich undsind grundsätzlich störungsanfällig. Noch schwieriger gestaltet sich die Versorgung viaPipeline bei Insellagen wie z.B. Japan und Taiwan oder Querungen von Gebirgsketten. Deshalbist schon vor einigen Jahrzehnten die Idee aufgekommen Erdgas zu verflüssigen, um es dannper Tanker über große Entfernungen zu transportieren. Im internationalen Sprachgebrauch hatsich für das verflüssigte Erdgas der Begriff „LNG“ als Abkürzung der englischen BezeichnungLiquefied Natural Gas durchgesetzt. Für die Verflüssigung des Erdgases gibt es mehrererVerfahren, mit dem gemeinsamen Ziel das Gas auf eine Temperatur von ca. minus 165°C zubringen um es in die „LNG Kette“ zu bringen.Die LNG Ketten besteht aus der Verflüssigungsanlage in den Erzeugerländern, denSpezialschiffen für den Transport über Wasser und der Verdampfungsanlage in denEmpfängerländern. Für die Zwischenlagerung des verflüssigten Gases kommen sowohl bei derVerflüssigungs- als auch in der Wiedervergasungsanlage Speichertanks bis zu einer Größe von200.000 m³ Volumen zum Einsatz. Der momentane Stand der Technik ist hier ein so genanter„full-containment-tank“. Dieser besteht aus einem vorgespannten Stahlbetonaußentank undeinem Stahlinnentank. Der Stahlbetonaußentank dient dem Schutz des dünnwandigenStahlinnentanks gegen Einwirkung von außen und als Auffangbehälter bei einem Versagen desInnentanks (Liquid Spill).Der vorliegende Beitrag behandelt die Auslegung von LNG-Tanks am Beispiel eines Tanksmit einem Fassungsvermögen von 160.00 m3. In diesem Zusammenhang wird ein praktischerAnsatz zur Modellierung der bewegten Flüssigkeit dargestellt. Des Weiteren wird dieAuswirkung der Bodenbauwerkinteraktion mittels frequenzabhängigen Steifigkeiten undDämpfungen behandelt.2 FUNKTION VON LNG-TANKSDie Anwendung der LNG-Technologie nutzt das physikalische Materialverhalten vonErdgas aus. Bei Abkühlung auf -165°C geht das Erdgas aus dem gasförmigen in den flüssigenAggregatszustand über und reduziert dabei sein Volumen auf 1/600. Erst dadurch werden der942


Transport mit Schiffen und die damit verbundene Lagerung in Tanks für die Ver- undEntladung wirtschaftlich sinnvoll.Tanks nach dem heutigen Stand der Technik werden als Full-Containment-Tanksbezeichnet. Darunter versteht man eine Kombination von Stahlbetonaußentank undStahlinnentank. Der Betonaußentank soll bei Versagen des Innentanks das unkontrollierteAustreten von Gaswolken in die Umgebung verhindern. Der Betontank muss in diesem Fall dieLasten aus hydrostatischem Druck und aus atmosphärischem Überdruck aufnehmen. Deshalbist der Betonaußentank in Ringrichtung immer vorgespannt. Die Anordnung von vertikalenSpanngliedern hängt von der Größe des Innendrucks ab.Um eine ausreichende Duktilität bei -165°C zu erzielen, wird der Innentank aus 9%Nickelstahl oder aus Edelstahl hergestellt. Der Innentank ist oben offen. Das LNG wird mittelsRohrleitungen, die das Betondach durchdringen, in beziehungsweise aus dem Tank gepumpt.Um die Verdampfungsrate des sich in der Nähe des Siedepunkts befindenden Flüssiggases zubegrenzen, wird die Wärmezufuhr aus der Umgebung durch eine allseitige Wärmedämmungreduziert. Der Stahlbetonaußentank schützt den empfindlichen Innentank vor Gefährdung vonaußen wie Feuer, Impact, Druckwelle und Erdbeben und wirkt im Falle einer Undichtheit desInnentanks als Auffangbehälter für das auslaufende LNG.Abbildung 1: Import Terminal Sagunto, SpanienDie dynamische Auslegung für den Lastfall Erdbeben wird für zwei unterschiedlicheSzenarien durchgeführt. Das Operating Basis Earthquake OBE (Auslegungserdbeben für denBetriebszustand) definiert nach DIN EN 14620 [1] das größte Erdbeben, dass keineBeschädigung verursacht und nach dem ein Neustart durchgeführt und ein sicherer Betriebfortgesetzt werden kann. Das OBE Erdbeben wird definiert als Antwortspektrum mit einerDämpfung von 5% mit einer Überschreitungswahrscheinlichkeit von 10% innerhalb einerPeriode von 50 Jahren. Dies entspricht einer Wiederkehrperiode von 475 Jahren.395


Das Safe Shutdown Earthquake SSE (Auslegungserdbeben für die sichere Abschaltung)definiert das größte Erdbeben, bei dem die wesentlichen Sicherheitsfunktionen nochbetriebsfähig sind [1]. Das in Australien zugrunde liegende SSE Erdbeben wird nach NFPA59A [2] definiert und verwendet ein Antwortspektrum mit einer Dämpfung von 5% mit einerÜberschreitungswahrscheinlichkeit von 2% innerhalb einer Periode von 50 Jahren. Diesentspricht einer Wiederkehrperiode von 2475 Jahren. Eine SSE Definition nach EN 14620verwendet davon abweichend eine Überschreitungswahrscheinlichkeit von 1% innerhalb einerPeriode von 50 Jahren. Dies entspricht einer Wiederkehrperiode von 4975 Jahren. In der EN14620 [1] wird dem Bauherrn die Aufgabe und Verantwortung zugewiesen, die Anregung zudefinieren.Abbildung 2: Aufbau von Innen- und Außentank3 DYNAMIS<strong>CH</strong>E EINWIRKUNG DER BEWEGTEN FLÜSSIGGKEITBei der Ableitung der ersten allgemeinen Theorie der bewegten Flüssigkeit durch G.W.Housner [3] und der theoretischen und inhaltlichen Weiterentwicklung auf verformbare Tanksdurch A.S. Veletsos [4], [5] wird die Bewegung der Flüssigkeit durch zwei getrennte undunabhängige Anteile beschrieben: Den starren und den schwappenden Anteil.Der starre „impulsive“ Druckanteil ergibt sich aus den Randbedingungen an der starrenWand und dem starren Boden und aus einer unverformt idealisierten Flüssigkeitsoberfläche.Der konvektive „sloshing“ Druckanteil hat an Wand und Boden unverändert die starrenRandbedingungen. An der Flüssigkeitsoberfläche in Ruhelage wird der, sich bei einerschwappenden Flüssigkeitsbewegung ergebende, vertikale Druck aufgebracht.3.1 GrundlagenDie ersten allgemeingültig formulierten Ansätze für die dynamischen Lasten eines Tanksbasieren auf den Veröffentlichungen von G. W. Housner. Eine gute Zusammenfassung der964


Ergebnisse von Housner findet sich in der TID 7024 „Nuclear Reactors and Earthquakes“[3],Kapitel 6 und Anhang F. Die Beziehungen und Differentialgleichungen wurden an einemzweifach symmetrischen Tank mit unverformbaren vertikalen Wänden und horizontalerBodenplatte abgeleitet. Das Modell baut darauf auf, dass eine Beschleunigung in horizontalerx-Richtung keine wesentliche Beschleunigung in der horizontalen Richtung senkrecht dazuliefert.An einem herausgeschnittenen Element werden mittels Kräftegleichgewicht, Massen- undEnergieerhaltungssatz die Differentialgleichungen ermittelt. Mit dem verwendeten Ansatz undden genannten Randbedingungen ergeben sich ein über die Wandhöhe parabolischerDruckverlauf mit dem Schwerpunkt bei 3/8 der Höhe und ein sinushyperbolicus förmigerDruckverlauf über die Bodenbreite. Das Verfahren nach Housner ist die Grundlage für eineVielzahl von Vorschriften und Regelungen im angelsächsischen Raum, die immer noch gültigsind und Anwendung finden.3.2 Erweiterung auf verformbare TanksDie Weiterentwicklung erfolgte durch A.S. Veletsos [4], [5], der die Theorieverallgemeinerte und auf verformbare Tanks ausdehnte und die Grundlage für die im EC 8verwendete Formulierung lieferte. Als Grundlage dient die Geschwindigkeitspotentialfunktioneiner inkompressiblen und reibungsfreien Flüssigkeit.Auch Veletsos bedient sich für seinen Lösungsansatz der bekannten Aufteilung derFlüssigkeit in einen impulsiven und einen schwappenden Anteil. Während Housner für seineAbleitungen von zwei getrennten Modellen ausging und daran Kräfte-, Massen- oderEnergiegleichgewichte aufstellte, löst Veletsos die Laplace Differentialgleichung und definiertdabei Randbedingungen getrennt für den impulsiven und den schwappenden Zustand einesstarren Tanks.Die Randbedingungen der impulsiven Komponente wurden formuliert zu:Die vertikale Geschwindigkeitskomponente am Boden z = 0 ist nullDie radiale Geschwindigkeitskomponente an der Wand r = R ist gleich der AnregungDer Druck an der Flüssigkeitsoberfläche z = H ist nullDie Randbedingungen der schwappenden Komponente wurden formuliert zu:Die vertikale Geschwindigkeitskomponente am Boden z = 0 ist nullDie radiale Geschwindigkeitskomponente an der Wand r = R ist nullDer Druck an der Stelle z = H ist null ist gleich den Eigengewicht der sich darüberbefindenden schwappenden Flüssigkeit.Bei der Erweiterung der Formulierung auf verformbare Tanks wurde der Tankwand einedefinierte Verformung als Randbedingung vorgegeben und die Differentialgleichungen erneutgelöst.3.3 Darstellung des DruckverlaufsZur Veranschaulichung wird der sich nach DIN EN 1998-4 [6] für starre Tanks ergebendeDruckverlauf in der Wand und in der Bodenplatte getrennt für den impulsive und denkonvektiven Anteil dargestellt. Aus der Geometrie (Abbildung 5) ergibt sich mit einer Höhevon 33,08 m und einem Radius von 38,50 m ein Verhältnis von = H / R = 0,859. Um den597


Einfluss der Geometrie auf den jeweiligen Druckanteil darzustellen sind auch Verläufe für =0,70 und = 1,00 wiedergegeben.Für die Bemessung des Betonaußentanks wirkt sich eine Lastermittlung nach API 620 [7]anstelle EC 8 wenig aus. Dies gilt keinesfalls für die Bemessung des Innentanks.Abbildung 3: Verlauf des impulsivern Druckanteils auf Tankwand und BodenplatteAbbildung 4: Verlauf des konvektiven Druckanteils auf Tankwand und Bodenplatte4 DYNAMISCES MODELL FÜR HORIZONTALE ANREGUNGDer Betonaußentank und der Stahlinnentank werden als zwei getrennte Zylinder abgebildet.Der Betonring unter der Wand des Stahltanks stellt die Verbindung zwischen den beiden Tanksher. Beide Zylinder haben eine gemeinsame Schwerachse. Damit ist das Gesamtsystemsymmetrisch zu dieser Achse. Die Zylinder werden als Kragarm modelliert und in vertikalerRichtung in mehrere Abschnitte aufgeteilt.Die Massen des Betontanks, des Stahltanks, der Flüssigkeit, der Isolierung und derrestlichen Ausbauteile werden als Einzelmassen berücksichtigt. Der Boden wird als Horizontalundals Kippfeder bzw. als Dämpfer idealisiert. Die impulsive Masse wird auf den Stahltankaufgebracht. Die konvektive Masse wird in einer einzigen Masse zusammengefasst und einemKnoten zugeordnet.986


Abbildung 5: Tankabmessungen und idealisierter Mehrmassenschwinger5 BODEN-BAUWERK-INTERAKTION5.1 Ermittlung der dynamischen BodenkennwerteDie Festlegung der dynamischen Bodenkennwerte hat eine maßgebende Rolle bei derModellierung der Boden-Bauwerk-Interaktion und somit auf die dynamische Auslegung. Die inverschiedenen Literaturquellen angegeben Umrechnungsgleichung zur Ermittlung derdynamischen Bodenkennwerte aus den Bodenkennwerten bei einer hauptsächlich statischenBeanspruchung wie z.B. [9] und [10] können aufgrund der möglichen Streubreite i.d.R. nichtzuverlässig angewendet werden. Auch ein in der Praxis üblicher Ansatz, dass der Mindestwertaus diesen Gleichungen bzw. Diagrammen angesetzt wird kann nicht immer als konservativbetrachtet werden. Je nach Gebäude, Gründungssituation und Bauteilnachweis kann der Ansatzeines steiferen Bodens maßgebend für Bemessung werden. Aufgrund der hohensicherheitstechnischen und wirtschaftlichen Anforderungen werden die dynamischenBodenkennwerte i.d.R. direkt mit Hilfe von dynamischen Labor- und Feldversuchen bestimmt.Ausgehend von den Ergebnisse aus den Bodenuntersuchung wird ein „best estimate“Bodenprofil festegelegt. Dieses spiegelt den erwarteten Boden wieder. Anschließend wird einoberer und unterer Grenzwert definiert um die Streuung der Bodenkennwerte abzudecken. Jegeringer die Anzahl der Versuche und je größer die Streubreite der Ergebnisse ist, desto größerwird der Faktor gewählt, mit dem aus den „best estimate“ Bodenszenario (i.d.R. derSchubmodul) die oberen und unteren Grenzwerte ermittelt werden. . Diese Parametervariationspielt daher eine wichtige Rolle zur Abdeckung der Unsicherheiten bei der Bestimmung derBodenkennwerte.799


Abbildung 6: Auszug aus den Feld- und Laborversuche zur Bestimmung der dynamischen BodenkennwerteDie dynamischen Bodenkennwerte werden von der Amplitude der Anregung, Frequenz undweitere Einflussfaktoren beeinflusst. Die ermittelten dynamischen Bodenkennwerte aus denFeld- und Laborversuchen sind aufgrund des jeweiligen Versuchscharakters i.d.R. mit geringenVerformungen bzw. Anregungen ermittelt und gelten daher auch nur für kleine Deformationen.Die resultierenden Verformungen aus dem Auslegungs- und Bemessungserdbeben (OBE undSSE) sind jedoch in der Regel deutlich größer und die Versuchsergebnisse müssen an die zuerwarteten Deformationen für das jeweilige Anregungsszenario angepasst werden. In(Abbildung 7c) ist die Verformungsabhängigkeit des Schubmoduls und des Dämpfungsgradesfür einen Ton nach [11] und [12] dargstellt. Aus dieser Abbildung ist zu entnehmen, dass derSchubmodul wie auch aus der Theorie bekannt, mit zunehmender Verformung abnimmt dieDämpfung aber zunimmt. Für diesen Boden (Ton) ist der dynamische Schubmodul bei einerScherdehnung von 0,2 % um ca. 50% geringer als der Schubmodul bei kleinen Dehnungen. BeiBöden mit einem höheren Steifemodul wie z.B. Fels ist die Verformungsabhängigkeit desSchubmoduls bzw. Dämpfung deutlich geringer (s. z.B. Abbildung 7a). Aus dieser Abbildungist auch der geringe Dämpfungsgrad bei Fels ersichtlich.a)b)Modulus Ratio (G/Gmax )Soil: Rock (Schnabel et al., 1970)160.90.850.740.60.530.40.320.210.1000.0001 0.001 0.01 0.1 1 10Shear Strain [%]Modulus Ratio (G/Gmax) [-] Damping Ratio (D) [%]Damping Ratio D [%]Modulus Ratio (G/Gmax)Soil: Sand (Seed & Idriss)- Average1300.90.8250.7200.60.5150.40.3100.250.1000.0001 0.001 0.01 0.1 1 10Shear Strain [%]Modulus Ratio (G/Gmax) [-] Damping Ratio (D) [%]Damping Ratio D [%]1008


c)Soil: G-modulus: Clay [Seed and Sun 1989], Damping: Clay [Idriss1990]Modulus Ratio (G/Gmax)1300.90.8250.7200.60.5150.40.3100.250.1000.0001 0.001 0.01 0.1 1 10Shear Strain [%]Modulus Ratio (G/Gmax) [-] Damping Ratio (D) [%]Damping Ratio D [%]Abbildung 7: Abhängigkeit des Schubmoduls und des Dämpfungsgrades von der Amplitude der Schubdehnungfür Sand, Ton und Fels nach [11],[12] und [13]5.2 Seismische Einwirkung (Erdbeben) und BodenszenarienAls dynamische Anregung wird ein Standortspektrum aus einem seismischen Gutachtenherangezogen. Hierbei handelt es sich um ein Freifeldspektrum mit einer spektralen Dämpfungvon 5 %. Für die Parameterstudien in diesem Beitrag wird das SSE Erdbeben verwendet. DieStarkörperbeschleunigung (PGA) wird mit a = 2.34 m/s² angesetzt (Abbildung 8). Aus diesemSpektrum wurden für die weiteren Berechnungen unter Berücksichtigung der jeweiligenFormfunktionen synthetische Zeitverläufe generiert [14] (Abbildung 8).Spektrale Beschleunigung [g]0.70.60.5SSE0.4OBE0.30.20.10.00 2 4 6 8 10T [sec.]Beschleunigung [g]0.30.20.100 5 10 15 20 25 t [s]-0.1-0.2-0.3Abbildung 8: Freifeldspektrum der Anregung und synthetischer Zeitverlauf für das SSE-EreignisUm den Einfluss des Bodens auf die Boden-Bauwerks-Interaktionberechnungen besserenerkennen, und darstellen und vergleichen zu können werden drei ideale Bodenszenarienuntersucht. Die Schichtung und Bodenkennwerte der ausgewählten Bodenszenarien sind in(Abbildung 9) dargestellt. Das Bodenszenario 1 hat den größten dynamischen Schubmodul (G)und entspricht dem üblichen Schubmodul bei einem gering verwitterten Fels. Der Schubmodulwurde über die Tiefe als konstant angenommen. Das Bodenszenario 2 zeigt einen deutlichgeringeren dynamischen Schubmodul, welcher in etwa dem Schubmodul eines sandigen Bodenentspricht. Bei diesem Profil wurde eine lineare Zunahme über der Tiefe angesetzt. Dergeringste Schubmodul wurde für das Bodenszenario 3 definiert, das einem steifen bis festenTon entspricht. Auch hier wurde eine lineare Zunahme des Schubmoduls angenommen.9101


Abbildung 9: Untersuchte Bodenszenarien (Fels, Sand und Ton)5.3 Ermittlung der verformungsabhängigen BodenkennwerteFür die in Abbildung 9 dargestellten Bodenszenarien wurde der Schubmodul bzw. dieDämpfung über die Tiefe unter Berücksichtigung der entsprechenden Diagramme (Abbildung10 bis 12) sowie der vorgegebenen Anregung (Abbildung 8) ermittelt. Hierbei wurdevereinfachend auf die Auswirkung des geplanten Tanks auf den Schubmodul des Bodensaufgrund der zusätzlichen Spannungen aus dem Gewicht des Tankes verzichtet.In Abbildung 10 ist der abgeminderte Schubmodul für Bodenszenario (BS 1) (Fels)dargestellt. Wie erwartet ist bei diesem steifen Bodenszenario die Verfomungsabhängigkeitrelativ gering. Insbesondere im oberflächennahem Bereich der die größte Auswirkung auf dasBoden-Bauwerk-Interktionsverhalten hat. Im weiteren Verlauf wird auch nur eine maximaleAbminderung des Schubmoduls um ca. 10% beobachtet. Auch die verformugsabhängigeDämpfung bleibt auf einem sehr niedrigen Niveau bei ca. 1% (Abbildung 10).Depth [m]Shear-modulus G [MN/m2] - Soil: Rock0 500 1000 1500 2000 25000102030405060708090100Shear modulus from soil investigations Strain dependent shear modulusDepth [m]G/Gmax [-] - Soil: Rock0.00 0.20 0.40 0.60 0.80 1.00 1.200102030405060708090100G/Gmax10210


Depth [m]Dampnig [-] Soil:Rock0 0.02 0.04 0.06 0.08 0.10102030405060708090100Strain dep. DampingAbbildung 10: Verformungsabhängige Bodenkennwerte für das Bodenszenario 1 (Fels)Bei den beiden Bodenszenarien BS 2 und BS 3 mit den geringen Schubmoduli ist dieVerformungsabhängigkeit der dynamischen Bodenkennwerte (G-Modul und Dämpfung) relativgroß, was sich auch in den Ergebnissen der Berechnungen darstellt. Hierbei wird für die inAbbildung 8 angegeben Anregung (Freifeldspektrum) der Schubmodul um bis zu ca. 40%abgemindert, was insbesondere im oberflächennahen Bereich einen nicht zuvernachlässigenden Einfluss auf das Boden-Bauwerk-Interaktionsverhalten und somit diegesamten dynamischen Auslegung der Konstruktion hat. Auch die Dämpfungen des Bodensfür die weicheren Bodenszenarien BS 2 und BS 3 sind im Vergleich zum Bodenszenario 1deutlich größer und liegen bei ca. 4 % bis 7,5 % (Abbildung 11 und Abbildung 12).Depth [m]Dynamic Shear-Modulus G [MN/m2] Soil:Sand0 200 400 600 800 10000102030405060708090100Shear modulus from soil investigations Strain dependent shear modulusDepth [m]G/Gmax [-] Soil:Sand0.00 0.20 0.40 0.60 0.80 1.000102030405060708090100G/GmaxDepth [m]Dampnig [-] Soil: Sand0 0.02 0.04 0.06 0.08 0.10102030405060708090100Strain dep. DampingAbbildung 11: Verformungsabhängige Bodenkennwerte für das Bodenszenario 2 (Sand)11103


Depth [m]Dynamic shear-modulus G [MN/m2] Soil: Clay0 100 200 300 400 500 6000102030405060708090100Shear modulus from soil investigations Strain dependet shear modulusDepth [m]G/Gmax [-] - Soil: Clay0.00 0.10 0.20 0.30 0.40 0.50 0.60 0.70 0.80 0.900102030405060708090100G/Gmax0102030Dampnig [-] Soil: Clay0 0.02 0.04 0.06 0.08 0.1Depth [m]405060708090100strain dep. DampingAbbildung 12: Verformungsabhängige Bodenkennwerte für das Bodenszenario 3 (Ton)5.4 Ermittlung der frequenzabhängigen Steifigkeit und Dämpfung der GründungBei der klassischen und einfachsten Methode zur Berücksichtigung der Boden-Bauwerks-Interaktion wird die Lagerung der Konstruktion mittels Federelementen mit konstantenFedersteifigkeiten berücksichtigt. Bei weichen Böden und schweren Konstruktionen mussjedoch aufgrund sicherheitstechnischer und auch wirtschaftlicher Aspekte das dynamischeVerhalten des Bodens und seine Interaktion mit dem Oberbau genauer untersucht werden. Einebewehrte Methode zur Berücksichtigung der Boden-Bauwerk-Interaktion ist die Anwendungeines dreidimensionalen FE-Modells in Verbindung mit der Substrukture-Methode und einemdiskretisierten Halbraum [16].10412


Abbildung 13: Substruktur-Methode bei einem Finite Elemente Modell (flexible volume method) [17]Die Vorgehensweise bei der Anwendung dieser Methode kann vereinfachend in dreiHauptschritten beschrieben werden:1. Ermittlung der Freifeldverformungen unterhalb der Gründung2. Ermittlung der Impedanzen der Gründung3. Ermittlung der Verformungen in der Oberkonstruktion unter Berücksichtigung derkomplexen dynamischen SteifigkeitDie Berechnungen erfolgen im Frequenzbereich und es wird die Impedanzmatrix für dennotwendigen Frequenzbereich berechnet und mit der Oberkonstruktion gekoppelt. DieKomponenten der Impedanzmatrix können durch eine frequenzabhängige nicht lineareFedersteifigkeit K() und Dämpfung C() beschrieben werden.wobeiK*:K():C(): :Komplexer dynamische SteifigkeitK* = K() + i C() (1)Frequenzabhängige nicht lineare FedersteifigkeitFrequenzabhängige DämpfungKreisfrequenzDie dynamische Steifigkeit K* ist komplex und frequenzabhängig. Diese komplexeSteifigkeit ist aufgrund des nicht-linearen Verhaltens des Bodens im Bereich des Fundamentsbei dynamischer Anregung (Erdbeben) und der großen Boden-Verformungen auch von diesenbeeinflusst. Zur Vereinfachung wird bei der praktischen Anwendung dieser Methode zur13105


Ermittlung der Impedanzmatrix i.d.R. das Fundament als starr und masselos modelliert. DieTheoretischen Grundlagen dieser Methode sind z.B. in [16] und [17] beschrieben.Abbildung 14: Draufsicht des Fundamentes zur Ermittlung der ImpedanzenDie Ermittlung der frequenzabhängigen Bodensteifigkeiten und Dämpfungen wurde für die dreiBodenszenarien unter Berücksichtigung der verzerrungsabhängigen Bodensteifigkeiten undDämpfungen durchgeführt. Zur Ermittlung der Impedanz der Gründung wurde das Fundamentmit einer Einheitskraft bzw. Moment angeregt. Die Verformung bzw. Verdrehung wurde fürdie jeweilige Frequenz ermittelt und aus diesen wurden die frequenzabhängigenFedersteifigkeiten und Dämpfungen berechnet.In Abbildung 15 sind die frequenzabhängigen horizontalen Steifigkeits- undDämpfungsbeiwerte für das Bodenszenario 1 (Fels) dargestellt.Horizontal Stiffness CoefficientsHorizontal Damping CoefficientsKxx [MN/m]8.0E+056.0E+054.0E+052.0E+050.0E+000.0 5.0 10.0 15.0 20.0Frequency [Hz]Cxx [MNs/m]3.5E+043.0E+042.5E+042.0E+041.5E+041.0E+045.0E+030.0E+000.0 5.0 10.0 15.0 20.0Frequency [Hz]10614


Kyy [MNm/rad]Rocking Stiffness Coefficients3.0E+082.5E+082.0E+081.5E+081.0E+085.0E+070.0E+000 5 10 15 20Frequency [Hz]C yy [MNsm/rad]Rocking Damping Coefficients9.0E+068.0E+067.0E+066.0E+065.0E+064.0E+063.0E+062.0E+061.0E+060.0E+000 5 10 15 20Frequency [Hz]Abbildung 15: Frequenzabhängige Steifigkeit K() und Dämpfung C() für das Bodenszenario 1 (Fels)Aufgrund des homogenen und relativ steifen Bodenaufbaus bei diesem Bodenszenario istdie frequenzabhängige Steifigkeit K() und Dämpfung C() stets positiv und der Verlauf derHorizontal- und Kippsteifigkeiten relativ horizontal. Erst bei höheren Frequenzen, welche hiernicht maßgebend für die Auslegung des Tanks sind ist die Frequenzabhängigkeit der Steifigkeitersichtlich. Bei weicheren Böden über einem Felshorizont ist die Veränderung der Steifigkeitenund Dämpfungen in Abhängigkeit der Frequenz bedeutend stärker. In Abbildung 16 sind dieImpedanzfunktionen für das Bodenszenario 2 (Sand) dargestellt.Kxx [MN/m]Horizontal Stiffness Coefficients1.0E+058.0E+046.0E+044.0E+042.0E+040.0E+000.0 5.0 10.0 15.0 20.0-2.0E+04-4.0E+04Frequency [Hz]Cxx [MNs/m]Horizontal Damping Coefficients1.6E+041.4E+041.2E+041.0E+048.0E+036.0E+034.0E+032.0E+030.0E+000.0 5.0 10.0 15.0 20.0Frequency [Hz]1.2E+081.0E+08Rocking Stiffness Coefficients1.0E+078.0E+06Rocking Damping CoefficientsKyy [MNm/rad]8.0E+076.0E+074.0E+07C yy [MNsm/rad]6.0E+064.0E+062.0E+072.0E+060.0E+000 5 10 15 20Frequency [Hz]0.0E+000 5 10 15 20Frequency [Hz]Abbildung 16: Frequenzabhängige Steifigkeit K() und Dämpfung C() für das Bodenszenario 2 (Sand)Deutliche größere Schwankungen und negative Steifigkeiten werden bei einer dünnenweichen Schicht oberhalb eines steifen Untergrundes beobachtet. Die negativen Werte derSteifigkeit können auf den Resonanzeffekt im Boden zurück geführt werden. Des Weiterenliegt bei Frequenzen niedriger als die „cutoff“ Frequenz (Grenzfrequenz) keine geometrischeDämpfung vor. Die „cutoff“ Frequenz kann nach [18] für die horizontale Anregung (SV-Welle)wie folgt ermittelt werden:15107


f(cut off)= cs /4 (2)wobei c s die Geschwindigkeit der Scherwelle (SV) und h die Mächtigkeit der weichenoberen Schicht ist. Diese Gleichung gilt auch für die Kipp- und Vertikalschwingung allerdingsmit der entsprechenden Druckwellengeschwindigkeit c p anstelle von c s . Aus der Gleichung istzu entnehmen, dass bei einer geringeren Mächtigkeit der weichen Oberschicht die „cutoff“Frequenz steigt und somit der Frequenzbereich in dem keine geometrische Dämpfung aktiviertwird größer wird. Dies kann natürlich zu Überhöhungen der Kräfte und Momente in derOberkonstruktion führen. Ein solcher Effekt wird bei den konventionellen Methoden zurErmittlung der Boden-Bauwerk-Interaktion (frequenzunabhängige Federelemente) nicht erfasstund kann daher zu einer Unterbemessung des Tankes führen. Daher hat die Berücksichtigungder Frequenzabhängigkeit der Steifigkeiten bei geschichtetem Baugrund eine noch größereBedeutung.6 ERGEBNISSE DER DYNAMIS<strong>CH</strong>EN BERE<strong>CH</strong>NUNGENMit Hilfe der berechnetten Impedanzmatrizen kann die Steifigkeitsmatrix für dasGesamtsystem erstellt werden und unter Berücksichtigung der Anregung die maximalenBescheunigungen und Verformungen in den verschiedenen Knoten der Oberkonstruktionermittelt werden. Die theoretischen Grundlagen für die Vorgehensweise sind in [Sassi]beschrieben.In Abbildung 17 ist die maximale Beschleunigung in den Massenpunkten der Oberstruktur desTankes dargestellt. Aufgrund der deutlich höheren Steifigkeit des Außentanks sind diemaximalen Beschleunigungen auf der gleichen Höhe deutlich kleiner als dasBeschleunigungsniveau des inneren Stahltanks.Beim Vergleich der Auswirkung des Untergrundes auf die maximalen Beschleunigungen istaus Abbildung 17 ersichtlich, dass die höchsten Beschleunigungen im Innentank (Stahl) undauch in dem Außentank (Beton) im Bodenszenario 1 mit der höchsten Bodensteifigkeitauftreten. Mit Abnehmender Bodensteifigkeit reduzieren sich auch die maximalenBeschleunigungen sowohl in dem inneren als auch in dem äußeren Tank. Im äußeren Tank istder Beschleunigungsunterschied der beiden schwächeren Bodenszenarien (2 und 3) sehr gering.Dies spiegelt sich auch in den maßgebenden Bemessungskräften und -momenten (s. Abbildung18) wieder. Hingegen ist die Auswirkung dieser beiden Bodenszenarien auf die ermitteltenBeschleunigungen, Scherkräfte und Momente für den inneren Tank deutlich.10816


Absolute Peak Accleration454035Elevation [m]30252015Outer (concrete) tank; SASSI-BS 1-(Rock)Inner (steel) tank and imp. liq.; SASSI-BS 1-(Rock)Outer (concrete) tank; SASSI-BS 2-(Sand)Inner (steel) tank and imp. liq.; SASSI-BS 2-(Sand)Outer (concrete) tank; SASSI-BS 3-(Clay)Inner (steel) tank and imp. liq.; SASSI-BS 3-(Clay)10500 2 4 6 8 10 12 14Absolute peak accleration [m/s2]Abbildung 17: Maximale Beschleunigung an den Massenpunkte des Innen- und Außentank für verschiedeneBodenszenarienZwei wichtige Schnittgrößen zur Bemessung der Innen- und Außentanks sind die Scherkräfteund Momente im Fußbereich der jeweiligen Oberkonstruktion d.h. Innentank (Stahl) undAußentank (Beton). In Abbildung 18 sind die jeweiligen Scherkräfte und Momente für dieverschiedenen Bodenszenarien dargestellt. Aus dieser Abbildung ist zu entnehmen, dasssowohl die Scherkräfte als auch die Momente mit zunehmender Steifigkeit des Untergrundesfür die Oberstrukturen ansteigen.2504000200AußentankInnentank35003000AußentankInnentankSherkraft [MN]150100Moment [MNm]2500200015005010005000BS 1 (Fels) BS 2 (Sand) BS 3 (Ton)Bodenszenario0BS 1 (Fels) BS 2 (Sand) BS 3 (Ton)BodenszenarioAbbildung 18: Scherkräfte und Momente am Fußpunkt des Innen- und AußentankesFür einen Vergleich der Ergebnisse aus den Berechnungen mit Berücksichtigung derfrequenzabhängigen Federsteifigkeiten mit den Ergebnissen aus einer Berechnung ohneBerücksichtigung der frequenzabhängigen Federsteifigkeiten wurden weitere vereinfachteBerechnungen durchgeführt. Hierzu wurden die Bemessungskräfte und –momente für die17109


gleichen Oberkonstruktionen (Innen- und Außentank) und frequenzunabhängigenFedersteifigkeiten mit dem Programm SAP2000 [19] berechnet. Hierbei wurden dieentsprechend der Anregung abgeminderten Schubmoduli (s. Abschnitt 5.3) für dieverschiedenen Bodenszenarien herangezogen und mittels den bekannten Gleichungen wie z.B.[Empfehlungen Arbeitskreis] die frequenzunabhängigen Federsteifigkeiten ermittelt. EineAbstrahlungsdämpfung des Bodens wurde somit auch nicht berücksichtigt. Die maßgebendenScherkräfte und Momente zur Bemessung der Tanks sind in Abbildung 19 dargestellt.Sherkraft [MN]25020015010050AußentankInnentankMoment [MNm]7000600050004000300020001000AußentankInnentank0BS 1 (Fels) BS 2 (Sand) BS 3 (Ton)Bodenszenario0BS 1 (Fels) BS 2 (Sand) BS 3 (Ton)BodenszenarioAbbildung 19: Ermittelte Scherkräfte und Momente beim Ansatz von frequenzunabhängigen FedersteifigkeitenDer Vergleich der Ergebnisse zeigt, dass wie erwartet für das Bodenszenario 1 (Fels) die Wertebeider Verfahren unter Berücksichtigung der Anwendung von verschiedenen Programmen undder unterschiedlichen Verfahren bzw. Vereinfachungen bei der Modellierung in SAP2000 eineakzeptable Abweichung von max. ca. 25% zeigen. Bei weicheren Bodenszenarien ist dieAbweichung so stark, dass eine vereinfachte Vorgehensweise ohne Berücksichtigung derfrequenzabhängigen Steifigkeiten nicht vertretbar ist. Insbesondere stark sind dieAbweichungen von den ermittelten Bemessungsgrößen bei Berücksichtigung derfrequenzabhängigen Boden-Bauwerk-Interaktion bei dem steiferen Betontank auf einemweicheren Bodenszenario (2 und 3) zu beobachten.Differenz Kräfte [%]180160140120100806040200AußentankInnentankDiffernz Momente [%]250200150100500AußentankInnentank-20BS 1 (Fels) BS 2 (Sand) BS 3 (Ton)Bodenszenario-50BS 1 (Fels) BS 2 (Sand) BS 3 (Ton)BodenszenarioAbbildung 20: Abweichung der Ergebnisse aus dem Berechnungsverfahren mittels frequenzunabhängigenVerfahren zu dem Verfahren mittels Impedanzfunktionen7 ZusammenfassungIm vorliegenden Beitrag wurde der Einfluss der Berechnungsmethode bei Verwendung vonfrequenzunabhängigen Steifigkeiten und Dämpfungen bei unterschiedlichem Baugrund anhand11018


einer beispielhaften Tankgeometrie untersucht. Anhand von drei idealisierten Bodenszenarienwurde das Verhalten eines doppelwandigen Tanks prinzipiell untersucht, um allgemeineTendenzen aufzuzeigen.In diesem Zusammenhang wurden die maßgebenden Schnittkräfte und Momente mittelsfrequenzabhängigen Steifigkeiten und Dämpfung ermittelt und somit sowohl der Boden alsauch die Gründung und Oberkonstruktion in einem Modell erfasst. Ein Vergleich derErgebnisse aus der hier vorgestellten Vorgehensweise mit der Vorgehensweise, welche beikonventionellen Konstruktionen (Federelemente mit frequenzunabhängigen Federsteifigkeiten)angewendet wird zeigen, dass diese vereinfachten Verfahren zur Berücksichtigung der Boden-Bauwerk-Interaktion insbesondere bei weicheren Bodenszenarien eine große Abweichungzeigen und einer detaillierteren Betrachtung und ggf. weiterer Maßnahmen bedürfen.REFERENZEN[1] DIN EN 14620-3: Auslegung und Herstellung standortgefertigter, stehender,zylindrischer Flachboden-Stahltanks für die Lagerung von tiefkalt verflüssigten Gasenbei Betriebstemperaturen zwischen 0°C und -165°C. Teil 3: Bauteile aus Beton. BeuthVerlag, Dezember 2006.[2] NFPA 59A: Standard for the Production, Storage, and Handling of Liquefied Natural Gas(LNG), 2009 Edition.[3] Housner, G.W.: Dynamic Pressure on Fluid Containers. In: TID 7024 Nuclear Reactorsand earthquakes, Chapter 6, pp. 183-209 and Appendix F, pp.367-390.[4] Veletsos A.S.: Seismic Response and Design of Liquid Storage Tanks. In: Guidelines forthe Seismic Design of Oil and Gas Pipeline Systems, ASCE 1984, pp. 255-370.[5] Veletsos. A.S., Yang, J.Y.: Dynamics of Fixed-Base Liquid-Storage Tanks. Proceedingsof U.S. – Japan Seminar for Earthquake Engineering Research with Emphasis on LifelineSystems, Tokyo, Japan, 1976, pp. 317-341.[6] DIN EN 1998-4: Auslegung von Bauwerken gegen Erdbeben - Teil 4: Silos,Tankbauwerke und Rohrleitungen. Beuth Verlag, 2006.[7] API 620: Design and Construction of Large, Welded, Low-pressure Storage Tanks.American Petroleum Institute, Eleventh Edition, 2008.[8] A. R. Ingraffea, E. Iesulauro, K. Dodhia and P. A. Wawrzynek, A Multiscale ModelingApproach to Crack Initiation in Aluminum Polycrystals. H. A. Mang, F. G. Rammerstorferand J. Eberhardsteiner eds. Fifth World Congress on Computational Mechanics,WCCM V, Vienna, Austria, 2002.[9] DGGT: Empfehlungen des Arbeitskreises „Baugrunddynamik“. Arbeitskreis 1.4„Baugrunddynamik“ der Deutschen Gesellschaft für Geotechnik e.V., 2002[10] Smoltczyk, U., Grundbau-Taschenbuch: Geotechnische Grundlagen: Teil 1, Ernst & SohnVerlag, 2001[11] Seed, H.B. and Sun, J.H. (1989). Implication of site effects in the Mexico City earthquake ofSeptember 19, 1985 for Earthquake-Resistant Design Criteria in the San Francisco Bay Area ofCalifornia, Report No. UCB/EERC-89/03, Earthquake Engineering Research Center, Universityof California, Berkeley.19111


[12] Idriss, I. M. (1990). Response of soft soil sites during earthquakes. In: Proc. of the H. BoltonSeed Memorial Symposium, Vol. 2, pp. 272-289[13] Schnabel, P.B., Lysmer, J. and Seed H.B. (1972): Shake – a computer program for earthquakeresponse analysis of horizontal layered soils, report no. UCB/EERC-72/12, University ofCalifornia, Berkeley.[14] Meskouris K.: Structural Dynamics. Models, Methods, Examples. Berlin: Ernst & Sohn Verlag.,2001[15] Idriss, I.M. and Sun, J.I. (1992). “SHAKE91: A computer program for conducting equivalentlinear seismic response analyses of horizontally layered soil deposits,” User’s Guide, Universityof California Davis, California.[16] Lysmer, J., Raissi, M., Tajirian, F., Vahdani, S. and Ostadan, F., SASSI, A System for analysisof soil-structure-interaction, university of California, Berkeley, Geotechnical Report No. 81-02[17] Ostadan, J., SASSI2000 V. 3, A System for analysis of soil-structure-interaction, Theoreticalmanual, 2007[18] Studer, J.A.; Laue, J.; Koller, M.G.: Bodendynamik, 9. Auflage, Springer, Berlin Heidelberg,2007[19] Computers & Structures, Inc., SAP2000 v. 14.1, Linear and Nonlinear Static and DynamicAnalysis and Design of Three-Dimensional Structures, 200911220


12. D-A-<strong>CH</strong> Tagung – Erdbeben und BaudynamikC. Könke (Hrsg.)Hannover, Deutschland, 15.–16. September <strong>2011</strong>URBANE SEISMOLOGIE AM BEISPIEL DER AKTUELLENSEISMIS<strong>CH</strong>EN EREIGNISSE UNTER LANDAU, SÜDPFALZJ. R. R. RitterKarlsruher Institut für Technologie, Geophysikalisches InstitutHertzstr. 16, 76187 Karlsruhe, GermanyE-mail: joachim.ritter @ kit.eduKeywords: urbane Seismologie, induzierte Erdbeben, seismische Überwachung, LandauAbstract. Traditionell messen Seismologen bevorzugt an abgelegenen Orten mit möglichstgeringem seismischen Rauschen, um kleinste Bodenbewegungen mit höchster Präzision zuerfassen. Die seismischen Überwachungsnetze der Landesämter und das DeutscheSeismologische Regionalnetz bilden hiervon keine Ausnahmen, wenn man dieStationsverteilungen analysiert. Andererseits ist für Schadensbeben besonders dieQuantifizierung der Bodenbewegung (Bodenverschiebung, Bodenschwing-Geschwindigkeitoder –Beschleunigung) in situ für eine Analyse und Bewertung der aufgetretenen Wirkungenwichtig. Auch können seismische Ereignisse nahe oder gar direkt unter Städten auftreten. DieBeschreibung des Bruchvorgangs im Erdbebenherd und eine genaue Lokalisierung benötigenin solchen Fällen auch Messungen innerhalb des Stadtgebiets. Ebenso benötigt man in diesenFällen auch seismische Geschwindigkeitsmodelle für den Untergrund direkt unterhalb urbanerRäume.Im Sommer und Frühherbst 2009 ereigneten sich zwei Erdbeben mit M L = 2,7 und M L = 2,4direkt unterhalb der Stadt Landau in der Südpfalz. Die Auswertung und Schadensanalysedieser Erdbeben zeigten auf, welche neuen Herausforderungen entstehen, wenn man inurbanen Räumen mit traditioneller Seismologie arbeitet. Die Hauptphasen in denSeismogrammen konnten trotz des hohen Rauschpegels sehr gut bestimmt werden, jedochbereitet die Auswertung der schwächeren Vor- und Nahbeben einen größeren Aufwand. Für dieBestimmung der maximalen Bodenschwing-Geschwindigkeiten nach DIN 4150 fehlten komplettMessungen im Bereich der stärksten Intensität (V). Die Erdbeben in Landau ereigneten sich ineinem geothermisch genutzten Reservoir. Zukünftig kann mit einer vermehrten Nutzung vonGeothermie im Bereich von urbanen Räumen gerechnet werden, um neben Strom auch (Fern-)Wärme nahe am Verbraucher zu produzieren. Dies bedeutet, dass seismische Überwachungenund Analysen von Mikrobeben zukünftig mehr in urbanen Räumen durchgeführt werdenmüssen.1113


1 INTRODUCTIONUrbane Seismologie unterscheidet sich von der traditionellen Seismologie im Hinblick aufdas Umfeld und dessen Besonderheiten wie hohe Bebauungsdichte, starker Verkehr, heftige,anthropogen verursachte Bodenbewegung etc. Bisher wurden urbane Räume meist von derseismologischen Messung ausgenommen, um das dortige erhöhte seismische Rauchen zuumgehen. Die Überwachung der Seismizität erfolgt meist an abgelegenen Standorten, wo inruhiger Umgebung die seismischen Wellen präzise registriert werden. Die Stationen BRLN(Berlin) und HAM (Hamburg) des Deutschen Seismologischen Regionalnetzes (GRSN)wurden sogar aus guten Gründen aus der Stadt Berlin in einen Steinbruch bei Rüdersdorf(RUE) und aus Hamburg nach Bad Segeberg (BSEG) verlegt, um den Rauschpegel zuverringern [1]. Allerdings befindet sich seither in der Hauptstadt Berlin keine permanentmessende seismologische Station mehr.Natürliche und induzierte Erdbeben können in urbanen Räumen auftreten. Da dieseismischen Überwachungsstationen jedoch meist weit außerhalb dieser Regionen registrieren,fehlen dann wichtige Beobachtungen nahe am Erdbebenherd. Ebenso fehlen oft Messungen derBodenschwing-Geschwindigkeit, um eingetretene Schäden mit der Bodenbewegungvergleichen zu können.Aktive seismische Experimente der Refraktionsseismik und Reflexionsseismik sind meist soangelegt, dass sie urbane Regionen umgehen. Dies ist ebenfalls auf das erhöhte seismischeRauschen zurückzuführen, aber auch auf Schwierigkeiten mit der Ankopplung und beiGenehmigungsverfahren. Dadurch ist auch die seismische Struktur unter urbanen Regionen oftungenau mit Daten belegt, was sich negativ auf die Lokalisierung von Erdbeben auswirkt. ImWesten der USA sind erste grundlegende Arbeiten durchgeführt worden, um die seismischeStruktur unter Los Angeles [2] oder Seattle [3] abzubilden.Passive seismologische Experimente in Städten sind noch Ausnahmen. In Europa war dasURS Experiment in Bukarest der erste Versuch über einen längeren Zeitraum (knapp 10Monate) mit breitbandigen Instrumenten zu messen [4]. Diese Daten wurden verwendet, umVariationen des urbanen Rauschens zu analysieren, Standorteffekte zu bestimmen und denAufbau der Erdkruste unter der Stadt zu modellieren. Die Bestimmung von Standorteffektenbzgl. der Amplitudenverstärkung ist sicher die am weitesten verbreitete seismischeMessmethode in Städten [z.B. 5, 6] und sind meist die einzigen verfügbaren Daten.Am 15. August und 14. September 2009 ereigneten sich 2 Erdbeben mit den MagnitudenM L = 2,7 und M L = 2,4 direkt unter der Stadt Landau (Abbildung 1). Trotz der relativ geringenMagnituden erschütterten diese Ereignisse deutlich die Stadt und erreichten am 15. August2009 eine Intensität bis V auf der EMS-98 Skala [7]. Die Analyse dieser Ereignisse zeigt, dassder Umgang mit Erdbeben in urbanen Räumen noch dringend verbessert werden muss. Imfolgenden werden Ergebnisse zu den Erdbeben bei Landau exemplarisch gezeigt undKonsequenzen für die seismologische Überwachung in urbanen Gebieten diskutiert.1142


Abbildung 1: Bereich des Mittleren Oberrheingrabens um Karlsruhe und Landau. Die bekannte Seismizität vor2006 ist mit Kreisen dargestellt: Historische Erdbeben (900-1970) nach Leydecker [9] in Dunkelgrau und skaliertnach der maximalen Intensität; instrumentell gemessene Seismizität von 1971 bis 1996 nach Bonjer [10] in hellemGrau und von 1997 bis 2005 nach den Online-Katalogen des LED [11] in Weiß. Seismische Stationen sind alsDreiecke gekennzeichnet: KIT-GPI (schwarz) und Festnetz (weiß). Die Sterne bei Landau kennzeichnen dieErdbeben vom 15. Aug. 2009 (nordwestlich) und 14. Sept. 2009 (südöstlich).3115


2 MESSUNG DER SEISMIZITÄT BEI LANDAUIm Sommer und Herbst 2009 wurde die Seismizität um Landau von unterschiedlichen undheterogenen Netzwerken aufgezeichnet. Der Betreiber eines geothermischen Kraftwerks amSüdrand von Landau hatte ein Netzwerk installiert, mit welchem die Seismizität im Reservoirüberwacht werden sollte. Basierend auf diesen Daten wurde eine Lokalisierung des Erdbebenserstellt. Die Landeserdbeben-Registrierung (LER) am Landesamt für Geologie und Bergbau,Rheinland-Pfalz (LGB) und der Landeserdbebendienst (LED) am Landesamt für Geologie,Rohstoffe und Bergbau (LGRB) Baden-Württemberg betreiben landesweite Netzwerke zurseismischen Überwachung. Mit diesen Daten wurde schnell eine automatische Lokalisierungberechnet. Diese Lösung wurde mit einer manuellen Nachbearbeitung und dem Hinzufügenzusätzlicher Daten verfeinert. Diese weiteren Daten stammten von Stationen des GRSN undeinem temporären Netzwerk des Karlsruher Instituts für Technologie, GeophysikalischesInstitut (KIT-GPI). Das KIT-GPI betrieb 6 Stationen im Süden und Osten von Landau mitEntfernungen kleiner 10 km zum Epizentrum sowie 2 Stationen in Karlsruhe. Insgesamtwurden die beiden Hauptereignisse jeweils an mehr als 50 Messstationen registriert.Nach den Ereignissen vom Herbst 2009 wurden weitere Messstationen in und um Landauinstalliert, um die weitere Entwicklung der Seismizität dokumentieren zu können. Seither sinderstmals auch Messstationen innerhalb des Stadtgebiets verfügbar.3 AUSWERTUNG – BEDEUTUNG DER HYPOZENTRUMS LÖSUNGDie Lösungen der verschiedenen Lokalisierungen differierten trotz der guten Datenlagezunächst um einige Kilometer. Besonders der Tiefe war umstritten (9-10 km nach Angaben desBetreibers, 2-3 km nach Angaben von LED und LER). Nachfolgende Auswertungen an derBundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) sowie am KIT-GPI bestätigten dieflachere Lösung [7]. Ein Problem bei der Berechnung des Hypozentrums war ein fehlendesseismisches Geschwindigkeitsmodell für den Untergrund bei Landau. Ein verlässliches 1DModell mit den Kompressions- und Scherwellengeschwindigkeiten wurde erst im Spätherbst2009 aus neuen VSP-Messungen erstellt. In Abbildung 2 werden die Tiefenlösungen fürunterschiedliche Geschwindigkeitsmodelle gezeigt, die am KIT-GPI berechnet wurden. Eineabschließende Bewertung der Hypozentrumsanalysen der Expertengruppe [7], legte dieHerdtiefe des Erdbebens auf 2,8±0,5 km Tiefe direkt unter dem Stadtzentrum von Landau fest.Die Lage der Epizentren in Abbildung 1 ist ebenfalls auf ±0,5 km genau bestimmt.Die geringe Herdtiefe sowie die wenig konsolidierten Sedimente des Oberrheingrabenskönnen die relativ hohe Intensität (V) im Stadtgebiet von Landau trotz der geringen Magnitude(M L = 2,7) erklären. Ein vergleichbares Erdbeben im nahen Landkreis Rastatt (19. Juni 2000,M L = 3,0, Tiefe 10 km) wurde von der Bevölkerung beispielsweise nicht verspürt [8]. DieserVergleich zeigt deutlich den Einfluss einer geringen Herdtiefe auf die Intensität, da ähnlicheRheingraben-Sedimente über den beiden Herden anstehen.Wenn flache Erdbebenherde (< 5 km) zuverlässig lokalisieren werden sollen, dann sindMessstationen in unmittelbarer Nähe zum potentiellen Herd notwendig. D.h. die Stationensollten unbedingt dort installiert werden, wo die Seismizität zu erwarten ist, bzw. wo man eineLokalisierung zuverlässig erreichen möchte (z.B. im Rahmen einer Beweissicherung) und nichtdort, wo die beste Registrierbedingungen vorherrschen.1164


14. 9. 15. 8.14. 9.Abbildung 2: Tiefenlösungen der Erdbeben vom 15. August 2009 (blau) und 14. September 2009 (grün) unterLandau. Die Unterschiede resultieren aus verschiedenen Modellen der seismischen P- und S-Wellen-Geschwindigkeiten (Buchstaben A-I). Die Güte der Anpassung an die Daten wird mit dem root mean square(kleinste Fehlerquadrate-Anpassung) angegeben. Das bevorzugte Geschwindigkeitsmodell ist I, welches aus VSP-Messungen abgeleitet wurde.4 ANFORDERUGEN AN URBANE SEISMOLOGIE4.1 BeobachtungImplementierungen seismischer Messstationen sollten sich nicht nur an dem seismischenRauschen orientieren. Wenn das Auftreten von Seismizität zu erwarten ist, dann sollte auchgezielt in bebauten Gebieten gemessen werden (s.o.). Entsprechende Messungen werden oft alsImmissionsnetze nach DIN 4150 realisiert. Solche Messungen sind jedoch oft weit wenigersensitiv als die üblichen seismologischen Messungen, die auch mikroseismische Aktivitätidentifizieren können. Mit dieser kann dann beispielsweise eine lokale Gutenberg-Richter-Statik berechnet werden. Diese Daten der Messstationen nach DIN 4150 sollten in die Analysedes Herdes einbezogen werden, d.h. es sollte grundsätzlich eine Integration verschiedensterMessnetze erfolgen. Hierfür ist wichtig, einheitliche Datenformate zu verwenden.Da seismologische Messungen in urbanen Räumen mit erhöhtem Rauschen verbunden sind,sollten auch neue Verfahren der Rauschunterdrückung implementiert werden. Ebenso sindverbesserte Verfahren der Ereignisdetektion (Kreuzkorrelationsverfahren etc.) einzusetzen, umautomatische mikroseismische Ereignisse im urbanen Rauschen zu finden.5117


4.2 Strukturbestimmung unter urbanen RäumenSeismologische Analysen des Herdes und der Wellenausbreitung setzen ein seismischesGeschwindigkeitsmodell voraus. Die Unsicherheiten von Modellierungen hängen direkt mitden Unsicherheiten der Geschwindigkeitsmodelle zusammen. Eine Herausforderung ist daherdie Bestimmung von 1D oder besser 3D Modellen der P- und S-Wellengeschwindigkeiten unterStädten. Aktive Messmethoden sind oft nur schwierig durchzuführen, wobei neben den Kostenauch die Genehmigungsverfahren für sprengseismische Untersuchungen aufwendig sind.Passive seismische Methoden (Tomographie, Receiver Funktionen etc.) können durchungünstige Quellverteilungen und das schlechte Signal/Stör-Verhältnis stark eingeschränktbzgl. ihres Auflösungsvermögens sein. Es ist daher notwendig, verschiedeneAuswertemethoden und ihre Ergebnisse zu integrieren, um ein optimales strukturelles Abbilddes Untergrunds unter Städten zu erhalten.4.3 Mikrozonierung von urbanen RäumenMikrozonierungen zur Charakterisierung des Untergrunds bei der Einwirkung vonErschütterungen sind in stark erdbebengefährdeten Städten bereits ein wichtiges Verfahren zurPrognostik von Schadensszenarien [5, 6]. Auch in weniger stark gefährdeten Städten ist dervermehrte Einsatz der Mikrozonierung zu überdenken. Hier ist besonders an potentielleinduzierte Seismizität zu denken, welche direkt an bzw. unter urbanen Räumen stattfindenkann. Entsprechende Mikrozonierungen sollten dann auch Hinweise auf Bereiche geben, woein Messung nach DIN 4150 besonders notwendig ist.5 DISKUSSIONDas Wachstum urbaner Räume in erdbebengefährdeten Regionen und zunehmendebergbauliche Tätigkeiten mit dem potentiellen Auftreten induzierter Seismizität nahe vonurbanen Räumen wird in Zukunft die Rolle seismologischer Analysen verändern. Es werdenvermehrt Messungen bzw. seismische Überwachungen in Städten erfolgen. Dadurch nehmendie Anforderungen an seismologische Analysen auf Grund des hohen Störpegels zu, welchemethodische Verbesserungen benötigen.REFERENCES[1] P. Bormann, K. Wylegalla and K. Klinge, Analysis of broadband seismic noise at theGerman Regional Seismic Network and search for improved alternative station sites,Journal of Seismology, 1,357-380, 1997.[2] G. S. Fuis, R. W. Clayton, P. M. Davis, T. Ryberg, W. J. Lutter, D. A. Okaya, E.Hauksson, C. Prodehl, J. M. Murphy, M. L. Benthien, S. A. Baher, M. D. Kohler, K.Thygesen, G. Simila and G. R. Keller. Fault systems of the 1971 San Fernando and 1994Northridge earthquakes, Southern California: Relocated aftershocks and seismic imagesfrom LARSE II. Geology, 31, 171–174, 2003.[3] T. M. Brocher, T. L. Pratt, K. C. Creager, R. S. Crosson, W. P. Steele, C. S. Weaver, A. D.Frankel, A. M. Trohu, C. M. Snelson, K. C. Miller, S. H. Harder and U. S. ten Brink,Urban seismic experiments investigate Seattle Fault and Basin. Eos, TransactionsAmerican Geophysical Union, 81, 545-552, 2000.1186


[4] J. R. R. Ritter, S. F. Balan, K.-P. Bonjer, T. Diehl, T. Forbriger, G. Mărmureanu, F.Wenzel and W. Wirth, Broadband urban seismology in the Bucharest metropolitan area.Seism. Res. Lett., 76, 573-579, 2004.[5] M. Pilz, S. Parolai, M. Picozzi, R. Wang, F. Leyton, J. Campos and J. Zschau, Shear wavevelocity model of the Santiago de Chile basin derived from ambient noise measurements:a comparison of proxies for seismic site conditions and amplification. GeophysicalJournal International, 182, 355-367, 2010.[6] M. Picozzi, A. Strollo, S. Parolai, E. Durukal, O. Özel, S. Karabulut, J Zschau and M.Erdik, Site characterization by seismic noise in Istanbul, Turkey. Soil Dynamics andEarthquake Engineering, 29, 469-482 2009.[7] Expertengruppe, Das seismische Ereignis bei Landau vom 15. August 2009,Abschlussbericht der Expertengruppe „Seismisches Risiko bei hydrothermalerGeothermie“, Hannover, 54 Seiten, 2010, . http://www.lgbrlp.de/fileadmin/cd2009/images/content/endbericht_landau/Landau_Endbericht_101103_corr.pdf[8] W. Brüstle und S. Stange, Seismisches Bulletin Baden-Württemberg 2000,(http://www.lgrb.uni-freiburg.de/lgrb/Fachbereiche/erdbebendienst/led_pool/images/bulletin_2000.txt), Landeserdbebendienst, Freiburg, 2001.[9] G. Leydecker, Erdbebenkatalog für die Bundesrepublik Deutschland mit Randgebieten fürdie Jahre 800 - 2007. Datafile, BGR Hannover, 2009[10] K.-P. Bonjer, nrift.36 earthquake catalogue. Geophysical Institute, Universität Karlsruhe(TH), internal report, 2007.[11] http://www.lgrb.uni-freiburg.de/lgrb/Fachbereiche/erdbebendienst/jahresbulletins7119


120


12. D-A-<strong>CH</strong> Tagung – Erdbeben und BaudynamikC. Könke (Hrsg.)Hannover, Deutschland, 15.–16. September <strong>2011</strong>Ein wellenbasiertes Modell für die Echtzeitvorhersage derErdbebenbeschleunigungRaimar J. Scherer *, Amin Zahedi Khameneh* Institut für Bauinformatik, TU DresdenHelmholtzstraße 10, 01069 DresdenE-Mail: Raimar.Scherer@tu-dresden.deSchlüsselwörter: Echtzeitvorhersage, Erdbebenbeschleunigung, stochastisch, wellenbasiertKurzfassung. Zur Echtzeitvorhersage der Erdbebenbeschleunigung wurde ein wellenbasiertesModell entwickelt. Die Echtzeitvorhersage ist beim Einsatz von Prädiktiv-Steuerungssystemenvon Gebäuden erforderlich, um Aktuatoren zur aktiven Bauwerkssteuerung rechtzeitigansteuern und auslösen zu können. Das Ziel ist die Verringerung der Verformung desGebäudes bei dynamischer Anregung. Es ist bekannt, dass Starkbebenbeschleunigungen einklassisches Beispiel instationärer stochastischer Prozesse mit zeitlicher Variation derAmplitude uninstationd der Frequenz sind. Bei dem entwickelten Echtzeitvorhersagemodellwird die Instationarität des Prozesses durch Dekomposition des Prozesses in seine dominantenWellenphasen, nämlich P- und S-Coda erreicht. Ein wichtiger Bestandteil des Verfahrens istdaher die Identifikation der dominanten seismischen Wellenphasen.Die Trennung der zeitabhängigen Amplitude von den instationären spektralen Eigenschaftendes Prozesses erhöht die Flexibilität und vereinfacht die Modellierung undParameterschätzung [1]. Der evolutionäre zeitliche stochastische Prozess der Amplitude wirdentsprechend den seismischen Wellenphasen durch die Verwendung einer Normalverteilung fürP-Coda-Wellen und einer exponentiellen Formfunktion nach Shinozuka und Sato [2] für S-Coda-Wellen modelliert. Um die spektrale Verstärkung aus mehreren Schichten undNormalmoden des Resonanzmodells zu betrachten, wird das von Bretschneider und Scherer [3]vorgeschlagene Multi-Kanai-Tajimi-Modell (Multi-KTM) verwendet. Der Multi-KTM wurdedurch die Überlagerung mehrerer KTF in Abhängigkeit der Zahl der beobachteten Resonanzenerweitert. Die dominanten Phasen werden anhand der stochastischen Hauptachsen-Methodenach Scherer et al. [4, 5] identifiziert. Die Parameter des Echtzeitvorhersagemodells werdendurch eine kontinuierliche Anpassung des Modells an den Ziel-Beschleunigungszeitverlaufidentifiziert.Das vorgeschlagene wellenbasierte Vorhersagemodell wird im Vergleich zu denherkömmlichen instationären Modellierungsmethoden, die eine einzelne Einhüllendenfunktionverwenden, um die wichtigsten Wellentypen und ihre Frequenzabhängigkeit erweitert. Damitlässt sich die Instationarität des seismischen Prozesses in Zeit- und Frequenz-Raum besserwiedergeben.1121


1 EINFÜHRUNGHerkömmliche Systeme zur aktiven Bauwerkssteuerung haben einen entscheidendenNachteil. Bei der Behandlung idealer Systeme wird davon ausgegangen, dass dieSteuerungsoperationen unverzüglich ausgeführt werden können. In der Realität entsteht jedochein nicht zu vernachlässigender Zeitverzug durch die Bearbeitung der Messdaten, die Online-Berechnungen zur Datenanalyse und die Ableitung der Steuerungskräfte sowie durch dieTrägheit bei der Ausführung des Steuerungsantriebs. Die resultierende Zeitverzögerung führtzur ungewollten Verschiebung der Aktuation der Steuerungskräfte im Vergleich zurEinwirkung. Diese Verschiebung kann neben einer Unwirksamkeit der Steuerung sogar zueiner verstärkten Anregung des Bauwerks und damit letztendlich zur Instabilität des Systemsführen [6].Zur Beseitigung des Zeitverzögerungseinflusses wurden mehrere Ansätze entwickelt. Einerder effektivsten ist die Prädiktivsteuerung [7]. Die bestehenden Methoden zur Vorhersage derStarkbebenbeschleunigung (Strong Ground Motion: SGM), die zur Prädiktivsteuerungerforderlich ist, können in folgende Sub-Klassen eingeteilt werden• Vorgegebenes Spektralmodell (z. B. [8])• Zeitreihenbasierte Echtzeitprädiktoren (z. B. [9])• Echtzeit-Fuzzy-Logik-basierte Prädiktoren ([10])Fehlanpassungen der vorgegebenen spektralen Modelle, Modellierungsdefizite derphysikalischen Phänomene des SGM-Prozesses und die Vernachlässigung der Inhomogenitätund Instationarität des SGM-Prozesses sind die wichtigsten Nachteile bestehender Modelle. Inder vorliegenden Arbeit wird ein parametrischer Echtzeitprädiktor entwickelt, bei dem dieInhomogenität des SGM-Prozesses durch dessen Dekomposition in seine dominanten Phasenmodelliert wird. Daher werden zwei separate Modelle für die Amplitudeneinhüllende und denSpektralinhalt des SGM-Vorhersagemodells entwickelt.2 STO<strong>CH</strong>ASTIS<strong>CH</strong>E E<strong>CH</strong>TZEITMODELLIERUNG DES SGM-PROZESSESEs wird ein Ansatz entwickelt, mit dem anhand der Echtzeit-Anpassung einesparametrischen stochastischen Modells der Frequenzinhalt der momentanen Bodenbewegungenbestimmt wird, während die Parameter der Amplitudeneinhüllendenfunktion separat durch eineSoft-Computing-basierte Methode kontinuierlich geschätzt werden. Dies ist zur Modellierungsowohl der spektralen als auch der temporalen Instationarität des Prozesses, vor allem beianelastischem Bauwerksverhalten, bei dem die Zeitabhängigkeit der Resonanzfrequenzenberücksichtigt werden muss, wichtig. Mit der Methode der gleitenden Zeitfenster wird einvollständig instationäres stochastisches Spektralmodell identifiziert. Anhand der spektralenEigenschaften und der Amplitudeneinhüllenden des aktuellen und der zurückliegendenZeitfenster werden sowohl die zeitvarianten Spektralparameter des nachfolgenden Zeitfenstersgeschätzt als auch die zeitliche Amplitudeninstationarität bestimmt (Abbildung 1).Das entwickelte Modell basiert auf der Annahme, dass das Spektrum des instationärenProzesses innerhalb eines bestimmten Zeitfensters als stationär angenommen werden darf. DasVorhersage-Modell ist mathematisch durch die Trennung von Zeit- und Frequenzbereichdefiniert,( ) ( ) ( ) (1)1222


wobei a(t) die Beschleunigung als Funktion der Zeit repräsentiert ist. In dieser Gleichungbezeichnet A die Amplitudeneinhüllende, die eine Funktion der Zeit, sowie der Parameter derwellenbasierten Amplitudeneinhüllenden A τ,w , b τ,w und c τ,w ist. S ist das Autoleistungsspektrum,das durch den Dämpfungsgrad ζ gi,τ und die Hauptresonanzfrequenz ω gi,τ definiert wird. Diestochastischen Parameter der evolutionären Amplitudeneinhüllenden werden für jedesZeitfenster τ während der seismischen Wellenphase w geschätzt. Die Parameter der spektralenLeistungsdichte werden über die Resonanzen des Bodens für jedes Zeitfenster τ durchAnpassung von Multi-KTM identifiziert.Input signalGaussian white noiseω(t)StartingwindowlengthDominantfreq.Powerspec.MKT ParametersExtractingLinear Filter withtime-varyingparameterxWindowslengthPhasedetectorRMSEvolutionary EnvelopParameters EstimatingPhase RelevantEnvelopPredictedsignalAbb. 1. Die Komponenten des Echtzeit-Vorhersage-Modells.2.1 Erkennung der Dominanten Seismischen WellenphasenUm die Inhomogenität des SGM-Prozesses berücksichtigen zu können, wird angenommen,dass der Prozess aus einer Abfolge von kurzen, aber homogenen Phasen besteht. Diephasenspezifischen Vorhersagemodelle setzen die Diskriminierung der dominantenseismischen Phasen voraus. Zur Identifikation der dominanten seismischen Phasen wird imRahmen dieser Arbeit die zeitabhängige Hauptachsenanalyse (TPCA) nach [11] genutzt. Derwesentliche Unterschied der TPCA zu anderen Methoden besteht in dem physikalischenKonzept, das auf dem Ausbreitungsweg der Wellen-Typen basiert. Der erste Ansatz der TPCAmit zeitunabhängigen Hauptachsen wurde von Kubo & Penzien entwickelt [12]. DieHauptachsen sind die Eigenvektoren der Kovarianzmatrix der Beschleunigungskomponenten.Die Kovarianzmatrix ist nur dann korrekt definiert, wenn der zugrunde liegende Prozessstochastisch stationär ist.Die Anwendung der Methode resultiert in drei transformierten Komponenten, die durch dieKonzentration der bedeutendsten Energieanteile jedes Zeitfensters entsprechend demmaximalen Eigenwert gekennzeichnet sind. Wie in [11] beschrieben, zeigt der Verlauf derwichtigsten Hauptachse T 1 ein signifikantes Muster, das durch den T 1 - Streichwinkel und denErhebungswinkel definiert wird. In einer mittleren Entfernung zum Bruch zeigt ein hoherErhebungswinkel () P-Wellen oder Rayleigh-Wellen, während ein niedriger ErhebungswinkelS-Wellen und Love Wellen kennzeichnet. Ein steiler Auf- oder Abstieg der Erhebung deutetauf eine Veränderung der dominanten P-Wellen nach S-Wellen und umgekehrt hin.2.2 Modellierung des Frequenzinhalts der Starkbebenbewegung (SGM)Das Autoleistungsspektrum, kurz Leistungsspektrum (Power Spectral Density: PSD), gibtdie Modulation der Energie über die Frequenz durch den lokalen Untergrund, der ein lokalesResonanzsystem darstellt, wieder. Die wesentliche Information aus der PSD ist diefrequenzabhängige Abbildung der Varianz des stochastischen Prozesses. Der Frequenzinhalt3123


der aufgezeichneten Erdbebenbeschleunigung wird in der Regel durch die von Kanai-Tajimi[13] [14] in Gleichung (2) vorgeschlagene PSD ausgedrückt( )( ⁄ )[ ( ⁄ ) ] ( ⁄ )(2)wobei ζ g und ω g jeweils die bodenabhängigen dominanten Dämpfungs- und Frequenz-Koeffizienten und S 0 die konstante Leistungsspektral-Intensität der Anregung des Festgesteinssind. Kanai hat die Werte 15,6 rad/s für ω g und 0,6 für ζ g vorgeschlagen, um Festgestein zubeschreiben. Eine Reihe von Studien belegt, dass S 0 zuverlässig durch wellenspezifische,empirische Überprüfung stationärer Prozess-Modelle des Festgestein bestimmt werden (z. B.[15]) kann. Die Kanai-Tajimi (KT) PSD kann als Filter mit Anregung durch weißes Rauschenmit begrenzter Frequenzbandbreite interpretiert werden. Die darüber liegenden Bodenschichtenwerden durch den Filter abgebildet. Der Filter verstärkt nur bestimmte Frequenzen, wobeiandere Frequenzen vernachlässigt werden.Trotz der Popularität und der breiten Anwendung der KT-PSD zur Modellierung desFrequenzinhalts des SGM-Prozesses, müssen die grundsätzlichen Anwendungsgrenzen der KT-PSD berücksichtigt werden:1. Die KT-PSD ist ein vereinfachtes Spektral-Modell des SGM-Prozesses, das nur eineeinzige Resonanzfrequenz berücksichtigt. Für einen Standort mit mehreren Schichten istes bei Anwendung der KT-PSD nicht möglich die häufig signifikantenNebenresonanzfrequenzen zu berücksichtigen.2. Der gravierendste Nachteil bei Verwendung der KT-PSD bei der SGM-Modellierung istdie starke Modellvereinfachung durch Behandlung des Erdbebens als stationärerstochastischer Prozess.65S0=0,5, ωg=8 (fg=1,28 Hz), ζg=0,005S0=0,5, ωg=12 (fg=1,9 Hz), ζg=0,006S0=0,5, ωg=14,4 (fg=2,3 Hz), ζg=,0034Normalized PSD32100 1 Frequency 2 (Hz) 3 4Abb. 2. Multi-Kanai-Tajimi-Leistungsspektrum für drei Resonanzmoden.Tatsächlich besteht der Boden zumeist aus mehreren Schichten von Sedimenten mitmehreren potenziellen Resonanzfrequenzen. In den Messdaten ist meistens zu beobachten, dassmehr als nur eine signifikante Resonanzfrequenz eine Auswirkung der Topographie und derBodenbeschaffenheit, insbesondere aber der Bodenschichtung sein kann. Die von Scherer [16]vorgeschlagene unabhängige Anwendung des KT-PSD für jede potenzielle Schicht und derenÜberlagerung zu einem Multi-Kanai-Tajimi (Multi-KT)-Spektrum ermöglicht es, die Wirkungmehrfach geschichteter Böden bei der spektralen Modellierung zu berücksichtigen (Abb. 2).1244


( ) ∑ ( ) (3)Der andere, bereits oben diskutierte wesentliche Nachteil bei der Integration des KT-PSD indas SGM-Vorhersagemodell ist die Modellannahme der Stationarität der KT-PSD. Um dieseEinschränkung zu umgehen, wird zur Einführung der Instationarität die Annahme getroffen,dass der SGM-Prozess innerhalb einer bestimmten Zeitfensterlänge als stationärerstochastischer Prozess mit einem Mittelwert gleich Null angesehen werden darf und durch einwie in Abb. 2 dargestelltes Leistungsspektrum beschrieben werden kann.2.3 Modellierung der Amplitudeneinhüllenden der Starkbebenbeschleunigung (SGM)Zur Berücksichtigung der zeitabhängige Instationarität der Amplitude werden die SGM-Simulationsmodelle durch die Einhüllendenfunktion der Amplitude über den Zeitbereichmodelliert. Die zeitlich veränderliche Hülle kann für einen einzelnen Datensatz mit demKurzzeit-Mittelwert über das Zeitfenster τ entsprechend Gleichung (4) geschätzt werden∫ ( ) (4)Zur Konfiguration des stochastischen Echtzeit-Vorhersagemodells wurden die SGM-Aufzeichnungen von Northridge 1994 verwendet. Weitere Informationen über die ausgewählteDatenbank werden in Abschnitt 5 gegeben.Abb. 3. a) Amplitudeneinhüllende der dominanten P-Phase b) Amplitudeneinhüllende der S-Coda-Phase(horizontale und vertikale Achse beziehen sich auf die Zeit (sec.) bzw. die skalierte Amplitude).Wegen der Inhomogenität des SGM-Prozesses ist es sinnvoll, die Amplitudeneinhüllenden-Funktion für die dominante P- und S-Coda- Phasen separat zu modellieren. Wie in Abbildung3a dargestellt, lässt sich die geschätzte Amplitudeneinhüllende der dominanten P-Wellenphasegut durch die Gauß-Glockenkurve anpassen. Daher wird die Einhüllendenfunktion derAmplitude definiert als( )( )A 0 , b, c>0 (5)wobei b die Position der Spitze ist, c die Breite der Glockenform steuert und A 0 die Funktionskaliert. Zur Modellierung der Amplitudeneinhüllen der S-Coda-Phase (siehe Abbildung 3b)wurde die von Shinozuka und Sato [2] vorgeschlagene Modulationsfunktion ausgewählt:( ) ( ) (6)5125


Hierbei sind b 1 und b 2 die Parameter, die die Form der Einhüllendenfunktion definieren. A 0ist der Skalierungsfaktor; b 1 variiert von 0,25 bis 0,45 und b 2 von 0,50 bis 0,90.3 ENTWICKLUNG DES E<strong>CH</strong>ZEIT-EVOLUTIONÄREN MULTI-SPEKTRUMSDie Resonanzparameter jeder stationären Phase werden aus der PSD bestimmt. Sie werdenals Filterparameter genutzt, um den spektralen Inhalt der nachfolgenden Phase mit einemMulti-KTM abzubilden. Der PSD-Prädiktor basiert daher auf der grundsätzlichen Annahme,dass die Frequenzverteilung sich innerhalb einer dominanten Wellenphase nur langsam ändert.Das PSD-Muster einer stationären Phase kann für den Aufbau der PSD-Funktion dernachfolgenden Phase verwendet werden.Normalerweise wird die PSD anhand der Fourier-Transformation berechnet. Da der Bodennicht nur aus horizontalen, homogenen und isotropen Schichten besteht, sondern eine vielkomplexere Struktur besitzt, kann das geschätzte Spektrum eine große Anzahl von lokalenMaxima und Minima enthalten. Um den Spektralschätzer zu verbessern und sowohl dieVarianz als auch den Bias zu verringern, muss das ziemlich unregelmäßige Spektrum zuerstgeglättet werden. Es wird im gleitenden Durchschnitt unter Ansatz einer Spanne von 0,1 Hzeingesetzt, der den gleichen Effekt wie ein Tiefpassfilter mit einem Filterkoeffizienten, der demKehrwert der Spanne zur Bildung des gleitenden Durchschnitts entspricht, erzeugt. DieResonanz-Parameter des Multi-Kanai-Tajimi-PSD über die Leistungsspektren eines jedenTeilprozesses werden für jeden dominierenden Resonanz-Modus pro betrachteter Phase separatdurch Kurvenanpassung ermittelt. Der Anpassungsalgorithmus ist in [3] dargestellt.4 ENTWICKLUNG DES E<strong>CH</strong>TZEIT EVOLUTIONÄREN AMPLITUDEMODELLSDie wellenbasierte Amplitudeneinhüllende besitzt drei unterschiedliche Kurvenparameter,die in jedem Zeitfenster der seismischen Phase neu zu schätzen sind. Hierzu wurde ein Modelldurch Kombination von künstlichen Neuronalen Netzen (KNN) mit einem Algorithmus zurKurvenanpassung entwickelt. Die Modellparameter wurden für eine große Anzahl vonErdbebenbeschleunigungs-Aufzeichnungen bekannter Erdbeben mit unterschiedlichenStandorteigenschaften implizit in KNN identifiziert.4.1 Konfiguration des Evolutionären AmplitudeneinhüllenderprädiktorsDie Lernfähigkeit von Künstlichen Neuronalen Netzen (KNN) ermöglicht die Entwicklungund das Trainieren eines evolutionären Modells, das die Schätzung der Parameter derAmplitudeneinhüllenden während einer laufenden SGM ermöglicht. Eine große SGM-Datenbank des Erdbebens in Northridge 1994 wurde konfiguriertt, um die entwickelten Netzezu trainieren und zu evaluieren. Die KNN für die evolutionäre Amplitudeneinhüllende (EA-KNN) wurden für jede der beiden dominanten seismischen Wellenphasen separat trainiert. JedeSGM wurde in frequenzabhängige Zeitfenster aufgeteilt. Deshalb wird der Eingabevektor fürEA-KNN aus dem resultierenden Zeitfenster in kumulativer Weise aufgebaut (siehe Abbildung4). Außer der Länge der Anfangsfenster ( t1 ), die manuell eingestellt werden, werden dieLängen der anschließenden Zeitfenster durch den Einsatz des adaptiven Fensteralgorithmusfestgelegt. Demzufolge wird das angepasste Signal in frequenzadaptive Zeitfenster aufgeteilt,die für das Trainieren der EA-KNN verwendet werden.1266


EA-Abb.4. Trainingsprozess der evolutionären Amplitudeneinhüllendenkurve.Um die evolutionäre Amplitudeneinhüllende zu bilden, wurde ein zweischichtes Radial-Basis-Netz (RBF) entwickelt, das aus einer versteckten Radial-Basis-Schicht und einer linearenAusgang-Schicht besteht. Wie in Abbildung 5 dargestellt, enthält der Eingabevektor 128Knoten (64 Knoten für den Real- und 64 Knoten für den Imaginärteil der fouriertransformiertenEinhüllenden) für die dominante seismische P-Phase und 512 Knoten (256 Knoten für denReal- und 256 Knoten für den Imaginärteil) für die seismische S-Coda-Phase. Beim Trainierender EA-KNN mit einer Trainingsmenge, den Aufzeichnungen von Northridge 1994 lernen dieNetze die Beziehung zwischen dem Anstiegswinkel der Amplitudeneinhüllenden für jedesZeitfenster und der Amplitudeneinhüllenden der gesamten Phase. Das heißt, das evolutionäreKNN-Modell wird so trainiert, dass die tatsächliche Einhüllende entsprechend dem Vektor derinkremental gemessenen Beschleunigungssegmente vorhergesagt werden kann. DieNetzwerkgewichtparameter werden iterativ während einer Trainingsphase aktualisiert, bis einstabiles Modell für die Trainingsdaten gefunden ist. Die Ergebnisse zeigen, dass das Modellnach einigen Versuchsschritten in der Lage ist, die Kurvenparameter mit hoher Genauigkeit zuschätzen.Abb. 5. Architektur des Modells der evolutionären Amplitudeneinhüllendenkurve Neuronale Netze (EA-KNN).4.2 Anwendung des Evolutionären Amplitudeneinhüllenden-PrädiktorsDer Amplitudeneinhüllenden-Prädiktor setzt die trainierten EA-KNN ein, um die Parameterder Einhüllenden für alle Zeitfenster des aktuellen SGM schrittweise zu schätzen. Auf der Basisder Einhüllenden des schon gemessenen Teils des Signals des SGM wird dieAmplitudeneinhüllende für die nächste Phase durch den Einsatz der EA-KNN prognostiziert.An die prognostizierte, noch raue Kurve wird die parametrisierte Einhüllendenfunktion (Gl. 5und 6) angepasst, und die so extrahierten Kurvenparameter werden in der Parameter-Matrixgesammelt. Wie in Abbildung 6 dargestellt, werden die Parameter der Einhüllenden-Funktion7127


der dominanten P-Phase für jedes Zeitfenster ∆t 1, ∆t 1 +τ 1 , ... , ∆t 1 +...+τ m und die Parameter derseismischen S-Coda-Phase für jedes Zeitfenster τ k , τ k + τ k+1, ... , τ k + ...+ τ k+n , (k=m+1) jeweils ineiner seismischen Phasen-Matrix aufgeführt.EA-Abb. 6. Anwendung des evolutionären Amplitudeneinhüllenden-Prädiktors.4.3 SKALIERUNG DES ENRGIEINHALTSDer resultierende Beschleunigung-Zeitverlauf zeigt, dass zwar die Form derAmplitudenmodulation durch das Modell gut repräsentiert wird, der Energieinhalt jedochniedriger als der Energieinhalt des ursprünglichen, realen Signals ist. Daher muss dieEnergiemenge durch die Verwendung eines entsprechenden Skalierungsfaktors kontinuierlichkorrigiert werden. Die Skalierung erfolgt mittels der Arias-Intensität [17]. Der Energiegehaltwird geschätzt, indem das Quadrat über das Integral des Beschleunigungs-Zeitverlaufsberechnet wird. Der Energie-Korrekturfaktor ergibt sich zu:√ (7)und sind jeweils die Arias-Intensität der Amplitudeneinhüllenden und dervorhergesagten SGM. Der Energie-Korrekturfaktor wird für jedes Zeitfenster i berechnet.5 MODELLANWENDUNG5.1 DatenbasisZur Konfigurierung des stochastischen Echtzeit-Vorhersagemodells wurden die lokalenSGM Aufzeichnungen von Northridge 1994 (Mw = 6,7) verwendet. 109 aufgezeichnete SGM(mit 327 Komponenten) wurden in der PEER-NGA-Datenbank gesammelt. Die PGA-Werteder gesammelten SGM-Datenbank schwanken von 0,05 g bis 1,66 g, während der maximalePGA-Wert in Epizentralentfernung im Abstand von 5.4 km aufgezeichnet wurde. Diemaximale Epizentralentfernung für das Mittelfeld ist auf 85 km beschränkt. DieGeschwindigkeit der Scherwelle reicht von 160 m/s bei Messstation Corson-Waterst bis996 m/s bei Messstation Vasquez Rocks Park. Die Datenbank deckt alle EC8Bodenverhältnisse ab. Alle Beschleunigungsaufzeichnungen wurden mit 0,02 sec neugesampelt, damit die SGM-Aufzeichnungen mit unterschiedlichen Abtastraten synchronisiertwerden konnten.1288


5.2 Anwendung des Stochastischen Echtzeit-VorhersagemodellsEvolutionäres Echtzeit-Amplitudeneinhüllenden-ModellIn den Abbildungen 7 und 8 ist die schrittweise Anpassung des Vorhersagemodells derevolutionären Amplitudeneinhüllenden für die dominanten seismischen P- und S-Coda-Wellenillustriert. Wie zuvor beschrieben, wird mit dem evolutionären Amplitudeneinhüllenden-Prädiktor eine Formschätzung auf Basis des in Echtzeit gemessenen Signals durchgeführt.Während des Pre- und Post-Processings der Eingangs- und Ausgangssignale, die mit Nutzungder reversiblen Fast Fourier Transformation durchgeführt wird, ist ersichtlich, dass der letzteTeil des Ziel-Signals (rote Kurven in Abb. 7 und 8) durch die Transformation manipuliertwurde. Diese Manipulation wirkt sich auf die endgültigen Ergebnisse nur wenig aus, da dievorhergesagten rauen Kurven (grüne Kurven in Abb. 7 und 8) durch die vordefinierteparametrisierte Hüllenkurven-Funktion geglättet werden (blaue Kurven in Abb. 7 und 8).0.020.0180.0160.0140.0120.020.0180.0160.0140.0120.020.0180.0160.0140.0120.010.0080.0060.0040.0020.010.0080.0060.0040.0020.010.0080.0060.0040.00200 5 10 15 20 25 30 35 4000 5 10 15 20 25 30 35 4000 5 10 15 20 25 30 35 40Step 1 (0-0.5 sec.) Step 3 (0-0.9 sec.) Step 4 (0-1.1 sec.)Abb. 7. Evolutionäre Amplitudenhüllenkurve für dominante P-Welle. Die roten, grünen, blauen und schwarzenKurven zeigen die originale, prognostizierte, angepasste vorhergesagte und in Echtzeit gemesseneAmplitudenhüllenkurve0.10.090.080.070.060.10.090.080.070.060.10.090.080.070.060.050.040.030.020.010.050.040.030.020.010.050.040.030.020.0100 10 20 30 40 50 60 70 80 90 10000 10 20 30 40 50 60 70 80 90 10000 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100Step 1 (0-0.5 sec.) Step 5 (0-2.1 sec.) Step 15 (0-7.88 sec.)Abb. 8. Evolutionäre Amplitudenhüllenkurve für S-Coda-Wellen. Die roten, grünen, blauen und schwarzenKurven zeigen die originale, prognostizierte, angepasste vorhergesagte und in Echtzeit gemesseneAmplitudenhüllenkurve.Die mit dem Prädiktor vorhergesagten Einhüllendenkurven der dominanten P-Welle zeigen,dass das Modell die Amplitudeneinhüllende in den ersten Schritten noch unterschätzt. Erst imvierten Schritt (0,0 bis 1,1 sec.) nähern sich die Ergebnisse an das echte Signal an. Die durchden S-Coda-Einhüllenden-Prädiktor vorhergesagten Kurven zeigen, dass das Modell die Ziel-Einhüllenden-Funktion bereits nach wenigen Versuchsschritten identifizieren kann. Allerdingswerden durch das Prognose-Modell die Amplitudenwerte bei Zugrundelegung der Messwertefür die Zeiträume 0,0-0,5 sec. und 0,0-1,3 sec. überschätzt, und bei 0,0-2,1 sec. unterschätzt.Darüber hinaus zeigen die Ergebnisse, dass die vorhergesagte Amplitudeneinhüllende für S-9129


Coda-Wellen stabiler als für dominante P-Wellen ist. Bemerkenswert ist auch, dass dieentwickelten Modelle die Position der Maxima mit hoher Genauigkeit schätzen können.Frequenzinhalt der vorhergesagten Starkbodenbewegungen (SGM)Um die Vorhersageeffizienz des entwickelten stochastischen Echtzeit-Vorhersagemodellsim Frequenzenbereich zu bewerten, werden die Ergebnisse durch den Einsatz des Modells fürNorthridge 1994 LA-Chalon Rd in Abbildung 9 dargestellt. Diese SGM- Aufzeichnung wurdean der Messstation 14,92 km weit vom Epizentrum des Hauptbruchs bei Bodenart B (nachEurocode 8) aufgezeichnet.250.120.020.010-0.01-0.02-0.030 0.5 1 1.5 2 2.5 320151050.10.080.060.040.0200.4 0.6 0.8 1 1.2 1.4 1.6 1.8 2 2.2010 -2 10 -1 10 0 10 1Abb. 9. Originale Starkbebenbeschleunigung [g/s] (links), Spektrogramm [Hz/s] (Mitte) und Antwortspektrum[g/s] (rechts) der dominanten P-Welle von Northridge 1994 LA - Chalon Rd.250.120.030.020.010-0.01-0.02-0.030 0.5 1 1.5 2 2.5 320151050.10.080.060.040.0200.5 1 1.5 2 2.5010 -2 10 -1 10 0 10 1Abb. 10. Vorhergesagte Starkbebenbeschleunigung [g/s] (links), Spektrogramm [Hz/s] (Mitte) undAntwortspektrum [g/s] (rechts) der dominanten P-Welle von Northridge 1994 LA - Chalon Rd.In den Abbildungen 9 und 10 sind der originale und der vorhergesagte Beschleunigungs-Zeitverlauf jeweils als Spektrogramm und als Antwortspektrum für die dominante P-Welledargestellt. Der Vergleich von Original und Prognose zeigt, dass für den vorhergesagtenBeschleunigungszeitverlauf insbesondere die Amplitudeneinhüllende als auch die Spitzenwertedurch das Modell gut wiedergegeben werden. Die Null-Werte am Anfang des vorhergesagtenSignals ergeben sich, da in den ersten 0,5 sec des Signals keine Vorhersage durchgeführt wird.Die Evaluation des Spektrogramms, das die Verteilung der Frequenzen entlang der Zeitdarstellt, zeigt eine recht gute Vorhersage der höheren Hauptfrequenz. Das Antwortspektrumdes vorhergesagten Beschleunigungs-Zeitverlaufs (Dämpfung: 5%) zeigt, dass die spektraleEmpfindlichkeit des vorhergesagten SGM bei hohen und niedrigen Schwingungsdauern sehrgut modelliert ist.Energiegehalt der vorhergesagten Starkbbebenbeschleunigung (SGM)Die skalierte kumulative Arias Intensität (CAI) der originalen SGM sowie die CAI desprognostizierten Signals sind in Abbildung 11 für dominante P-und S- Coda-Wellen dargestellt.Die Ergebnisse zeigen eine sehr gute Energieverteilung über die Zeit. Außerdem demonstrierendie Ergebnisse, dass der Energiegehalt der vorhergesagten SGM durch die Einführung desEnergie-Korrekturfaktors (Gleichung 7) sich sehr gut an den originalen Wert annähert. DieEvaluation der CAIs belegt, dass die Parameter des evolutionären Amplitudeneinhüllenden-13010


Prädiktors für die S-Coda Wellen sehr gut geschätzt wurden. Der Unterschied zwischen demCAI der originalen und der vorhergesagten P-Welle wird durch die geringere Stabilität desevolutionären Amplituden-Prädiktors, vor allem bei den ersten Schritten verursacht.10.90.80.70.60.50.40.30.20.110.90.80.70.60.50.40.30.20.100 0.5 1 1.5 2 2.5P-dominant00 2 4 6 8 10 12 14 16S-Coda dominantAbb. 11. Skalierte kumulative Arias Intensität der dominanten P-Welle. Die roten und blauen Kurven zeigenjeweils die originale und vorhergesagte kumulative Arias-Intensität.6 ZUSAMMENFASSUNGEs wurde ein parametrisches wellenbasiertes Echtzeit-Vorhersage-Modell entwickelt, dasauf einer Trennung der spektralen und temporalen Anteile basiert. Das Modell ermöglicht diePrognose instationärer Starkbodenbewegungen. Die Ergebnisse des Einhüllendenprädiktors fürdie dominanten P-Wellen zeigen, dass das Modell die Ziel-Einhüllende präzise einschätzenkann. Eine Ausnahme bilden hierbei die ersten Schritte im Zeitverlauf, in denen das Modell,aufgrund des noch geringen Informationsgehaltes, eine gewisse Instabilität bei der Vorhersageder Einhüllenden aufweist. Die prognostizierten Kurven des S-Coda-Einhüllenden-Prädiktorszeigen, dass das Modell hier auch bereits bei den ersten Schritten die Zielfunktion gutidentifizieren kann. Bemerkenswert ist auch, dass die entwickelten Modelle in der Lage sind,die Position der Spitzenwert korrekt zu finden.Die Frequenzen der vorhergesagten SGM zeigen in einigen Fällen eine Fehlanpassung andas beobachtete Signal. Trotzdem konnte die Verteilung der dominanten Frequenz entlang derZeit akzeptabel vorhergesagt werden. Da der Energiegehalt der vorhergesagten SGM durch denEnergie-Korrekturfaktor skaliert wird, zeigen die Ergebnisse eine sehr gute Energieverteilungüber die Zeit. Die Evaluation der dargestellten kumulativen Arias Intensität zeigen, dass derevolutionäre Amplitudeneinhüllenden-Prädiktor die Parameter der Hüllkurven-Funktion der S-Coda Wellen sehr gut geschätzt hat. Daraus kann geschlossen werden, dass das wellenbasierteModellierungskonzept eine konzeptionelle physikalische Modellierung der verschiedenenseismischen Phasen ermöglicht. Darüber hinaus ist ein wichtiger Vorteil der entwickeltenModelle, dass die zeitliche Instationarität durch die Verwendung des evolutionärenAmplitudeneinhüllenden-Prädiktors sehr gut berücksichtigt wurde.REFERENZEN[1] S. Rezaeian & A. der Kiureghian. A stochastic ground motion model with separabletemporal and spectral nonstationarities. Earthquake Engineering and StructuralDynamics, 37, 1565-1584, 2008.[2] M. Shinozuka & Y. Sato. Simulation of non-stationary random process. J. Eng. Mech.(ASCE), 93, 11-40, 1967.11131


[3] J. Bretschneider & R. J. Scherer. Multi-wave, non-stationary, parametric load model forseismic hazard assessment and prediction. 13 th World Conference on EarthquakeEngineering (WCEE), Vancouver, B.C., Canada, Paper No. 2587, 2004.[4] R. J. Scherer, A. Zahedi Khameneh & J. Bretschneider. Non-Stationary Analysis of BAM2003 Earthquake Record. The 14 th World Conference on Earthquake Engineering,Beijing, China, 2008.[5] A. Zahedi Khameneh & R. J. Scherer. Generating the Strong Ground Motion Based onthe First Oncoming Signals Using Artificial Neural Networks. 5 th European Congress onComputational Methods in Applied Sciences and Engineering, Venice, Italy, 2008.[6] J. P. Pu, Frequency Response Design of Controlled Structure. Computer Utilization inStructural Engineering ASCE, NY. 131-141, 1989.[7] J. Rodellar, A. H. Barbat & J. M. Matin-Sanchez. Predictive control of structures. Jouranof Engineering Mechanics Division ASCE. 113, 6: 797–812, 1987.[8] V. V. Bolotin. Statistical Theory of the Aseismic Design of Structures. Proc. of the 2 ndWCEE, Tokyo & Kyoto, Japan. II: 1365–1374, 1960.[9] G. Mei, A. Kareem & J. C. Kantor. Real-time Model Predictive Control of Structuresunder Earthquake. Earthquake Engineering & Structural Dynamics, 30: 995-1019, 2001.[10] H. Kawamura, A. Tani, M. Yamada & K. Tsunoda. Real Time Prediction of EarthquakeGround Motions and Structural Response by Statistic and Fuzzy Logic. IEEE. 534-538,1990.[11] R. J. Scherer and J. Bretschneider. Stochastic Identification of Earthquake wave entities.Proceedings of the 12th WCEE. Paper No: 2436/4/A, 2000.[12] T. Kubo & J. Penzien. Analysis of Three-dimensional Strong Ground Motions alongPrincipal Axes, San Fernando Earthquake. Earthquake Engineering and StructuralDynamics. 7: 265-278, 1979.[13] K. Kanai. Some Empirical Formulas for the Seismic Characteristics of the Ground.Bulletin of the Earthquake Research Institute, University of Tokyo. 35: 309-25, 1957.[14] H. Tajimi. A Statistical Method of Determining the Maximum Response of a BuildingStructure during an Earthquake. Proc. of the 2 nd World Conference on EarthquakeEngineering. Tokyo and Kyoto. II: 781-797, 1960.[15] N. Ambraseys & J. Douglas, Near-field Horizontal and Vertical Earthquake Ground-Motions. Soil Dynamics and Earthquake Engineering. 23: 1-18, 2003.[16] R. J. Scherer & G. I. Schueller. Uncertainties in Current Aseismic Design Concepts, 4 thInt. Conference on Structural Safety and Reliability, Kobe, Japan, 1985.[17] Arias, A. A Measure of Earthquake Intensity. R.J. Hansen, ed. Seismic Design forNuclear Power Plants, MIT Press, Cambridge, Massachusetts. 438- 483, 1970.13212


12. D-A-<strong>CH</strong> Tagung – Erdbeben und BaudynamikG. SchneiderHannover, Deutschland, 15.–16. September <strong>2011</strong>Welche Lehren hat uns das Erdbeben vom 16. November 1911 erteilt?G. Schneider* Prof. Dr. Götz SchneiderGerokstr. 58, 70184 StuttgartKeywords: Erdbeben 1911133


1. Seismizität. Vor dem 16. November 1911 wurde Württemberg als Gebiet geringer seismischerAktivität beschrieben (de Montessus de Ballore, 1906). Im 20. Jahrhundert fanden in diesem TeilSüdwestdeutschlands 5 Beben mit einer Momentmagnitude Mw ≥ 5,0 statt. Seitdem wird dieErdbebentätigkeit Württembergs als vergleichbar mit der des südlichen Oberrheingrabens oder derNiederrheinischen Bucht betrachtet.Geht man für Mitteleuropa nördlich der alpidischen Gebirge von einer Verschiebungsrate in derGrößenordnung von 0,1 mm/a aus~ so ergeben sich für Ereignisse der Magnitudenklasse Mw = 5,0 ...5,9 - bei einer mittleren Herdverschiebung von 0,1 bis 0,3 m (Nuttli, 1983) Wiederkehrintervalle in derGrößenordnung von 1000 bis 3000 Jahren. Die am weitesten in der Geschichte zurückgehendenHinweise auf Erdbeben in Württemberg beschreiben Fernwirkungen der Beben von 1117 (Verona)und 1348 (Villach) auf einer Denkmalsinschrift in Rottenburg/Neckar bzw. in der Hechinger Chronik(Egler, 1906).Das/Beben vom 16: November 1911 fand - ebenso wie seine größten Nachfolgeereignisse in denJahren 1913, 1943 und 1978 - auf dem Gebiete der heutigen Gemeinde Albstadt (Zollernalb-Kreis,Baden- Württemberg) statt.Die Herdkinematik besteht im Jahre 1911 aus einer Horizontalverschiebung, die in Nord-Süd-Richtung etwa dem obersten Teil des Eyach- Tales - im nördlichen Randbereich der SchwäbischenAlb - folgt (Abb.l; aus Schneider, 1997).Tab. I: Herddaten.1. Erdbeben mit einer Momentmagnitude Mw ≥ 5,0 in Württemberg während des 20.Jahrhunderts.Datum Region Momentmagnitude1911 NOV 16 Westalb: Oberes Eyach-Tal zwischen 5,7Lautlingen und PfeffingenJ(heute Teilorte der Gemeinde Albstadt)1913 JUL 13 Westalb 5,0Oberes Eyach-Tal1935 JUL 27 Oberschwaben bei Saulgau 5,41943 MAY 28 Westalb 5,3Oberes Eyach-Tal1978 SEP 03 Westalb 5,1Albstadt-Onstmettingen/Albstadt-TailfingenMomentmagnitude nach Herdmoment von Kunze (1986)134


Abb. 1: Das Beben vom 16. November 1911 im Rahmen der Seismizität und SeismotektonikMitteleuropas.2. Geodäsie und WiederkehrintervallNach Messungen im Herdgebiet des Bebens von 1978 während der Jahre 1983-1988 ergebensich 0,08 mm/a als horizontale Verschiebungsgeschwindigkeit (Hartmann, 1989). FürMittelleuropa Mitteleuropa nördlich der Alpen und östlich des Oberrheingrabens belegt dieAuswertung von GPS-Messungen ein starres Verhalten bei einem Grenzwert von 0,4 mm/a(Nocquet & Calais, 2003).Nach Matsuda (1975) erhält man bei einer Verschiebungsgeschwindigkeit von 0,1 mm/a fürdie Magnitudenklasse Mw = 5,0 ... 5,9 Wiederkehrperioden von Tw = 1000 bis 3500 Jahren;bei einem mittleren Verschiebungsbetrag von 20 cm für das Beben von 1911 (vgl. nächsterAbschnitt von Tab. I) ergibt sich eine Wiederkehrperiode von etwa 2000 Jahren.3. HerddatenEpizentrum: 48° 17‘ N, 8°58‘ E ± 5 km, etwa 2 km W Albstadt-Onstmettingen; makroseismischnach Sieberg & Lais (1925), instrumentell nach Stange & Brüstle (2005).Herdtiefe: ho = 10 ± 5 km (makroseismisch ermittelt).Herdzeit: 21:26 GMT (Mack, 1912).Herdmoment: Beitrag Mo = 3,75.10 17 Nm (Kunze, 1986).Magnituden: Ms = 5,6; Ml = 6,1 (Kunze, 1986); Mw = 5,7.Herdkinematik: Streichwinkel ϴ 0 ≈ N O° E; Fallwinkel δo ≈ 90°; Abtauchwinkel ƛo ≈ 0°;sinistrale Horizontalverschiebung (Schneider, 1979 nach Daten von Gutenberg, 1915).Herdgeometrie und Herddynamik: Quadratische Herdfläche (Annahme); Herdlänge lo =Herdbreite wo = 8 ± 4 km; mittlere Herdverschiebung qo = 0,2 ± 0,05 m;Spannungsabfall im Herd (bezüglich der o.g. Parameter): Δt o = 3,6.10 5 Pa;135


Herdbruchvorgang: unilaterale Bruchausbreitung in Richtung N → S (nach makroseismischenBeobachtungen; vgl. Abschnitt 3).2. SeismotektonikDa die Erdbebengeschichte keine sicheren Hinweise auf vorangehende Aktivitätsphasen liefernkann, wird die Tektonik zu einer wichtigen Informationsquelle, allerdings nur in Form vonakkumulierten Signalen. Karten der Tektonik Südwestdeutschlands zeigen ausschließlichvertikale Bewegungen mit Bruch- und Biegungscharakter (Carlé, 1955; Geyer et al., <strong>2011</strong>). Beidem Ereignis vom 16. November 1911 handelt es sich aber – wie auch bei den Folgeereignissenim gleichen Gebiet – um Horizontalverschiebungen (Abb. 1 u. 2). Hiller hatte bereits 1934 und1936 gezeigt, dass wichtige Erdbeben in Südwestdeutschland – wie Rastatt, 1933 und Saulgau,1935 – Horizontalverschiebungen waren. Die heute Albstadt-Scherzone genannte seismischaktive Fuge, die etwa dem 9°E-Meridian von der westlichen Schwäbischen Alb über Tübingenbis nach Stuttgart folgt, wird von Carlé (1955) als Durchpausung krustaler Bewegung insDeckgebirge mit dem Charakter eine sinistralen Horizontalverschiebung (Hs in Abb. 1 u. 2)beschrieben.Abb. 2: Drehung des tektonischen Hauptspannungssystems im Oberen Tertiär (Größtehorizontale Hauptspannung σ h , vertikale Hauptspannung σ z ). Mit zunehmender Tiefe in derOberen Erdkruste sind drei Etagen unterschiedlicher bruchtektonischer Kinematik zuunterscheiden:Oben: „T“- Regime (flache Überschiebungen); σ z ist die kleinste der drei Hauptspannungen.Mitte: „H“- Regime (Horizontalverschiebungen, Hs = sinistrale H, Hd = dextrale H.); σ z ist diemittlere der drei Hauptspannungen.Unten: „N“-Regime (Abschiebungen); σ z ist die größte der drei Hauptspannungen.Im rechten Teil des Bildes wird das „T“-Regime durch einen „Buchstapel“-Mechanismus (Bs)ersetzt.136


Der Widerspruch zwischen dem in tektonischen Karten gezeigten Deformationsstil und denErgebnissen von Herdflächenlösungen hat folgenden Hintergrund (vgl. auch Tab. II): Diekontinentale Erdkruste verfügt über ein großes Inventar an tektonischen Strukturen, wieScherzonen, Blöcke, Biegeelemente, das in langen geologischen Zeiträumen vor allem währenderhöhter tektonischer Aktivität entstanden ist.In Abhängigkeit vom Beanspruchungsplan, der auf die Erdkruste wirkt, sind es – nach demPrinzip des geringsten Widerstands – günstig orientierte, d. h. unter dem Winkel größterScherspannung verlaufende Bruchstrukturen, die zum Abbau der sich ansammelndenSpannungen benützt werden.Die genannten tektonischen Karten zeigen vorwiegend Verformungen, die auf alpidischoberrheinischeBeanspruchungen zurückgehen, als die Richtung größter Hauptspannung: N –NNE orientiert war, während heute ein Spannungsfeld mit einer NNW-Orientierung der größtenhorizontalen Hauptspannung zur Wiederbelebung von ererbten Strukturen führt, worauf bereitsIllies (1964) und Wunderlich /1974) hingewiesen haben. Diese „Spolien“ sind während dervariszischen Gebirgsbildung oder in noch weiter zurückliegenden Epochen starker Verformungunter der Einwirkung eines mit dem rezenten vergleichbaren Beanspruchungsplans entstanden(Edel & Weber, 1995; Edel et al. 2007).Niedrige Verformungsgeschwindigkeiten und der Temperatur-Tiefenverlauf in der Erdkrusteführen in Mitteleuropa gebietsweise zu einer Vorherrschaft der Horizontalverschiebungen: derGrenzwert für flache Überschiebungen von σ H = 200 bis 300 MPa („T“-Regime =Überschiebungsregime; vgl. Turcotte & Schubert, 1982) wird nicht erreicht (vgl. Tab. II). Anseine Stelle tritt – als eine Art Ersatzlösung – der „Buchstapel“-Mechanismus, welcher – wie dieflache Überschiebung – eine horizontale Verkürzung der Kruste bewirkt (Mandl, 1988). ImStockwerk darunter (z > 10 km) ersetzen mit zunehmender Tiefe Kriechvorgänge diescherbruchähnliche Verschiebung (vgl. Sibson, 1982).Tab. II: Tektonisches SpannungsfeldRezentes Spannungsfeld für den westlichen Teil Mitteleuropas: σ H ,: N 30° ± 5° W (Grünthal &Stromeyer, 1992); Müller et al. 1997).Hohenzollernalb: In der Tiefe von z = 25 m herrscht folgendes Hauptspannungssystem:σ H = 24 bar, Richtung: N 30° W, σ h = 15 bar (Rummel Jung, 1975).Südwestdeutschland: Übergang von einem Überschiebungsregime zu einem Regime vonHorizontalverschiebungen (Hs bzw. Hd in Abb. 2) in einer Tiefe von 200 …300 m (Rummel etal., 1983in Engelder (1993).3. MakroseismikDie makroseismische Analyse des Bebens vom 16. November 1911 durch Lais & Sieberg (1915)betont den Einfluss der Sediment-Strukturen auf die makroseismische Wirkung diesesEreignisses. Neben dem „Trivialausdruck“ Bodenverstärkung haben inzwischen die Effekte deroberflächennahen Krustenbedeckung auf Zeitfunktion und Spektren ihren Niederschlag in derDIN 4149 (2005) gefunden. Betrachtet man die Verteilung der maximalen Intensitäten inHerdnähe (vgl. Sieberg & Lais, 1925), so erkennt man eine sehr deutliche Abbildung derHerddynamik und der Herdkinematik, die sich über die Abstrahlcharakteristik der S-Wellenausdrückt. In Streichrichtung der Herdfläche (N-NNE) verläuft eine markante Symmetrieachseder maximalen makroseismischen Wirkung. Im Gebiet zwischen Donau und Neckar bildet sichdie Abstrahlcharakteristik der SH-Wellen in ihrer für eine Horizontalverschiebung typischenVierblatt-Verteilung (cos 2 ϴo; ϴo = Streichwinkel) auf der makroseismischen Karte ab.137


Abb. 3.: Verteilung der makroseismischen Intensitäten I ≥ VII für das Beben vom16. November 1911138


Der Erdbebenherd ist kein Kugel- oder Rundstrahler, eine Tatsache, die es bis zum heutigen Tagschwer hat, sich über die Fachwelt hinaus bekannt zu machen.Neben Herd- und Ausbreitungseffekten sind es die Eigenschaften des Gebäudebestandes, d.h.des Endglieds im System „Makroseismische Wirkung“, die einen entscheidenden Anteil an denAuswirkungen eines größeren Bebens haben. Unmittelbare Herdnähe und die vor allem infrüheren Jahrzehnten bis Jahrhunderten überwiegende Besiedlung des Talgrunds führen nebender baudynamischen Qualität der betroffenen Objekte zu Schadenskonzentrationen, wie sie inLautlingen, Margrethausen, Ebingen und Pfeffingen (heutigen Teilorten der Gemeinde Albstadt)1911 zu beobachten waren. Bei der Entstehung von Erdbebenschäden tritt in vielen Fällen dieverursachende Wirkung der seismischen Belastung gegenüber der auslösenden zurück. Sowerden sowohl bodenmechanische wie auch bautechnische Instabilitäten durch eine seismischeBodenbewegung wirksam. Die Folge ist eine zeitliche Konzentration von Schäden: dieAuslösung von Hangbewegungen wie auch der Absturz von durch Betrieb und meteorologischeEinflüsse vorgeschädigten Bauteilen (Kaminen, Eindeckungen, Giebelfeldern) sind hierfürtypische Beispiele. Die größte Gefährdung besteht bei mitteleuropäischen Maximal-Erdbeben fürPersonen, die sich im Freien in der Nähe von Bauwerken aufhalten. Wochentag und Tageszeit(Donnerstag, 22:26 MEZ) sowie der damals noch übliche Lebensrhythmus kleinerer Orte habenam 16. November 1911 das Schlimmste verhindert.Tab. III: Makroseismische Wirkungen1. Makroseismische Parameter;: Epizentralintensität (Mercalli-Sieberg-Skala) Io = VII;Schütterradius: r ≈ 500 km; Radius der Isoseiste III: r III ≈ 400 km (Fiedler, 1954).2. Wochentag und Uhrzeit: Donnerstag, 22:26 MEZ.3. Größte Schäden: Schadensumme bezogen auf die Einwohnerzahl in M = Reichsmark desJahres 1911: Margrethausen: 45 M: Lautlingen: 30 M, Ebingen: 26,3 M (heute Teilorteder Gemeinde Albstadt). Große Einzelschäden vor allem an Kirchen: größter Schaden desBebens an einem einzelnen Gebäude: Wurmlinger Kapelle bei Rottenburg/Neckar, etwa30 km N des Herdes. In Dürrwangen und Lautlingen Totalschaden an Kirchenbauten (v.Schmidt & Mack, 1912).ZUSAMMENFASUNGDas Beben vom 16. November 1911 hat auf folgende wesentliche Gesichtspunkte verwiesen:1. Eine Wiederkehrzeit von etwa 2000 Jahren bei den größten Beben in Mitteleuropabedingt bei einer instrumentellen Beobachtungsdauer von etwa mehr als 100 Jahrenund einem makroseismisch-historisch belegbaren Intervall von maximal 1000 Jahren,dass man vor Überraschungen auch heute nicht sicher sein kann.2. Der Rückgriff auf geologisch-tektonische Beobachtungen, mit denen man – wenn auchnur in Form von akkumulierten Signalen – wesentlich weiter zurückgehen kann, ist nurpunktuell möglich; erst die über längere Zeiträume erfolgende satelliten-geodätischeMessung der tektonischen Verformung wird hier zu mehr Sicherheit verhelfen.3. Die Erdbebensicherheit bei Neubauten, wie sie in Baden-Württemberg seit dem Jahre1970 verfolgt wird, sollte durch Maßnahmen ergänzt werden, durch die auch beiAltbauten der Personenschutz, vor allem bei Aufenthalt im Freien in der Nähe vonGebäuden erhöht wird.139


LiteraturCarlé, W., 1955: Bau und Entwicklung der Südwestdeutschen GroßscholleBeih. Geol. Jb. 16, 727 pp.DIN 4149, 2005, Bauten in deutschen Erdbebengebieten.Techn. Baubest., 6. Aufl., 106 pp.Edel, J. B., Weber, K., 1995, Cadomian terranes, wrench faulting and thrusting in the CentralEurope variscides: geophysical and geological evidenceGeol. Rundsch. 84: 412 – 432Edel. J. B., Schulmann, K., Rotstein, Y., 2007: The variscan tectonic inheritance of the UpperRhinegraben: evidence of reactivations in the Lias, late Eocene – Oligocene up to recent.…Geol. Rundsch. 96: 305 – 325.Egler, L., 1906: Chronik der Stadt HechingenEigenverl., 2. Aufl., 370 pp.Engelder, T., 1993: Stress regimes in the lithosphere.Princeton Univ. Press, Princeton N. J., 497 pp.Fiedler, G., 1954: Die Erdbebentätigkeit in Südwestdeutschland in den Jahren 1800 – 1950 .Disst. Th Stuttgart, 152 pp.Geyer, M., Nitsch, E., Simon, Th., <strong>2011</strong>: Geologie von Baden-Württemberg, 5. Aufl. undNeubearb. Des von O. F. Geyer und M. P. Gwinner begründeten Werks.Schweizerbart, Stuttgart, 627 pp.Grünthal, G., Stromeyer, D., 1992: The recent crustal stress field and finite element modeling.J. Geophys. Res. 97: 11805 – 11820Gutenberg, B., 1915: Die mitteleuropäischen Beben vom 16. November 1911 und vom 20. Juli1913Publ. Bur. Centr. Ass. Int., Straßburg, 84pp.Hiller, W., 1934: Der Herd des Rastatter Bebens am 3. Februar 1933.Gerl. Beitr. Geophys. 41: 170 – 180.Hiller, W., 1936: Das Oberschwäbische Beben am 27. Juni 1935.Württbg. Jh. Statist. u. Landeskde, J. 1934/35, Stuttgart: 209 – 226Illies, H., 1964: Kontinantalverschiebungen und Polverschiebungen – Ursachen und ProblemeGeol. Rundsch. 54: 549 – 579.Kunze, Th., 1986: Ausgangsparameter für die Abschätzung der seismischen Gefährdung inMitteleuropa.Jber. Mitt. Oberrh. Geol. Ver. NF 68: 225 – 240140


Lais, R., Sieberg, A., 1915: Das mitteleuropäische Erdbeben vom 16. November 1911 und seineBeziehungen zum geologischen Aufbau Süddeutschlands.Gerl. Beitr. Geophys. 12: 186 – 206.Mack, K., 1912: Nachrichten von der Hohenheimer Erdbebenwarte aus dem Jahre 1911 undErderschütterungen in Württemberg während des Jahres 1911Metzler, Stuttgart, 20 pp.Mandl., G., 1988: Mechanics of faulting.Elsevier, Amsterdam etc., 407 pp.De Montessus de Ballore, F., 1906: Les tremblements de terre, géographie séismologique.Libr. Armand Collin, Paris 475 pp.Nuttli, O. W., 1983: Average seismic source-parameters for mid-plate earthquakes.Bull. Seism. Soc. Am. 77: 519-535.Rummel, F., Jung, R., 1975: Hydraulic fracturing stress measurements near the Hohenzollern-Graben-structure, SW-Germany.Pageoph 113: 322 – 330.v. Schmidt, A., Mack, K., 1912: Das süddeutsche Erdbeben vom 16. November 1911.Württbg. Jb. Statist.u. Landeskde, Jg. 1912, 1. Heft: 98 – 139.Schneider, G., 1979: The earthquake in the Swabian Jura of 16 november 1911 and presentconcept of seismotectonics.Tectonophys. 53: 279 – 288.Schneider, G., 1997:Abschätzung der seismischen Gefährdung für intrakontinentale Gebiete: DieSituation in Mitteleuropa.Ecl. Geol. Helv. 90: 421 – 432Sibson, R. H., 1982: Fault zone models, heat flow, and the depth distribution of earthquakes inthe continental crust of the United States.Bull. Seism. Soc. Am. 72: 151 – 163.Sieberg, A., Lais, R., 1925: Das mitteleuropäische Erdbeben vom 16. November 1911:Bearbeitung der makroseismischen Beobachtungen.Veröffentl. Reichsanst. Erdbebenforsch. Jena, Heft 4: 106 pp.Stange, St., Brüstle, W., 2005: The Albstadt/Swabian Jura seismic source zone reviewed throughthe study of the earthquake of march 22, 2003.Jber. Mitt. Oberrhein. Geol. Ver. NF 87: 391 – 414.Wunderlich, G., 1974: Die Bedeutung der Süddeutschen Großscholle in der GeodynamikWesteuropas.Geol. Rundsch. 63: 775 – 772141


142


12. D-A-<strong>CH</strong> Tagung – Erdbeben und BaudynamikC. Könke (Hrsg.)Hannover, Deutschland, 15.–16. September <strong>2011</strong>RESULTIERENDE ERDBEBENEINWIRKUNG AUS ZWEIHORIZONTALKOMPONENTENKonrad Smoczynski 1) , Timo Schmitt 2)1) Lehrstuhl für Baustatik und Baudynamik, RWTH Aachen, 2) SDA-engineering GmbHE-mail: konrad.smoczynski@lbb.rwth-aachen.deSchlüsselwörter: Erdbeben, Antwortspektrum, Resultierendenfaktor, seismischeLastannahmen, HorizontalkomponenteKurzfassung. Erdbeben werden in ihren drei Raumkomponenten aufgezeichnet. Bei derErdbebenauslegung von Bauwerken sind diese Komponenten zu kombinieren. Dabei sindinsbesondere die beiden Horizontalkomponenten von Bedeutung, da Bauwerke in vertikalerRichtung aufgrund der statischen Berechnung schon entsprechend stark dimensioniert sind.Die Kombination der beiden horizontalen Richtungen erfolgt oft nach der «30-% Regel». AlsVereinfachung und Alternative dazu wird in der Überarbeitung der kerntechnischen Regel KTA2201.1 ein Faktor zur Berechnung horizontaler, resultierender Beschleunigungen angegeben.Im Rahmen der Überarbeitung der KTA 2201.1 wurde dieses Konzept aufgegriffen und eswurden Auswertungen zur Ermittlung und Untermauerung eines solchen Resultierendenfaktorsdurchgeführt. Die verwendeten Erdbebendaten stammen aus der Europäischen Strong-MotionDatenbank (ESD). Es wurden insgesamt 1426 Beschleunigungszeitverläufe ausgewertet vonErdbeben mit Magnituden zwischen 5 und 9. Für die Erfassung und Bearbeitung der Datenwurden in C-Programmiersprache geschriebene Programme erstellt. Die Programme wurdengetestet und die Ergebnisse stichpunktartig überprüft. Als Ergebnis wurde ein Faktor von 1,2zur Berechnung der resultierenden Einwirkung aus nur einer Horizontalkomponente ermitteltfür deren Anwendung einige Randbedingungen zu beachten sind. Die Endergebnisse sind alsVerteilungsfunktionen dargestellt, anhand derer Quantilwerte abgelesen werden können.1143


1 EINLEITUNGBei der Erdbebenauslegung von Bauwerken sind die drei Raumkomponenten derErdbebeneinwirkung zu berücksichtigen. Dabei sind insbesondere die beidenHorizontalkomponenten von Bedeutung, da Bauwerke in vertikaler Richtung aufgrund derstatischen Berechnung schon entsprechend stark dimensioniert sind. Bei der Anwendung vonZeitverlaufsverfahren und dreidimensionalen Tragwerksmodellen können die beidenHorizontalkomponenten und die Vertikalkomponente als gleichzeitig wirkend angesetztwerden. In der Regel kommt jedoch das Antwortspektrumverfahren zur Anwendung. DieKombination der verschiedenen Einwirkungsrichtungen ist in Normen geregelt. Oftmalskommt dabei die „30%-Regel“ zum Einsatz. Werden Tragwerke mit 2D-Modellen in ihrenHauptrichtungen modelliert, gestaltet sich die Kombination der beiden H-Komponentenaufwändiger, da die Bemessungsgrößen beider Hauptrichtungen anschließend kombiniertwerden müssen und nicht wie beim 3D-Modell die Erdbebenbelastung beider Richtungendirekt gemeinsam aufgebracht werden kann.Eine alternative Regelung, welche die Kombination beider Horizontalkomponenten bereitsbei der Einwirkung berücksichtigt ist in der kerntechnischen Regel KTA 2201.1 [1] zurAuslegung von Kernkraftwerken angegeben. Dort darf mit einem Faktor das horizontaleAntwortspektrum in ein resultierendes Antwortspektrum umgerechnet werden. Diesesresultierende Antwortspektrum kann dann zur Berechnung auf ein 2D-Modell angewendetwerden. Die KTA 2201.1 ist in den letzten Jahren überarbeitet worden und liegt als Gründruckim Entwurf vor [2].Die hier durchgeführten Auswertungen haben das Ziel einen Resultierendenfaktorentsprechend der Regelung in KTA 2201.1 zu ermitteln, mit dem resultierende Einwirkungenaus zwei Horizontalkomponenten - ausgehend von einer Horizontalkomponente - berechnetwerden können. Dieser Resultierendenfaktor soll unter gewissen Rahmenbedingungen für dieAnwendung im Antwortspektrumverfahren geeignet sein. Für die Auswertungen wurde dergesamte Datensatz der Europäischen Strong-Motion Datenbank (ESD) verwendet(http://www.isesd.hi.is/ESD_Local/frameset.htm). Alle dort enthaltenen Zeitverläufe vonErdbebenereignissen mit einer Magnitude zwischen 5 und 9 wurden ausgewertet. Insgesamtergaben sich damit 1426 Beschleunigungszeitverläufe. Bei den Auswertungen wurden auchetwaige Einflüsse von Frequenz, Magnitude, Entfernung und Untergrund untersucht. DieAuswertungen basieren auf den Erfahrungen einer Bachelorarbeit, die im Zeitraum von Juni bisSeptember 2010 an der RWTH Aachen erstellt worden ist [3]. In Anlehnung an derenEndergebnisse und Schlussfolgerungen wurden die hier durchgeführten, neuen Untersuchungenan einem erweiterten Datensatz erstellt.2 EINIGE BEGRIFFE AUS DER SEISMOLOGIE2.1 Lage und Entfernung bei einem ErdbebenDer Entstehungsort eines Bruchprozesses wird als Hypozentrum bezeichnet. DasEpizentrum eines Erdbebens liegt an der Erdoberfläche, vertikal über dem Hypozentrum. DieEntfernung zwischen diesen beiden Punkten ist die Herdtiefe. Der Abstand zwischen demStandort und dem Hypozentrum wird als Hypozentralentfernung bezeichnet. DieEpizentralentfernung ist der Abstand zwischen dem Epizentrum und dem Standort. DieBegriffe sind in Abbildung 1 veranschaulicht.1442


EpizentralentfernungEpizentrumStandortSedimentFelsVerwerfungHerdtiefeHypozentralentfernungHypozentrumAbbildung 1: Begriffe bezüglich Lage und Entfernung bei einem Erdbeben.2.2 MagnitudeDie Magnitude ist ein Maß für die bei einem Erdbeben im Herd abgestrahlte Energie. D.h.,sie ist ortunabhängig. 1935 führte der Seismologe Charles F. Richter die nach ihm benannteRichterskala ein. Es handelt sich hier um die sogenannte Lokalmagnitude M L . Die Ermittlungerfolgt durch einen Vergleich der ermittelten Amplitude A des gemessenen Erdbebens miteinem Standardbeben der Amplitude A 0 = 1 µm auf einem Seismometer des Wood-Anderson-Typs in 100 km Entfernung vom Messort. Es gibt verschiedene Magnitudenarten, derenZahlenwerte ähnlich sind. Heutzutage wird oft die Momentmagnitude M W verwendet, welcheauf [4] zurückgeht. Sie wird aus dem seismischen Moment als physikalisches Stärkemaßberechnet. Das seismische Moment M 0 wird ermittelt zu:M0 = µ·D·A (1)Hierbei ist A die Bruchfläche, D die mittlere Verschiebung der Bruchfläche und µ der Wertder überwundenen Gesteinsfestigkeit. Bei unterschiedlichen Werten wird M 0 als Integral überalle Teilflächen gebildet. Hieraus erfolgt die Definition der Momentmagnitude M W :M W = 2/3 log M 0 – 6,07 (M 0 in Nm) (2)3 RESULTIERENDE ERDBEBENEINWIRKUNG IN NORMEN3.1 DIN EN 1998-1Im Eurocode 8 (DIN EN 1998-1) [5], dem europäischen Regelwerk für dieErdbebeneinwirkung für Hochbauten, müssen beide Horizontalkomponenten derErdbebeneinwirkung als gleichzeitig wirkend angenommen werden. Die Bauwerksantwort aufjede Komponente ist getrennt zu ermitteln, die Kombination der Erdbebeneinwirkung darfunter Verwendung der angegebenen Kombinationsregeln wie folgt berücksichtigt werden. Dieresultierende Beanspruchungsgröße wird als Quadratwurzel der Summe der quadrierten Werteder Beanspruchungsgrößen infolge jeder einzelnen Horizontalkomponente angesetzt.Wären die Beträge der beiden horizontalen Einwirkungskomponenten gleich groß,würde man demnach einen Faktor von 2 als resultierende Einwirkung erhalten. Als3145


Alternative ist in [5] folgende Kombination von den beiden horizontalen Einwirkungsgrößenzulässig:a) EEdx "+" 0,30 EEdyb) 0,30 EEdx "+" EEdywobei "+" "zu kombinieren mit’’ bedeutet; EEdx die Beanspruchungsgrößen infolge desAngriffs der Erdbebeneinwirkung in Richtung der gewählten horizontalen Achse x desBauwerks darstellt; EEdy die Beanspruchungsgrößen infolge des Angriffs derselbenErdbebeneinwirkung in Richtung der dazu senkrechten horizontalen Achse y des Bauwerksdarstellt.Diese Vorgehensweise liefert eine Kombination aus den beiden Einwirkungen. Geht mandavon aus, dass EEdx und EEdy gleich groß sind, würde sich ein Resultierendenfaktor von 1,3gegenüber der Horizontalen x ergeben: 0,3 x + x = 1,3 x, also 1,3-fach x.3.2 KTA 2201.1Das Regelwerk KTA 2201 des Kerntechnischen Ausschusses behandelt die seismischeAuslegung kerntechnischer Anlagen gegen Erdbeben. Das Regelwerk soll die Erfüllung derSchutzziele: Kontrolle der Reaktivität, Kühlung der Brennelemente, Einschluss derradioaktiven Stoffe und Begrenzung der Strahlenexposition gewährleisten. Im Teil 1 (KTA2201.1) [1] der sechsteiligen Regelreihe werden grundlegende Anforderungen zu denseismischen Lastannahmen definiert. Für die Bestimmung der Erdbebeneinwirkung ist einseismologisches Gutachten erforderlich. Dieses Gutachten beinhaltet eine deterministische undeine probabilistische Analyse zur Ermittlung standortspezifischer seismischen Lastannahmen.Die seismischen Einwirkungen dürfen jeweils für die 50 % Quantile angegeben werden, wenndie Kenngrößen des Bemessungserdbebens für eine Überschreitenswahrscheinlichkeit von 10 -5pro Jahr bestimmt wurden.Die KTA 2201.1 fordert die Angabe resultierender, horizontaler Beschleunigungen. DieKTA 2201.1 in der Version von 1990 [1] wurde in den letzten Jahren überarbeitet und liegt alssog. Gründruck vor [2]. Darin ist die Erdbebenanregung entweder in drei orthogonalenRichtungen als gleichzeitig wirkend oder getrennt nach den drei Richtungen anzusetzen undspäter die Beanspruchungsgrößen (ähnlich wie in [5]) zu überlagern, oder es ist jeweils eineresultierende horizontale und die vertikale Anregung anzusetzen. Im letzteren Fall darf dasAntwortspektrum für eine Horizontalkomponente mit dem Faktor 1,2 multipliziert werden umein resultierendes Antwortspektrum zu erhalten. In der KTA 2201.1-Fassung von 1990 ist keinWert zur Berechnung resultierender horizontaler Beschleunigungen angegeben.Die im folgenden Abschnitt durchgeführten Auswertungen greifen das Konzept derresultierenden Beschleunigungen auf. Es werden Resultierendenfaktoren aus einer Vielzahleuropäischer Erdbeben berechnet und schließlich wird ein Faktor vorgeschlagen und Hinweisezu dessen Anwendung gegeben. Der in KTA 2201.1 angegebene Faktor von 1,2 basiert u. a. aufschon früher durchgeführten Auswertungen [3].1464


4 BERE<strong>CH</strong>NUNG DER RESULTIERENDEN ERDBEBENEINWIRKUNG AUSZWEI HORIZONTALKOMPONENTEN4.1 VorgehensweiseDie Antwortspektren in Erdbebenbaunormen basieren auf empirischen Auswertungen realerErdbebenzeitverläufe. Als Erdbebeneinwirkung in Form des Antwortspektrums werden eineHorizontalkomponente und eine Vertikalkomponente angegeben. Erdbeben werden in den dreiRaumkomponenten registriert. Eine Registrierung besteht aus drei zeitgleichen Zeitverläufen,in orthogonal zueinander stehenden Richtungen (zwei Horizontalkomponenten und eineVertikalkomponente). Bei der hier durchgeführten Auswertung zur resultierendenErdbebeneinwirkung aus beiden Horizontalkomponenten wurden nur horizontaleBeschleunigungskomponenten betrachtet und ausgewertet.Um die großen Datenmengen verarbeiten zu können wurden Computerprogramme in Cerstellt. Zur Qualitätssicherung wurden alle Programme getestet und überprüft. Zur Berechnungeines Resultierendenfaktors der das Verhältnis resultierender Beschleunigungen zuHorizontalbeschleunigungen wiedergeben soll, wurden folgende Anforderungen definiert:• der Faktor erfasst beide Horizontalkomponenten der Beschleunigung• die zu berechnenden, resultierenden Beschleunigungen werden aus den zeitgleichenWerten in X- und Y-Richtung berechnet (resultierender Vektor)• Der Faktor soll zur Anwendung im Rahmen des Antwortspektrumverfahrensgeeignet seinDas Antwortspektrum gibt für eine beliebige Frequenz die maximale Antwort einesEinmassenschwingers auf einen Anregungszeitverlauf (Erdbebenzeitverlauf) an. Für dieAnwendung auf das Antwortspektrumverfahren muss der Resultierendenfaktor die maximalauftretende Einwirkung aus beiden Richtungen ins Verhältnis zu nur einer Richtung setzten.Daher wurde folgende Formel zur Berechnung des Resultierendenfaktors F R gewählt:FrmaxR= (3)axmax+ aymaxDabei ist r max die maximale, resultierende Beschleunigung aus r i resultierendenBeschleunigungen zu i Zeitschritten während des gesamten Zeitverlaufes. Die resultierendeBeschleunigung r i zum Zeitpunkt i wird dabei als Vektor der beiden zeitgleich auftretendenBeschleunigungen a xi und a yi der beiden einzelnen Komponenten gebildet:i2xi22yir = a + a(4)4.2 Ergänzende Untersuchungen zur Frequenzabhängigkeit.Nach der zuvor beschriebenen Vorgehensweise in Abschnitt 4.1 wurde derResultierendenfaktor aus den maximalen Bodenbeschleunigungen (PGA) berechnet. DieserWert entspricht dem Einhängewert des Antwortspektrums bei Periode 0. Da die maßgeblichenEigenfrequenzen der Tragwerke in der Regel aber eher im Plateaubereich desAntwortspektrums oder im ansteigenden Ast des Spektrums liegen, wird in einem zweitenSchritt eine eventuelle Abhängigkeit des Resultierendenfaktors von der Frequenz getestet.Dazu wird der Resultierendenfaktor wieder genauso nach der in 4.1 beschriebenen Formelberechnet, diesmal aber statt aus den Bodenbeschleunigungszeitverläufen aus den jeweiligen5147


Antwortzeitverläufen des linearen Einmassenschwingers. Es werden die Frequenzen 2 Hz und5 Hz untersucht. Die Berechnungen der Antwortschwingungen erfolgten mir dem ProgrammLEINM von [6] und für eine Dämpfung von 5 %.4.3 ERGEBNISSEDie Ergebnisse der Auswertungen zum Resultierendenfaktor sind in den Abbildungen 2 bis5 graphisch in Form der Verteilungskurven zusammengestellt. Es stellte sich eineNormalverteilung der Werte ein. Die Auswertung der maximalen Bodenbeschleunigungenergab ein für eine Quantile von 50 % (Median) einen Resultierendenfaktor von 1,19. Betrachtetman die Quantilen 85 % und 95 % so ergeben sich die Faktoren 1,32 bzw. 1,40. DieAuswertung für die Frequenzen 2 Hz und 5 Hz führte zu einem Faktor von jeweils 1,22. DieMedianwerte aller Auswertungen ergeben 1,2 und lassen somit keine Abhängigkeit von derFrequenz erkennen. Die Abbildung 5 zeigt einen Vergleich der drei Verteilungskurven. AlleWerte zu den Quantilen 0,5 und 0,85 sowie 0,95 sind in Tabelle 1 zusammengefasst.Tabelle 1: Zusammenstellung der Resultierendenfaktoren für verschiedener Quantilwerte.betrachtete Frequenz Quantil 0,5 Quantil 0,85 Quantil 0,95PGA 1,19 1,32 1,402 Hz 1,22 1,34 1,425 Hz 1,22 1,36 1,43Abbildung 2: Verteilungsfunktion der Resultierendenfaktoren für die maximale Bodenbeschleunigungen (PGA) (aus1426 Antwortzeitverläufen); P(F) = Quantile, F = Resultierendenfaktor1486


Abbildung 3: Verteilungsfunktion der Resultierendenfaktoren für Spektralbeschleunigungen von 2 Hz (aus 1426Antwortzeitverläufen); P(F) = Quantile, F = ResultierendenfaktorAbbildung 4: Verteilungsfunktion der Resultierendenfaktoren für Spektralbeschleunigungen von 5 Hz (aus 1426Antwortzeitverläufen); P(F) = Quantile, F = Resultierendenfaktor7149


Abbildung 5: Vergleich der Verteilungsfunktionen der berechneten Resultierendenfaktoren aus Abbildung 2-4; P(F) =Quantile, F = Resultierendenfaktor5 WEITERE UNTERSU<strong>CH</strong>UNGEN5.1 Einfluss des lokalen UntergrundesDie physikalischen Eigenschaften des Baugrundes haben einen entscheidenden Einfluss aufdie seismischen Wellen, die an der Oberfläche ankommen. Durch Resonanzeffekte können dieAmplituden einer Erdbebenregistrierung an einer Messstation die auf Lockersediment steht zugrößeren Amplituden führen als an benachbarten Standorten auf felsigem Untergrund. Dieobersten Meter des Baugrundes haben den größten Einfluss auf die tatsächlich auftretendenAmplituden. In Baunormen werden daher in der Regel die oberen etwa 30 Meter desBaugrundes klassifiziert und das Antwortspektrum ist mit einem entsprechenden Bodenfaktor Szu multiplizieren. Um einen eventuellen Einfluss der Bodenklasse auf den Resultierendenfaktorzu testen, wurden die Zeitverläufe der ESD Datenbank nach Bodenklassen gruppiertausgewertet. Die Ergebnisse sind in Tabelle 2 dargestellt. Die Ergebnisse zeigen, dass der Wertdes Resultierendenfaktors praktisch für alle Untergrundklassen identisch ist. Alle Werteergeben gerundet einen Faktor von F R = 1,2.1508


Tabelle 2: Bodenklassen nach [5] und Ergebnisse der Auswertungen für F RBaugrundklasseABCDEBeschreibungFels oder andere felsähnliche geologischeFormation, mit höchstens 5 m weicherem Materialan der OberflächeAblagerungen von sehr dichtem Sand, Kies odersehr steifem Ton, mit einer Dicke von mindestenseinigen zehn Metern, gekennzeichnet durch einenallmählichen Anstieg der mechanischenEigenschaften mit der TiefeTiefe Ablagerungen von dichtem odermitteldichtem Sand, Kies oder steifem Ton, mitDicken von einigen zehn bis mehreren hundertMeternAblagerungen von lockerem bis mitteldichtemkohäsionslosem Boden (mit oder ohne einigeweiche kohäsive Schichten), oder von vorwiegendweichem bis steifem kohäsivem BodenEin Bodenprofil bestehend aus einer Oberflächen-Alluvialschicht mit vs - Werten nach C oder D undveränderlicher Dicke zwischen etwa 5 m und 20 müber steiferem Bodenmaterial mit vs > 800 m/s5.2 Einfluss von Magnitude und EntfernungAuswertung PGAQuantil 0,5Anzahl derBeschleunigungszeitverläufeinESD Datenbank1,18 1481,19 1801,18 921,19 431,20 88Der etwaige Zusammenhang zwischen dem Resultierendenfaktor und der Magnitude undder Epizentralentfernung wurde ebenfalls untersucht. Dazu wurden die Resultierendenfaktorenfür sechs Gruppen ausgewertet:i) Magnitude bis 4,5ii) Magnitude 4,5 – 7,5iii) Epizentralentfernung 0 – 30 kmiv) Epizentralentfernung 30 – 100 kmv) Magnitude bis 4,5 und Epizentralentfernung 30 – 100 kmvi) Magnitude 4,5– 7,5 und Epizentralentfernung 0 – 30 kmDiese Auswertung wurde bereits in [3] durchgeführt und ergab keine signifikantenUnterschiede von F R zwischen den einzelnen Gruppen. Alle Werte ergaben 1,2.6 ZUSAMMENFASSUNG UND DISKUSSIONIn der hier durchgeführten Untersuchung wurde ein Resultierendenfaktor zur Berechnungder resultierenden Erdbebeneinwirkung aus zwei Horizontalkomponenten entwickelt. Auslöserder Untersuchungen war die Diskussion um resultierende Beschleunigungen im Rahmen derNeufassung der Regel KTA 2201.1 [1,2]. Für den Resultierendenfaktor wurde das Verhältnisder maximalen Beschleunigungen (PGA) aus beiden H-Komponenten zur maximalenBeschleunigung bezogen auf nur einer Komponente betrachtet. Die Auswertungen wurdenzusätzlich auch für Spektralbeschleunigungen bei 2 Hz und 5 Hz durchgeführt. Aus allenBerechnungen ergab sich als Medianwert (50 % Quantile) für den Resultierendenfaktor F R =1,2. Eine Abhängigkeit der Ergebnisse von der Magnitude der Erdbeben, für verschiedene9151


Entfernungen oder Bodenklassen konnte nicht festgestellt werden. Die Verteilung der Faktorenlässt auf eine Normalverteilung schließen und ist graphisch dargestellt. Darin können beliebigeQuantilwerte abgelesen werden.Mit dem ermittelten Resultierendenfaktor kann das horizontale Antwortspektrum auf einresultierendes Antwortspektrum skaliert werden. Für die Anwendung auf 2D-Rechenmodellesind allerdings einige Einschränkungen zu beachten: Da die Formel zur Berechnung desResultierendenfaktors für beide Richtungen die jeweils gleiche Frequenz betrachtet, erfordertdies, dass auch die maßgebenden Bauwerkseigenfrequenzen in beiden Hauptrichtungen ähnlichsein müssen oder alle im Plateaubereich des Antwortspektrum liegen müssen. (ImPlateaubereich ist die Spektralbeschleunigung konstant und somit gleich groß). Anderenfallskann es zu einer Unterschätzung der weichen Gebäudeachse kommen.Der große Vorteil der Methode der Berechnung eines resultierenden Antwortspektums miteinem Resultierendenfaktor ist, dass bei 2D-Bauwerksmodellen beide H-Komponenten desErdbebens bereits bei der Einwirkung erfasst werden und eine spätere Überlagerung vonBemessungsgrößen aus beiden Hauptrichtungen damit entfallen kann. Allerdings sind die obengenannten Einschränkungen für die Anwendungseignung zu beachten. Torsionseffekte desTragwerkes werden mit dem Resultierendenfaktor wie auch mit der 30% Regel nicht erfasstund müssen gesondert berücksichtigt werden.7 LITERATUR[1] KTA 2201.1 (1990): Sicherheitstechnische Regel des KTA (Kerntechnischer Ausschuss).- Auslegung von Kernkraftwerken gegen seismische Einwirkungen, Teil 1: Grundsätze,Fassung 6/90. – Carl Heymanns Verlag, Köln, Berlin.[2] KTA 2201.1 (Fassung <strong>2011</strong>-5): Sicherheitstechnische Regel des KTA (KerntechnischerAusschuss). Auslegung von Kernkraftwerken gegen seismische Einwirkungen, Teil 1:Grundsätze. – Geschäftsstelle des Kerntechnischen Ausschusses, Bundesamt fürStrahlenschutz, Salzgitter.[3] Konrad Smoczyński (2010): Resultierende Erdbebeneinwirkung aus zweiHorizontalkomponenten. – Bachelorarbeit am Lehrstuhl für Baustatik und Baudynamikder RWTH-Aachen.[4] Kanamori, H. (1977): The energy release in great earthquakes. – Journal of GeophysicalResearch, No. 82, 2981-2987.[5] DIN EN 1998-1 (2004): Eurocode 8: Auslegung von Bauwerken gegen Erdbeben – Teil1: Grundlagen, Erdbebeneinwirkungen und Regeln für Hochbauten; Deutsche FassungEN 1998-1:2004.[6] Meskouris (1999): Baudynamik: Modelle, Methoden, Praxisbeispiele. – Ernst & SohnVerlag, ISBN-13: 978-3433013267.15210


Mikroseismizität in Bayern - Eine Herausforderung an denErdbebendienstJ. Wassermann, T. Megies und H. Igel; Department für Geo- und Umweltwissenschaften, Ludwig-Maximilians-Universität München (j.wassermann@lmu.de)Der Süden Bayerns gilt, von der Region direkt am Alpenbogen abgesehen, als seismisch nurschwach aktiv. Sind in den letzten Jahrzehnten nur sehr vereinzelte, tief liegende und mäßig starkeBeben in der bayerischen Molasse bekannt , so war das Auftreten von seismischen Ereignissenmit Magnituden bis zu 2.5Ml im Umfeld einer Geothermiebohrung im Süden Münchens umsoüberraschender. Der Vergleich mit anderen Gebieten in Bayern, in denen es regelmässig zuErdbeben kommt, zeigt, dass zum Auslösen dieser Mikrobeben häufig nur kleine Druckvariationenim Untergrund benötigt werden.Dies und die zunehmende Sensibilisierung der Öffentlichkeit stellt die lokalen Erdbebendienste vorvöllig neuen Anforderungen. In der Zukunft müssen nun auch Gebiete mit sonst nur geringemseismischen Risiko mit einem deutlich dichteren Messnetz überwacht werden.153


154


12. D-A-<strong>CH</strong> Tagung – Erdbeben und BaudynamikC. Könke (Hrsg.)Hannover, Deutschland, 15.–16. September <strong>2011</strong>SPATIAL CORRELATION OF STRONG GROUND MOTION AND ITSINFLUENCE ON EARTHQUAKE LOSS ESTIMATIONF. Wenzel * and V. Sokolov*Geophysical Instituts, Karlsruhe Institute of Technology, Hertzstr. 16, 76187 Karlsruhe,GermanyE-mail: friedemann.Wenzel@kit.eduKeywords: strong ground motion; spatial correlation; loss uncertainty.Abstract. In addition to the mean values of possible loss during an earthquake, parameters ofthe probability distribution function for the loss to a portfolio (e.g., fractiles and standarddeviation) are very important. Recent studies have shown that the proper treatment of groundmotion variability and, particularly, the of ground motion are essential for the estimation of theseismic hazard, damage and loss for distributed portfolios. In this study, we compared theeffects of variations in the between-earthquake correlation and in the site-to-site correlation onseismic loss and damage estimations for the extended objects (hypothetical portfolio) andcritical elements (e.g., bridges) of a network. A scenario earthquake approach and a portfoliocontaining a set of hypothetical building and bridges were used for the purpose. We showedthat the relative influences of the types of correlation on characteristics of loss distribution andthe probability of damage are not equal. In some cases, when the median values of lossdistribution or the probability that at least one critical element of a lifeline will be damaged areconsidered, and when the spatial correlation of ground motion is used, the possible variationsin the between-earthquake correlation may be neglected. The shape of the site-to-sitecorrelation function (i.e., the rate of decrease of the coefficient of spatial correlation withseparation distance) seems to also be important when modelling spatially correlated groundmotion fields.1155


1 INTRODUCTIONA key element of seismic hazard assessment (SHA) is the consideration of uncertainties,which are classified as epistemic and aleatory. The epistemic uncertainty reflects theincomplete knowledge of the nature of all inputs to the assessment, the variability of theinterpretation of available data, and the limitations of the technique applied for the analysis.Epistemic uncertainty can be incorporated into SHA using the logic tree method (as in Ref.[1]). At present, an approach based on copula analysis is under examination [2, 3].Aleatory uncertainty is related to the inevitable unpredictability regarding the nature ofground motion parameters. In other words, the aleatory uncertainty describes the disagreementbetween observations and predictive models that is due to the absence of a physical explanationor due to variables that are not included in the predictive equations. Additional explanatoryvariables need to be added to the model to represent repeatable (as opposed to random)influences on the ground motion. Thus, the aleatory component of uncertainty may also reflectepistemic modelling uncertainty regarding the factors controlling the ground motion componentthat have not been included in ground motion models (as in Ref. [4]). Aleatory uncertainty ismainly quantified in SHA through the use of the standard deviation of the data’s scatter aboutthe ground motion prediction equations. It has become common practice to separate the totalaleatory variability into two independent components [4-8], namely, the earthquake-toearthquake(between-earthquake) variability and the site-to-site (within-earthquake) variability.The between-earthquake variability results from event-specific factors that have not beenincluded in the predictive model. The within-earthquake variability reflects the fact thatearthquake ground motion for a given event at different sites must vary to some extent. Thewithin-earthquake variability is determined mostly by peculiarities in the propagation path andlocal site conditions, and there have been attempts to separate the within-earthquake variabilityinto its path-to-path and site-to-site components [9].The ground motion parameter Y at n locations during m earthquakes is represented bylog Yi, j f ( ei, si,j) i i,ji 1,2,..., m;j 1,2,..., n;(1)where eidenotes variables that are properties of the earthquake source, si , jare theproperties of site location j during earthquake i , and f is a suitable function that describesthe dependence of the median value of ground motion parameterlog on the magnitude,distance, local site conditions, etc. (i.e., log Yi, j f ( ei, si,j)). The error random variables iandi, jrepresent the between-earthquake and within-earthquake components of variability22(independent and normally distributed with variances and ), respectively. The value ofiis common to all sites during a particular earthquake i , and the value ofYi , ji. jdepends on the2site. Assuming the independence of the two random terms, the total aleatory variance Tis2 2 2given by T .The between-earthquake correlation of earthquake ground motion, or the similarity ofground motion variability during different earthquakes at the same site, is determined by therelation between the components of variability (as in Ref. [10]):1562


2 2222T. (2)At the same time, two close sites may exhibit correlation of ground motion during anearthquake due to the commonality of wave paths (within-earthquake site-to-site correlation),which depends on the site separation distance . The function is usually represented as ( ) (exp( ab)) (), (3)where a and b are the region-dependent coefficients. The so-called “correlation distance” R Cmay be considered a characteristic of the correlation [11]. The correlation distance shows thesite-to-site distance for which the correlation coefficient decreases up to 1/e = 0.368.For earthquake i and site j , the total correlation in[12]):whereis the empirical correlation coefficient calculated for withinearthquake ( ) i j,1; i,j,2( i, j i, j ()222 ( ) ( ) ( )T 2 2TT ,coefficient (Equation 2), andcoefficient (Equation 3).)values is the following (as in Ref., (4)values separated by a distance ,() is the between-earthquake correlationis the within-earthquake site-to-site (spatial) correlationThe ground motion correlation should be taken into account when estimating ground motionparameters in a wide area, for example, in the assessment of seismic hazard and loss for widelylocated building assets (portfolio), spatially distributed systems (lifelines), and ShakeMapgeneration. The rigorous methodology described by Wesson and Perkins [10], Rhoades andMcVerry [13], and McVerry et al. [14] for assessing the joint hazard for scales of kilometres totens of kilometres requires consideration of the between-earthquake and the within-earthquakecomponents of uncertainty.Several modern ground motion attenuation equations (e.g., New Generation Attenuationmodels, NGA) allow the recognition of the between-earthquake correlation, because theequations include specification of the between-earthquake and within-earthquake componentsof variability (as in Ref. [9, 15-18]). The NGA model created by Abrahamson and Silva [18]allows the consideration of the dependence of both between-earthquake and within-earthquakecomponents on the earthquake magnitude, soil properties (average shear wave velocity to adepth of 30 m, V S30 ), and level of ground motion amplitude.The site-to-site correlation should be empirically evaluated for a given area. A denseobservation of records from numerous earthquakes is necessary for modelling the site-to-sitecorrelation structure; therefore, such correlations have not been extensively investigated. Booreet al. [19], Hok and Wald [20], and Lin et al. [21] considered one or a few particularearthquakes in California; Wang and Takada [11] separately analysed a few earthquakes inJapan and the Chi-Chi earthquake in Taiwan. Kawakami and Mogi [22] used records fromseveral earthquakes in Japan (the Chiba array 30 km east of Tokyo and the SIGNAL array inTokyo) and Taiwan (SMART-1 array). Evans and Baker [23] used the NGA database [24],which is primarily based on Californian data and a few earthquakes in Taiwan (the Chi-Chiearthquake and large aftershocks). Goda and Hong [25] and Jayaram and Baker [26] consideredthe Chi-Chi earthquake and some Californian earthquakes, and Hong et al. [27] analysed onlyCalifornian data. Recently, Goda and Atkinson [28] used a large database collected in Japan3157


(records from the K_NET and KiK-net strong-motion networks) to study the spatial correlationfor peak ground acceleration and pseudo-spectral acceleration at different periods from 0.1 secto 5.0 sec. Sokolov et al. [29] analysed characteristics of ground motion correlation using thedatabase accumulated in Taiwan. The results reported by these studies reveal different rates ofdecay of the correlation with separation distance. It has been shown that the differences relateto the frequency content of ground motion [25, 30]. On the other hand, the differences may becaused by regional peculiarities [28, 29]. Table 1 summarises the data used and the obtainedresults of some of the studies; Figure 1 shows several models of spatial correlation.ReferenceWang andTakada [11]Goda andHong [25]Sokolov etal. [29]Sokolov etal. [29]Sokolov etal. [29]Goda andHong [25]Hong,Zhang andGoda [27]Goda andAtkinson[28]Functionexp( / )Correlationdistances, km27.3bexp( a )28.7bexp( a )18.2bexp( a )34.1bexp( a ) 4.0 – 23.5bexp( a ) < 2.0 (1.7)bexp( a ) < 2.0 (1.4)b exp( a ) 1.019.0-29.0Data usedThe 1999 Chi-Chi (Taiwan)earthquake; PGV; ground motionmodel developed for Japan byMidorikawa and Ohtake [31]The 1999 Chi-Chi (Taiwan)earthquake; PGA; NGA groundmotion model developed by Booreand Atkinson [32]The 1999 Chi-Chi (Taiwan)earthquake; PGA; ground motionmodel developed in the studyThe 2003 (M W 6.8, Taiwan)earthquake; PGA; ground motionmodel developed in the studyRecords from 13 (M W > 6.0)earthquakes in Taiwan; PGA; groundmotion model developed in the study;region-dependent estimationsRecords from 6 large earthquakes inCalifornia; PGA; ground motionmodel developed in the studyRecords from 39 earthquakes inCalifornia; PGA; ground motionmodel developed in the studyRecords from 155 earthquakes thatoccurred in Japan; PGA; groundmotion model developed in the study;earthquake depth-dependentestimationsTable 1. Parameters of site-to-site within-earthquake correlation functions ()reported in the literature.1584


Figure 1. Site-to-site intra-event (spatial) correlation functions ρ ε ( ) estimated for particular earthquakes. (a)The Chi-Chi earthquake, 1 – Wang and Takada [11]; 2 - Goda and Hong [25]; 3 –Sokolov et al. [29]. (b) The datafrom moderate-to-large earthquakes (M W > 6.0) in Taiwan [29], estimations for particular strong-motion arrays inTaiwan. <strong>CH</strong>Y array – thick sediments; TCU array - stiff soils in extended hilly areas; TAP array - triangularasymmetric alluvium-filled Taipei basin; ILA array - Quaternary alluvial Ilan basinAs can be seen from the foregoing definitions, the random variability associated withestimations of the earthquake ground motion contains both aleatory and epistemic components.Different realisations of the random ground motion field (see next section) in terms of betweenearthquakeand within-earthquake residuals and spatial correlation represent aleatoryvariability. The spatial correlation, in principle, depends on the chosen ground motion model,because the correlation describes the behaviour of residuals between the observations andpredictions. Thus, different models for between-earthquake and spatial correlation combinedwith the corresponding ground motion models would represent a source of epistemicuncertainty.The evaluation of average losses (expectation value) to a spacially distributed portfolio ofassets is not affected by ground motion correlation. However, the variance depends strongly oncorrelation and more generally the probalility distribution of losses is significantly dependendon correlation properties as will be demonstrated in this paper. The knowledge of the lossdistribution about the mean (e.g., the variance or standard deviation) is very important fordecision making and mitigation activities. For example, primary insurers are concerned withthe central part of the distribution (mean and median values), while re-insurers deal mostly withthe tail of the distribution. Several studies analysed the influence of ground motion uncertaintyand correlation on characteristics of loss distribution. Specific (scenario) earthquakes wereconsidered by Lee et al. [33], Lee and Kiremidjian [34], Molas et al. [35], Goda and Atkinson[28], and Crowley et al. [36]. Multiple earthquakes and loss probability curves were analysedby McVerry et al. [14], Wesson and Perkins [10], Park et al. [12], and Goda and Hong [37].Bommer and Crowley [38] and Crowley and Bommer [39] discussed two approaches tocalculating loss probability curves: one based on independent probabilistic seismic hazardassessment and the other involving Monte Carlo simulation based on the seismicity model.5159


Loss estimates were performed using the techniques based on different ground motioncharacteristics (namely, Modified Mercalli intensities [14, 35], peak ground acceleration [10,28], and spectral acceleration or spectral displacement [12, 33, 34, 36, 37, 39]) and usingvarious descriptions of loss (i.e., the mean damage ratio [10, 28, 33, 34, 36, 39] and monetaryloss [12, 14, 25, 37]). All of these studies considered the influence of between-earthquake andwithin-earthquake components accepting a single model of the between-earthquake correlationor analysing, in addition to the model, two extreme cases (no correlation of ground motion,, and perfect correlation, ). Different models of site-to-site correlation were used 0 1by Park et al. [12], Goda and Atkinson [28], Molas et al. [35], and Crowley et al. [36].The general findings obtained in the works mentioned above may be summarised as follows.A higher spatial correlation and between-earthquake variability causes a larger variation inlosses to a portfolio and the higher probability of extreme loss values. For the case of a single(scenario) earthquake, within-earthquake variability increases the possibility of obtainingextreme motion at one of multiple locations compared to the single-site probability. Betweenearthquakevariability increases the possibility of obtaining extreme motions at all consideredlocations simultaneously.Usually, within-earthquake standard deviation is considered larger than that for betweenearthquakestandard deviation, although the relation is a period-dependent quantity (e.g.,Bommer et al. [40]). Recently, Atkinson [41] and Morikawa et al. [42] showed that the totalstandard deviation of ground motion prediction may be reduced when using a single sitespecificmodel or a region-specific correction factor, which is determined by grouping groundmotion data at specific stations of a dense strong-motion array. Tsai et al. [9] showed that areduction of the total standard deviation could be achieved if the path effect could be specified.This reduction, obviously, is related to the within-earthquake component, and Morikawa et al.[42] obtained almost similar values for between-earthquake and within-earthquake standarddeviations after the correction. Thus, the between-earthquake correlation may vary, at aminimum, between 0.06 (Bommer et al. [40]) and 0.5 (Morikawa et al. [42]).Recently, Sokolov et al. [29] analysed the strong-motion database collected by the TSMIPnetwork in Taiwan, which includes about 4650 records from 66 shallow earthquakes (M L > 4.5,focal depth < 30 km) occurring between 1993 and 2004. They showed that the withinearthquakecomponent of uncertainty in Taiwan seems to be a magnitude-dependent quantity.When using the generalised (site-independent) ground motion prediction model, the uncertaintyof ground motion prediction may be reduced by the application of corresponding, empiricallyderived area- or site-dependent correction factors. The analysis of the site-to-site correlation inTaiwan suggests that the correlation structure is highly dependent on the local geology and onpeculiarities of the propagation path (azimuth-dependent attenuation). The application ofregion- or site-dependent correction reduces the site-to-site correlation, especially at largedistances. Thus, a single, generalised model of site-to-site correlation may not be adequate forthe whole Taiwan territory or for large areas.As can be seen from the foregoing short review, the proper treatment of ground motioncorrelation is essential for the estimation of seismic hazard, damage and loss for distributedportfolios. If the information on correlation models is not available, it is necessary either toobtain upper and lower estimates by assuming the perfect correlation ( 1. 0; ( ) 1. 0)and uncorrelated ground motion ( 0. 0; ( ) 0. 0) or to make some assumption about thecorrelation. However, the parameters of ground motion correlation may vary over wide ranges,and it is still necessary to analyse the relative influence of the variation on estimations of1606


aggregated loss for a portfolio (widely located constructions of several types) and oncharacteristics of joint hazard and damage.In this study, we compared the effects of variations in the between-earthquake correlationand in the spatial (site-to-site) correlation on the seismic loss and damage estimations forextended objects (hypothetical portfolio) and critical elements (e.g., bridges) of a network.Based on the results of our previous work [29], the correlation distances vary from 0 km to 30km, and the between-earthquake correlation varies from 0.09 to 0.5, which is also within thereported values. A single event, a so-called “scenario” earthquake, was used as the source ofseismic influence. A set of hypothetical buildings representing a real building stock wasconstructed based on typical buildings in the Taiwan area.2 APPLICATION OF GROUND MOTION CORRELATION TO GROUND MOTIONMODELLINGFor the generation of the k-site random field of ground motion values that are spatiallycorrelated, it is necessary to generate a Gaussian vector of correlated standard normal variables(total residual term) X = [X 1 , X 2 , …., X k ] with a symmetric correlation matrix , or X ~N k (0,. The correlation matrix is defined as follows:1 k211112k 2... 1k 2k ... 1 , (6)where ijis the empirical correlation coefficient calculated for the sites separated by adistance .The procedure of the generation of k-site random field of ground motion errorvalues that are spatially correlated equals the generation of random variables X = [X 1 , X 2 , ….,X k ] with a correlation matrix from the k-dimensional Gaussian copula. Descriptions of theprocedure may be found in many sources (e.g., Refs. [12, 44]). The generation consists of thefollowing steps. First, a vector of independent standard normal variates U= [U 1 , U 2 , …., U k ]2with standard deviation, or U ~ N k (0, T, is generated. Then, a correlation matrix isconstructed and a Cholesky decomposition is applied to represent the correlation matrix asthe matrix product of matrix B and its transposition B T , i.e., S=B B T . The required vector X isobtained as X=BU. These X values are added to the median ground motion term ln Y toobtain a realisation of spatially correlated ground motions.jIn this study, we generated ground motion parameters (peak ground acceleration) from asingle scenario earthquake across a wide area (e.g., a city). Figure 2a shows the area of 22 km x18 km, which is divided into cells of 1 km x 1 km. Ground motion parameters were estimatedin the centres of the cells (marked by triangles) from an M 7.0 earthquake located near the area.The ground motion prediction equation for the calculation was used in the following form,which was recently proposed for Taiwan [29]:Ln PGA = -3.07+0.83M – 1.33ln[R+0.15exp(0.45M)]+0.0023R+σ T (7)where PGA is measured in units of g, and R is the hypocentral distance in km. The total2standard deviation for the earthquake was accepted as = 0.4 (total variance T= 0.16). Themedian expected PGA values, which were calculated using Equation 7, are shown in Figure 2b.ij7161


Figure 2. (a) Studied area divided into cells of 1 km x 1 km and the location of the scenario earthquake; (b)distribution of peak ground acceleration, with median values estimated using equation 7.Figure 3. Examples of strong motion distribution (PGA, units of g) along the considered territory (see Fig. 2a)generated using Equation 7 and various characteristics of correlation. Total variance σ T 2 = 0.16, in units of naturallogarithm; ratio σ η /σ Τ = 0.3 (between-earthquake variation / within-earthquake variation).1628


The Monte Carlo technique was applied for the generation of correlated PGA values (10,000generations) for every cell using the procedure described above. Examples of realisations ofstrong motion distribution, which were estimated using particular parameters of correlation, areshown in Figure 3.3 DAMAGE AND LOSS ESTIMATIONThe loss estimation was performed using the generation of the correlated ground motionfield. Peak ground acceleration was used to evaluate ground shaking-induced structuraldamage. A set of hypothetical buildings (Figure 3a) mimicking a real building stock wasconstructed based on three types of buildings that are typical for Taiwan (Liao et al. [45]): (1)concrete of one to three stories; (2) steel-braced frames of four to seven stories; (3) frames withshear walls more than eight stories. The whole area of 22 km x 18 km was divided into cells of1 km x 1 km, and different numbers of buildings were assigned, more or less randomly, toevery cell. Figure 4a shows the distribution of buildings along the considered territory. Thetotal number of buildings in the area was 5478.In this study, we use the methodology suggested by FEMA (HAZUS [46]), which is basedon fragility functions, for loss estimation. A fragility function defines the exceedance of adamage state for a given level of ground shaking. Five damage states are considered: None,Slight, Moderate, Extensive and Complete. The probability of being or exceeding a damagestate DS i is modelled with a cumulative lognormal distribution, 1 IM P [ DS i| IM ] , (8)DS SMEDIANwhere IM is the given level of ground shaking, DSis the standard deviation of the naturallogarithm of spectral amplitudes of damage state DS, S MEDIAN is the median value of the groundmotion parameter at which the building reaches the threshold of the damage state DS, and isthe standard normal cumulative distribution function. Every damage state is characterised by arepair and replacement cost ratio RRC i , expressed as a percentage of the building replacementcost RC. If we know the replacement cost RC of every type of building we are considering,then the expected direct loss EDL is the product of the damage factor and the replacement cost:EDL RC RRC P [ DS | IM ](9)all DS iwhere P [ DSi | IM ] is the probability of being in damage state DS i for a given groundmotion level IM.The methodology used in this study for the computation of the direct loss involves severaluncertainties. The total variability of each structural damage state β SDS is modelled by thecombination of the following three contributors to damage variability (see Ref. [46]):uncertainty in the damage-state threshold of the structural system β M(SDS) ; variability in thecapacity (response) properties of the model β C ; and variability in the response due to thevariability of ground motion (seismic demand) β D .iiSDS . (10)22( CONV[C,D, SMEDIAN, DS]) (M ( SDS))Thus, fragility functions include both aleatory uncertainty (e.g., uncertainty of the groundmotion level given the characteristics of the earthquake) and epistemic uncertainty (e.g.,9163


uncertainty related to the structural and geometric characteristics of the structure as well as tothe models developing them). The components of variability related to the demand and thecapacity are discussed in Refs. [38, 47-49].Figure 4. Studied area. (a) Distribution of buildings (total numbers) within the cells of 1 km x 1 km. (b)Distribution of bridges (vulnerable elements of a lifeline network). The numbers denote the type of the bridge inLiao and Loh [50] (see also Table 2).In our study, we used the PGA-based fragility curves developed by Liao et al. [45]. Theauthors reviewed the types of building structures in Taiwan and proposed the classification tobe implemented in the Taiwan Earthquake Loss Estimation System (TELES). Analyticalfragility curves were developed by nonlinear static analysis using computer models of thestructures. Only the uncertainty of ground motion demand was used by Liao et al. to representthe total variability β SDS of the damage state. In our analysis, the vulnerability curves shouldcontain only variability related to characteristics of structures to avoid the double-counting ofground motion variability [38]. Porter et al. [48] showed that the influence of uncertainties inground shaking (intensity of shaking and details of ground motion at a given level) on theoverall uncertainty in seismic performance (repair cost) is approximately equal to the influenceof uncertainty in the capacity of building assemblies to resist the damage. Therefore, becausethe analysis of the relation between ground motion variability and the variability related to theconstruction properties is outside the scope of our study, here we assumed that the values ofstandard deviations given by Liao et al. [45] may be used to represent only uncertainty in theseismic capacity. The parameters of fragility curves, which were taken from Ref. [45] (TableIV, high-code variant), are listed in Table 2. The values of replacement cost (RC) for everytype of building were assigned arbitrarily (see Table 2); the total replacement cost for theportfolio containing 5,478 buildings was 5,077 Mln$.16410


Type of construction, theirnumber NConcrete moment,1-3 stories, N=2064Steel braced frame,4-7 stories, N=2783Frame with shear wall,more than 8 stories,N=631Median PGA (g) for damage statesSlight Moderate Extensive CompleteBuildings, Liao et al. [45]Replacementcost, Mln$0.33 0.53 0.65 0.71 0.50.30 0.53 0.71 0.83 1.00.33 0.53 0.73 0.85 2.0Deviation, 0.50 0.43 0.40 0.40Type 4, multiple-span,simply supported superstructure,pier wall, N=3Type 6, multiple-span,continuous super-structure,multiple column belt, N=2Bridges, Liao and Loh [50]0.20 0.30 0.38 0.500.23 0.38 0.53 0.70Deviation, 0.50 0.43 0.40 0.40Table 2. Parameters of fragility curves for constructions, as considered in this study.As has been noted in Ref. [37], the development of damage-loss functions for various typesof structures is a demanding task. Such conversions have been performed in some of the abovementionedstudies using the regional damage ratio models based either on (a) ModifiedMercalli intensities that were calculated directly [14] or estimated from the PGA values [35] oron (b) pseudo-spectral acceleration [12, 37]. In our study, the conversion of damage tomonetary loss was performed using Equation 9. The cost ratios of loss to rebuilding for eachdamage state were adopted from HAZUS, with 0.02 for slight damage, 0.1 for moderatedamage, 0.5 for extensive damage and 1.0 for complete damage. Crowley et al. [47] discussedthe sensitivity of the losses to variations of damage-loss conversion by applying another set ofcost ratios: 0.15 for slight damage, 0.3 for moderate damage, and 1.0 for both complete andextensive damage. We applied both sets in our analyses, and the variants of the damage-lossconversion are called DLC1 and DLC2, respectively.For a given ground motion amplitude generated for a cell, a single value of expected directloss EDL i,j was estimated for every building. The loss values, which had been estimated for allbuildings within a particular cell, were summarised to obtain a cell-specific loss. Then, a singletotal loss amount for a given generation of the ground motion distribution was obtained as thesum of losses from all cells,LOSSN C N Bi1 j1EDL i, (11)where N B is the number of buildings within the cell j, and N C is the total number of cells.The generated set of total loss values (10,000 generations) is used for the estimation of theProbability Density Function (PDF) and Cumulative Probability Function (CPF) and theanalysis of the parameters of loss distribution. In this study, we did not take into account thestructure-to-structure loss correlation of damage (e.g., Bazzurro and Luco [49]; Lee andKiremidjian [34]) and the uncertainty of replacement costs (e.g., Porter et al. [48])., j11165


Some applications require assessing the probability that a specific event will occur during acertain condition at least once or that several such events will occur simultaneously. Forexample, there may be an interest in knowing whether the vulnerable elements of a lifelinenetwork (e.g., bridges) are likely to be simultaneously damaged during an earthquake or at leastwhether one element will be damaged (e.g., [14]). To analyse such cases, we considered fivebridges located within the area (Figure 4b). The corresponding characteristics of the bridgeswere taken from Liao and Loh [50]. The damage for bridges was estimated using HAZUSrecommendations (see also [51, 52]) as follows:RCR RCR P [ DS | IM ]Tall DS iii, (12)where RCR T is the total repair cost ratio, RCR i is the repair cost ratio or damage factor (i.e.,the fraction of the replacement cost for the i th damage mode) and P [ DSi | IM ] is theprobability of being in damage state DS i for a given ground motion level IM. Each damage stateexpresses a range of repair cost ratios, and the so-called best mean repair cost ratio or centraldamage factor is used in the calculations. Stergiou and Kiremidjian [52] provided amethodology for modelling the uncertainty in repair cost ratios; however, in this work, we useonly the best mean values.4 RESULTS AND DISCUSSIONWe considered the following parameters of loss distribution: the mean value of lossLOSSMEANNi1LOSSiN , where LOSS i is the total loss value for the i simulation, and N is thetotal number of simulations; the standard deviation of the loss distribution LD; the coefficientof variation CV LOSSLD MEAN; the median value for which the cumulative probabilityfunction equals 0.5; and the particular values of loss with a certain probability of not beingexceeded, e.g., 90% (LP 90 ) or 99% (LP 99 ).Let us first analyse the parameters of loss distribution for two extreme cases: (1) where allthe variability is between earthquakes (σ Τ = 0, ρη = 1.0); and (2) where all the variability iswithin earthquakes (σ η = 0, ρη = 0.0). Figure 5 shows the PDF and CDF plots for the cases, andTable 3 summarises the characteristics of the distribution.ParameterAll of the variability isbetween earthquakesAll of the variability iswithin earthquakesMean value,Mln$Median value,Mln$StandarddeviationCoefficientof variation146 / 395 290 / 550 145 / 390 285 / 55074 / 295 73 / 295 145 / 390 284 / 550200 / 330 535 / 690 13 / 22 35 / 451.36 / 0.84 1.84 / 1.24 0.093 / 0.056 0.124 / 0.082Table 3. Characteristics of total loss distribution for the extreme cases (variants DLC1 / DLC2).16612


For every particular generation (earthquake scenario), the between-earthquake variabilitywill change the level of ground motion at all locations in similar ways (i.e., the level will belower or higher than the median estimates from the predictive equations). A larger level ofground motion at all locations will cause greater damage everywhere and higher total lossvalues, and vice versa. Thus, if all of the ground motion variability is treated as between-event(ρ η = 1.0), this would lead to a high variability of total loss. The mean and the median values ofpossible losses are not equal to each other in this case.Figure 5. Characteristics of loss distribution (Probability Distribution Functions, PDF, and CumulativeProbability Functions, CPF) for the extreme cases estimated using 10,000 simulations.For every particular generation, the within-earthquake variability will lead to fluctuations ofground motion from one location to another, stronger than the median estimates at one site andweaker at another site (Figure 3b). Even if the large level of ground motion causes substantialdamage at some locations, the damage at other locations may be small. Thus, if all of theground motion variability is treated as within-earthquake (ρ η = 0.0), the variability of the total13167


loss would be smaller than that for the other extreme case (all of the variability is betweenearthquakes) analysed above. However, the median values, which are affected by particularlygreat losses, are larger than those for the case of only between-earthquake variability. Note thatthe mean and median values of possible losses are equal in this case.As expected (as in Ref. [10]), the mean values of loss are not influenced by the betweenearthquakecorrelation ρ η . The DLC2 variant of damage-loss conversion, which assumes thehigher cost ratios, causes larger mean and median values of total loss, as well as a largerstandard deviation, than the DLC1 variant (see also Ref. [47]). However, the coefficient ofvariation is smaller in the case of the higher cost ratios (DLC2), which means a smaller risk ofrelatively large values of loss, compared with the mean values. T 2 0.16 and various ratios of2 2R BW Let us jointly consider both the components of variability (within-earthquake and betweenearthquake)and the site-to-site (spatial) correlation. Here, we accepted a total variance of(between-earthquake variation / withinearthquakevariation), namely, 0.1, 0.2, 0.3, 0.45, 0.75, and 1.0, which correspond to thefollowing values of between-earthquake correlation 2 2T : 0.09, 0.17, 0.23, 0.31,0.43, and 0.5. The correlation distances CD vary from 5 km to 30 km. We also consider a caseof prefect correlation (i.e., ) for all separation distances , and a case of spatially ( ) 1 ( ) 0uncorrelated ground motion (i.e., ) for all separation distances except for = 0 km.Obviously, the perfect spatial correlation should be considered an unrealistic and extreme case,and it was included here only for comparison purposes.The results of the calculations are shown in Figure 6. While the mean values of possible lossdo not show any dependence on the ratios of R BW and the correlation distances, the otherparameters of loss distribution vary over wide ranges when considering different characteristicsof the inter-event correlation and spatial correlation. Table 4 presents a quantitative descriptionof variations in the characteristics of loss distribution relative to the base values. The basevalues correspond to the smallest between-earthquake correlation (ρ η = 0.09) and spatiallyuncorrelated ground motion. When considering the observed ranges of the characteristics ofground motion correlation, the variations in the loss characteristics due to a combined influenceof the between-earthquake correlation and the spatial correlation may be as high as 40% formedian values, 330% for standard deviations and 300% or more for particular values of losswith certain probabilities of not being exceeded (e.g., P < 99 %).However, by separately comparing the variations of loss characteristics due to betweenearthquakecorrelation ρ η alone and due to spatial correlation ()alone, it can be observedthat variations in the ()functions (correlation distances) lead to larger changes in the losscharacteristics than variations in the ρ η values. If the correlation distance changes from 0 km to30 km, the median loss decreases by 40%, while changes of the between-earthquake correlationfrom 0.09 to 0.5 reduce the medial loss by only 28%. The correspondingt variations of standarddeviation are about 300% and 240%, and the variations of the loss values for the 0.99probability of not being exceeded are about 270% and 210%.16814


(2 2R BW 22T)Correlation distance, km0.0 5.0 15.0 30.0 PerfectMedian loss0.10 (0.09) 1.00 / 1.00 0.83 / 0.91 0.72 / 0.85 0.61 / 0.78 0.47 / 0.680.20 (0.17) 0.97 / 0.98 0.81 / 0.89 0.71 / 0.83 0.59 / 0.77 0.46 / 0.680.30 (0.23) 0.92 / 0.94 0.77 /0.86 0.67 / 0.81 0.56 / 0.75 0.44 / 0.670.45 (0.31) 0.85 / 0.91 0.74 / 0.85 0.66 / 0.80 0.56 / 0.75 0.43 / 0.670.75 (0.43) 0.77 / 0.86 0.67 / 0.82 0.59 / 0.77 0.53 / 0.73 0.42 / 0.661.00 (0.50) 0.72 / 0.84 0.63 / 0.78 0.58 / 0.75 0.51 / 0.71 0.41 / 0.66Standard deviation0.10 (0.09) 1.00 / 1.00 1.96 / 1.63 2.47 / 2.00 2.98 / 2.38 3.87 / 3.000.20 (0.17) 1.35 / 1.13 2.18 / 1.75 2.62 / 2.09 3.06 / 2.44 3.76 / 2.940.30 (0.23) 1.59 / 1.34 2.34 / 1.89 2.79 / 2.21 3.24 / 2.83 3.82 / 2.970.45 (0.31) 1.86 / 1.56 2.42 / 1.97 2.78 / 2.23 3.14 / 2.50 3.71 / 2.880.75 (0.43) 2.24 / 1.88 2.76 / 2.19 3.09 / 2.42 3.41 / 2.66 3.82 / 3.001.00 (0.50) 2.36 / 1.96 2.76 / 2.24 3.03 / 2.43 3.29 / 2.61 3.81 / 2.94Loss for probability P < 90 %0.10 (0.09) 1.00 / 1.00 1.28 / 1.26 1.42 / 1.38 1.56 / 1.50 1.68 / 1.660.20 (0.17) 1.16 / 1.13 1.37 / 1.33 1.50 / 1.41 1.59 / 1.54 1.69 / 1.670.30 (0.23) 1.22 / 1.20 1.41 / 1.36 1.51 / 1.43 1.61 / 1.56 1.70 / 1.670.45 (0.31) 1.30 / 1.26 1.47 / 1.41 1.54 / 1.49 1.64 / 1.57 1.71 / 1.680.75 (0.43) 1.38 / 1.33 1.48 / 1.44 1.57 / 1.52 1.66 / 1.60 1.72 / 1.681.00 (0.50) 1.44 / 1.39 1.50 / 1.49 1.58 / 1.54 1.68 / 1.62 1.74 / 1.68Loss for probability P < 99 %0.10 (0.09) 1.00 / 1.00 1.74 / 1.52 2.20 / 1.82 2.66 / 2.12 3.62 / 2.740.20 (0.17) 1.22 / 1.15 1.85 / 1.60 2.24 / 1.87 2.70 / 2.14 3.62 / 2.740.30 (0.23) 1.40 / 1.29 2.06 / 1.74 2.46 / 1.99 2.75 / 2.19 3.61 / 2.750.45 (0.31) 1.62 / 1.45 2.13 / 1.80 2.45 / 2.02 2.87 / 2.23 3.62 / 2.750.75 (0.43) 1.98 / 1.71 2.40 / 1.98 2.67 / 2.15 2.91 / 2.32 3.61 / 2.761.00 (0.50) 2.06 / 1.76 2.44 / 2.08 2.69 / 2.22 2.94 / 2.35 3.62 / 2.76Table 4. Changes in the characteristics of loss distribution relative to the base values, which correspond to thesmallest between-earthquake correlation (ρ η = 0.09) and spatially uncorrelated (correlation distance 0 km) groundmotion (variants DLC1 / DLC2).15169


Figure 6. Parameters of loss distribution estimated for various correlation distances CD and ratios R BW = σ η /σ Τ(between-earthquake variation / within-earthquake variation). Variants DLC1 and DLC2 denote the damage-lossconversion models adopted from HAZUS and proposed by Crowley et al. [47], respectively.The DLC2 variant of damage-loss conversion (Figure 6b), which assumes the higher costratios, caused larger mean and median values of the total loss, as well as a larger standarddeviation, than the DLC1 variant (Figure 6a). Again, the accepted full-scale variations (i.e.,changes within considered limits) in site-to-site correlation lead to larger changes in the losscharacteristics than the accepted full-scale variations in the between-earthquake correlation.However, the range of the changes is smaller than that for the DLC1 variant.Bearing in mind the importance of site-to-site correlation, we also analysed the influence ofthe shape of the correlation function. Figure 1a shows the examples of correlation models thatare characterised by almost equal correlation distances (about 27 km) but in which the shapesof the functions are different. Table 5 summarises the characteristics of loss distributioncalculated using these models of spatial correlation. Goda & Hong’s model, which is17016


characterised by a relatively rapid decrease of correlation with separation distance, resulted inlarger median loss values, smaller standard deviations, and smaller values of loss for certainprobabilities of not being exceeded than Wang & Takada’s model. The difference may reach23% for the median values, 14% for the standard deviation, and 15% for the 0.99 probability ofnot being exceeded. The influence of the shape of the spatial correlation function oncharacteristics of loss decreases with the increase of between-earthquake correlation. Therelation between the results of applying these two models is not surprising. The high rate ofdecrease in the site-to-site correlation with the separation distance would increase the influenceof within-earthquake variability, which in turn increases the possibility of large losses atparticular locations.Reference0.10(0.09)2 2R BW 0.20(0.17)0.30(0.23)( 20.45(0.31)Median loss2T)0.75(0.43)1.00(0.50)Goda & Hong [25] 118 116 113 108 102 98Wang & Takada [11] 96 94 92 88 84 82Ratio 1.229 1.234 1.228 1.227 1.214 1.195Standard deviationGoda & Hong [25] 230 240 250 260 265 280Wang & Takada [11] 275 280 290 295 298 300Ratio 0.836 0.857 0.862 0.881 0.889 0.933Loss for probability P < 90 %Goda & Hong [25] 470 480 490 500 510 515Wang & Takada [11] 507 510 515 520 525 525Ratio 0.927 0.941 0.951 0.962 0.971 0.981Loss for probability P < 99 %Goda & Hong [25] 1100 1170 1210 1250 1320 1380Wang & Takada [11] 1340 1380 1400 1430 1470 1490Ratio 0.821 0.848 0.864 0.874 0.898 0.926Table 5. Characteristics of total loss distribution evaluated using two models of spatial correlation with similarcorrelation distances (see Figure 1b).Now let us analyse the case when several critical elements (bridges) are located within theconsidered territory (Figure 4b). The classification of typical bridges in Taiwan is given byLiao and Loh [50], and we used two types of bridges, namely, Types 4C and 6C (Table 1 inRef. [50]). Note that here we did not consider uncertainties arising from the damage factor [52]and correlated damage states conditioned in ground motion [53].Figure 7 shows the probabilities of joint damage that are equal to or greater than 20% of thereplacement cost (damage ratio 0.2) and the probabilities that at least one bridge will be17171


damaged at this level. The expected time of bridge outage for this damage level (extensivedamage) is between 3 weeks and 3 months (see Ref. [51]). As can be seen from the figure, inthe considered case of several different bridges located a few kilometres from each other, thesite-to-site correlation plays a more important role in such estimations than the betweenearthquakecorrelation. In estimating the probability that at least one bridge will be damaged(Figure 7a), the possible variations in the between-earthquake correlation may be completelyneglected if the spatially correlated ground motions are used. The between-earthquakevariability reveals a slight influence on the probability only when considering spatiallyindependent ground motion. In contrast, an increase in the correlation distances, as well as anincrease in the between-earthquake correlation, would increase the probability of joint damage(Figures 7ab); however, the relative influences of the correlation characteristics are not thesame.Figure 7. Analysis of damage for critical elements of a network (bridges) that are located within the consideredterritory (Figure 4b). Probabilities that (a) at least one bridge will be damaged (damage ratio of 0.2) and (b, c) allbridges of different types will be damaged simultaneously.By separately comparing the variations of damage probabilities due only to betweenearthquakecorrelation ρ η and to spatial correlation (), it can be observed that variations inthe ()functions (correlation distances) lead to larger changes in the probabilities of jointdamage than variations in the ρ η values. Thus, for example, when the correlation distancechanges from 0.0 km to 30 km, the probability of joint damage for the bridges of Type 4 wouldincrease by 1.77 times, while the change of the between-earthquake correlation from 0.09 to 0.5increases the probability of joint damage only by 1.51 times (Figure 7b). The correspondingchanges in the probability of joint damage of all bridges are about 20 times and 13 times(Figure 7c).5 CONCLUSIONSIn this paper, we compared the effects of variations in the between-earthquake correlationand in the spatial (site-to-site) correlation of seismic ground motion on the uncertainty ofearthquake loss estimations for distributed portfolios and on the probability of damage forseveral critical elements of extended structures, e.g., bridges within a lifeline system. It hasbeen recently found that the parameters of ground motion correlation may vary over wideranges. To describe the variations, we considered the following boundary values that have beenreported in the literature: correlation distances (site-to-site correlation) varying from 0 km to 30km and between-earthquake correlation varying from 0.09 to 0.5. A single event, a so-calledscenario earthquake, was used as the source of seismic influence, and a set of hypothetical17218


uildings representing a real building stock was constructed based on typical buildings for theTaiwan area.The results of the modelling show that the proper consideration of (a) the betweenearthquakecorrelation and (b) the parameters of spatial correlation (correlation function() ) is very important when estimating seismic losses for distributed portfolios. Both typesof ground motion correlation affect the probability of joint damage and the characteristics ofloss distribution; the peculiarities of the influence were analysed and are described in literature.In our work, we showed that the relative influence of each type of correlation is not equal. Forthe considered case of a scenario earthquake, the full-scale variations (i.e., changes withinconsidered limits) in the correlation distance (spatial correlation) lead to larger variations in thecharacteristics of damage and loss than the full-scale variations of between-earthquakecorrelation. The difference is especially pronounced when considering the median values ofloss distribution or the probability that at least one critical element of a lifeline will bedamaged. When the spatial correlation of ground motion is used for such estimations, thepossible variations in the between-earthquake correlation may be neglected.The shape of the site-to-site correlation function, i.e., the rate of decrease of the coefficientof spatial correlation with separation distance, seems to also be important for the lossassessments when modelling spatially correlated ground motion fields. As expected, a high rateof decrease of the coefficient of spatial correlation with separation distance would increase theinfluence of within-earthquake variability and, in turn, would increase the possibility of largelosses at particular locations but decrease the variability of total loss.If information on correlation models is not available, it is necessary either to obtain upperand lower bound estimates by assuming the extreme characteristics of correlations or to makesome assumptions about correlations based on reported models. In this situation, it is necessaryto bear in mind that the spatial correlation of ground motion, in principle, depends on thechosen ground motion model. On the other hand, the correlation structure depends on the localgeology as well on peculiarities of the propagation path (azimuth-dependent attenuation) (e.g.,Sokolov et al. [29]). Thus, a single generalised model of spatial correlation may not beadequate for large areas.We realise, of course, that there are several limitations of our study. Our findings relate to asingle earthquake and to a relatively small area, the dimensions of which are comparable to themaximum value of correlation distance in the spatial correlation model. A comprehensiveanalysis requires considering territories of various sizes and various building densities, as wellas considering the influence from multiple earthquakes. The damage analysis was based onlyon peak ground acceleration, and it included some arbitrary assumptions about the parametersof fragility curves and replacement costs. Obviously, for practical calculations requiring theestimation of the absolute values of loss, these simplified assumptions have to be reconsidered.ACKNOWLEDGEMENTSThe authors would like to thank Julian J. Bommer for his thoughtful review comments andsuggestions, which significantly helped to improve the earliest version of the article. Theconstructive comments from anonymous reviewers are gratefully acknowledged. We wouldalso like to thank Chin-Hsun Yeh for providing necessary data used in this study, valuablecomments and suggestions. This work was sponsored by Deutsche Forschungsgemeinschaft(DFG), Germany, Project WE 1394/14-1.19173


REFERENCES[1] J.J. Bommer, F. Scherbaum, H. Bungum, F. Cotton, F. Sabetta and N.A. Abrahamson Onthe use of logic trees for ground motion-prediction equations in seismic-hazard analysis.Bulletin of Seismological Society of America, 95, 377-389, DOI: 10.1785/0120040073,2005.[2] M.T. Page and J.M. Carlson Methodologies for earthquake hazard assessment: modeluncertainty and the WGCEP-2002 forecast. Bulletin of Seismological Society ofAmerica, 96, 1624-1633, DOI: 10.1785/120050195, 2006.[3] Y.H. Li, B.P, Shi and J. Zhang Copula joint function and its application in probabilityseismic hazard analysis. Acta Seismologica Sinica, 21(3), 296-305, DOI:10.1007/s11589-008-0296-z, 2008.[4] F.O. Strasser, N.A. Abrahamson and J.J. Bommer Sigma: issues, insights, and challenges.Seismological Research Letters, 80(1), 40-56, DOI: 10.1785/gssrl.80.1.40, 2009.[5] D.R. Brillinger and H.K. Preisler An exploratory analysis of the Joyner-Boore attenuationdata Bulletin of Seismological Society of America, 74, 1441-1450, 1984.[6] D.R. Brillinger and H.K. Preisler Further analysis of the Joyner-Boore attenuation data.Bulletin of Seismological Society of America, 75, 611-614, 1985.[7] N.A. Abrahamson and R.R. Youngs A stable algorithm for regression analysis using therandom effects model. Bulletin of Seismological Society of America, 82, 505-510, 1992.[8] W.B. Joyner and D.M. Boore Methods for regression analysis of strong-motion data.Bulletin of Seismological Society of America, 83, 469-487, 1993.[9] C.C.P. Tsai, Y.H. Chen and C.H. Liu The path effect in ground-motion variability: anapplication of the variance-component technique. Bulletin of Seismological Society ofAmerica, 96, 1170-1176. DOI: 10.1785/0120050155, 2006.[10] R.L. Wesson and D.M. Perkins Spatial correlation of probabilistic earthquake groundmotion and loss. Bulletin of Seismological Society of America, 91, 1498-1515, DOI:10.1785/0120000284, 2001.[11] M. Wang and T. Takada Macrospatial correlation model of seismic ground motions.Earthquake Spectra, 21(4), 1137-1156, DOI: 10.1193/1.2083887, 2005.[12] J. Park , P. Bazzurro and J.W. Baker Modeling spatial correlation of ground motionintensity measures for regional seismic hazard and portfolio loss estimations.Applications of Statistics and Probability in Civil Engineering. Kanda, Takada & Furutaeds., Taylor & Francis Group, London, 1-8., 2007.[13] D.A. Rhoades and G.H. McVerry Joint hazard of earthquake shaking at two or morelocations. Earthquake Spectra, 17(4), 697-710, 2001.[14] G.H. McVerry, D.A. Rhoades and W.D. Smith Joint hazard of earthquake shaking atmultiple locations. Proc. 13th World Conference on Earthquake Engineering,Vancouver, Canada, August 1-6, Paper 646, 2004.[15] D.M. Boore, W.B. Joyner WB and T.E. Fumal Equations for estimating horizontalresponse spectra and peak acceleration from western North American earthquakes: asummary of recent work. Seismological Research Letters, 68, 128-153, 1997[16] J. Douglas Earthquake ground motion estimation using strong-motion records: a reviewof equations for estimation of peak ground acceleration and spectral ordinates. EarthScience Reviews, 61, 43-104, 2003.[17] J. Douglas Errata and additions to 'Ground motion estimation equations 1966-2003',BRGM/RP-54603-FR, 2006.[18] N. Abrahamson, G. Atkinson, D. Boore, Y. Bozorgnia, K. Campbell, B. Chiou, I.M.Idriss, W. Silva and R. Youngs Comparison of the NGA ground-motion relations.Earthquake Spectra, 24 (1), 45-66, DOI: 10.1193/1.2924363, 2008.17420


[19] D.M. Boore, J.F. Gibbs, W.B. Joyner, J.C. Tinsley and D.J. Ponti Estimated groundmotion from the 1994 Northridge, California, Earthquake at the site of the Interstate 10and La Cienega Boulevard Bridge collapse. West Los Angeles, California. Bulletin ofSeismological Society of America, 93, 2737-2751, DOI: 10.1785/0120020197, 2003.[20] S. Hok and D.J. Wald Spatial variability of peak strong ground motions: implicationsfor ShakeMap interpolations. EOS, Transactions, American Geophysical Union, 84(46),F1121, 2003.[21] K.W. Lin, D. Wald, B. Worden and A.F. Shakal Progress toward quantifying CISNShakeMap uncertainty. Eighth National Conference on Earthquake Engineering, SanFrancisco, California, April 18-21, 2006.[22] H. Kawakami and H. Mogi Analyzing spatial intraevent variability of peak groundaccelerations as a function of separation distance. Bulletin of Seismological Society ofAmerica, 93, 1079-1090, DOI: 10.1785/0120020026. 2003.[23] J.R. Evans and J.W Baker Spatial Correlation of Ground Motions in NGA Data.American Geophysical Union, Fall Meeting, abstract #S12B-01 2006.[24] M. Power, B. Chiou, N. Abrahamson, Y. Bozorgnia, T. Shantz and C. Roblee Anoverview of the NGA Project. Earthquake Spectra, 24(1), 3-21, DOI:10.1193/1.2894833, 2008.[25] K. Goda and H.P. Hong Spatial correlation of peak ground motions and responsespectra. Bulletin of Seismological Society of America, 98, 354-365, DOI:10.1785/0120070078, 2008.[26] N. Jayaram and J.W. Baker Correlation model for spatially-distributed ground-motionintensities. Earthquake Engineering and Structural Dynamics, 38, 1687-1708, DOI10.1002/eqe.922 , 2009.[27] H.P. Hong, Y. Zhang and K. Goda Effect of spatial correlation on estimated groundmotion prediction equations. Bulletin of Seismological Society of America, 99, 928-934, DOI: 10.1785/0120080172, 2009.[28] K. Goda and G.M. Atkinson Probabilistic characterization of spatially correlatedresponse spectra for earthquakes in Japan. Bulletin of Seismological Society ofAmerica, 99, 3003-3020, DOI: 10.1785/0120090007, 2009.[29] V. Sokolov, F. Wenzel, W.Y. Jean and K.L. Wen Uncertainty and spatial correlation ofearthquake ground motion in Taiwan. Terrestial, Atmosperic and Oceanic Sciences (inpress), 2010.[30] J.W. Baker and N. Jayaram Effects of spatial correlation of ground motion parametersfor multi-site seismic risk assessment: Collaborative research with Stanford Universityand AIR. Final Technical Report. Report for U.S. Geological Survey NationalEarthquake Hazards Reduction Program (NEHRP) External Research Program Award07HQGR0031, 2009.[31] S. Midorikawa and Y. Ohtake Attenuation relationship for peak ground acceleration andvelocity considering attenuation characteristics for shallow and deeper earthquakes.Proceedings 11th Japan Earthquake Engineering Symposium, Vol. 1, 609-614 (inJapanese).[32] D.M. Boore and G.M. Atkinson Ground-motion prediction equations for the averagehorizontal component of PGA, PGV, and 5%-damped SA at spectral periods between0.01 s and 10.0 s. Earthquake Spectra, 24(1), 99-138, DOI: 10.1193/1.2830434, 2008.[33] R. Lee, A.S. Kiremidjian and E. Stergiou Uncertainty and correlation of networkcomponents losses for a spatially distributed system. Proceedings 13th WorldConference on Earthquake Engineering, Vancouver, Canada, August 1-6, Paper 989.2004.21175


[34] R. Lee and A.S. Kiremidjian Uncertainty and correlation for loss assessment of spatiallydistributed systems. Earthquake Spectra, 23, 753-770, DOI: 10.1193/1.2791001, 2007.[35] G.L. Molas, R. Anderson, P. Seneviratna and T. Winkler Uncertainty of portfolio lossestimates for large earthquakes. Proceedings of First European Conference onEarthquake Engineering and Seismology, Geneva, Switzerland, 3-8 September, Paper1117, 2006.[36] H. Crowley, J.J. Bommer and P.J. Stafford Recent developments in the treatment ofground- motion variability in earthquake loss model. Journal of EarthquakeEngineering, 12(S), 71-80, DOI: 10.1080/13632460802013529, 2008.[37] K. Goda and H.P. Hong Estimation of seismic loss for spatially distributed buildings.Earthquake Spectra, 24, 889-910, DOI: 10.1193/1.2983654, 2008.[38] J.J. Bommer and H. Crowley The influence of ground motion variability in earthquakeloss modelling. Bulletin of Earthquake Engineering, 4(3), 231-248, DOI:10.1007/s10518-006-9008-z, 2006.[39] H. Crowley and J.J. Bommer Modeling seismic hazard in earthquake loss models withspatially distributed exposure. Bulletin of Earthquake Engineering, 4(3): 249-273, DOI:10.1007/s 10518-006-9009-y, 2006.[40] J.J. Bommer, J. Douglas and F.O. Strasser Style-of-faulting in ground motion predictionequations. Bulletin of Earthquake Engineering, 1, 171-203, DOI:10.1023/A:1026323123154, 2003.[41] G.M. Atkinson Single-station sigma. Bulletin of Seismological Society of America, 96,446-455. DOI: 10.1785/0120050137, 2006.[42] N. Morikawa, T. Kanno, A. Narita, H. Fujiwara, T. Okumura, Y. Fukushima and A.Guerpinar Strong motion uncertainty determined from observed records by densenetwork in Japan. Journal of Seismology, 12, 529-546, DOI: 10.1007/sl0950-008-9106-2, 2008.[43] R.B. Nelsen An Introduction to Copulas. Springer Series in Statistics. New York, 269p,2006.[44] M.E. Johnson Multivariate statistical simulation. Wiley Series in Probability andMathematical Statistics, Los Alamos National Laboratory, Los Alamos, NM, 1987.[45] W.I. Liao, C.H. Loh and K.C. Tsai Study of the fragility of building structures inTaiwan. Natural Hazards, 37(1-2), 55-69, DOI: 10.1007/s11069-005-4656-x, 2006.[46] FEMA HAZUS-MH MRS, Technical Manual. Federal Emergency ManagementAgency, Washington DC, 2003.[47] H. Crowley, J.J. Bommer, R. Pihno and J. Bird The impact of epistemic uncertainty onan earthquake loss model. Earthquake Engineering and Structural Dynamics, 34, 1653-1685, DOI: 10.1002/eqe.498, 2005.[48] K. Porter, J.L. Beck and R.V. Shaikhitdinov Sensitivity of building loss estimates tomajor uncertain variables. Earthquake Spectra, 18, 719-743, DOI: 10.1193/1.1516201,2002.[49] P. Bazzurro and N. Luco Accounting for uncertainty and correlation in earthquake lossestimation. Proceedings of 9th International Conference on Safety and Reliability ofEngineering Systems and Structures (ICOSSAR), Rome, Italy, 2005.[50] W.I. Liao and C.H. Loh Preliminary study of the fragility curves for highway bridges inTaiwan. Journal of Chinese Institute of Engineers, 27(3), 367-375, 2004.[51] J.B. Mander Fragility curve development for assessing the seismic vulnerability ofhighway bridges. University at Buffalo, State University of New York, MCEERResearch Progress and Accomplishments, Research Summary 1997-1999, Available inhttp://mceer.buffalo.edu/publications/resaccom/99-sp01/chl0mand.pdf, 1999.17622


[52] E. Stergiou and A.S. Kiremidjian Treatment of uncertainties in seismic risk analysis oftransportation systems. The John A Blume Earthquake Engineering Center, Report 154,2006.[53] R. Lee and A.S. Kiremidian A loss analysis method and evaluation for correlatedbridges in a transportation network. Proceedings of First European Conference onEarthquake Engineering and Seismology, Geneva, Switzerland, 3-8 September, Paper1663, 2006.23177


178Systemidentifikation unddynamische Messungen


12. D-A-<strong>CH</strong> Tagung – Erdbeben und BaudynamikC. Könke (Hrsg.)Hannover, Deutschland, 15.–16. September <strong>2011</strong>Systemidentifikation zu einer speziellen Schwingungsanregungvon PapiermaschinenKarlheinz Beyer*, Silke Appel*, Joachim Fiedler ***Müller BBM GmbH Niederlassung BFB StuttgartSchwieberdinger Straße 62, 70435 StuttgartE-mail: karlheinz.beyer@muellerbbm.de** Felix Schoeller Service GmbH & Co. KGBurg Gretesch, 49086 OsnabrückKeywords: Papiermaschinen, Stoffauflauf, Pressenpartie, Filzumlauf.Schwingungsanforderungen, Walzenunwuchten, FilzbarringPapierfehleranalyse, Odin, TapioIntegrales Maß für die SchwingungshöheRechnerische Untersuchungen, Kopplung von Baukörpern, BaugrundVergleich von Prognose und NachmessungAbstract: The demand of higher productivity and higher quality in paper production provokeddisturbances in paper density in higher multiples of felt cycles. The same pattern showed up inflowbox vibrations, their source identified as impacts of the felt seam on press rolls. “Tapio”analysis of paper quality and the analysis of the structural behaviour of the machine foundationby vibration measurements and by computation led to the coupling of machine foundation andbuilding structure as a technically and economically efficient structural modification. Therealisation of the measures was preceded by a test installation. Measurements at the test phaseand after final realisation confirmed the computational prognosis of the vibration level.1179


1 EINFÜHRUNGDurch höhere Produktivität in der Papierherstellung und durch die Umstellung auf neuePapiersorten steigen die Anforderungen auch an bestehende Papiermaschinen. Dabei ist dasSchwingungsverhalten von Fundament und Maschine neben der Papiertechnologie maßgebendfür die Qualität des Produktes.Bis vor kurzem war es gängige Praxis, die dynamische Qualität des Maschinenfundamentsanhand von Anforderungen der Maschinenhersteller an das Schwingungsniveau unter typischenLastansätzen aus Walzenunwuchten in relativ niederen Frequenzbereichen vorzunehmen.Dabei bleiben höhere Harmonische der Unwuchten, Lagereffekte und auch Emissionen ausAntrieben unberücksichtigt. Die Überlagerung der Einwirkungen erfolgte meist nach technischenRichtlinien der Maschinenhersteller.Im Zuge der Umstellung von Papiermaschinen auf die Produktion neuartiger, hinsichtlichder Anforderungen an Farbdichte und Opazität besonders anspruchsvoller Papiersorten traten inder Papierstruktur bei höheren Produktionsgeschwindigkeiten Störungen – so genannteQuerschläge - zutage, für die zunächst eine Frequenz von 50.2 Hz angegeben wurde. GenauereUntersuchungen deuteten auf periodische Stöße als Erreger hin. Im vorliegenden Fall war esdas Filzbarring, bei dem die Naht eines Tragfilzes des noch nassen und weichen Papierstoffsbeim Durchlauf durch zwei Presswalzen diese und damit das Presswerk sowie das unterstützendeFundament mit einer Umlaufperiode von ca. 2.5 s stoßförmig erregt 1 . Die Harmonischendieser Anregung waren sowohl in den Strukturschwingungen wie auch, teilweise mit gutübereinstimmender Charakteristik, in Messungen zur Papierqualität bis zu Frequenzen um 100Hz, d.h. bis zu den 200-sten Harmonischen und darüber hinaus sichtbar. Diese Schwingungendes Maschinenfundaments stellten sich für gesonderte Bauteile als Fußpunkterregungen dar mitder Folge unvermeidbarer Resonanzen.Ein gängiges Prinzip bei der Konstruktion von Papiermaschinenfundamenten geht dahin,unterschiedliche Sektionen des Fundaments mit unterschiedlicher Nutzungscharakteristik undmit teilweise sehr deutlich unterschiedlichen Anforderungen an die Schwingungsruhe voneinanderzu trennen und diese Trennung auch gegenüber der umgebenden Gebäudestruktur vorzunehmen.Die umgebende Struktur mit vielfältigen Nutzungstypen wie z.B. schweren Transporten,Montage- und Wartungsarbeiten sowie mit Bereichen zur Aufstellung von Antrieben undähnlichen Schwingungsemittenten wird dabei im Allgemeinen nicht in besonderem Maße aufSchwingungsruhe ausgelegt.Dabei wird in Kauf genommen, dass die strukturelle Trennung zwar manche Störungenabschirmt, dass aber die Widerstandsfähigkeit der kleineren Struktureinheiten gegenüberErschütterungseinwirkungen im Verhältnis zu den Einwirkungen oftmals geringer ist.Nachfolgend wird eine Situation beschrieben, in der Schwingungen am Stoffauflauf alssensibelstem Teil einer Papiermaschine bei zwei Anlagen – von denen eine hier behandelt wird- zu einer Minderung der Papierqualität führten. Die Herstellerseits definierten Anforderungenan die Schwingungsruhe des Stoffauflaufs waren unbestritten eingehalten. Der Frequenzbereichder Störungen lag in einem Fall um 30 Hz, im anderen, auf den hier weiter eingegangen wird,um 50 Hz.1 Die Filznaht kann aus technologischen Gründen nicht in beliebigen Winkel gefertigt werden, sondern verläuftmit nur geringem Versatz senkrecht zur Produktionsrichtung.1802


Abb. 1-1Teilbereich einer Papiermaschine (Stoffauflauf, Sieb, Presswerke) mit StB- Maschinenfundament.Fundamentbalken nicht dargestellt.Messpunkte mit Messrichtungen (Z=VD, N=MD, E=CD)Ganz rechts der Stoffauflauf auf einem erhöhten Sockel, anschließen das zweigeteilte Sieb und dann dasPresswerk. Links schließt sich auf einem abgetrennten Fundament die Trockenpartie an.Der Stoffauflauf ist mit dem Sieb und mit der Pressenpartie auf einem Fundamentabschnittgelagert. Am Stoffauflauf wird der wässerige Papierstoff über ein hydraulisches System infeinem, über die Papierbreite örtlich und zeitlich möglichst gleichmäßigem Strahl auf das Siebgebracht. Dort wurden schon im aller ersten Abschnitt bei einer Produktionsgeschwindigkeitvon 350 m/min mit Durchlichtmessungen die besagten Opazitätsschwankungen festgestellt, dieauch später im fertigen Papier mittels so genannter Tapio-Analysen 2 bestätigt wurden. Esbestand die Absicht, die Anlage mit deutlich höheren Geschwindigkeiten zu betreiben.Über die Kammweite der Störungen von 0.432567 Hz 3 und über die Papiergeschwindigkeitenin den einzelnen Presswerken konnte hier der durch die zweite Presse laufende Filz überseine Länge als Verursacher identifiziert werden. Dieser Bereich ist in Fehler! Verweisquellekonnte nicht gefunden werden. durch die Messpunkte 83 und 84 gekennzeichnet. Durch dasAuftauchen der Störungen in den Durchlichtmessungen am Odin-Messpunkt 101 wurde derStoffauflauf als Ort der Fehlerbildung dingfest gemacht.2 Die Tapio Papierproben Analyse erfasst Qualitätsparameter wie: Flächengewicht, den Aschegehalt, Dicke,Glanz, Opazität, Remission, Dichte und Porosität.Quelle: Tapioanalysen, VOITH Paper3 Die Frequenzauflösung der Analyse betrug 0.00143.. Hz. Die über diese Genauigkeit hinausgehende Angabe derErregerfrequenz beruht auf einer Anpassung an die gemessenen Harmonischen.3181


Abb. 1-2 Versuch V1 – MP 41ZAnalyse Δf=0.0014 HzGemessene SchwingschnelleStA VorderwandGrundharmonische: 0.432567 HzDarstellungsbereich 40- 60 HzΔf=0.5 Hz/2 HzAbb. 1-3 Versuch V1Odin – Messung (Durchlicht).Abb. 1-4 Tapio-AnalyseFrequenzspektrum desFlächengewichts (VOITH 4 )40 – 60 HzSeitenbänder 0.4334 Hz4 „Tapio Längsprofil (MD) Analyse “, VOITH Paper1824


2 ÜBERTRAGUNGSVERHALTEN DES FUNDAMENTRAHMENSDa die Übertragung der Schwingungen offenkundig über das Maschinenfundament erfolgte,und diese Schwingungen ursächlich für die ungenügende Papierqualität war, bestand dieAufgabe, am Maschinenfundament – möglicherweise einschließlich des Fundaments für denStoffauflauf – Veränderungen mit dem Ziel einer genügenden Qualität bei Papiergeschwindigkeitenbis ca. 450 m/min vorzuschlagen. Ein plausibles physikalisches Modell zur Entstehungder Störungen lag auch seitens des Maschinenherstellers und der Papiertechnologen nicht vor.Es musste berücksichtigt werden, dass das Maschinenfundament mit seiner Bodenplatte (Dicke0.8 m) auf einer ca. 1.0 m mächtigen Magerbetonschicht mit darunter liegendem Geschiebemergelmit steif bis halbfester Konsistenz gelagert war.Zur Analyse der Möglichkeiten zur Ertüchtigung wurden Schwingungsmessungen auf demStahlbetonrahmen durchgeführt. Dabei wurde in Hinblick auf eine spätere rechnerische Simulationinsbesondere das Übertragungsverhalten der horizontalen Rahmenschwingungen vomLager der zweiten Presse auf dem Maschinenbalken (MP87) zum Fußpunkt des Stoffauflauf-Fundaments (MP 17) untersucht, aber auch das Mitschwingen der Stützenfußpunkte oberhalbder Bodenplatte (MP 501 und 502). Auf dem Stoffauflauf wurden die Messpunkte MP 11, 21und 41 eingerichtet. Die Messungen auf dem StB-Fundament erfolgte mit GeschwindigkeitsaufnehmernLennartz LE3D 5 , diejenigen an Maschinenteilen mit BeschleunigungsaufnehmernMetra KB 12VB 6 .Abb. 2-1 Übertragungsverhältnisse der Messwerte in N-Richtung bei Papiergeschwindigkeit 350 m/minDie horizontalen Schwingungen wurden im kritischen Frequenzbereich (40 – 60 Hz) imObergurt des Stahlbetonrahmens (Maschinenbalken) von der Presse zum Stoffauflauf ohneAbminderung übertragen. An den Stützenfußpunkten des Maschinenfundaments betrugen dieErschütterungen ca. 35%, an der Stoffauflauf-Vorderwand ca. 200% bis 300% der Schwingungenauf dem Maschinenbalken (Ergebnisse für Papiergeschwindigkeit 350 m/min).Ansonsten wurde der fragliche Frequenzbereich durch eine Eigenfrequenz des Stoffauflaufs bei5 Empfindlichkeit 400 V/(m/s), 1-80 (100) Hz6 Empfindlichkeit 10 V/g5183


48 Hz mit um die Vertikale rotatorischer Schwingungsform auffällig. Weitere auffälligeFrequenzen z.B. bei 56.5 Hz konnten im Rahmen dieser Untersuchung nicht weiter zugeordnetwerden, gingen aber in die summarischen Bewertungsgröße Q ein.Abb. 2-2 Schmalbandspektren 40 – 60 Hzlinks: MP 503N (Stütze 2. Presse)rechts: MP 501N (Stütze StA)Versuch V30 (350 m/min)3 ABHÄNGIGKEIT DER ERS<strong>CH</strong>ÜTTERUNGSSTÄRKE VON DERPRODUKTIONSGES<strong>CH</strong>WINDIGKEIT – FORDERUNGEN AN DIEERTÜ<strong>CH</strong>TIGUNGDie Störungen traten nur bei höheren Produktionsgeschwindigkeiten ab 350 m/min auf. Bis320 m/min war das Papier nach Augenschein soweit fehlerfrei, dass keine weiteren Tapio-Untersuchungen durchgeführt wurden. Um diesem Befund nachzugehen, wurden für drei unterschiedlichePapiersorten jeweils drei Produktionsgeschwindigkeiten, 320 m/min, 350 m/minund 400 m/min, gefahren. Als Maß für die Veränderung der Schwingungseinwirkung auf diePapierqualität wurde wegen der Gleichförmigkeit von Fehlerspektrum und Spektrum derSchwingschnelle ein Energiemaß Q der Schwingschnelle (MD) am Messpunkt MP11 übereinen für maßgebend beurteilten Frequenzbereich um 50 Hz als wesentliche Einwirkungsgrößeherangezogen. Dabei ergab sich kein einheitliches, klares Wachstumsgesetz des Q-Wertes beiveränderlicher Siebgeschwindigkeit. Insbesondere ergab sich für die Papiere 1 und 3 keinesignifikante Änderung von Q mit der Siebgeschwindigkeit v. Für das Papier 2 konnte man ein –schwach begründetes - Wachstum Q ~ v n mit n = 4 bis 5 ableiten, hinter dem jedoch keinphysikalisches Modell stand. Dieses Gesetz wurde trotz seiner Schwächen benutzt, um eineWorst-Case-Prognose für eine Papiergeschwindigkeit von 450 m/min zu erstellen.1846


Abb. 3-1 Abhängigkeit desEinwirkungsparameters Q von derPapiergeschwindigkeitQ-Wert des MP 11 (MD)STA Seitenwand in [mm/s]Blau: Papier 1Hellrot: Papier 2Dunkelgrau:Grau: Papier 3Dunkelrot:MaschinenbalkenExtrapolation 450 m/minfür Papier 2:0.1 mm/s bis 0.13 mm/sAbszisse: Papiergeschwindigkeit [m/min]Um den erwarteten Ertüchtigungsaufwand zu rechtfertigen, war verlangt, fehlerfreies Papierder Sorte 2 bis 450 m/min Produktionsgeschwindigkeit zu gewährleisten. Dies führte zurForderung, das Erschütterungsmaß Q mit hinreichender Sicherheit vom Worst-Case-Wert unterden Wert Q= 0.04 mm/s (Papier 2 bei 350 m/min), d.h. um einen Faktor 3 zu mindern.Die Vorstellungen zur Ertüchtigung bestanden1. in einer – wesentlich horizontalen - Versteifung des Maschinenfundaments2. in einer – möglicherweise schritt weisen – Abtrennung des Stoffauflaufs und seinesFundaments vom restlichen Maschinenfundament, ggf. bei gleichzeitiger horizontalerAussteifung des abgetrennten Teils. 73. in einer Erhöhung der dynamischen Steifigkeit des Maschinenfundaments durchAnbindung an den umgebenden Hallenbereich mit dem dort im UG angesiedeltensogenannten Konstantteil der Papiermaschine, der Aufbereitungsanlage des Papiers.4 RE<strong>CH</strong>NERIS<strong>CH</strong>E SIMULATIONENUnter Berücksichtigung weiterer Messungen, die auch die Schwingungen der umgebendenGebäudestruktur im Bereich des Konstantteils sowie die Übertragung der „Barring-Schwingungen“ im Frequenzbereich um 50 Hz erfassten, wurde ein Rechenmodell für den Ist-Zustand erstellt. Die – wahrscheinlich – hauptsächlich über den Magerbeton und deneinschließenden Baugrund festgestellte Übertragung der Barring-Schwingungen auf dasFundament des Konstantteils wurde durch eine angepasste Kopplung in der Fundamentsohlesimuliert. Dabei konnte unter realistischen Annahmen sowohl die Phasenlage derSchwingungen auf dem Konstantteil wie auch die Verhältnisse der Amplituden imFundamentbereich und auf der Geschossdecke befriedigend wiedergegeben werden. Von7 Eine solche Ertüchtigung war an einer anderen Papiermaschine bei grundsätzlich gleichartiger Fehlercharakteristik,jedoch unter ansonsten anderen Voraussetzungen erfolgreich durchgeführt worden.7185


diesem Modell ausgehend wurden die Varianten zur Ertüchtigung untersucht und imWesentlichen auf der Basis von Frequenzgängen der horizontalen Antworten auf demStoffauflauf-Sockel bei horizontaler Anregung am Fußpunkt der zweiten Presse bewertet (Abb.4-1).1.21.0Relativverschiebung, horizontal(bezogen auf Ausgangszustand)0.80.60.40.20.00 10 20 30 40 50 60 70mit SchnittFrequenz in Hzmit Schnitt, Ankopplung BPLmit Schnitt, Ankopplung BPL und Deckeohne Schnitt, Ankopplung BPLohne Schnitt, Ankopplung BPL und Deckeohne Schnitt, Ankopplung DeckeBezug (aktueller Zustand)Abb. 4-1 Simulationsberechnungen: Verhältnisse der Frequenzgänge der Schwingungsantworten auf demFundament des Stoffauflaufs aus horizontaler Anregung am Fußpunkt Presse 2. Bezug: Ist-Zustand.Abszisse: Frequenz in [Hz]Gelb hinterlegt: Für das Filzbarring maßgebender Frequenzbereich.Legende Bezug: Ist-Zustand (=1)rothellgründunkelblauDunkelgrünhellblaubraunSchnitt bis OK Bodenplatte (BPL). Keine weiteren Maßnahmen zurAnbindung an Konstantteilzusätzlich steife Anbindung des Fundamentbalkens an die Fundamente desKonstantteilszusätzlich steife Anbindung des Maschinenbalkens an die Geschossdeckedes Konstantteilsohne Schnitt, nur steife Anbindung in der Geschossdeckeohne Schnitt, nur steife Anbindung im Fundamentbereichohne Schnitt, jedoch mit voller Anbindung des Masch.-Fundaments an denKonstantteilDiese Ergebnisse wurden unter Berücksichtigung von möglichen Modellierungsunschärfenwie folgt bewertet- Die Trennung des Stoffauflaufs vom restlichen Maschinenfundament bis zur Höhe OKFundamentplatte in Verbindung mit einer Anbindung des Maschinenfundaments an denFundament- und Deckenbereich des Konstantteils lieferte von allen untersuchten1868


Varianten auch unter Berücksichtigung von möglichen Prognoseunschärfen die stärksteAbminderung der auf den Stoffauflauf übertragenen Schwingungen.- Wir hielten es für möglich, dass eine Anbindung des Maschinenfundaments an denKonstantteil ohne eine Trennung des Stoffauflaufs vom restlichen Maschinenfundamentbereits hinreichende Verbesserungen des Schwingungsverhaltens bewirken würde.- Wir hielten es auch für möglich, dass allein der Schnitt ohne Anbindung an denKonstantteil zu hinreichenden Verbesserungen führen würde.Aus dieser Bewertung – ergänzt durch die Untersuchung des veränderten Fundaments unterLasten aus Walzenunwuchten und weiteren Erregungen einzelner Aggregate - folgte dieEmpfehlung, als Ertüchtigungsmaßnahme die Anbindung des Maschinenfundaments an denKonstantteil sowohl in Höhe der Geschossdecke (Maschinenbalken) wie auch in Höhe derFundamente zu realisieren. Eine zusätzliche Trennung des Stoffauflaufs vom restlichenMaschinenfundament sollte nur als spätere Option offen bleiben.Diese Empfehlung erfolgte auch unter den Aspekten einer einfach und schnell zu realisierendebaulichen Umsetzung sowie der Möglichkeit, unter leicht zu realisierendenVersuchsbedingungen ihre Wirksamkeit vor Durchführung der baulichen Arbeiten zuüberprüfen.5 PROBEINSTALLATIONBei Produktionsgeschwindigkeiten von350 m/min und 410 m/min wurde dieAnbindung des Maschinenfundaments an dieGeschossdecke des Konstantteils mittelsvorgespannten Industriekeilschuhen (BILZ)simuliert. Die vorgesehene Anbindung imBereich des Fundaments bliebunberücksichtigt. Die Keile wurden in dreiStufen vorgespannt.Abb. 5-1 Kopfseitige Fuge zwischenMaschinenfundament (links) und Gebäudedecke mitvorgespannten Keilschuhen9187


Abb. 5-2 TestmessungKeile loseQ = 0.064 mm/sAbb. 5-3Keile mit 210 Nm vorgespanntQ = 0.033 mm/sDie Ergebnisse lagen bei Abminderungen des Q-Wertes um den Faktor 2 bis 2.5. UnterBerücksichtigung der Umstände, dass die Anbindung in der Geschossdecke durch die Keilenoch unvollständig war und dass sie im Fundament überhaupt noch nicht vollzogen war,entsprach dieses Ergebnis hinreichend unseren Prognoseberechnungen, die für die vollständigeMaßnahme Abminderungen um den Faktor 2.5 bis 3 erwarten ließen.6 KONTROLLMESSUNGENDie vorgeschlagenen baulichen Maßnahmen sind inzwischen durchgeführt worden.Zusätzlich zur konstruktiven Anbindung der Geschossdecke und der Bodenplatte an dieStruktur des Konstantteils wurden weitere Veränderungen an der Maschine und auch amFundament des Stoffauflaufs vorgenommen. In die nach Abschluss der Arbeiten bei einerSiebgeschwindigkeit von 370 m/s durchgeführten Wiederholungsmessungen gingen dieseMaßnahmen ein. Die folgenden Veränderungen wurden vorgenommen- Einbau eines schwingungsarmen Filzes in Presse 2 mit weicherem Grundgewebe- Austausch der unteren Walze in der 2. Presse gegen eine baugleiche- Verlängerung der Seitenwände im StB-Fundamentrahmen unterhalb desStoffauflaufs18810


- Einbau einer größeren Mischpumpe mitsamt neuem StB-Fundament- Einbau stärkerer Motoren an einigen MaschinenkomponentenAbb. 6-1 Messung nach Abschlussder baulichen Maßnahmenv SIEB = 370 m/minQ = 0.02 mm/sDer Bewertungswert fiel mit Q=0.02 mm/s bei gleichen Auswerteparametern noch einmalgeringer aus als bei den Testversuchen. In Abb. 6-2 ist ein Vergleich der Abminderungen der(horizontalen) Q-Werte am Messpunkt 11 mit den rechnerischen Abminderungen derFrequenzgänge für dieselbe Bewegungsgröße dargestellt.Abb. 6-2 Vergleich der Messwerte mit den rechnerischen Prognosen.Diagramm-Linien: Veränderungen der Frequenzgänge, s. Abb. 4-1Ellipsen: Auf den Ursprungszustand bezogene Q-Wertedurchgezogen: v SIEB =350 m/min (3 Keile)gepunktet: v SIEB =410 m/min (5 Keile)Vollflächig rot: Nach Durchführung der baulichen MaßnahmenDie Übereinstimmung mit der errechneten Abminderung der Schwingungsgröße im Frequenzbereichum 50 Hz (braune Kurve in Abb. 6-2) ist nach unserer Beurteilung befriedigend.11189


Zusätzlich zeigte die Tapio-Analyse, dass das Filz-Barring der zweiten Presse keine Störungen(Querschläge) im Papier verursachte. Andere - geringfügige - Störungen waren teilweise bereitsvor den Maßnahmen vorhanden gewesen (Einwirkungen des Schüttelbocks) bzw. wurden neufestgestellt (Horizontalsichter bei 24.9 Hz).Für höhere Produktionsgeschwindigkeiten über 400 m/min liegen noch keine Erfahrungen mitkritischen Papiersorten vor. Von einer Abtrennung des Stoffauflaufs vom restlichen Fundamentals im Vorfeld favorisierter Lösung wird wohl abgesehen werden.7 Literatur und ReferenzenJ. Kolerus, Zustandsüberwachung von Maschinen, Expert Verlag, 2. Aufl.Finite Elemente Berechnungen: Nastran NX mit Femap 10.2.0Analysen Schwingungsmessungen: BFB Software19012


12. D-A-<strong>CH</strong> Tagung – Erdbeben und BaudynamikC. Könke (Hrsg.)Hannover, Deutschland, 15.–16. September <strong>2011</strong>UNTERSU<strong>CH</strong>UNGEN ZUM TRAGVERHALTEN EINES S<strong>CH</strong>WER-GEWI<strong>CH</strong>TSFUNDAMENTS FÜR OFFSHORE-WINDENERGIE-ANLAGEN MIT VERSU<strong>CH</strong>EN IM ORIGINALMASSSTABT. Bierer *, U. Hartwig* Ed. Züblin AG, Zentrale Technik, Albstadtweg 3, 70567 StuttgartE-mail: thorsten.bierer@zueblin.deKeywords: Offshore Schwergewichtsfundament, hochzyklische Belastung, Versuch imOriginalmaßstab, Porenwasserdruckakkumulation, Setzungsakkumulation, Monitoring.Abstract. Die Zentrale Technik (ZT) der Ed. Züblin AG hat ein flach-gegründetesSchwergewichtsfundament aus Spannbeton für Offshore Windenergieanlagen (OWEA) zurSerienproduktion entwickelt. Bisher gibt es für flach-gegründete Offshorebauwerke mithochzyklischer Belastung keine verifizierten und validierten Berechnungsverfahren für dieNachweisführung. Um das Tragverhalten des Schwergewichtsfundaments zu untersuchenwurde von der Ed. Züblin AG und der STRABAG Offshore Wind GmbH ein Testfundament imOriginalmaßstab in einer gefluteten Baugrube errichtet. Seit <strong>2011</strong> erfolgen umfangreicheVersuche, bei welchen Betriebs- und Sturmlasten über eine hydraulische Belastungseinrichtungsimuliert werden. Anhand der Messungen sollen mathematische und numerischeBerechnungsmodelle kalibriert und validiert werden, um diese für Prognosen undNachweisführungen verwenden zu können. Hier wird die Versuchseinrichtung desTestfundaments beschrieben und Ergebnisse aus den Untersuchungen werden vorgestellt.1191


1 EINLEITUNGDie deutsche Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt, den Umbau der Energieversorgungvon der Kernkraft und von der Verbrennung fossiler Energieträger auf regenerativeEnergieträger zu beschleunigen und unumkehrbar zu machen. Ein zuverlässigerEnergielieferant sind OWEAn, was den dringenden Bedarf begründet, den Ausbau vonOffshore-Windenergieparks schnellstmöglich voranzutreiben. Aktuell werden Anlagen mit 5-6 MW Leistung bei Wassertiefen von mehr als 40 m in der AWZ der Deutschen Nordseeprojektiert. Eine wirtschaftliche Gründungsvariante für diese Anlagen sind flach-gegründeteSchwergewichtsfundamente, wofür von der Ed. Züblin AG ein Konzept bis zurAusführungsreife entwickelt wurde.Innerhalb einer geplanten Lebensdauer von 20 - 25 Jahren werden die OWEA Gründungen„auf hoher See“ mit einer großen Anzahl von ca. 10 9 weitestgehend zyklischen Belastungen,insbesondere aus Wind und Wellen, beansprucht. Die Untersuchungen des Baugrundverhaltensunter diesen hochzyklischen Belastungen stehen im Fokus der Versuche im Originalmaßstabmit dem Testfundament in Cuxhaven.Für die geotechnischen Nachweise der Gebraustauglichkeit und der Tragfähigkeit vonhochzyklisch beanspruchten OWEA Schwergewichtsgründungen gibt es aktuell keinezertifizierte bzw. allgemein anerkannte Vorgehensweise. Der Einfluss der Zyklik wird beiaktuellen Bemessungen pauschal berücksichtigt. Eine mögliche Schiefstellung der OWEAinfolge unterschiedlicher Setzungen des Fundaments ist beispielsweise beim Nachweis derGebraustauglichkeit zu berücksichtigen. Die Porenwasserdruckakkumulationen müssen sobegrenzt bleiben, dass sich daraus keine signifikante Reduktion der Tragfähigkeit desBaugrunds ergibt. Die existierenden Modelle zur Berechnung der Setzungen und derPorenwasserdrücke infolge hochzyklischer Belastung basieren meist auf kleinmaßstäblichenVersuchen oder sie scheitern bisher noch an der Umsetzung mit numerischen Modellen.Deshalb ist auch die Validierung dieser Modelle anhand der Versuchsergebnisse mit demTestfundament von hohem Interesse. Ziel ist es schließlich diese Prognosemodelle in dieNachweisführung zu integrieren. Mit geeigneten Berechnungsmodellen ist es möglich, dasFundamentverhalten für Betriebs- und Sturmsituationen zu untersuchen und weiter dieFundamentstrukturen zu optimieren und ggf. andere Geometrien zu untersuchen.Nachfolgend wird der Versuchsstand mit dem Testfundament und seinen Spezifikationen,der hydraulischen Belastungsanlage, der Simulation von Betriebs- und Sturmereignissen undden geotechnischen Messungen beschrieben. Die von der ZT verwendeten Modelle für dieBerechnung der Setzungs- und Porenwasserdruckentwicklung werden vorgestellt. ErsteErgebnisse aus den bereits durchgeführten Versuchen werden gezeigt. Daraus lassen sichbereits Erkenntnisse für das Tragverhalten der Schwergewichtsfundamente ableiten.2 VERSU<strong>CH</strong>SSTAND TESTFUNDAMENT2.1 FundamentDas Testfundament ist in einer umspundeten Baugrube in unmittelbarer Nähe der inCuxhaven in die Nordsee mündenden Elbe errichtet. Die Baugrubensohle BGS liegt auf 3,0 munterhalb Normalhöhennull (NHN) und der mittlere Wasserstand in der Baugrube stellt sich inAbhängigkeit der Tide bei ca. + 2,0 m NHN ein, siehe Bild 1.1922


Die Abmessungen des Testfundaments entsprechen, bis auf die Schafthöhe, denAbmessungen der geplanten Fundamente von OWEAn, welche für eine Wassertiefe von ca.40 m und den Betrieb einer Turbine der 5-6 MW Klasse ausgelegt sind. Das Fundament bestehtaus zwei sich kreuzenden Stahlbetonhohlkästen mit jeweils 32,5 m Länge und einem Schaft,welcher am Fußpunkt einen Radius von 8,5 m aufweist. Über die an den Enden der Hohlkästenangeordneten Fundamentplatten mit einer Fläche von jeweils ca. 100 m² werden dieBelastungen in den Baugrund eingeleitet, siehe Bild 1 und Bild 2.Die Sohlspannung unter den Fundamentplatten der Testanlage beträgt incl. Sandfüllung derHohlkästen und des Schafts, und unter Berücksichtigung des Auftriebs in der Baugrube ca.200 kPa. Dies entspricht der Sohlspannung der für die Errichtung in der Nordsee geplantenOWEAn, infolge von Eigengewicht der kompletten Anlage incl. Turbine und Rotorblätter, undunter Berücksichtigung des Auftriebs.Umlaufend um die Fundamentplatten sind Stahlschürzen mit einer Einbindetiefe von 50 cmunter BGS angeordnet. Diese Stahlschürzen sollen auch an den Fundamentplatten der Anlagenin der Nordsee angebracht werden.2.2 Baugrund am VersuchsstandortAm gewählten Standort des Testfundaments stehen ab einer Tiefe von ca. -3,0 m NHNüberwiegend die für die Nordsee typischen enggestuften Fein- und Mittelsande an. DerFeinsand wird dabei ab einer Tiefe von ca. - 14 m NHN bis zu den mit Bohraufschlüssen undDrucksondierungen erkundeten Tiefen von ca. - 30 m NHN von gröberen Sanden unterlagert.Für die sichere Gründung der Anlagen in der Nordsee wird derzeit eine Lagerungsdichtedieser Sande vorausgesetzt, welche etwa dem Spitzenwiderstand bei einer Drucksonde von15 MPa entspricht [1]. Unterhalb des Testfundaments stehen die Sande bis in ca. – 6,0 m NHNin einer eher lockeren, darunter in mitteldichter Lagerung an. Mit zunehmender Tiefe nimmtdie Lagerungsdichte zu und ab den gröberen Sanden stehen diese entsprechend derDrucksondierungen weitestgehend dicht an. Exemplarisch sind das Bohrprofil und dieDrucksondierung unter der Fundamentplatte D im Bild 3 gezeigt.2 Stahlzugkabel(je 55 Litzen )BetonschaftSandballastWiderlagerBetonhohlkästen28 GEWI ® -PfähleSpundwandwassergefüllteBaugrubeBild 1: Schnitt durch den Versuchsstand.3193


FundamentpratzeCBetonschaftBetonhohlkästenDwassergefüllteBaugrubeBSandballastA2 Stahlzugkabel(je 55 Litzen )SpundwandWiderlager28 GEWI ® -PfähleBild 2: Draufsicht Versuchsstand mit Baugrube.Die Lagerungsdichte der Sande hat einen entscheidenden Einfluss auf das Tragverhalteninsbesondere bei zyklischen Belastungen mit fortschreitender Zyklenanzahl. DieLagerungsdichten sind unterhalb des Testfundaments geringer, als die des Baugrunds an denStandorten der geplanten Offshoreanlagen, siehe Bild 3. Daher kann davon ausgegangenwerden, dass sich für das Testfundament ein tendenziell ungünstigeres Tragverhalten ergibt [1].Für die verwendeten Prognosemodelle ist die Ermittlung der erforderlichenStoffgesetzparameter erforderlich, die Durchführung der dafür notwendigen zyklischenLaborversuche ist jedoch sehr aufwändig. Folglich wurde der Baugrund in die zweiHomogenbereiche „Feinsand“ (Tiefe 0 bis 13 m unter Gründungssohle) und „Mittelsand“(Tiefe 13 bis 23 m unter Gründungssohle) unterteilt. Für die Untersuchungen wurden jeweilsMischproben aus diesen beiden Homogenbereichen verwendet. Die Körnungslinien derMischproben sind in Bild 4 gezeigt.2.3 MessanlageUm das bodenmechanische Verhalten des Fundaments zu untersuchen, sind unter denFundamentplatten bis in eine Tiefe von - 18,5 m NHN in verschiedenen EbenenPorenwasserdruck- und Totalspannungsgeber eingebaut. Mit Vertikalextensometern werdenVerformungen einzelner Baugrundschichten bis in eine Tiefe – 27,0 m NHN gemessen. Mitweiteren Vertikal- und Horizontalextensometern und mit Inklinometern erfolgen Messungen1944


15 MPaBGS -3 m NHNBild 3: Baugrundprofil unter Fundamentplatte D, die Drucksondierung ist nicht bis zur vollen Tiefe gezeigt.FeinsandMittelsandBild 4: Körnungslinien der Mischproben „Feinsand“ und „Mittelsand“der Fundamentbewegungen. Insgesamt wurden dafür mehr als 150 Messaufnehmer und eineWetterstation von der Fa. Glötzl Gesellschaft für Baumesstechnik mbH installiert.Die Totalspannungsgeber können Änderungen in der Größenordnung von ca. 0,5 kPa, diePorenwasserdruckgeber von ca. 0,1 kPa (1 cm Wassersäule) erfassen. Mit den Extensometernkönnen Verformungsänderungen mit einer Genauigkeit von ca. 0,05 mm aufgelöst werden.Die Steuerung der zeitdiskreten und -synchronen Messungen erfolgt über einenZentralrechner und die GLA Software. Die Daten werden in Abhängigkeit der Lastprogramme5195


mit einer Abtastfrequenz von bis zu 3 Hz über mehrere Tage kontinuierlich erfasst. DieKontrolle der Messungen erfolgt vor Ort und online über den Zentralrechner, die Auswertungan den Arbeitsplätzen in Stuttgart.2.4 Hydraulische BelastungsanlageDie Lastaufbringung erfolgt über eine hydraulische Belastungseinrichtung, die von derFirma VSL Heavy Lifting aus der Schweiz konzipiert wurde. Im Wesentlichen besteht dieBelastungseinrichtung aus 4 hydraulischen Pumpen, zwei Litzenhebern bzw. hydraulischenPressen und 110 vorgespannten Stahllitzen (2 Stränge mit jeweils 55 Litzen). Die Litzensträngesind widerlagerseitig und am Fundamentschaft über Heberahmen gelenkig angeschlossen, sieheBild 1. Mit der Anlage können bei einer Periodendauer von T = 5 Sekunden Lasten mit400 kN/s und ab T =10 Sekunden mit 1100 kN/s aufgebracht werden. Die Belastungsanlage istfür eine maximale Last von 12000 kN und für insgesamt 1,15 Mio. Lastzyklen mitunterschiedlichen Amplituden ausgelegt.Das gewünschte Lastprogramm wird vor Ort in die Anlagensteuerung eingelesen und derBetrieb der Anlage wird personell und über eine aufwändige Steuerungssoftware im 24-Stundenbetrieb kontrolliert. Weiter wird die Anlage regelmäßig einer Inspektion unterzogen.3 BELASTUNG DES FUNDAMENTS UND BAUGRUNDVERHALTEN3.1 „Offshore-Lasten“ im Betrieb und während Sturmereignissen in der NordseeGründungen von OWEAn erfahren im Laufe ihrer Lebensdauer eine Vielzahl vonBelastungen, im Wesentlichen aufgrund von Wind- und Wellenbeanspruchungen. Der Zeit-Amplituden-Verlauf der Belastungen aus Wind und Welle ist über einen längeren Zeitraumweitestgehend stochastisch stationär. Aus Langzeitmessungen und –simulationen ergeben sichKorrelationen zwischen Wellenhöhen und Windgeschwindigkeiten, und zwischen Wellenhöhenund Periodendauern (Scatter-Diagramme). Näherungsweise kann eine Einteilung in Lastenwährend dem stromproduzierenden Betrieb und in Belastungen während des Auftretens vonStürmen erfolgen.Die Turbine einer OWEA ist - abhängig vom Typ/ Hersteller - zwischen denWindgeschwindigkeiten in Nabenhöhe v Hub,10min von ca. 4,0 bis 25 m/s im stromproduzierendenBetrieb. Im Regelbetrieb liegen typische Windgeschwindigkeiten in Nabenhöhe im Bereichzwischen ca. 6 und 16 m/s. Mit diesen Windgeschwindigkeiten korrelieren Wellen, derensignifikante Höhen H S zwischen ca. 0,5 und 4,5 m variieren.Ein Sturm besteht nach NPD aus drei Phasen, siehe Bild 5 und [11]. Die Aufbau- und dieAbbauphase dauern jeweils 18 Stunden, die Peak-Phase wird über eine Dauer von 6 Stundenangenommen. Beim 1-Jahres Sturmereignis für den Standort Global Tech 1 beträgt diesignifikante Wellenhöhe 7,9 m, was mit v Hub,10min von ca. 32 m/s korreliert [17]. Exemplarischist der berechnete Biegemomentverlauf mit der zugehörigen Wasserspiegelauslenkung imMittelpunkt des Hohlkastens während einem 1-Jahres Sturmereignis im Bild 6 gezeigt.Typische Wellen-Periodendauern für Betriebszustände und für Stürme in der Nordsee liegenim Bereich zwischen ca. 5 Sekunden (Regelbetrieb) und ca. 15 Sekunden (Sturm). DiePeriodendauer nimmt mit der Wellenhöhe zu (Scatter-Diagramme).Bei dem hier vorgestellten Schwergewichtsfundament ergeben sich infolge der besonderenGeometrie wechselseitige Be- und Entlastungen der einzelnen Fundamentplatten. Dieresultierenden horizontalen und vertikalen Sohlspannungsamplituden und deren zeitlicher1966


H ssignifikante Wellenhöhe H s3 h6 hNORSOK~1.800 WellenPeakphaseNorwegian PetroleumDirectorate (NPD)AufbauphaseAbbauphase0,5 H s 5 10 15 20 3035 h42 hH s abhängig von Auftretenswahrscheinlichkeit25 35 40 45Bild 5: Sturmprofil nach NPD (siehe auch [11])Zeit [h]200.00010,0Biegemoment [KNm]150.000100.00050.0000-50.000-100.000H max = 14.7 mBiegemomentWasserspiegeländerung7,55,02,50,0-2,5-5,0Wasserspiegeländerung [m]-150.000-7,5-200.0000 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200-10,0Berechnungszeit [s]Bild 6: Wellenhöhe und dazugehöriges Biegemoment im Mittelpunkt des Hohlkastens für ein1-Jahres Sturmereignis inklusive dem Auftreten der Extremwelle [1]Verlauf hängen dabei von den oben beschriebenen Belastungen ab. Diese Belastungen besitzenweitestgehend zyklischen Charakter, was bedeutet, dass Trägheitseffekte nicht berücksichtigtwerden müssen [8].3.2 Baugrundreaktion und PrognosemodelleIn wassergesättigten Sanden kann sich bei zyklischer Belastung in Abhängigkeit von denDrainagemöglichkeiten der Porenwasserdruck akkumulieren, was eine Verringerung dereffektiven Spannungen und damit eine Reduktion der Steifigkeit und der Scherfestigkeit zurFolge hat [4][5]. Bei Entlastung können andererseits Porenwasserunterdrücke die Steifigkeitund die Scherfestigkeit des Baugrunds vergrößern [1]. Erreicht der Porenwasserdruck bei7197


Belastung den Wert der effektiven Spannungen so verhält sich der Boden wie eine Flüssigkeit,da die Schubspannungen Null werden.Der sukzessive Anstieg des Porenwasserdrucks wird durch plastische Verformungen imKorngerüst verursacht, wobei eine Zunahme der Lagerungsdichte den Widerstand des Bodensgegen Porenwasserdruckakkumulation vergrößert [3][6]. Als weitere Einflussparameter füreine mögliche Porenwasserdruckakkumulation können u.A. die Zyklenzahl N, dieKornverteilung und das Verhältnis der zyklischen zur statischen Deviatorspannung genanntwerden [6]. Für Untersuchungen der Entwicklung des Porenwasserdrucks unter den zyklischbelasteten Fundamentplatten wird von der ZT derzeit das Konzept von Taiebat [6] verwendet.Dieses Konzept beinhaltet implizite Berechnungen zur Ermittlung der Spannungsänderungenund der Konsolidierung, und explizite Berechnungen zur Ermittlung derPorenwasserdruckentwicklung unter undrainierten Verhältnissen [9]. Die Korrelation zwischenPorenwasserdruckentwicklung und Anzahl der Lastzyklen wird anhand von undrainiertenzyklischen Triaxialversuchen erhalten.Infolge der zyklischen vertikalen und horizontalen Belastung des Baugrunds kann sich derSand schrittweise verdichten. Diese mit der Zyklenanzahl zunehmenden bleibenden Setzungenwerden von der ZT mit dem High-Cycle Accumulation (HCA) Modell berechnet. Das HCA-Modell wurde von Niemunis [7] vorgestellt, um die Setzungsakkumulation von nichtkohäsivenBöden unter hochzyklischen Belastungen (N>10³) nach einem mathematischenAnsatz zu prognostizieren. Wichtmann [8] hat insbesondere anhand umfangreicherLaborversuche gezeigt, dass mit dem weiterentwickelten Modell die zyklischeSetzungsakkumulation gut wiedergegeben wird. Die zyklischen Setzungen werdeninsbesondere von der Lagerungsdichte und dem Spannungszustand des anstehendenBaugrunds, der mittleren und der zyklischen Spannungsamplitude, und der Anzahl derLastzyklen N beeinflusst. Wichtmann [8] stellt weder bei der Akkumulationsintensität noch beider –richtung einen Einfluss der Belastungsfrequenz fest. Die Polarisationsänderung wird imvon der ZT umgesetzten Modell derzeit nicht berücksichtigt [9].Die Vorbelastungsgeschichte des Baugrunds weist eine große Bedeutung für dasSetzungsverhalten von Gründungskörpern auf. Mit dem HCA-Modell ist es möglich, diezyklische Vorbelastungsgeschichte zu berücksichtigen und Effekte wie die Selbstheilung vonOWEAn zu untersuchen [10].3.3 Lastprogramm für das TestfundamentFür die Erstellung des Lastprogramms für das Testfundament werden für irreguläreBelastungen äquivalente harmonische Lasten ermittelt, wie es auch vom BSH [14]vorgeschlagen wird (siehe auch Seed et al. [12] und Lin und Liao [13]). Lediglich für dieSimulation im Peak-Bereich eines Sturmereignis wird das Auftreten der Maximalwelle mit demtatsächlichen irregulären Lastverlauf simuliert. Um die genannten Prognosemodelle für dieEntwicklung von Setzungen und von Porenwasserdrücken anwenden zu können, ist es ebenfallserforderlich, dass die Belastungen in einem regulär-harmonischen Zeitverlauf definiert sind.Für die Erstellung des Lastprogramms für das Testfundament werden die Belastungen desSchwergewichtfundaments beim 1-Jahres Sturmereignis für den Standort Global Tech 1zugrunde gelegt. Die Definition des Sturmereignis erfolgt gemäß Norwegian PetroleumDirectorate (NPD) mit dem Referenzwert der signifikanten Wellenhöhe über bestimmteZeitdauern, vergl. Bild 5.In einem ersten Schritte wird für jede signifikante Wellenhöhe H S in einergesamtdynamischen Berechnung mit der Software BLADED ein 10-minütiges Lastkollektiv1988


erechnet. Die resultierenden Belastungen liegen in einem irregulären Last-Zeit-Verlauf vorund besitzen weitestgehend zyklischen Charakter. Die Lastkollektive beinhalten für diskreteZeitpunkte die Wasserspiegelauslenkung, das maximale Biegemoment und dieAuflagerreaktionen unter den vier Fundamentplatten.Für jede berechnete signifikante Wellenhöhe H S wird dann diese Zeitreihe mittels derRainflow-Zählmethode nach Clormann [15] in Lastsequenzen unterteilt, wobei dieInformationen zur Periodendauer verloren gehen. Die Lastsequenzen werden unterBerücksichtigung des zyklischen Spannungsverhältnis (CSR) in verschiedenen Abfolgen mitdem Ziel aneinandergereiht, möglichst ungünstige aber realistische Setzungs- und folglich auchPorenwasserdruckakkumulationen unter den Fundamentplatten zu bewirken. Das zyklischeSpannungsverhältnis ist definiert als der Quotient aus zyklischer Spannungsamplitude undstatischer Mittelspannung. Die äquivalente Last wird nun so gewählt, dass sich der aus ihrergebende Setzungsverlauf möglichst identisch ist mit dem Setzungsverlauf infolge derausgewählten Lastsequenzabfolge. Wie bereits erwähnt besteht eine Korrelation dersignifikanten Wellenhöhe zu den Periodendauern. Mit deren Berücksichtigung wird deräquivalenten Last eine realistische Periodendauer zugewiesen. Weiter werden auch dieRandbedingungen berücksichtigt, welche sich aus der einseitigen, über schräge Litzenaufgebrachten Last ergeben. Detaillierte Informationen hierzu sind in [9] und [16] gezeigt.Zur Simulation der gesamten Sturmdauer werden abschließend die den 10-minütigenZeitreihen zugrundeliegenden äquivalenten Lasten unter Berücksichtigung derAuftretenswahrscheinlichkeit gemäß NPD und von Messungen der ForschungsplattformFINO1 gewichtet und aneinandergereiht.4 ERGEBNISSE AUS DEN BELASTUNGSVERSU<strong>CH</strong>ENIm Juni <strong>2011</strong> wurde über drei Tage das 1-Jahres Sturmereignis mit äquivalenten Lasten mitdem Testfundament simuliert. Erste Versuchsauswertungen werden nachfolgend gezeigt. DieBelastungen kennzeichnen sich durch unterschiedliche mittlere Spannungen mit dazugehörigenLastamplituden, Periodendauern und Zyklenanzahlen. Die genauen Daten zu den untersuchtenLastpaketen B1-B5 und S1-S4 sind in Tabelle 1 gezeigt.Bezeichnung B1 B2 B3 B4 B5 S1-S2 S3 S4H S [m] 1.0 2.0 3.0 4.0 4.7 5.7 6.9 7.9Periode T [s] 5.0 6.0 7.0 8.0 9.0 10.0 14.0 16.0Zyklen N 4114 3150 2800 2000 1428 2210 1759 928Mitte Lee v,avg [kPa] 223.0 225.8 229.4 231.2 235.7 237.0 246.6 253.8Mitte Lee v,ampl [kPa] 9.1 11.8 15.4 17.2 21.7 23.0 32.6 39.9Lastaufbringung [kN/s] 571 743 850 950 1067 1155 1117 1200Tabelle 1: Daten zur Lastsimulation im Juni am Testfundament (Spannungen in der Mitte der A bzw. LEE-Platte)4.1 SetzungenDie aufgebrachten Seilkräfte mit den dazugehörigen Setzungen an verschiedenen Punktenunter den gegenüberliegenden Fundamentplatten A und C sind für das 1-Jahres Sturmereignisim Bild 7 gezeigt. Bei den Wechseln von einer zur nächsten Belastungsstufe ergeben sich zuBeginn große Setzungsraten (erste Ableitung der Setzungen), die mit zunehmender Zyklenzahldieser Laststufe geringer werden. Exemplarisch ergeben sich für Fundamentplatte A aus dem9199


[mm][mm]1: 1: Zugkraft [kN]Zugkraft [kN]2: 2: A A E1.1 E1.1 [mm][mm]3: 3: A A E2.1 E2.1 [mm][mm]4: 4: C C E1.1 E1.1 [mm][mm]5: 5: C C E2.1 E2.1 [mm][mm]6: Setzungsdifferenz6: SetzungsdifferenzB3B2B4B5S1-S2LAGE DESLAGE DESMESSAUFNEHMERSMESSAUFNEHMERSE2.1CS3E1.1E1.1S4Belastungs-BelastungsrichtunrichtungE2.1Belastungs-BelastungsrichtunrichtungCS3S1-S2B5LAGE LAGE DESDESMESSAUFNEHMERSMESSAUFNEHMERSE2.1E2.1AE1.1E1.1B1DraufsichtDraufsichtDraufsichtDraufsichtLAGE DESMESSAUFNEHMERSLAGE DESMESSAUFNEHMERSMESME2.1CCE2.1E1.1E1.1BelastungsrichtungBelastungsrichtungDraufsichtBelastunrichtungBelasrichtuDrauDraufsichtDSetzungsdifferenz Mittelwert Platte A-CBild 7: Kraftverlauf eines 1-Jahres Sturmereignis mit zugehörigen Setzungenunter den Fundamentplatten A und C, und Verkippung des FundamentsMittel der Punkte E2.1 und E2.2 von Beginn des Lastpakets S3 bis Beginn von S4 Setzungenvon ca.7,7 mm und einer abklingenden Setzungsrate. Von Beginn bis zum Ende des Lastpaketsvon S4 wurden Setzungen von ca. 8,9 mm gemessen, wobei die Setzungsrate hier ebenfalls mitzunehmender Zyklenzahl abnimmt, zum Ende hin aber nicht so deutlich abklingt wie dieSetzungsrate in S3.Von Beginn des Lastpakets B5 bis zum Ende des Lastpakets S4 nimmt dieSetzungsdifferenz zwischen den Platten A und C um 14,02 mm zu, was einer Verdrehung bzw.Schiefstellung des Fundaments von 0,025 Grad entspricht. Dieser Wert liegt deutlich unterhalbdem von den Anlagenherstellern geforderten. Weiter dreht sich das Fundament ab dem Endevon S4 und dem Beginn von S3 (Ende der Peak-Phase des 1-Jahres Sturms) mit geringerwerdenden Belastungen von einer Setzungsdifferenz von -27,6 mm auf -25,1 mm zurück.4.2 PorenwasserdruckExemplarisch ist die Seilkraft mit den zugehörigen Porenwasserdrücken in einerGesamtübersicht, und mit Ausschnitten für jeweils 10-minütige Messungen für die LastpaketeB3 und S4 im Bild 8 gezeigt. In der Gesamtübersicht der Porenwasserdrücke ist deutlich derEinfluss der Tide mit ihrem Rhythmus von ca. 12 Stunden zu erkennen.In den 10-minütigen Ausschnitten der Lastpakete B3 und S4 mit jeweils unterschiedlichenLastgeschwindigkeiten sind die Maxima und die Minima der Porenwasserdrücke konstant.Zusätzlich ist in diesen Darstellungen der gleitende Mittelwert der jeweiligen20010


1: 1: Zugkraft Zugkraft [kN][kN]2: 2: A A E1 E1 PWG PWG 11 [kPa]11 [kPa]S4LAGE DES MESSAUFNEHMERSB3PWG 11 (-0,5 m)BELASTUNGSRI<strong>CH</strong>TUNGA12 StundenDraufsichtTideB3S41: Zugkraft [kN]2: A E1 PWG 11 [kPa]3: gleitender Mittelwert (5 Minuten) [kPa]18.06.<strong>2011</strong> 5 Uhr [Minuten]19.06.<strong>2011</strong> 4 Uhr [Minuten]Bild 8: Verläufe der Zugkräfte und des Porenwasserdrucks in 0,5m Tiefe unterhalb der Fundamentplatte für ein 1-Jahres Sturmereignis mit Ausschnitten für die Lastpakete B3 und S4 und dem gleitenden MittelwertPorenwasserdrücke über 5 Minuten gezeigt. Da dieser im betrachteten Bereich ebenfallskonstant ist, wird nach derzeitigem Untersuchungsstand davon ausgegangen, dass sich für dieuntersuchten Lastpakete und deren abfolge keine Porenwasserdruckakkumulation einstellt.5 ZUSAMMENFASSUNGDer Versuchsstand des Testfundaments für Schwergewichtsgründungen von OWEAn und diedort stattfindenden Untersuchungen zum Tragverhalten der Gründung werden gezeigt. Diebisherigen Ergebnisse zeigen, dass sich das Fundament nach den Belastungen der Peak-Phaseeines 1-Jahres Sturms aus der Maximalverkippung zurückdreht. Weiter konnte bei denbisherigen Untersuchungen keine Porenwasserdruckakkumulation festgestellt werden.Die gezeigten Untersuchungen werden vom Projektträger Jülich (PTJ) gefördert.REFERENCES[1] Hartwig, U. (<strong>2011</strong>): „Großversuch zur Beschreibung des Verhaltens vonSchwergewichtsfundamenten für Offshore-Windenergieanlagen: Bau und ersteMessergebnisse“. Workshop Gründungen von Offshore-Windenergieanlagen.11201


Veröffentlichungen des Grundbauinstitutes der Technischen Universität Berlin in Heft56, Berlin, <strong>2011</strong>[2] Studer, A.; J. Laue, M. Koller: Bodendynamik, Springer, 2007[3] Bjerrum, L.: Geotechnical Problems involved in foundations of structures in the NorthSea, Géotechnique, No. 3, S. 319-358, 1973[4] Stahlmann, J; K. Kluge, J. Gattermann: Theoretische und experimentelle Erkenntnissezur Bodenverflüssigung bei Offshore-Windenergieanlagen, HTG-Kongress 2005[5] Kolymbas, D.: Geotechnik, Springer, 2007[6] Taiebat, H.A.: „Three dimensional Liquefaction Analysis of Offshore Foundations”;University of Sydney (Eigenverlag), 1999[7] Niemunis, A. (2003): „Extended hypoplastic models for soils”; Heft Nr. 34,Schriftenreihe des Instituts für Grundbau und Bodenmechanik der Ruhr UniversitätBochum (Eigenverlag, Ed. Th. Triantafyllidis), 2003[8] Wichtmann, T. (2005): „Explizites Akkumulationsmodell für nichtbindige Böden unterzyklischer Belastung“. Schriftenreihe des Institutes für Grundbau und Bodenmechanikder Ruhr-Universität Bochum., Heft 38, 2005.[9] Safinus, S.; Sedlacek, G. ; Hartwig, U. (<strong>2011</strong>): „Analysis of Gravity-Based Foundationfor Offshore Wind Turbine under Cyclic Loads”, Proceedings of the 21st InternationalOffshore (Ocean) and Polar Engineering Conference Maui, ISOPE, Juni <strong>2011</strong>.[10] Gudehus, G. (<strong>2011</strong>): Schädigung und Selbstheilung von OWEA-Gründungen. Vortragbei der VDI-Fachtagung "Schwingungen von Windenergieanlagen", Bremen, Februar<strong>2011</strong>.[11] De Groot, M.B. et al., (1996): „Foundation Design of Caisson Breakwaters“. NGIPublication Nr. 198, Vol.1/2. Oslo.[12] Seed, H.B, Idriss, I.M., Makdisi, F., Banerjee, N. (1975). “Representation of IrregularStress Time Histories by Equivalent Uniform Stress Series in Liquefaction Analysis”,Earthquake Engineering Research Center, Report No. EERC 75-29.[13] Lin, S.-S.; Liao, J.-C. (1999): Permanent Strains of Piles in Sand due to Cyclic LateralLoads. Journal of Geotechnical and Geoenvironmental Engineering, September 99,ASCE, 1999.[14] Anwendungshinweise für den Standard „Konstruktive Ausführung von Offshore-Windenergieanlagen“ des BSH, BSH, <strong>2011</strong>[15] Clormann, U.H.; Seeger, T. (1986): Rainflow - HCM: Ein Zählverfahren fürBetriebsfestigkeitsnachweise auf werkstoffmechanischer Grundlage, Ernst und Sohn,Stahlbau, 55. Jahrgang, Heft 3, 1986[16] Hartwig, U.; Bierer, T.; Sommer, J. (<strong>2011</strong>): „Full-Scale Model Tests on a Gravity BaseFoundation for Offshore Wind Turbines”, Proceedings of the 21st International Offshore(Ocean) and Polar Engineering Conference Maui, ISOPE, Juni <strong>2011</strong>[17] Design Basis Projektgebiet Global Tech 1, OWT, 24.06.201020212


12. D-A-<strong>CH</strong> Tagung – Erdbeben und BaudynamikC. Könke (Hrsg.)Hannover, Deutschland, 15.–16. September <strong>2011</strong>DYNAMIS<strong>CH</strong>E PROBLEME BEI EINER KLEINEN, VERTIKAL-A<strong>CH</strong>SIGEN WINDTURBINER.Cantieni *, Y. Deger*** rci dynamics, Büro für BaudynamikRaubbühlstrasse 21B, <strong>CH</strong>-8600 DübendorfE-mail: reto.cantieni@rcidynamics.ch**HSR, Hochschule für Technik Rapperswil,Institut für Anlagen und SicherheitstechnikOberseestrasse 10, <strong>CH</strong>-8640 RapperswilE-mail: yasar.deger@hsr.chKeywords: Windturbine, Windkraftanlage, Ambiente Modalanalyse, ambient vibration testing,Finite Element Modellierung, Finite Element Modell-Optimierung, model updating, Betriebszustand,Tilger, Schwingungstilger.Zusammenfassung. Bei einer kleinen (10 kW), vertikalachsigen Windturbine traten im BetriebProbleme auf, weil die Schwingungen des Mastes ausser Kontrolle gerieten, sobald der Generatorzugeschaltet wurde. Das Problem wurde in einem ersten Schritt mittels einer kombiniertenexperimentell/analytischen Modalanalyse einer detaillierten Identifikation unterzogen. Ineinem zweiten Schritt wurde der Betriebszustand während einer Woche messtechnisch erfasstund aufgezeichnet und auch anhand von (zum Teil gezielten) Parametervariationen (Windstärke,Einschaltpunkt des Generators, Montage von Abspannungen usw.) untersucht. Es zeigtesich, dass der Generator exakt bei einer Drehzahl des Rotors zugeschaltet wird, die der Grundfrequenzder Anlage entspricht. Das Problem wurde dadurch gelöst, dass ein auf diese Frequenzabgestimmter Schwingungstilger entwickelt und montiert wurde.1203


1 EINFÜHRUNGDie Firma envergate ag, <strong>CH</strong>-9326 Horn/TG, entwickelt und produziert vertikalachsigeWindkraftanlagen. Im Testbetrieb einer Anlage vom Typ ev600 (Nennleistung 10 kW) mit einerMasthöhe von 9 m, die auf dem Dach der Migros Ostschweiz in Gossau/SG steht (Abb. 1),zeigte sich, dass der Mast unter bestimmten Betriebsbedingungen derart in Schwingung gerät,dass der eingebaute Beschleunigungssensor eine Grenzwertüberschreitung meldet, und die Anlageausgeschaltet wird. Als Sofortmassnahme wurde der Mast zuerst auf einer Höhe von 6 m,dann auch bei 9 m abgespannt. Es zeigte sich aber, dass diese Massnahmen nicht genügendWirkung zeigten.Abb. 1: Windturbine envergate ev600 auf dem Dach der Migros Gossau. Links: Foto mit Angabe der Messniveaus.Rechts: Abmessungen in mm; Fundation schematisch dargestellt; für die tatsächliche Ausführung: Abb. 2.2042


In Absprache mit dem Auftraggeber wurde folgendes Vorgehen beschlossen: 1) Erstelleneines Finite Element Modelles (FE-Modell), 2) Identifikation des Tragwerkes mittels einer experimentellenModalanalyse unter ambienter Anregung ("ambiente Modalanalyse"), 3) Optimierungdes FE-Modelles (model updating) auf der Basis der Resultate der ambienten Modalanalyse,4) Überwachung der Anlage im Betrieb während etwa einer Woche, 5) Erarbeitungvon Lösungsvorschlägen.2 DAS TRAGWERKDas Tragwerk der Windturbine besteht im wesentlichen aus einem kreisrunden Stahlrohr,dem Rotor und dem Fundament (Abb. 1). Bei der hier diskutierten Anlage handelt es sich umdas erste Exemplar einer Turbine ev600, das auf dem Dach eines Gebäudes installiert wurde.Demzufolge war die Fundation ein Prototyp. Sie besteht aus einem sechsstrahligen Stahlrahmen,der mit Betonplatten beschwert ist (Abb. 2). Aus dem in der Abbildung 3 gezeigten Querschnittgeht hervor, dass zwischen dem Mastfundament und der obersten Gebäudedecke keinekraftschlüssige Verbindung besteht.Abb. 2: Fotos der Fundation der Turbine auf dem Gebäudedach.Abb. 3: Schnitt durch die Fundation der Turbine und das Gebäudedach.3205


3 FINITE ELEMENT MODELLDie Modellierung umfasste das Fundament und den Mast bis UK Rotor. Auf eine detaillierteModellierung des Rotors wurde verzichtet, da eine experimentelle Erfassung der zugehörigenmodalen Verschiebungen mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht möglich war. Aufdie Konsequenzen dieser Tatsache wird zurückzukommen sein. Der Rotor wurde als in seinemSchwerpunkt konzentrierter Massenpunkt (m = 488 kg) abgebildet. Hier beschränken wir unsauf die Wiedergabe der numerischen Resultate und die grafische Wiedergabe von zwei Eigenformen(Abb. 4 und 5). Details bezüglich der Modellierung werden im Abschnitt 6, Optimierungdes Finite Element Modelles, diskutiert.Die Formen der Eigenschwingungen Typ a und Typ b unterscheiden sich lediglich in derRichtung der Mastbewegung, die jeweils um 90 Grad unterschiedlich ist. Auf der Basis der hiergezeigten Resultate wurde der Layout für die ambiente modale Analyse festgelegt (Sensortyp,Messpunktraster, Abtastrate, Länge der Zeitfenster).Eigenschwingung Frequenz [Hz] Anzahl Knoten über die Masthöhe1a 3.24 01b 3.25 02a 21.16 1, an Mastspitze2b 21.33 1, an Mastspitze3a 67.97 23b 70.03 2Abb. 4: Mit der FE-Modellierung identifizierte Eigenschwingungen.Abb. 5: Eigenformen der Moden 1a, f = 3.24 Hz, und 3b, f = 70 Hz.2064


4 EXPERIMENTELLE UNTERSU<strong>CH</strong>UNGEN, ALLGEMEINES4.1 MesspunktrasterAufgrund der Resultate der FE Modellierung wurde beschlossen, die Mastbewegungen aufsieben Niveaus zwischen UK Stahlträger des Fundamentes und OK Rotor zu untersuchen(Punkte 1 bis 7, Abb. 1 und 6). Bezüglich Messrichtungen war es naheliegend, am Mast in zweihorizontalen und an den äusseren Punkten des Fundamentes (Punkte 8 bis 13, Abb. 6) in vertikalerRichtung zu messen. Als Absicherung wurde am Mastfuss (Punkt 1) und an einem Punktam Mast (Punkt 3) in allen drei Richtungen gemessen (Abb. 6).Da die Montage der Sensoren am Mast mit einem gewissen Aufwand verbunden war (Abb.7), wurde ebenfalls beschlossen, die Anlage so zu instrumentieren, dass zwischen der Modalanalyseund der Untersuchung des Betriebszustandes möglichst wenig Umbauarbeit zu leistenwar: Die Messpunkte an der Rotorspitze, Punkt 7, waren aus technischen Gründen abzubauen.Bei der Modalanalyse waren 18 Freiheitsgrade bestückt (aussen an der Fundation jeweils nurzwei Punkte pro Setup), bei der Untersuchung des Betriebszustandes deren 22 (ohne Punkt 7).Die Sensoren wurden auch so ausgewählt, dass sie sowohl für die Modalanalyse als auch fürdie Messung des Betriebszustandes geeignet waren (vgl. nächsten Abschnitt).Abb. 6: Freiheitsgrade für die ambiente Modalanalyse(blau: Referenzen, grün: Mobile Messpunkte,sogenannte Rover, jeweils 2 pro Setup).Abb. 7: Montage der Sensoren am Mast und an der Fundation(Magnetfüsse, am Mast mit textilen Gurten gesichert).5207


4.2 InstrumentierungEingesetzt wurden keramische Beschleunigungsaufnehmer PCB 393A03 (1 V/g) für die horizontalenFreiheitsgrade im oberen Bereich des Mastes und PCB 393B31 (10 V/g) für die horizontalenFreiheitsgrade im unteren Teil des Mastes und für alle vertikalen Freiheitsgrade(Abb. 7).4.3 Signalerfassung, AuswertungFür die Signalerfassung wurde ein Frontend vom Typ LMS Pimento eingesetzt (Abb. 8). DieAbtastrate wurde zu sR = 200 Hz, die Auflösung des ADC zu 24 bit gewählt. Für die Modalanalyseund die automatisierte Dauerüberwachung betrug die Fensterlänge 30 Minuten, für dieUntersuchung des Einflusses von Parametervariationen des Betriebszustandes meist 3 Minuten.Für die Auswertung im Zeitbereich wurden die Pimento-Software, für die ambiente Modalanalysedas Artemis Softwarepaket verwendet.Abb. 8: LMS Pimento Frontend, hier für die Messung des Betriebszustandes.5 EXPERIMENTELLE MODALANALYSE UNTER AMBIENTER ANREGUNG5.1 VersuchsdurchführungInsgesamt wurden drei Setups durchgeführt, wobei die am Fundament für die vertikaleKomponente eingesetzten beiden Sensoren zweimal umgesetzt wurden. Die Erfahrung zeigt,dass dieses Vorgehen qualitativ bessere Resultate zeitigt als wenn man alle Freiheitsgrade ineinem Setup erfasst hätte (was hier durchaus möglich gewesen wäre). Als Grund für diese Tatsachepräsentiert sich dem Praktiker lediglich die Vermutung, dass er in drei Setups fast dreimalmehr Daten sammelt als in einem. Der Theoretiker fände vielleicht eine mathematisch etwasplausiblere Erklärung. Uns genügt hier die Erfahrung.Diese Erfahrung trug auch dazu bei, dass an der Länge des Zeitfensters nicht gespart wurde.Erfahrungsgemäss müsste eine Fensterlänge von 2'000 mal der Länge der Periode der Grundschwingungder Struktur (etwa 0.3 Sekunden) = 600 Sekunden genügen. Dass die Grundfrequenzder Anlage bei etwa f = 3.2 Hz liegt, zeigte die FE-Analyse. Angesichts des Aufwandes,den man für die Versuche insgesamt betreibt, ist die Länge des Zeitfensters aber nicht der Parameter,an dem zu sparen sich lohnt.5.2 Auswertung, AllgemeinesFür die Identifikation der Eigenschwingungen stellt Artemis die Routinen FDD/EFDD undSSI zur Verfügung (Enhanced Frequency Domain Decomposition, Stochastic Subspace Identification).Während viele Kollegen auf SSI schwören, stellen wir nach zehnjährigem Üben fest,2086


dass EFDD in sauber geplanten Versuchen sehr gute Resultate liefert, während SSI im unterenFrequenzbereich in den allermeisten Fällen versagt. Aber: In zwei, drei Fällen gelang die Separationsehr eng benachbarter Moden nur mit SSI. Voraussetzung war dabei, dass es sich nichtum die Grundschwingungen handelte. Ebenfalls Voraussetzung bei diesem Vergleich ist, dassnicht nur FDD sondern EFDD verwendet werden kann. Die Dämpfung, die mit EFDD, nichtaber mit FDD abgeschätzt werden kann, ist meist ein wichtiger und entsprechend gesuchterParameter. EFDD funktioniert aber nur bei sauber geplanten Versuchen: Genügend dichterMesspunktraster, optimale Wahl der Referenzen, optimaler Layout der Setups (Informationenaus allen Teilen der Struktur in allen Setups; im vorliegenden Fall konnte da nicht viel falschgemacht werden), optimale Wahl der Abtastrate (kann nur zu klein sein), optimale Wahl derFensterlänge (kann nur zu klein sein).Bei der Auswertung können einige Finessen eine Rolle spielen. Dabei geht es im Wesentlichendarum, die Messdaten von "Müll" zu befreien. 1) Durch Dezimierung kann der Frequenzbereichder Auswertung begrenzt werden. Damit, d.h. genau genommen durch die dabei notwendigeAnti-Aliasing-Filterung, die (hoffentlich) durchgeführt wird, wird man hochfrequenteSignalanteile los. 2) Durch Limitierung der Anzahl sogenannter "projection channels" konzentiertman sich bei den Matrizen-Operationen auf den Bereich der Diagonalen und wird den uninteressantenBereich ausserhalb der Diagonalen los. 3) Ein weiterer Parameter bei EFDD istdie Frequenzauflösung, die man wählt. Dazu Näheres weiter unten.5.3 EFDD AuswertungBei einer gewählten Abtastrate sR = 200 Hz wurde in einem ersten Schritt eine Analyse mitdec = 0 (keine Datendezimierung) gewählt. Damit betrug der nutzbare Frequenzbereichf = 0...100 Hz. Die Anzahl "projection channels" kann nicht kleiner als die Anzahl Referenzengewählt werden. Dies ein Nachteil, der hier aus technischen Gründen in kauf genommen werdenmusste. Die Frequenzauflösung wurde zu 2'048 Linien gewählt. Damit ergab sich eine Auflösungim Frequenzbereich Δf ≈ 0.05 Hz.In der Abbildung 9 sind die EFDD-SVD-Diagramme für zwei verschiedene Frequenzbereichedargestellt, die sich dabei ergeben (SVD = Singular Value Decomposition). Die Eigenschwingungen,die so identifiziert werden konnten, sind mit roten, vertikalen Linien markiert.Abb. 9: EFDD SVD-Diagramme für dec = 0, 2K Frequenzlinien und f = 0...100 Hz bzw. f = 0...30 HzIn einem zweiten Schritt wurden die Rohdaten um einen Faktor 5 dezimiert (dec = 5), sodass der nutzbare Frequenzbereich nun f = 0...20 Hz betrug. Belässt man die Anzahl Frequenzlinienbei 2K, verbessert sich die Frequenzauflösung entsprechend auf Δf ≈ 0.01 Hz. Aus denAbbildungen 10 und 11 wird der Unterschied deutlich: Es ist nun beispielsweise im Frequenzbereichf = 0...6 Hz möglich, nicht nur ein Paar naheliegender Moden zu separieren sondernderen drei.7209


Aus der kombinierten Auswertung für dec = 0 (f = 0...100 Hz) und für dec = 5(f = 0...20 Hz) konnten im Bereich f = 2.3...91.3 Hz zwanzig (20) Eigenschwingungen nachFrequenz, Form und Dämpfung identifiziert werden. Die Dämpfungswerte liegen im Bereichζ = 0.2...1.2%. Von den Eigenschwingungen sind die Moden 1, 3 und 4 Doppelmoden(Abb. 11), während bei f = 9.3...10.1 Hz vier Moden (6a bis 6d) mit ähnlicher Form identifiziertwurden. Mit etwas Zusatzaufwand hätten wahrscheinlich auch die beiden Versionen desMode 2 identifiziert werden können.Bezüglich der Doppelmoden 1 und 3 ergab sich eindeutig, dass sie sich lediglich in der Bewegungsrichtungdes Mastes unterscheiden (um 90 Grad, Abb. 12). Verantwortlich für diesesorthotrope Verhalten ist unter anderem die am Mast angebrachte Leiter (vgl. Abb. 1).Bei den höheren Moden zeigte sich aber, dass zum Beispiel die Form aller Moden zwischenf = 3.8 Hz und f = 12.4 Hz (Nr. 3 bis 8) lediglich einen Knoten im Mastbereich aufweist. Wirhaben es also leider nicht mit einem Beispiel aus dem Schulbuch (eingespannter Kragarm) sondernmit einem viel komplexeren System zu tun. Ab etwa f = 10 Hz beginnen die modalenAmplituden der vertikalen Fundamentbewegung signifikant zu werden. Das macht noch Sinn.Bei den tieferen Frequenzen bleibt aber nur die Vermutung, die Bewegung der Rotorblätter,d.h. ihre Phasenlage in bezug auf den Mast, könnte einen Einfluss haben.Abb. 10: EFDD SVD-Diagramm für dec = 0 und 2K Frequenzlinien.Abb. 11: EFDD SVD-Diagramm für dec = 5 und 2K Frequenzlinien.Abb. 12: Modale Formen der Eigenschwingungen 1a und 1b.2108


6 OPTIMIERUNG DES FINITE ELEMENT MODELLES6.1 Verfeinerung des Finite Element ModellesDa es keine Federn unter dem Fundament aufwies, war zu erwarten, dass das Basismodellzu steif sein würde. Im Anschluss an die ambiente Modalanalyse wurde das FE-Modell zunächstentsprechend ergänzt, aber auch signifikant verfeinert, unter anderem, um das offensichtlichorthotrope Verhalten der Anlage nachbilden zu können.• Einführung von 3D-Federn unter dem Fundament,• Modellierung von Leiter und Arbeitsplattform an der Mastspitze (erzwingt ein orthotropesVerhalten),• Modellierung des Rotors durch Balken statt durch einen Massenpunkt,• Relativ "lose" Verbindung zwischen Betonblöcken und Stahlträgern des Fundamentes,• Bildung von Elementgruppen, sogenannten "Sets", in den Übergangsbereichen Fundament/Mast,Ober- und Unterteil des Mastes, Mast/Rotor im Hinblick auf eine spätereOptimierung der Steifigkeit.Das überarbeitete Modell besteht aus 9'240 Elementen mit 9'130 Knoten. Bezüglich Elementtypenwurde unterschieden zwischen• Hexaeder- bzw. 3D-Elementen für den Mast und das Fundament (Stahl und Beton),• Schalen- bzw. 2D-Elementen für das Podest sowie Teile des Flansches,• Balken- bzw. 1D-Elementen für die Leiter inklusive deren Befestigung am Mast sowiefür die Elemente, die den Rotor repräsentieren.6.2 Optimierung des Finite Element Modelles (model updating)Für die Optimierung des FE Modelles aufgrund der Ergebnisse der ambienten Modalanalysewurde das Programm FEMtools (Version 3.3) benützt. In die Sensitivitätsanalyse wurden diefolgenden Parameter miteinbezogen:• Steifigkeit der Federn zwischen Fundament und Gebäudedach,• Flächenträgheitsmomente der Balken, die den Rotor abbilden,• Elastizitätsmodul der Balkenelemente, die die Verbindungsstege zwischen Leiter undMast abbilden,• Materialdichte der Betonblöcke,• Elastizitätsmodul der Volumenelemente in den Übergangsbereichen Mastfuss/Fundamentträgerund Unter-/Oberteil des Mastes, weil die jeweiligen Versteifungsrippennicht mitmodelliert wurden,• Materialdichte des Mastes, da gewisse Vereinfachungen vorgenommen worden waren(Weglassen von Verkabelung. Windmessgerät, Versteifungsrippen),• Steifigkeit der Anschlussstelle Mast/Rotor, bzw. Generator,• Materialdichte und Dicke der Schalenelemente, die die Arbeitsplattform an derMastspitze repräsentieren (Differenzen zwischen Zeichnungen und Wirklichkeit).Nach einigen Optimierungsschritten konnte für drei Eigenschwingungen eine gute Übereinstimmungzwischen Experiment und Rechnung hergestellt werden (Abb. 13). Dass dies natürlichnicht den Erwartungen entsprach, lag daran, dass der Aufwand, den Rotor auch in die ambienteModalanalyse einzubeziehen, gescheut worden war. Immerhin zeigte sich klar (bezüg-9211


lich Details muss hier auf den Vortrag verwiesen werden), dass die Weichheit der Fundationzwar zu einem Absinken der Grundfrequenz, nicht aber zu Resonanzproblemen führt. Signifikante(vertikale) modale Amplituden treten bei der Fundation erst für f > 10 Hz auf.Abb. 13: Paarung zwischen berechneten (FEM) und gemessenen (EMA, rote Linie) Eigenschwingungen. Für dashier nicht dargestellte Paar "FEM 2.32 Hz"/"EMA 2.37 Hz" beträgt MAC = 0.963(MAC = Modal Assurance Criterion).7 UNTERSU<strong>CH</strong>UNG DES VERHALTENS DER TURBINE IM BETRIEBSZUSTANDAbb. 14: Instrumentierung fürdie Untersuchung im Betriebszustand.Vom 17. bis 24. Juni 2010 wurden insgesamt 272 Datenfileserfasst und gespeichert (Instrumentierung vgl.Abb. 14). Dabei handelte es sich zum Teil um währenddes automatisierten Betriebes getriggerte Signale, zumTeil aber auch um von Hand ausgelöste Files. Bei letzterenwurde zum Beispiel der Parameter "Abspannung"gezielt variiert. Im Normalzustand waren alle Abspannungen,wie bei den modalen Versuchen, gelöst (Abb. 1).Weitere untersuchte Parameter waren die Drehfrequenzdes Rotors, bei der dieser Strom zu produzieren begannund das Einschaltverhalten des Generators (scharf oderweich).Abbildung 15 zeigt für die Mastspitze gemessene Beschleunigungssignalefür schwachen, mittleren und starkenWind. Für schwachen beziehungsweise mittlerenWind liegen die Amplituden bei etwa a = 0.01 m/s2 beziehungsweisea = 1.5 m/s2. Bei starkem Wind erreichendie Spitzenwerte a > 4 m/s2. Der Grenzwertschalter, derdie Anlage ausschaltet, greift bei etwa a = 2...3 m/s2 ein.21210


Abb. 15: Beschleunigungssignale für die Mastspitze (Messpunkt 6Y) und schwachen, mittleren und starken Wind.Abb. 16: Beschleunigungsspektren für die Mastspitze (Messpunkt 6) und schwachen, mittleren und starken Wind.11213


Die Abbildung 16 zeigt die zu den in der Abbildung 15 gezeigten Zeitsignalen berechnetenFrequenzspektren. Die Bezeichnung "vor dem Wind" deutet darauf hin, dass das Verhalten derAnlage, wie bereits mehrfach erwähnt, "vor dem Wind, Y" und "quer zum Wind, X", nichtidentisch ist. Hier muss wiederum auf dem Vortrag verwiesen werden. Aus der Abbildung 16geht immerhin hervor, dass bei schwachem Wind die beiden Grundschwingungen 1a (f = 2.30Hz) und 1b (2.37 Hz) separiert werden können, dass bei mittlerem Wind Schwingungen mitFrequenzen f < 2.30 Hz auftreten, deren Herkunft nicht zweifelsfrei bestimmt werden kann,und dass bei starkem Wind die Schwingungen ("vor dem Wind") mit f ≈ 2.3...2.35 Hz aus demRuder laufen, und dass die Abschaltautomatik nach wenigen Sekunden eingreift (Abb. 17).Abb. 17: Verhalten der Anlage bei starkem Wind (Ausschnitt aus Abb. 15).8 LÖSUNG DES PROBLEMSBisher noch nicht erwähnt wurde die Tatsache, dass bei schwachen Windverhältnissen derRotor sich zwar dreht, die Anlage aber keinen Strom produziert, weil der Generator nicht zugeschaltetist. Mit zunehmender Windstärke steigt die Drehzahl des Rotors. Bei einer bestimmtenDrehzahl wird der Generator zugeschaltet und die Anlage beginnt, Strom zu produzieren.Es ist einleuchtend, dass die vom Rotor auf den Mast abgegebenen Kräfte signifikant zunehmen,sobald der Generator Widerstand leistet. Die hier aus Platzgründen nicht im Detailbeschriebenen, während der Untersuchung des Betriebszustandes durchgeführten, Parameterstudienzeigten, dass das Zuschalten des Generators bei einer Drehfrequenz des Rotors erfolgte,die praktisch exakt der Grundfrequenz der Anlage entsprach. In der Folge entwickelte der Konstrukteurder Anlage ev600 einen innovativen, auf die Resultate der hier beschriebenen Untersuchungenabgestimmten Schwingungstilger. An der Anlage Gossau wurde er extern (!) angebracht(Abb. 18), bei zukünftigen Anlagen wird er im Mastkopf integriert werden.Abb. 18: Der an der Anlage Gossau angebrachte Schwingungstilger. Die Anlage funktioniert nun einwandfrei.21412


12. D-A-<strong>CH</strong> Tagung – Erdbeben und BaudynamikC. Könke (Hrsg.)Hannover, Deutschland, 15.–16. September <strong>2011</strong>MODALE IDENTIFIKATION MIT ZEITBEREI<strong>CH</strong>SVERFAHREN AMBEISPIEL VON RÜTTELTIS<strong>CH</strong>VERSU<strong>CH</strong>EN EINER STAHL-LEI<strong>CH</strong>TBAUKONSTRUKTIONC. Ebert * und F.-O. Henkel* Wölfel Beratende Ingenieure GmbH + Co. KGMax-Planck-Straße 15, D-97204 HöchbergE-Mail: ebert@woelfel.deStichworte: Rütteltischversuch, Experimentelle Modalanalyse, SystemidentifikationAbstrakt. In Rahmen eines Forschungsprojektes ist ein modulares Gebäudekonzept entstanden,bei dem die Anforderungen an ein wirtschaftliches erdbebengerechtes Design konsequentumgesetzt wurden. Zur Aussteifung des Gebäudes – einem zweistöckigen Stahl-Skelett-Bau –tragen die vorhandenen Wandbeplankungen aus Gips- und Zementplatten nennenswert bei.Nachdem der Gebäudeentwurf umgesetzt war, sind die dynamischen Eigenschaften der Strukturauf einem Rütteltisch qualifiziert und den rechnerischen Annahmen gegenübergestellt worden.Die experimentellen Untersuchungen fanden abschnittsweise statt, sodass einzelne Bauzustände(Stahlskelett; Stahlskelett mit Verkehrslasten; beplanktes Gebäude) separat getestetwerden konnten. Zunächst dienten uniaxiale Sinus-Sweep-Anregungen zur Bestimmung vonEigenfrequenzen, Dämpfungen und Eigenformen. Anschließend wurde die Struktur mit bi- undtriaxialen Erdbebenzeitverläufen bis zur Designlast von 0,24g angeregt. Das vollständig beplankteGebäude wurde bei einem abschließenden triaxialen Erdbebentest mit stufenweiserLaststeigerung Horizontalbeschleunigungen von bis zu 1,08g unterworfen.In diesem Beitrag werden die experimentellen Ergebnisse vorgestellt. Die Identifikation dermodalen Parameter erfolgte mit Methoden der Systemidentifikation (Subspace-Algorithmen)direkt anhand der Zeitbereichsdaten. Es wird gezeigt, inwieweit die Identifikation der modalenParameter zuverlässig möglich ist und welche Randbedingungen beachtet werden müssen. Insbesonderewird auf die Strukturdämpfung eingegangen, da die verschiedenen untersuchtenAusbauzustände modale Dämpfungsgrade zwischen ca. 1 % und 20 % aufwiesen.1215


1 EINFÜHRUNG1.1 Modale Identifikation mit ZeitbereichsverfahrenDie experimentelle Modalanalyse ist ein etabliertes Werkzeug, das seit vielen Jahrzehntenangewandt wird, um das dynamische Strukturverhalten experimentell zu bestimmen und Rechenmodellezu validieren. Neben den traditionell angewandten Verfahren [3] konnten in letzterZeit durch die rasante Entwicklung der numerischen Rechentechnik neuere Identifikationsverfahren,basierend auf den Methoden der Systemidentifikation, entwickelt werden. Hierbeikann in Abhängigkeit von den Eingangsgrößen zwischen Frequenzbereichs- und Zeitbereichsverfahrenunterschieden werden. Im Frequenzbereich stehen für die Bestimmung der modalenParameter „Curve-Fitting“ – Algorithmen zur Verfügung, mit denen beispielsweise die messtechnischbestimmte Matrix der Übertragungsfunktionen optimal abgebildet werden sollen. Dadie Eingangsgrößen auf der Fourier-Transformation beruhen, sind bei der frequenzbereichsbasiertenParameterbestimmung deren Nachteile bzw. Anwendungsgrenzen zu beachten. Dasheißt, dass insbesondere bei Strukturen mit sehr schwacher bzw. sehr starker Dämpfung, beieng benachbarten Eigenfrequenzen oder bei sehr kurzen Messzeiten zeitbereichsbasierte Identifikationsmethodenbessere Ergebnisse liefern können. Für die parametrische Identifikation imZeitbereich stehen mehrere Methoden zur Verfügung. In diesem Beitrag wird sich beschränktauf eine Modellierung des Übertragungsverhaltens im Zustandsraum. Die Identifikation erfolgtmit einem sogenannten MOESP-Algorithmus (Multivariable Output Error State-Space ModelIdentification, siehe auch [5]), der nach eigenen Erfahrungen sehr stabile Ergebnisse liefert. Füreinen umfangreicheren Überblick wird auf die Literatur verwiesen (z.B. [1], [4]).Basis aller in diesem Zusammenhang stehenden Zustandsraumverfahren ist die Überführungder Bewegungsgleichung der Mechanik (Differenzialgleichung 2. Ordnung)M x Dx Kxf(1)in eine Zustandsraumdarstellung (Differenzialgleichungssystem 1. Ordnung),zAz Bux Cz Dumit den Systemmatrizen A, B, C, D, der in u enthaltenen Krafterregung sowie dem Zustandsvektorz und den Verschiebungen x . Bedingt durch die digitale Messwerterfassung liegen beiexperimentellen Versuchen die Messdaten lediglich zeitdiskret vor. Basis für die numerischeModellbildung des Strukturübertragungsverhaltens ist dementsprechend eine zeitdiskrete Zustandsraumdarstellungzk1xk Azk Czk Buk Dubei der neben den zeitdiskreten Systemparametern A , B,C,D das Prozess- und das Messfehlerrauschenmit abgebildet werden können. Eine Modellidentifikation mit sogenannten Subspace-Methoden beruht dabei im Allgemeinen auf den folgenden wesentlichen Teilschritten:k w1. Festlegen der Anzahl von Blockzeilen; Aufstellen von Block-Hankelmatrizen, diedie gemessenen Anregungs- und Strukturantwortdaten enthalten;2. LQ-Zerlegung der aufgestellten Blockhankelmatrix (numerisch durch QR-Zerlegung); vkk(2)(3)2162


3. Festlegen der Modellordnung;4. Singulärwertzerlegung von Untermatrizen der L-Matrix zur Bestimmung von Beobachtbarkeitsmatrixbzw. Zustandsvektoren durch Projektion;5. Bestimmung der Zustandsraummodellparameter.Exemplarisch sollen der Aufbau einer Blockhankelmatrix sowie der Einfluss der manuellfestzulegenden Blockzeilenzahl am Beispiel der Matrix U gezeigt werden:Der Index N bezeichnet die Anzahl der aufgezeichneten Zeitschritte, der Index i charakterisiertdie Anzahl der Blockzeilen. Man erkennt, dass die Matrix, die Basis für die Identifikationist, mit zunehmender Blockzeilenanzahl größer wird. Entsprechend gängigen Angaben in derLiteratur sollte die Anzahl der Blockzeilen doppelt so groß wie die erwartete Modellordnunggewählt werden, um sinnvoll identifizieren zu können. Eigene Erfahrungen bestätigen dieseAngaben nicht. Oftmals muss die Anzahl der Blockzeilen deutlich größer gewählt werden, umeine ausreichende Modellgüte zu erhalten. Darüber hinaus kann die Wahl dieses freien Parameterseinen nennenswerten Einfluss auf die modalen Daten haben, wie in diesem Beitrag gezeigtwird.1.2 Rütteltischversuche an einer Stahl-LeichtbaukonstruktionIm Rahmen des europäischen Forschungsprojektes I-SSB (Integrated Safe & Smart Built)wurde ein erdbebengerechtes Gebäudekonzept konsequent in Verbindung von einer leichtenStahl-Skelettstruktur mit aussteifenden Trockenbau-Wandbekleidungen umgesetzt. WeitereDetails zum Gebäudekonzept und zur experimentellen Validierung des Designs finden sich ineinem weiteren Beitrag dieser Tagung (siehe [2]). Experimentelle Untersuchungen – über diehier näher berichtet wird – fanden an einem großmaßstäblichen Versuchsbauwerk (Mock-Up)auf einem Rütteltisch der NTUA Athen statt. Die Grundfläche des Gebäudes von 3,6m x 3,6mwar durch die geometrischen Abmessungen des Rütteltisches beschränkt. In der Höhe gab eskeine Beschränkungen, sodass realitätsnah 2 Vollgeschosse und eine Spitzdachkonstruktion mitTondachziegeln aufgebaut werden konnten. Das Hauptziel der Versuche war der Nachweis derErdbebentauglichkeit entsprechend dem Bemessungsspektrum für einen Standort in Griechenland,mit einer maximalen Bodenbeschleunigung von a g = 0.24 g. Darüber hinaus sollten dieTragreserven der Konstruktion aufgezeigt werden. Um das Strukturverhalten ausführlich zuuntersuchen und den Einfluss der einzelnen Tragkomponenten zu separieren, fanden mehrereTests bei unterschiedlichen Ausbauzuständen statt. Im Zustand 1 waren lediglich das Stahlskelettsowie OSB-Boards und Gipsfaserplatten auf Decke und Dach aufgebaut. Im Zustand 2 befandensich zusätzlich die Ziegeldachdeckung sowie ein Verkehrslastanteil von 50 kg/m² aufder Decke des 1. Obergeschosses. Beim Zustand 3 war das Gebäude mit Trockenbaubeplankungenan den Innen- und Außenwandseiten voll ausgebaut.Bei der Auswertung der Messdaten lag der Schwerpunkt auf der Bestimmung modaler Daten.Zum einen war es damit möglich, einen Abgleich mit den rechnerischen Annahmen vorzu-(4)3217


nehmen, zum anderen konnte das dynamische Verhalten der Struktur (Dämpfungsgrade, nichtlineareEffekte) und Informationen über Schädigungen gewonnen werden.Einen Eindruck über das Gebäude im Zustand 1 und die Verhältnisse auf dem Rütteltischvermittelt Abbildung 1. Weitere Abbildungen zu den Zuständen 2 und 3 sind in [2] dargestellt.Die Positionierung der für die Modalanalyse genutzten Beschleunigungssensoren sowie derenMessrichtungen ist ebenfalls in Abbildung 1 erkenntlich. Der triaxiale Sensor am Fußpunkt inder Achse A1 diente zur Erfassung des tatsächlich erzeugten Beschleunigungszeitverlaufs undwurde für die Modalanalyse als Eingang genutzt. Die Sensoren Nr. 2 – Nr. 7 waren auf Höheder 1. bzw. 2. Decke angeordnet. Anhand der damit bestimmbaren Eigenvektoren konnten dieglobalen Moden visualisiert werden.Abbildung 1: Mock-Up im Zustand 1 – Skizze mit SensorpositionierungFolgendes Testprogramm wurde für jeden Bauzustand durchgeführt:- Gleitsinuserregung 1-32 Hz innerhalb von 300 s, konstante Amplitude von a g = 0.02 g;- Zweidimensionale Erregung durch spektrumkompatible Erdbebenzeitverläufe, wobeidas Spektrum aus Bild 3 bezüglich der maximalen Bodenbeschleunigung skaliert wurdeauf a g = 0.12 g, 0.16 g und 0.24 g. Es wurden jeweils 100 % der Erregung in horizontalerund 70 % der Erregung in vertikaler Richtung angesetzt;- Dreidimensionale Erregung durch spektrumkompatible Erdbebenzeitverläufe (hrz. X-Richtung: 100%, hrz. Z-Richtung: 100%, vrt. Y-Richtung: 70%) für a g = 0.24 g.Nach Erreichen der nominellen Bemessungslast (a g = 0.24 g) im Zustand 3, wurde das Lastniveauder dreidimensionalen Erregung über ein schrittweises Anheben der max. Bodenbeschleunigungauf a g = 1.08 g erhöht.2184


2 EXPERIMENTELLE ERGEBNISSEZunächst sollen die tatsächlich experimentell erreichten Spektren den Zielgrößen aus demDesign gegenübergestellt werden. Aus Abbildung 2 ist exemplarisch für den Zustand 3 derVergleich für eine horizontale Richtung (MP 1-x) und für die vertikale Richtung (MP 1-y) ersichtlich.Man erkennt, dass der tatsächliche Frequenzverlauf (durchgezogene Linie) oberhalbvon ca. 10 Hz generell höhere Amplituden als die Zielgrößen aufweist. Im Bereich desAmplitudenplateaus zwischen ca. 1,5 Hz und 7 Hz konnten bei den horizontalen Anregungsrichtungendie geforderten 100 % Amplitude nicht erreicht werden. Dieser Effekt verstärktesich mit zunehmenden Anregungsamplituden, sodass insbesondere bei den letzten Tests mit0,84g, 0,96g und 1,08g horizontal nur ca. 70 % der geforderten Amplitude tatsächlich das Gebäudebeanspruchten.06 - Cladded Steel Frame, without Bracings -- Acceleration Response Spectra (D=4%)MP 1-x-horizontal3Triaxial Earthquake 0.24gTriaxial Earthquake 1.08g2.52S d[g]1.510.5010 -1 10 0 10 1 10 2Frequency [Hz]06 - Cladded Steel Frame, without Bracings -- Acceleration Response Spectra (D=4%)MP 1-y-vertical (70% of horizontal)3.5Triaxial Earthquake 0.24g3 Triaxial Earthquake 1.08g2.5S d[g]21.510.5010 -1 10 0 10 1 10 2Frequency [Hz]Abbildung 2: Vergleich Design-Spektren mit experimentellen Spektren am Fußpunkt5219


Die mit dem PO-MOESP Algorithmus bestimmten modalen Parameter sind in Tabelle 1, getrenntnach den Gebäudezuständen und den unterschiedlichen Anregungen, aufgeführt. Zustand1 ist durch eine geringe modale Dämpfung und nahezu vollständig lineares Verhalten charakterisiert.Die allgemeine Erfahrung, dass derartige Strukturen unabhängig vom Identifikationsverfahreneinfach und zutreffend identifiziert werden können, hat sich auch bei den hier vorliegendenVersuchsdaten bestätigt. Im Zustand 2 sinken die Eigenfrequenzen aufgrund der zusätzlichenMassen durch Dachziegel und eine nachgestellte Verkehrslast (50 kg/m²) ab. Die Dämpfungerhöht sich erwartungsgemäß. Auffällig ist jedoch die deutliche Richtungsabhängigkeit,die vermutlich durch die horizontale Verschiebung der Dachziegel hervorgerufen wird. Biszum Lastniveau von 0,24g verhält sich auch in diesem Zustand die Struktur näherungsweiselinear und die identifizierten Modellparameter konnten das tatsächliche Strukturverhalten gutbeschreiben. (Eine Modellvalidierung wurde anhand des Vergleiches von gemessener und modellierterÜbertragungsfunktion vorgenommen. Exemplarische Darstellungen sind in [2] aufgeführt).Zustand 1 -Stahlskelettstruktur mit OSB & GIFA BoardsAnregungSinus-Sweep zu Beginnx-Richtung(horizontal)z-Richtung(horizontal)Zustand 2 -wie Zustand 1, jedoch mit Dachziegeldeckung undVerkehrslast (50 kg/m²)Anregungf 0 D f 0 D f 0 D f 0 DSinus-Sweep zu Beginnx-Richtung(horizontal)z-Richtung(horizontal)0,04 g 6,34 Hz 1,2% 10,33 Hz 1,5% 0,04 g 4,60 Hz 2,3% 7,23 Hz 9,3%Erdbeben biaxial (100% horizontal; 70% vertikal)Erdbeben biaxial (100% horizontal; 70% vertikal)0,12 g 6,39 Hz 1,4% 10,31 Hz 1,7% 0,12 g 4,61 Hz 2,4% 7,25 Hz 7,8%0,16 g 6,36 Hz 1,6% 10,34 Hz 1,9% 0,16 g 4,60 Hz 2,5% 7,26 Hz 8,7%0,24 g 6,34 Hz 1,9% 10,40 Hz 2,2% 0,24 g 4,58 Hz 2,7% 7,23 Hz 8,9%Erdbeben triaxial (je 100% horizontal; 70% vertikal)0,24 g 4,58 Hz 2,8% 7,29 Hz 8,4%Anregungx-Richtung(horizontal)Zustand 3 -vollständiger Mock-Up mit Trockenbauwändenz-Richtung(horizontal)Anregungx-Richtung(horizontal)z-Richtung(horizontal)f 0 D f 0 D f 0 D f 0 DSinus-Sweep (0,04 g)zu Beginn 7,02 Hz 14,9% 6,32 Hz 13,8% Erdbeben biaxial (100% horizontal; 70% vertikal)0,12 g 7,41 Hz 13,0% 6,74 Hz 13,8%0,24 g 7,01 Hz 14,5% 6,66 Hz 16,3%nach 0,24 g 7,00 Hz 15,6% 6,11 Hz 11,7%nach 0,72 g 6,31 Hz 18,9% 6,00 Hz 17,2%nach 0,96 g 4,97 Hz 13,0% 5,82 Hz 28,4%Erdbeben triaxial (je 100% horizontal; 70% vertikal)0,24 g 7,03 Hz 15,9% 6,38 Hz 8,9%0,36 g 6,79 Hz 17,5% 6,26 Hz 9,7%0,48 g 6,59 Hz 19,0% 5,29 Hz 7,8%0,60 g 6,56 Hz 21,2% 6,21 Hz 14,4%0,72 g 4,93 Hz 16,3% 5,98 Hz 23,9%0,84 g 4,23 Hz 16,3% 5,37 Hz 27,1%0,96 g 4,30 Hz 13,6% 4,42 Hz 23,6%1,08 g 3,94 Hz 34,6% 4,29 Hz 21,9%Tabelle 1: Übersicht von Eigenfrequenzen und modalen Dämpfungsgraden für die Zustände 1 bis 32206


Im Vergleich zu den beschriebenen Zuständen 1 und 2 war die Identifikation der modalenParameter des vollständig mit Trockenbauplatten beplankten Mock-Up durch stark schwankendeErgebnisse gekennzeichnet. Insofern sind die für den Zustand 3 aufgeführten Daten in Tabelle1 lediglich geeignet, grundsätzliche Tendenzen aufzuzeigen. Die modalen Daten sind insbesondereabhängig von der Anzahl der Sensoren, die zur Modellbestimmung herangezogenwurden, der Anzahl der Blockzeilen sowie dem genutzten Identifikationsalgorithmus. Der PO-MOESP-Algorithmus brachte – verglichen zu anderen Verfahren – die besten Ergebnisse hervor.In Abbildung 3 ist die Abhängigkeit von Eigenfrequenz bzw. modaler Dämpfung zur Anzahlder Blockzeilen und zur Anzahl der in die Auswertung einbezogenen Sensoren dargestellt.Während die Eigenfrequenzen noch einigermaßen stabil bestimmt werden, sind die Angabenzur modalen Dämpfung völlig von der verwendeten Sensoranzahl und der Blockzeilenanzahlabhängig.Frequenz [Hz]5.554.54Earthquake 0.84g - 100x 100z 70y - Cladded Steel Frameu=MP1x, y=MP5xu=MP1x, y=MP2-7xu=MP1xy, y=MP5xu=MP1xy, y=MP2-7xy außer MP5yu=MP1xyz, y=MP5xzu=MP1xyz, y=MP2-7xyz außer MP5y3.550 70 90 110 130 150 170 190 210 230 250 270 290Modale Dämpfung [-]0.250.20.150.10.05u=MP1x, y=MP5xu=MP1x, y=MP2-7xu=MP1xy, y=MP5xu=MP1xy, y=MP2-7xy außer MP5yu=MP1xyz, y=MP5xzu=MP1xyz, y=MP2-7xyz außer MP5y050 70 90 110 130 150 170 190 210 230 250 270 290Anzahl BlockzeilenAbbildung 3: Einfluss der Blockzeilenanzahl / der Sensoranzahl bei nichtlinearem StrukturverhaltenEine maßgebende Ursache ist das bei einer Anregung mit 0,84g vorhandene nichtlineareStrukturverhalten, welches durch den linearen Modellansatz nicht geeignet abgebildet werdenkann. Hierauf sollte stets geachtet werden, vorwiegend jedoch bei stark gedämpften undkomplexen Strukturen. Aber auch bei kleineren Anregungsamplituden (in Abbildung 4 ist dasVerhalten bei 0,24g Bodenbeschleunigung dargestellt), bei denen die Struktur sich noch linearverhält, gibt es – vorwiegend bei den modalen Dämpfungsgraden – Abhängigkeiten von denEingangsdaten einer Identifikation. Im aufgeführten Beispiel bewegt sich die modaleDämpfung in einem Bereich zwischen 11 % und 14 %.Das prinzipielle dynamische Verhalten des Gebäudes konnte auch im Zustand 3 erfasst werden.Im Vergleich zum Zustand 2 steifen die Trockenbauwände das Gebäude deutlich aus, wasanhand der um 50 % angestiegenen Eigenfrequenzen in x-Richtung (trotz des beachtlichen Zusatzgewichtesder Beplankung) deutlich wird. In z-Richtung kommt dieser Effekt nicht zum7221


Tragen, da in dieser Richtung diagonale Stahlstreben diese Funktion bereits im Zustand 1 übernommenhaben. Außerdem führen die Trockenbaubeplankungen zu einer weiteren Erhöhungder modalen Dämpfung, bis in den Bereich von ca. 15 %.Frequenz [Hz]8.587.57Earthquake 0.24g - 100x 100z 70y - Cladded Steel Frameu=MP1x, y=MP5xu=MP1x, y=MP2-7xu=MP1xy, y=MP5xyu=MP1xy, y=MP2-7xyu=MP1xyz, y=MP5xyzu=MP1xyz, y=MP2-7xyz6.550 70 90 110 130 150 170 190 210 230 250 270 290Modale Dämpfung [-]0.20.150.1u=MP1x, y=MP5xu=MP1x, y=MP2-7xu=MP1xy, y=MP5xyu=MP1xy, y=MP2-7xyu=MP1xyz, y=MP5xyzu=MP1xyz, y=MP2-7xyz0.0550 70 90 110 130 150 170 190 210 230 250 270 290Anzahl BlockzeilenAbbildung 4: Einfluss der Blockzeilenanzahl / der Sensoranzahl bei linearem StrukturverhaltenBei den triaxialen Erdbebentests gehen die Eigenfrequenzen des Gebäudes mit steigendenAnregungsamplituden deutlich zurück, fast bis auf 50 % vom ursprünglichen Wert. Dies istjedoch nicht allein auf nichtlineare Effekte zurückzuführen. Wie bereits beschrieben, wurdenzusätzlich zu den Erdbebentests Sinus-Sweep-Anregungen mit kleiner Amplitude gefahren. ImZustand 3 wurden diese zusätzlich zu dem Test am Beginn jeweils nach den Erdbebentests mit0,24g, 0,72g und 0,96g Amplitude wiederholt. In Abbildung 5 sind exemplarisch die Übertragungsfunktionenfür beide horizontale Richtungen abgebildet. Das Übertragungsverhalten nachAbschluss des Erdbebens mit Designlast von 0,24g ist deckungsgleich zum ursprünglichenVerhalten. Daraus ist ersichtlich, dass die Struktur diesen Test schadlos bestanden hat. DieSweep-Anregungen nach den Tests mit 0,72g und 0,96g zeigen deutlich abweichendes Übertragungsverhalten,sodass erste strukturelle Schäden eingetreten sein müssen, obwohl dieseäußerlich nicht sichtbar waren. Es ist davon auszugehen, dass sich die Anschlüsse der Trockenbauplattenverändert haben, was zu einem Abfall der Steifigkeit und anfangs zu einer Dämpfungserhöhungführt. Ob zusätzlich Schäden an der Tragstruktur vorhanden waren, konntenicht überprüft werden, da wegen des rissefreien Zustands der Mock-Up weiterverwendet werdensollte und die Leichtbauplatten nicht rückgebaut wurden, um die Stahlkonstruktion aufSchäden zu kontrollieren.2228


86406 - Cladded Steel Frame, without Bracings -- Transfer Functions Sine SweepSine Sweep xMP 1-x --> MP 5-xafter Earthquake 0.24g - MP 1-x --> MP 5-xafter Earthquake 0.72g - MP 1-x --> MP 5-xafter Earthquake 0.96g - MP 1-x --> MP 5-x2064Sine Sweep zMP 1-z --> MP 5-zafter Earthquake 0.24g - MP 1-z --> MP 5-zafter Earthquake 0.72g - MP 1-z --> MP 5-zafter Earthquake 0.96g - MP 1-z --> MP 5-z200 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20Frequency [Hz]Abbildung 5: Nachweis einer Strukturschädigung anhand des veränderten Übertragungsverhaltens3 ZUSAMMENFASSUNGDie auf einem Rütteltisch gewonnenen experimentellen Daten eines Gebäudetests konntengenutzt werden, um das Potenzial und die Grenzen einer Identifikation von modalen Daten mitZeitbereichsverfahren aufzuzeigen. Dabei bestätigten sich die bereits bei vorangegangenenMesskampagnen gewonnenen Erfahrungen:- Zeitbereichsverfahren sind Frequenzbereichsverfahren insbesondere bei stark bzw. extremschwach gedämpften Strukturen oder bei sehr kurzen Datensätzen überlegen;- Strukturen mit schwacher Dämpfung (z.B. Stahlbauten) können einfach und zutreffendidentifiziert werden, unabhängig von der angewandten Methode;- bei der Identifikation von stärker gedämpften Strukturen sind die identifizierten Parametersorgfältig auf Plausibilität zu prüfen, beispielsweise anhand eines Vergleichesvon gemessener und modellierter Übertragungsfunktion. Während Eigenfrequenzen undEigenformen oftmals eine enge Streuung aufweisen, reagieren bestimmte modaleDämpfungsgrade sensibel auf veränderte Identifikationsparameter. Dies gilt besondersbei einer Identifikation im Falle stochastischer Anregung (Stochastic-Subspace-Identification), auf die hier nicht näher eingegangen wurde;- erhebliche Ungenauigkeiten existieren bei der Identifikation nichtlinearer Strukturen, dain diesem Fall die Modellannahmen von linearem Verhalten nicht erfüllt werden. Insolchen Fällen sind andere Identifikationsverfahren mit nichtlinearen Modellansätzenbesser geeignet, das Strukturverhalten abzubilden.9223


Abschließend möchten wir uns für die sehr gute Zusammenarbeit innerhalb des Forschungsprojektes„I-SSB Integrated Safe & Smart Built“ bei allen Beteiligten und insbesondere bei denKoordinatoren Frau Prof. Maria Founti, NTUA Athen und Prof. Dr. H.-U. Hummel, KnaufGips KG bedanken. Das Forschungsvorhaben wurde durch die EU unter der Projektnummer IP026661 gefördert.LITERATURHINWEISE[1] D. J. Ewins, Modal Testing, Theory, Practice and Application, 2nd Edition, ResearchStudies Press Ltd., Baldock; UK 2000.[2] F.-O. Henkel, J. Röhner, Konstruktion und Rütteltischversuche an einer Stahl-Leichtbaukonstruktion, 12. D-A-<strong>CH</strong> Tagung – Erdbeben und Baudynamik, Hannover,September <strong>2011</strong>[3] H. G. Natke, Einführung in Theorie und Praxis der Zeitreihen- und Modalanalyse, ISBN3-528-08145-7, Vieweg, 1983.[4] P. van Overschee und B. de Moor, Subspace Identification for Linear Systems, KluwerAcademic Publishers, 1996[5] M. Verhaegen und P. de Wilde, Subspace Model Identification, Part I: The Output-ErrorState Space model Identification Class of Algorithms, International Journal of Control,Vol. 56(5), Pages 1187-1210, 1992.22410


12. D-A-<strong>CH</strong> Tagung – Erdbeben und BaudynamikC. Könke (Hrsg.)Hannover, Deutschland, 15.–16. September <strong>2011</strong>Erdebeninduzierte Massenbewegungen – Neue Ansätze für das Monitoringund die Modellierung mit Echtzeitdaten von SensornetzwerkenH. Klapperich*, R. Azzam, T.M. Fernandez-Steeger und H. Shen* Lehrstuhl Bodenmechanik, bergbauliche Geotechnik und Grundbau,Institut für Geotechnikt, TU Bergakademie FreibergGustav-Zeuner-Straße 1, D-09596 FreibergE-mail: herbert.klapperich@ifgt.tu-freiberg.deSchlüsselwörter: Erdbebeninduzierte Massenbewegungen, Monitoring, Echtzeit,Sensornetzwerk, Gefahrenmanagement.Kurzfassung. Neben niederschlagsinduzierten Massenbewegungen sind insbesondereseismisch induzierte Massenbewegungen in Forschung und Praxis von besonderer Bedeutung.Letztere sind sogar für die überwiegende Mehrheit der kumulierten Schäden und Opferverantwortlich. Hinsichtlich des Stands der Forschung und dem Umgang mit den Gefahrendurch erdbebeninduzierte Massenbewegungen sind auch heute noch erhebliche Defizite fest zustellen. So werden bei heutigen Risikobetrachtungen hinsichtlich der seismischenMassenbewegungsgefährdung Topographieeffekte oder Verstärkung der vertikalenBeschleunigung ungenügend berücksichtigt. Weiterhin ist die Fallzahl lokalergeophysikalischer und geotechnischer Daten von seismisch induzierten Massenbewegungensehr gering und auf wenige große Ereignisse konzentriert. Oft stehen gerade an den für dieGeotechnik relevanten Stellen aufgrund der möglichen Verstärkungseffekte keineBeschleunigungsdaten zur Verfügung. Fortschritte in der Technik und Forschung auf denGebieten der Mikroelektronik und drahtlos Sensornetzwerken erlauben hier für die Zukunftneue Ansätze für die Entwicklung von Warn- und Monitoringsysteme. Durch drahtlosSensornetzwerke lassen z.B. auch räumlich verteilt kritische Geländesituationen oderInfrastruktureinrichtungen in Echtzeit überwachen und hinsichtlich Ihrer Stabilität imEreignisfall prüfen. In diesem Beitrag werden Ansätze gezeigt wie zukünftig durch Koppelungvon numerischer Simulationen und Echtzeit Sensordaten eine Überwachung und Bewertung derHangstabilität möglich ist. Durch Abgleich von numerischen Lösungen und Echtzeitdaten kanndurch Inversion auf die mechanischen Parameter geschlossen werden, die wiederum für dieErmittlung des Sicherheitsbeiwertes oder des Ausnutzungsgrades nach DIN 1054 benötigtwerden.1225


1 EINLEITUNGNeben niederschlagsinduzierten Massenbewegungen sind insbesondere seismisch induzierteMassenbewegungen in Forschung und Praxis von besonderer Bedeutung. Letztere sind sogarfür die überwiegende Mehrheit der kumulierten Schäden und Opfer verantwortlich. So sindz.B. ein Drittel der Opfer (20.000) des Sichuan Erdbebens in China im Mai 2008 direkt aufeines der ca. 15.000 Massenbewegungsereignisse [1] zurück zu führen. Wie die Ereignisse inChina zeigen wird die Problematik von erdbebeninduzierten Massenbewegungen heuteverstärkt durch die Tatsache, dass weltweit hinsichtlich der Rutschungsgefährdung ungeeigneteGebiete immer dichter Besiedelt werden. Hinsichtlich des Stands der Forschung und demUmgang mit den Gefahren durch erdbebeninduzierte Massenbewegungen sind auch heute nocherhebliche Defizite fest zu stellen. Aus diesen Gründen ist es einerseits notwendig diegrundlegenden technischen, finanziellen und sozialen Risiken die von erdbebeninduziertenMassenbewegungen ausgehen besser zu verstehen und für die Gesellschaft transparent zumachen. Darüber hinaus muss das Verständnis der grundlegenden Prozesse und der Modelleverbessert und den Erfahrungen aus den letzten Jahren angepasst werden. So werden beiheutigen Risikobetrachtungen hinsichtlich der seismischen MassenbewegungsgefährdungTopographieeffekte oder Verstärkung der vertikalen Beschleunigung ungenügendberücksichtigt. Während gerade bei niederschlagsinduzierten Massenbewegungen in denletzten Jahrzehnten erhebliche Fortschritte hinsichtlich der Erkennung von gefährdetenGebieten und Modellierung auf allen Skalen große Fortschritte erzielt wurden, gilt dies nichtfür seismisch induzierte Massenbewegungen. Auch bezüglich des Managements vonMassenbewegungsrisiken sind bei seismisch induzierten Ereignissen nur begrenzte Fortschrittezu beobachten. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass die weltweit verfügbare Datenbasis relativdünn ist und sich auf wenige große Ereignisse konzentriert. Zudem stehen gerade an den für dieGeotechnik relevanten Stellen aufgrund der möglichen Verstärkungseffekte fast nieBeschleunigungsdaten zur Verfügung. Fortschritte in der Technik und Forschung auf denGebieten der Mikroelektronik und drahtlos Sensornetzwerken erlauben hier für die Zukunftneue Ansätze für die Entwicklung von Warn- und Monitoringsysteme. Durch drahtlosSensornetzwerke lassen z.B. auch räumlich verteilt kritische Geländesituationen oderInfrastruktureinrichtungen in Echtzeit überwachen und hinsichtlich Ihrer Stabilität imEreignisfall prüfen [2].Echtzeit-Monitoring-Systeme identifizieren aktive Strukturen, erfassen die Bruchmechanismenvon Böschungen induziert durch Starkregen oder Erdbeben und invertieren dieEingangsparameter des Modells. Für die Korrelationsvalidierung zwischen der Verschiebungund der potentiellen Gleitfläche der Böschung werden numerische 2D order 3D Modelle inFinite Elemente oder Finite Differenzen Codes implementiert - Zur Analyse des Bruchprozessesund der Böschungsstabilität [11].In diesem Beitrag werden Ansätze gezeigt wie zukünftig durch Koppelung von EchtzeitSensordaten und numerischer Simulationen und Überwachung, sowie Bewertung von HangundBöschungsstabilität möglich ist. Durch Abgleich von numerischen Lösungen undEchtzeitdaten kann durch Inversion auf die mechanischen Parameter geschlossen werden, diewiederum für die Ermittlung des Sicherheitsbeiwertes oder des Ausnutzungsgrades nach DIN1054 benötigt werden.2262


2 E<strong>CH</strong>TZEIT SENSORNETZWERKEine zentrale Aufgabe beim Gefahrenmanagement und -monitoring ist es schnell undverlässliche Daten zu erhalten um die aktuelle Situation bewerten zu können und ggf.Maßnahmen einzuleiten. Hierfür sind Echtzeit Sensornetzwerke eine geeignete Lösung. Deraktuelle Grad der Miniaturisierung von Sensoren, Prozessoren und Funkmodulen ermöglichtdie Einführung einer neuen Klasse von Sensornetzwerken, sogenannte drahtlosSensornetzwerke (Wireless Sensor Networks). Diese ermöglichen eine preisgünstige, kabelloseund großflächige Echtzeit Datenerfassung. Ein drahtlos Sensornetz (von engl. wireless sensornetwork) ist ein Rechnernetz von Sensorknoten, die aus sehr kleinen, drahtloskommunizierenden Computern bestehen, die in einem organisierenden Netzzusammenarbeiten, um ihre Umgebung mittels Sensoren zu überwachen (Abb. 1). Dadurchwird die flächenhafte Beobachtung und Überwachung verschiedener Phänomene in der Umweltmöglich. Mit großer Genauigkeit können Phänomene beobachtet werden, ohne dabei die in derrealen Welt ablaufenden Prozesse wesentlich zu beeinflussen. Über dieDrahtloskommunikation werden diese Daten gesammelt, miteinander verknüpft und zu einemAbfragesystem in nahezu Echtzeit weitergeleitet. Moderne Messmodule für drahtloseSensornetze sind streng modular aufgebaut. Dadurch stellen sie offene Schnittstellen für dieIntegration unterschiedlichster Sensoren bereit. Durch die großen Fortschritte auf dem Gebietder Mikrosensorik in den letzten Jahren können heute sehr kleine und präzise Messesensoren insolche Systeme integriert werden. Jenseits der Forschung weisen allerdings verfügbareProdukte meist noch einen experimentellen Charakter und einen geringen Entwicklungsstandauf.Abbildung 1: Drahtloses multi-hop ad-hoc Sensornetzwerk aus mehreren Sensorknoten. Die Sensorknoten bauenautonom eine optimale Datenübertragung auf und können diese bei Störungen selbständig rekonfigurieren. DieDaten werden dabei per Funk direkt oder über andere Knoten zur Basisstation (Gateway) übertragen..Im Rahmen des Verbundprojektes SLEWS (Sensorbased Landslide Early Warning System)wurde auf Basis der WSN Technologie von ScatterWeb ein neuer Sensorknoten (Abb. 2)dermit unterschiedlichen Sensoren bestückt ist für die Überwachung von Massenbewegungenentwickelt [3]. Die Energieversorgung erfolgt entweder über ein Batteriemodul odersolargeladenen Akkumulator (Abb.2). Als Datensenke dient eine Basisstation, das Gateway,welches derzeit in 2 Varianten existiert. Die Basisvariante wird flexibel über einen TCP/IP Portin bestehende Infrastrukturen eingebunden, muss aber gegenüber Umwelteinflüssen gesondert3227


geschützt werden. Für den schnellen Geländeeinsatz wird ein Gateway mit GSM-Modem fürden infrastrukturunabhängigen Einsatz (Abb. 2) verwendet, dass über ein Solarpanel oder eineBrennstoffzelle mit Energie versorgt wird. Für die Erfassung verschiedenerOberflächendeformationen und Bewegungen, wie, Kippbewegungen, Beschleunigungen,Erschütterungen, aber auch Höhenänderungen wurden verschiedene Mikrosensoren (MEMS)ausgewählt [2]. Diese Kleinstsensoren von z.T. nur wenigen Millimeter Größe werden ingroßen Stückzahlen produziert, weißen eine hohe Messgenauigkeit auf und haben einengeringen Energiebedarf. Der letzte Punkt spielt bei der Integration in drahtloseSensornetzwerke eine entscheidende Rolle, da die Spannungsversorgung für längerewartungsunabhängige Einsätze effizient gestaltet werden muss.Abbildung 2: Komponenten des SLEWS drahtlos Sensornetzwerkes. Für die Echtzeitüberwachung. Auf der linkenSeite ist der Sensorknoten mit der Prozessor und Kommunikationseinheit dem Scatternote, sowie denEnergiemodulen abgebildet. Rechts sind die zwei Varianten der Basisstation, dem Gateway zu sehen.Die Sensordaten aus dem Netzwerk werden auf an der Basisstation, dem Gatewaygesammelt und von dort an eine Dateninfrastruktur via TCP/IP über einen COM-Port oderGSM Datenverbindung weitergeleitet. Zur Regelung dieser Kommunikation wird ein Gateway-Server verwendet, der die Überprüfung, Verarbeitung und Verteilung der Daten übernimmt.Eine besondere Eigenschaft dieser Controller Ebene ist die Bidirektionalität, die eineFernsteuerung des Sensornetzwerkes ermöglicht. Diese Abstraktions- bzw. Controlling-Ebenewird beim SLEWS-System durch einen Controlling-Server auf Linux-Basis realisiert (Abb. 3).Durch die flexible und modulare Struktur des Servers ist es möglich das Gateway desSensornetzwerks direkt z.B. über ein COM-Port Modul oder über ein GSM Modem auf demGateway mittels eines TCP/IP Server Modul anzusprechendem. Der Controlling-Serverumfasst mehrere Module die der Regelung der Kommunikation und Verteilung der Messdatenund Kommandos dienen. So können Sensordaten z.B. direkt über TCP/IP Clients (Abb. 3) über2284


das Internet in Webbrowser abrufbar gemacht werden. Parallel existieren MySQL- undPostgreSQL-Client Module (Abb. 3) die Datenbanken bedienen in denen die Daten aus demSensornetzwerk gespeichert und für andere Anwendungen auch interoperabel bereitgestelltwerden können. Diese Struktur erlaubt eine sichere Trennung zwischen Betrieb desSensornetzwerkes und Datenbereitstellung für unterschiedlichste Anwendungen.Abbildung 3: Schematische Darstellung derVerarbeitung der Sensordaten in der für das SLEWS-Projektentwickelten sehr flexiblen Dateninfrastrukur. Diese erlaubt über die Abstraktionsschicht des Gatewayservers eineEinbindung verschiedener Dienste zur Datenverarbeitung und Weiterleitung an den Endnutzer, sowie dieFernsteuerung des Sensornetzwerkes.3 MIKROSENSOREN (MEMS) IN SENSORNETZWERKEN FÜR DASBEWEGUNGS- UND BODENBESCLEUNIGUNGSMONITORINGMassenbewegungen können als komplexe Deformationsprozesse an der Erdoberflächeaufgefasst werden, die zu Veränderungen an der Geländeoberfläche aber auch zu Schäden anGebäuden und Infrastruktureinrichtungen führen können. Bei seismisch induzierteMassenbewegungen können neben dem Geländeversatz an der Erdoberfläche auch dieseismischen Erschütterungen oder Bodenbeschleunigungen beobachtet werden.5229


Abbildung 4: Sensoren die in den SLEWS-Sensorknoten zur Verfügung stehen. Links sind die 3 MEMS-Sensoren abgebildet, die in den Standardknoten integriert sind. Auf der rechten Seite sind die indas Systemintegrierbaren Positionssensoren dargestellt.Hierfür können präzise Sensoren aus der Mikrosystemtechnik verwendet werden,sogenannte MEMS. Diese zeichnen sich durch hohe Präzision, niedrigen Energieverbrauch,digitale Schnittstellen und niedrige Kosten aus. Durch die Miniaturisierung können auchmehrere verschiedenartige oder identische MEMS-Sensoren auf einem Sensorknoten integriertwerden. Auf dem SLEWS-Sensorknoten sind neben einem präzisen Neigungs- undBeschleunigungssensor, ein barometrischer Drucksensor auf einer Sensorplatine integriert(Abb. 4). Bei dem Neigungssensor handelt es sich um einen 2-achsialen kapazitiven MEMSmit einer digitalen SPI Schnittstelle und einem Messbereich von ±30°. DerBeschleunigungssensor ist ein 3D-MEMS mit 3 senkrecht aufeinander stehendenMessrichtungen und einem Messbereich pro Achse von ±2g. Der Drucksensor ist ebenfalls eindigitaler Sensor mit einer Genauigkeit bei relativen Druckänderungen von ±50 Pa. Zusätzlichzu diesen Sensoren kommen auch sogenannte Positionssensoren (Abb. 4) zum Einsatz um z.B.Spaltenaufweitungen oder über Setzungspegel Bewegungen an basalen Gleitbahnen zubeobachten. Hierfür werden Seilzugwegaufnehmer der Schutzklassen IP 56 bzw. 68 mitMesslängen von 1,0 m bzw. 0,5 m, bei einer Genauigkeit von 0,1 mm verwendet. Alternativkönnen auch linear-magneostriktiver Wegaufnehmer verwendet werden. In zahlreiche Testskonnte gezeigt werden, dass die ausgewählten Sensoren eine hohe Stabilität besitzen und auchkleine Veränderungen präzise erfassen können. So weißt der Neigungssensor eine Genauigkeitvon +/- 0,06 °, der Beschleunigungssensor von +/- 0,008 g und der Seilzugwegaufnehmer von+/- 0,1 mm auf. Dadurch können Neigungsänderungen von > 0,1°, Beschleunigungen von >0,02 g und Lageänderungen von > 0,1 mm präzise aufgezeichnet werden. Bei Feldtests 2009konnten z.B. auf der Rutschung Super Sauze in Südfrankreich mit den SeilzugwegaufnehmernSpaltenöffnungen von 1,5 mm über 5 Tagen beobachtet werden und später mitnanoseismischen Messungen korreliert werden. Bei einem weiteren Feldtest in der sächsischenSchweiz konnten durch zeitlich hochauflösende Messungen Spaltenöffnungen an Klüften mit2306


der thermischen Expansion des Gesteins verglichen werden. Seit <strong>2011</strong> wird das System auf denPhilippinen zur Beobachtung aktiver Rutschungen für das Gefahrenmanagement getestet.4 DRAHTLOS SENSORNETZWERKE FÜR DIE ÜBERWA<strong>CH</strong>UNG VONERDBEBENINDUZIERTEN MASSENBEWEGUNGENIn den letzten zwei Dekaden ist eine wachsende Anzahl von Warn- undÜberwachungssystemen für Massenbewegungen entwickelt und in den operativen Einsatzübernommen worden. Besonders in den Alpenländern Europas haben diese heute einen hohentechnischen und wissenschaftlichen Stand erreicht. Allerdings sind die zurzeit existierendeÜberwachungs- und Frühwarnsysteme vor allem monolithische Systeme, d.h. Insellösungen,die in Einbau und Installation, Konfiguration und Steuerung, sowie Verwaltung, Pflege undWartung sehr kostenintensiv sind. Weiterhin sind die meisten operativen Monitoringsystemenicht für erdbebeninduzierte Massenbewegungen entwickelt worden und sind entsprechend fürdiese Anwendung wenig geeignet. Dies hat sich trotz der große Erdbeben mit vielenMassenbewegungen wie dem Chi-Chi Erdbeben 1999 oder dem Wenchuan Erdbeben 2008nicht geändert. Hier bieten drahtlos Sensornetzwerke mit MEMS einen neuen sehr flexibelenund auch kostengünstigen Ansatz um Massenbewegungen und Erschütterungen in seismogenenUmgebungen zu überwachen. Insbesondere bei größeren Erdbeben muss mit größerenErdbewegungen gerechnet werden, die zu Kabelbrüchen oder dem Verlust von Sensoreknotenführen können. Hier bietet ad-hoc Sensornetzwerke mit kabelloser Daten- undNetzwerkkommunikation erhebliche Vorteile, da diese beim Verlust von Verbindungen oderSensorknoten autonom ein neues Datenrouting aufbauen können und so die operative Integritätdes Systems sicherstellen.Abbildung 5: Schematischer Aufbau eines Echtzeit Monitoringsystems für Massenbewegungen wie es mit demSLEWS-System einfach und schnell umgesetztw erden kann. Mit den auf den Sensorknoten integriertenBeschleunigungssensoren können so z.B. kritische lokale Bodenbeschleunigungen überwacht werden.Ein weiterer Aspekt von drahtlosen Sensornetzwerken ist die einfache Installation undInbetriebnahme im Gelände. Beim SLEWS-System müssen hierfür die Sensoren nur an Stellenplatziert werden die überwacht werden sollen. Nach dem Einschalten verbinden Sich die7231


Sensorknoten automatisch mit dem Gateway und benachbarten Sensoren. Selbst in größerenInstallationen können so schon wenige Minuten nach dem Aufbau erste Sensordatenaufgenommen und durch das Netzwerk an das Gateway übermittelt werden. Auch das Gatewayverbindet sich autonom nach der Initialisierung direkt oder über eine GSM Verbindung mit derServerinfrastruktur. Diese weitgehende automatisierte Initialisierung des Gesamtsystems mitFerndatenübertragung ermöglicht auch die Verwendung als mobiles flexiblesÜberwachungssystem für Hilfs- und Bergungsoperationen nach Erdbeben.Hinsichtlich erdbebeninduzierter Massenbewegungen ist insbesondere die Gewinnung vonBodenbeschleunigungsdaten aus gefährdeten Gebieten von Interesse. Ein Grund hierfür ist,dass ein erheblicher Forschungsbedarf hinsichtlich seismisch induziertem Böschungsversagensund erdbebeninduzierten Massenbewegungen im Allgemeinen besteht. ErdbeninduzierteMassenbewegungen sind besonders von Keefer ([4], [5]) intensiv untersucht und beschriebenworden. Die heute gebräuchlichste Methode um die Disposition gegenüber Massenbewegungenauf einer regionalen Skala zu untersuchen ist der deterministische Ansatz basierend aufNewmarks Modell zu Blockbewegungen auf einer geneigten Oberfläche durch seismischeBeschleunigung (z.B. in [6]). Die Bodenbeschleunigung geht dabei als ein wichtiger Parameterin die Berechnung ein und wird anhand von potentiellen Ereignissen abgeschätzt. Hier könnteder Einsatz von Sensornetzwerken zur Datengewinnung einerseits die Datenbasis zur Prognoseder Bodenbeschleunigungen erheblich erweitern und verbessern. Weiterhin würden erweiterteDatensätze eine bessere Kalibrierung der Methoden erlauben. So gibt es bis heute nur sehrwenige Beschleunigungsdaten von oder aus der Nähe von seismisch induziertenMassenbewegungen. Ein weiteres Problem ergibt sich aus der Tatsache, dass entgegen derAnnahmen des Newmarkmodells neben der horizontalen auch vertikale Beschleunigungen ineinigen Situationen einen bedeutenden Einfluss auf die Böschungsstabilität haben können ([7],[8]). Neben diesem auch als Trampolineeffekt bezeichneten Phänomen, dass zu erheblichenVerstärkungen der vertikalen Bodenbeschleunigungen führen kann, hat sich auch an denaktuellen Beispielen aus Christchurch / Neuseeland gezeigt, dass lokale Verstärkungseffekteund Topographieeffekte einen unter umständen entscheidenden Einfluss auf dieMassenbewegungsentstehung haben können. Insbesondere der bisher unterschätzte Einflussvon hohen Vertikalbeschleunigungen auf die Hang- und Böschungsstabiltät zwingen zu einemumdenken und Neubewertung der bisherigen Sicherheitskonzepte. Hierfür werden Systemebenötigt, die kostengünstig verteilt 3D Beschleunigungsdaten liefern können.Obwohl die Präzision von Sensornetzwerke, wie dem SLEWS System nicht mit demseismischen Netzwerke vergleichbar ist, erlauben Sei dennoch Informationen zurBeschleunigungsverteilung und Erschütterungsintensitäten zuverlässig zu erheben. Zudemkönnen diese Daten auch von Netzwerken „nebenbei“ erhoben werden die eigentlich für andereAufgaben installiert wurden. Zudem erlaubt die einfache und schnelle Installation auch nacheinem großen Erdbeben gefährdete Hänge, Infrastruktureinrichtungen oder Gebäudestrukturenhinsichtlich der Einwirkung von Nachbeben zu überwachen. Auch Rutschungsdämme derenStabilität stets kritisch und meist unbekannt ist können so nach einem Erdbeben schnellüberwacht werden um Folgeschäden zu minimieren.5 Modellierung und SensordatenMethoden zur Bestimmung der Böschungsstabilität unter seismischer Belastung haben sichseit Beginen des letzten Jahrhunderts kontinuierlich entwickelt. Die ersten Ansätze fürModellerung der Erdbeben-Effekte basierten auf einer zusätzlichen Erdbebenkraft zu einerstatischen Grenzgleichgewichtsanalyse - Terzaghi (1950) [9] formulierte die bekannte Pseudo-2328


statische Analyse. Diese Methode berücksichtigt jedoch nicht das Stoffgesetz von Böden. AlsErgebnis ergibt sich lediglich ein Sicherheitsfaktor der Böschungstandsicherheit ohne dieGrößen Verschiebung und Geschwindigkeit. Im Weiteren wurde eine Art Spannungs-Deformations-Methode entwickelt und auf Böschungen angewandt (Clough und Chopra, 1966)[10]. Heute erlaubt die nummerische Simulation neben der statischen Analyse ebenfalls einedynamische Analyse wie die Böschungsstabilität während einer Erdbebenanregung.Die Hauptschwierigkeit liegt bei der Größenbestimung der geotechnischen Paremeter desgenutzten Stoffgesetzes. Die übliche Bestimung erfolgt mittels Labor- und in-situ-Versuchenoder bei Felsgestein durch die Nutzung empirischer Klassifizierungssysteme. Die Ergebnissealler Methoden sind mit Unsicherheiten behaftet durch Faktoren wie Heterogenität,repräsentative Versuchsrandbedingungen usw. Zur Reduzierung dieser Unsicherheiten kannz.B. die Invers-Analyse in der Böschungsstabilitätsberechnung genutzt werden - mittels deraufgezeichneten Daten zur Parameter Bestimmung der Formationen.Inverse Methoden gliedern sich in analytische Ansätze, numerische – wie FEM, FDM undBEM etc. Der Vorzug wird meist der Verschiebungs – Inversions – Methode basierend aufeiner numerischen Simulation gegeben.Hierbei werden die das Systemverhalten beschreibenden Gleichungen in der Weise invertiert,dass die Materialparameter als Ergebnis und die Messgrößen als Eingangsgröße auftreten.Abbildung 6 zeigt ein Schema der Beobachtungsmethode, welche die Vorteile der backanalysisnutzt.Fig. 6 Scheme of the observational method using back analysis in the processDie gesessenen Daten können zur Validierung oder zum Update der Eingangswerte (wie diegeomechanischen Parameter) basierend auf Modellen der numerischen Simulation genutztwerden. Als Beispiel ist eine homogene Böschung unter Erdbebenbelastung dargestellt um dieSimulation der Erdbebenwellenbelastung auf die Böschung zu zeigen, sowie die Anwendungder Echtzeit-Meßergebnisse zur Verbesserung der Modellierung mittels Inversion. Dienumerische Simulation wird mit der Software FLAC durchgeführt.Bild 7 zeigt das gewählte Beispiel mit 25º Böschungsneigung, 200 m Länge, linke Höhe 35m- rechte Höhe 80 m. Die Eingangs-Bodenparameter sind in Tabelle 1 aufgelistet (Dilatationund Zug bleiben unberücksichtigt).Table 1 the soil parametersDensity(kg/m 3 )Bulk(Pa)Shear(Pa)Cohesion(Pa)Friction angle Dilation Tension(Pa)2000 5.1e8 2.3e8 2.5e4 25 0.0 0.09233


Fig. 7 Finite difference mesh of the slopeAls seismische Belastung wird das Loma Prieta Beben Kalifornien (1987) aufgebracht(linker Widerlager des Lexington Damms) mit maximaler Beschleunigung von etwa 2.7 m/s 2(0.28 g) und einer Dauer von ca. 40 Sekunden (Bild 8).Eine Fast-Fourier-Transformations-Anlyse der Beschleunigungsaufzeichnung ergibt einAntwortspektrum (s. Bild 9).Fig 8 Horizontal acceleration time historyFig 9 Power spectrum of input accelerationIn der dynamischen Anlyse wird die Freifeldgrenze als seitliche - angesetzt. Die gefilterteBeschleunigung wird in der Grundfläche angesetzt, die wiederum im Modell alsunverschieblich in y-Richtung modelliert wird (Felsuntergrund).Es wird das Mohr-Coulomb Bruchkriterium genutzt und die Aufzeichung des Deformationsverlaufsan den Stellen der Sensoren zur Echtzeit-Auswertung ermittelt.Bild 10 zeigt eine Relativverschiebung eines Punktes der Rutschmasse durch numerischeSimulation. Konvergiert die Verschiebung in einer bestimmten Zeit, bedeutet dies eine stabileBöschung, divergiert sie, steht’s für Böschungsbruch.23410


Fig. 10 relative displacement at one point by numerical simulationIm Folgeschritt werden die geotechnischen Böschungsparameter korrigiert, mittels Inversionbasierend auf dem Vergleich der Verschiebungsgeschichte der numerischen Simulation undEchtzeit-Monitoring.Das so entwickelte numerische Modell kann eine Deformationsentwicklung in der Zeitachseoder infolge einer höheren Erdbeben-Magnitude bestimmen und hilft zur Verbesserung desWarnsystems.6 ZusammenfassungNeben niederschlagsinduzierten Massenbewegungen sind insbesondere seismisch induzierteMassenbewegungen in Forschung und Praxis von besonderer Bedeutung. Letztere sind sogarfür die überwiegende Mehrheit der kumulierten Schäden und Opfer verantwortlich. Bei großenErdbeben spielen nicht nur die direkten Schäden der Massenbewegungen eine Rolle. Oft sinddie daraus folgenden kaskadierenden Auswirkungen wie Dammbrüche an Talsperren oder vonRutschungsdämmen wesentlich stärker und führen zu ungleich größeren Folgeschäden. Hierzeigt sich, dass aufgrund der gestiegenen Vunerabilität unserer Gesellschaft gegenüberNaturgefahren wie Erdbeben oder Massenbewegungen, die Anforderungen einerseits an dieÜberwachung, anderseits aber auch an geeignete Prognose und Warnmodelle gestiegen sind.Insbesondere die Bereitstellung von verlässlichen Echtzeitdaten spielt hier eine zunehmendeRolle.Um diesen neuen Herausforderungen effizient zu begegnen ist ein anderer Typ vonSensornetzwerken notwendig als die heute verwendeten. Insbesondere die Fähigkeit on-line inEchtzeit kabellos Daten bereitzustellen und auch längere Zeit autonom zu operieren sind dabeivon großer Bedeutung. drahtlose Sensornetzwerke wie das hier beschriebene Sensor basedLandslide Early Warning System – SLEWS erfüllen diese Anforderungen im Wesentlichen. Esist sehr flexibel durch ihren modularen Aufbau und lassen sich schnell im Gelände einsetzen.Die integrierten Mikrosensoren erlauben es Erschütterungen, Beschleunigungen, Neigungs-Luftdruck- und Temperaturänderungen, sowie in begrenztem maße Höhenänderungen inEchtzeit zu beobachten. Die sehr flexible Controllerstruktur ermöglicht es dabei dieSensordaten schnell und individuell den Anwendern zur Verfügung stellen. Wesentlicheoperative Vorteile eines Systems wie SLEWS in einem seismogenen Umfeld bzw. bei einemErdbeben sind die kabellose Netzwerk- und Datenkommunikation als auch die einfacheInstallation, Betrieb und Rückbau.11235


Basierend auf den Echtzeit-Monitoring-Daten kann mittels der Back-Anlyse dergeotechnischen Parameter eine Verbesserung der Genauigkeit der numerischen Modellierungerreicht werden. Im Ergebnis wird mehr Information für das Böschungsbruch-Warnsystem,ausgelöst durch ein Erdbeben, gewonnen.Aus technischer und wissenschaftlicher Sicht ist es wünschenswert, dass zukünftig durchden Betrieb einer größeren Anzahl von Sensoren und Sensornetzwerken eine höher räumlicheVerfügbarkeit von Bodenbeschleunigungsdaten im allgemeinen und bei Massenbewegungen imspeziellen erreicht wird. Insbesondere die Echtzeitverfügbarkeit dieser Daten könnte auchhelfen Bodenbeschleunigungskarten und Schadensverteilungen schnelle zu prognostizierenbzw. zu evaluieren.DANKSAGUNGTeile der dargestellten Forschungsergebnisse sind im Rahmen des VerbundprojektesSLEWS entstanden, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) imRahmen des Sonderprogrammes GEOTE<strong>CH</strong>NOLOGIEN gefördert wurde. Die Autorenbedanken sich für die gewährte Unterstützung.LITERATUR[1] Y.P. Yin, F.W. Wang und P. Sun, P., Landslide hazards triggered by the 2008 Wenchuanearthquake, Sichuan, China. Landslides, 6, 139–151, 2009.[2] C. Arnhardt, K. Asch, R. Azzam, R. Bill, T.M. Fernandez-Steeger, S.D. Homfeld, A. Kallash, F.Niemeyer, H. Ritter, M. Toloczyki und K. Walter, K., Sensor based Landslide Early WarningSystem - SLEWS. Development of a geoservice infrastructure as basis for early warning systemsfor landslides by integration of real-time sensors. GEOTE<strong>CH</strong>NOLOGIEN Science Report, 10, 75– 88, 2007.[3] T.M. Fernandez-Steeger, C. Arnhardt, K. Walter, S. Haß, F. Niemeyer, B. Nakaten, S.D.Homfeld, K. Asch, R. Azzam, R., Bill und H. Ritter, H., SLEWS - A Prototype System forFlexible Real Time Monitoring of Landslides Using an Open Spatial Data Infrastructure andWireless Sensor Networks. GEOTE<strong>CH</strong>NOLOGIEN Science Report, 13, 3-15, 2009.[4] D.K. Keefer, Landslides caused by earthquakes. Geological Society of America Bulletin, 95, 406-421, 1984.[5] D.K. Keefer, Investigating landslides caused by earthquakes - A historical review. Surveys inGeophysics, 23, 473-510, 2002.[6] R.W. Jibson, E.L. Harp und J.A. Michael, A method for producing digital probabilistic seismiclandslide hazard maps. Engineering Geology, Vol. 58, pp. 271-289, 2000.[7] S. Aoi, T. Kanugi, und H. Fujiwara, Trampoline effect in extreme ground motion. Science, 322;727-730, 2008.[8] C.A. Tang, J. Zhao, Y.J. Zuo, T. Xu, S.F. Qin, J.Y. Yang, L.C. Li, und D.G. Wang., Spalling andthe 2008 Wenchuan earthquake. ISRM News Journal, 12, 92-95, 2009.[9] K. Terzaghi, Mechanism of landslides. In: Paige, S. (Ed.), Application of Geology to EngineeringPractice (Berkey Volume). Geological Society of America, New York, NY, 83-123. 1950.[10] R.W. Clough, A.K. Chopra, Earthquake stress analysis in earth dams. ASCE Journal of theEngineering Mechanics Division 92, 197-211. 1966.[11] R. Azzam, T.M. Fernandez-Steeger, Ch. Arnhardt, H. Klapperich, K.-J. Shou, Monitoring oflandslides and infrastructures with wireless sensor networks in an earthquake environment, Proc.5 th International Conference on Earthquake Geotechnical Engineering, Santiago de Chile, <strong>2011</strong>23612


12. D-A-<strong>CH</strong> Tagung – Erdbeben und BaudynamikC. Könke (Hrsg.)Hannover, Deutschland, 15.–16. September <strong>2011</strong>MONITORING UND KONTINUIERLI<strong>CH</strong>E SYSTEMIDENTIFIKATIONDER TRAGSTRUKTUR EINER WINDENERGIEANLAGE ZURS<strong>CH</strong>ÄDIGUNGSVERFOLGUNGS. Lachmann *, X. Liu, K.-R. Leimbach, R. Höffer und D. Hartmann* Ruhr-Universität Bochum, Windingenieurwesen und StrömungsmechanikD-44780 BochumE-mail: stefan.lachmann@rub.deStichworte: Windenergieanlagen, Dynamische Messungen, Systemidentifikation, Systemmonitoring,Schadensdetektion und -verfolgung.Kurzfassung. Das vorliegende Dokument veranschaulicht, dass eine moderne Zustandsüberwachungdie ständige Aktualisierung von numerischen Strukturmodellen auf der Grundlageder Finite-Elemente-Methode als auch die Langzeitmessung schädigungsempfindlicherphysikalischer Größen vor Ort erfordert. Dieser duale Ansatz erlaubt eine zuverlässige Systemidentifikationund, in Verbindung damit, eine entsprechende Lebensdauerabschätzungstruktureller Systemkomponenten. Der Beitrag erläutert in diesem Zusammenhang näher,dass weitere begleitende Forschung erforderlich ist, um die erwünschten Ergebnisse abzusichern.Teil dieser Forschung sind Experimente im Grenzschichtwindkanal unter Berücksichtigungder mechanischen Ähnlichkeitsgesetze, Nichtstandardoptimierungsmethoden sowieWavelet-Analyse-Methoden.1237


1 EINLEITUNGDie stetige technologische Weiterentwicklung von Windenergieanlagen führt zu immergrößeren und leistungsstärkeren Modellen. Schwingspielzahlen in der Größenordnung von10 9 können deswegen im Nutzungszeitraum der Anlagen zu Ermüdungsschäden führen. ImRahmen eines von der DFG geförderten Projekts zur „Lebendauerabschätzung von Windenergieanlagen(WEA) mit fortlaufend durch Systemidentifikation aktualisierten numerischenModellen“ wurde im Turm einer im Jahre 1997 errichteten WEA ein Monitoring-System installiert,mit dem fortlaufend die nichtlinearen dynamischen Systemantworten der WEAhauptsächlich infolge der fluktuierenden Windeinwirkungen gemessen werden.2 KONZEPTDer konzeptionelle Kern des Projekts ist eine kontinuierliche Anpassung eines vollständignumerischen Modells der WEA an das jeweils aktuelle Systemverhalten einer bestehendenAnlage. Die Schaffung eines numerischen Modells, welches genau den derzeitigen Zustandder realen Anlage einschließlich der bereits vorhandenen oder sich entwickelnden Schädigungenund deren Deterioration wiederspiegelt, ist eines der Hauptziele des Projekts. Zu diesemZweck orientiert sich das er-Abb. 1: Interaktion zwischen Monitoring,Experimenten und numerischer Modellierungforderliche Modellanpassungsverfahrenan charakteristischenMessdaten, wieWindgeschwindigkeiten, Beschleunigungen,Dehnungenund Temperaturen, die sowohlin situ an der ausgewähltenWEA als auch überVersuche im Grenzschichtwindkanalder Ruhr-Universität Bochum gemessenwerden. Die Lage derSensoren im Modell wirddabei maßstäblich angepasst.Die Wechselwirkungen zwischenden Messungen, denVersuchen und der numerischenModellierung sind inAbb. 1 dargestellt. Es ist ersichtlich, dass Schadenlokalisierung und Lebensdauervorhersageauf einem kontinuierlich verbesserten numerischen Modell basieren. Auf der rechten Seite derAbb. 1 sind die Datenquellen (Messungen vor Ort und im Windkanal) für das Modellanpassungsverfahrendargestellt.Durch Windkanalmessungen an einem Replikamodell der WEA werden repräsentativeSchädigungsmuster ermittelt und in einer Datenbank abgelegt. Die Schädigungsmuster werdendann zur Schädigungsidentifikation am realen Tragwerk benutzt.Durch multi-kriterielle Formulierung werden die Systemidentifikation und die Schadenslokalisationverbessert, wobei das dabei entstehende Nichtstandardoptimierungsproblem durchVerbesserung der Numerik- bzw. Informatikmethoden (Multiagentensysteme / AutonomousComputing) effizient gelöst wird.2382


3 MONITORING-SYSTEMDas Monitoring-System (Abb. 2) wurde im Turm der WEA installiert, die mittlerweile seit14 Jahren in Betrieb ist. Die Messungen der Strukturantworten beschränken sich ausschließlichauf den Stahlturm der WEA. Im Einzelnen besteht das Messsystem aus sechs dreiaxialenBeschleunigungssensoren in fünf Ebenen, sechs induktiven Wegsensoren in zwei Ebenen,USA-1 (3D)UltrasonicAnemometer4 digitalchannelsinterfaceRS422PC2x temperature2x temperaturePowersupplyA/D incl.AmplifierPT100Converter18x acceleration6x displacement3x acceleration6x temperatue2x PCB-3713D1FD3Gaccelerometer1x PCB-3713D1FD3Gaccelerometer3x W5Kdisplacement transducer1x PCB-3713D1FD3Gaccelerometer1x PCB-3713D1FD3Gaccelerometer3x W5Kdisplacement transducer1x PCB-3713D1FD3Gaccelerometer24V DC power supply4x Spider8(32 channels)3x PT100 Converter(12 channels)3x PCB-393B12accelerometersechs Temperatursensoren aufden Wegsensoren und jeweilszwei gegenüberliegenden Temperatursensorenauf der InnenundAußenseite in unterschiedlichenHöhen. Die Beschleunigungssignaledienen dabei derIdentifikation der Eigenfrequenzenund Schwingungsformensowie der Systemdämpfung.Unter der Annahme eines abschnittsweiselinearen Materialverhaltenskönnen aus den Verformungssignalenzwei Spannungsebenendes Stahlturms berechnetwerden, mit deren Hilfedie dynamischen Schnittgrößendes Stahlturms ermittelt werdenkönnen. Die Temperaturmessungendienen der Temperaturkompensationsowie der Vermessungdes Temperaturgradienten.Auf dem Fundament derWEA sind zusätzlich drei seismischeBeschleunigungssensorenangeordnet. Vor dem Turmder WEA ist auf einem Mast einAbb. 2: Monitoring-Systemdreidimensionales Ultraschallanemometeraufgestellt, mitdem die horizontale Windgeschwindigkeit und die Windrichtung sowie die vertikale Windgeschwindigkeitund die Lufttemperatur gemessen werden. Vor Ort werden die Messdaten mitdrei verschiedenen Datenloggern aufgezeichnet, welche mit dem Messrechner im Turm derWEA verbunden sind. Der Messrechner überträgt die Messdaten über eine DSL-Verbindungauf ein Serversystem an der RU-Bochum, auf dem Softwareagenten die Messdaten synchronisierenund anschließend in einer relationalen Datenbank ablegen. Weitere Details zum Monitoring-Systemsind in [1] und [2] zu finden.In naher Zukunft ist die Erweiterung des derzeitigen Monitoring-Systems geplant. Derzeitgibt es noch keine direkten Messungen der Biegeverformungen des Turmes, die eine verbesserteBerechnung der Spannungskollektive ermöglichen würden. Im Moment werden die Verformungenüber die doppelte Integration der Beschleunigungszeitschriebe abgeschätzt, wasaus numerischen Gründen fehleranfällig ist, wegen der z.B. schwierigen Abschätzung derAnfangs- und Randbedingungen oder infolge Rauschens. Zudem ist es aufgrund des überlagertenRauschens nicht möglich, die Neigung des Stahlturms allein aus den Beschleuni-3239


gungsmessungen zu berechnen. Für die genaue Messung der Turmverformungen undTurmneigungen sollen deshalb drei zusätzliche zweiaxiale Inklinometer und vier Laserdistanzsensoreninstalliert werden. Des Weiteren sind neun induktive Wegsensoren und zweiunddreißigTemperatursensoren geplant.4 VERSU<strong>CH</strong>E IM WINDKANAL ZUR S<strong>CH</strong>ADENSERKENNUNGAls Ergänzung zu den Messungen im Naturmaßstab wird ein dynamisch ähnliches Modellder WEA im Maßstab 1:87 für den Windkanal geplant. Die Zeitreihen der im Windkanal gemessenenModellantworten werden für den Aufbau einer gezielt steuerbaren Datenbasis vonidentifizierten Schädigungen und zum Testen von Algorithmen zur Erkennung von Strukturschädengenutzt. Im Gegensatz zu den Messungen an der realen WEA, ist im Windkanal dieSimulation gezielt eingeprägter Schädigungen im Modell möglich.Im Windkanal können zudem spezielle Randbedingungen modelliert werden. Beispielsweisekann die am realen Tragwerk häufig auftretende Sattelbildung in der Gründungsfuge,welche durch die permanenten Setzungen des Fundaments hervorgerufen wird, durch eineDrehfeder und einen weichen Anschlag im Bereich der Lagerung des flexiblen Modells imBoden des Grenzschichtwindkanals simuliert werden. Damit können die Auswirkungen einerSattelbildung auf die Antworten der Tragstruktur im Modellmaßstab direkt untersucht werden.Die Ergebnisse der Messungen im Natur- und Modellmaßstab sind nur dann dynamischähnlich, wenn die bezogenen Dimensionen mit passenden Skalierungsfaktoren modelliertwerden. Die Ähnlichkeiten welche hauptsächlich berücksichtigt werden müssen sind: Geometrische Ähnlichkeit Skalierung der Geometrie Kinematische Ähnlichkeit Skalierung der Geschwindigkeit Dynamische Ähnlichkeit Skalierung der KräfteDie Forderung, dass unterschiedliche Größen einer WEA im Modell und in der Naturgleich sein müssen, erfordert also ähnliche Strömungs- und Strukturverhältnisse. Dieses wirdzum Beispiel durch die Beibehaltung von Profilen und der Anzahl der Flügel erreicht, aberauch dadurch, dass Radius, Profiltiefe und Turmabmessungen im gleichen Verhältnis verändertwerden. Zwischen der WEA in der Natur und der im Modell müssen folglich – den Gesetzender Ähnlichkeitsmechanik folgend – die Maßstäbe der Geometrie, der Geschwindigkeit,der Zeit und der Frequenzen berücksichtigt werden. Zusätzliche ausführliche Informationenzu den einzuhaltenden Ähnlichkeitsgesetzen finden sich in [3] und [4].4.1 Ähnlichkeit des Windfeldes im GrenzschichtwindkanalDas mittlere Windprofil im Natur- und Modellmaßstab soll zueinander ähnlich sein. DieseAnforderung kann durch die Gleichheit des Profilexponenten erfüllt werden, mit dessenHilfe das mittlere Geschwindigkeitsprofil nach dem Potenzansatz beschrieben werden kann.Anhand einer Referenzgeschwindigkeit in einer Referenzhöhe (in der Natur meistens 10 Meterüber Grund) und dem Profilexponenten kann das mittlere Windprofil vollständig beschriebenwerden. Da dem mittleren Windprofil in der Natur noch turbulente Strömungsanteileüberlagert sind, muss im Windkanal neben dem mittleren Windprofil auch die TurbulenzintensitätI v simuliert werden, die als Verhältnis zwischen Standardweichung und mittlererWindgeschwindigkeit definiert ist. In Ergänzung zur räumlichen Verteilung der Geschwindigkeitsturbulenzmüssen auch die räumlichen Geschwindigkeitskorrelationen und die Verteilungder Geschwindigkeitsschwankungen über die Frequenzen im Modell und in der Natur2404


übereinstimmen. Demzufolge muss die Darstellung der Turbulenzspektren über der dimensionslosenFrequenz zu annähernd kongruenten Bildern führen. Der Maßstab der Turbulenzspektrenwird durch die Anpassung der Profile der Integrallängenmaße bestimmt.4.2 Ähnlichkeit des WindkanalmodellsIm gegenständlichen Projekt wird ein maßstäbliches WEA-Modell (Abb. 3) für Referenzmessungenim Windkanal geplant. Der geometrische Maßstab der Modell-WEA soll 1:87betragen. In Verbindung mit dem zuvor genannten Frequenzmaßstab im Windkanal wird dieerste Eigenfrequenz des Windkanalmodells eingestellt. Die reale Anlage hat eine Nabenhöhevon 65 Metern und einen Rotordurchmesser von 40 Metern.In der Natur befindet sich die Flügelspitze in obersterStellung folglich auf 85 Metern über dem Boden. Bezogenauf den Windkanal liegt die Blattspitze der Modell-WEAfolglich ca. 1 Meter über dem Windkanalboden. Größerdarf das Modell keinesfalls werden, da sonst die Grenzschichtim Windkanal durch die sich ebenfalls ausbildendeGrenzschicht an der Windkanaldecke beeinflusst würde.Zur Herstellung des Schaftmaterials wird ein Laser-Sinter-Verfahren eingesetzt, bei dem ein Polyamid(PA)-Pulver mithilfe von Lasern, einem digitalen Modell folgend,schichtweise verschmolzen und dabei formgerechtsowie hochgenau aufgebaut wird. Das verwendete PA-Pulver eignet sich deshalb gut als Modellmaterial, da dieAnforderungen nach geringer Schichtdicke und einemhomogenen E-Modul zur Einhaltung dynamischer Ähnlichkeitsbedingungen(bzgl. Eigenfrequenzen- und formen)– bei gleichzeitig ausreichendem thermischen Widerstand– erfüllt werden. Der ausreichende thermische Widerstandwird wegen der Dissipationswärme im Versuch, insbesonderewegen der thermischen Einwirkungen der Dehnungsmessstreifen,über eine Wheatstonesche Brückenschaltunghergestellt. Der MassendämpfungsparameterAbb.3: Windkanalmodellkann mit dieser Konstruktionsweise hinreichend gut nachgebildetwerden. Um die erforderlichen Reynoldszahlen zu erreichen, werden auf der Außenseitedes Schaftes Rauigkeiten aufgebracht. Die Rotorblätter werden aus gleichem Grund geeignetgeformt.Im Schaft des WEA-Modells werden Dehnungsmessstreifen in sieben Höhenschnitten angebracht,damit die Verkrümmungen des Querschnitts nahe der Schaftstöße (die Lage derFlansche wird maßstabsgerecht nachgebildet) sowie in den Mitten der einzelnen Rohrabschnitteausgewertet werden können. Hierdurch lassen sich Diskontinuitäten der Biegeverkrümmungals Veränderung der Eigenformen über die Höhe des Modells messen, die als einSchädigungsmuster im Falle der Schwächung einer Flanschverbindung erwartet wird. Eswerden zusätzlich laseroptische Verformungssensoren zur Vermessung der Modellantwort indrei Höhenschnitten des Modells eingesetzt. Außerdem werden Miniaturbeschleunigungssensorenim passenden Maßstab zu den Höhenlagen der Beschleunigungssensoren im Naturmaßstabangebracht.5241


5 MODELLIERUNG ERMÜDUNGSRELEVANTER WINDEINWIRKUNGENDer aktuelle Stand von Forschung und Technik zu ermüdungsrelevanten Beanspruchungskollektivenfür Windenergieanlagen unterscheidet zwischen Beanspruchungen infolge vonWindkraftgrößen am Rotor, Massenkräften des Rotors und dynamischen Kräften auf dasTragwerk. Die windinduzierten Beiträge der Turbulenz zu den Ermüdungslasten werden üblicherweiseaus dem Grundensemble der Böeneinwirkungen auf die Gesamtstruktur (Rotor,Gondel und Turm) ermittelt. Zur Beschreibung der stochastischen Böenensembles am Standortder WEA durch Rayleigh- oder Weibullverteilungen, werden statistische Werte nahe gelegenerWetterstationen auf den Anlagenort übertragen. Die dazu erforderlichen Verfahrenwerden normalerweise dazu verwendet, eine überschlägige Ermittlung der Windausbeute vorzunehmen[5, 6]. Bei der Beschreibung des Windfeldes basiert die quantitative Beschreibungder Komplexität des Terrains grundsätzlich auf der Bestimmung von Modellparametern. Dieaktuelle Forschung hat gezeigt, dass für die Ermittlung der jeweils standortspezifischen Energieausbeuteund zur Festlegung der mechanischen Windeinwirkungen nicht nur verschiedeneParametersätze verwendet werden müssen, sondern auch angepasste Modelle [7]. Derzeitwerden die anzusetzenden Turbulenzwertebei unterem und oberemLastbetrieb der WEA bis zum Abschaltvorgangbei Extremwind intensivdiskutiert. Der Grund dafürsind die Unterschiede zwischen denTurbulenzintensitäten nach DIN1055-4:2005-03 und den Modellennach DIN EN 61400. Die Ursachenfür die festgestellte Streubreite ge-Abb. 4: Windstatistik eines Tagesmessener Turbulenzintensitätensind hauptsächlich Effekte dernicht-neutral geschichteten Atmosphäre,wie etwa der Thermik. DieNachweise gegen Ermüdung vonTragstrukturen bei WEA basierenderzeit überwiegend auf Ersatzmodellen,wobei möglichst alle relevantenErmüdungslasten miteinanderüberlagert werden, um so zu einer weitgehend realistischen rechnerischen Quantifizierungder Effekte infolge Ermüdung zu kommen. Für die Tragstruktur wird vornehmlich ein Biegemomentenkollektivnach [8] oder [9] verwendet, welches auf die sechs rotorkraftinduziertenSchnittgrößen, bestehend aus Momenten, Querkräften und Schub am Kopf der WEA zurückgeführtwird. Das Windfeld wird mit einem Ultraschallanemometer in 13 Metern Höheund mit dem Schalenkreuzanemometer der WEA in 67 Metern Höhe gemessen. Mit diesenZeitreihen können Windstatistiken berechnet werden, z.B. Windrosen und Weibullverteilungen(Abb. 4). Dadurch ist es möglich, Windlastkollektive mit Informationen zur Windrichtungzu versehen. Dieses kann eine wichtige Rolle bei den Ermüdungsberechnungen spielen.Zur besseren Erfassung und Abbildung der stochastischen Anteile der Einwirkungskollektivewird das Modell des Windfeldes weiter verfeinert. Zudem ist eine Verfeinerung der Windfeldmodellierungim Hinblick auf die Höhenentwicklungen von Profilen der mittleren Windgeschwindigkeitenbzw. der Turbulenzintensitäten erforderlich. Für die Klassifizierung derLandnutzung können Daten des CORINE-Katasters (Coordinated Information on the EuropeanEnvironment) verwendet werden.2426


6 ERMITTLUNG DER MODALEN PARAMETER AUS DEN MESSDATENZur Identifikation der modalen Parameter werden unabhängig voneinander die EnhancedFrequency Domain Decomposition (EFDD) Methode im Frequenzbereich und die StochasticSubspace Identification (SSI) Methode im Zeitbereich verwendet, um so die Ergebnisse ausbeiden Methoden vergleichen zu können. Die EFDD-Methode stellt eine Erweiterung derFrequency Domain Decomposition (FDD) Methode dar, die als eine der anwenderfreundlichstenund leistungsfähigsten Methoden für Operational Modal Analysis (OMA) von Tragwerkenbekannt ist. Sie bestimmt die Eigenformen aus der Lage der Spitzen in den Kurvenverläufender Singulärwertzerlegung der Strukturantwort. Da die FDD-Methode auf der Verwendungeiner einzelnen Frequenzlinie der Fast Fourier Transform (FFT) Analyse beruht,hängt die Genauigkeit der geschätzten Eigenfrequenz von der FFT-Auflösung ab, wobei keinemodale Dämpfung berechnet wird. Im Vergleich zu FDD ermittelt EFDD eine verbesserteSchätzung sowohl der Eigenfrequenzen als auch der Eigenformen einschließlich der Dämpfungen[10]. Der theoretische Hintergrund und der Identifikationsalgorithmus der FDD-Methode sind in [11] dargestellt. Im Umgang mit einem großen System mit vielen Messkanälenund vielen Stützstellen werden die Methoden im Frequenzbereich, FDD oder EFDD, bevorzugt,weil die Identifikation wegen der äußerst schnellen Ausführung der FFT leichtdurchgeführt werden kann.Die SSI-Methode wurde erst vor kurzer Zeit in die strukturdynamische Anwendungspraxisdes Bauwesens und Maschinenbaus eingeführt. Sie wird aber schon jetzt als die leistungsstärksteKlasse der bekannten Identifikationsverfahren für dieModalanalyse mit operationalerAnregung im Zeitbereich angesehen. Die einzelnen Berechnungsschritte des SSI-Algorithmuswerden in [12] erläutert. Die SSI-Methode hat viele Vorzüge gegenüber der Methode im Frequenzbereich,wie die Abwesenheit von Leakage, die Abwesenheit von Problemen mit deterministischen(harmonischen) Signalen und die geringe Anzahl von Zufallsfehlern [13].Die Auswertung der Messdaten an der WEA wurde mit dem ARTeMIS Extractor, einerkommerziellen OMA-Software, durchgeführt. Dieses Programm wurde wegen seiner anwenderfreundlichenArbeitsweise ausgewählt und weil es viele der erwähnten modalen Identifikationsmethoden,einschließlich der EFDD- und SSI-Methoden, beinhaltet. Vor dem Einsatz desARTeMIS Extractors muss eine Eingabe-Konfigurationsdatei bereitgestellt werden, mit derAbb. 5: Eigenformen mit FE (schwarz) berechnet und mit EFDD (rot) und SSI (grün) identifiziertdie Modellgeometrie, die Sensorpositionen und deren räumliche Orientierung, das Datenformatder Messdaten der zugehörigen Strukturantwort und die Randbedingungen (Einspannungdes Turms ins Fundament mit Bettung) festlegt werden. Die mit EFDD und SSI aus denMessdaten der WEA identifizierten modalen Parameter gehören zu den jeweils ersten dreiBiegemoden in der X-Z-Ebene sowie der Y-Z-Ebene (Abb. 5). In Tabelle 1 sind die Eigenfrequenzenbeider Messreihen exemplarisch denen des numerischen Modells gegenübergestellt,7243


zusammen mit den Abweichungen der gemessenen von den berechneten Werten. Ebenso angegebensind die aus der Messung ermittelten Dämpfungswerte. Ein Vergleich der gemessenenmit den gerechneten Werten erfolgt durch die Auswertung des Modal Assurance Criterion(MAC) und die Darstellung der MAC-Matrix (Abb. 6 und 7). Ebenso dargestellt sind die Diagonalkoeffizientendieser Matrix; die hohen Werte in der Nähe von 1,0 zeigen eine exzellenteÜbereinstimmung zwischen gemessenen und gerechneten Modalparametern. Gleichzeitigzeigen sie die gute Qualität des numerischen Berechnungsmodells der Windkraftanlage.Tabelle 1: Parametervergleich von je 6 berechneten und mit EFDD bzw. SSI identifizierten modalen ParameternFE-Modell EFDD SSIEigenformf a f b Δf ab Dämpfung MAC ab f c Δf ac Dämpfung MAC ac[Hz] [Hz] [%] [%][Hz] [%] [%]1 (X-Z) 0,3599 0,3859 7,2 7,587 0,9984 0,3510 2,5 4,073 0,99812 (Y-Z) 0,3612 0,3860 6,9 7,561 0,9998 0,3753 4,0 1,118 0,99973 (Y-Z) 2,250 2,222 1,2 1,773 0,9905 2,456 9,2 1,744 0,96364 (X-Z) 2,437 2,226 8,7 1,907 0,9927 2,244 8,5 1,882 0,98895 (Y-Z) 5,713 5,593 2,1 4,292 0,9809 5,455 4,5 1,492 0,99056 (X-Z) 6,258 5,832 6,8 3,627 0,9907 5,597 10,6 1,476 0,9711Abb. 6: MAC-Matrix zum Vergleich der mit EFDD identifizierten und mit dem FE-Modell berechnetenEigenformenAbb. 7: MAC-Matrix zum Vergleich der mit SSI identifizierten und mit dem FE-Modell berechnetenEigenformen7 MODELLANPASSUNG ZUR SYSTEM IDENTIFIKATIONDie Verwendung eines FE-Modells zur Vorhersage der dynamischen Eigenschaften einerWEA-Struktur ist ein wichtiger Schritt im Fortgang des Forschungsprojekts. Ein Hauptziel istdeswegen die zuverlässige Lebensdauervoraussage mittels eines FE-Modells. Diese hängt vonder Genauigkeit des numerischen Modells ab. Deshalb ist die Validierung des numerischen2448


Modells und dessen kontinuierliche Anpassung (Updating) an den augenblicklichen Zustandder Tragstruktur erforderlich.Das Ziel der Anpassung des Finite-Element-Modells ist die Herstellung der Übereinstimmungder Berechnungsergebnisse des numerischen Modells mit den am Tragwerk gemessenenErgebnissen, indem der Defekt zwischen den gemessenen und den numerischen modalenEigenschaften minimiert wird. Diese Aufgabe wird als ein Optimierungsproblem formuliertund durch eine iterative Prozedur gelöst. In der gegenwärtigen Arbeit wird dabei eine neuartigeModellanpassungsprozedur unter Verwendung von multi-kriterieller Optimierung vorgestellt,die auf der hierarchischen Mehrebenen-Skalierungsstrategie in [14] beruht. Die komplexenTragstrukturen in der Realität führen auf Optimierungsprobleme, die schwer zu lösensind. Daher wird ein Java-basiertes Optimierungsprogrammsystem mit dem NamenMOPACK eingesetzt, mit dem das simulationsbasierte Optimierungsproblem gelöst werdenkann. MOPACK ist die Abkürzung für ein Mehrmethoden-Optimierungspaket, das von [15]implementiert wurde. Es enthält zahlreiche robuste Optimierungsstrategien, einschließlichdeterministischer und stochastischer Methoden. Um das Optimierungsproblem der Modellanpassungsprozedurzu lösen, werden die evolutionären Algorithmen (EA), die der Kategorieder stochastischen Methoden zuzuordnen sind, ausgewählt – aufgrund der Komplexität desOptimierungsproblems und der ableitungsfreien Eigenschaft der EAs.Um die vorgeschlagene Modellanpassungsprozedur zu testen, wird das FE-Modell entsprechendder Messergebnisse angepasst, wobei jedoch synthetisch induzierte Schädigungendurch eine FE-Vorwärtsrechnung simuliert werden. Es wird angenommen, dass die Schädigungin der Nähe der unteren Schraubenverbindung auftritt (vgl. Abb. 8). Es wird unterstellt,dass die Masse des Turms unverändert bleibt und sich seine Biegesteifigkeiten infolge derSchädigungen ändern. Es werden dementsprechende Federelemente an den vier Verbindungsstelleneingeführt, um somit die Biegesteifigkeiten k1, k2, k3 und k4 als EntwurfsvariablenAbb. 8: Simulierte SchadensscenarioAbb. 9: Ergebnisse der Optimierung (ki = 10eX [Nm/rad])einführen zu können. Bei der Simulation der Messungen wird der Steifigkeitswert k2 gezieltreduziert, um auf diese Weise eine Schädigung der zweiten Verbindung initiieren zu können.Daraufhin werden die Eigenfrequenzen und die Eigenformen ausgewertet, mit einer Zielfunktion,die die Unterschiede zwischen den modalen Eigenschaften der simulierten "Messung"und der FE-Modell-Berechnung erfasst. Die Zielfunktion folgt der Formulierung von [16].Die Ergebnisse der Optimierung sind in Abb. 9 zusammengefasst. In Tabelle 2 werden diemodalen Parameter der geschädigten Tragstruktur, des originalen FE-Modells und des angepasstenFE-Modells nach der Optimierung miteinander verglichen, wobei Δf d0 = |f d -f 0 |/f d ,Δf d1 = |f d -f 1 |/f d gilt. Man sieht, dass die angenommene Schädigung identifiziert und der zu-9245


gehörige Parameter solange korrigiert wird, bis das numerische Modell den „Messungen“entspricht. Mit Hilfe der simulierten Messungen in Gegenwart von Schädigungen wurde dievorgeschlagene Modellanpassungsprozedur erfolgreich implementiert und als eine robusteSystem-Identifizierungsmethode bestätigt.Tabelle 2: Vergleich der ModalparameterGeschädigte StrukturOriginales FE-ModellOptimiertes FE-Modell(simuliert)Eigenform f d f 0 Δf d0 MAC d0 f 1 Δf d1 MAC d1[Hz] [Hz] [%][Hz] [%]1 (X-Z) 0,30802 0,3599 14,475 0,9992 0,30802 0 12 (Y-Z) 0,30897 0,3612 14,571 0,9993 0,30897 0 13 (Y-Z) 2,0034 2,250 0,969 0,9867 2,0034 0 14 (X-Z) 2,0466 2,437 0,838 0,9992 2,0466 0 15 (Y-Z) 4,2443 5,713 2,045 0,9993 4,2443 0 16 (X-Z) 4,2834 6,258 2,062 0,9873 4,2834 0 18 S<strong>CH</strong>ADENSIDENTIFIKATION MITTELS WAVELET-ANALYSESchadenserkennung ist eine zunehmend wichtig werdende ingenieurwissenschaftlicheAufgabenstellung, die in den vergangenen drei Jahrzehnten weltweit Aufmerksamkeit aufsich gezogen hat. Eine umfassende Rückschau auf die Techniken der Schadensidentifikationwird in [17] gezeigt. Ein modernes Identifikationswerkzeug ist dabei die Wavelet-Transformation. Ihre Fähigkeit liegt darin, Schädigungen hinsichtlich Ort und Umfang zuidentifizieren. Einige Anwendungen dieser Methode im Ingenieurwesen sind in [18 - 22] beschrieben.Im vorliegenden Fall wird die Wavelet-Transformation mit den Messungen aus den Simulationender Windenergieanlage durchgeführt. Dazu wird ein offener Riss in das Tragwerkeingeprägt (Abb. 10a). Der Umfang des Schadens, d. h. die Schwere des Schadens, kanndadurch initiiert werden, dass unterschiedliche Werte für den Parameter eingesetzt werden.Abb. 9a zeigt den Verlauf der Biegesteifigkeit EIy entlang der Turmachse mit mehreren unterschiedlichenSchadensintensitäten am Ort des Risses. Die Eigenformen des Tragwerkswerden an 19 verschiedenen Messstellen ermittelt, um Veränderungen in den Eigenformenfestzustellen.Als "Mother Wavelet" wird die Familie der Daubechies Wavelets gewählt, die kompaktdefiniert ist, scharfe Kanten besitzt und nicht-symmetrisch ist, wodurch die lokalen Störungendes untersuchten Signals betont werden. Das Signal wird zuerst durch die diskrete Wavelet-Transformation (DWT) dekomponiert, aus der eine Reihe von Approximationen und Detailsgewonnen werden. Die Details eines Signals offenbaren nützliche Informationen über dieSignalcharakteristiken, die beim Originalsignal nicht erkennbar sind. Anschließend werden,durch Anwendung der kontinuierlichen Wavelet-Transformationen (CWT) auf die Details, dieDiskontinuitäten des Signals durch die Spitzenwerte im Verlauf der Wavelet-Koeffizientenhervorgehoben. Zur Erhöhung des Dekompositionsniveaus und zur Beseitigung des Randeffektswerden die Werte interpoliert und extrapoliert.Abb. 10b zeigt die Wavelet-Koeffizienten der Details in Ebene 3 am ungeschädigten Modell.Die Spitzenwerte der Koeffizienten werden durch planmäßige Diskontinuitäten derTragstruktur, wie schrittweise Änderung der Wandstärke und des Öffnungswinkels der Rohrwand,hervorgerufen. Wenn eine Schädigung auftritt, so zeigt sich eine größere Spitze, wie z.B. an der Höhenkoordinate 21 m in Abb. 10c. Um den Effekt der anfänglichen Diskontinuitä-24610


ten der Tragstruktur auszuschalten, wird die Eigenform-Differenz anstelle der geschädigtenEigenform verwendet, so dass die Veränderung der Tragstruktur deutlich in den Wavelet-Koeffizienten sichtbar wird (Abb. 10d).Unterschiedliche Stufen verminderter Steifigkeit EIy werden durch Verwendung unterschiedlicherWerte von erprobt, deren Wirkung auf den Wavelet-Koeffizienten durch Punkteim Diagramm Abb. 10e eingetragen ist. Eine Regressionsanalyse überprüft die Korrelationzwischen der Schadensintensität und dem Spitzenwert des Wavelet-Koeffizienten an derSchadensstelle. Man erkennt, dass die Größe des Wavelet-Koeffizienten linear mit der Schadensintensitätwächst.(a) (b) (c)(d)(e)Abb. 10: Ergebnisse der Wavelet-Analyse (a) EI-Verlauf mit Riss, (b) Wavelet-Koeffizienten des intakten Modells,(c) Wavelet-Koeffizienten mit =30°, (d) Wavelet-Koeffizienten mit =30° Verwendung der Differenzder Eigenform, (e) RegressionsanalyseDANKSAGUNGDie Autoren bedanken sich für die finanzielle Unterstützung des Projekts durch die DeutscheForschungsgemeinschaft DFG unter den Projekt-Nr. HA 1463/20-1 und HO 3286/1-2.LITERATUR[1] S. Lachmann, R. Höffer, M. Baitsch, D. Hartmann, Monitoring schädigungsrelevanterEinwirkungen am Turm einer Windenergieanlage. U. Peil (Hrsg.): WtG-Bericht 11 –Windingenieurwesen in Forschung und Praxis, Vortragsband der 11. DreiländertagungD-A-<strong>CH</strong> 2009 der Windtechnologischen Gesellschaft e.V., 19. und 20. November2009, Braunschweig, ISBN 3-928909-10-X, Aachen, 2009.[2] S. Lachmann, M. Baitsch, D. Hartmann, R. Höffer, Structural lifetime prediction forwind energy converters based on health monitoring and system identification. FifthEuropean & African Conference on Wind Engineering, July 19 th - 23 rd 2009, Florence,Italy, Firenze University Press, 2009.11247


[3] N. Isyumov (Hrsg.), Wind tunnel studies of buildings and structures. ASCE manualsand reports on engineering practice No. 67, American society of civil engineers.ISBN 0-7844-0319-8, Reston, 1999.[4] WTG-Merkblatt, Windkanalversuche in der Gebäudeaerodynamik. WindtechnologischeGesellschaft e.V., Aachen, 1994.[5] I. Troen, E. L. Petersen, European Wind Atlas, Risø National Laboratory, Roskilde,656 pp., ISBN 87-550-1482-8, 1989.[6] Risø DTU, Wind Energy Division: Wind Atlas Analysis and Application Program,WAsP 10 package, Technical University of Denmark, 2010.[7] K. Freudenreich, K. Argyriadis, Wind Turbine Load Level based on Extrapolation andSimplified Methods, Wind Energy, Vol. 11, No. 6, pp. 589-600, 2008.[8] Germanischer Lloyd, Richtlinie für die Zertifizierung von Windkraftanlagen, Vorschriftenund Richtlinien: IV – Nichtmaritime Technik, Teil 1 – Windenergie. Hrsg.Germanischer Lloyd, Hamburg, 1999.[9] Deutsches Institut für Bautechnik, Richtlinien für Windenergieanlagen – Einwirkungenund Standsicherheitsnachweise für Turm und Gründung, Fassung März 2004, Berlin,2004.[10] N.J. Jacobsen, P. Anderson, R. Brincker, in: Proceedings of ISMA 2006: InternationalConference on Noise and Vibration Engineering, 2006.[11] R. Brincker, L. Zhang, P. Andersen, Smart Mater. Struct. 10 (2001) 441–445.[12] R. Brincker, P. Andersen, in: the 24th International Modal Analysis Conference(IMAC), 2006.[13] P. Anderson, ARTeMIS Extractor Online Help. Technical paper on stochasticsubspace identification techniques, 2010.[14] H. H. Müller-Slany, in: Brosowski, Ester, Helbig, Nehse (Eds.), MulticriteriaDecision, Proc. Of the 14th Meeting of the German Working Group "MehrkriterielleEntscheidung", 1993, pp. pp69-79.[15] V. V. Nguyen, D. Hartmann, M. Baitsch, M. König, in: 2nd International Conferenceon Engineering Optimization, 2010.[16] U. Bittner, in: Proceedings of NAFEMS-Seminar: Interaction of Simulation andTesting: New Requirements and New Opportunities in Structural dynamics, 2008.[17] K. F. Alvin, A. N. Robertson, G. W. Reich, K. C. Park, Computers & Structures 81(2003) 1149–1176.[18] K. M. Liew, Q. Wang, J. of Engineering Mechanics 124 (1998) 152–157.[19] J. C. Hong, Y. Y. Kim, H. C. Lee, Y. W. Lee, Int. J. of Solids and Structures 39 (2002)1803–1816.[20] E. Douka, S. Loutridis, A. Trochidis, Int. J. of Solids and Structures 40 (2003) 3557–3569.[21] C. C. Chang, Z. Sun, Smart Structures and Systems 1 (2005) 29–46.[22] A. C. Okafor, A. Dutta, Smart Mater. Struct. 9 (2000) 906–917.24812


Ein berührungsloses, hochgenaues Monitoring-Verfahren zur Bestimmung dynamischerTragwerkseigenschaften bestehender BauwerkeDr.-Ing. Gwendolyn Läufer 1 , Dipl.-Ing. Sabine Rödelsperger 1 , Prof. Dr.-Ing. Jens Schneider 2 , Dipl.-Ing. JonasHilcken 21 Institut für Physikalische Geodäsie, TU Darmstadt2 Institut für Werkstoffe und Mechanik im Bauwesen, TU DarmstadtMit einem terrestrischen Mikrowellen-Interferometer können Deformationen von Gegenständen mit einerGenauigkeit von bis zu 0,01 mm bei einer Messrate von 200 Hz bestimmt werden. Hierzu muss der zuuntersuchende Gegenstand weder instrumentiert noch begangen werden, einzig eine freie Sicht darauf istnotwendig. Auf diese Weise lassen sich Deformationen und Schwingungen bestehender Bauwerke auch imlaufenden Betrieb schnell, hochgenau und kostengünstig erfassen und daraus die dynamischenTragwerkseigenschaften ableiten. Die Mikrowellen-Interferometrie wurde bereits bei verschiedenen Projektenerfolgreich eingesetzt:• für das Monitoring von großen Bauwerken und ausgedehnten Strukturen (z. B. Staudämmen) (Alba et al.,2008),• für das Monitoring von Naturgefahren (z. B. Hangrutschungen, Vulkanflanken und Gletscher) mit (Tarchi etal., 2003; Noferini et al., 2006; Rödelsperger et al., 2009 und 2010a),• zur Schneehöhen und Lawinenüberwachung (Martinez-Vazquez und Fortuny-Guash, 2006).• zur Bestimmung der Eigenfrequenzen und Eigenformen von Bauwerken (z. B. Schornsteine, Hochhäuserund Brücken) mit (Bernadini et al., 2007; Gentile und Bernadini, 2009),• zur transienten Bestimmung der Deformationen von Bauwerken und Bauwerksteilen bei äußerenAnregungen.Der vorliegende Beitrag behandelt den Einsatz der Mikrowellen-Interferometrie zur Bestimmung dynamischerTragwerkseigenschaften bestehender Tragstrukturen. Hierzu wurden ausgewählte Bauwerke (Schornstein,Straßenbrücken, Eisenbahnbrücke, Fußgängerbrücke, Lärmschutzwand) hinsichtlich ihrer statischen unddynamischen Tragwerkseigenschaften analysiert, um die Genauigkeit, Vor- und Nachteile sowie verschiedeneAnwendungsmöglichkeiten zu überprüfen.Beispiel: Schornsteine des Heizkraftwerks auf der Lichtwiese, TU Darmstadt (links), Skizze des Messaufbaus (Mitte), Schwingungsamplituden fürzwei Frequenzen über die ganze Länge des Schornsteins (rechts).Unsere Ergebnisse zeigen, dass mit dem Verfahren durch die hohe Auflösung der Deformationen und dieeinfache Handhabbarkeit auch bereits bei geringen Anregungen dynamische Tragwerkseigenschaften bestimmtwerden können und einen direkten Vergleich mit dynamischen Berechnungen zulassen. Es ist zudem möglich,auch lange Tragstrukturen wie Brücken in einer Messung entlang einer Linie simultan zu erfassen, z.B. währendder Überfahrt eines Zuges, völlig ohne eine aufwändige Instrumentierung vornehmen zu müssen.Ziel weiterführender Forschungsaktivitäten ist es, die Praxistauglichkeit der Mikrowellen-Interferometrie für z.B.die wiederkehrende Brückenprüfung nachzuweisen. Hieraus lassen sich vermutlich auch Aussagen zumSchädigungszustand von Bauwerken treffen. Zudem soll der Einsatz auf weitere Bauteile wie Brückenhänger undaußen liegende Spannglieder ausgeweitet werden, deren statische und dynamische Eigenschaften sich mitanderen Messmethoden nur schwer erfassen lassen.249


250


12. D-A-<strong>CH</strong> Tagung – Erdbeben und BaudynamikC. Könke (Hrsg.)Hannover, Deutschland, 15.–16. September <strong>2011</strong>EIN BEITRAG ZUR EXPERIMENTELLENS<strong>CH</strong>ADENSIDENTIFIKATIONA. Lenzen ** Fakultät Bauwesen HTWK-LeipzigE-mail: lenzen@fb.htwk-leipzig.deKeywords: Systemidentifikation, Parameterschätzung, Schwingungsanalyse,Schadenslokalisation, Subspace-Analyse, Experimente an realen Strukturen,Übertragungsfunktion.Abstract. Die Überwachung exponierter Bauwerke ist zur Zustandsanalyse einer Struktur einesinnvolle Aufgabe um z.B. frühzeitig mögliche Schäden zu diagnostizieren.Eine Vielzahl von modellorientierten Überwachungsmethoden zur Strukturanalyse gleichtgemessene Schwingungsgrößen mit Berechnungsmodellen ab, um Schadensanalyse z.B. auf derBasis von Finite Elemente Methode zu realisieren.Hier wird eine Methode vorgestellt, die ein numerisches Modell direkt aus experimentellengemessenen Eingangs- und Ausgangsgrößen an der zu untersuchten Struktur erstellt. DiesesModell als parametrisierte Übertragungsfunktion ist zunächst nicht direkt in physikalischenParametern wie Steifigkeiten, Massen usw. zu interpretieren. Nach dem vorgestelltennäherungsweisen Übergang zu physikalischen Größen wir demonstriert wieSchadensidentifikation an einer realen Struktur erfolgen kann.1251


1 EINLEITUNGIm Gegensatz zu bisher praktizierten aufwendigen visuellen Inspektionen bei Anlage undBauwerken, gilt eine automatisierte Überwachung im Kontext von „Structural HealthMonitoring“, z.B. auf der Basis experimenteller Schwingungsanalysen, als eine effizientemögliche Inspektions-Methodik, die von einer rechnergestützten Messtechnik automatischdurchgeführt wird. Die Eigenschaften der untersuchten Struktur werden auf einemÜberwachungssystem anhand von Modellen abgebildet, die auf Grund vonKonstruktionsunterlagen auf theoretischer Basis erfolgen, z.B. mit Finiten Elementen, oderalternativ als systemtheoretische Black-Box-Modelle aus Messwerten mit der Methodik derSystemidentifikation. Neue Entwicklungen der Numerik, der Rechentechnik und derMesstechnik haben die Möglichkeiten der Systemidentifikation in den letzten Jahren erheblicherweitert, so dass heute auch große Strukturen einer experimentellen Analyse zugänglich sind.Stand der praktischen Anwendung ist die so genannte experimentelle Modalanalyse. Dabeihandelt es sich um eine kombinierte Mess- und Rechentechnik, mit der die Antwort einesTragwerks auf eine geeignete Erregung gemessen und analysiert wird. Die nächsteEntwicklungsstufe ist die so genannte modellgestützte Schädigungsanalyse, die heuteGegenstand aktueller Forschung ist. Hier ist es erforderlich, ein mathematisches Modell desTragwerks zu erstellen und dieses am realen Tragwerk zu validieren. Die mathematischeModellierung erfolgt im Allgemeinen auf Grundlage mechanischer Prinzipe [10-13].Gleichwertig werden in neuartigen Verfahren, die so genannten Black-Box-Modelleverwendet, bei denen man ohne physikalische Vorkenntnisse nach dem Prinzip Ursache-Wirkung nur durch Messungen ein numerisches Modell erstellen kann. Die Methode der Black-Box-Modelle - in Form der Zustandsraumdarstellung – ist einer deterministischen als auchstochastischen Modellbildung [8] zugänglich, beide Modelle sind zunächst physikalisch nichtdirekt interpretierbar. Es lässt sich jedoch zeigen, dass das Black-Box-Modell auf der Basis vonMarkov - Parametern in ein White-Box-Modell überführt werden kann und damit einerphysikalischen strukturmechanischen Interpretation – wie z.B. durch die Parameter Massen,Steifigkeiten, Dämpfung und Flexibilitäten – zugänglich wird, und Basis der Bewertung vonmöglichen Zustandsänderungen während der Bauwerkslebensdauer als Schädigungsindikatorwerden kann [1].Beispiele zur Schadensidentifikation bei realen Schwingungsversuchen an einerStabbogenbrücke -siehe Bild 1- in der Nähe von Hünxe -NRW- demonstrieren den Einsatz derMarkov - Parameter als Schädigungsindikator.Bild 1: Stabbogenbrücke bei Hünxe (Nordrhein-Westfalen)2522


̈̇2 ZUR MODELLIERUNG ME<strong>CH</strong>ANIS<strong>CH</strong>ER KONSTRUKTIONEN IN DERSTRUKTURDYNAMIKDie auf der Grundlage von Gleichgewichts- und Verträglichkeitbedingungen sowieWerkstoffgesetzen basierende lineare Bewegungsgleichung der Mechanikmit in erster Näherung ausreichender Genauigkeit, ist durch Einführung eines Zustandsvektorsin ein Differentialgleichungssystem 1. Ordnung -so genanntes Zustandsraummodell -überführbar:&z Az But t ty Cz Dut t tIn den Zustandsraummatrizen sind die mechanischen Parameter Masse, Steifigkeit undDämpfung z.B. dann wie folgt enthalten: 0 I 0 A ; ; 1 1 1 ; B C I 0 D 0 M K M D MBei dieser mechanischen Modellierung eines Zustandsraummodells spricht man von einemWhite-Box-Modell, da bei diesem Modell die Zustandsraummatrizen physikalisch /mechanisch deutbar sind [7].Nach einer Laplace-Transformation in den Bildbereich ist es möglich die Strukturantworty(s) (an den Ausgängen) mittels der Übertragungsfunktion H(s) bei vorgegebener Anregungu(s) (an den Eingängen) zu beschrieben:y(s) H(s) u (s)(5)Die Übertragungsfunktion H(s) des Zustandsraummodells ist durch dieZustandsraummatrizen parametrisierbar:1H(s) C(s I A)B0 1 i1CA B CA B CA B K s s s2 iDie Produkte der Zustandsraummatrizen werden als Markov - Parameter bezeichnet. In derStrukturmechanik sind diese Größen bisher wenig bekannt.Zu beachten ist, dass durch eine Ähnlichkeitstransformation mit einerTransformationsmatrix T bei den Zustandsraummatrizen A, B und C die Struktur mitmechanisch deutbaren Parametern verloren geht. Ungeachtet dessen bleiben die Produkte derZustandsraummatrizen –die Markov - Parameter– unverändert:1 1 CAB CT T AT T B CABˆˆˆDiese Parameter sind physikalisch messbar.Werden die o.g. –auf einer mechanischen Modellierung basierenden– Zustandsraummatrizengenutzt um die Markov - Parameter zu bilden, erkennt man, dass aus den Markov - Parameterndie mechanischen Parameter wie folgt extrahiert werden können:(1)(2)(3)(4)(6)(7)3253


CA B F K1 10CA B 0CA BCA BM1 1 M DM2 1 1Diese Extraktion der mechanischen Parameter direkt aus den Markovparametern einesZustandsraummodells ist wissenschaftlich kaum bearbeitet bzw. analysiert. Lediglich in denReferenzen [9 u.a.d.] sind vergleichbare Ansätze zu finden. Allerdings beschränken sich dieVeröffentlichungen ausschließlich auf numerische Simulationen und stellen keinen Bezug zuexperimentellen Schwingungsmessungen her. Mit den vorgestellten Markov - Parametern istdamit eine Möglichkeit gefunden, wie aus Black-Box-Modellen auf Basis experimentellerSchwingungsmessungen mechanisch interpretierbare Massen-, Steifigkeits- undDämpfungsmatrizen extrahiert werden können.(8)(9)(10)(11)3 IDENTIFIKATION ME<strong>CH</strong>ANIS<strong>CH</strong>ER STRUKTURENMit Methoden der Systemtheorie bzw. Subspace-Methoden der linearen Algebra ist esmöglich, auf Basis von experimentell ermittelten Schwingungsmessdaten dieÜbertragungsfunktion H(s) zwischen Anregung und Strukturantwort zu modellieren, siehe Bild2. Genutzt werden so genannten Black-Box-Modelle, bei denen ohne physikalischeVorkenntnisse lediglich nach dem Prinzip Ursache-Wirkung ein numerisches Modell imZustandsraum erstellen werden kann Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden..Vorteilhaft im Vergleich zum model-updating [10,11] eines FE-Modells ist, dass diemesstechnisch erfassten Anregungskräfte und Strukturantworten ausreichend sind, dasdynamische Strukturverhalten vollständig zu modellieren. Es entfällt die Notwendigkeit auseiner Vielzahl lokaler Strukturparameter wenige physikalisch sinnvolle auszuwählen, um einFE-Modell an einzelne globale messtechnisch erfassbare Struktureigenschaften anzupassen.Die Methode der Black-Box-Modellierung - in Form der Zustandsraumdarstellung - ist einerdeterministischen als auch stochastischen Modellbildung zugänglich [8,4,5]. Grundsätzlich isteine vollständige von einer unvollständigen Parametrisierung der Übertragungsfunktionzwischen Ursache (Input) und Wirkung (Output) zu unterscheiden. Das unvollständige Modellbeschreibt nur die Dynamik der untersuchten Struktur und ist auch als Output-Only-Modellbekannt, der Informationsgehalt entspricht dem der frei normierbaren Eigenformen. Dasvollständige Modell beschreibt die Übertragungsfunktion in ihrer Dynamik und Skalierung undbildet damit das gemessene Strukturverhalten erst vollkommen ab. Beide Modelle sindzunächst einer physikalischen Interpretation nicht direkt zugänglich. Es können jedochRandbedingungen definiert werden, bei deren Erfüllung Black-Box Modelle einerphysikalischen Interpretation zugänglich gemacht werden können Fehler! Verweisquellekonnte nicht gefunden werden.. Aus diesen Zustandsraummodellen –man spricht dann von sogenannten White-Box-Modellen– können strukturmechanische Parameter extrahiert werden(z.B. Masse, Flexibilität, Steifigkeit etc.), die sensitiv auf Strukurmodifikationen reagieren unddamit eine Schadensdetektion und -lokalisation ermöglichen.2544


MechanischeStrukturSchwingungsanregungExperimentStrukturdynamischeStrukturantwortBlack-Box-Modellierung derÜbertragungsfunktionmit Methoden der Systemtheoriedeterministische Anregung1. Schritt: ZSR-Parameter A,Cstochastische AnregungOutput-OnlyPhysikalische Modellierungmit Prinzipien der MechanikGeometrie,Material,RandbedingungenFE-ModellDynamikEigenfrequenzen, -formen, Dämpfung2. Schritt: ZSR-Parameter B,(D)Kalman-FilterVerifikation mit RealitätSkalierungAmplitude, Phasemodale Größenmodel-updatingÜbergang zu mechanisch deutbaremWhite-Box-ModellmechanischeRandbedingungenspezielles ZSR-Modellmechanische ParameteroptimiertesFE-ModellSchadensdetektionSchadenslokalisationBild 2: Identifikation mechanischer Strukturen / Schadens -detektion -lokalisationNeben der o.g. Darstellung zur Selektion der mechanischen Parameter auf Basis der Markov- Parameter sind theoretisch zusätzliche Bedingungen zwingend zu erfüllen:1. Symmetrie der Markov – Parameter2. Produkt der Parameter CB=03. Parameter D=04. vollständiger Satz bewerteter Basisfunktionen - „skalierte Moden/Dyaden“-5. Transformation von diskretem in kontinuierliches ZustandsraummodellBei Simulationsrechnungen sind die Bedingungen immer erreichbar. Es ist anzumerken,dass die Anforderungen eins und vier bei realen Versuchen bzw. Schwingungsmessungenoftmals nicht alle streng mathematisch erfüllbar sind, da die idealen Bedingungen nur schwerversuchstechnisch zu realisieren sind.5255


4 MARKOV - PARAMETER ALS S<strong>CH</strong>ADENSINDIKATIONZunächst ist auf Basis experimentell gewonnener Schwingungsmessdaten ein numerischesBlack-Box-Zustandsraummodell zu identifizieren. Die Methoden sind in der numerischenMathematik erforscht und werden mit der Begrifflichkeit Subspace - Methode bezeichnet [14].Man spricht von einem Black-Box-Modell, da die Modellierung zunächst ohnephysikalische Vorkenntnisse lediglich nach dem Prinzip Ursache-Wirkung erfolgt, sieheFehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.. Die Parameter A,B,C derZustandsraumdarstellung bzw. der adäquaten Übertragungsfunktion H(s) sind zunächst nichtphysikalisch. Ungeachtet dessen sind die Produkte -die Markov - Parameter- generellphysikalisch deutbar, wie zuvor unter Kap. 1. gezeigt wurde.Auf Basis des aktuellen Forschungsstands können die messtechnisch identifizierten Markov- Parameter nur näherungsweise die physikalischen Parameter -wie z.B. M, K aus Kap. 1.-beschreiben. Infolge dessen wird die Bezeichnung korrespondierende Massenmatrizen ̃ undkorrespondierende Flexibilitätsmatrizen ̃ eingeführt, wenn die zugrunde liegendenZustandsraummodelle auf experimentellen Schwingungsmesssignalen an mechanischenStrukturen basieren:(CAB) identifiziert(CA -1 B) identifiziert==Durch die Wahl dieser Begrifflichkeit soll deutlich werden, dass die Matrizen nicht identischzu den Vergleichbaren einer FE-Modellierung sind, aber trotzdem die entsprechendenStruktureigenschaften näherungsweise beschreiben und somit sensitiv auf Veränderungenreagieren.Schäden bzw. Veränderungen durch modifizierte Steifigkeiten oder Massen können dannanhand der Differenz der zugehörigen korrespondierenden Parametermatrizen lokalisiertwerden:̃M% M% M%F% F% F%1 1 1Referenz SchadenReferenz̃SchadenDies wird im folgenden Text am Beispiel realer Versuche veranschaulicht.̃(12)(13)(14)(15)5 REALE VERSU<strong>CH</strong>E ZUR ANWENDUNG VON MARKOV - PARAMETERN ALSS<strong>CH</strong>ÄDIGUNGSINDIKATORDie Verifikation der Methode erfolgte auf der Basis von Simulationen und realenSchwingungsmessungen im Labor, siehe hierzu auch [1].Weiterhin sind durch die Kooperation mit dem Wasser- und Schifffahrtsamt Duisburg-Meidrich und dem SFB398 der Ruhr-Universität Bochum im Rahmen des Forschungsprojekteseine Vielzahl von experimentellen Schwingungsmessungen an einer 62,5m weit gespanntenSpannbeton-Stabbogenbrücke bei Hünxe (Nordrhein-Westfalen) durchgeführt worden, sieheFehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden..2566


Bild 3: Impulshammer und induzierter Schaden (durchtrennter Hänger) an der Brücke HünxeDie Anregung erfolgte sowohl deterministisch –in Form einer Impulsanregung– als auchstochastisch durch Wind und realen Fahrzeugverkehr. Auf Basis der gemessenenSchwingungssignale sind dann, mittels systemtheoretischer Identifikationsverfahren,Zustandsraummodelle identifiziert und ausgewertet worden.Da die Brücke rückgebaut wurde, konnte ein Schaden in Form eines durchtrennten Hängersan der Konstruktion induziert werden, der auf der Basis der beschriebenenSchädigungsindikatoren identifiziert werden konnte. Die örtliche Situation und die Positionender vertikalen Messpositionen und Lasteinleitungspunkte -Impulslasten- ist in Bild 4dargestellt.Bild 4: Darstellung der Sensorstandorte und die Lage der induzierten Schädigung (ein Hänger derStabbogenbrücke wurde durchtrennt)Die Detektion und Lokalisation der vorgenommenen Strukturmodifikationen erfolgteanhand der korrespondierenden mechanischen Parameter Flexibilität bzw. Steifigkeit. Diesewurden extrahiert aus den Markov-Parametern der Zustandsraummodelle, die aus dendeterministischen experimentellen Schwingungsmessungen zu realisieren waren. Der induzierte7257


Schaden konnte dann anhand der Differenz der zugehörigen korrespondierendenParametermatrizen lokalisiert werden. Erforderlich sind dafür zwei Zustandsmessungen, an dergeschädigten und der ungeschädigten mechanischen Struktur.In den Bildern 5 u. 6 sind die Differenzen der korrespondierenden Flexibilitäten dargestellt.Hier ist der Schaden zwischen Sensorposition 10 und 11 eindeutig lokalisierbar, da dort diegrößten Differenzen zu erkennen sind.Bild 5: Experimentelle Schadenslokalisation, Differenz der korrespondierenden Flexibilitäten, nach einer Tiefpass-Filterung ( 0 - 23 Hz)Deutlich zu erkennen ist in Bild 6, dass die höheren Töne im Frequenzspektrum denSchaden selektiver Abbilden. Dies kann eindeutig mechanisch interpretiert werden, da dieSteifigkeit zur Schadenslokalisation oftmals signifikanter ist als die Flexibilität und bei der2588


Inversion die hohen Frequenzen maßgebend werden. Grundsätzlich ist der Schaden jedochauch an der Differenz der korrespondierenden Flexibilitäten lokalisierbar.Bild 6: Experimentelle Schadenslokalisation, Differenz der korrespondierenden Flexibilitäten, nach einerBandpass-Filterung ( 12 - 23 Hz )6 ZUSAMMENFASSUNGTechnische Konstruktionen - z.B. Bauwerke, Anlagen und Maschinen - sind für eineendliche Lebensdauer ausgelegt. Während der geplanten Lebensdauer muss eine sichereFunktionsfähigkeit gewährleistet sein; mögliche Schäden der Konstruktion, die z.B. infolgeÜberbeanspruchung, Ermüdung und Alterung verursacht werden können, dürfen die Funktionder Konstruktion und deren Sicherheit nicht gefährden. Stand der Technik, um Schädenfrühzeitig zu diagnostizieren und zu beheben, sind Maßnahmen wie regelmäßige manuelleInspektionen und Wartungen [13].Das so genannte Monitoring - oder „Structural-Health-Monitoring“ - ist eine möglicheInspektionsmethodik, die von einer rechnergestützten Messtechnik automatisch durchgeführtwird. Der Computer überprüft spezielle physikalische Kennwerte oder Kennfunktionen desTragwerks auf Veränderungen. Eine Schädigung ruft eine Veränderung dieser Eigenschaftenhervor, Aufgabe der Systemidentifikation ist es, eine solche Veränderung zu erkennen.Hier wird vorgeschlagen, dass die Modellbildung durch Schwingungsmessungen undExperimente auf Basis von Blackbox-Modellen mit der Subspace-Methode erfolgt.Anschließend ist zur Schadensidentifikation der Übergang auf strukturmechanische Indikatorenzur physikalischen Interpretation sinnvoll, hierzu werden die Markov - Parameter eingeführt[1]. Mit Schwingungsmessungen wird die Methode im Großversuch verifiziert.9259


Anmerkung: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat die Forschungstätigkeitenfreundlicherweise unterstützt.REFERENCES[1] A. Lenzen, C. Ebert, Markov parameters for experimental damage detection ofmechanical structures. Mechanical Systems and Signal Processing (in review). ElsevierScience Limited, ISSN: 0888-3270.[2] A. Lenzen, C. Ebert, Experiments for damage detection by subspace identification on realmechanical structures. F. Stangenberg, O.T., Bruhns, D. Hartmann, G. Meschke eds.,ISBN: 978-3-931681-90-6. 3rd International Conference Lifetime-oriented DesignConcepts, Ruhr-Universität Bochum, 2007.[3] A. Lenzen, C. Ebert, Experiments for damage detection by subspace identification on realmechanical structures. Proceedings of the 2nd International Operational Modal AnalysisConference, Aalborg University, Denmark, 2007.[4] C. Ebert, A. Lenzen, Output-only analysis for experimental damage detection of a tiedarchbridge, IKM 2006. K. und C. Gürlebeck eds., ISSN 1611-4086. 17th InternationalConference on the Application of Computer Science and Mathematics in Architectureand Civil Engineering, Weimar, 2006.[5] C. Ebert, A. Lenzen, Systemidentifikation zur experimentellen Schadenslokalisation einerStabbogenbrücke. VDI-Bericht 1941 zur VDI-Tagung Baudynamik, Kassel, 2006.[6] A. Lenzen, Systemidentifikation von dynamischer Windbelastung. VDI-Bericht 1941 zurVDI-Tagung Baudynamik, Kassel, 2006.[7] A. Lenzen, H. Waller, From black to white box models in structural mechanics, ICLODC2004. F. Stangenberg, O.T., Bruhns, D. Hartmann, G. Meschke eds., ISBN 3-00-013257-0. 2nd International Conference Lifetime - Oriented Design Concepts, Bochum, 2004.[8] A. Lenzen, H. Waller, Deterministische und stochastische Systemidentifikation mitMethoden der linearen Algebra zur Formulierung von mathematischen Modellen imLebensdauerzyklus von Bauwerken, IKM 2003. K. Gürlebeck, L. Hempel, C. Könke,ISSN 1611-4085 eds. Proceedings of the 16th International Conference on theApplications of Computer Science and Mathematics in Architecture and CivilEngineering, Weimar, 2003.[9] W. J. Ko, C. F. Hung, Extraction of structural system matrices from an identified statespacesystem using the combined measurements of DVA. Journal of Sound andVibration, 249, 955-970, 2002.[10] M. Link, Updating of Analytical Models – Basic Procedures and Extensions, ModalAnalysis and Testing. NATO Science Series, Kluwer Academic, 1999.[11] B. Krätzig, K. Meskouris, M. Link, Baudynamik und Systemidentifikation. DerIngenieurbau: Grundwissen, Ed: Mehlhorn. Ernst und Sohn, Berlin 1995.[12] H. G. Natke, C. Cempel, Model-Aided Diagnosis of Mechanical Systems -Fundamentals, Detection, Localization, Assessment. Springer-Verlag, 1997.[13] U. Peil, M. Medianpour, M. Frenz, R. Scharff, Zuverlässige Lebensdauerbestimmungmit Hilfe von Monitoring. Der Stahlbau, Vol. 71, Nr. 2, 2002.[14] P. Van Overschee, B. De Moor, Subspace Identification for Linear Systems. KluwerAcademic Publishers, Juni 1996.26010


12. D-A-<strong>CH</strong> Tagung – Erdbeben und BaudynamikC. Könke (Hrsg.)Hannover, Deutschland, 15.–16. September <strong>2011</strong>IDENTIFIKATION VON PHYSIKALIS<strong>CH</strong>EN PARAMETERN VONFUSSGÄNGERBRÜCKEN MIT TILGERNB. Weber *, G. Feltrin* Empa, Eidgenössische Materialprüfungs- und ForschungsanstaltÜberlandstrasse 129, <strong>CH</strong>-8600 DübendorfE-mail: benedikt.weber@empa.chKeywords: Schwingungstilger, Systemidentifikation.Abstract. Tilger sind bei Fussgängerbrücken eine effiziente Massnahme zur Bedämpfung vonSchwingungen. Um eine gute Wirksamkeit zu erreichen, muss aber die Eigenfrequenz des Tilgersgenau auf die Eigenfrequenz der Brücke abgestimmt sein. Selbst wenn es gelingt, bei derInbetriebnahme eine gute Abstimmung zu erzielen, kann diese im Verlaufe der Zeit durch Langzeiteffekteund Klimaeinflüsse verloren gehen. Sowohl bei der Installation wie auch für dieÜberwachung des Langzeitverhaltens ist daher eine Systemidentifikation ein wichtiges Mittelzur Beurteilung.Das Resultat einer Identifikation ist typischerweise ein Blackbox-Modell. Für die Überprüfungeiner optimalen Abstimmung sind jedoch die physikalischen Grössen, respektive die Eigenfrequenzen,Dämpfungen und Massen der Brücke und des Tilgers von primärem Interesse.Der Übergang von einem Blackbox-Modell zu den physikalischen Parametern ist aber nichttrivial, da die resultierende Struktur der Matrizen (Konnektivität und Symmetrie) nicht unbedingtdem physikalischen Modell entsprechen. Eine Alternative ist die Identifikation mit sogenanntenGreybox-Modellen, bei der die physikalischen Parameter direkt variiert werden, biseine gute Übereinstimmung mit den experimentellen Daten erreicht ist.Zur Frage des Langzeitverhaltens wurden kürzlich zwei Fussgängerbrücken untersucht, dievor etwa 20 Jahren mit Tilgern ausgerüstet worden waren. Die Brücken wurden mit Hilfe einesSchwingungserregers angeregt und es wurden sowohl die Anregungskraft wie auch die Beschleunigungenan der Brücke gemessen. Bei der einen Brücke war der Tilger zugänglich, sodasszusätzlich die Beschleunigung am Tilger gemessen werden konnte. Zudem konnte der Tilgerblockiert werden, um die Parameter der Brücke direkt zu identifizieren. Versuche wurdenim Sommer und im Winter durchgeführt.Brücken-Parameter und Tilger-Parameter (Eigenfrequenz, Dämpfung und Masse) wurdenüber ein Greybox-Modell identifiziert. Die Resultate können verbessert werden, wenn einigeParameter im Modell vorherbestimmt sind. Geeignete Parameter sind die Brückenparameteroder, wenn diese nicht bekannt sind, die Tilgermasse. Wenn gar keine Parameter bekannt sind,kann auch die Brückendämpfung vernachlässigt werden. Die Parameter stimmen relativ gutmit den ursprünglich gemessenen Werten überein, jedoch kann eine starke Temperatur-Abhängigkeit der Tilger-Dämpfung und Frequenz festgestellt werden.1261


1 EINLEITUNGTilger sind bei Fussgängerbrücken eine beliebte Massnahme zur Bedämpfung von Schwingungen.Ein Schwingungstilger besteht aus einer Masse, die mit Federn und Dämpfern an dasBauwerk gekoppelt ist. Bei einer geeigneten Abstimmung geht ein Grossteil der Anregungsenergiein den Tilger, wo sie dissipiert wird. Dadurch wird gleichzeitig die Brücke beruhigt.Der Wirkung eines Schwingungstilgers hängt wesentlich von der richtigen Einstellung derTilgerparameter ab. Eine Reduktion des Wirkungsgrades kann sowohl beim Einbau durch eineungenaue Abstimmung wie auch durch Langzeitveränderungen des Tilgers oder der Brückehervorgerufen werden. Eine Verifikation nach dem Einbau wird oft durchgeführt indem dieAntwort der Brücke bei Anregung durch Fussgänger (Laufen, Hüpfen) gemessen und mitGrenzwerten verglichen wird, oder aber auch indem die Frequenzganglinie oder das Ausschwingender Brücke mit blockiertem und freiem Tilger gemessen wird. Eine weitergehendeIdentifikation ist in der Literatur kaum zu finden. Informationen über eine Verstimmung nacheiner längeren Einsatzphase existieren noch viel weniger.Die Autoren haben daher zwei Fussgängerbrücken, die vor ca. 20 Jahren mit Schwingungstilgernausgerüstet worden waren, untersucht, um die heutige Funktionstüchtigkeit der Tilgerquantitativ zu erfassen. Dazu wurden die Brücken mit einem Shaker angeregt, sodass sowohldie Anregungskraft wie auch das Verhalten der Brücken gemessen werden konnte [1]. Die Tilgerwurden ursprünglich vom Ersttautor ausgelegt und nach dem Einbau geprüft [2].2 THEORIE DES S<strong>CH</strong>WINGUNGSTILGERSDen Hartog hat 1940 erstmals Näherungsformeln veröffentlicht, die eine optimale Auslegungeines Schwingungstilgers für ungedämpfte Strukturen erlaubte, welche von einer harmonischenKraft angeregt werden [3]. Seither sind unzählige wissenschaftliche Publikationen zumSchwingungstilger erschienen. Ausführliche Darstellungen zur Theorie und Praxis des Schwingungstilgersfindet man in [2, 4].2.1 Optimale Auslegung eines TilgersEine Brücke mit einem Schwingungstilger wird in der Regel als Zweimassenschwinger modelliert(Abb. 1a). Da ein Schwingungstilger nur für die Bedämpfung einer einzelnen Eigenschwingungeingesetzt werden kann, werden für die Brücke die entsprechenden modalen Parameterverwendet. Diese können durch Modellrechnungen oder besser durch Messungen amBauwerk bestimmt werden. Die modalen Parameter der Brücke werden zweckmässigerweisemit einer Eigenform berechnet, die am Ort des Schwingungstilgers eine Einheitsverschiebungaufweist. Dadurch entspricht die modale Verschiebung der physikalischen Verschiebung amOrt des Schwingungstilgers, und die Parameter des Tilgers können unskaliert ins Modell übernommenwerden.Die optimale Abstimmung eines Tilgers erfolgt über dessen Frequenz und Dämpfung undwird noch heute oft gemäss dem Den Hartog’schen Konzept durchgeführt. Der Tilger ist genaudann optimal abgestimmt, wenn der Amplifikationsfaktor der Brückenverschiebung zwei gleichgrosse Maxima aufweist (Abb. 1b, rote Kurve). Bei einer Verstimmung der Tilgerfrequenz istdas eine Maximum grösser als das andere (Abb. 1b, grüne Kurve). Ist hingegen die Tilgerdämpfunggrösser als das Optimum, so tritt ein Maximum des Amplifikationsfaktors in derNähe f f auf (Abb. 2b, blaue Kurve).b2262


a)Feder Tilger k tmodaleMasse m bMasse Tilger m tKraft f(t)u t (t)Dämpfer Tilger c tu b (t)b)Amplitude2015105A max,optA maxA max,optOptimumFrequenzDämpfungmodaleSteifigkeit k bmodaleDämpfung c b00.6 0.8 1 1.2 1.4f / f bAbb. 1: a) Zweimassenschwinger-Modell einer Brücke mit Schwingungstilger. b) Amplifikationsfaktoren desZweimassenschwinger-Modells bei verschiedenen Tilger-Abstimmungen.Zur Bestimmung der optimalen Tilgerfrequenz und Tilgerdämpfung wurden von Den Hartogeinfache Formeln hergeleitet. Sie lauten11 38(1 )ft,opt fbund topt ,(1)wobei ft,optund topt ,die optimale Frequenz und das optimale Dämpfungsmass des Tilgersbezeichnen. Die optimalen Tilgerparameter hängen von der Frequenz der Brücke f bund demMassenverhältnis mt mbab. Die Parameter des Schwingungstilgers sind dabei wie folgtdefiniert:1 ktf t2mund ctt (2)4mftDie optimale Frequenz des Schwingungstilgers ist immer kleiner als die Eigenfrequenz derBrücke. Der Einfluss der Brückendämpfung ist klein, so dass die Den Hartog’schen Formelnauch eine gute Näherung für Brücken mit geringer Dämpfung darstellen. Analoge Bemessungsformelnfür Strukturen mit Dämpfung und für andere Belastungsarten und Optimierungskriterienfindet man in [5, 6].2.2 Verstimmung des TilgersWeichen die Tilgerfrequenz und Tilgerdämpfung von den optimalen Werten ab, so vermindertsich der Wirkungsgrad des Tilgers. Dieser wird als Verhältnis zwischen der maximalenAmplitude der Frequenzganglinie im optimierten Zustand Amax,optund der maximalen Amplitudeder Frequenzganglinie im verstimmten Zustand A definiert (Abb. 1b):maxmax, opt max100%ttw A A (3)Abb. 2a zeigt den Wirkungsgrad eines Tilgers bei einer Verstimmung der Tilgerfrequenz. Bereitsbei einer Verstimmung um wenige Prozent treten bedeutende Verluste auf. Daher ist eswichtig, beim Einbau eines Tilgers insbesondere auf eine gute Abstimmung der Tilgerfrequenzzu achten. Die Verluste sind grösser, wenn die modale Dämpfung der Brücke klein ist. Wenigerdramatisch ist die Lage bei einer Verstimmung der Tilgerdämpfung (Abb. 2b). Auch bei einerAbweichung der vorhandenen Tilgerdämpfung zur optimalen Tilgerdämpfung um 50% beträgtder Verlust des Wirkungsgrads bescheidene 20%. Die Verluste sind auch in diesem Fall umsogrösser, je kleiner die modale Dämpfung der Brücke ist.3263


a)100μ = 2%b)100μ = 2%Wirkungsgrad [%]806040ζ = 0% bζ = 0.5% b20ζ b= 1%ζ = 2% b00.9 0.95 1 1.05 1.1Wirkungsgrad [%]806040ζ b= 0%ζ = 0.5% b20 ζ b= 1%ζ = 2% b00.5 0.75 1 1.25 1.5f t/ f t,optζ t/ ζ t,optAbb. 2: Wirkungsgrad eines Tilgers: a) Verstimmung der Tilgerfrequenz. b) Verstimmung der Tilgerdämpfung3 BRÜCKEN UND AUSLEGUNG DER TILGERVor rund 20 Jahren wurden in der Umgebung von Zürich zwei Fussgängerbrücken, eineBalkenbrücke und eine Schrägseilbrücke, mit Schwingungstilgern ausgerüstet. Eine ausführlicheBeschreibung der Brücken, der Auslegung der Tilger und der Versuche ist in [2] zu finden.In diesem Kapitel wird kurz auf die Brücken und die Auslegung der Tilger eingegangen.3.1 BalkenbrückeDie erste Brücke ist eine Balkenbrücke, die aus zwei stählernen Längsträgern besteht, diemit Querträgern versteift sind (Abb. 3a). Sie weist vier Felder auf und das Hauptfeld hat eineSpannweite von 25.1 m. Die Gehplatte besteht aus vorfabrizierten Betonplatten, die beidseitigauf Gummilager aufgestützt sind.Aufgrund ihrer sehr kleinen Dämpfung wurde die Brücke durch Fussgänger und Druckstösse,die durch unter der Brücke durchfahrende Lastfahrzeuge verursacht wurden, in für Fussgängerunangenehme Schwingungen versetzt. Zur Abminderung der Schwingungen wurden imAugust 1990 in der Mitte des Hauptfeldes zwei Schwingungstilger in die seitlichen Längsträgereingebaut (Abb. 3b) und mit Stahlhauben vor der Witterung geschützt. Die Masse der Tilger,die von vier Gewindestangen geführt und auf Stahlfedern gestützt ist, beträgt je 175 kg. DieEnergiedissipation erfolgt über zwei Dämpfer, die aus einem mit Silikonöl gefüllten, zylindrischenBehälter bestehen, in dem ein Stab eingetaucht ist (Abb. 3b).Zur Auslegung der Tilger wurde durch Messungen die Grundfrequenz der Brücke aus einemFrequenzspektrum entnommen. Sie betrug f 2.46 Hz . Die modale Dämpfung vona) b)bAbb. 3: a) Balkenbrücke. b) Im Längsträger eingebauter Schwingungstilger.4264


a)b)Abb. 4: a) Schrägseilbrücke. b) Schwingungstilger im Labor.b0.2 0.4 % wurde mit Ausschwingversuchen ermittelt. Die modale Masse der ersten Eigenschwingungwurde hingegen analytisch mit einem Brückenmodell abgeschätzt, das aus demHauptfeld und zwei gleich langen Nebenfeldern bestand. Die Modalform wurde aus Sinus-Funktionen konstruiert, die über die Auflager eine kontinuierliche erste Ableitung besassen.Die Schätzung ergab eine modale Masse von mb 30'500 kg .Mit diesen Grössen wurden die Tilger gemäss den Formeln von den Hartog ausgelegt. Diegesamte Tilgermasse von 350 kg ergab ein Massenverhältnis von 1.15 % . Die daraus resultierendeoptimale Tilgerfrequenz und Tilgerdämpfung betrug ft, opt 2.43 Hz bzw.t, opt 6.5 % . Die Feinabstimmung der Tilger erfolgte im Labor.3.2 SchrägseilbrückeDie zweite Brücke ist eine Schrägseilbrücke mit einer Spannweite von 45 m (Abb. 4a). DerQuerschnitt besteht aus einem stählernen Hohlkasten mit einer Breite von 3.1 m. Der Tilgerwurde bereits in der Planungsphase mitberücksichtigt und nach Fertigstellung der Brücke imJuli 1992 im Hohlkasten eingebaut. Der Tilger besteht aus einer Masse von 1000 kg, die auf 4Federn gelagert und mit 4 Dämpfern ausgerüstet ist (Abb. 4b). Die Dämpfer basieren auf demgleichen Bauprinzip wie die Dämpfer, die in den Tilgern der Balkenbrücke eingebaut wurden.Die Grundfrequenz und die modale Dämpfung der Grundschwingung wurden mit Versuchenan der fertig erstellten Brücke bestimmt und betrugen fb 2.12 Hz bzw. t 12.5 % . Diemodale Masse wurde mit einem Finiten Element Modell zu mb 23'000 kg ermittelt. Die Tilgermassevon 1000 kg ergab daher ein Massenverhältnis von 4.35 % . Die aus den Formelnvon den Hartog berechneten Tilgerfrequenz und Tilgerdämpfung betrugen ftopt, 2.03 Hz bzw.t, opt 12.5 % . Die Feinabstimmung der Tilger erfolgte wiederum im Labor.4 VERSU<strong>CH</strong>EUm das Temperatur- und Langzeitverhalten festzustellen, sind die beiden Brücken in derZeitperiode 2008 und 2009 erneut untersucht worden. Ziel der Versuche war es, einerseits dieSystemparameter der Brücke und des Tilgers, d.h. die Grundfrequenz, die modale Masse undDämpfung der Brücke wie auch die Eigenfrequenz und Masse des Tilgers, und andererseits dieWirksamkeit des Tilgers bei einer Anregung durch Fussgänger zu bestimmen, um einen Vergleichmit den Ergebnissen beim Einbau der Tilger durchführen zu können.Die Versuche zur Bestimmung der Systemparameter wurden mit einem Schwingungserregerdurchgeführt (Abb. 5a). Mit einer beweglichen Masse von 31 kg konnten damit Kräfte bis zu430 N aufgebracht werden. Es wurden Versuche mit harmonischer und stochastischer (weissesRauschen), bandbegrenzter Anregung durchgeführt. Die vertikale Antwort der Brücke wurde5265


a) b)Abb. 5: a) Schwingungserreger. b) Beschleunigungsaufnehmer.mit Beschleunigungsaufnehmern am Standort des Tilgers auf beiden Seiten der Brücke erfasst(Abb. 5b). An der Balkenbrücke, wo die Schwingungstilger zugänglich waren, wurde auch dievertikale Beschleunigung der Tilgermassen erfasst. Mit einem weiteren Beschleunigungsaufnehmerwurde die Bewegung der Erregermasse gemessen, um die Kraft, die der Schwingungserregerauf die Brücke ausübte, zu bestimmen. Darüber hinaus wurde mit einem Thermometerdie Lufttemperatur erfasst. Die Versuche wurden je im Sommer und Winter durchgeführt, umden Einfluss der Temperatur auf die Systemparameter zu erfassen.5 IDENTIFIKATIONDie Identifikation der Parameter des Zweimassenschwingers erfolgte mit der Funktion pemaus der System Identification Toolbox von MATLAB [7]. Die Identifikationsmethode arbeitetim Zeitbereich und minimiert den Fehler zwischen der vorausgesagten und der gemessenenSystemantwort. Da die Anregung bandbegrenzt war, wurden die Zeitsignale der Antwort undder Anregung vorgängig mit einem Bandpassfilter bearbeitet.Für die Identifikation wird die Brücke mit dem Tilger als Zweimassenschwinger modelliert:Mu Cu Ku f(4)wobei MCK , , und f die Massen-, Dämpfungs- und Steifigkeitsmatrix bezeichnen, die folgendermassendefiniert sind:M mb 0 cb ct ct kb kt kt fb 0 m t C ct c t K kt k t f 0(5)Gleichung (4) ist eine Differentialgleichung zweiter Ordnung (zweite zeitliche Ableitung) fürdie Variable u u Tbut. Praktisch alle Methoden zur Systemidentifikation basieren jedochauf der allgemeineren Formulierung erster Ordnung mit Zustandsvariablen. Um eine Gleichungerster Ordnung zu bekommen, werden die Verschiebungen und die Geschwindigkeiten als Zustandsvariablenbenützt: xu u T. Damit lässt sich Gleichung (4) wie folgt schreiben:C M K 0 b1 1 1 x x f und M 0 0 M 0u cM K cM C x cM bf (6)Die Matrizen b und c beschreiben, welche Freiheitsgrade angeregt, respektive gemessen werdenund nehmen je nach Fall folgende Werte an:11 0 b 1 0c11 0 c2 0 1 (7)6266


Es ist bb1, wenn nur die Brücke angeregt wird, cc1, wenn nur die Antwort der Brückegemessen wird, und cc2, wenn die Antwort der Brücke und des Tilgers gemessen wird.Die Standardform für ein System erster Ordnung istxxf ux f(8)Gleichung (6) lässt sich durch Vormultiplizieren mit der Inversen der linken Matrix auf dieseForm bringen. Die Systemmatrizen sind dann 0 I 0 1 1 1M K M C M b(9)1 1 1 cM K cM C cM bWährend die Umformung von einem System zweiter Ordnung auf eines erster Ordnung einfachzu bewerkstelligen ist, ist die Umformung in die umgekehrte Richtung relativ schwierig.Die Systemmatrizen aus der Identifikation haben typischerweise nicht mehr die Struktur vonGleichung (9) und die Zustandsvariablen entsprechen nicht mehr unbedingt den physikalischenGrössen. In [8] werden verschiedene Methoden beschrieben, wie ein allgemeines System in dieForm von Gleichung (9) transformiert werden kann. Einfacher ist es, von der Möglichkeit derFunktion pem in MATLAB Gebrauch zu machen, eine gewisse Struktur der Matrizen vorzugeben.Insbesondere können die Nullmatrizen und die Einheitsmatrizen zum vornherein festgelegtwerden. Aber selbst, wenn die Struktur jene von Gleichung (9) ist, bedarf es einer weiterenUmformung, um die physikalischen Matrizen zu ermitteln.Um die physikalischen Matrizen zu ermitteln, wird zunächst das quadratische Eigenwertproblembetrachtet:2 M CK 0(10)i i iDurch Umformung in ein System erster Ordnung entsteht daraus das verallgemeinerte Eigenwertproblem[9]C M K 0 M 0 0 M (11)Die Matrix enthält die Eigenvektoren iund die Diagonalmatrix die Eigenwerte i. Beieinem Zweimassenschwinger ergeben sich 4 Eigenwerte und 4 Eigenvektoren, die paarweisekonjugiert komplex sind. Je ein konjugiert komplexes Paar entspricht einem klassischen Modeeines ungedämpften Systems. Analog zum Eigenwertproblem eines ungedämpften Systems,gelten folgende Orthogonalitätsrelationen:T CM I M 0 undDaraus ergeben sich folgende Beziehungen [9]:Es gilt daher1 T T 0 M 1 1 1 T 2 T undMM CM T K 0 0 M 1 1 T TK 0 1 T T 0 M 1 T 2 T 1 1 T TM CM M K 0(12)(13) (14)7267


Die Eigenwerte und Eigenvektoren lassen sich direkt aus der Standardform (8) ermitteln, diedas Ergebnis einer Identifikation ist. Aus den Gleichungen (14) lassen sich dann die physikalischenMatrizen ermitteln. Zusätzlich muss die letzte Bedingung erfüllt sein.Eine letzte Schwierigkeit besteht darin, dass für die Normierung in Gleichung (12) die physikalischenMatrizen benötigt werden, die ja gesucht werden. Die Skalierung der Eigenvektorenkann aber auch auf andere Weise erfolgen. Der Freiheitsgrad, der zugleich angeregt und gemessenwird (collocated sensor actor pair) muss die Reziprozität erfüllen. Für eine gemesseneBeschleunigung ist das der Fall wenn [8]CT2 1T T Bmit T Dwobei die unskalierten Eigenvektoren enthält, die aus den Systemmatrizen der Identifikationberechnet wurden und D eine diagonale Skalierungsmatrix ist, sodass D.Eine alternative Methode ist die Greybox-Methode, die ebenfalls in der Funktion pem inMATLAB implementiert ist. Dabei werden die Systemmatrizen als Funktion der physikalischenParameter ausgedrückt. Die Prozedur startet mit geschätzten Parametern, die solangeoptimiert werden, bis die Abweichung in Zeitverlauf minimal ist. Mit dieser Formulierungwerden alle Strukturen in den Systemmatrizen automatisch eingehalten und die Lösung bestehtdirekt aus den gesuchten Parametern.(15)6 RESULTATE6.1 BalkenbrückeDie visuelle Inspektion der Balkenbrücke ergab, dass beide Tilger sich auch nach 18 JahrenBetrieb in einem sehr guten Zustand befanden. Die Gewindestangen, die als Führungen derTilgermasse dienten, wiesen keinerlei Abnutzungserscheinungen auf. An einigen Stellen derTilger hatte sich lediglich etwas Rost angesetzt.Mit den Messdaten aus der Breitbandanregung im Sommer wurde zunächst eine Blackbox-Identifikation mit einer vorgegebenen Struktur gemäss Gleichung (9) durchgeführt. Das Systemhat eine Inputgrösse (Kraft auf Brücke) und zwei Outputgrössen (Beschleunigungen der Brückeund des Tilgers). Nach einer Eigenwertzerlegung ergeben sich aus Gleichung (14) die Matrizenin der ersten Spalte von Tabelle 1. In der Identifikation wurde zwar die Blockstruktur der Sys-Tabelle 1: Physikalische Matrizen für verschiedene IdentifikationsmethodenStrukturierte Blackbox23566 1202 M 1202 538 kg103740 15180 C 15180 3090 N·s/m5783700 102700 K 102700 118400 N/mT 6 1.017 7.291 107.291 2.027 Greybox18563 0 M 0 521 kg6879 1255C 1255 1255 N·s/m4693400 129200K 129200 129200 N/mT 180.0004 0.0119 100.0119 0.1220 8268


Tabelle 2: Physikalische Parameter für verschiedene Identifikationsmethoden (* Parameter fixiert)temmatrizen festgelegt, aber die physikalischen Matrizen haben nicht automatisch die Strukturvon Gleichung (5). Alle Matrizen sind symmetrisch, aber die Massenmatrix ist nicht diagonalund bei den andern Matrizen wird die Konnektivität nicht eingehalten. Als nächstes wurde eineAnalyse mit einem Greybox-Modell durchgeführt. Eine Anfangsschätzung der physikalischenParameter war aus früheren Ausschwingversuchen und der Auslegung der Schwingungstilgerbekannt. Die Identifikation liefert direkt die physikalischen Parameter. Zum Vergleich wurdendie entsprechenden Matrizen konstruiert und in der zweiten Spalte von Tabelle 1 aufgeführt.Diese Matrizen haben automatisch die richtige Struktur.Für die weitere Diskussion sind in Tabelle 2 die physikalischen Parameter zusammengestellt.Beim Greybox-Modell sind direkt die berechneten Parameter angegeben. Beim Blackbox-Modellwurden die Werte aus den Matrizen in Tabelle 1 extrahiert. Für die Massen wurdendie Diagonalterme der Massenmatrix verwendet. Für die Dämpfung und die Steifigkeit wurdedas Element (2,2) dem Tilger zugewiesen. Dieser Wert wurde von Element (1,1) abgezogen,um den Wert für die Brücke zu erhalten. Obwohl die Werte aus den beiden Methoden vergleichbarsind, liegen die Frequenz und die Dämpfung der Tilger zu weit auseinander, um eineverlässliche Aussage über die Abstimmung der Tilger treffen zu können. Zudem wurde dieBrückendämpfung mit einem negativen Wert geschätzt, was physikalisch unmöglich ist.Eine weitere Verbesserung kann erzielt werden, wenn in der Greybox-Identifikation nicht alleParameter offen gelassen, sondern einige bekannte Werte als gegeben betrachtet werden.Dazu wurden als erstes die Schwingungstilger blockiert und die Parameter der Brücke identifiziert.Da es sich dabei um einen Einmassenschwinger handelt, können alle Brückenparameterrelativ zuverlässig identifiziert werden. Bei dieser Gelegenheit konnte auch festgestellt werden,dass die ursprüngliche Schätzung der modalen Masse relativ weit weg vom richtigen Wert lag.Mit einer neuen Finite-Elemente-Berechnung konnte dann aber der identifizierte Wert bestätigtwerden. Die Greybox-Identifikation, bei der nur die Parameter des Schwingungstilgers angepasstwurden, ist in der dritten Zeile von Tabelle 2 aufgeführt. Diese Werte dürften relativ zuverlässigsein und werden für die weitere Untersuchung verwendet.Die Balkenbrücke wurde im Sommer bei 28°C und im Winter bei 6°C Lufttemperatur getestet.Versuche mit Fussgängeranregung ergaben im Sommer ähnliche Werte wie bei der Inbetriebnahme.Im Winter wurde eine Verschlechterung der Wirksamkeit der Tilger festgestellt.9BrückeFreq.[Hz]Dämpf.[%]Masse[kg]TilgerFreq.[Hz]Dämpf.[%]Masse[kg]Blackbox 2.47 -15 23’600 2.36 19 540Greybox 2.50 -1.4 18’600 2.51 7.7 520Greybox 2.49* 0.15* 17’100* 2.52 6.5 410Tabelle 3: Physikalische Parameter der Balkenbrücke mit frei schwingendem Tilger (* Parameter fixiert)BrückeFreq.[Hz]Dämpf.[%]Masse[kg]TilgerFreq.[Hz]Dämpf.[%]Masse[kg]Sommer 2.49* 0.15* 17’100* 2.52 6.5 410 64Winter 2.49* 0.15* 17’100* 2.66 14 380 46Optimal 2.49 0.15 17’100 2.44 9.1 380 100Wirkungsgrad[%]269


a)6 x 10−6b)6 x 10−6Amplitude42Amplitude42Phase042MessungIdentifikationOptimumPhase042MessungIdentifikationOptimum02 2.2 2.4 2.6 2.8 3Frequenz [Hz]02 2.2 2.4 2.6 2.8 3Frequenz [Hz]Abb. 6: Transferfunktionen für Balkenbrücke: a) Sommer 2008. b) Winter 2009.Die Werte für die Greybox-Identifikation mit vorherbestimmten Brückenparametern sind inTabelle 3 zusammengestellt. Ebenfalls angegeben sind die optimalen Tilgerparameter. Manstellt fest, dass die identifizierte Tilgerfrequenz im Sommer deutlich über dem optimalen Wertliegt. Es wird aber vermutet, dass dies kein Langzeiteffekt ist, sondern dass diese Verstimmungbereits beim Einbau vorlag. Die gemessene Tilgerdämpfung entspricht der ursprünglich geplantenTilgerdämpfung. Im Winter liegen die Werte sowohl der Tilgerfrequenz wie auch der Tilgerdämpfunghöher, wobei sich die letztere mehr als verdoppelt. Diese Beobachtung lässt sichdadurch erklären, dass die Viskosität des Silikonöls der Dämpfer temperaturabhängig ist undbei kalten Temperaturen zu einer höheren Steifigkeit und Dämpfung des Tilgers führt. Durchdie Verstimmung des Tilgers beträgt im Sommer der Wirkungsgrad nur 65%. Im Winter sinkter noch weiter auf 46%.Der Unterschied der identifizierten Tilgermasse zwischen Sommer und Winter hat keinenphysikalischen Hintergrund und beruht hauptsächlich auf Ungenauigkeiten des Identifikationsverfahrens.Die identifizierten Tilgermassen entsprechen jedoch recht genau der geplanten Tilgermasse.Die tatsächliche Tilgermasse ist unbekannt, da sie vor dem Einbau nicht gewogenwurde.Abb. 6 zeigt die mit den identifizierten Parametern berechneten Amplituden und Phasen derTransferfunktionen der Messungen im Sommer 2008 und im Winter 2009. Zum Vergleich sindauch die Transferfunktionen aus den gemessenen Daten dargestellt, die mit der Funktion tfestimateaus der Signal Processing Toolbox von MATLAB [7] ermittelt wurden. Für die grafischeDarstellung wurden die Beschleunigungen in Verschiebungen umgewandelt. Die Amplitudenund Phasen des identifizierten Modelles weisen generell eine gute Übereinstimmung mit dengemessenen Werten auf. Sie weichen aber substantiell von den Amplituden und Phasen einesSystems mit optimalen Parametern ab. Das Maximum der Amplitude der Transferfunktion imWinter 2009 ist etwa doppelt so gross wie das Maximum mit den optimalen Parametern, wasdem Wirkungsgrad von 46% in Tabelle 3 entspricht.6.2 SchrägseilbrückeDie Versuche an der Schrägseilbrücke wurden im Sommer 2009 bei 30°C und im Winter2009 bei 3°C Lufttemperatur durchgeführt. Bei dieser Brücke befindet sich der Tilger im Brückenkastenund ist schlecht zugänglich. Auf eine visuelle Inspektion wurde daher verzichtetund es wurden nur Messungen auf den Brückendeck mit frei schwingendem Tilger vorgenommen.Die Brücke wurde im Sommer wie im Winter durch Laufen und Hüpfen ähnlich starkangeregt, wie bei der Inbetriebnahme im Sommer 1992.10270


Tabelle 4: Physikalische Parameter der Schrägseilbrücke mit frei schwingendem Tilger (alle Parameter frei).BrückeFreq.[Hz]Dämpf.[%]Masse[kg]TilgerFreq.[Hz]Dämpf.[%]Masse[kg]Sommer 2.15 3.4 22’800 2.03 9 480Winter 2.21 -4.3 28’000 2.11 24 2960Tabelle 5: Physikalische Parameter der Schrägseilbrücke mit frei schwingendem Tilger (* Parameter fixiert)BrückeFreq. Dämpf.[Hz] [%]Masse[kg]TilgerFreq.[Hz]Dämpf.[%]Masse[kg]Sommer 2.15 0.8 24'500 2.01 13.5 1000* 87Optimal 2.15 0.8 24'500 2.07 12 1000 100Winter 2.18 0.9 25'900 2.18 14.9 1000* 79Optimal 2.18 0.9 25'900 2.10 11.8 1000 100Wirkungsgrad[%]Eine Greybox-Identifikation mit nur einer Outputgrösse war recht unzuverlässig, wie Tabelle4 zeigt. Insbesondere im Winter wurden die Brückendämpfung und die Tilgermasse totalfalsch geschätzt. Da wegen der schlechten Zugänglichkeit eine Blockierung des Tilgers nicht inFrage kam, konnten die Brückenparameter nicht unabhängig identifiziert werden. Stattdessenwurde als zusätzliche Information die Tilgermasse spezifiziert. Die so ermittelten Parametersind in Tabelle 5 aufgeführt. Alternativ kann auch die Brücke als ungedämpft betrachtet werden[1]. Da die resultierenden Brückenparameter in Sommer und Winter praktisch identisch sind,kann man davon ausgehen, dass auch die Tilgerparameter einigermassen zuverlässig geschätztwurden. Auch hier zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen Sommer und Winter, wobeidie Frequenzabstimmung in dem Sinne als optimal bezeichnet werden kann, als dass die Tilgerfrequenzim Sommer leicht zu tief und im Winter leicht zu hoch ist.Der Vergleich der Transferfunktionen ist in Abb. 7 dargestellt. Im Sommer sind die beidenMaxima noch erkennbar, auch wenn sie nicht gleich gross sind. Im Winter ist nur noch ein Maximumersichtlich, was auch die Schwierigkeiten bei der Identifikation (Tabelle 4) zum Teilerklären könnte.a)2 x 10−6b)2 x 10−6Amplitude1Amplitude10404Phase2MessungIdentifikationOptimum01.6 2 2.4 2.8 3.2Frequenz [Hz]Phase2MessungIdentifikationOptimum01.6 2 2.4 2.8 3.2Frequenz [Hz]Abb. 7: Transferfunktionen für Schrägseilbrücke: a) Sommer 2009. b) Winter 2009.11271


7 ZUSAMMENFASSUNGDie Identifikation mit einem Blackbox-Modell ist theoretisch möglich, wenn die Blockmatrizenstrukturauf der Systemebene vorgeschrieben wird. Die Massen-, Dämpfungs- und Steifigkeitsmatrizenentsprechen aber nicht unbedingt der physikalischen Konnektivität und die extrahiertenphysikalischen Parameter waren zu wenig zuverlässig, um die Abstimmung der Tilgerzu beurteilen.Die Identifikation mit einem Greybox-Modell funktioniert besser, aber es wurde in einigenFällen eine negative Brückendämpfung ermittelt. Die besten Resultate liefert eine Greybox-Identifikation, bei der einige der 6 Parameter vorgegeben werden. Wenn der Tilger blockiertwerden kann, können zuerst die Brückenparameter identifiziert werden, um dann in einemzweiten Schritt nur noch die Tilgerparameter zu bestimmen. Wenn dies nicht möglich ist, kanndie Tilgermasse vorgegeben werden. Falls auch diese unbekannt ist, kann die Brücke als ungedämpftbetrachtet werden. Dies hat einen geringen Einfluss auf die Tilgerabstimmung.Bei den untersuchten Fussgängerbrücken konnte festgestellt werden, dass die Tilger nachfast 20 Jahren immer noch einwandfrei funktionieren. Bei der Balkenbrücke wurde eine Verstimmungfestgestellt, die aber wahrscheinlich bereits beim Einbau vorhanden war. Die verwendetenDämpfer mit Silikonöl sind relativ stark temperaturabhängig. Bei niedrigen Temperaturenwird sowohl die Steifigkeit wie auch die Dämpfung der Tilger erhöht. Ideal wäre deshalbeine Abstimmung bei einer mittleren Temperatur.8 LITERATUR[1] B. Weber and G. Feltrin, "Assessment of long-term behavior of tuned mass dampers bysystem identification," Engineering Structures, vol. 32, pp. 3670-3682, 2010.[2] H. Bachmann and B. Weber, "Tuned vibration absorbers for "lively" structures," StructuralEngineering International, vol. 5, pp. 31-36, 1995.[3] J. P. Den Hartog, Mechanical vibrations: McGraw-Hill Book Company, 1940.[4] C. Petersen, Schwingungsdämpfer im Ingenieurbau: Maurer und Söhne, GmbH & Co.KG, 2001.[5] G. B. Warburton, "Optimum absorber parameters for various combinations of responseand excitation parameters," Earthquake Engineering & Structural Dynamics, vol. 10, pp.381-401, 1982.[6] G. Feltrin, "The tuned mass damper," in SAMCO-Guidelines on Structural Control, F.Weber, G. Feltrin, and O. Huth, Eds., 2005.Available: http://www.samco.org/network/download_area/guidelines_sc.pdf[7] MATLAB, Release <strong>2011</strong>a: The MathWorks, Inc., <strong>2011</strong>.[8] K. Alvin, A. Robertson, G. Reich, and K. Park, "Structural system identification: fromreality to models," Computers & structures, vol. 81, pp. 1149-1176, 2003.[9] E. Balmes, "New results on the identification of normal modes from experimental complexmodes," Mechanical Systems and Signal Processing, vol. 11, pp. 229-243, 1997.12272


12. D-A-<strong>CH</strong> Tagung – Erdbeben und BaudynamikC. Könke (Hrsg.)Hannover, Deutschland, 15.–16. September <strong>2011</strong>Experimentelle Modalanalyse einer Straßenbrücke im Rahmen einerBelastungsanalyseM.O. Rosenquist *, R. Cantieni *** baudyn GmbHMühlenkamp 43, 22303 Hamburg, E-mail: rosenquist@baudyn.de** rci dynamics, Büro für BaudynamikRaubbühlstrasse 21B, <strong>CH</strong>-8600 Dübendorf, E-mail: reto.cantieni@rcidynamics.chSchlüsselwörter: Straßenbrücke, Schwingungserregung durch Schwerverkehr, ExperimentelleModalanalyse unter ambienter Anregung, dynamische Radlasten schwerer Fahrzeuge, Belastungsanalyse,Ermüdungsfestigkeit.Zusammenfassung. Im Rahmen der FE-Modell-basierten Belastungsanalyse einer Straßenbrückeüber eine Bahnstrecke wurde eine breite, experimentelle Basis gelegt: Eine experimentelleModalanalyse unter ambienter Anregung, eine Analyse der Betriebsschwingformenund eine Aufzeichnung der dynamischen Verformungsgeschichte der Brücke unter normalemVerkehr in mehreren Punkten während mehrerer Stunden.Bei der Niedersachsenbrücke Tostedt handelt es sich um eine einfeldrige Stabbogenbrücke inStahl mit einer Spannweite von 56 m und mit orthotroper Fahrbahn. Bei der Überfahrt vonSchwerfahrzeugen werden vergleichsweise hohe Schwingungsamplituden registriert.Die hier beschriebene, eintägige Messkampagne wurde so organisiert, dass sie experimentelleGrundlagen sowohl für eine Modalanalyse als auch für die Bestimmung von Betriebssschwingungsformenund eine Analyse der Ermüdungfestigkeit der Brücke lieferte. Mittels der experimentellenModalanalyse unter ambienter Anregung konnten im Frequenzbereich f = 1...27 Hz22 Eigenschwingungen der Brücke nach Frequenz, Form und Dämpfung zuverlässig identifiziertwerden. Die Betriebsschwingformen wurden aus den bei Überfahrt eines Belastungsfahrzeugsmit bekannten Achslasten und gezielten Fahrgeschwindigkeiten gemessenen Schwingungenbestimmt.Die Ergebnisse der Modalanalyse wurden für ein Update eines FE-Modells verwendet, aufdessen Basis weitere Belastungsanalysen durchgeführt wurden. Die Belastungsanalyse derBrücke mündete letztlich in eine Identifikation von dynamisch hoch belasteten Bereichen undden Vorschlag von Maßnahmen zur Verminderung der Belastungen.Anhand des Fallbeispiel lassen sich das Erfordernis, die Möglichkeiten und die Leistungsfähigkeitvon Schwingungsmessungen zur realistischen Erfassung der Belastung durch dynamischeEinwirkung demonstrieren.1273


1 METHODE DER EXPERIMENTELLEN MODALANALYSEBei der experimentellen Modalanalyse kann man zwischen „Forced Vibration Testing“,FVT, und „Ambient Vibration Testing“, AVT unterscheiden [1]. Bei FVT wird das Tragwerkmittels eines Schwingungserregers künstlich angeregt, wobei sowohl die einwirkende Kraft alsauch die erzeugten Tragwerksschwingungen gemessen werden. Aus diesen Signalen werdendann die modalen Parameter bestimmt. Bei AVT vertraut man auf die dynamischen („ambienten“)Einwirkungen der Umgebung, misst lediglich die so angeregten Tragwerksschwingungenund bestimmt aus diesen die modalen Parameter. In den letzten Jahren hat sich die AVT-Methodeinsbesondere für die Identifikation grösserer Ingenieurtragwerke immer stärker durchgesetzt.Einerseits ist der Aufwand für einen AVT-Versuch deutlich geringer als für einen FVT-Versuch, andererseits hat die Qualität der auf dem Markt vorhandenen Softwarepakete mittlerweileeinen hohen Stand erreicht.Um eine experimentelle Modalanalyse mittels AVT zu einem erfolgreichen Ende führen zukönnen, sind gewisse Voraussetzungen zu erfüllen. Zunächst muss die Messkette der Tatsachegerecht werden, dass bei grossen Tragwerken tieffrequente Schwingungen mit kleiner Amplitudeerfasst werden müssen. Sodann sind die Dichte des Messpunktrasters und die Wahl derMessrichtungen auf die Komplexität der zu erwartenden Eigenformen auszurichten. Grundsatz:Information, beispielsweise über Eigenformen, gibt es nur in Punkten, in denen gemessen wurde.Üblicherweise ist die Anzahl der zu messenden Freiheitsgrade deutlich grösser als die Anzahlverfügbarer Messkanäle. Dann wird man einen oder mehrere Freiheitsgrade als Referenzenbeibehalten und die mobilen Sensoren in mehreren Setups so oft umsetzen, bis der Raster abgearbeitetist. Die Referenzen sollten so gewählt werden, dass a) alle notwendigen Messrichtungenabgedeckt sind, und b) das Risiko, dass eine Referenz in einem Knoten einer massgebendenSchwingung sitzt, minimal ist (niemals „in der Mitte“ von irgendetwas). Das letztgenannteRisiko kann meist nur dadurch umgangen werden, dass die Anzahl Referenzen grösser als Einsgewählt wird.Die Länge der erfassten Zeitfenster sollte 1'000…2'000 mal so gross wie die Periode dertiefsten Eigenfrequenz des Tragwerkes sein. Bei der Digitalisierung der Signale ist darauf zuachten, dass alle gängigen Regeln bezüglich sample-and-hold, anti-aliasing Filterung und notwendigeHöhe der Abtastrate erfüllt sind.Abb. 1: Testfahrzeug bei einem dynamischen Belastungsversuch auf der Niedersachsenbrücke.2742


2 NIEDERSA<strong>CH</strong>SENBRÜCKE TOSTEDTHier wird von einer Stabbogenbrücke berichtet, bei der infolge der Überfahrt von schwerenStraßenfahrzeugen in den Bögen, Hängerstäben und in der Fahrbahnplatte deutlich spürbareSchwingungen auftreten. Es handelt sich um die Niedersachsenbrücke in Tostedt über dieBahnstrecke Hamburg-Bremen. Diese einfeldrige Stahlkonstruktion mit einer Spannweite von56 m und einer Breite von 11 m wurde 1976 gebaut. Die Fahrbahn ist als orthotrope Platte ausgebildet,der Querträgerabstand beträgt 3 m und alle 6 m sind Hängerstäbe zwischen Fahrbahnund Bögen angeordnet. In Querrichtung sind die beiden Bögen nicht miteinander verbunden(Abb. 2).Abb. 2 a und b: Längs- und Querschnitt der Niedersachsenbrücke in Tostedtüber die viergleisige Bahnstrecke Hamburg-Bremen.Aufgrund der auftretenden Schwingungen sollte ein Spannungsnachweis für die Brückedurchgeführt werden. Die schwingungstechnischen Untersuchungen können wie folgt unterteiltwerden:• Aufbau eines FE-Modelles und Vorab-Berechnungen,• Schwingungsmessungen und experimentellen Modalanalyse (ambiente Erregung),• statische und dynamische Belastungsversuche mit Schwingungsmessungen,• Optimierung der Eigenschaften des FE-Modells (model updating),• Beanspruchung des optimierten FE-Modelles mit Belastungen aus den Messungen,• Ermittlung von Spannungen mit dem optimierten FE-Modell,• Ermüdungsfestigkeitsnachweis an hochbelasteten Konstruktionsdetails.3275


3 DUR<strong>CH</strong>FÜHRUNG DER EXPERIMENTELLEN MODALANALYSEUm eine optimale Planung der experimentellen Modalanalyse zu erlauben, wurden zunächstanhand des FE-Modells (sogenanntes „baseline Modell“) die Eigenfrequenzen und Eigenformenabgeschätzt. Damit konnten die Parameter der Modalanalyse, wie oben erwähnt, optimiertwerden. Im vorliegenden Fall war jedoch zu beachten, dass der Versuchsablauf aus wirtschaftlichenGründen gleichzeitig den Anforderungen der Modalanalyse als auch jenen der dynamischenBelastungsversuche genügen musste. Es war deshalb nicht möglich, die Brücke mit einemkompletten Satz dreidimensionaler Messpunkte zu überziehen und eine „optimale“ Modalanalysedurchzuführen. Dieser Nachteil wurde aber dadurch aufgewogen, dass die zeitlicheLänge der Setups grosszügig gewählt werden konnte: T = 6'000 Sekunden. Bei einer Grundfrequenzder Brücke von etwa f = 1 Hz hätte die optimale Länge 2'000 Sekunden betragen.Die für die kombinierten Messungen eingesetzte Messkette mit Geschwindigkeitsaufnehmerngemäß DIN 45669 umfasste 32 Kanäle [2], [3]. Davon wurden 19 in zwei Setups für dieModalanalyse verwendet, wobei nur drei Sensoren umgesetzt wurden (Abb. 3). Als „ambiente“Anregung diente einerseits normaler Verkehr auf der Brücke, andererseits Eisenbahnverkehrunter der Brücke. Beide Quellen sind erfahrungsgemäss gut geeignet, d.h. breitbandig genug,um die interessierenden Eigenschwingungen der Brücke anzuregen. Darüber hinaus wurden imvorliegenden Fall bei der Überfahrt der Fuge zur Brücke ausgeprägte stoßartige Anregungenverursacht.Abb. 3: Freiheitsgrade der messtechnischen Untersuchungen, blau: Referenzfreiheitsgrade, grün: mobileFreiheitsgrade. Die drei grünen Sensoren wurden einmal umgesetzt.Da die Digitalisierung in der hier gewählten Messkette seriell und nicht parallel (sample-and-hold)erfolgt, musste ein weiterer Abstrich an der Wissenschaftlichkeit minimiert werden.Bei interessierenden Frequenzen im Bereich f = 1…30 Hz wurde die Abtastrate zu sR = 2 kHzangesetzt. Der resultierende Phasenfehler kann dann vernachlässigt werden. Für die Auswertungder Signale im letztlich interessierenden Bereich werden die Signale entsprechend dezimiert.Dabei ist aber zu beachten, dass vor der Dezimierung eine zweckmässige Anti-Aliasing-Filterung erfolgt.Die Identifikation der Eigenschwingungen wurde mit Hilfe des Artemis Extractor Softwarepaketesdurchgeführt. Die Abtastrate wurde zu diesem Zweck von Artemis Extractor vonsR = 2 kHz auf sR = 64 Hz reduziert. Dank der guten Signalqualität konnte die diesbezüglichrelativ anspruchsvolle Methode der „Enhanced Frequency Domain Decomposition“, EFDD,eingesetzt werden. Damit konnten auch Dämpfungswerte bestimmt und einige sehr nahe beieinanderliegende Moden sauber voneinander getrennt werden (Abb. 4 und 5). Im Frequenzbe­2764


eich f = 1...27 Hz konnten 22 Eigenschwingungen der Niedersachsenbrücke Tostedt identifiziertwerden (Abb. 5 und 6). Die Dämpfungswerte befinden sich auf dem für Stahlbrücken bekannten,tiefen Niveau [4].Abb. 4: EFDD-SVD-Diagramm für die Frequenzbereiche f = 0...30 Hz und f = 0...6 Hz.Mode Freq. in Hz Dämpfung in % Form1 1.266 0.044 Bogen, 1. horizontale Biegung, quer, in Phase2 1.280 0.81 Bogen, 2. horizontale Biegung, quer, in Gegenphase3 2.07 1.18 HT, 1. vertikale Biegung, antimetrisch, 1 Knoten4 3.18 0.61 HT, 2. vertikale Biegung, symmetrisch, 2 Knoten5 3.32 0.91 HT, 1. Torsion, antimetrisch, 1 Knoten6 3.50 0.32 Bogen, 2. horiz. Biegung, quer, 1 Knoten, in Gegenphase7 3.52 0.38 Bogen, 2. horiz. Biegung, quer, 1 Knoten, in Phase,deutliche Mitwirkung von Mode 5 (1. Torsion)8 4.25 1.50 HT, 2. Torsion, symmetrisch, kein Knoten9 5.25 1.59 HT, 3. vertikale Begung, symmetrisch, 2 KnotenAbb. 5: Frequenz, Dämpfung und Beschreibung der Form der ersten 9 Moden der Brücke. Doppelmoden desBogens, die sich lediglich in der Phasenlage der beiden Bögen unterscheiden, sind schattiert. (HT = Hauptträger)5277


Abb. 6: Die Formen von sechs Eigenschwingungen der Niedersachsenbrücke Tostedt.4 DYNAMIS<strong>CH</strong>E EINWIRKUNGEN DES S<strong>CH</strong>WERVERKEHRSIn welchem Mass eine Strassenbrücke auf die Überfahrt eines schweren Fahrzeuges dynamischreagiert, hängt einerseits von der Beziehung zwischen den Frequenzinhalten der dynamischenRadlasten und jenen der dynamischen Eigenschaften der Brücke ab. Solange zwischendiesen beiden Frequenzinhalten keine Koinzidenz besteht, wird eine Brücke auf eine solcheÜberfahrt nicht signifikant reagieren. Besteht eine solche Koinzidenz, kommt andererseits dieIntensität der dynamischen Radlasten bei den Koinzidenzfrequenzen als massgebender Faktorhinzu. Hier spielen Parameter wie „mechanische Beschaffenheit des Fahrzeuges und seiner2786


Aufhängungen“, „Ebenheit der Fahrbahn“ und „Fahrgeschwindigkeit“ eine Rolle. Daraufgehen wir aber nur soweit unbedingt erforderlich ein.(Um auch diesbezüglich Klarheit zu schaffen: Da uns letztlich die Gesamtwirkung eines„schweren Fahrzeuges“ interessiert, sprechen wir hier nur von voll beladenen Fahrzeugen, dieauch eine signifikante statische Einwirkung darstellen. Die Dynamik von leeren, „schweren“Fahrzeugen ist ein anderes Kapitel, das wir hier vernachlässigen.)Dass wir hier von Koinzidenz und nicht direkt von Resonanz sprechen, hängt damit zusammen,dass bei unserer auch als „Quasi-Resonanz" bezeichneten Koinzidenz ein für einen üblichenResonanzzustand zentraler Faktor fehlt: Die Dauer der Einwirkung ist nicht lang genug.Im Prinzip ist die Überfahrt eines schweren Fahrzeuges über eine Brücke ein transienter Vorgang,der nicht lang genug andauert, um einen üblichen Resonanzzustand zu erzeugen.Trotz allem: Damit eine Brücke auf ein Fahrzeug dynamisch reagiert, müssen die Frequenzender dynamischen Radlasten und die Eigenfrequenz(en) der Brücke übereinstimmen. Sonstläuft nichts.Im letzten Abschnitt haben wir die Eigenschwingungen der Niedersachsenbrücke Tostedtidentifiziert. Jetzt interessiert uns: Was ist von den dynamischen Radlasten eines schwerenFahrzeuges zu erwarten?Von einem schweren Fahrzeug (zwei- oder mehrachsiges Solofahrzeug, Lastenzug, Sattelfahrzeug)kann ein beliebig komplexes Feder-Masse-Dämpfer-Modell hergestellt werden. DieFahrzeughersteller, die sich für sehr viel mehr Parameter als nur die dynamischen Charakteristikader letztlich auf die Fahrbahn einwirkenden Radlasten interessieren, müssen dies auch tun.Das in der Abb. 7 gezeigte Modell ist dazu viel zu primitiv (insbesondere ist es nicht einmaldreidimensional). Um abzuschätzen, was auf die Fahrbahn etwa zukommen kann, genügt unsaber sogar ein sogenanntes „Viertel-Fahrzeug-Modell“ (quarter car model) (Abb. 8). Vernachlässigenwir alle Dämpfungselemente, stehen wir vor einem ungedämpften Zweimassenschwinger,der genau zwei Eigenschwingungen aufweist: Die Aufbau- und die Achseigenschwingung.Aufgrund der mechanischen Tatsachen, M1 >> M2, k2 >> k1, sind diese Eigenschwingungenentkoppelt: Bei der Aufbaueigenschwingung bewegt sich nur die Masse M1, bei der Achseigenschwingungnur M2. (nur = fast nur). Frequenzmässig bedeutet dies: Die Aufbaueigenschwingungenliegen im Bereich f = 1...5 Hz, die Achseigenschwingungen im Bereichf = 7...15 Hz.Abb. 7: Ebenes Modell für einen Zweiachser.M1: Aufbaumassek1: Aufbaufeder (Aufbau-Aufhängung)M2: Achsmasse ("ungefederte" Masse)k2: ReifenfederAbb. 8: Viertel-Fahrzeug-Modell.7279


Für weitergehende Informationen bezüglich des Einflusses von Fahrbahnebenheit, Fahrgeschwindigkeitund der detaillierten Zusammensetzung der Feder/Dämpfersysteme der Aufbauaufhängungauf die Dynamik der Radlasten muss hier auf die Literatur verwiesen werden [5],[6]. Es sei lediglich angemerkt, dass sich das Viertel-Fahrzeugmodell bei blattgefederten Fahrzeugenoft auf einen Einmassenschwinger reduziert, in dem die Aufbaufeder blockiert ist unddas Fahrzeug nur auf der Reifenfeder schwingt.Im vorliegenden Zusammenhang sind demnach die folgenden (auf eigenen, experimentellenErfahrungen beruhenden) Zahlenwerte von Interesse: Die Frequenz von Aufbauschwingungenliegt bei aktivierten Feder-Dämpfer-Elementen der Aufbau-Aufhängung bei f = 1.5...2.5 Hz.Bei blockierten Feder-Dämpfer-Elementen, z.B. bei schwach angeregten Blattfedern (kleineGeschwindigkeit und/oder ebene Fahrbahn), liegt diese Frequenz bei f = 2.5...3.5 Hz. Achseigenschwingungenkönnen nur bei aktivierten Feder-Dämpfer-Elementen der Aufbau-Aufhängungauftreten. Sie liegen im Bereich f = 7...15 Hz.Betrachten wir zunächst das Angebot an Eigenschwingungen der Niedersachsenbrücke. ImBereich der Aufbaueigenfrequenzen, f = 1...5 Hz, stellen wir fest, dass die Bogenschwingungenvom überfahrenden Fahrzeug nicht direkt angeregt werden: Erstens, weil es sich um horizontaleSchwingungen handelt, und zweitens, weil ihre Frequenz eher zu tief (1.27 Hz) oder eher zuhoch (3.50 Hz) liegt. Weil wir bei der Niedersachsenbrücke doch recht kleine Dämpfungswertefestgestellt haben, kommt es ziemlich genau darauf an, dass die Frequenzen stimmen, damit wirQuasi-Resonanzzustände erhalten. Allerdings, und hier gab es für uns etwas zu lernen, sind dieBogen über die Hänger natürlich mit dem Hauptträger direkt verbunden und damit eine ArtSklaven des Meisters. Die indirekte Anregung der Bogen durch die Fahrbahn stellte sich beiden unten diskutierten dynamischen Belastungsversuchen als äusserst effizient heraus. ÄhnlicheEffekte gibt es bei Schrägseilbrücken, wo aber nicht immer klar ist, wer der Sklave, undwer der Meister ist.Von der ersten Biegeschwingung, f = 2.07 Hz, können wir aber erwarten, dass sie frequenzmässigauf ein schweres Fahrzeug gut anspricht. Mit ihrem Knoten in Feldmitte ist sie allerdingsformal nicht für eine signifikante Reaktion prädestiniert. (Wäre das anders, wäre dieBrücke schon längst eingestürzt.) Die zweite Biegeschwingung, f = 3.18 Hz, dürfte frequenzmässigfür Fahrzeuge mit blockierter Aufbau-Aufhängung interessant werden. Sie ist auch formal„gut“, d.h. ohne Knoten über die ganze Brückenlänge, oder, wiederum anders ausgedrückt,affin zur statischen Biegelinie, die ein einzelnes Fahrzeug erzeugt.5 STATIS<strong>CH</strong>E UND DYNAMIS<strong>CH</strong>E BELASTUNGSVERSU<strong>CH</strong>EZur messtechnischen Ermittlung der Auswirkungen von schweren Fahrzeugen auf dieBrücke wurden statische und dynamische Tests mit einem speziellen Versuchsfahrzeug auf derfür den normalen Verkehr gesperrten Brücke durchgeführt. Beim Belastungsfahrzeug handeltees sich um einen dreiachsigen Kipplader (Abb. 1). Die Vorderachse war mit einfach bereiftenRädern ausgerüstet, die Aufhängung bestand aus Blattfeder und hydraulischem Stoßdämpfer(Abb. 9 und 10). Die hintere Doppelachse wies Zwillingsräder und Blattfedern ohne Stoßdämpferauf. Bei einer Gesamtmasse von 27.3 t betrugen die Achslasten vorne 76 kN und hinten197 kN.Bei den statischen Versuchen wurden das Testfahrzeug auf verschiedenen Positionen auf derBrücke aufgestellt und die resultierenden statischen Verformungen der Brücke geodätisch vermessen.2808


Abb. 9: Vorderachs-Aufhängung des Testfahrzeugs:Blattfederung und hydraulischer Stoßdämpfer.Abb. 10: Aufhängung der hinteren Doppelachse desTestfahrzeugs: Blattfederung.Bei den dynamischen Versuchen fuhr das Testfahrzeug in beiden Richtungen mit Geschwindigkeitenvon 30 km/h, 50 km/h und 70 km/h über die Brücke und die dynamischen Reaktionenals Schwinggeschwindigkeit wurden gemessen (Abb. 1). Besonders hohe Schwingungsamplitudentraten beim Fahren über die jeweils am Brückenende vorhandene Fuge beim betroffenenEndquerträger auf: Mehr als 140 mm/s in Fahrbahnmitte (Abb. 11a). An den Bögen wurden inder Mitte Maximalwerte von über 80 mm/s ermittelt (Abb. 11b; man beachte auch das Ausklingverhaltendes Bogens!). An den Längsträgern wurden Maximalwerte über 60 mm/s in denViertelspunkten und von mehr als 40 mm/s in Feldmitte registriert (Abb. 11c und 11d).Abb. 11: Zeitsignale und Spektren für eine Überfahrt mit 50 km/h. 11a) Mitte Auflagerquerträger, 11b) Bogenscheitelhorizontal quer, 11c) Längsträger im Viertelspunkt, 11d) Mitte des Längsträgers.9281


Aus den hohen Schwingungsamplituden dürfen allerdings keine voreiligen Schlüsse gezogenwerden. Einerseits war die Brücke 22 Jahre in Betrieb, ohne dass erhebliche Schäden aufgetretenwären. Andererseits sind letztlich die lokal auftretenden Spannungen und, bei Spannungenoberhalb des Schwellenwerts der Ermüdungsfestigkeit, zusätzlich die Lastwechselzahlfür eine Beurteilung der Brückenschwingungen maßgeblich (Abschnitt 7).Mit Hilfe von ARTEMIS Extractor, Menü „Operational Deflection Shapes“, war es möglich,über die experimentelle Modalanalyse hinaus die Bewegung der Brücke als horizontaleund vertikale Verschiebung während der Überfahrt des Testfahrzeugs grafisch animiert darzustellenund zu beobachten. Das Schwingungsverhalten der Brücke konnte dabei nur für jenePunkte simultan dargestellt werden, die auch simultan gemessen worden waren. Hier erwies essich als Vorteil, dass jeweils nur drei der mobilen Punkte in einer Darstellung fehlten. Die Beobachtungdes Verhaltens der Brücke ergab, dass in Abhängigkeit von der Position des Versuchsfahrzeugsdie Brückenbewegung erwartungsgemäss im Viertelspunkt vom Mode 3 (antimetrischeBiegung, f = 2.07 Hz) und in Feldmitte auch vom Mode 4 (symmetrische Biegung,f = 3.18 Hz) maßgeblich bestimmt wurde (vgl. auch Abb. 11c und 11d). Sehr deutlich sind darüberhinaus auch die hohen Schwingungsamplituden beim Endquerträger beim Überfahren derFuge zu erkennen (vgl. auch Abb. 11a). Zudem konnte festgestellt werden, dass die maximalenSchwingungsamplituden für die verschiedenen Messpunkte zu unterschiedlichen Zeiten und beiunterschiedlichen Verformungsfiguren auftraten.6 OPTIMIERUNG DES FE-MODELLS UND ERMITTLUNG VON SPANNUNGENAusgehend von den Resultaten der statischen Belastungsversuche und der experimentellenModalanalyse wurde das FE-Modell optimiert.Der Vergleich zwischen den in den statischen Belastungsversuchen gemessenen Durchbiegungender Längsträger und statischen Berechnungen am FE-Modell ergab eine gute Übereinstimmung.Demnach war die Verifikation der statischen Versuche praktisch ohne Änderungenam FE-Modell möglich.In dem Vergleich der Eigenformen und Eigenfrequenzen aus der experimentellen Modalanalysemit jenen des FE-Modells wurden Differenzen festgestellt, die eine Anpassung des FE-Modells erforderten. Hierzu war es notwendig, eine „Ergänzung“ der Fahrbahnplatte vorzunehmen,um eine horizontale Plattenwirkung zu erzielen. Mit dieser Anpassung konnten die experimentellermittelten ersten sieben Eigenfrequenzen und Eigenformen sehr gut mit dem FE-Modellabgebildet werden (Abb. 12).Experimentelle ModalanalyseFE-BerechnungMode 1 f = 1.27 Hz f = 1.24 HzMode 2 f = 1.28 Hz f = 1.23 HzMode 3 f = 2.07 Hz f = 1.97 HzMode 4 f = 3.18 Hz f = 3.15 HzMode 5 f = 3.32 Hz f = 3.34 HzMode 6 f = 4.25 Hz f = 4.22 HzMode 7 f = 5.25 Hz f = 5.09 HzAbb. 12: Vergleich der Resultate der experimentellen Modalanalysemit den FE-Berechnungen (Prof. H. Kramer).28210


Die Berechnungen zur Spannungsermittlung erfolgten auf unterschiedliche Weise. Zunächstwurden die Verformungen einzelner Zeitpunkte der Belastungsversuche als Zwangsverformungim FE-Modell aufgebracht. Hierfür wurden die statischen und dynamischen gemessenen Verformungensuperponiert. In diesen quasistatischen Berechnungen wurden dann mehrere Zeitpunktemit den größten gemessenen Verformungen untersucht. In weiteren Berechnungen wurdenzeit- und ortsabhängige Belastungen der Überfahrt des Testfahrzeugs auf auf das FE-Modellvorgegeben. Diese Berechnungen wurden von Prof. H. Kramer durchgeführt.Darüber hinaus ergab die Analyse der Schwingungen der Niedersachsenbrücke in Tostedt,dass das Überfahren der Fuge an den Brückenenden auf die Brücke einen maßgeblichen Anregungsvorgangdarstellt. Um den dabei verursachten Kraftzeitverlauf experimentell zu ermitteln,wurden deshalb von der TU-Hamburg-Harburg, Institut für Baustatik und Stahlbau, zusätzlichMessungen an einem Versuchsaufbau mit der Überfahrt des Versuchsfahrzeugs über eine nachgebildeteFuge auf eine Messplatte mit Kraftmesssensoren durchgeführt. Dieser Kraftzeitverlaufwurde weiter für zeitabhängige, also dynamische Berechnungen verwendet [7].Die Analyse dieser Messdaten hat die typischen Anregungsfrequenzen von schweren, blattgefedertenFahrzeugen bestätigt. Bei geringer Fahrgeschwindigkeit treten Aufbauschwingungenauf der Reifenfeder mit dominant f = 3 Hz von den hinteren Achsen, mit blockierten Blattfedern,auf, sowie gering ausgeprägt, mit f = 2 Hz, vermutlich von der Vorderachse. Mit zunehmenderFahrgeschwindigkeit treten schwache, höherfrequente Signale auf, die auf Achseigenschwingungenmit f = 7...15 Hz zurückzuführen sind.7 AMPLITUDENHÄUFIGKEIT UND ERMÜDUNGSFESTIGKEITZur Beurteilung der Brückenschwingungen ist eine Betrachtung der gemessenen Schwingungsamplitudender Bewegungsgrößen Schwinggeschwindigkeit oder Schwingweg nicht ausreichend,sondern es müssen die lokal auftretenden Spannungen ermittelt werden. Bei Bauwerken,bei denen wiederholte Spannungsschwankungen auftreten, ist gemäß Eurocode 3 bzw.DIN EN 1993 für Stahlbauten die Werkstoffermüdung zu berücksichtigen [8], [9]. Hierzu sindSchweißnähte und Schraubverbindungen (Kerbfälle) zu untersuchen und es ist nachzuweisen,dass während der Nutzungsdauer Versagen oder Schäden nicht auftreten. Sofern die auftretendeSpannungsschwingbreite für die zu betrachtenden Bauteile unterhalb des Schwellenwerts derErmüdungsfestigkeit liegt, sind Ermüdungschäden nicht zu erwarten. Andernfalls ist der Nachweiszu führen, dass die in den Bauteilen auftretenden Spannungschwingbreiten über die Spannungsspiele(Bemessungsspektrum) unterhalb der zulässigen Kurve der Ermüdungsfestigkeitliegen. Für diesen Nachweis wird also die Häufigkeit der auftretenden Spannungen benötigt.Für die Niedersachsenbrücke in Tostedt wurde die Ermüdungsfestigkeit auf Grundlage derdurchgeführten Schwingungsmessungen (Abb. 13) sowie der Spannungsermittlung vorgenommen.Es waren für die maßgeblichen Kerbfälle der Stahlkonstruktion die lokal auftretendenSpannungen zu ermitteln. Die Häufigkeit der auftretenden Spannungen wurde aus Schwingungsmessungenbei regulärem Straßenverkehr mit einer zulässigen Geschwindigkeit von50 km/h und einer Statistik zum Schwerlastverkehr ermittelt. Aus diesen Messungen wurdendie Häufigkeiten der auftretenden Schwingungsamplituden für jeden Messpunkt ermittelt undüber die Spannungsermittlung damit für die Betrachtung der Ermüdungsfestigkeit verwendet.Der von Prof. Kramer vorgenommene Ermüdungsnachweis ergab, dass innerhalb der geplantenNutzungsdauer an einigen kritischen Punkten des Stahltragwerks der NiedersachsenbrückeErmüdung auftreten kann. Bei den kritischen Punkten handelt es sich um Schweißnähtean den Endquerträgern, am Hauptträger sowie zwischen Bogen und Endquerträger. Als Maß­11283


nahmen kamen Verstärkungen u.a. am Endquerträger, in Betracht, um die Spannungen aufWerte unterhalb des Schwellenwerts der Ermüdungsfestigkeit zu vermindern. Für eine Instandsetzungder Brücke wurden insgesamt Kosten von ca. € 1 Mio. ermittelt. Man entschied sichschliesslich für einen Neubau für ca. € 4 Mio., da dieser neuesten Anforderungen in Hinblickauf die Tragfähigkeit, Fahrbahnbreite und einer höheren Lage über der Bahnstrecke genügte.Zur Gewährleistung der Restnutzungsdauer bis zum Neubau wurden kritische Schweißnähteauf Ermüdungsrisse hin untersucht.Abb. 13: Klassen der maximalen Schwingungsamplitude über die Häufigkeit während der Messungen an derNiedersachsenbrücke auf Messpunkt MP10 Bogenscheitel horizontal quer.LITERATUR[1] R. Cantieni: Experimental Methods Used in System Identification of Civil EngineeringStructures. Proc. 1st IOMAC, April 26-27, Copenhagen, Denmark, pp. 249-260, 2005.[2] M.O. Rosenquist: Messtechnik in der Baudynamik, Beratende Ingenieure, Springer-VDI-Verlag, pp. 41-44, Juli/August 1999.[3] H. Kramer: Angewandte Baudynamik – Grundlagen und Beispiele für Studium und Weiterbildung,Ernst & Sohn Verlag GmbH Berlin, 2006.[4] C. Petersen: Dynamik der Baukonstruktionen, Vieweg, Braunschweig/Wiesbaden, 1996[5] R Cantieni: Dynamische Fahrzeug-Brücken-Interaktion. Aktuelle Probleme der Brückendynamik,D-A-<strong>CH</strong> Tagung 2003, sia Dokumentation D 0198, SIA Zürich, 2003.[6] R. Cantieni, R. Heywood, W. Krebs: OECD IR 6 DIVINE Project – Dynamic InteractionBetween Vehicle and Infrastructure Experiment – Element 6, Bridge Research – FinalReport. EMPA Test Report No. 153'031, ISBN 3-905594-05-6, 2000.[7] H. Kramer, Kira Holtzendorff: Dynamischen Verhalten einer Stabbogenbrücke infolgeLkw-Verkehr – numerische und experimentelle Untersuchungen, Schwingungen in derBaupraxis, pp. 25-43, 12. Dresdner Baustatik-Seminar, 2008.[8] B. Kühn, R. Helmerich, A. Nussbaumer, H.-P. Günther, S. Herion: Beurteilung bestehenderStahltragwerke: Empfehlungen zur Abschätzung der Restnutzungsdauer, pp. 595–607, Stahlbau 77 (8), 2008.[9] Bundesministerium für Verkehr: Hintergrundbericht zum Eurocode 1 – Teil 3.2: „Verkehrslastenauf Straßenbrücken“, Heft 711 Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik,1995.28412


12. D-A-<strong>CH</strong> Tagung – Erdbeben und BaudynamikC. Könke (Hrsg.)Hannover, Deutschland, 15.–16. September <strong>2011</strong>SYSTEMIDENTIFIKATION VON GRÜNDERZEITHÄUSERN IM WIENERBECKENF. Kopf, D. Schäfer und H. Wenzel ** VCE – Vienna Consulting EngineersHadikgasse 60, 1040 Wien, ÖsterreichE-mail: kopf@vce.at, schaefer@vce.at, wenzel@vce.atSchlagwörter:Systemidentifikation, Gründerzeithäuser, Erdbeben, Messtechnik, HistorischeMauerwerksbauten, ErdbebenrisikoKurzfassung. Intensive wissenschaftliche Arbeit im Bereich Erdbebenforschung führte in weitenTeilen Europas, insbesondere auch in Österreich, zur Einordnung weiterer Erdbebengebiete. DieEinführung des verpflichtenden Eurocode 8 hat zudem die Risikoeinschätzung für die Gefährdungvon Bauwerken in Österreichs Ballungszentren grundlegend verändert. Die Gefährdung derImmobilien im Wiener Becken durch Erdbeben hat sich zum entscheidenden Planungs- undKostenfaktor entwickelt. Zur Behebung dieses massiven Problems für die Immobilienwirtschaftwurde das Forschungsprojekt SEISMID ins Leben gerufen und dank der Förderung durch dieTechnologieagentur der Stadt Wien (ZIT) durchgeführt und am 31.12.2010 erfolgreich beendet.Das Projekt stellt den ersten großen Schritt zur Beseitigung des Wissens- und Erfahrungsdefizits indiesem Sektor in Österreich dar. Historische Bauwerke in Ziegelbauweise sind hochkomplexeGebilde, deren globales dynamisches Verhalten vom Zusammenwirken zahlreicher Einzelelemente(Fundierung, Wände,…) geprägt ist, welche ihrerseits aus einer Unzahl an Komponenten (Ziegel,Mörtelfugen, Dippelbäumen,…) bestehen. Der möglichst umfassenden dynamischenSystemidentifizierung des Mikro- und Makroverhaltens stehen zahlreiche praktischeEinschränkungen für den Messeinsatz gegenüber. Dieser Beitrag beschreibt den messtechnischenZugang, welcher im Rahmen des SEISMID Projektes erarbeitet und erfolgreich getestet werdenkonnte.1285


1 EINLEITUNGDer Nachweis der Standsicherheit von Gebäuden unter Erdbebenlast erfolgt fast ausschließlichauf numerischem Weg, da mit steigender dynamischer Belastung zunehmend nichtlineare Effekteim lokalen Materialverhalten und damit im gesamten Struktursteifigkeits- und -dämpfungsverhaltenin den Vordergrund treten. Ein Versuch die Standsicherheit von Gebäuden unter Belastungen in derGrößenordnung eines Bemessungsbebens experimentell durchzuführen würde gigantischeBelastungsvorrichtungen erfordern und höchstwahrscheinlich zu bleibenden Schäden in jenemBauwerk führen, dessen Sicherheit nachzuweisen gewesen wäre. Aus diesen Gründen werden dienachzuweisenden Gebäude numerisch modelliert und deren numerisches dynamisches Verhaltenrechnerisch untersucht. Bei Gebäuden in moderner Bauweise mit definierten und kontrolliertenBaustoffeigenschaften und bekannter Geometrie ist dies mit ausreichender Genauigkeit zu machen.Jedoch bei alten Ziegelgebäuden sind die Materialeigenschaften der einzelnen Komponenten, derenVerarbeitung und Verbindung, die Ausführung der Anschlussdetails sowie die genaue Geometrie,bei weitem nicht so klar definiert um gesicherte Modellannahmen treffen zu können. Es hat sich inderartigen Fällen als geeignete Methode herausgestellt, das dynamische Bauwerksverhaltenmesstechnisch für geringe Amplituden im linear elastischen Bereich zu bestimmen um damit dienumerischen Modelle zu kalibrieren und um die Erdbebenbelastung anschließend mittels dem sokalibrierten Modell außerhalb des linear-elastischen Bereiches numerisch zu untersuchen [1].2 MESSPRINZIPIENWürde nur das Spektrum jedes Messpunktes getrennt ausgewertet, so könnte jeder Messpunktmit einer autarken Messeinheit getrennt gemessen werden. Bei der Auswertung vonGebäudemessungen werden aber die an unterschiedlichen Positionen gemessenen Schwingungen inRelation gebracht bzw. die Rohsignale von Sensoren an verschiedenen Positionen gezielt durchsinnvolle Verknüpfung zusammengesetzt. Für diese Arten der Analyse ist es erforderlich, dass dieSignalaufzeichnung absolut synchron stattfindet. Als Zwischenlösung sind jene Messaufstellungenzu sehen, bei denen die Aufstellung der synchron aufgezeichneten Sensoren zwar gewechselt wirdum möglichst viele verschiedene Positionen zu ermöglichen, ein Sensor jedoch als Referenzsensorimmer seine Position unverändert beibehält. Mit zeitsynchronisierten einzelnen Messeinheiten(Brimos Wireless Recorder) ist es möglich an vielen unterschiedlichen Stellen getrennte abersynchronisierte Aufnehmereinheiten zu betreiben deren aufgezeichnete Signale somit exaktsynchronisiert sind, als wären sie von einer einzigen zentralen Aufnehmereinheit erfasst worden.Der Vorteil liegt in der großen Flexibilität durch die geringen Kabellängen.Abbildung 1: Beschleunigungssensor (links) und Geophon (rechts).2862


3 SIGNALKOMBINATION IM ZEITBEREI<strong>CH</strong>, ANALYSE IM FREQUENZBEREI<strong>CH</strong>3.1 Signalkombination im ZeitbereichDie verwendeten Sensoren messen in der Regel die Beschleunigungen in drei Raumrichtungen.Damit ist zwar die translatorische Bewegung des gemessenen Gebäudepunktes dokumentiert. Umaber herauszufinden aus welchen Gebäudebewegungen diese lokalen Bewegungszuständezusammengesetzt sind, ist oft auch der Bezug zu anderen Sensoren, die zeitsynchron messensinnvoll.Abbildung 2: Skizze translatorischer und rotatorischer Gebäudebewegung.Führt z.B. ein starrer Baukörper eine translatorische Vertikalbewegung aus, die einerrotatorischen Bewegung um die y-Achse überlagert ist, so sind diese beiden Bewegungsformen inden Beschleunigungssignalen der beiden Sensoren, die in Abbildung 2 skizziert sind zwar enthaltenaber nicht unmittelbar interpretierbar. Interessiert die Vertikalbewegung, so kann diese durch dasMitteln der im Zeitbereich gemessenen Vertikalsignale geschehen [3].z _ Translatio n=z 1+ z 22(1)Der Anteil der Rotation wäre in diesem Fall egalisiert, wenn das Rotationszentrum genau auf derHalbierenden zwischen den beiden Sensoren gelegen ist. Somit ist in dem aus zwei Signalenkombinierten Signal die Vertikalbewegung des Baukörpers zu sehen. Der rotatorischeSchwingungsanteil um die y-Achse lässt die beiden Sensoren in der vertikalen z-Richtunggegengleich schwingen. Der linearisierte Rotationswinkel (in Radiant) kann somit durch folgendeSignalkombination im Zeitbereich sichtbar gemacht werden:z − z1 2y _ Rotation =d(2)Diese Formel gilt für Rotationsschwingungen um alle Achsen, die normal auf die Ebene stehen,welche die Verbindungsgerade der beiden Sensoren mit der vertikalen z-Achse aufspannt. Diederart aus mehreren Signalen gewonnenen, im Zeitbereich sinnvoll kombinierten Signale könnennun behandelt werden als wären sie von einem imaginären Sensor aufgenommen worden, der genauzwischen den beiden realen Sensoren platziert ist und Vertikalbeschleunigungen undRotationsbeschleunigungen um die y-Achse messen könnte.3287


3.2 Analyse im FrequenzbereichWenn diese oben beschriebenen, kombinierten Signale nun der Fourier-Transformationunterworfen werden, können die Frequenzen der Vertikal- und Rotationsschwingung des obenausgeführten Beispiels separat bestimmt werden. Diese Frequenzen sind natürlich in denursprünglich gemessenen Signalen der beiden Sensoren auch enthalten und als Frequenzspitzen imFFT-Diagramm ersichtlich. Mit der Methode der Signalkombination können sie jedoch eindeutigden entsprechenden Schwingungsformen zugeordnet werden. Im Folgenden werden einige für dieInterpretation der Gebäudemessungen nützlichen Signalkombinationen beschrieben und ihreAnwendung anhand von Beispielen demonstriert.4 SIGNALKOMBINATIONEN ZUR INTERPRETATION VON MESSUNGEN ANGRÜNDERZEITHÄUSERN4.1 Translatorische Bewegungen in DachbodenebeneÜblicherweise ist die Dachbodenebene von Gründerzeithäusern bevorzugt zu messen. Meist isteine gute Zugänglichkeit gegeben, vor allem dann, wenn der Dachboden noch nicht ausgebaut ist.Die Auslenkungen durch die Schwingungen sind in Dachbodenebene am besten ausgeprägt,weshalb die Messdaten aus dieser Ebene besonders aufschlussreich sind. Auch in bewohntenObjekten können die Messungen in Dachbodenebene meist ohne gegenseitige Störung durchgeführtwerden.Abbildung 3: Skizze translatorischer Gebäudebewegung im Grundriss.In Abbildung 3 ist ein vereinfachter Grundriss eines Gebäudes in Dachbodenebene dargestellt[4,5]. In den vier Ecken des Gebäudes wurde jeweils ein Sensor angebracht, der dieBeschleunigungen in allen drei Raumrichtungen misst. Werden nun die Signale der vier Sensorenfür die drei Raumrichtungen jeweils gemittelt, so entsprechen diese kombinierten Signale dentranslatorischen Bewegungen der Dachgeschoßebene in dessen Zentrum. Man kann sich diesekombinierten Signale im Zeitbereich als Messwerte eines imaginären Sensors vorstellen, der genauim Mittelpunkt zwischen den vier realen Sensoren situiert ist. Dieser Betrachtung liegt jedoch eine2884


Annahme zu Grunde: Die Dachbodenebene müsste so steif sein, dass sie eineStarrkörperbewegung durchführt. Dies ist bei Gründerzeithäusern in vertikaler Richtungkeinesfalls der Fall, weshalb die gemittelten Vertikalsignale kaum von Nutzen sind. In horizontalerRichtung kommt es jedoch stark auf die Schubsteifigkeit in der Deckenebene an, die sich beimVergleich der Einzelmessdaten mit den gemittelten Werten durchaus beurteilen lässt. Im folgendenBeispiel wurde eine recht große Anzahl an Sensoren in der Dachbodenebene einesGründerzeithauses angebracht und der Mittelwert in eine horizontale Richtung mit den einzelnenSignalen verglichen. In Abbildung 3 sind der Grundriss und die Lage der einzelnen Sensorenskizziert.FFT Beschleunigung [m/s²]0,00000300,00000250,00000200,00000150,00000102,6 Hz von allenSensoren erkannt2,9 Hz nur von den Sensoren im Traktentlang der Operngasse erkannt3,2 Hz nur von den Sensoren im von derOperngasse abgewandten Trakt erkannt3,7 Hzzweite Eigenform 7,0 Hz8,8 HzDG_ 01 _XDG_ 02 _XDG_ 03 _XDG_ 04 _XDG_ 05 _XDG_ 06 _XDG_ 07 _XDG_ 08 _XDG_ 09 _XDG_ 10 _XDG_ 11 _XDG_ MW _X0,00000050,00000000 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10Frequenz [Hz]Abbildung 4: Translatorische Gebäudebewegung in x-Richtung im Frequenzbereich.Abbildung 4 zeigt die Analyse der Signale in x-Richtung der einzelnen Sensoren nach der FFT-Analyse im Frequenzbereich. Der Mittelwert dieser Signale wurde im Zeitbereich gebildet unddanach einer FFT-Analyse unterzogen und ist mit der dicken roten Linie im Diagramm eingetragen.Deutlich ersichtlich ist die Grundschwingung des Gebäudes in x-Richtung bei einer Frequenz von2,6 Hz, die auch von jeder einzelnen Messposition aus erkannt wird. Es wäre aber falsch zuglauben, dass ein Gebäude aus der Gründerzeit mit diesen großen Abmessungen im originärenZustand eine reine Starrkörperbewegung ausführt. Dazu ist die Schubsteifigkeit in derDachbodenebene zu gering. Dass die einzelnen Gebäudeteile ein durchaus unterschiedliches„dynamisches Eigenleben“ führen ist daran zu erkennen, dass der Trakt entlang der Operngasseeine Schwingung mit 2,9 Hz durchführt, die von den Sensoren des von der Operngasseabgewandten Traktes nicht aufgezeichnet wird. Diese erkennen jedoch eine Schwingung von 3,2 Hzin x-Richtung. Interessant ist, dass z.B. bei 4,8 Hz fast jeder der Sensoren eine Spitze im Diagrammzeigt, der Mittelwert jedoch keinen Ausschlag in diesem Bereich zeigt. Dies ist ein deutlicherHinweis darauf, dass diese Schwingung keine translatorische Schwingung ist, sondern die Sensorenoffensichtlich nach einer Gesetzmäßigkeit gegengleich schwingen und sich so im Mittelwertegalisieren. Solche Schwingungsformen werden im Folgenden vorgestellt.4.2 Rotatorische Bewegungen in DachbodenebeneAuch für die Betrachtung der rotatorischen Bewegungsform wird eine schubsteifeScheibenwirkung in Dachbodenebene vorausgesetzt. In Abbildung 5 ist das Prinzip der5289


Signalkombination für den rotatorischen Bewegungsanteil dargestellt. Es wird einRotationszentrum angenommen (im Falle eines Rechteckes dessen Mittelpunkt) und dieVerbindungslinien zu den Sensorpositionen eingetragen (beim Rechteck die Diagonalen). Nunwerden die beiden Horizontalkomponenten der Signale eines Sensors vektoriell sozusammengesetzt, dass die Richtung normal zur Verbindungslinie steht und z.B. im Uhrzeigersinnum das Zentrum weist. Die so für jeden Sensor ermittelten Komponenten werden zu einemgesamten „Rotationssignal“ gemittelt, welches mittels FFT-Analyse rotatorischeSchwingungsformen um die Vertikalachse anzeigt. Bei rechteckigem Grundriss ist die Lage desRotationsmittelpunktes unschwer zu finden und die in den Gebäudeecken aufgestellten Sensorenhaben annähernd konstanten Abstand zu diesem. Sind noch zusätzliche Sensoren in Verwendungund haben diese unterschiedlichen Distanzen zum angenommenen Rotationszentrum, so müsstendie einzelnen Komponenten des Rotationssignals jeweils durch den Abstand des betreffendenSensors zum Rotationszentrum dividiert werden um die Kinematik korrekt zu beschreiben. DasProblem dabei ist jedoch, dass es dadurch zu einer Überbewertung der Komponenten kommt, derenSensorposition nahe dem Rotationszentrum gelegen ist und in denen dadurch kaum Signalanteileaus einer Rotationsschwingung vorhanden sein können. Aus diesem Grund hat es sich bewährt, nurKomponenten jener Sensoren zu berücksichtigen, deren Abstand zum Rotationszentrum möglichstgroß und in der gleichen Größenordnung ist. Damit ist die Berücksichtigung des Abstandes nichtmehr notwendig, da alle Komponenten etwa gleich zu gewichten sind. Auch die Abhängigkeit vonder genauen Lage des angenommenen Rotationszentrums ist bei dieser Vorgehensweisevernachlässigbar.Abbildung 5: Skizze rotatorischer Gebäudebewegung im Grundriss.2906


FFT Beschleunigung [m/s²]0,00000160,00000140,00000120,0000010,00000080,00000062,6 Hz2,5 Hz3,5 Hz4,2 Hz2,9 Hz3,2 Hz3,7 Hz4,8 HzDG_ MW _XDG_ MW _YDG_ MW _ZDG_ _ROT_ aussenDG_ _ROT_ mitteDG_ _DEV_ aussenDG_ _DEV_ mitte8,3 Hz0,00000040,00000029 Hz - 12 Hz00 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10Frequenz [Hz]Abbildung 6: Rotatorische Gebäudebewegung um die Vertikale im Frequenzbereich.Für das in Abbildung 5 dargestellte Gebäude wurden gleich zwei verschiedene Arten derGebäuderotation untersucht. Einmal wurden die vier Sensoren in den Gebäudeecken berücksichtigt(außen), und einmal jene vier Sensoren, die nahe den Ecken des Innenhofes platziert waren (Mitte).Beide Rotationssignale wurden untersucht und in Abbildung 6 braun dargestellt. Die Darstellung imFrequenzbereich zeigt einige Spitzen in der Rotationsschwingung, die nicht mit Spitzen andererSchwingungsformen zusammenfallen. Die Rotation der Außenecken und jene des Innenhofesweisen qualitativ gute Übereinstimmung auf, was eine gewisse Bestätigung der Methode darstellt.4.3 Deviatorische Bewegungen in DachbodenebeneAnders als bei der translatorischen und der rotatorischen Schwingungsform wird bei derdeviatorischen Schwingungsform keine Starrkörperbewegung durch schubsteife Deckenebenevorausgesetzt. Im Gegenteil, hier werden die dynamischen Schubverformungen messbar gemacht.Es werden gemäß Abbildung 7 bei einem Rechteckgrundriss jene horizontalen Signalkomponentenvektoriell ermittelt, die einerseits diagonal auf einander hinweisen und anderseits bei der anderenDiagonale nach außen voneinander weg weisen. Durch Kombination dieser Komponenten wird eineSchwingungsform sichtbar gemacht, welche die dynamische Schubverformung (schwarzgestrichelte Form in der Skizze) des gesamten Dachbodengeschoßes kennzeichnet. Bei einerStarrkörperbewegung darf diese Schwingungsform nicht existieren und das „Deviationssignal“muss theoretisch bei null liegen. Das Beispiel für diese Schwingungsform stammt aus einemGründerzeithaus, welches vorerst im originären Zustand gemessen wurde. Danach wurden imDachgeschoß die Dachbodenplatten und die Beschüttung entfernt, Schubbolzen in die Dippelbäumegesetzt und eine Holz-Beton-Verbunddecke hergestellt, die mit den Außenmauern „verschmatzt“war [4,5,6]. An der Massenverteilung hat die Maßnahme nichts geändert, wohl aber an derSchubsteifigkeit in der Dachbodenebene. Die kommenden Abbildungen zeigen die Veränderung derSchwingungsformen durch die Verbunddecke.7291


Abbildung 7: Skizze deviatorischer Gebäudebewegung.Die Interpretation der Änderungen durch den Einbau einer schubstarren Verbunddecke wurdenaus Gründen der Übersichtlichkeit in die Graphiken eingetragen und zeigen auf eindrucksvolleWeise welch präzises Werkzeug die Auswertung der zu Schwingungsformen kombiniertenMesssignale darstellt. Wären lediglich die Signale der einzelnen Sensoren ausgewertet worden, sowäre die Interpretation schwieriger und spekulativer gewesen.4.4 Ermittlung der 1. Oberschwingung im GebäudeschnittIst die Frequenz der Grundschwingung relativ einfach in der Spektralanalyse (FFT) an der„ersten“ voll ausgeprägten Spitze tiefster Frequenz zu erkennen, so handelt es sich bei den nächstenSpitzen nicht unbedingt um die folgenden Oberschwingungen. Die erste Oberschwingung imSchnitt des Gebäudes ist in Abbildung 8 dargestellt und dadurch gekennzeichnet, dass dieHorizontalschwingung des 2.Geschoßes und des Dachgeschoßes in der betrachteten Richtungentgegen der Phase stattfindet. Dieses „Gegeneinander-Schwingen“ dieser beiden Stockwerke kannman sich bei der Auswertung zu Nutze machen [7,8].Abbildung 8: Skizze der Grundschwingung und der ersten Oberschwingung im Schnitt durch ein Gebäude.Die Abbildung 9 stellt die Horizontalbeschleunigung der einzelnen Stockwerke eines Gebäudesim Frequenzbereich dar. Deutlich ist die Grundschwingung bei 2,6 Hz zu erkennen. Die2928


Amplituden der oberen Geschoße sind höher als jene der darunter liegenden Geschoße. Für dieBestimmung der ersten Oberschwingung ist das gegengleiche Schwingen des 2. Obergeschoßes(OG_02, blaue Linie) und des Dachgeschoßes (OG_05, rote Linie) von Interesse. Anstatt diePhasenlagen der FFT zu vergleichen und damit ein verwirrendes Bild zu bekommen, wurdefolgender robuster Algorithmus entwickelt: Das gegengleiche Schwingen zeichnet sich dadurch aus,dass die Differenz der beiden Signale (OG_5-OG_2) ein Maximum besitzt (dünne schwarze LinieL1 im Diagramm). Schwingen die beiden Geschoße jedoch in Phase und weisen z.B. bei derGrundfrequenz eine Spitze unterschiedlicher Amplitude auf, so zeigt die FFT des Differenzsignalseine Spitze deren Größe genau die Differenz der FFT-Analysen beiden Signale(L2 = abs(FFT(OG_5) - FFT(OG_2)), dünne graue Linie im Diagramm) ist. Folglich ist dieDifferenz dieser Linien (L1-L2) der geeignete Indikator für gegengleiches Schwingen der beidenGeschoße. Diese Linie ist unter dem Namen „Gegenphasenanteil“ dick und grau im Diagrammeingetragen und weist erst bei 7 Hz das erste signifikante Maximum auf. Dies ist die Frequenz derersten Oberschwingung.FFT Beschleunigung [m/s²]0,00000250,0000020,00000150,000001Die Sensoren OG05und OG02 schwingenin Phase(Grundschwingung)2,6 Hz2,9 Hz3,7 HzDie Sensoren OG05und OG02 schwingengegengleich(1. Oberschwingung)zweite Eigenform 7,0 HzOG_ 05 _XOG_ 04 _XOG_ 03 _XOG_ 02 _XOG_ 01 _XL1=fft(OG05-OG02) _XL2=abs(fft(OG05)-fft(OG02)) _XGegenphaseanteil=(L1-L2) _X8,0 Hz0,000000500 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10Frequenz [Hz]Abbildung 9: Skizze der Grundschwingung und der ersten Oberschwingung im Schnitt durch ein Gebäude.5 DYNAMIS<strong>CH</strong>E MESSUNG ZUR BESTIMMUNG VONMAUERWERKSEIGENS<strong>CH</strong>AFTEN5.1 Wellenausbreitung im elastischen MediumIn einem elastisch isotropen Medium breiten sich die Kompressions- und die Scherwellen mitjeweils unterschiedlicher, jedoch konstanter Geschwindigkeit aus, die weder von der Frequenz derWelle noch von der Geometrie des Körpers, sondern alleine von dessen Materialeigenschaftenabhängig sind.Die Kompressionswellengeschwindigkeit vpist durch folgende Formel zu bestimmen, wobeider Steifemodul (bei verhinderter Seitendehnung) und ρ die Dichte des Materials ist.EsEsv = (3)pρ9293


Die Scherwellengeschwindigkeit vsist mittels Schubmodul G und die Materialdichte ρ mitfolgender Formel zu berechnen.Gv s= (4)ρMit folgenden Formeln lassen sich die Werte für isotropes linear elastisches Material umrechnen,wobei υ die Querdehnzahl (Poissonzahl) ist ( E ist der E-Modul (Youngs Modulus, G ist derSchubmodul)(1 + υ )(1 − 2υ)E = ⋅ E = 2(1 −υ)⋅G(5)s1−υ1−2υ 1G = ⋅ E = ⋅ E(6)s2(1 −υ)2(1 + υ)5.2 Messung der Wellenausbreitung im ZiegelmauerwerkDer Leitgedanke der Messung der Wellenausbreitung im Ziegelmauerwerk bestand darin, diedynamischen Eigenschaften des Mauerwerks in seiner ungestörten Gesamtheit zu ermitteln. DieLaborversuche an Bohrkernen, Ziegel- und Mörtelproben beurteilen nur punktuell dieEinzelkomponenten des Mauerwerks. Den Gesamtzustand des ungestörten Mauerwerks mit seinentatsächlichen Material- und Gefügeeigenschaften im heutigen Zustand nach langerBelastungsgeschichte zu erfassen, war Thema dieses Experimentes [4].Um die Wellenausbreitung im Mauerwerk zu messen wurde in einem mehrstöckigenGründerzeithaus in jedem Geschoß ein Sensor an einen durchgehenden Mauerwerkspfeilerangebracht. Die dynamische Anregung erfolgte im obersten Geschoß mittels Impulshammer. In derHoffnung bei der Auswertung die Schubwelle von der Kompressionswelle unterscheiden zukönnen, wurden die Sensoren mit horizontaler Messrichtung angebracht und auch die dynamischeAnregung erfolgte durch einen horizontalen Schlag.Abbildung 10: Versuch zur Wellenausbreitung im Mauerwerk:Schnitt, Impulshammer, Sensor.Abbildung 10 zeigt den Verlauf der einzelnen aufgezeichneten Messsignale derHorizontalbeschleunigung in Bezug zur Höhenlage der Sensoren im gemessenen29410


Mauerwerkspfeiler. Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit lässt sich gut an dem Welleneintritt an denSensorpositionen erkennen.v 19,64 m= = 1708 m s0,0115 s/(7)Nachdem das Messsignal vor dem deutlich sichtbaren Welleneintritt vollkommen gleichartig istund keinerlei Unruhe zeigt, ist die erkennbare Wellenfront der schnelleren Kompressionswelle imPfeiler zuzuordnen, die zwar Vertikalschwingungen verursacht, aber derart ausgeprägt in diehorizontale Richtung durchschlägt, dass ein Erkennen der nachlaufenden Schubwelle nicht möglichist. Mit Hilfe der Formeln für linear elastisch, isotrope Merkstoffe lassen sich daraus dieMaterialkennwerte abschätzen [9].v =pEsρ(8)Je nach Annahme der Querdehnzahl lassen sich daraus die anderen Materialparameter ermitteln.Tabelle 1 zeigt das Ergebnis von Messungen an drei verschiedenen Pfeilern des selben Gebäudes,wobei stets mehrere moderate Stöße und mehrere Schläge mit voller Kraft mit dem Impulshammerdurchgeführt wurden. Die Nichtlinearität der Materialparameter wird dabei Augenscheinlich. Jegrößer die Schwingungsamplituden sind desto geringer ist die Materialsteifigkeit, was zu einergeringere Wellengeschwindigkeit führt.moderater Stoß starker Stoß DifferenzPfeiler 1 1363 m/s 1315 m/s -3,5%Pfeiler 2 1546 m/s 1502 m/s -2,9%Pfeiler 3 1650 m/s 1583 m/s -4,1%Mittelwert 1519 m/s 1466 m/s -3,5%Tabelle 1: Unterschiedliche Wellengeschwindigkeit durch nichtlineares, amplitudenabhängigesMaterialverhalten.Wie gezeigt wurde lässt sich die Kompressionswelle in einem Mauerwerkspfeiler relativ einfachmessen. Die Scherwelle ist im obersten Sensor noch andeutungsweise zu erkennen, dieGeschoßdecken dürften sie aber stark dämpfen. Durch die Anisotropie des Mauerwerks wäre eswünschenswert sowohl die Kompressionswelle, die vertikal durch den Mauerwerkspfeiler läuft alsauch die Scherwelle, die sich mit horizontalen Schwingungen vertikal im Pfeiler fortpflanzt zumessen. Damit wären die relevanten Parameter unmittelbar zu bestimmen ohne eine Annahme fürdie Querdehnzahl treffen zu müssen.Der Abgleich dieser dynamischen Methode der Bestimmung der Materialkennwerte mit denErgebnissen der üblichen Mauerwerksprüfung steht noch aus.11295


6 ZUSAMMENFASSUNGDie Methode mittels sinnvoller und physikalisch begründeter Kombination gemessener Signaleim Zeitbereich und anschließender Analyse im Frequenzbereich hat sich bei der Auswertungzahlreicher Gebäudemessungen bewehrt. Die auf diesem Prinzip arbeitendenAuswertungsalgorithmen arbeiten zuverlässig, liefern interpretierbare Resultate und tragen zumVerständnis der dynamischen Gebäudeeigenschaften bei. Es ist jedoch wichtig sich der diegetroffenen Annahmen bewusst zu sein (z.B. Schubsteifigkeit in der gemessenen Ebene) und dieseauch zu verifizieren. Zum Beispiel widersprechen einander die Voraussetzungen der deviatorischenund der translatorischen sowie rotatorischen Schwingungsform. Damit kann zum Beispiel dasFehlen einer deviatorischen Schwingungsform ein Indiz dafür sein, dass die Annahmen vontranslatorischer und rotatorischer Schwingungsform zutreffend sind.Die gezeigten Messmethoden dienen der Beurteilung der dynamischen Eigenschaften desuntersuchten Gebäudes bei geringen Belastungen und kleinen Verzerrungen im Werkstoff. Sie sindnützlich um numerische Beurteilungsmethoden für diesen Fall zu kalibrieren.Es konnte gezeigt werden, dass der messtechnische Ansatz zur Beurteilung der dynamischenStruktureigenschaften und der Baustoffkennwerte sinnvolle und reproduzierbare Ergebnisse liefert.REFERENZEN[1] G. Achs, „Erdbebengefährdung von Gründerzeithäusern. Beurteilung, Klassifizierung undexperimentelle Untersuchungen“. Dissertation. Technische Universität Wien, <strong>2011</strong>[2] Wenzel, H., Pichler, D., “Ambient vibration monitoring”, Chichester, England: J. Wiley andSons LTD, 2005[3] H. Waller, R. Schmidt, „Schwingungslehre für Ingenieure“, Mannheim/Wien/Zürich,Wissenschaftsverlag, 1989[4] Seismid Bericht, „Zustandsbeurteilung Wiener Gründerzeithäuser“, interner Bericht imProjekt SEISMID, www.seismid.com[5] Seismid Bericht, „Messtechnische Untersuchung Gründerzeithäuser“, interner Bericht imProjekt SEISMID, www.seismid.com[6] Seismid Bericht, „ Jahngasse 25“, interner Bericht im Projekt SEISMID, www.seismid.com[7] Seismid Bericht, „Boden-Gebäude Interaktion“, interner Bericht im Projekt SEISMID,www.seismid.com[8] J. Studer, J. Laue, M. Koller, „Bodendynamik“, 3. Auflage, Springer Verlag, 2007[9] R.Flesch, „Baudynamik“, Band 1, Bauverlag, 199329612


12. D-A-<strong>CH</strong> Tagung - Erdbeben und BaudynamikC. Könke (Hrsg.)Hannover, Deutschland, 15.-16. September <strong>2011</strong>EXPERIMENTAL AND NUMERICAL INVESTIGATIONS OF THEGLOBAL DYNAMIC BEHAVIOUR OF A STEEL RAILWAY BRIDGEVolkmar Zabel 1 , Maik Brehm 1 , Sofyan Ahmad 1 , Leqia He 2 and Guido De Roeck 21 Bauhaus-Universität Weimar, Institut für StrukturmechanikMarienstraße 15, 99421 WeimarE-mail: volkmar.zabel@uni-weimar.de2 Katholieke Universiteit Leuven, Departement Burgerlijke BouwkundeKasteelpark Arenberg 40, B 3001 Leuven, BelgienKeywords: Railway bridge, modal analysis.Abstract.This article describes investigations of the global modal behaviour of a multi-span steelrailway bridge which involved both numerical and experimental analyses. Combining bothnumerical and experimental analyses enabled lead to the identification of the complex dynamicbehaviour of the structure, that is charactarised by both global and local modes.Both numerical and experimental analyses were performed at two levels with increasingcomplexity. By following this approach it was possible to identify 15 global modes of the structure.Furthermore a weak coupling of the actually statically separated superstructures wasbecame apparent. The experimental investigations were performed using two independent measurementsystems. The mode shapes which were separately identified from the data measuredby the two systems could be successfully combined based on reference sensors at appropriatelychosen locations.1297


1 INTRODUCTIONThe assessment of existing structures with respect to their current load bearing capacity,their remaining life time or with respect to perspective changes in their use becomes an issue ofincreasing importance. Especially railway bridges are investigated regularly by inspections andnumerical analyses according to specific guidelines such as [1], [2], [3], and [4].The quality of any prediction based on a numerical model depends on the quality of the respectivemodel. If existing structures are considered it is possible to compare certain features ofthe model with respective parameters that were obtained from the existing structure experimentally.It has become common practice to use in this context the dynamic structural propertiessuch as natural frequencies and mode shapes because these parameters can be identified nondestructively.Even though several algorithms and sophisticated measurement equipment are generallyavailable today, the investigation of each individual structure often requires specific practicalapproaches due to limitations of the accessibility, service conditions and further problems. Inthe case of the investigations described here, two research teams were cooperating performingthe experimental modal analyses of a steel railway bridge using two different measurement systems.One of the challenges of this approach were the combination of the results obtained basedon the measurements by means of these two different systems.2 DESCRIPTION OF THE STRUCTUREWithin the European research project FADLESS, that focuses on the development of procedureswhich combine numerical and experimental methods for the assessment of fatigue resistanceof existing steel railway bridges, several structures in different countries are investigated.One of these structures is the Saalebrücke near Großheringen in central Germany.This bridge is situated at the junction of the railway lines Halle / Leipzig – Munich and Halle/ Leipzig – Erfurt. It was put into operation in 1933. The complete bridge consists of five spansconstructed as plate girder bridges and one span that was designed as a truss girder as shownin figure 1. The two tracks are supported by separate superstructures. The spans of the plategirders range from 35 to 44 m while the truss girders over the river Saale have a length of 74 m.The investigations described here concentrated on the plate girder superstructure at the northernend of the bridge (figure 2). As all other spans it was designed as a skewed simply supportedbeam with two plate girders and cross beams. Rail carriers span as simply supported beams betweenthe cross beams. Bracings between the rail carriers and between the lower flanges of themain girders give the bridge stiffness in horizontal direction. Both the cross section and thebracing systems are depicted in figure 3.3 NUMERICAL ANALYSES3.1 Preliminary numerical modelTo obtain first information of the modal behaviour of the considered superstructure a relativelysimple finite element model of the structure was created. Only the major structural elementswere taken into account. They were modelled by beam element which were connected tonodes in a single plane. Since not all centres of gravity of the structural members at the bridgeare located in a single plane, respective eccentricities of the beam elements were defined in the2982


Figure 1: Saalebrücke Großheringen – total viewFigure 2: Saalebrücke Großheringen – span at the northern abutmentFigure 3: Saalebrücke Großheringen – track bed between the main girders (left), bracing systems (right)3299


model. An image of the preliminary finite element model is given in figure 4.For the finite element model the lowest natural frequencies and mode shapes were computed.It became obvious that already this relatively simple model showed that the dynamic behaviourof the system is not only described by typical modes of beam-like systems but also showednumerous modes of local modes of the secondary elements. The first three global mode shapesand natural frequencies are presented in table 1. They can be described as first lateral beambending, first vertical beam bending and first torsional modes, respectively.YZXFigure 4: Simple finite element model of the bridgeTable 1: First three calculated global mode shapes of the simple finite element model3.863 Hz 5.707 Hz 7.696 HzZYXZYXZYX3.2 Detailed numerical modelAs mentioned in section 3.1 several local modes of the secondary structural elements becameapparent from the solutions of the eigenvalue problem. To obtain an enhanced understandingalso about the local dynamic behaviour of the structure a more detailed finite element model ofthe superstructure was generated as shown in figure 5. In this model all structural members weremodelled by 4 node shell elements. This model also included the bracings of the rail carriersand had the haunches at the connections between main girders and cross beams.With this refined finite element model the first 100 modes were calculated. The naturalfrequencies of these modes ranged up to 34 Hz. These results comprised beside the globalmodes, such as those given in table 2, numerous local modes as for example the mode shapesthat is given in figure 6.3004


Figure 5: Detailed finite element model of the superstructureTable 2: First three calculated global mode shapes of the detailed finite element model3.71 Hz 5.39 Hz 8.47 Hz5301


Figure 6: Examples for local mode shapes calculated for the detailed finite element model of the superstructure:plate bending of the main girders web (left), bending of the lower bracings (middle), bending of the cross beams(right)4 EXPERIMENTAL INVESTIGATIONS4.1 Preliminary modal analysisBased on the results of the preliminary numerical analyses described in section 3.1 a firsttest campaign was performed to identify the global modal behaviour of the superstructure. Dueto reasons of accessibility 3D accelerometers were only placed on the upper flanges of themain girders. Since not all 18 measurement points could be instrumented at the same time, themeasurements with ambient excitation were performed with three setups using 2 3D referencesensors. An additional accelerometer was installed on the upper flange of one main girder of theadjacent span to obtain initial information about modal coupling of these two superstructureswhich are statically decoupled. The locations of the measurement points in plan are given infigure 7.From the measured time series the five modes illustrated in table 3 were identified usingthe covariance-driven reference-based Stochastic Subspace Identification (SSI-cov/ref) method[5]. Data preprocessing, system identification and modal analysis were performed using theMATLAB toolbox MACEC, developed by the Structural Mechanics division of K.U. Leuven[6]. Three of the five identified modes are clearly corresponding to the three global modescalculated with the finite element models. However, two further modes showed almost onlymovements of the measurement point in the second span. These observations gave reason tothe assumption, that these modes could be a lateral and a vertical bending mode of the secondspan’s superstructure.Ref.Ref.Ref.Figure 7: Measurement points of the first test campaign6302


Table 3: First five global modes identified from the first test campaignnat. frequencydamping ratiof 1 = 3.60 Hzζ 1 = 0.71 %descriptionfirst lateral bending mode of span 1imageYZXf 2 = 4.16 Hzζ 2 = 2.15 %first lateral bending mode of span 2YZXf 3 = 5.26 Hzζ 3 = 1.26 %first vertical bending mode of span1ZYXf 4 = 5.84 Hzζ 4 = 2.87 %first vertical bending mode of span2ZYXf 5 = 7.91 Hzζ 5 = 3.41 %first torsional mode of span 1ZYX7303


4.2 Extensive modal analysisTwo of the modes identified from the first test series were assumed to be modes of the secondspan rather than of the first span. Therefore the investigation of the modal behaviour of theadjacent superstructure and their coupling with the first span became the subject of a secondtest campaign. A second aim was the identification of the mode shapes with a better spacialresolution. While sensors were placed in the first measurement campaign only on the upperflanges of the main girders, the lower flanges of the first span were also instrumented in asecond campaign. The locations of the measurement point in plan are illustrated in figure 8.With these two aims, the total number of measurement points increased to 63. While theupper flanges of the main girders were relatively easily accessible, the installation of sensors atthe lower flanges required a lifting platform. To reduce the total time that had to be spent on siteit was decided, to deploy two measurement systems. The first measurement system consisted of7 wireless 3D accelerometer units which could be easily installed on the upper flanges. At thelower flanges conventional piezoelectric accelerometers were applied. To be able to combine themode shapes identified based on the data measured by means of the two independent systemsreference sensors were placed at two common locations at the upper flanges as indicated infigure 8. Figure 9 shows the sensors of the two systems at one of the reference points.Ref.Ref.Figure 8: Measurement points of the second test campaignFigure 9: Wireless and conventional accelerometers at a reference point during the second test campaignUsing the same tools as for the assessment of the first measurement campaign, 15 globalmodes of the three superstructures could be identified. The respective identified natural fre-3048


quencies and damping ratios are summarised in table 4. The corresponding mode shape areillustrated in table 5.Table 4: Second test campaign: modal parameters identified from the measurements on the upper and lower flangesof the main girders. Note: σ denotes the standard deviation, estimated as the sample standard deviation over allsetups.upper flanges of main girders lower flanges of main girders averagemode f u [Hz] fu σ [Hz] ζ u [%] ζu σ [%] f l [Hz] fl σ [Hz] ζ u [%] ζl σ [%] f g [Hz] ζ g [%]1 3.62 0.02 0.34 0.13 3.62 0.02 0.44 0.19 3.62 0.382 4.21 0.02 0.62 0.31 4.18 0.04 0.45 0.18 4.20 0.563 5.28 0.04 0.38 0.10 5.28 0.03 0.35 0.19 5.28 0.364 5.93 0.06 0.73 0.19 5.92 0.08 0.68 0.29 5.93 0.715 7.90 0.01 0.55 0.17 7.91 0.01 0.50 0.10 7.90 0.536 8.56 0.09 0.90 0.46 8.61 0.10 0.67 0.46 8.58 0.827 13.70 0.04 0.32 0.15 13.75 0.17 0.21 0.12 13.72 0.288 14.14 0.09 0.30 0.15 14.18 0.10 0.17 0.08 14.16 0.259 15.70 0.04 0.62 0.12 15.71 0.08 0.46 0.17 15.70 0.5610 16.89 0.07 0.52 0.21 16.70 0.01 0.10 0.04 16.82 0.3711 17.26 0.03 0.29 0.09 17.28 0.03 0.29 0.09 17.27 0.2912 17.78 0.02 0.35 0.08 17.75 0.06 0.29 0.11 17.77 0.3313 18.69 0.05 0.37 0.15 18.68 0.06 0.34 0.13 18.68 0.3614 19.75 0.11 0.15 0.05 19.80 0.21 0.18 0.08 19.77 0.1615 20.58 0.18 0.54 0.35 20.63 0.27 0.31 0.34 20.60 0.45Table 5: Mode shapes identified from the second test campaignmode top view section viewside view12Continued on next page9305


Table 5 – continued from previous pagemode top view section viewside view345678Continued on next page30610


Table 5 – continued from previous pagemode top view section viewside view910111213141511307


5 CONCLUSIONSIn the described study the dynamic behaviour of a multi span railway bridge has been investigated.Combining both numerical and experimental analyses with increasing complexity,respectively, the complex dynamic behaviour of the structure, that is charactarised by globaland local modes, could be well identified.The experimental modal analyses made a weak coupling of the actually statically separatedsuperstructures obvious. Fifteen global vibration modes of the bridge could be reliably identifiedfrom purely ambient acceleration signals, which were excited under wind and groundvibration. For these modes, the natural frequencies and mode shapes are accurately identified.The modal damping ratios identified from the second test campaign are generally of very low (< 1%).The finite element model properly predicts the first two global modes of the first span bothwith respect to shape and frequency. The third global mode of first span, known as the first torsionmode, was also computed for the FEM, but with a slightly different shape as identified fromthe tests. Furthermore it can be observed that the identified shapes of global modes of higherorder are very similar to several calculated mode shapes. However, more detailed investigationsare necessary for a correct assignment.Furthermore it could be proven that it is possible to identify multiple modes using two differentmeasurement systems if appropriate reference sensor locations are chosen. This meansthat the combination of independent measurement systems in practical applications under fieldconditions is capable.6 ACKNOWLEDGEMENTSThe research presented in this article was carried out within the European project FADLESS(Fatigue damage control and assessment for railway bridges), that was supported by the EuropeanResearch Fund for Coal and Steel (RFCS).REFERENCES[1] Deutsche Bahn AG. Richtlinie 804 - Eisenbahnbrücken (und sonstige Ingenieurbauwerke)planen, bauen und instand halten, 2010.[2] Deutsche Bahn AG. Richtlinie 805: Nachrechnung bestehender Bauwerke, 2010.[3] Österreichisches Normungsinstitut. ONR 24008 - Bewertung der Tragfähigkeit bestehenderEisenbahn- und Straßenbrücken, 2006.[4] Schweizerische Bundesbahnen. I-AM-EB: Richtlinie für die Beurteilung von genietetenEisenbahnbrücken, 2006.[5] B. Peeters and G. De Roeck. Reference-based stochastic subspace identification for outputonlymodal analysis. Mechanical Systems and Signal Processing, 13(6):855–878, 1999.[6] E. Reynders, M. Schevenels, and G. De Roeck. MACEC: A Matlab toolbox for experimentaland operational analysis. Report BWM-2008-07, April 2008.30812


309


310Beurteilung und Ertüchtigungbestehender Bauwerke


12. D-A-<strong>CH</strong> Tagung – Erdbeben und BaudynamikC. Könke (Hrsg.)Hannover, Deutschland, 15.–16. September <strong>2011</strong>SEISMIS<strong>CH</strong>E BEURTEILUNG VON WIENERGRÜNDERZEITHÄUSERNG. Achs 1 und C. Adam 21 VCE-Holding GmbHHadikgasse 60, 1140 Wien, ÖsterreichE-Mail: achs@vce.at2Universität Innsbruck, Arbeitsbereich für Angewandte MechanikTechnikerstr. 13, 6020 Innsbruck, ÖsterreichE-Mail: christoph.adam@uibk.ac.atSchlagwörter:Bauwerksbewertung, Erdbebenrisiko, Historische Mauerwerksbauten,Schadensanfälligkeit, Schadensklassifizierung, Visuelle Beurteilung.Kurzfassung. Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der seismischen Zustandsbeurteilung vonWiener Gründerzeithäusern auf Basis visueller Begutachtungen. Dazu wurde in Anlehnung anbestehende Gebäudebeurteilungen eine Methodik entwickelt, um für eine große Anzahl vonGebäuden dieses Typs eine rasche, effiziente und ökonomische Einschätzung des Erdbebenrisikoszu erhalten. Die dafür erforderlichen Grundlagen beruhen einerseits auf historischrelevanten Dokumenten wie Bauordnungen, Bautafeln oder Karten, andererseits aber auch aufumfangreichen messtechnischen Voruntersuchungen und in-situ Inspektionen. Neben gebäuderelevantenParametern, wie etwa den geometrischen Verhältnissen, der Ausbildung derFassade oder dem Erhaltungszustand, werden auch schadensrelevante Faktoren, wiebeispielsweise die Anzahl der gefährdeten Personen oder die Bedeutung des Bauwerks erfasst.Die aufgenommenen Parameter werden gewichtet aufsummiert und als Bauwerksparameterund Schadensrelevanz angegeben. Dadurch ist eine Einteilung in verschiedene Risikoklassenmöglich und eine Priorisierung des Risikos bei Erdbebeneinwirkung möglich. Die ausgearbeiteteBeurteilungsmethodik wurde in einem Teilbereich des 20. Wiener Gemeindebezirksan 375 Gründerzeithäusern großflächig angewendet. Als Ergebnis resultiert eine Risikokarte,in der jene Gebäude mit hohem Schadenspotential bzw. überdurchschnittlich schlechtemBauwerksparameter eindeutig identifiziert werden. Diese Klassifizierung der Gründerzeithäuserkann entweder direkt als Grundlage für Schadensszenarien oder als Basis genauererUntersuchungen einzelner Gebäude dienen.1311


1 EINLEITUNG1.1 Ziel und NutzenDie Zustandsbeurteilung von Bestandsgebäuden hinsichtlich ihres Risikopotentials gegenüberErdbebeneinwirkung stellt einen wesentlichen Teil einer umfassenden Risikoeinschätzungdar, da in Katastrophenerdbeben Gesundheit und Leben von Personen durch stark geschädigteoder einstürzende Bauwerke gefährdet sind [1; 2]. Die Gebäude eines Ballungsraumes stammenmeist aus verschiedenen Bauperioden, und deren Erhaltungszustand hängt stark von derVornutzung und von Umbau- und Sanierungsmaßnahmen ab. Dementsprechend findet sich inBallungsräumen ein Kollektiv von Bestandsobjekten, die im Unterschied zu Neubauten keinenqualitativ einheitlichen Erdbebenwiderstand aufweisen.Im Stadtzentrum von Wien überwiegen die großteils Ende des 19. Jahrhunderts als Mietbzw.Zinshäuser errichteten Gründerzeithäuser. Heute werden sie entweder vollständig zuWohnzwecken oder als kombinierte Wohn- und Geschäftsgebäude genutzt. Diese historischenBauwerke weisen im Allgemeinen gemeinsame spezifische Ausführungsformen und Konstruktionsartenauf. Da aber über die Materialkennwerte der tragenden Bauteile wenig bekannt unddas lastabtragende System im Allgemeinen nicht eindeutig identifizierbar ist, kann derseismische Widerstand der Gründerzeithäuser nicht mit einfachen ingenieurmäßigen Ansätzenhinreichend genau bestimmt werden. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird daher einekürzlich entwickelte Methodik [3] vorgestellt, mit deren Hilfe das Risikopotential der WienerGründerzeithäuser unter Erdbebeneinwirkung effektiv, rasch und ökonomisch beurteilt werdenkann. Die daraus abgeleitete Klassifizierung der Gebäude kann entweder direkt als Grundlagefür Schadensszenarien oder als Basis für detaillierte Untersuchungen einzelner Gebäudedienen. Vor allem aber können durch diese Prognose im Katastrophenfall die erforderlichenHilfs- und Rettungsarbeiten zielgerichtet eingesetzt und unterstützt werden, wodurch wertvolleZeit gewonnen wird.1.2 Internationale und nationale MethodenZur seismischen Beurteilung und Klassifizierung von Bestandsgebäuden auf Basis visuellerBegutachtungen wurden in den letzten Jahren zahlreiche Methoden entwickelt. Es handelt sichmeist um so genannte Rapid-Visual-Screening Methoden, bei denen die Gefährdung einer sehrgroßen Anzahl von Objekten bei Erdbebeneinwirkung möglichst rasch erfasst werden soll.Eine wichtige Grundlage stellen die in den USA hevorgebrachten Verfahren [4; 5] dar, beidenen für unterschiedliche Gebäudeparameter je nach Zustand, Ausführung, Geometrie, etc. ineiner gewissen Bandbreite Punkte vergeben werden. Aus der Gesamtsumme der Punkte kanndirekt eine Versagenswahrscheinlichkeit des Gebäudes abgeschätzt werden. In hoch seismischgefährdeten Ländern erfolgt die Gebäudebewertung überwiegend auf Basis dieser Verfahren.In Europa wurden visuelle Bewertungsverfahren in erster Linie in Ländern mit höhererSeismizität, wie etwa in Griechenland oder der Türkei, entwickelt. In der vorliegenden Arbeitfolgt die Bewertung der Fassaden der Wiener Gründerzeithäuser der von D'Ayala und Speranza[6] vorgestellten umfassenden Beurteilungsmethode für historische Gebäude. Als weitereGrundlage für die hier durchgeführte Klassifizierung und Abschätzung der auftretendenSchäden an Gründerzeithäusern dient der von Ferreira et al. [7] präsentierte Ansatz. Dabei wirddem ermittelten Gebäudeindex mit Hilfe von Schäden vergangener Erdbeben ein Schadensgradgemäß EMS-98 [8] zugeordnet.3122


Auch im deutschsprachigen Raum hat man sich in den letzten Jahren verstärkt mit dieserThematik auseinandergesetzt. Für die hier eingesetzte Methodik sind vor allem dieAusführungen von Meskouris et al. [9], Sadegh-Azar [10] und Butenweg [11] von besonderemInteresse. Weiters wird auf die auf [12] beruhenden, für Wiener Gründerzeithäuser spezialisierten,Beurteilungsmethoden des ÖIBI [13] und von Rusnov [14] verwiesen.2 Zustandsbeurteilung Wiener Gründerzeithäuser2.1 Grundlegende DatenDie vorgeschlagene Methodik zur seismischen Zustandsbeurteilung von Wiener Gründerzeithäusernberuht auf umfangreichen in-situ Inspektionen und messtechnischen Voruntersuchungen.Die Wahl der maßgeblichen Parameter unter Berücksichtigung der spezifischenEigenschaften der Wiener Gründerzeithäuser erfolgte in erster Linie auf Grundlage nationalerDaten und Bewertungsverfahren. Dazu zählen jene Gebäudekenngrößen, welche für dieErstellung eines Ingenieurbefunds erforderlich sind [3; 13]. Ein Ingenieurbefund im Sinne derMagistratsabteilung 37 der Stadt Wien [15] ist eine umfassende Erfassung des derzeitigenGebäudezustands und wird in Wien als Beilage zum Bauansuchen insbesondere im Zusammenhangmit Dachgeschossaus- und -zubauten gefordert. Daneben flossen die Erkenntnisseeiner intensiven Aufarbeitung historisch relevanter Dokumente wie etwa Bauordnungen, Bautafelnoder Karten in die vorgeschlagene Methodik ein [3]. Aus den Normen und Richtlinienbzw. aus den bereits vorhandenen nationalen und internationalen Verfahren konnten wesentlicheAnsätze entnommen werden. Diese Ansätze sind allerdings meist so allgemein gehalten,dass die darin enthaltenen Parameter für den betrachteten Bauwerkstyp nicht genau genugspezifiziert sind. Deshalb wurden Teile bekannter Verfahren adaptiert, angepasst und zusammengeführt,damit bei der Zustandsbewertung die besonderen Eigenschaften von WienerGründerzeithäusern Eingang finden.2.2 BeurteilungsmethodikEine Grundlage dieser Methodik bilden die in den SIA Merkblättern [16] dargestelltenParametergruppen. Dies ist einerseits die- Gruppe der Schadensparameter zur Charakterisierung der sozialen und ökonomischenAuswirkungen im Falle eines Gebäudeschadens, und anderseits die- Gruppe der Bauwerksparameter, die zur Beschreibung des Gebäudezustandes zum Beurteilungszeitpunktdienen.Die Beurteilung und Klassifizierung erfolgt hierbei anhand der Schadensrelevanz SR bzw.des Bauwerksparameters BP, welche sich jeweils aus der Summe mehrerer Schadensparameterund Bauwerksparameter zusammensetzen. Die Schadensrelevanz SR dient dabei zur Einschätzungder Auswirkung auf Personen und Umwelt durch einen möglichen Schaden. DerBauwerksparameter BP umfasst die maßgeblichen Kenngrößen des Bauwerks, die dessenWiderstand gegenüber Erdbeben beeinflussen.In Tabelle 1 sind die einzelnen gebäuderelevanten Parameter, aus denen sich der BauwerksparameterBP zusammensetzt, beschrieben und die jeweilige minimale und maximaleBewertung mit Punkten angeführt. Die einzelnen schadensrelevanten Parameter für dieSchadensrelevanz SR und deren Bewertung sind in Tabelle 2 dargestellt. Die Bedingungen fürdie Wahl der Punktebewertung sind in [3] detailliert beschrieben. Das Risiko des betrachtetenGebäudes steigt mit der Anzahl der vergebenen Punkte an.3313


ParameterG 01ErdbebenzoneG 02Regularität im GrundrissG 03VertikaleUnregelmäßigkeitenG 04AussteifungsartG 05LokaleVersagensmechanismenG 06SekundärstrukturenG 07BaugrundBeschreibungErmittlung der lokal gültigen Erdbebenzone gemäßÖN B 1998-1 [17]Bewertung der Grundrissform hinsichtlich derenRegelmäßigkeit und des Verhältnisses derAbmessungen (L/B)Vertikale Verteilung der Steifigkeit, v.a. bezüglichweicher Geschoße (nachträgliche Umbauten)Verschließungen, Gewölbedecken (fallsidentifizierbar)Bestimmung von Lastfaktoren für mögliche lokaleVersagensformen (z.B. Versagen einer Gebäudeecke)Anzahl und Exposition von Kaminen, ausgeprägtenFassadenelementen, SkulpturenLokale Baugrundverhältnisse gemäß ÖN EN 1998-1[18]Bandbreite derBewertung1,0 bis 1,51,0 bis 10,01,0 bis 100,01,0 bis 25,01,0 bis 20,00,0 bis 20,01,0 bis 10,0G 08FundierungG 09ErhaltungszustandFlach-, Tieffundierung, Pfahlfundierung (Holzpfähle) 1,0 bis 10,0Dachstuhl, Gesimse, Oberste Geschoßdecke,Stiegenhaus, Kellergeschoß, Haustechnik0,0 bis 30,0Bauwerksparameter BP BP = G iTabelle 1 Gebäuderelevante Parameter für den Bauwerksparameter BP [3]Parameter Beschreibung Bandbreite der Bewertung09∑i=01S 01GefährdetePersonenS 02BedeutungskategorieS 03GebäudewertS 04GefährdeteSachgüterS 05UmgebungswirkungAnzahl der gefährdeten Personen innerhalb desuntersuchten Objekts (ggf. Abschätzung)Bedeutungskategorie des untersuchten Objektsgemäß ÖN EN 1998-1 [18]Abschätzung des Gebäudewerts über dieWohnnutzfläche WNF und den Kaufpreis unterBerücksichtigung der Restnutzungsdauer RNDBerücksichtigung von Objekten mit besondererBedeutung (Archive, Bibliotheken, Museen,kulturelle und religiöse Stätten, etc.)Bewertung der durch einen Gebäudekollapsauftretenden Gefährdung von Personen undInfrastruktur außerhalb des ObjektsAnzahl der gefährdetenPersonenKaufpreis ×1,0 bis 50,0n.OG∑i=EG100.000WNF i1,0 bis 10,01,0 bis 10,0× RND25Schadensrelevanz SR SR= S iTabelle 2 Schadensrelevante Parameter für die Schadensrelevanz SR [3]05∑i=013144


Im Anschluss an die Ermittlung des Bauwerkparameters BP und der Schadensrelevanz SRwerden die einzelnen Objekte in vier Risikoklassen kategorisiert. Ein Gebäude in der RisikoklasseI ist im Erdbebenfall einem geringen Risiko, in der Risikoklasse II einem geringen bismittleren Risiko, in Risikoklasse III einem mittleren bis hohen Risiko und in Risikoklasse IVeinem sehr hohen Risiko ausgesetzt. Die Festlegung der Grenzen zwischen den Risikoklassenerfolgt anhand definierter Kriterien für den Bauwerksparameter BP und die SchadensrelevanzSR. Diese Grenzen beruhen auf einer Kalibrierung der Bewertung mehrerer Gründerzeithäuser,deren Eigenschaften aus vorangegangenen detaillierten Untersuchungen genau bekanntgewesen sind. Für eine umfassendere Darstellung der Kalibrierung wird auf [3] verwiesen. EineÜbersicht über die einzelnen Risikoklassen sowie über die zugehörigen Bedingungen für ihreAbgrenzung ist in Tabelle 3 gegeben.BeschreibungParameter G 03(vertikale Regelmäßigkeit)Σ (G 01 , G 02 , G 04 bis G 09 )(Sonstiger Gebäudezustand)Parameter S 01(Gefährdete Personen)Σ (S 02 bis S 05 )(Sonstige Schadensrelevanz)RisikoklasseI II III IVGeringes bis Mittleres bisGeringesSehr hohesmittleres hohesRisikoRisikoRisiko Risiko< 20,0 > 20,0 > 50,0 > 100,0< 30,0 > 30,0 > 30,0 > 40,0< 45,0 > 45,0 > 90,0 > 140,0≤ 5,0 > 5,0 > 5,0 > 5,0KlassifizierungsbedingungBP < 50undSR < 5080 > BP ≥ 50undSR < 100oder100 > SR ≥ 50undBP < 80140 > BP ≥ 80undSR < 150oder150 > SR ≥ 100undBP < 140BP ≥ 140oderSR ≥ 150Tabelle 3 Übersicht über die Einteilung der einzelnen Risikoklassen und die zugehörigen Bedingungen [3]2.3 Abschätzung erdbebenbedingter SchädenDie Abschätzung des Schädigungspotentials eines bestimmten Erdbebens, erfolgt durch dieKorrelation des Gebäudezustands mit der Erdbebenintensität. Generell ist dieser Zusammenhangvon unzähligen Parametern abhängig und für einzelne Gebäude nur unter großemAufwand zu ermitteln. Insbesondere bei Bestandsgebäuden können, selbst unter Zuhilfenahmeaufwändiger Berechnungsverfahren, mögliche Gebäudeschäden nur schwer prognostiziertwerden. Um trotzdem aus den aus der Gebäudebeurteilung resultierenden Daten Schadensszenarienzu erstellen, wird auf bekannte Zusammenhänge vergangener Erdbebenereignissezurückgegriffen. Diese Vorgangsweise basiert auf internationalen Methoden, die bereitserfolgreich an bestehenden Gebäuden angewendet worden sind [7].5315


Aus den in jüngster Vergangenheit aufgetretenen Erdbebenkatastrophen wurden die durchdas Erdbeben von L’Aquila in Italien am 6. April 2009 verursachten Schäden an Bestandsgebäudenbetrachtet. Dieses Erdbebenereignis mit einer Momentenmagnitude von M W = 6,3 [1]und einer Herdtiefe von 10 km kann mit dem größtmöglichen in der Umgebung von Wien auftretendenErdbeben verglichen werden [19]. Die in der betroffenen Region in Italien vorherrschendeBebauung ist ebenfalls mit der Bauweise der Wiener Gründerzeithäuser vergleichbar.Deshalb wurden die nach dem Beben durchgeführten Schadensaufnahmen [1; 2] als Grundlagefür die Korrelation zwischen Erdbebenbelastung und resultierenden Schäden der WienerGründerzeithäuser herangezogen. Die Schadensaufnahmen nach dem L’Aquila Erdbebenzeigen, dass eine hohe vertikale Unregelmäßigkeit bei entsprechender Erdbebenbelastung zusehr schweren Schäden bis hin zum totalen Versagen des Gebäudes führt. Die überwiegendeAnzahl der betroffenen Gebäude hatte im Erdgeschoß Geschäfts- oder Lokalflächen. SolcheFlächen führen im Allgemeinen zu einer Schwächung der Erdgeschoßsteifigkeit und -festigkeit.Demgegenüber kann angenommen werden, dass bei einem sehr guten Erhaltungszustand einesBauwerks mit horizontaler und vertikaler Regelmäßigkeit nur moderate Schäden auftreten.Die Klassifikation der Erdbebenschäden erfolgt in Anlehnung an die Europäische MakroseismischeSkala EMS-98 [8]. Für die Korrelation der Schadensgrade gemäß EMS-98 mit demGebäudezustand wurden in Anlehnung an die zuvor eingeführten Risikoklassen Bauwerksklassendefiniert. Die Einteilung eines Gebäudes in eine der vier Bauwerksklassen I, II, III undIV erfolgt gemäß den in Tabelle 3 angeführten Klassifizierungsbedingungen der Risikoklassen,die nur den Bauwerksparameter BP betreffen. Die Korrelation zwischen den Bauwerksklassender vorliegenden Beurteilungsmethodik und dem Schadensgrad gemäß EMS-98 und die zugehörigenKlassifizierungsbedingungen der Bauwerksklassen sind in Tabelle 4 angegeben [3].BauwerksklasseKlassifizierungsbedingungenSchadensgradgemäß EMS-98Vorrangig relevante BauwerksparameterI BP < 50 2Hohe vertikale und horizontale Regelmäßigkeit.Sehr guter BauwerkszustandII80 > BP ≥ 50oderBP < 802 bis 3Geringfügig vertikale und horizontaleUnregelmäßigkeit.Guter BauwerkszustandIII140 > BP ≥ 80oderBP < 1403 bis 4Moderate vertikale Unregelmäßigkeit.Nachträgliche Schwächung der Steifigkeit (z.B.teilweises Entfernen tragender Strukturen).Moderater BauwerkszustandIV BP ≥ 140 4 bis 5Hohe vertikale Unregelmäßigkeit.Weiches Geschoß.Schlechter BauwerkszustandTabelle 4 Korrelation der Risikoklassen mit dem Schadensgrad gemäß EMS-983166


3 ANWENDUNG3.1 TestgebietDie dargestellte Methode zur Beurteilung des Risikopotentials von Gründerzeithäusern imErdbebenfall wurde im Rahmen des Forschungsprojekts SEISMID [20] großflächig eingesetzt.Das dafür gewählte Testgebiet umfasst 375 Gründerzeithäuser und liegt im 20. WienerGemeindebezirk. Eine Übersicht über das Testgebiet gibt Abb. 1.Bei der großflächigen Anwendung wurde ein standardisiertes Datenblatt verwendet, welchesfür jedes Gründerzeithaus des Testgebiets vor Ort auszufüllen war. Das Datenblatt inklusiveder für den Anwender zusammengestellten Ausfüllhilfe ist in [3] beschrieben.3.2 ErgebnisseNach der Gebäudeaufnahme wurden sämtliche Teilschadens- und Teilbauwerksparameterbestimmt. Die sich daraus ergebende Kategorisierung der betrachteten Bauwerke inRisikoklassen ist in Abb. 2 dargestellt. Eine vollständige Tabelle der Teilschadens- undTeilbauwerksparameter aller beurteilten Gebäude ist in [3] enthalten.Aus den Ergebnissen der Abb. 2 lässt sich ablesen, dass sowohl in Hinblick auf denBauwerksparameter BP als auch bezüglich der Schadensrelevanz SR eine klare Grenzliniezwischen den Gebäuden in den Risikoklassen III und IV vorliegt. Objekte, die in dieRisikoklasse IV fallen, weisen entweder eine erhöhte Schadensrelevanz durch eine besondershohe Anzahl an gefährdeten Personen auf oder sind aufgrund ihres hohen Bauwerksparameters,der vor allem auf vertikale Unregelmäßigkeit zurückzuführen ist, im Erdbebenfall hochgradigschadensanfällig.ONSWAbbildung 1 Übersicht der untersuchten Objekte im 20. Wiener Gemeindebezirk im Rahmen der großflächigenAnwendung der Beurteilungsmethodik7317


Schadensrelevanz [SR]300250200150SR = 150RisikoklassenRK I SR ≤ 50BP ≤ 50RK II 50 ≤ SR ≤ 10050 ≤ BP ≤ 80RK III 100 ≤ SR ≤ 15080 ≤ BP ≤ 140RK IV SR ≥ 150BP ≥ 140100SR = 100500SR = 50BP = 50BP = 80BP = 1400 50 100 150 200 250 300Bauwerksparameter [BP]Abbildung 2 Kategorisierung in Risikoklassen der im Rahmen der großflächigen Anwendung derGebäudebeurteilung untersuchten Objekte im 20. Wiener GemeindebezirkDie überwiegende Anzahl an untersuchten Objekten liegt in den Risikoklassen II und III. Esergibt sich jedoch aus der Gebäudebeurteilung keine klare Trennung zwischen den Bauwerkenin diesen beiden Risikoklassen. Für den Bauwerksparameter kann dies vor allem darauf zurückgeführtwerden, dass der Einfluss der einzelnen Teilbauwerksparameter bei den einzelnenObjekten unterschiedlich groß ist. Zudem wird aus Abb. 2 deutlich, dass die Objekte derRisikoklasse IV ausschließlich entweder zufolge der Schadensrelevanz oder zufolge desBauwerksparameters, nicht aber aufgrund beider Größen, in dieser Risikoklasse liegen. Umeine realistische Einschätzung sowohl der Schadensrelevanz als auch des Bauwerksparameterszu erhalten, ist es sinnvoll zusätzlich die beiden Beurteilungsgrößen separat zu betrachten.In Anlehnung an die vorgeschlagene Korrelation der Bauwerksklassen mit den erdbebenbedingtenSchäden wird, wie in Tabelle 4 angeführt, der Bauwerksparameter BP in einenSchadensgrad nach EMS-98 übergeführt. In Abb. 3 ist die Objektanzahl als Funktion deszugehörigen Bauwerksparameters BP sowie der zugehörigen Bauwerksklasse dargestellt. Beider Zuordnung der Schadensgrade zu den Bauwerksklassen ist zu beachten, dass die Trennungin Schadensgrad 3 und Schadensgrad 4 nicht streng nach der Grenzlinie zwischen BauwerksklasseII und Bauwerksklasse III durchgeführt wurde. Dies liegt daran, dass sich aus derHäufigkeitsverteilung der Objekte in den einzelnen Bauwerksklassen eine deutliche Trennungetwas oberhalb der angenommen Kategoriengrenze zwischen Bauwerksklasse II und BauwerksklasseIII ergibt, vergleiche Abb. 3 mit Abb. 4. Zudem sind die Definitionen derBauwerksklassen II und III ebenso wie die Definitionen der Schadensgrade 3 und 4 nur bedingtdeutlich voneinander abgegrenzt. In jedem Fall können sowohl aus der Kategorisierung inBauwerksklassen aber auch aus der Einteilung in Schadensgrade jene Gebäude identifiziertwerden, die im Fall des angenommen Erdbebens der Momentenmagnitude M W von 6,3 mit sehr3188


hoher Wahrscheinlichkeit einstürzen. Eine kartografische Darstellung der für die Objekte desTestgebiets ermittelten Schadensgrade zeigt Abb. 5.Anzahl der Objekte4030AnzahlObjekteBauwerksklasseIBauwerksklasseIIBauwerksklasseIIIBauwerksklasseIV2010BauwerksparameterBP040 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140 150 160 170 180 190 200Bauwerksparameter BPAbbildung 3 Kategorisierung der untersuchten Objekte im 20. Wiener Gemeindebezirk in Bauwerksklassen aufGrundlage der zugehörigen Bauwerksparameter BPSchadensgrade nach EMS-982Schadensgrad 2 (moderat)3Schadensgrad 3 (stark bis schwer)Anzahl der Objekte4030AnzahlObjekte2 3 445Schadensgrad 4 (sehr schwer)Schadensgrad 5 (Zerstörung)52010BauwerksparameterBP040 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140 150 160 170 180 190 200Bauwerksparameter BPAbbildung 4 Kategorisierung der untersuchten Objekte im 20. Wiener Gemeindebezirk in Schadensgrade gemäßEMS-98 [7]9319


Schadensgrade nach EMS-98Schadensgrad 2 (moderat)Schadensgrad 3 (stark bis schwer)Schadensgrad 4 (sehr schwer)Schadensgrad 5 (Zerstörung)Abbildung 5 Risikokarte. Objekte mit den zugehörigen Schadensgraden gemäß EMS-98 zufolge eines Erdbebensder Momentenmagnitude M W = 6,332010


4 ZUSAMMENFASSUNG UND S<strong>CH</strong>LUSSFOLGERUNGENIn Anlehnung an bereits bestehende nationale und internationale Begutachtungsmethodenwurde in dieser Arbeit eine auf die Besonderheiten der Wiener Gründerzeithäuser angepassteMethodik zur raschen und effizienten visuellen Beurteilung des Risikopotentials diesesGebäudetyps gegenüber Erdbebeneinwirkung vorgestellt. Die Notwendigkeit einer solchenRisikoeinschätzung resultiert aus dem hohen Anteil dieser zumeist am Ende des 19. Jahrhundertserrichteten historischen Gebäude am Gesamtbauwerksbestand der Stadt Wien. Inerster Linie werden dabei aus einer standardisierten visuellen Begutachtung in Kombinationmit historischen und statistischen Daten Kenngrößen ermittelt, die letztlich einen Wert für dieSchadensrelevanz und den Bauwerksparameter definieren. Anhand dieser beiden Größen kanndem Gebäude eine Risikoklasse zugeteilt werden. Als Ergebnis resultiert eine Risikokarte, inder die Bauwerke mit hohem Risikopotenzial bzw. überdurchschnittlich schlechtem Bauwerksparametereindeutig identifiziert werden. Diese Klassifizierung der Gebäude kann direkt alsGrundlage für die Erstellung von Risikoszenarien verwendet werden und zur Prioritätenreihunggenauerer Untersuchungen einzelner Gebäude und gegebenenfalls weiterer Ertüchtigungsmaßnahmendienen. In weiterer Folge kann auf Basis der dokumentierten Schadensbilder desL’Aquila Erdbebens vom 6. April 2009 [1; 2], das dem in der Umgebung von Wien größtmöglichenErdbeben entspricht, eine Korrelation zwischen den aus der Gebäudebeurteilungherrührenden Bauwerksklassen und den Schadensgraden der EMS-98 [8] hergestellt werden.Die ausgearbeitete Beurteilungsmethodik wurde in einem Teilbereich des 20. WienerGemeindebezirks erfolgreich getestet. Aus dieser Anwendung kann geschlossen werden, dassin Hinblick auf die Identifikation des potentiellen Risikopotentials aller Gründerzeithäuser derStadt Wien im Erdbebenfall die großflächige Anwendung der Methodik sinnvoll, technischmöglich und wirtschaftlich vertretbar ist. Außerdem können für den Erdbebenfall Einsatzplänezur punktgenauen und raschen Durchführung von Rettungs- und Hilfsmaßnahmen erstelltwerden.LITERATUR[1] O.C. Celik und H. Sesigur, Performance of Historic Masonry Buildings during the April6, 2009 L’Aquila Earthquake. In: MAEE (Macedonian Association for EarthquakeEngineering), Proccedings of the 14th European Conference on Earthquake Engineering,Ohrid, Mazedonien, August - 3. September 2010.[2] J.E. Alarcon, G. Franco, P. Bazzurro und M. Simic, The L’Aquila (Abruzzo) earthquakeof 6th April 2009 - Field survey and loss estimation. In: MAEE (Macedonian Associationfor Earthquake Engineering), Proccedings of the 14th European Conference onEarthquake Engineering, Ohrid, Mazedonien, 30. August - 3. September 2010.[3] G. Achs, Erdbebengefährdung von Gründerzeithäusern. Beurteilung, Klassifizierung undexperimentelle Untersuchungen. Dissertation. Technische Universität Wien, <strong>2011</strong>.[4] ATC-21-1, Rapid visual screening of buildings for potential seismic hazards: Supportingdocumentation. Applied Technology Council, 1988.[5] FEMA 154, Rapid Visual Screening of Buildings for Potential Seismic Hazards: AHandbook. Second Edition. Applied Technology Council for the Federal EmergencyManagement Agency, FEMA, Washington, D.C., 2002.[6] D. D’Ayala und E. Speranza, An integrated procedure for the assessment of seismicvulnerability of historic buildings. In: ICE (Institution of Civil Engineers), Proccedings of11321


the 12th European Conference on Earthquake Engineering (Paper Reference 561).England, London 9. - 13. September 2002.[7] T. Ferreira, R. Vicente, und H. Varum, Seismic vulnerability assessment of masonryfacade walls. In: MAEE (Macedonian Association for Earthquake Engineering),Proccedings of the 14th European Conference on Earthquake Engineering, Ohrid,Mazedonien, 30. August - 3. September 2010.[8] G. Grünthal, R. Mußon, J. Schwarz und M. Stucchi, European Macroseismic Scale 1998.Cahiers du Centre Européen de Geodynamique et de Séismologie, Vol. 15, Luxembourg,99 S., 1998.[9] K. H. Meskouris, H. Sadegh-Azar, H. Bérézowsky und R. Dümling, Schnellbewertungder Erdbebengefährdung von Gebäuden. Der Bauingenieur, 76, S. 370-376, 2001.[10] H. Sadegh-Azar, Schnellbewertung der Erdbebengefährdung von Gebäuden. Dissertation.RWTH Aachen, 2002.[11] C. Butenweg, Bewertung der Erdbebensicherheit von bestehenden Bauwerken. Wien:ÖIAV (Österreichischer Ingenieur- und Architektenverein), Tagungsband zum ÖIAVErdbebenseminar. Wien, 6. September 2007.[12] R. Flesch, W. Lenhardt und R. Geier, Schadensbeben in Österreich – Beurteilung bestehenderBauwerke. Bautechnik, 82, S. 533-538, 2005.[13] ÖIBI, Spezialseminar Ingenieurbefund. Wien: Seminarunterlagen Ingenieurbefund, 2009.[14] B. Rusnov, Analyse von erdbebengefährdeten Bauwerken mit dem Schwerpunkt auf altenund historischen Gebäuden. Dissertation. Technische Universität Wien, 2006.[15] Magistratsabteilung 37 (MA 37), 2008: Merkblatt für die Verfasser/innen von statischenVorbemessungen gemäß § 63 Abs.1 lit. h Bauordnung für Wien (BO) über den aus Sichtder Magistratsabteilung 37 - Baupolizei erforderlichen Inhalt dieses Dokumentes alsBeilage zu Bauansuchen für Bauführungen gemäß § 60 Abs. 1 lit. a (Neu-, Zu- undUmbauten), lit. b (sonstige bauliche Anlagen), lit. c (Änderung und Instandsetzung vonGebäuden und baulichen Anlagen) BO sowie gemäß § 62 Abs. 1 BO., März 2008.[16] SIA 2018, Überprüfung bestehender Gebäude bezüglich Erdbeben. Zürich: Verlag SIA(Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein ), 2004.[17] ÖNORM B 1998-1, Eurocode 8: Auslegung von Bauwerken gegen Erdbeben. Teil 1:Grundlagen, Erdbebeneinwirkungen und Regeln für Hochbauten – Nationale Festlegungenzur ÖNORM 1998-1 und nationale Erläuterungen, Stand: 2006-07-01. Wien:Österreichisches Normungsinstitut, 2006.[18] ÖNORM EN 1998-1, Eurocode 8: Auslegung von Bauwerken gegen Erdbeben. Teil 1:Grundlagen, Erdbebeneinwirkungen und Regeln für Hochbauten, Stand: 2005-06-01.Wien: Österreichisches Normungsinstitut, 2005.[19] R. Hinsch und K. Decker, Do seismic slip deficits indicate an underestimated earthquakepotential along the Vienna Basin transfer fault system? Terra Nova, 15, S. 343-349, 2003.[20] SEISMID - Seismic System Identification. www.seismid.com, 2006.32212


12. D-A-<strong>CH</strong> Tagung – Erdbeben und BaudynamikC. Könke (Hrsg.)Hannover, Deutschland, 15.–16. September <strong>2011</strong>EINFLUSS BENA<strong>CH</strong>BARTER GEBÄUDE AUF DAS SEISMIS<strong>CH</strong>ES<strong>CH</strong>WINGVERHALTENR. Borsutzky *, H. Sadegh-Azar and H.-G. Hartmann* HO<strong>CH</strong>TIEF Solutions AG, Consult IKS EnergyLyoner Straße 25, 60528 Frankfurt am Main, GermanyE-mail: robert.borsutzky@hochtief.deSchlagwörter: Erdbeben, seismische Auslegung, Boden-Bauwerk-Wechselwirkung, Etagenantwortspektren,FrequenzbereichsanalyseAbstract. In diesem Beitrag wird der gegenseitige Einfluss benachbarter Gebäude auf dieseismische Anregung und das Schwingverhalten bei Erdbeben analysiert. Es wird untersucht,welche Bauwerks- und Bodeneigenschaften einen maßgeblichen Einfluss auf die Bauwerk-Boden-Bauwerk-Wechselwirkung haben und unter welchen Voraussetzungen dieser gegenseitigeEinfluss vernachlässigt werden kann. Die dynamischen Berechnungen, auf denen die Untersuchungenbasieren, werden im Frequenzbereich durchgeführt. Es werden die Impedanzenbenachbarter Gründungen für starre Fundamente im geschichteten Boden berechnet. In einerFallstudie wird der Einfluss der Bauwerk-Boden-Bauwerk-Wechselwirkung benachbarter Gebäudebeleuchtet. Hierzu werden anhand einiger Beispielprojekte aus der Praxis die Auswirkungender Wechselwirkung auf die anzusetzenden Erdbebenlasten sowie die Bauwerksantwortspektren(Etagenantwortspektren) untersucht. Gegenstand dieser Untersuchung sind massigebenachbarte Bauwerke wie sie im Industrie- und Kraftwerksbau typischerweise anzutreffensind. In einer Parameterstudie werden u.a. die Auswirkungen der Masse benachbarter Bauwerkesowie der Steifigkeit des Baugrundes untersucht.1323


1 EINLEITUNGBei der seismischen Auslegung massiger Gebäude auf weichem Untergrund spielt die Boden-Bauwerk-Wechselwirkungeine wichtige Rolle. Stehen zwei Gebäude in unmittelbarerNachbarschaft, beeinflussen sie sich bei Anregung durch Erdbeben gegenseitig in ihremSchwingverhalten. Obwohl enge benachbarte Bebauung in der Baupraxis keine Seltenheit ist,wird in der Praxis die gegenseitige Bauwerk-Boden-Bauwerk-Wechselwirkung jedoch meistvernachlässigt.Die Fragestellung, welchen Einfluss das Schwingen eines seismisch angeregten Gebäudesauf seine Nachbargebäude hat, soll in diesem Beitrag anhand einer numerischen Untersuchungbeleuchtet werden. Dazu werden dynamischen Berechnungen im Frequenzbereich mit 3D-Modellen der Gebäude sowie des Bodens durchgeführt. Es werden die Impedanzen benachbarterGründungen für starre Fundamente im geschichteten Boden berechnet. Der Boden wird dabeials horizontal geschichtetes, seitlich unendlich ausgedehntes Medium mit linearem, viskoelastischemMaterialverhalten aufgefasst. An den Modellberandungen werden mögliche Wellenreflexionenverhindert. Durch dieses Berechnungsverfahren werden die Abstrahldämpfungund die Wechselwirkung der über den Baugrund gekoppelten Bauwerke realitätsnah erfasst.Das Berechnungsverfahren wird zunächst erläutert.Mit dem beschriebenen Berechnungsverfahren wird dann in einer Fallstudie der Einfluss derBauwerk-Boden-Bauwerk-Wechselwirkung benachbarter Gebäude untersucht. Hierzu werdenanhand einiger Beispielprojekte aus der Praxis die Auswirkungen der Wechselwirkung auf dieanzusetzenden Erdbebenlasten sowie die Bauwerksantwortspektren (Etagenantwortspektren)untersucht. Gegenstand dieser Untersuchung sind benachbarte Bauwerke wie sie im IndustrieundKraftwerksbau typischerweise anzutreffen sind. Die Auswirkungen von Bauwerksmasse,Konstellation der Bauwerke und Bodensteifigkeit werden in der Fallstudie variiert.2 BERE<strong>CH</strong>NUNGSVERFAHRENFür die dynamischen Berechnungen benachbarter Bauwerke wird die dynamische Wechselwirkungüber den Baugrund im Rahmen der Rechenannahmen mit einem 3D-Modell vollständigerfasst. Als Gründungen der Bauwerke werden jeweils starre Sohlplatten mit ihren vorhandenenAbmessungen angenommen. Für die Bauwerke selbst werden Balkenmodelle verwendet,mit welchen das globale Schwingverhalten auf dem Baugrund hinreichend genau erfasst werdenkann. Die Berechnungen zur Erfassung des seismischen Schwingverhaltens werden imFrequenzbereich durchgeführt. Auf diese Weise kann die frequenzabhängige Abstrahlungsdämpfungim Baugrund realitätsnah erfasst werden.2.1 Methode der Berechnung im FrequenzbereichZur Berechnung der Baustrukturen im 3D-Modell wird das Programm SAPC verwendet.Das Programm SAPC ist eine komplexe, im Frequenzbereich formulierte Version von SAP-IV*[1]. Der Steifigkeitsmodul E geht über in die komplexe Steifigkeit E E (1 i 2D)mitdem hysteretischen Dämpfungsmaß D . Es gelten ansonsten dieselben Annahmen wie inSAP-IV. Als Berechnungsergebnisse liefert SAPC komplexe Beschleunigungen als Funktioneiner harmonischen Basisbeschleunigung. Über die Anregungsfrequenzen geordnet können dieErgebnisse als Übertragungsfunktionen interpretiert werden.3242


2.2 Impedanzen der GründungIm ersten Berechnungsschritt werden die Impedanzen des Baugrunds mit dem HO<strong>CH</strong>TIEF-Programm BAUBOW [2] ermittelt. BAUBOW berechnet die Impedanzen für ebene Fundamenteauf einem geschichteten, linear visko-elastischen Boden nach dem Verfahren der dünnenSchichten (Thin Layer Method). Die statische Gründungssteifigkeit ist als Spezialfall für dieFrequenz 0 Hz in der allgemeinen Formulierung enthalten. Die Kopplung der Freiheitsgradeuntereinander wird berücksichtigt. Die theoretischen Grundlagen des Verfahrens sind in denVeröffentlichungen [3], [4] und [5] dargelegt.Der Boden wird als horizontal geschichtet angenommen. Er ist seitlich unbegrenzt und ruhtin bestimmter Tiefe auf einem elastischen Halbraum. An der unteren Modellberandung könnenmögliche Wellenreflexionen durch spezielle Dämpfer verhindert werden. Das Bodenmaterialwird im statischen Fall als linear-elastisch, im dynamischen Fall als visko-elastisch angesehen.Zur Berechnung wird der Boden im Sinne von finiten Elementen durch Unterteilung in dünneSchichten diskretisiert. Die Bettungsfläche des Fundaments ist die Schnittstelle zwischenBAUBOW und SAPC zur Berechnung der Baustruktur auf dem Boden. Im allgemeinen Fallberechnet BAUBOW die Bettungsmatrix für definierte Knotenpunkte. Bei starren Fundamentenwerden die Bettungsmatrizen zu Impedanzen kondensiert.Die dynamische Berechnung wird im Frequenzbereich durchgeführt. Die hysteretische Materialdämpfungund die frequenzabhängige Abstrahlungsdämpfung im Boden lassen sich aufdiese Weise gut erfassen. Die Materialkennwerte und die Zustandsgrößen werden als komplexeGrößen formuliert. Die Verschiebungsansätze für die Bodenschichten sind linear in vertikalerRichtung, während sie in horizontaler Richtung als Hankel- und Besselfunktionen die in Zylinderkoordinatenformulierten Differentialgleichungen des Kontinuums erfüllen. In vertikalerRichtung ergeben sich durch Erfüllen der Übergangsbedingungen an den Schichtgrenzen zweialgebraische Eigenwertprobleme, deren vollständige Lösung schnell durch maßgeschneiderteAlgorithmen erfolgt. Man erhält die Wellenzahlen der Rayleigh- und der Love-Wellen nebstzugehörigen Eigenformen. Die Beteiligungsfaktoren der Eigenformen an den Verformungendes geschichteten Bodens infolge von Einheitslasten werden explizit berechnet. Angewendetauf die diskretisierten Knotenpunkte im BAUBOW-Modell erhält man Last-Verschiebungs-Beziehungen der Knoten untereinander, die in einer dynamischen Flexibilitätsmatrix geordnetwerden. Pro Knoten sind drei Freiheitsgrade vorgesehen: zwei horizontale und die vertikaleVerschiebung. Die Bettungsmatrix wird anschließend durch Inversion der Flexibilitätsmatrixgebildet. Bei starren Fundamenten erhält man die Steifigkeitsmatrix des Fundamentes dadurch,dass man die kinematische Abhängigkeit der Freiheitsgrade in der Bettungsmatrix berücksichtigt.Für n Fundamente hat die Matrix die Dimension 6n x 6n, entsprechend den möglichenVerschiebungen und Verdrehungen von n starren Körpern im Raum.Die Impedanzmatrix wird für Frequenzen zwischen 0 und 20 Hz berechnet. Die äquivalenteDämpfung kann aus den Impedanzen nach folgender Formel näherungsweise ermittelt werden:mit Real( K ()) : Realteil der Impedanz bei Frequenz , Imag( K())D ( ) Abs(1) 2 Real( K())Imag( K ()): Imaginärteil der Impedanz bei Frequenz .3325


2.3 ÜbertragungsfunktionenIm zweiten Berechnungsschritt werden die Impedanzmatrizen der Gründung mit der Steifigkeitsmatrixdes Bauwerksmodells überlagert. Für Knoten im Bauwerksmodell werden dieÜbertragungsfunktionen der Beschleunigungen errechnet. Zur Berechnung wird das ProgrammSAPC verwendet, das Gleichungssystem wird für jede Anregungsfrequenz aufgelöst. Als Berechnungsergebnisseerhält man komplexe Beschleunigungen als Funktion der Frequenz für dieausgewählten Knoten des Bauwerkmodells. Die Berechnungen werden für 81 Frequenzen zwischen0 und 20 Hz ausgeführt. Die Zwischenwerte der komplexen Übertragungsfunktionenwerden über ein Fünf-Punkt-Interpolationsschema errechnet. Das Verfahren basiert auf derexakten Antwort eines Zwei-Massen-Schwingers bei harmonischer Fußpunktanregung. Es liefertauch bei Mehrmassenschwingern gute Ergebnisse, solange nicht mehr als zwei Resonanzeninnerhalb des Interpolationsintervalls liegen.2.4 FouriertransformationAus den zum Bodenantwortspektrum kompatiblen künstlichen Anregungsbeschleunigungszeitverläufenwerden über eine schnelle Fouriertransformation (FFT) die Fourierspektren gewonnen.Multipliziert mit den Übertragungsfunktionen und rücktransformiert in den Zeitbereich,erhält man die Zeitverläufe der Absolutbeschleunigungen der einzelnen Knoten. DurchSuperposition ergeben sich die Gebäudeantworten bei mehrachsiger Erdbebenanregung.2.5 EtagenantwortspektrenDie Gebäudebeschleunigungen für Anregung in einer horizontalen und der vertikalen Richtungwerden überlagert. Für diese Zeitverläufe der Gebäudebeschleunigung werden dann Etagenantwortspektren(EAS) berechnet. Die Etagenantwortspektren werden erzeugt, indem mitden Antwortbeschleunigungszeitverläufen Einmassenschwinger mit ca. 60 verschiedenen Eigenfrequenzenangeregt werden. Die Antwortbeschleunigungen werden für 4 % Dämpfungberechnet und die Maximalwerte über der jeweiligen Eigenfrequenz als Spektralwert aufgetragen.Dieser Berechnungsvorgang wird für verschiedene Kombinationen von Zeitverläufen derAnregungsbeschleunigung wiederholt, um den Einfluss von Zufälligkeiten zu reduzieren. DieSpektren für die verschiedenen Zeitverlaufskombinationen werden daher gemittelt.3 UNTERSU<strong>CH</strong>UNG DER BAUWERK-BODEN-BAUWERK WE<strong>CH</strong>SELWIRKUNGUm den Einfluss der Bauwerk-Boden-Bauwerk Wechselwirkung generell analysieren zukönnen, werden drei mögliche Fälle benachbarter Gebäude und der Einfluss der Bodensteifigkeituntersucht: Fall A: Einfluss eines massigen Gebäudes auf ein leichteres Gebäude Fall B: Einfluss eines leichteren Gebäudes auf ein massiges Gebäude Fall C: Einfluss gleich schwerer Gebäude aufeinander Fall D: Einfluss der BodensteifigkeitIm Folgenden wird zunächst auf die Eingangsdaten der Fallstudie eingegangen. Im Anschlusswerden die Ergebnisse diskutiert.3264


3.1 Eingangsparameter der Fallstudie3.1.1 Bauwerke und GründungenEs werden drei charakteristische Kraftwerksbauwerke untersucht, die in einer typischenKonstellation angeordnet sind. Die Anordnung der drei Bauwerke Reaktorgebäude (RG), Maschinenaus(MH) und SAS-Gebäude (SAS) sind im Längsschnitt in Abbildung 1(a) und imGrundriss in Abbildung 1(b) dargestellt.(a)(b)Punkte auf Sohlplatte zurAuswertung der SchwingungsanalyseAbbildung 1: (a) Anordnung der untersuchten benachbarten Gebäude im Längsschnitt, (b) Gründungen mitKoordinatensystem und Auswertungspunkten der Schwingungsanalyse3.1.2 Bodenschichtung und dynamische BodenkennwerteIn Tabelle 1 sind Bodenschichtung und typische Bodenkennwerte für einen Kraftwerksstandortgegeben. Die angegebenen Schubmoduln G 0 gelten für kleine Schubverzerrungen. BeiBemessungserdbeben sind im oberen Bodenbereich mittlere Schubverzerrungen in einer Größenordnungvon 10 -3 bis 10 -2 % zu erwarten. Bei Sand- oder Kiesschichten nimmt dann dereffektive Schubmodul auf etwa 90 % bis 70 % des Wertes von G 0 ab. Ab einer Tiefe von -43 mwird ein elastischer Halbraum mit einer geringen linearen Zunahme des Schubmoduls angenommen.Tabelle 1: Bodenschichtung und dynamische BodenkennwerteTiefe Bodenschicht MassendichtedynamischerSchubmodulPoissonzahlHysteret.Dämpfung[m] r [t/m 3 ] G 0 [MN/m 2 ] n [-] D [%]bis -3.0 Deckschicht aus Feinsand 1.80 18 0.44 9.0-3.0-6.0 Sandiger Kies 1.80 95 0.49 9.0-6.0-12.0 Sandiger Kies 1.90 100 0.49 9.0-12.0-23.0 Sand 1.90 267 0.48 9.0-23.0-43.0 Sand 1.90 351 0.47 9.0ab -43.0 Schluffige Fein- undMittelsande1.90 617 0.45 9.0Um den Einfluss der Bodensteifigkeit auf die Resultate zu eruieren, werden die Bodensteifigkeitennach gängiger Praxis variiert. Da zunächst nicht der Einfluss der Bodensteifigkeit5327


untersucht werden soll, wird in den ersten drei Fällen (A-C) auf eine Variation verzichtet. Imvierten Fall (D) werden die dynamischen Schubmoduln jeweils mit den Faktoren 5 und 0.2multipliziert.3.1.3 Seismische LastvorgabeAls Lastvorgabe wird von generierten Zeitverläufen der Bodenbeschleunigung ausgegangen,welche zu einem typischen Bodenantwortspektrums kompatibel sind. Das Spektrum ist in Abbildung2 dargestellt.Abbildung 2: Bodenantwortspektrum (D=5%) für ein typisches BemessungserdbebenFür die Vertikalkomponente des Erdbebens werden die 0.5-fachen horizontalen Beschleunigungenangesetzt. Bei den Berechnungen werden die Beschleunigungen durch Erdbebenanregungin einer horizontalen Richtung mit den Beschleunigungen durch vertikales Erdbebenüberlagert.3.1.4 Gebäude- und BodenmodelleDie untersuchten Gebäude werden durch 3D-Modelle aus Balken abgebildet. Der Baugrundwird als dreidimensionales, horizontal geschichtetes, visko-elastisches Medium modelliert(s. Abschnitt 2). Die benachbarten Gebäude sind somit über den Boden gekoppelt.Für die Berechnungen wird angenommen, dass die horizontalen Beschleunigungen im Freifeld(d.h. Baugrund ohne Einfluss des Gebäudes) durch vertikal einfallende Scherwellen verursachtwerden, die an den Schichtgrenzen des Bodens teilweise und an der freien Geländeoberkantetotal reflektiert werden. Gesamtmassen und Grundrissabmessungen der Gebäude sind inTabelle 2 aufgelistet. Die Sohlplatten werden als starr angenommen.Tabelle 2: Bauwerksmassen und Abmessungen der Sohlplatten der untersuchten BauwerkeGebäude Masse des Gebäudes [10 3·t] Fläche Sohlplatte [m x m]Reaktorgebäude (RG) ~80 60.0 x 30.0SAS-Gebäude (SAS) ~15 60.0 x 15.0Maschinenhaus (MH) ~90 40.0 x 90.03.2 Fall A: Einfluss eines massigen Gebäudes auf ein leichteres GebäudeAls erster Fall soll der Einfluss des durch Erdbeben angeregten massigen Reaktorgebäudesauf das seismische Schwingverhalten des wesentlich leichteren SAS-Gebäudes untersucht wer-3286


den. Das Reaktorgebäude besitzt in etwa die fünf- bis sechsfache Masse des SAS-Gebäudes.Um den Einfluss der Bauwerk-Boden-Bauwerk-Wechselwirkung zu beleuchten, werden zweidynamische Berechnung durchgeführt: die des als alleinstehenden Bauwerks modelliertenSAS-Gebäudes (Modell SAS) und die der durch ein gemeinsames Modell abgebildeten SASundReaktorgebäude (Modell SAS-RG). Die Ergebnisauswertung der seismischen Schwingungsberechnungerfolgt in Form von Etagenantwortspektren (EAS) an dem in Abbildung 1(b)gezeigten Punkt der Sohlplatte des SAS-Gebäudes. Die Übertragungsfunktionen sowie die Etagenantwortspektrendes Auswertungspunktes sind für die beiden Modelle SAS und SAS-RG inAbbildung 3 gegenübergestellt.(a)(d)(b)(e)(c)(f)Abbildung 3: Ergebnisse der seismischen Schwingungsanalyse des SAS-Gebäudes (Sohlplatte) ohne (SAS)und mit (SAS-RG) Wechselwirkung zum benachbarten Reaktorgebäude: Übertragungsfunktion in RichtungenX (a), Y (b) und Z (c), EAS in Richtungen X (d), Y (e) und Z (f)7329


Aus den Übertragungsfunktionen des elastisch gelagerten SAS-Gebäudes ohne Wechselwirkungmit dem benachbarten Reaktorgebäude (Modell SAS) ist nur eine Resonanzfrequenz jeSchwingungsrichtung abzulesen. Wird die Wechselwirkung mit dem Reaktorgebäude über denBaugrund berücksichtigt (Modell SAS-RG), dann sind bei allen drei Schwingungsrichtungenmehrere Resonanzspitzen zu erkennen, deren Amplitudenwerte gegenüber den Amplitudenohne Wechselwirkung reduziert sind. Während für die X-Richtung (Längsrichtung des SAS-Gebäudes) der Amplitudenwert der Resonanzspitze unter Berücksichtigung der Wechselwirkung(Modell SAS-RG) gegenüber der Modellierung ohne Wechselwirkung (Modell SAS) inetwa um 25% abfällt, reduziert sich für die Y-Richtung (Querrichtung des SAS-Gebäudes) dieResonanzamplitude nicht. Die Resonanzfrequenz ändert sich für diese Richtung kaum. In vertikalerRichtung reduziert sich der Spitzenwert der Übertragungsfunktion nur unwesentlich. ImFrequenzbereich zwischen 3 und 6 Hz ist jedoch ein ausgeprägter Tilgungseffekt zu erkennen.Tabelle 3 zeigt die Eigenfrequenzen des SAS-Gebäudes und des Reaktorgebäudes. An denEigenfrequenzen, die für die beiden Bauwerke ohne Wechselwirkungseinflüsse berechnet wurden,erkennt man die Auswirkungen auf die Übertragungsfunktionen in horizontaler Richtung.Für die X-Richtung liegen die Eigenfrequenzen des Reaktorgebäudes unter der des SAS-Gebäudes. Der Schwingungstakt des schwereren Gebäudes ist deutlich an den Resonanzspitzenin der Übertragungsfunktion zu erkennen. Das Reaktorgebäude dominiert also das Schwingverhaltendes SAS-Gebäudes, so dass sich die Resonanzspitzen gegenüber dem freischwingendenSAS-Gebäude signifikant reduzieren. In der Y-Richtung sind die maßgeblichen Frequenzender beiden Bauwerke fast identisch. Der reduzierende Einfluss der benachbarten Bauwerkeüber die Boden-Bauwerk-Wechselwirkung ist daher nicht vorhanden.Tabelle 3: Maßgebliche Resonanzfrequenzen des SAS-Gebäudes, des Reaktorgebäudes und des Maschinenhausesohne WechselwirkungEigenfrequenz [Hz]Schwingrichtung SAS-Gebäude Reaktorgebäude Maschinenhausx-yy 4.561.933.82 (Innenstruktur)3.11y-xx 3.021.473.10 (Innenstruktur)3.32z 7.66 4.71 6.01Der in den Übertragungsfunktionen des SAS-Gebäudes (Abbildung 3(a)-(c)) deutlich zu erkennendeEinfluss der Wechselwirkung mit dem Reaktorgebäude, macht sich auch bei denEtagenantwortspektren (EAS) bemerkbar. In Abbildung 3(d)-(f) werden die ungeglätteten EASdes SAS-Gebäudes für D = 4% ohne und mit Berücksichtigung der Wechselwirkung einandergegenübergestellt. Analog zu den Übertragungsfunktionen sind qualitativ die gleichen Auswirkungender Wechselwirkung der benachbarten Bauwerke auf die Etagenantwortspektren festzustellen.Durch die Wechselwirkung reduziert sich der Plateauwert des horizontalen Spektrumsin X-Richtung um 25%, in Y-Richtung ist hingegen keine Abnahme des Plateauwerts zuerkennen.Die maximalen vertikalen Spektralbeschleunigungen (in Z-Richtung) für den exzentrischenAuswertungspunkt erhöhen sich sogar um ca. 5%. Dies ist durch die dominante Kippschwingungdes Reaktorgebäudes um die X-Achse bei ca. 3 Hz zu erklären, die auch aus den Übertragungsfunktionenaus Abbildung 3(c) bzw. Abbildung 5(c) ersichtlich ist. Die Kippbewegungdes massigen Reaktorgebäudes regt das leichter SAS-Gebäude ebenfalls zu einer Kippschwingungim gleichen Frequenzbereich an. Da die Kippfrequenz gerade im Plateaubereich der ver-3308


tikalen Spektren liegt, vergrößern sich dadurch auch die Spektralbeschleunigungen. Der beschriebeneEffekt vergrößert sich, je weiter der Auswertungspunkt vom Schwerpunkt der Gebäudeebeneentfernt liegt. Abbildung 4 zeigt Übertragungsfunktion und EAS in vertikaler Richtungfür den Schwerpunkt der Sohlplatte. Da der Kippeffekt hier nicht auftritt, ist die Spitze derÜbertragungsfunktion bei 3 Hz deutlich reduziert und die Spektralbeschleunigungen vermindernsich um ca. 10%.Generell kann gesagt werden, dass sich durch die Wechselwirkung die Etagenbeschleunigungengeringfügig hin zu niedrigen Frequenzen verschieben. In horizontaler Richtung hüllendie Etagenantwortspektren ohne Berücksichtigung der Wechselwirkung die Spektren mitWechselwirkung ein. Gleiches gilt für die vertikalen Spektren im Schwerpunkt des Bauwerks.Bei exzentrischen Punkten kann eine etwaige dominante Kippschwingung des massigen Gebäudeszu einer Vergrößerung der vertikalen Spektren des leichteren Gebäudes führen. DieVernachlässigung der Bauwerk-Boden-Bauwerk-Wechselwirkung ist für diesen Fall nicht konservativ.(a)(b)Abbildung 4: Ergebnisse der seismischen Schwingungsanalyse des SAS-Gebäudes im Schwerpunkt der Sohlplatte,ohne (SAS) und mit (SAS-RG) Wechselwirkung zum benachbarten Reaktorgebäude:Übertragungsfunktion (a) und EAS (b) in vertikaler Richtung3.3 Fall B: Einfluss eines leichteren Gebäudes auf ein massiges GebäudeFür die Untersuchung des Einflusses des leichten SAS-Gebäudes auf das massige Reaktorgebäudewerden wie zuvor zwei dynamische Berechnungen durchgeführt. Neben dem schonfür den Fall A verwendeten gemeinsamen Modell RG-SAS, wird nun das als alleinstehendesBauwerk modellierte Reaktorgebäude untersucht (Modell RG). Die Übertragungsfunktionensowie die EAS des Auswertungspunktes auf der Sohlplatte des Reaktorgebäudes (s. Abbildung1(b)) sind für die beiden Modelle RG und RG-SAS in Abbildung 5 gegenübergestellt.Die Übertragungsfunktionen (Abbildung 5(a)-(c)) des Reaktorgebäudes zeigen in dem beiErdbeben maßgeblichen Frequenzbereich nur unwesentliche Abweichungen zwischen den Modellenohne und mit Wechselwirkung auf. Einzig in der Y-Richtung, d.h. in der Richtung zumSAS-Gebäude, ist bei 2.5 Hz eine geringe Überhöhung um ca. 5% des Amplitudenwertes miteiner geringfügigen Frequenzabminderung zu erkennen. Im Bereich zwischen 2.5-4.0 Hz istdafür ein Tilgungseffekt festzustellen. Dieser gemeinsame Effekt ist auf eine Resonanz der engbeieinander liegenden Eigenfrequenzen der Innenstruktur des Reaktorgebäudes und des SAS-Gebäudes zurückzuführen (vergl. Tabelle 3).Der aus den Übertragungsfunktionen ersichtliche nicht vorhandene Wechselwirkungs-Einfluss des leichten SAS-Gebäudes auf das massige Reaktorgebäude ist auch in den EAS9331


(Abbildung 5(d)-(f)) zu erkennen. Während in X- und Z-Richtung die Spektren mit und ohneBerücksichtigung der Wechselwirkung nahezu identisch sind, macht sich in Y-Richtung deroben beschriebene Effekt in den Übertragungsfunktionen auch in den Spektralbeschleunigungenbemerkbar. Der Plateauwert der Beschleunigung ändert sich allerdings durch die Berücksichtigungder Wechselwirkung nicht.Es kann also ausgesagt werden, dass der Einfluss der Bauwerk-Boden-Bauwerk-Wechselwirkung eines leichten Gebäudes auf ein massiges Gebäude vernachlässigbar ist. DieSchwingungen des leichten Gebäudes wirken sich merkbar weder auf die Übertragungsfunktionennoch auf die EAS des massigeren Gebäudes aus.(a)(d)(b)(e)(c)(f)Abbildung 5: Ergebnisse der seismischen Schwingungsanalyse des Reaktorgebäudes (Sohlplatte) ohne (RG)und mit (RG-SAS) Wechselwirkung zum benachbarten SAS-Gebäude: Übertragungsfunktion in Richtungen X (a),Y (b) und Z (c), EAS in Richtungen X (d), Y (e) und Z (f)33210


3.4 Fall C: Einfluss gleich schwerer Gebäude aufeinanderDie Wechselwirkung zweier massiger Gebäude über den Boden wird mit dem gemeinsamenModell des Maschinenhauses und des Reaktorgebäudes untersucht (Modell RG-MH). Die Ergebnisseam gleichen Auswertungspunkt wie für Fall B werden dem Modell RG (alleinstehendesReaktorgebäude) gegenübergestellt. In Tabelle 3 sind die ersten Eigenfrequenzen der betrachtetenGebäude ohne Berücksichtigung der Wechselwirkung aufgelistet. Die Übertragungsfunktionensowie die Etagenantwortspektren des Auswertungspunktes auf der Sohlplatte desReaktorgebäudes (s. Abbildung 1(b)) sind für die beiden Modelle RG und RG-MH in Abbildung6 gegenübergestellt.(a)(d)(b)(e)(c)(f)Abbildung 6: Ergebnisse der seismischen Schwingungsanalyse des Reaktorgebäudes (Sohlplatte) ohne (RG)und mit (RG-MH) Wechselwirkung zum benachbarten Maschinenhaus: Übertragungsfunktion in RichtungenX (a), Y (b) und Z (c), EAS in Richtungen X (d), Y (e) und Z (f)11333


Generell sind in dem für Erdbeben maßgeblichen Frequenzbereich nur wenige Abweichungenzu erkennen. Für X- und Z-Richtung sind die Spektralbeschleunigungen des Modells RG,d.h. ohne Berücksichtigung der Wechselwirkung, abdeckend. Die in den Übertragungsfunktionender Y-Richtung (Abbildung 6(b)) erkennbare Frequenzverschiebung mit gleichzeitigerVergrößerung des Peakwertes der zweiten Spitze, bedingt eine ~10%ige Vergrößerung der inAbbildung 6(e) gezeigten Spektralbeschleunigungen bei 2.5 Hz. Dies ist durch einen Resonanzeffektzu erklären, da beide Gebäude in Y-Richtung in etwa gleiche Eigenfrequenzen aufweisen(vergl. Tabelle 3).Es kann festgestellt werden, dass eine gegenseitige Beeinflussung der Schwingungen zweiergleich schwerer Gebäude besteht, auch wenn diese nicht sehr groß ist. Unter Anbetracht der inder Praxis üblichen breiten Variation der Bodensteifigkeiten als auch der Glättung und Verbreiterungder Spektren sind die Abweichungen, die durch die Berücksichtigung der Wechselwirkungentstehen, jedoch gering. Die eingehüllten, geglätteten Spektren ohne Berücksichtigungder Wechselwirkung können daher als abdeckend angesehen werden.3.5 Fall D: Einfluss der BodensteifigkeitAbschließend soll der Einfluss der Bodensteifigkeit auf die Wechselwirkung benachbarterGebäude betrachtet werden. Da gezeigt wurde, dass der Wechselwirkungseinfluss eines massigenGebäudes auf ein leichtes am größten ist, wird die Konstellation aus Fall A als Referenzgewählt. Für diesen Fall werden die Schubmoduln des geschichteten Bodens aus Tabelle 1 zumEinen mit dem Faktor 5 multipliziert (steifer Boden) und zum Anderen durch den Divisor 5geteilt (weicher Boden).Abbildung 7 zeigt die Ergebnisse für den steifen Boden in der X-Richtung. In den Übertragungsfunktionen(Abbildung 7(a)) zeigt sich ein deutlicher Tilgungseffekt im Bereich um diemaßgebende Eigenfrequenz des SAS-Gebäudes bei 6-10 Hz. Da dieser Frequenzbereich aberbei Erdbeben nicht stark angeregt wird, wirkt sich die Tilgung in den Spektren (Abbildung7(b)) kaum aus.(a)(b)Abbildung 7: Ergebnisse der seismischen Schwingungsanalyse des SAS-Gebäudes (Sohlplatte) bei steifemBoden ohne (Modell SAS) und mit (Modell SAS-RG) Wechselwirkung zum benachbarten Reaktorgebäude: Übertragungsfunktion(a) und EAS (b) in horizontaler X-RichtungDie analogen Ergebnisse für den weichen Boden sind in Abbildung 8 geplottet. Auch hier(Abbildung 8(a)) ist eine Tilgung durch den Einfluss des massigen Reaktorgebäudes bei derausschlaggebenden Eigenfrequenz des alleinstehenden SAS-Gebäudes bei ca. 1.5 Hz zu erkennen.Der Peakwert wird um gute 20% reduziert. In den EAS (Abbildung 8(b)) ist allerdings nur33412


noch eine Reduktion von 15% zu erkennen, da die maximale seismische Anregung oberhalb2 Hz liegt.Der Einfluss der seismischen Bauwerk-Boden-Bauwerk-Wechselwirkung nimmt also mitsteiferem Boden ab, da sich die Eigenfrequenzen der Bauwerke weiter vom Anregungsfrequenzbereicheines Erdbebens entfernen. Die Spektren ohne Wechselwirkungseinfluss könnenalso als abdeckend angesehen werden. Im Prinzip gilt gleiches für weichen Boden.(a)(b)Abbildung 8: Ergebnisse der seismischen Schwingungsanalyse des SAS-Gebäudes (Sohlplatte) bei weichemBoden ohne (Modell SAS) und mit (Modell SAS-RG) Wechselwirkung zum benachbarten Reaktorgebäude: Übertragungsfunktion(a) und EAS (b) in horizontaler X-Richtung4 ZUSAMMENFASSUNGFür benachbarte Bauwerke des Kraftwerksbaus wurde untersucht, welche Bauwerks- undBodeneigenschaften einen maßgeblichen Einfluss auf die Bauwerk-Boden-Bauwerk-Wechselwirkung haben und unter welchen Voraussetzungen dieser gegenseitige Einfluss vernachlässigtwerden kann.Der Einfluss eines massigen auf ein leichtes Gebäude bewirkt, dass sich durch die Wechselwirkungdie Etagenbeschleunigungen geringfügig hin zu niedrigen Frequenzen verschieben.In horizontaler Richtung hüllen die Etagenantwortspektren ohne Berücksichtigung der Wechselwirkungdie Spektren mit Wechselwirkung ein. Gleiches gilt für die vertikalen Spektren imSchwerpunkt des Bauwerks. Bei exzentrischen Punkten kann eine etwaige dominante Kippschwingungdes massigen Gebäudes zu einer Vergrößerung der vertikalen Spektren des leichterenGebäudes führen. Die Vernachlässigung der Bauwerk-Boden-Bauwerk-Wechselwirkung istfür diesen Fall nicht konservativ.Der Einfluss der Bauwerk-Boden-Bauwerk-Wechselwirkung eines leichten auf ein massigesGebäude ist vernachlässigbar. Die Schwingungen des leichten Gebäudes wirken sich merkbarweder auf die Übertragungsfunktionen noch auf die EAS des massigeren Gebäudes aus.Bei zwei gleich schweren Gebäuden besteht zwar eine gegenseitige Beeinflussung derSchwingungen, diese ist aber nicht sehr groß. Unter Anbetracht der in der Praxis üblichen breitenVariation der Bodensteifigkeiten als auch der Glättung und Verbreiterung der Spektren sinddie Abweichungen, die durch die Berücksichtigung der Wechselwirkung entstehen, jedoch gering.Die eingehüllten, geglätteten Spektren ohne Berücksichtigung der Wechselwirkung könnendaher als abdeckend angesehen werden.Die Bodensteifigkeit betreffend nimmt der Einfluss der seismischen Bauwerk-Boden-Bauwerk-Wechselwirkung mit steiferem Boden ab, da sich die Eigenfrequenzen der Bauwerke13335


weiter vom Anregungsfrequenzbereich eines Erdbebens entfernen. Die Spektren ohne Wechselwirkungseinflusskönnen also als abdeckend angesehen werden. Im Prinzip gilt gleiches fürweichen Boden.Zusammenfassend können also die folgenden Fälle genannt werden, bei denen der Einflussder Bauwerk-Boden-Bauwerk-Wechselwirkung konservativ vernachlässigt werden kann:Einfluss eines leichten auf ein massiges GebäudeEinfluss zweier gleich schwerer Gebäude aufeinander (bei üblicher Verbreiterung)Einfluss eines massigen Gebäudes auf leichteres bei zentrischen AuswertungspunktenDer Einfluss der Wechselwirkung von massigen auf leichte Gebäude auf die EAS in vertikalerRichtung ist für exzentrische Auswertungspunkte genauer zu untersuchen.LITERATUR[1] SAP IV: Beschreibung und Benutzerhandbuch. Ein Programmsystem zur linearen statischenund dynamischen Berechnung von Tragwerken, Mitteilung Nr. 75-14/KIB-RuhrUniversität Bochum, Oktober 1975[2] BAUBOW: HO<strong>CH</strong>TIEF-Programme zur statischen und dynamischen Berechnung von3D-Gründungen im geschichteten Boden, Version UNIX, 1997[3] Waas, G.: Linear Two-Dimensional Analysis of Soil Dynamic Problems in Semi-InfiniteLayered Media. Dissertation, University of California, Berkeley, California, 1972[4] Waas, G.: Dynamisch belastete Fundamente auf geschichtetem Baugrund. In VDI-Bericht 381, 1980[5] Waas, G., Riggs, H.R., Werkle, H.: Displacement Solutions for Dynamic Loads in Transversely-IsotropicStratified Media. Earthquake Engineering and Structural Dynamics,Vol. 13, 198533614


12. D-A-<strong>CH</strong> Tagung – Erdbeben und BaudynamikC. Könke (Hrsg.)Hannover, Deutschland, 15.–16. September <strong>2011</strong>INNOVATIVE SEISMIS<strong>CH</strong>E ERTÜ<strong>CH</strong>TIGUNG EINESS<strong>CH</strong>ULGEBÄUDES IN ATHEN MITTELS S<strong>CH</strong>WINGUNGSTILGERA. Brendike *, Y. Petryna and P. Nawrotzki* Fachgebiet Statik und Dynamik, Technische Universität BerlinGustav-Meyer-Allee 25, 13355 BerlinE-mail: Andre.Brendike@TU-Berlin.deKeywords: Erdbeben, Ertüchtigung, Schulgebäude, Schwingungstilger.Abstract. Bei der Ertüchtigung bestehender Bauwerke hinsichtlich Erdbeben denken vieleIngenieure zunächst an statisches Verstärken. Gegenwärtig existiert eine Vielzahl vonAlternativen zum konventionellen Verstärken. In zunehmendem Maße legen Bauherren mehrWert auf sekundäre Anforderungen von Ertüchtigungsmaßnahmen wie Nutzungsausfall undBeeinträchtigungen durch Baulärm etc. Im Rahmen des Kooperationsprojekts SEISMOFIT sollan einem Referenzgebäude eine innovative Ertüchtigungsstrategie verwirklicht werden, dieauch sekundäre Kriterien erfüllt. Mittels dieser innovativen Technologie namens TSMCS"Tuned Stiffness and Mass Control System" wird das dynamische Verhalten von Gebäuden beiErdbeben essenziell verändert. Durch die Installation von Tilgern (tuned mass), welche ausaufeinander abgestimmten Komponenten (Feder-, Dämpfer- und Massenelementen) bestehen,wird die Einwirkung infolge Erdbeben deutlich herabgesetzt. Sofern erforderlich könnenminimal invasive konventionelle Ertüchtigungsmaßnahmen (tuned stiffness) dieErdbebensicherheit zusätzlich erhöhen. Hierbei sind sowohl das Verstärken oder Hinzufügenvon Traggliedern, die Beseitigung von „weichen Geschossen“ sowie ein Schwächen derStruktur möglich. Das Projekt beinhaltet im Einzelnen die Konzeption, die Planung, diekonstruktive Umsetzung des TSMCS und ein Verfahren zum Nachweis der Erdbebensicherheitsowie die Entwicklung der Tilgerkomponenten. Die Wirksamkeit dieser Systeme soll durchumfassende Computersimulationen nachgewiesen und durch Messungen am Referenzgebäudeüberprüft werden. Im Beitrag wird über Schwingungsmessungen am Gebäude, die Entwicklunggeeigneter numerischer Modelle zur Simulation sowie verwendete Materialmodelle und dieKonzeption und Wahl der Ertüchtigungsstrategie berichtet. SEISMOFIT ist einKooperationsprojekt zwischen der TU Berlin (Teilprojekt SEISMOFIT-SIM) und der Fa. GERB(Teilprojekt SEISMOFIT-TMD) gefördert durch das ZIM Programm des Bundesministeriumsfür Wirtschaft.1337


1 DAS PROJEKT SEISMOFITSEISMOFIT ist ein Kooperationsprojekt zwischen der TU Berlin (Teilprojekt SEISMOFIT-SIM) und der Fa. GERB (Teilprojekt SEISMOFIT-TMD) gefördert durch das ZIM Programmdes Bundesministerium für Wirtschaft. Ziele des Projekts sind die Entwicklung einereffizienten Technologie zur seismischen Ertüchtigung von Gebäuden und die Erprobung dieserTechnologie an einem Referenzobjekt. Mittels dieser innovativen Technologie namens TSMCS"Tuned Stiffness and Mass Control System" wird das dynamische Verhalten von Gebäuden beiErdbeben essenziell verändert. Durch die Installation von Tilgern (tuned mass), welche ausaufeinander abgestimmten Komponenten (Feder-, Dämpfer- und Massenelementen) bestehen,wird die Einwirkung infolge Erdbeben deutlich herabgesetzt. Sofern erforderlich könnenminimal invasive konventionelle Ertüchtigungsmaßnahmen (tuned stiffness) dieErdbebensicherheit zusätzlich erhöhen. Hierbei sind sowohl das Verstärken oder Hinzufügenvon Traggliedern, die Beseitigung von „weichen Geschossen“ sowie ein Schwächen derStruktur möglich. Das Projekt beinhaltet im Einzelnen die Konzeption, die Planung, diekonstruktive Umsetzung des TSMCS und ein Verfahren zum Nachweis der Erdbebensicherheitsowie die Entwicklung der Tilgerkomponenten. Die Wirksamkeit dieser Systeme soll durchumfassende Computersimulationen nachgewiesen und durch Messungen am Referenzgebäudeüberprüft werden.2 SEISMIS<strong>CH</strong>E ERTÜ<strong>CH</strong>TIGUNGIm folgenden Abschnitt werden verschiedene Möglichkeiten zur seismischen Ertüchtigung,deren Effekt auf das Tragverhalten sowie allgemeine Anforderungen anErtüchtigungsmaßnahmen dargestellt.2.1 Internationaler Stand der TechnikAktuelle Normen zur Erdbebenertüchtigung von Gebäuden, beispielsweise Eurocode 8 [1]in Europa oder Regelwerke in den USA [2,3,4] enthalten eine Reihe von konventionellenLösungen zur Ertüchtigung von Gebäuden wie die Änderung der Nutzung, das Verstärken vonTraggliedern, das Hinzufügen von Tragelementen sowie die Änderung des Tragsystems. Auchist ein gezieltes Schwächen oder Trennen des Tragwerks möglich, um eine regelmäßigeVerteilung der Massen und Steifigkeiten zu erhalten. Des Weiteren kann die erforderlicheErdbebensicherheit durch eine Herabsetzung der Bedeutungsklasse des Bauwerks aufgrundeiner Nutzungsänderung erreicht werden. Zugleich begünstigt die Reduktion derGebäudemasse, z. B. durch Abtragen von Geschossen, eine Erhöhung der Erdbebensicherheit.Ebenso ist es möglich, die Verformbarkeit des Gebäudes zu erhöhen, um sprödeVersagensmechanismen zu verhindern und so das Verhalten der Tragstruktur während einesErdbebens zu verbessern. Diese Maßnahmen erfordern meist umfangreiche Eingriffe in dasGebäude, welche mit langen Bauarbeiten und häufig mit Beeinträchtigungen sowieVeränderungen der Nutzung verbunden sind. Nicht selten verändern sie auch das äußere Bildder Gebäude und verursachen längere Ausfallzeiten. Nicht immer führen diese Lösungen zurgeforderten Sicherheit hinsichtlich Erdbeben. Ebenso ist eine nachträgliche Installation einerSchwingungsisolierung zwar auch möglich und sehr wirksam, jedoch mit umfangreichenBauarbeiten und immensen Kosten verbunden. Neben konventionellenErtüchtigungsmaßnahmen werden auch verschiedene passive, semi-aktive oder aktiveErdbebenschutzsysteme erforscht und eingesetzt. Vornehmlich erhöhen sie die Dämpfung desSystems oder steuern die Schwingungsantwort des Gebäudes. Häufig kann mittels einer3382


Maßnahme die erforderliche Erdbebensicherheit nicht erreicht werden. So besteht das Konzeptzur Erdbebensicherung eines Gebäudes oft aus der Kombination verschiedener Maßnahmen.2.2 Anforderungen an ErtüchtigungsmaßnahmenDie Ertüchtigungsmaßnahmen sollen verschiedene Anforderungen erfüllen. Primär sollmittels Ertüchtigung das geforderte Niveau der Erdbebensicherheit unter Beachtung derWirtschaftlichkeit erreicht werden. Insbesondere sekundäre Kriterien erlangten in denvergangenen Jahren zu größerer Bedeutung für die Eigentümer, wie eine japanische Studiebelegt [5]. Demnach sollen Ertüchtigungsmaßnahmen keine Einschränkung derGebäudefunktion bewirken, innerhalb kurzer Bauzeit durchgeführt werden, die Architektur desGebäudes bzw. Fassade nicht beeinträchtigen oder verändern, möglichst geringe Belästigung inder Bauphase (Lärm, Schmutz, etc.) verursachen, eine Nutzung des Gebäudes während derBauphase ermöglichen und so keinen Nutzungs- bzw. Mietausfall zur Folge haben.2.3 Wirkung ausgewählter ErtüchtigungsstrategienHäufig findet die Verstärkung oder das Hinzufügen von Traggliedern Anwendung. DieWirkung einer Verstärkung wird anhand der Kapazitätsspektrummethode in der folgendenAbbildung verdeutlicht. Hierbei wird die vorliegende Erdbebeneinwirkung in Form einesAntwortspektrums dem Widerstand des Gebäudes, dargestellt als Kapazitätsspektrum,gegenübergestellt. Besitzen die Kapazitätsspektrum K1 und die Einwirkungskurve A1 keinenSchnittpunkt, so ist die Erdbebensicherheit nicht gegeben.spektrale BeschleunigungA 2A 1K 2K 1A 1- Antwortspektrum originale StrukturA 2- Antwortspektrum ertüchtigte StrukturK 1- Kapazitätsspektrum originale StrukturK 2- Kapazitätsspektrum ertüchtigte Strukturspektrale VerschiebungAbbildung 1: Wirkung einer VerstärkungDer Effekt einer Versteifung ist deutlich im unterschiedlichen Anstieg der Kurven K1 undK2 sowie an der erhöhten Kapazität zu erkennen. Mittels Verstärkungsmaßnahmen amGebäude werden zugleich die Kapazität und die Steifigkeit der Struktur erhöht. Aufgrund derVersteifung erhöhen sich auch die Eigenfrequenzen des Tragwerks und bewirken womöglicheine Steigerung des Antwortspektrums von A1 zu A2. Der günstige Einfluss der Versteifungauf die Kapazität des Gebäudes wird durch die gleichzeitige Erhöhung derErdbebeneinwirkung vermindert. Daher ist das konventionelle Verstärken von Gebäuden imFalle eines Erdbebens nicht immer sinnvoll. Anhand von Abb.2 wird der Effekt einerverbesserten Duktilität, d.h. des Verformungsvermögens, des Gebäudes verdeutlicht. Oftmalssind die Anschlussdetails in Tragwerken für zyklische Beanspruchungen infolge Erdbebenschlecht konstruiert. Vorzeitige, spröde Versagensmechanismen sind dann die Folge. MittelsUmmantelungen mit Faserverbundstoffen kann die Verformbarkeit von Stahlbetonbauteilenerhöht werden. Diese konstruktiven Eingriffe besitzen kaum Einfluss auf die Dämpfung oderSteifigkeit des Tragwerks. Daher bleibt das Antwortspektrum unverändert. Einzig die3339


Verformungskapazität wird erhöht (siehe K2 in Abb. 2). Abb. 3 zeigt den Einfluss zusätzlicherDämpfung auf die Erdbebensicherheit des Tragwerks, wie sie z. B. mittels Installation vonTilgern erreicht wird. Durch Tilger wird die Steifigkeit des Systems und folglich dieKapazitätskurve nicht verändert. Einzig die Erdbebeneinwirkung, im Bild als AntwortspektrumA2 dargestellt, wird durch die zusätzliche Dämpfung abgemindert.spektrale Beschleunigung= A 2A 1K 1A 1- Antwortspektrum originale StrukturA 2- Antwortspektrum ertüchtigte StrukturK 1- Kapazitätsspektrum originale StrukturK 2- Kapazitätsspektrum ertüchtigte StrukturK 2spektrale VerschiebungAbbildung 2: Wirkung erhöhter Duktilitätspektrale BeschleunigungA 2A 1K 1 K 2A 1- Antwortspektrum originale StrukturA 2- Antwortspektrum ertüchtigte StrukturK 1- Kapazitätsspektrum originale StrukturK 2- Kapazitätsspektrum ertüchtigte Strukturspektrale VerschiebungAbbildung 3: Wirkung zusätzlicher DämpfungGegenüber einer konventionellen Verstärkung des Tragwerks bewirken eine Verbesserungder Verformbarkeit und eine Erhöhung der Dämpfung des Systems mittels Tilger eineeffizientere Erhöhung der Erdbebensicherheit des Gebäudes. Äußerst vorteilhaft ist dieInstallation von Tilgern hinsichtlich der Erfüllung sekundärer Anforderungen anErtüchtigungsmaßnahmen, d.h. es werden nur kleine Baumaßnahmen erfolgen, die wenigBeeinträchtigungen sowie keine Nutzungsänderungen, Ausfallzeiten oder gar Veränderungenan der Architektur des Gebäudes verursachen. Daher werden im Projekt SEISMOFIT in ersterLinie Tilger zur Ertüchtigung von Gebäuden eingesetzt.3 NUMERIS<strong>CH</strong>E STUDIENVor Projektbeginn wurde in verschiedenen Studien die Wirksamkeit von unterschiedlichenErtüchtigungsmaßnahmen an Stahlbetonrahmentragwerken untersucht. Ergebnisse der Studienbelegen, das dass statische Verstärken in das prognostizierte Verhalten (Abb. 1) mündet unddie Installation von Schwingungstilgern sich günstig auf die Antwort des Tragwerks auswirkt.So wurde mittels Schwingungstilger eine Reduktion der Verschiebungsamplituden von bis zu50% erreicht [6].3404


4 S<strong>CH</strong>ULGEBÄUDE IN ATHENZu Beginn des Projekts musste ein Referenzgebäude akquiriert werden. Die Suchekonzentrierte sich auf europäische Erdbebengebiete. Es standen öffentliche Gebäude wieKrankenhäuser oder Schulen in der Türkei, Griechenland und Mazedonien in der engerenAuswahl. Schließlich wurde in Athen ein geeignetes Schulgebäude gefunden. Die Grundschulein Nea Chalkidona besteht aus einem Komplex aus drei verschiedenen Gebäuden, die mittelsTreppenhäuser verbunden sind (siehe Abb. 4). Dabei handelt es sich um zwei dreistöckige(Gebäude A und B) sowie ein zweistöckiges Gebäude (Gebäude C). Das Schulgebäude stammtaus einer typisierten Planung der Baureihe Athena, die zum einen verschiedene AnordnungenAbbildung 4: Schulgebäude in AthenAbbildung 5: Exemplarischer Grundriss des Schulgebäudes, Gebäude A5341


der drei Gebäudeteile im Grundriss zulässt und zum anderen aufgrund der statischenBerechnung für alle griechischen Erdbebenzonen geeignet ist. Das Gebäude wurde Anfang derAchtziger Jahre errichtet. Die damals gültige Erdbebennorm gab eine maximaleBodenbeschleunigung von 0.08g vor [7]. Stahlbetonrahmentragwerke mit Ausfachungen ausMauerwerk und Betonelementen bilden das Tragwerk des Schulgebäudes. Die Gebäudeteilebesitzen einen quadratischen Grundriss von 16,4m und sind bezüglich ihres Stützenrasters nichtsymmetrisch.5 UNTERSU<strong>CH</strong>UNGEN VOR ORTMittels der vorhandenen Pläne der Gebäude konnte ein erstes numerisches Modell erstelltwerden. Vor Ort wurden die Pläne am Gebäude nochmals kontrolliert, um Veränderungengegenüber dem Soll-Zustand der Pläne wie etwa durch bauliche Änderungen etc. zuüberprüfen. Ferner wurden auch zerstörungsfreie Baustoffprüfungen am Gebäude zur Kontrolleder tatsächlich eingebauten Bewehrung an wichtigen Traggliedern und zur Ermittlung derBetoneigenschaften durchgeführt. Des Weiteren wurde eine Betriebschwingformanalyse unterambienter Anregung (Wind und Verkehr) durchgeführt [8]. Die Ergebnisse sind auszugsweisein den folgenden Abbildungen sowie in der Tabelle 1 zu sehen. Nachfolgende Frequenzenbeziehen sich auf das Gebäude B.Gebäude BAbbildung 6: Gemessene Schwingform in Längsrichtung bei 5.9 Hz [8]Gebäude BAbbildung 7: Gemessene Schwingform in Querrichtung bei 6.5 Hz [8]3426


Gebäude BAbbildung 8: Gemessene Torsionsschwingform bei 8.5 Hz [8]Tabelle 1: Gemessene Schwingungsformen am Gebäude B [8]FormFrequenz [Hz]Schwingung in Längsrichtung Gebäude B 5.9Schwingung in Querrichtung Gebäude B 6.5Torsionsschwingung Gebäude B 8.56 NUMERIS<strong>CH</strong>E MODELLE UND MATERIALMODELLIERUNGIm Projekt wurden unterschiedliche Modelle entwickelt und verwendet, um schließlichanhand der Daten aus den Untersuchungen vor Ort, insbesondere derSchwingungsuntersuchungen, zu einem geeigneten Modell für die dynamischen Berechnungenzu gelangen. Nachfolgende Modelle zeigen das Gebäude B des Schulkomplexes.6.1 Modell 1Zunächst wurde das Tragwerk als Rahmentragwerk idealisiert und so ein einfachesdreidimensionales Rahmentragwerk der primären Tragelemente mit linear elastischem Materialmodelliert. Hierbei wurden Riegel und Stützen mittels Balkenelementen und dieGeschoßdecken mit Schalenelementen diskretisiert (Modell 1 in Abb. 9). Dieses Modell dientevor allem für eine erste Abschätzung der Eigenfrequenzen und Formen.6.2 Modell 2Ein detailliertes Modell mit Berücksichtigung der sekundären Tragelemente wieMauerwerksausfachungen, modelliert mit Schalenelementen, führte zur Korrektur derEigenfrequenzen. Zusätzlich wurden auch die Nachgiebigkeit des Bodens sowie derEinspanngrad der Stützen mittels Federn im Modell berücksichtigt.6.3 Modell 3Abschließend wurde für die nichtlinearen statischen und dynamischen Berechnungen eindetailliertes Modell erstellt, das sämtliche Tragelemente, mit Ausnahme der Geschoßdecken,mit nichtlinearem Materialverhalten beschreibt. Die Mauerwerksausfachungen wurden mittelseines Druckstrebenmodells (siehe Abb. 12) modelliert. Die Ermittlung der äquivalenten Breiteb w der Diagonalen erfolgte entsprechend der Monografie von Fardis [9]. Die Abbildung 8 zeigtvon links beginnend die vorgestellten Modellstufen.7343


Modell 1 Modell 2 Modell 3Abbildung 9: FE-Modelle Gebäude B6.4 MaterialmodellierungDie Simulationen wurden mit dem universellen FE-Programm ABAQUS [10] durchgeführt.Hierfür wurde über die Benutzerschnittstelle ein leistungsfähiges Fasermodell nach Menegottoand Pinto [11] zur zyklischen Simulation von Stahlbeton vom ersten Autor implementiert. DasFaserelement (Abb. 10) besteht aus einem Balkenelement mit Knoten und Integrationspunkten.In den Kontrollpunkten (Integrationspunkten) wird der Querschnitt in kleine Flächen, s.g.Fasern, unterteilt. Jeder Faser wird ein entsprechendes Material wie Bewehrungsstahl,Randbeton oder Kernbeton sowie ein zugehöriges uniaxiales Werkstoffgesetz zugeordnet. DieSchnittgrößen bzw. die aktuellen Querschnittswerte werden durch Integration der Spannungenbzw. tangentialen Steifigkeiten über den Querschnitt ermittelt. Der Einfluss eines mehraxialenSpannungszustands des Betons infolge einer wirksamen Umschnürung durch Bügel wird durcheine Modifizierung der Spannungsdehnungsbeziehung erfasst. (siehe Abb. 6). ZurModellierung des Betons wurde das bewährte Modell von Mander, Priestley and Park [12] inleicht modifizierter Weise implementiert. Aus Gründen der numerischen Effizienz wurdenfolgende Vereinfachungen getroffen. Die Zugfestigkeit des Betons wird vernachlässigt sowieerfolgen Ent- und Wiederbelastung entlang der gleichen Geraden. Das Werkstoffverhalten desBewehrungsstahls wird mit dem bekannten Modell nach Menegotto and Pinto [11], welchesvon Hoehler [13] verbessert wurde, abgebildet. Für die dynamischen Berechnungen wird auchder Dehnrateneffekt hinsichtlich des Materialverhaltens im Materialmodell berücksichtigt.Elementknoten Integrationspunkt IntegrationsebeneyyzxzAbbildung 10: Fasermodell3448


|f c|f´ccumschnürter Beton f´coE secRandbetonEnt- und BelastungR( 1)E c co cc cu cAbbildung 11: Materialmodelle für den Beton und den BewehrungsstahlFür die Mauerwerksausfachungen wurde ein nichtlineares Modell nach Crisafulli [14]implementiert. Vereinfachend wurde hier nur die zyklische Druckbeanspruchung modelliert(vgl. Abb. 12). Ebenso wird das Schubtragverhalten des Mauerwerks in den Ausfachungenüber eine nichtlineare Beziehung abgebildet.f´mDruckdiagonaleAxiale Spannung, |fm|Ent- und WiederbelastungMauerwerkE m´m uAxiale Dehnung, | m |Abbildung 12: Druckstrebenmodell und Materialmodell für Mauerwerksausfachungen7 ERGEBNISSEMittels der Informationen aus der Bestandsaufnahme und der Schwingungsmessungenkonnte Schritt für Schritt ein wirklichkeitsgetreues Computermodell für nachfolgendeSimulationen erstellt werden. Die folgenden Bilder zeigen die ersten drei Schwingungsformendes Gebäudes B, berechnet mit den unterschiedlichen Modellen. Aufgrund der nichtsymmetrischen Stützenanordnung und fehlender sekundärer Tragelemente sind im Modell 1,Rahmenmodell, die Moden 1 und 2 in ihrer Reihenfolge vertauscht (siehe Werte derEigenfrequenzen in Tab. 2). Die dargestellten Ergebnisse sind in ihrer Güte durch eine Studieder Netzfeinheit validiert. Zur Veranschaulichung werden die berechneten Moden in denfolgenden Bildern entsprechend ihrer Form verglichen.9345


Abbildung 13: Erste LängsschwingungAbbildung 14: Erste QuerschwingungAbbildung 15: Erste TorsionsschwingungTabelle 2: Vergleich der berechneten Schwingungsfrequenzen mit der MessungMode 1LängsschwingungMode 2QuerschwingungMode 3TorsionsschwingungMessung 5.9 Hz 6.5 Hz 8.5 HzModell 1 4.1 Hz 3.6 Hz 4.6 Hzrelativer Fehler 31% 45% 46%Modell 2 6.13 Hz 6.35 Hz 8.1 Hzrelativer Fehler -4% 2% 5%Modell 3 5.9 Hz 6.54 Hz 7.65 Hzrelativer Fehler 0% 1% 10%34610


Mittels der Informationen aus der Schwingungsmessung und der Erkundung vor Ort ist esgelungen, ein geeignetes Strukturmodell zu entwickeln. Die nichtlinear dynamischen Analysenwerden mit dem Modell 3 durchgeführt.8 ERTÜ<strong>CH</strong>TIGUNG MITTELS S<strong>CH</strong>WINGUNGSTILGERFür die Ertüchtigung des Gebäudes wird die Installation eines Schwingungstilgers auf derDachebene vorgesehen. Das Flachdach der Schule bietet hierfür ausreichend Platz. DasStützenraster des Gebäudes bedingt jedoch eine Unterkonstruktion zur Lastverteilung derBeanspruchungen aus dem Schwingungstilger. Die Tilgermasse bildet ein flacher, in sichgeschlossener Stahlbetonrahmen, der an seinen vier Eckpunkten mittels Feder-Dämpfer-Paketen auf die Unterkonstruktion gelagert wird. Im Falle eines Erdbebens soll der Tilger inLängs- und Querrichtung des Gebäudes schwingen können und so das Gebäude durchzusätzliche Energiedissipation in seiner Erdbebensicherheit verbessern. Der Tilger besitzt einAbstimmungsverhältnis von ca. 0.93 und einen Dämpfungsgrad von ungefähr 30%. Imnachfolgenden Bild ist die Konstruktion des Tilgers auf dem Dach schematisch dargestellt. DieZusatzmasse beträgt gut 1% der gesamten Gebäudemasse.Abbildung 15: Konstruktion des Schwingungstilgers auf dem Dach9 ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICKEs wurde das Projekt SEISMOFIT sowie der aktuelle Arbeitstand vorgestellt. Im Einzelnenwurde über Arbeitsschritte zur innovativen Ertüchtigung eines Schulgebäudes in Athen mittelsSchwingungstilgern berichtet. Dabei wurde auf Erkundungen und Messungen vor Ort, sowiedie Erstellung eines geeigneten Strukturmodells und deren Materialmodellierung eingegangen.Mittels Messungen vor Ort konnte ein realistisches FE-Modell des Gebäudes erstellt werden.Derzeit werden nichtlineare dynamische Simulationen durchgeführt und die Nachweise für dasGebäude angefertigt. Für weitere und ausführlichere Informationen wird auf den Bericht desProjekts SEISMOFIT sowie die bald folgende Dissertationsschrift des ersten Autors verwiesen.DANKSAGUNGDie Autoren danken dem Bundesministerium für Wirtschaft (BMWi) und dem ProjektträgerAllianz Industrie Forschung (AIF) für die Bereitstellung der finanziellen Mittel für dieDurchführung des Projekts (Förderkennziffer KF 2015203AT0). Ferner sei allenProjektbeteiligten der Firma GERB, der TU Berlin sowie Herrn Prof. Elenas an dieser Stelle fürihr Engagement im Projekt SEISMOFIT gedankt.11347


REFERENZEN[1] European standard EN 1998-3: 2005 “Eurocode 8: Design of structures for earthquakeresistance-Part 3: Assessment and retrofitting of buildings”C.E. de Normalisation,Brussels, 2005[2] ATC-40: Seismic Evaluation and Retrofit of Concrete Buildings Applied TechnologyCouncil (ATC): Red Wood City, USA, 1996.[3] FEMA 356: Prestandard and commentary for the seismic rehabilitation of buildings USDepartment of Homeland Security, 2000.[4] FEMA 547: Techniques for seismic rehabilitation of existing buildings, US Departmentof Homeland Security, 2006[5] Sugano, S., Recent Advances in the seismic rehabilitation of reinforced concretebuildings in Japan Nato Science Series IV: Earth and Environmental Sciences,Advances in Earthquake Engineering for Urban Risk Reduction, Wasti, S. T.; Ozcebe,G. (Hrsg.), Springer, 2006, pp.19-31[6] A. Brendike und Y. Petryna, Dynamic Retrofitting of RC frame structures, Proceedings:14th European Conference on Earthquake Engineering, EAEE (Hrsg.), Ohrid,Macedonia, 2010.[7] A. Elenas, Technischer Bericht, Bemessungsgrundlagen des Gebäudes der der zweitenGrundschule von Nea Chalkidona in Athen, Democritus-University of Thrace, <strong>2011</strong>(unveröffentlicht)[8] F. Dalmer, Projekt Seismofit, Bericht über Schwingungsmessungen am betreffendenSchulgebäude Typ Athena/Athen, GERB, <strong>2011</strong> (unveröffentlicht)[9] M.N. Fardis, Seismic design, assessment and retrofitting of concrete buildings: based onEN-Eurocode 8. Springer Verlag, 2009.[10] Dassault Systèmes, ABAQUS Analysis Manual. 6.10 EF1, Dassault Systèmes,Providence, USA, 2010[11] Menegotto, M; Pinto, P. Method of analysis for cyclically loaded RC plane framesincluding changes in geometry and non-elastic behavior of elements under combinednormal force and bending.Proc. of IABSE Symposium on Resistance and UltimateDeformability of Structures Acted on by Well Defined Repeated Loads. (1973) pp.15-22[12] Mander, J.; Priestley, M.; Park, R., Theoretical stress-strain model for confinedconcrete, Journal of Structural Engineering, ASCE, 14, (1988). pp. 1804-1826[13] M. Hoehler, Formulation and Implementation of the Menegotto-Pinto Cyclic SteelModel for the Finite Element Program MASA, Beiträge aus der Befestigungstechnikund dem Stahlbetonbau Festschrift zum 60.Geburtstag von Prof. Dr.-Ing. R.Eligehausen, Lettow, S. (Hrsg.), ibidem Verlag, Stuttgart 2002, pp. 83-95[14] F. J. Crisafulli, Seismic behaviour of reinforced concrete structures with masonry infills,University of Canterbury, 1997.34812


12. D-A-<strong>CH</strong> Tagung – Erdbeben und BaudynamikC. Könke (Hrsg.)Hannover, Deutschland, 15.–16. September <strong>2011</strong>Verhalten von Ankerschienensystemen unter statisch zyklischenBeanspruchungenC. Butenweg *, J. Park* Lehrstuhl für Baustatik und Baudynamik, RWTH AachenMies-van-der-Rohe-Str. 1, 57074 AachenE-mail: butenweg@lbb.rwth-aachen.deKeywords: Ankerschiene, nichttragende Einbauten, Belastungsfunktionen, FE-Methode.Kurzfassung. Einbetonierte Ankerschienensysteme werden in Bauwerken des üblichen Hochbausund in Sonderbauwerken des Industriebaus eingesetzt, um nicht tragende Einbauten zufixieren. Obwohl bereits Zulassungen für statische und zyklische Dauerschwingbelastungenexistieren, wurden bislang noch keine systematischen Untersuchungen für Erdbebenbelastungendurchgeführt.Im Auftrag der HALFEN GmbH wurden am Lehrstuhl für Baustatik und Baudynamik (LBB)in Kooperation mit dem Institut für Massivbau (IMB) zwei experimentelle Versuchsreihen zurUntersuchung des Verhaltens von Ankerschienen unter statisch zyklischen Beanspruchungendurchgeführt. Ziel der Untersuchungen war die Beurteilung der Eignung von Ankerschienen imErdbebenfall gemäß der ACI 355.2-2007. Die zyklischen Belastungen wurden konform zumACI 355.2-2007 aufgebracht. Hierbei wurden die Regelungen der international anerkanntenNorm für nachträglich eingebaute Verankerungsmittel direkt auf einbetonierte Ankerschienensystemeübertragen.Neben den experimentellen Versuchen wurde zusätzlich ein detailliertes FE-Modell des Ankerschienensystemserstellt und das Test-Programm des ACI 355.2-2007 numerisch simuliert,wobei eine gute Übereinstimmung der Ergebnisse mit denen aus experimentellen Versuchenfestgestellt werden konnte.1349


1 EINLEITUNGAnkerschienensysteme kommen auf Grund der einfachen Integration in Stahlbetontragelementein vielen Bereichen des Bauwesens zur Anwendung. Im üblichen Hochbau werden dieSysteme häufig für die Befestigung von Fassadenbauteilen verwendet. Im Anlagenbau kommendie Schienensysteme für die Befestigung von anlagentechnischen Komponenten wie Pumpenund Rohrleitungen zum Einsatz. Zusätzlich werden auch kleine bis mittelgroße Behälter undMaschinen mit den Ankerschienen auf den einzelnen Ebenen einer Anlage befestigt.Die Einsatzgebiete machen deutlich, dass der erdbebensicheren Auslegung hinsichtlich desPersonenschutzes und der Produktionssicherheit eine wichtige Bedeutung zukommt. Die Problematikder seismischen Bemessung liegt hierbei in der beliebigen Positionierung der Ankerschienenin Gebäuden und Anlagen. Zudem ist die Nutzung der Ankerschienensysteme flexibel,d.h. dass die Anhängelasten veränderlich sind. Die Belastung der Ankerschienensystemeist in Abhängigkeit der angehängten Masse und der Position im Gebäude zu ermitteln. Die Berechnungder Erdbebenbeanspruchung ist deshalb eine wichtige Aufgabenstellung, die auf dersicheren Seite erfolgen muss.Neben der Bestimmung der Erdbebenbeanspruchung auf die Schienensysteme ist es erforderlich,den Widerstand der Systeme unter dynamischen Belastungen festzulegen. Der Widerstandkann durch die Belastung der Schienen mit repräsentativen seismischen Belastungen ermitteltwerden.Mit den Definitionen der Beanspruchungen und Widerstände kann ein Nachweis der Schienensystemeerfolgen. Nachfolgend wird ein Konzept für die Ermittlung der Beanspruchungenund der erforderlichen Widerstände von Ankerschienensystemen vorgestellt. Hierbei werdendie Widerstandsgrößen in Abhängigkeit der Versagensformen der Schienensysteme angesetzt.2 ANKERS<strong>CH</strong>IENEN UNTER SEISMIS<strong>CH</strong>ER BEANSPRU<strong>CH</strong>UNGWie bereits beschrieben handelt es sich bei stählernen Ankerschienen um einbetonierte Befestigungssysteme,an denen nichttragende Einbauten fixiert werden können. Der Vorteil vonAnkerschienen im Gegensatz zu den üblichen Verbindungsmitteln (z.B. nachträglich eingebauteDübel) liegt in ihrer flexiblen Anwendung: Entlang der gesamten Länge der einbetoniertenSchiene können nichttragende Einbauteile fixiert oder deren Positionen nachträglich modifiziertwerden.AnkerMutterSchieneAbbildung 1: Ankerschiene.Kopfschraube3502


Ankerschienen weisen im Allgemeinen einen etwa C-förmigen Querschnitt auf. Auf ihrergeschlossenen Rückseite sind Anker angebracht, die die Schiene im Beton fixieren. An deroffenen Vorderseite der Ankerschienen werden die Einbauteile befestigt, wobei die Kopfschraube,welche Schiene und Anbau verbindet, mit einer Mutter fixiert wird (Abbildung 1).2.1 Seismische Beanspruchung von Einbauten im BauwerkDie seismische Beanspruchung von Einbauten in Bauwerken ist von vielen Faktoren abhängigund kann in der Praxis nur mit Hilfe von vereinfachten Ansätzen bestimmt werden. In derRegel werden empirische Formeln verwendet, mit deren Hilfe in Abhängigkeit der Eigenfrequenzenvon Bauwerk und Einbauten, der Einbauhöhe sowie der Masse der Einbauten Ersatzlastenbestimmt werden. So gibt beispielsweise die DIN EN 1998 [9] folgende Bemessungsformelfür die auf nichttragende Einbauten wirkende Ersatzlast F a an:FamitSSaa Wqaa a z 3 1 H S 0,5 T a11 T 1 SmitS a = Erdbebenbeiwert für nichttragende BauteileW a = Gewicht eines nichttragenden Bauteils = BemessungsbodenbeschleunigungS = Bodenparameterz = Höhenlage der Befestigungsebene des nichttragenden Bauteils über der Angriffsebenedes ErdbebensH = BauwerkshöheT a = Grundschwingungsdauer eines nichttragenden BauteilsT 1 = Grundschwingungsdauer eines Bauwerks a = Bedeutungsbeiwert eines nichttragenden Bauteilsq a = Verhaltensbeiwert eines nichttragenden BauteilsKernstück der Formel ist der Erdbebenbeiwert S a zur Darstellung der Etagenbeschleunigung.Durch ihn wird der auf die vorliegenden Untergrundverhältnisse angepasste Bemessungswertder Bodenbeschleunigung durch einen höhen- und eigenperiodenabhängigen Faktor auf dieBefestigungsebene der nichttragenden Einbauten umgerechnet. Es ergibt sich ein über dieBauwerkshöhe trapezförmiger Verlauf der anzusetzenden Beschleunigung. Ähnliche Berechnungsansätzefinden sich in allen gängigen europäischen und internationalen Normenwerken[5, 6, 7, 8, 9, 10, 11]. Eine ausführliche Übersicht und ein Vergleich der Berechnungsformelnwird in [21] vorgestellt.Eine genauere Methode findet sich in kerntechnischen Richtlinien [13], in denen die Bemessungskräftemit Etagenspektren berechnet werden. Diese Vorgehensweise ist aber mit einemwesentlich größeren Aufwand verbunden und findet deshalb im üblichen Hoch- und Anlagenbaukeine Anwendung. Auch eine genauere Berechnung mittels komplexerer Rechenmodelle,die Bauwerk und Einbauten gemeinsam abbilden, ist auf Grund des Rechenaufwands und der3351


Modellierungsunsicherheiten nicht praktikabel. Insbesondere auch deshalb, weil sich häufig imLaufe der Ausführung sowohl bei der Tragstruktur als auch hinsichtlich der Position der Einbautennoch Änderungen ergeben. In diesen Fällen muss die Möglichkeit einer schnellen undauf der sicheren Seite liegenden Bemessung auf Grundlage einfacher Berechnungsformeln gegebensein.Aus den genannten Gründen ist es notwendig, Ankerschienensysteme mit den vereinfachtenBerechnungsformeln zu bemessen. Sämtliche Berechnungsformeln liefern als bemessungsrelevanteGröße seismische Kräfte, die Grundlage für die Bemessung der Ankerschienen sind.Duktilitätsreserven werden wie bei den Bauwerken durch einen komponentenabhängigen Verhaltensbeiwertberücksichtigt.2.2 Seismischer Widerstand von AnkerschienensystemenDie Ermittlung des seismischen Widerstandes von Ankerschienensystemen erfordert im erstenSchritt die Definition repräsentativer seismischer Belastungen. Generell kann die Erdbebenbelastunghierbei durch Beschleunigungszeitverläufe oder durch zyklische Belastungsfunktionenfür quasistatische Untersuchungen beschrieben werden. Die Größe der Lastamplitudenkann durchaus zu nichtlinearen Effekten in dem Befestigungssystem führen, da für den außergewöhnlichenLastfall Erdbeben größere Verformungen durch Ausnutzung der werkstoffabhängigenDuktilitäten angesetzt werden.Mit den repräsentativen Belastungen können experimentelle und numerische Untersuchungendurchgeführt werden, aus denen je nach Bewertungskonzept entweder direkt der Erdbebenwiderstandfür den Ansatz in baupraktischen Nachweisen oder pauschal die Eignung derAnkerschienensysteme für den Einsatz in Erdbebengebieten abgeleitet werden kann.2.2.1 Definition repräsentativer zyklischer BelastungsfunktionenDie Definition repräsentativer zyklischer Belastungsfunktionen für quasi-statische Untersuchungenist komplexer als die Herleitung von Beschleunigungszeitverläufen. Die zyklischenBelastungsfunktionen müssen die Charakteristik der Beben in einem ausreichenden Maße abbilden.Dies bedeutet, dass die Verläufe eine repräsentative Anzahl von Zyklen mit entsprechendenAmplituden aufweisen müssen.In Normen und weiterführender Literatur finden sich verschiedene Ansätze und Empfehlungenfür die Definition zyklischer Belastungsfunktionen. Eine umfassende Zusammenstellungder verschiedenen Ansätze findet sich in der Arbeit von Hoehler [14]. Die zyklischen Lastansätzebasieren in der Regel auf einer schrittweise erhöhten Belastung mit jeweils mehrerenLastzyklen pro Laststufe, die je nach Konzept kraft- oder weggesteuert aufgebracht werden.Typischerweise werden für Zugbelastungen Wechselbeanspruchungen und für Schubbelastungenpulsierende Belastungsverläufe angesetzt.Kraftgesteuerte VerfahrenIm ACI 355.2-2007 [2] werden zyklische Belastungsfunktionen für den Test von nachträglicheingebrachten Verbindungsmitteln angegeben. Die Belastung wird kraftgesteuert aufgebrachtund die gesamte Beurteilung erfolgt ausschließlich auf Grundlage der maximalen Traglasten.Verformungen werden nicht in Betracht gezogen. Die Tests sind im ungerissenen undgerissenen Beton durchzuführen, wobei die Testergebnisse nicht für die in einer Kapazitätsbemessungvorgesehenen plastischen Zonen des Tragwerks anwendbar sind. Abbildung 2 zeigtdie Belastungsfunktionen der zyklischen Tests. Nach Aufbringung der insgesamt 140 Last-3524


LastN eq0,75*N eqLastV eq0,75*V eqLoad0,5*N eq0,5*V eqLoad10 30 100Number Anzahl der of cycles Zyklen10 30 100Anzahl Number der of cycles ZyklenAbbildung 2: Zyklische Belastungsfunktionen nach ACI 355.2-2007 [2]: Zug (links), Schub (rechts).zyklen wird die statische Bruchlast des Verbindungsmittels ermittelt. Durch den Vergleich dergemessenen Bruch- mit einer definierten Referenzlast wird gemäß des Konzeptes der ACI355.2-2007 pauschal die Eignung des Ankers für den Einsatz in Erdbebengebieten bewertet.Hoehler [14] schlägt auf Grundlage der Normen einen modifizierten Ansatz vor, der ebenfallsauf einer stufenförmigen zyklischen Belastungsfunktion basiert (Abbildung 3). Nach demKonzept von Hoehler muss die Ankerschiene auf Laststufe 6/7 noch 5 vollen Lastzyklen standhalten,ohne dass die für den untersuchten Lastfall typische Versagenform eintritt. Dieser Ansatzähnelt dem normativen Ansatz nach SEAOSC [15]. Bei der Aufstellung wurden Ergebnisseder Auswertung des Northridge-Erdbebens zugrunde gelegt. In diesem Zusammenhang wurdedavon ausgegangen, dass die Anzahl der Zyklen proportional zu der Größe der Magnitudeist. Diese Übertragbarkeit ist jedoch nicht direkt gegeben, da die Magnitude lediglich die Energieeines Bebens angibt und keine Rückschlüsse auf die Anzahl der Zyklen am Standort zulässt.So kann ein Beben mit großer Magnitude und Herdtiefe wesentlich weniger schädigendeZyklen zur Folge haben, als ein Beben mit kleiner Magnitude und geringer Herdtiefe. Die Definitionder Anzahl der Zyklen und Belastungsstufen erfolgte auf Grundlage der kumulativenSchädigungstheorie.7/7*N u,m6/75/74/73/72/71/7Bis zum Versagen7/7*V u,m6/75/74/73/72/71/7Bis zum Versagen| 5 | 5 | 5 | 5 | 5 | 5 | …ZyklenZyklen| 5 | 5 | 5 | 5 | 5 | 5 | …Abbildung 3: Zyklische Belastungsfunktionen nach Hoehler [14]: Zug (links), Schub (rechts).5353


Weggesteuerte VerfahrenDie FEMA-Richtlinie 461 [4] empfiehlt eine weggesteuerte zyklische Lastfunktion für dieUntersuchung von nichttragenden Einbauten unter Erdbebeneinwirkung, welche hinsichtlichdes Ansatzes als empirisch zu bewerten ist. Der in Abbildung 4 dargestellte Ansatz beruht aufeiner sukzessiven Steigerung der Deformationen bis zum Versagen. Anders als z.B. nach denAnsätzen der ACI 355.2-2007 [2] werden nach dem Konzept der FEMA 461 keine pauschalenAussagen über die generelle Eignung von Befestigungssystemen in Erdbebengebieten getroffen,sondern verschiedene Schadenszustände und deren Grenzlasten abgeleitet. Zielsetzung istdie Verwendung im Rahmen eines verhaltensorientierten Bemessungskonzeptes.Abbildung 4: Verformungsgesteuerte zyklische Belastungsfunktion nach FEMA 461 [4].Ein wesentlich realistischerer Ansatz wird in aktuelleren Forschungsvorhaben in den USAmittels geeigneter Zählverfahren vorgeschlagen [4], [16]. Die grundlegende Idee liegt darin,das Tragwerk mit den entsprechenden Einbauten mit einem für den Gebäudestandort repräsentativenErdbebenverlauf zu beaufschlagen. Für die Einbauten in dem Gebäude werden in Folgedieser Belastung die Beschleunigungszeitverläufe ermittelt. Diese Zeitverläufe werden im Anschlussmit dem "Rainflow-Counting" Algorithmus [17] ausgewertet. Auf diesem Weg entstehteine relativ genaue Aussage über die Anzahl der Lastzyklen für verschiedene Belastungs- bzw.Verschiebungsniveaus. Weiterhin wird in Bezug auf Starkbebenländer auf der Grundlage vonUntersuchungen durch Krahwinkler [18] zwischen den Zyklen vor und nach Erreichen der maximalenBelastungszyklen durch das Erdbeben unterschieden. Abbildung 5 zeigt exemplarischzwei zyklische Verläufe für unterschiedliche Schwingperioden mit der Unterscheidung zwischenden Belastungszyklen vor und nach dem Auftreten der maximalen Belastungen. Typischerweiseist es so, dass die Zyklenanzahl nach Auftreten der Maximalwerte größer ist als dieAnzahl bis zum Auftreten der Maximalwerte. Der beschriebene Ansatz gibt die Charakteristikendes Bebens inklusive der Filterwirkung durch das Gebäude sehr gut wieder. Ein weitererVorteil dieser Vorgehensweise liegt darin, dass Vorbelastungen infolge Eigengewicht bereitsimplizit berücksichtigt werden.Die zyklischen Last-Verformungskurven können durch rechnerische Simulationen bestimmtwerden. In der Regel ist es ausreichend, einfache Systeme für die Belastungsermittlung derEinbauten zu verwenden. In Abhängigkeit von dem Gebäude kann häufig vereinfachend mitkonzentrierten Mehrmassenschwingern gerechnet werden. Die Problematik liegt in der großenAnzahl möglicher Variationen durch die verschiedenen Einflussparameter. Hierzu gehören dieEigenfrequenzen von Bauwerk und Einbauten, die Einbauhöhe und die Erdbebeneinwirkungselbst. Es sind geeignete auf der sicheren Seite liegende Annahmen zu treffen, um zyklischeBelastungsverläufe für eine möglichst große Anzahl von Einbautentypen zu erhalten.3546


Abbildung 5: Zyklische Belastung nach der Rainflow-Methode [4].2.2.2 ZeitverläufeDie seismische Belastung kann auch durch Beschleunigungszeitverläufe beschrieben werden,die entweder standortspezifisch oder durch synthetische Generierung aus den Normspektrenermittelt werden können. Die Zeitverläufe der Belastungen können jedoch nicht direkt alsBelastung für die an den Ankerschienen angebrachten Einbauten verwendet werden, da dasTragwerk in Abhängigkeit der Einbauhöhe eine Filterwirkung auf das Eingangssignal ausübt.Die zeitabhängige Belastung der Einbauten auf den einzelnen Etagen eines Bauwerks ist deshalbmit Hilfe geeigneter einfacher Modelle zu ermitteln. Die Problematik bei den Berechnungenliegt wieder in den großen Variationsmöglichkeiten der Einflussparameter Eigenfrequenzvon Bauwerk und Einbauten, Einbauhöhe und Eingangssignal (Untergrundverhältnisse). Umdie Anzahl der Variationen zu reduzieren, ist es in dem Fall unbedingt notwendig, geeigneteund auf der sicheren Seite liegende Annahmen für die Einflussparameter zu treffen.2.2.3 Zusammenfassung und EmpfehlungEs wurden verschiedene Ansätze für die Ermittlung des seismischen Widerstands von Ankerschienenvorgestellt. Grundsätzlich kann zwischen zwei Ansätzen unterschieden werden.In dem einen Ansatz wird versucht, die seismische Belastung möglichst realitätsnah durchZeitverlaufsberechnungen und zyklische Belastungen auf Grundlage von Auswertungen mit derRainflow-Methode abzubilden. Beim vereinfachten Ansatz wird hingegen versucht, den Widerstandmittels statisch zyklischer Belastungsfunktionen zu beschreiben. Beispiel hierfür ist derkraftgesteuerte Ansatz nach ACI 355.2-2007 [2].Der realitätsnahe Ansatz ist in der Praxis auf Grund der notwendigen standort- und tragwerksspezifischenVoruntersuchungen und dem damit verbundenen teilweise erheblichen Aufwandnur in Einzelfällen (z.B. bei hochsicherheitsrelevanten Bauwerken) denkbar. Deshalberfolgt die Bemessung in der Regel unter Verwendung von Tragwiderständen, die für die Ankerschienenmittels vereinfachter Ansätze ermittelt wurden.7355


3 VERHALTEN VON ANKERS<strong>CH</strong>IENEN UNTER ERDBEBENLASTIm Auftrag der HALFEN GmbH wurde zwei experimentelle Versuchsreihen zur Untersuchungund Beurteilung der Eignung von Ankerschienen im Erdbebenfall durchgeführt [19].Gegenstand der Untersuchung waren verschiedene HZA-Ankerschienen von HALFEN. Dazurzeit noch keine gültige Norm oder Richtlinie zur Bestimmung des seismischen Widerstandesspeziell von Ankerschienensystemen existiert, wurde auf die international anerkannte amerikanischeNorm ACI 355.2-2007 [2] zurückgegriffen, die im vorherigen Kapitel bereits beschriebenwurde. Die in der Norm definierte Vorgehensweise zur experimentellen Beurteilungder seismischen Eignung von nachträglich eingebauten Verbindungsmitteln wurde direkt aufdie Ankerschienen übertragen.Die Versuchsanordnungen wurden hinsichtlich des Versuchskörpers und der Randbedingungenso konzipiert, dass sich jeweils duktiles Stahlversagen einstellte. Ein Betonversagenwurde ausgeschlossen, weshalb eine Anordnung der Schienen in planmäßig als Fließgelenkeausgelegten Bereichen (Kapazitätsbemessung) nicht möglich ist.3.1 Verwendete AnkerschienentypenUntersucht wurden drei verschiedene HALFEN-Ankerschienen: HZA 29/20, HZA 38/23und HZA 53/34. Alle drei Modelle haben prinzipiell den gleichen Aufbau (Abbildung 6), unterscheidensich jedoch in den Dimensionen ihrer einzelnen Bestandteile. Die Ankerschienensind jeweils aus S275JR Stahl gefertigt und weisen Breiten zwischen 29 und 53 mm, Höhenzwischen 20 und 34 mm und eine Mindestlänge von 100 mm auf. Für die Versuche wurdenjeweils Schienen der Länge 300 mm verwendet. Die Anker können verschiedene Querschnittsformenannehmen, wobei für die durchgeführten Untersuchungen ausschließlich Rundankerverwendet wurden.Das kennzeichnende Merkmal der HZA Ankerschienen sind die gezahnten Schienenlippen,die es in Kombination mit den dazugehörigen Zahnschrauben (Durchmesser zwischen 12 und20 mm) erlauben, auch erhöhte Schublasten in Schienenlängsrichtung aufzunehmen(Abbildung 7).Abbildung 6: Querschnitt einer HZA Ankerschiene [20].3568


Abbildung 7: Anschnitt einer gezahnten HZA Ankerschiene mit Anbau [20].3.2 VersuchsprogrammZur Beurteilung der Eignung der HZA Ankerschienen unter Erdbebeneinwirkung wurdensowohl experimentelle Zug- als auch Schubversuche gemäß den Vorgaben der ACI 355.2-2007[2] durchgeführt. Die Schienen wurden größtenteils im einbetonierten Zustand getestet und dieVersuchsanordnungen jeweils so konzipiert, dass sich duktiles Stahlversagen einstellte. Eswurden die vier Lastfälle „zentrischer Zug über dem Anker“, „zentrischer Zug in Feldmitte“,„Schub in Schienenlängsrichtung“ und „Schub quer zur Schienenlängsrichtung“ untersucht, diein Abbildung 8 schematisch abgebildet werden.Abbildung 8: Untersuchte Lastfälle a) zentrischer Zug über dem Anker, b) zentrischer Zug in Feldmitte, c) Schubin Schienenlängsrichtung und d) Schub quer zur Schienenlängsrichtung.3.3 Finite-Elemente ModellParallel zu den experimentellen Untersuchungen wurden die Versuche nach ACI 355.2-2007[2] auch numerisch durchgeführt. Zu diesem Zweck wurde mittels des FE-Programms ANSYS[3] ein dreidimensionales FE-Modell der Ankerschiene erzeugt.9357


Wie in Abbildung 9 angedeutet, besteht das FE-Modell des gesamten Ankerschienensystemsaus zwei separaten Strukturen: zum einen der Schiene mit zwei Rundankern und zum anderender Kopfschraube mit Mutter. Das Modell wurde aus tetraederförmigen Volumen-Elementengeneriert, wobei für die verwendeten Stahlsorten entsprechende nichtlineare Spannungs-Dehnungskurven implementiert wurden.Die Festhaltungen wurden an den Ankerfüßen (schienenferne Seite) definiert, die Lasten ander Zahnschraube aufgetragen und die Lastübertragung zwischen Ankerschiene und Zahnschraubeüber Fläche-zu-Fläche Kontaktelemente sichergestellt.AnkerAufbringung derVorspannungSchienenrückseiteSchienenlängsseitegezahnterSchraubenkopfMutterKraftübertragung überFläche‐zu‐FlächeKontaktelementeAbbildung 9: Schematische Darstellung des Ankerschienenmodells bestehend aus zwei separaten Strukturenfür Ankerschiene (links) und Zahnschraube inkl. Mutter.Der Beton, der im realen Einbauzustand die Ankerschiene umgibt, wurde nicht explizit modelliert,sondern die durch den Beton bedingten Randbedingungen an der Ankerschiene mitKontaktelementen vereinfacht abgebildet. Dazu wurden zunächst die Elementknoten der Ankerschieneim Kontaktbereich zum Beton dupliziert und die neugenerierten Knoten fest eingespannt.Sie stellen die Betonseite des Modells dar. Im Anschluss wurden in alle KnotenpaareKnoten-zu-Knoten-Kontaktelemente und/oder nichtlineare Federelemente eingearbeitet.Kontaktelemente wurden an den Ankern und an der Schienenrückseite angeordnet und derenWirkungsrichtungen orthogonal zur jeweiligen Schienenoberfläche definiert. Die gegenseitigeKnotenbewegung in Wirkungsrichtung wird nur dann erlaubt, wenn dadurch eine Klaffungzwischen Schienenmodell und der Betonoberfläche (dargestellt durch die festgehaltenen Knoten)auftritt. Zusätzlich wurden zur Berücksichtigung der Verbundwirkung zwischen Stahl undBeton an den Oberflächenknoten der Anker nichtlineare Federelemente angeordnet, deren Wirkungsrichtungparallel zur Ankerachse definiert ist.An den Längsseiten der Schiene wurden anstatt der Kontaktelemente nichtlineare Federelementeangeordnet, deren Wirkungsrichtung ebenfalls orthogonal zur jeweiligen Schienenober-35810


fläche definiert ist. Im Gegensatz zu den Kontaktelementen erlauben sie jedoch auch die relativeKnotenbewegung in beide Richtungen, wodurch neben dem Klaffen auch das örtliche Betonversagen(oberflächliches Abplatzen des Betons) vereinfacht abgebildet werden kann.3.4 Versuchsergebnisse und VergleichDie Ankerschienen werden gemäß den Vorgaben der ACI 355.2-2007 [2] zunächst einerkraftbasierten zyklischen Belastung ausgesetzt. Die Verläufe der aus jeweils 140 Zyklen bestehendenBelastungsfunktionen für Zug- und Schublasten wurden bereits in Abbildung 2 dargestellt.Im Anschluss werden die Schienen weggesteuert bis zum Bruch belastet. Die Ankerschienekann pauschal als erdbebensicher eingestuft werden, wenn die resultierende Bruchlasteine definierte Referenzlast übersteigt. Im Folgenden werden die experimentellen und numerischenErgebnisse aus den abschließenden statischen Versuchen präsentiert und verglichen.3.4.1 Zentrischer Zug über dem AnkerBei zentrischer Zugbelastung über dem Anker konnte bei den experimentellen Versuchenfür alle untersuchten Ankerschienenmodelle ein von oberflächlichen Betonabplatzungen begleitetesStahlversagen des Ankers beobachtet werden (Abbildung 10). Auch bei den FE-Simulationen ist das Versagen des Ankers maßgebend.Für alle Ankerschienenmodelle übertrafen die experimentell ermittelten maximalen Traglastendie gemäß ACI 355.2-2007 [2] definierten minimalen Bruchlasten, womit die Eignung derAnkerschienen unter Erdbebeneinwirkungen für den untersuchten Lastfall nachgewiesen werdenkonnte.In Abbildung 11 sind die experimentell und numerisch ermittelten Last-Verformungskurvenexemplarisch für die Ankerschiene HZA 29/20 zusammengestellt. Es ist eine klare Übereinstimmungder maximalen Traglast und Verformung zu erkennen.Abbildung 10: Versagensform der Ankerschiene unter zentrischem Zug über dem Anker im Experiment(links), entsprechende qualitative Versagensform aus numerischer Simulation (rechts)11359


350003000025000Last [N]2000015000ZZAFEM100005000Verformung [mm]Abbildung 11: Experimentell und numerisch (durchgezogene Linie) ermittelte Lastverformungskurven fürzentrischen Zug über dem Anker (HZA 29/20).3.4.2 Zentrischer Zug in FeldmitteFür alle untersuchten Ankerschienenmodelle konnte bei den experimentellen Versuchen diegleiche von plastischen Verformungen der Schiene dominierte Versagensform beobachtet werden.Wie zu erwarten war, trat jeweils ein lokales Aufbiegen der gezahnten Schienenlippen amAnsatzpunkt der Zahnschraube in Feldmitte und eine globale Biegung der Ankerschiene auf.Das lokale Aufbiegen wurde durch das oberflächliche Abplatzen des Betons um diesen Bereichbegleitet. Schlussendlich trat ein Aufreißen der gezahnten Schienenlippe auf. Abbildung 12zeigt die beschriebene Versagensform. Die sich bei den numerischen Untersuchungen für alleSchienenmodelle einstellende Versagensform gleicht der beschriebenen aus den experimentellenVersuchen (Abbildung 13).Abbildung 12: Versagensform bei zentrischer Zugbelastung in Feldmitte: Globale Biegung der Ankerschiene(links) und lokales Aufbiegen und Reißen der gezahnten Schienenlippe.36012


Die experimentell ermittelten maximalen Traglasten übertrafen für alle Ankerschienenmodelledie gemäß ACI 355.2-2007 [2] definierten minimalen Bruchlasten, womit die Eignung derAnkerschienen unter Erdbebeneinwirkungen für den untersuchten Lastfall nachgewiesen werdenkonnte. In Abbildung 14 sind die experimentell und numerisch gewonnenen Last-Verformungskurven exemplarisch für die Ankerschiene HZA 38/23 zusammengestellt.MNMXAbbildung 13: Qualitative Verformungsfigur des FE-Modells der Schiene bei zentrischer Zugbelastung inFeldmitte.Last [N]Verformung [mm]Abbildung 14: Experimentell und numerisch (durchgezogene Linie) ermittelte Lastverformungskurven fürzentrischen Zug in Feldmitte (HZA 38/23).13361


3.4.3 Schub in SchienenlängsrichtungUnter Schubbelastung in Schienenlängsrichtung konnte sowohl bei den experimentellen alsauch numerischen Versuchen für alle untersuchten Ankerschienenmodelle das Plastifizieren derSchienenzähne beobachtet werden. Abbildung 10 zeigt die beschädigte Schienenlippe (links),deren Zähne teilweise von der Zahnschraube (rechts) herausgerissen wurden.Die experimentell ermittelten maximalen Traglasten übertrafen für alle Ankerschienenmodelledie gemäß ACI 355.2-2007 [2] definierten minimalen Bruchlasten, womit auch für diesenLastfall die Eignung der Ankerschienen unter Erdbebeneinwirkungen nachgewiesen werdenkonnte. In Abbildung 16 sind die experimentell und numerisch gewonnenen Last-Verformungskurven exemplarisch für die Ankerschiene HZA 38/23 zusammengestellt. DieAbbildung lässt eine gute Übereinstimmung zwischen den experimentellen und numerischenErgebnissen bezüglich der maximalen Traglast und Bruchverformung erkennen.Abbildung 15: Versagensform bei Schub in Schienenlängsrichtung.Last [N]Verformung [mm]Abbildung 16: Experimentell und numerisch (durchgezogene Linie) ermittelte Lastverformungskurven fürSchub in Schienenlängsrichtung (HZA 38/23).36214


3.4.4 Schub quer zur SchienenlängsrichtungBei Schubbelastung quer zur Schienenlängsachse konnte bei allen untersuchten Ankerschienensystemensowohl bei den experimentellen als auch numerischen Untersuchungen eine Versagensformbeobachtet werden, die durch die lokale plastische Verformung der Schienenlippeam Ansatzpunkt der Zahnschraube und teilweise auch der Zahnschraube selbst charakterisiertist (siehe Abbildung 17).In Abbildung 18 sind die experimentell und numerisch ermittelten Last-Verformungskurvenexemplarisch für die Ankerschiene HZA 29/20 zusammengestellt. Es ist eine gute Übereinstimmungder Kurven bis zum Erreichen der maximalen Traglast erkennbar. Die Traglastenliegen außerdem über der gemäß ACI 355.2-2007 [2] definierten minimalen Bruchlast, womitdie generelle Eignung der Ankerschiene unter Erdbebeneinwirkungen für den untersuchtenLastfall nachgewiesen werden konnte.Abbildung 17: Versagensform der Schiene in Feldmitte bei Schubbelastung quer zur Schienenlängsrichtung imExperiment (links), entsprechende qualitative Versagensform aus numerischer Simulation (rechts) .Last [N]Verformung [mm]Abbildung 18: Experimentell und numerisch (durchgezogene Linie) ermittelte Lastverformungskurven fürSchub quer zur Schienenlängsrichtung (HZA 29/20).15363


4 ZUSAMMENFASSUNGEinbetonierte Ankerschienensysteme werden in Bauwerken eingesetzt, um nicht tragendeEinbauten zu fixieren. Systematische Untersuchungen für Erdbebenbelastungen wurden bislangnoch nicht durchgeführt.Im Auftrag von HALFEN GmbH [1] wurden am Lehrstuhl für Baustatik und Baudynamikder RWTH Aachen in Kooperation mit dem Institut für Massivbau zwei experimentelle Versuchsreihenzur Beurteilung der Eignung von Ankerschienen im Erdbebenfall gemäß der ACI355.2-2007 [2] durchgeführt. Für alle untersuchten Ankerschienen konnte die Eignung im Erdbebenfallgemäß ACI 355.2-2007 nachgewiesen werden.Parallel zu den experimentellen Versuchen wurde mit dem Programmsystem ANSYS ® [3]ein detailliertes dreidimensionales FE-Modell des Ankerschienensystems erstellt. Das Testprogrammder ACI 355.2-2007 wurde am FE-Modell simuliert, wobei für alle Lastfälle gute Übereinstimmungender Ergebnisse festgestellt werden konnte. Das vorgestellte FE-Modell bildetsomit eine gute Grundlage für weiterführende numerische Untersuchungen zur Erdbebensicherheitvon Ankerschienensystemen.LITERATURVERZEI<strong>CH</strong>NIS[1] HALFEN GmbH: URL:http//www.halfen.de[2] ACI 355.2-2007 (2007): “Qualification of Post-Installed Mechanical Anchors in Concreteand Commentary”, ACI, Farmington Hills, Michigan, 2007.[3] ANSYS ® Inc.: FEM-Software ANSYS ® . SAS IP Inc. URL http://www.ansys.com,Version: 12.1.[4] FEMA 461: „Interim Testing Protocols for Determining the Seismic PerformanceCharacteristics of Structural and Nonstructural Components”, FEDRAL EMERGENCYMANAGEMENT AGENCY (FEMA), Department of Homeland Security (DHS),Michael Mahoney, Project Officer Washington D.C., 2007.[5] Normenausschuss Bauwesen im DIN e.V., DIN 4149 - Bauten in deutschenErdbebengebieten, Teil 1: Grundlagen, Erdbebeneinwirkungen und Regeln fürHochbauten, April 2005.[6] International Conference of Building Officials (ICBO), (1997), Uniform Building Code1997, Whittier, CA., 1997.[7] Building Seismic Safety Council (BSSC), (2003), NEHRP recommended provisions forthe development of seismic regulations for new buildings and other structures, Parts 1and 2, FEMA 450, 2003.[8] American Society of Civil Engineers (ASCE), (2006), "Minimum Design Loads forBuildings and Other Structures", ASCE/SEI 7-05, ISBN: 0784408319, 2006.36416


[9] EN 1998:2004: Comite Europeen de Normalisation:, Eurocode 8 - Auslegung vonBauwerken gegen Erdbeben, Teil 1 - 6, Brüssel, 2004.[10] International Building Code (IBC), International Code Council, 2006.[11] CEN-TS, Part 1, 2, 3: European Committee for Standardization (CEN), Design offastenings for use in concrete, Technical specification, CEN, Brussels (in preparation).[12] Butenweg, C., Holtschoppen, B., Meskouris, K.: “Seismic design of secondarystructures”, Tagung "Seismic risk in Europe" , Liege, 11.112. September, 2008.[13] Kerntechnischer Ausschuss, (1990), Sicherheitstechnische Regel des KTA: Auslegungvon Kernkraftwerken gegen seismische Einwirkungen, Teil 4, KTA 2201.4, Fassung6/90.[14] Hoehler, M. S.: „Behavior and Testing of Fastenings to Concrete for use in SeismicApplications“, Institut für Werkstoffe im Bauwesen der Universität Stuttgart, 2006.[15] SEAOSC: Structural Association of Southern Californis (SEAOSC): “Standard methodof cyclic load test for anchors in concrete or grouted masonry”, Whittier, California,1997.[16] ATC 58-Project: Applied Technology Council, California - Washington, DC Area,http://www.atcouncil.org/atc-58.html[17] ASTM: Standard Practices for Cycle Counting on Fatigue Analysis, American Societyfor Testing and Materials, www.astm.org, 2003.[18] Krahwinkler, H., et al.: “Recommendations for Experimental Studies on the SeismicBehavior of Steel Components and Materials”, John A. Blume, Center Report No. 61,Department of Civil Engineering, Stanford University, 1983.[19] Lehrstuhl für Baustatik und Baudynamik (LBB), RWTH Aachen, Technical Report:“Evaluation of seismic performance of HALFEN anchor channels according to ACI355.2-2007”, 2010.[20] Deutsches Institut für Bautechnik. Zulassung Z-21.4-1691, Halfen-Ankerschienen HZA29/20, HZA 38/23 und HZA 53/34, März 2010.[21] Meskouris, K., Hinzen, K.-G., Butenweg, C., Mistler, M.: „Bauwerke und Erdbeben“, 3.Auflage, Vieweg-Verlag, <strong>2011</strong>.17365


366


12. D-A-<strong>CH</strong> Tagung – Erdbeben und BaudynamikC. Könke (Hrsg.)Hannover, Deutschland, 15.–16. September <strong>2011</strong>STAND UND ENTWICKLUNG DER ERDBEBENVORSORGEIN DER S<strong>CH</strong>WEIZB. Duvernay ** Bundesamt für Umwelt<strong>CH</strong>-3003 Bern, SchweizE-mail: blaise.duvernay@bafu.admin.chKeywords: Erdbebenvorsorge, Schweiz.Abstract. Seit 10 Jahren hat sich die Prävention bezüglich Erdbeben in der Schweiz gutentwickelt, sei es auf Niveau der technischen Grundlagen und Normen, der behördlichenMassnahmenprogramme oder bei der Berücksichtigung der Erdbebensicherheit seitensBauherren und Projektverfassenden. Es besteht aber nachwievor grosser Handlungsbedarf, vorallem im privaten Baubereich, das Erdbebenrisiko langfristig und nachhaltig zu senken.Durch das föderalistische System in der Schweiz, liegt die Baugesetzgebung imKompetenzbereich der 26 Kantone. Baureglemente und Baubewilligungsverfahren liegen imKompetenzbereich der ca. 2‘800 Gemeinden. Die Erstellung eines Bauwerks nach den Regelnder Baukunde liegt schliesslich in der Verantwortung der Projektverfassenden. Dieses sehrdezentrale System und das Fehlen von Kontrollen der Statik privater Bauprojekte durchPrüfingenieure stellen eine grosse Herausforderung dar, wenn eine kohärente undgleichmässige Präventionspolitik zur Erdbebensicherheit landesweit erzielt werden soll.Aus der Optik des Bundes sollen in der nahen Zukunft die folgenden Themen bezüglichPrävention prioritär behandelt werden:Die Zuständigen Baubehörden sollten eine systematische Thematisierung derErdbebensicherheit innerhalb des Baubewilligungsverfahrens ins Auge fassen. Im Minimumsollte die zuständige kommunale Baubehörde eine Konformitätserklärung verlangen. DieKonformitätserklärung wird vom Bauherren, Architekten und Bauingenieur unterschrieben undbestätigt die Einhaltung der Erdbebenanforderungen der aktuellen Normen im Bauprojekt.Durch dieses Verfahren erfolgt keine fachliche Kontrolle der Einhaltung derErdbebenanforderungen; die Diskussion der Thematik zwischen Bauherrn undProjektverfassern und deren Berücksichtigung im Projekt wird jedoch erheblich gefördert.Nichtbehandlung der Thematik oder Unkenntnis darüber werden vermieden.Bezüglich Deckung der Erdbebenschäden sollte eine saubere Verteilung der Deckung derRisiken zwischen Hauseigentümer, Versicherungen und Staat erfolgen. Mit der jetzigenSituation sind die Erdbebenrisiken nicht ausreichend gedeckt. Viele Eigentümer stehen imEreignisfall trotz dem Vorhandensein vom freiwilligen Pool von 18 kantonalenGebäudeversicherungen (Kapazität 2 Milliarden <strong>CH</strong>F) und dem Pool des Kantons Zürich(Kapazität 1 Milliarde <strong>CH</strong>F) vor dem finanziellen Ruin.1367


1 EINFÜHRUNGMit diesem Beitrag werden1. die Geschichte der Entwicklung der Erdbebenvorsorge in der Schweiz kurzzusammengefasst;2. der Ist-Zustand beurteilt;3. die wichtigsten bestehenden Handlungsbedürfnisse und einige angedachteLösungsansätze zur Verbesserung der Prävention diskutiert.Im Bezug auf den dritten Punkt stehen vor allem folgende Themen im Vordergrund:a. Was sollte und was kann eine Gemeinde als Baubehörde tun, um die Berücksichtigungder Erdbebensicherheit in den Bauprojekten zu fördern?b. Wie werden die finanziellen Schäden im Erdbebenfall abgedeckt, bzw. woher wird dasGeld für den Wiederaufbau kommen?c. In welchen Bereichen und Phasen funktioniert es noch nicht in Bauprojekten? Undwelche Instrumente fehlen den am Projekt Beteiligten, um diese Situation zuverbessern?2 GES<strong>CH</strong>I<strong>CH</strong>TE DER ERDBEBENVORSORGE IN DER S<strong>CH</strong>WEIZDie folgende Liste führt wichtige Ereignisse und Meilensteine bei der Entwicklung derErdbebenforschung und Erdbebenvorsorge in der Schweiz auf.1855 Schadensbeben im Hoch-Wallis (Brig/Visp). Magnitude ca. 6,31856 Erstes Erdbebenkatalog in der Schweiz (G.H.O. Volger)1878 Gründung der schweizerischen Erdbebenkommission1911 Installation des ersten Seismographen (Zürich)1913 Gründung des schweizerischen Erdbebendienstes1946 Schadensbeben im Zentralwallis (Siders/Sitten). Magnitude ca. 6,1.50-70 Bau und Planung der grossen Staudämmen und des ersten KKW in der Schweiz =erste Anwendungen des Erdbebeningenieurwesens in der Schweiz.1963 Aufhebung des Jahresbericht des SED (bis 1971)1964 Erdbebenschwarm im Kanton Obwalden (Sarnen/Kerns). Max. Magnitude ca. 5,71970 Erste sia Norm mit rudimentären Erdbebenvorschriften (weitgehend ignoriert)1975 Installation des schweizerischen Messnetzwerkes (analog/kurzperiodisch);ab 2000 mit einem digitalen Breitbandnetz ersetzt.1978 Erste Erdbebengefährdungskarte der Schweiz1978 Gründung des schweizerischen Pool für die Erdbebendeckung1979 Erste Vorlesung im Erdbebeningenieurwesen bei der ETH-Zurich1989 Erste sia Normen mir modernen Erdbebenvorschriften (weiterhin weitgehendignoriert)3682


1991 Installation des schweizerischen Starkbebennetzes1993 Der erste Kanton (Basel-Stadt) beginnt die Erhebung der Erdbebensicherheit seinerkritischen Bauten und Infrastrukturen im Erdbebenfall1994 Erste Erdbebensanierung eines Gebäudes in der Schweiz (ETH-Zurich)1995 Studie Katanos vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz: Erdbeben = grosses Risikofür die Schweiz1998 <strong>SGEB</strong>-Dokumentation D0150 „Handlungsbedarf von Behörden, Hochschulen,Industrie und Privaten zur Erdbebensicherung der Bauwerke in der Schweiz“ [1]1998 Motion Epiney im Nationalrat: für klare gesetzliche Grundlagen für dieErdbebenvorsorge1999 Vereinbarung Erdbebensicherheit zwischen Kanton Basel-Stadt und der chemischenIndustrie1999 Konzept Erdbebenvorsorge der ausserparlamentarischen KommissionNaturgefahren (PLANAT) z.H. des Bundesrates2000 Start des Massnahmenprogramms Erdbebenvorsorge des Bundes (jede 4 Jahreaktualisiert) [2]2001 Der Kanton BS ändert seinen Baurecht und führt Kontrolle derErdbebensicherheit von privaten Bauprojekten ein2002 Erste Vorlesung im Erdbebeningenieurwesen bei der ETH-Lausanne2003 Neue SIA-Baunormen mit verschärften Erdbebenvorschriften2003 Verfassungsartikel Naturgefahren (inkl. Erdbeben) wird von der zuständigenKommission des Nationalrats (UREK-N) abgelehnt => keine strategischeBundeskompetenz im Bereich Erdbebenvorsorge2004 Kanton Wallis ändert sein Baurecht und führt Kontrollen der Erdbebensicherheitvon privaten Bauprojekten ein2004 Publikation des Merkblattes SIA 2018 „Überprüfung bestehender Gebäudebezüglich Erdbeben“ => erste normative Grundlage für bestehende Gebäude2005 Lancierung des Projektes zum Vorschlag einer landesweiten obligatorischenErdbebenversicherung2005 Bundesrat Leuenberger interpelliert die kantonalen Baudirektoren «Kantone sollendie Erdbebenprävention intensivieren“2005 Der Kanton Nidwalden führt erdbebenspezifische Bauauflagen imBaubewilligungsverfahren ein.2006 Erstes Weiterbildungsangebot im Bereich Erdbebensicherheit für Ingenieure2007 Bericht der Bau-, Planung- und Umweltdirektoren-Konferenz: „DieErdbebensicherheit ist in der Eigenverantwortung von Eigentümern undProjektverfassenden“2009 Erneuerung und Ausbau des schweizerischen Starkbebennetz (bis 2016)2010 Der Kanton Jura führt erdbebenspezifische Bauauflagen im3369


Baubewilligungsverfahren ein.2010 Projekt einer solidarischen Erdbebenversicherung wird wegen fehlendem Konsenszwischen dem Hauseigentümerverband und den Versicherungen eingefroren<strong>2011</strong> Die Kantone Waadt, Freiburg und Aargau bereiten die Einführung vonobligatorischen erdbebenspezifischen Bauauflagen im BaubewilligungsverfahrenvorEs ist aus dieser Liste ersichtlich, dass die Umsetzung von Präventionsmassnahmenbezüglich Erdbeben vereinzelt erst Mitte der 90-er Jahren begonnen haben. Die Ursache dafürwar vor allem die Wahrnehmung der Konsequenz von Grossbeben in ausländischenindustrialisierten Ländern (Loma-Prieta 1989, Northridge 1994, Kobe, 1995).Im Bereich der Kontrolle von privaten Bauprojekten sind erdbebenspezifische Auflagen erst2001 erschienen und sind heute nur in der Minderheit der Kantone vorhanden.Von der Gründung der Erdbebenkommission bis zur ersten Erdbebengefährdungskartedauerte es 100 Jahren. Von der ersten Erdbebengefährdungskarte bis zur ersten modernenBaunorm mit aus dem heutigen Sicht streng genug Erdbebenvorschriften dauerte es 20 Jahren.Von dieser ersten modernen Baunorm bis zum Start vom Massnahmenprogramm zurReduktion des Erdbebenrisikos dauerte es ca. 10 Jahre.Wie lange es aber noch dauert bis eine genügende und kohärente Prävention bezüglichErdbeben in der Schweiz umgesetzt ist bleibt noch offen. Die Schweiz ist aber auf dem Weg.3 BEURTEILUNG DES IST-ZUSTANDESFolgend werden Hauptthemen die die Prävention im Bereich Erdbeben betreffen kurzangesprochen.3.1 Gesetzliche GrundlagenDie Bundesverfassung erteilt dem Bund keine allgemeine strategische Kompetenz imBereich der Erdbebenvorsorge. Die Prävention im Sinne von baulichen Schutzmassnahmen istin der kantonalen Baugesetzgebung geregelt. Gemäss den heutigen kantonalenBaugesetzgebungen muss nach dem Stand der Bautechnik gebaut werden, was implizit dieEinhaltung der Erdbebennormen bedeutet. Manche kantonale Gesetzgebungen sind expliziterindem die Einhaltung dieser Normen in der dazugehörigen Verordnungen erwähnt wird.Bezüglich rechtlicher Verankerung des erdbebensicheren Bauens ist die heutige Gesetzgebunggenügend.3.2 Technische GrundlagenIm Bereich des modernen Hochbaus sind die wichtigsten technischen Grundlagenvorhanden (Tragwerksnormen SIA 260ff [3] für Neubauten und Merkblatt SIA 2018 [4], [5] fürdie Überprüfung bestehender Gebäude bezüglich Erdbeben). Praxistaugliche technischeGrundlagen fehlen vor allem in den folgenden Bereichen: Sicherung von nicht-tragenden und architektonischen Bauteilen und Einrichtungen; Beurteilung und Verbesserung der Erdbebensicherheit von Altbauten (typischerweisemauerwerksbauten mit flexiblen Holzdecken);3704


Festlegung von risikobasierten Schutzzielen und Verhältnismässigkeitskriterien fürLifeline- und kritische Objekte.In der Aufsicht von Infrastruktursystemen durch den Bund sind die noch fehlendenbenötigten Grundlagen und Instrumentarien in Erarbeitung, sodass die Erdbebensicherheitsystematisch im Rahmen von Genehmigungsverfahren integriert werden kann. Dies betrifft vorallem die Bereiche Stromversorgung, Erdgasversorgung, Erdölversorgung, Nationalstrassenund Schienenverkehr.3.3 Bauliche Prävention und behördliche KontrolleDie Mehrheit der Kantone und der Bund berücksichtigen konsequenterweise die ThematikErdbebensicherheit für ihre eigenen Bauten. Diese machen aber nur einen Bruchteil des ganzenGebäudebestandes in der Schweiz aus. Die systematische Einhaltung der Erdbebennormen beiBauprojekten in der Schweiz ist nicht gegeben. Dies gilt vor allem für Bauten von Gemeindenund Privaten. Für private Neubauten werden heute lediglich in den Kantonen Basel-Stadt, Jura,Nidwalden und Wallis erdbebenspezifische Auflagen im Baubewilligungsverfahren verlangt.Die Kantone Freiburg, Waadt und Aargau planen die Einführung solcher Verfahren noch indiesem Jahr. Auf kommunaler Ebene sind keine spezifischen Bauauflagen bezüglichErdbebensicherheit bekannt.3.4 Ausbildung von ProjektverfassendenBei den Bauingenieuren hat sich der Kenntnisstand bezüglich Erdbebeningenieurwesen inden letzten 10 Jahren durch die Intensivierung der Prävention und den wachsenden Angebot anWeiterbildungskursen verbessert. Bezüglich Grundausbildung sind noch Lücken in dersystematischen Ausbildung von Bauingenieuren bei den Fachhochschulen vorhanden.Bei den Architekten bleibt der Kenntnisstand über den erdbebengerechten Entwurf vonHochbauten und die Rolle und Verantwortung des Architekten bezüglich Erdbebensicherheitrelativ schwach. Bei der Grundausbildung der Architekten im Bereich erdbebenrechtenEntwurf von Hochbauten sind Lücken vorhanden.Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) hat zum Zweck der Verbesserung der Grundausbildungvon Bauingenieuren und Architekten in Zusammenarbeit mit der ETH-Lausanne (EPFL) undder Fachhochschule Freiburg Lernmodule entwickelt, die von den Fachhochulen mitUnterstützung des BAFU und der EPFL integriert werden können.3.5 Deckung der ErdbebenschädenRückversicherer schätzen, dass eine Wiederholung des Erdbebens von Basel 1356 heutezwischen 50 und 100 Milliarden Franken an direkten Gebäude- und Inhaltsschäden verursachenwürde. Eine Wiederholung des Erdbebens von Visp in 1855 würde direkte Gebäude- undInhaltsschäden von 2 bis 5 Milliarden Franken verursachen. Bei solchen Ereignissen würdenviele Eigentümer vor dem finanziellen Ruin stehen.In 19 Kantonen der Schweiz werden die Gebäude derzeit durch einen öffentlich-rechtlichenMonopolversicherer, in 7 Kantonen durch private Gebäudeversicherer gegen Feuer undElementargefahren versichert. Das Erdbebenrisiko ist zurzeit im Rahmen dieser obligatorischenGebäudeversicherung nicht versicherbar.18 kantonale Gebäudeversicherer haben sich 1978 zum schweizerischen Pool fürErdbebenversicherung zusammengeschlossen, der im Fall eines Erdbebens freiwillige5371


Leistungen erbringt. Zurzeit beträgt die Deckung des Erdbebenpools 2 Milliarden Franken;für ein zweites Erdbeben im gleichen Jahr stehen weitere 2 Milliarden Franken zur Verfügung.Die Gebäudeversicherungsanstalt des Kantons Zürich deckt Erdbebenschäden aus denMitteln eines eigenen Fonds, so dass eine Deckung von einer Milliarde Franken erreicht wird.In den Kantonen, in denen private Gebäudeversicherer die Feuer- undElementarschadendeckung übernehmen, stehen keine Mittel für freiwillige Entschädigungennach einem Erdbeben bereit.Private Versicherungen bieten freiwillige Erdbebenversicherungslösungen an. DieseProdukte stellen heute die einzige Lösung für eine vertragliche Deckung der Erdbebenschädenin der Schweiz dar. Diese sind teuer und werden relativ wenig benutzt.Die heutige Deckung ist von einem globalen Standpunkt gesehen ungenügend. DieEinführung einer obligatorischen Erdbebenversicherung ist seit 2005 verschiedentlichthematisiert und kontrovers diskutiert worden. Die Kantonalen Gebäudeversicherungen und dieprivaten Sachversicherer haben zusammen die Möglichkeiten, Machbarkeit undVoraussetzungen einer landesweit einheitlichen Versicherung für Erdbebenrisiken geprüft undeinen konkreten Vorschlag erarbeitet. Zurzeit bestehen insbesondere zwischen demHauseigentümerverband und den Versicherungen sehr unterschiedliche Haltungen betreffenddiesem Vorschlag. Im Juni 2010 haben die Versicherungen entschieden das Projekt nicht weiterzu bearbeiten solange kein klares politisches Signal für eine solche Lösung vorliegt.3.6 Vorbereitung der Bewältigung für den EreignisfallDie kantonalen Behörden tragen grundsätzlich die Verantwortung für denBevölkerungsschutz. Bei Katastrophen aber oder in Notlagen, welche mehrere Kantone, dasganze Land oder das grenznahe Ausland betreffen, kann der Bund im Einvernehmen mit denKantonen die Koordination und allenfalls die Führung übernehmen. Der Bund kann aufgrundspezifischer Begehren der Kantone auch Hilfestellungen zugunsten derBevölkerungsschutzorgane leisten.Das in 2004 erstellte und bis 2010 umgesetzte Einsatzkonzept Erdbeben des Bundesumschreibt den Einsatz, die Koordination und die Führung der beteiligten Partner auf StufeBund zum Schutz der Bevölkerung und ihrer Lebensgrundlagen nach einem Erdbeben(Bewältigung). Es identifiziert die hierzu notwendigen Mittel, Prozesse und Massnahmen, dieauf allen Stufen vorsorglich bereit- bzw. sichergestellt werden müssen. Die für die Bewältigungeiner Erdbebenkatastrophe notwendigen Kompetenzen, Strukturen, Prozesse und das Knowhowsind in der Schweiz grundsätzlich vorhanden, müssen jedoch wegen der Tragweite derEreignisse auf allen Stufen gebündelt und koordiniert eingesetzt werden.Das Zusammenspiel dieser verschiedenen Organisationen bei der Bewältigung vonErdbeben wurde schon mehrfach geübt (z.B. Übung RHEINTAL 06) und ist auch Thema dernächstes Jahr stattfindenden grossen Übung SEISMO 12.4 DISKUSSIONSPUNKTE UND LÖSUNGSANSÄTZE4.1 Was sollten Baubehörden tun?Wie vorhin erwähnt sollte zur raschen Verbesserung der Umsetzung derErdbebenvorschriften der Baunormen ein gewisser Druck auf Stufe Baubewilligungsverfahrengesetzt werden. Damit dies auf Stufe Gemeinde passieren kann, braucht es einfache und billige3726


Lösungen die darauf Rücksicht nehmen, dass die Ressourcen und das vorhanden Fachwissenauf Stufe Gemeinde begrenzt sind.Aus Sicht des BAFU, sollte im Minimum die zuständige kommunale Baubehörde eineKonformitätserklärung verlangen. Die Konformitätserklärung wird vom Bauherren,Architekten und Bauingenieur unterschrieben und bestätigt die Einhaltung derErdbebenanforderungen der aktuellen Normen im Bauprojekt. Durch dieses Verfahren erfolgtkeine fachliche Kontrolle der Einhaltung der Erdbebenanforderungen, die Diskussion derThematik zwischen Bauherrn und Projektverfassern und deren Berücksichtigung im Projektwird jedoch erheblich gefördert. Nichtbehandlung der Thematik oder Unkenntnis darüberwerden vermieden.Das Bundesamt für Umwelt hat 2010 dazu Musterbeispiele entwickelt, die den Kantonenund Gemeinden zur Verfügung stehen (www.bafu.admin.ch/erdbeben => erdbebensicheresBauen). Bereits <strong>2011</strong> hat der Kanton Aargau entschieden diese Lösung im Rahmen einerAnpassung seiner Baugesetzgebung anzuwenden.4.2 Versichern oder nicht versichern ?Trotz des von 18 kantonalen Gebäudeversicherungen gebildeten freiwilligen Pools (Umfang2 Milliarden Franken) und des Pools des Kantons Zürich (Umfang 1 Milliarde Franken) stehenviele Eigentümer im Ereignisfall vor existentiellen Problemen. In Bezug auf den Vorschlageiner flächendeckenden, solidarischen Erdbebenversicherung vertreten zurzeit insbesondere derHauseigentümerverband (HEV) und die Versicherungen sehr unterschiedliche Haltungen.Der HEV vertritt die Haltung, dass der Staat im Falle eines grossen Schadenbebens für dieSchäden aufkommen muss und dass es deshalb keine obligatorische Erdbebenversicherungbraucht. Bei einem Grossereignis sind aber nur die Versicherungen in der Lage, dieSchadenschätzung und Schadenerledigung in einem akzeptablen Zeitrahmen und gerechtsicherzustellen und zu erledigen. Da der Staat über keine organisatorischen Strukturen verfügt,würde die Gefahr bestehen, dass ein erheblicher Anteil der vom Staat bereit gestelltenfinanziellen Mitteln nicht effizient eingesetzt würden, was zu grossen Mehrkosten bei derBewältigung führen würde.Aus der Sicht der Umsetzung des Integralen Risikomanagements (IRM) im Bereich derNaturgefahren, macht daher eine sorgfältige Prüfung der verschiedenen Möglichkeiten zurEinführung einer besseren Deckung der Erdbebenschäden weiterhin durchaus Sinn.4.3 Wie kann die Zusammenarbeit der Projektverfassenden verbessert werden ?Der Eigentümer ist für die Sicherheit seines Bauwerks zuständig. Die Einhaltung deraktuellen Tragwerksnormen und damit die Erstellung eines erdbebengerechten Bauwerksgehören zur Leistung des Architekten und Bauingenieurs. Die Lösung des Problems erfordertein Dialog zwischen diesen drei Akteuren.Was in diesem Bereich grundsätzlich zu verbessern ist, ist das gegenseitige Verständnisseitens Architekt und Bauingenieur was die Verantwortung und die Rolle des Anderen seinsollte. Der Architekt als Generalplaner hat eine zentrale Rolle. Er sollte dafür sorgen, dass dieDiskussion über die Erdbebensicherheit innerhalb eines Bauprojektes geführt wird. Dies solldazu führen, dass die Anforderungen und Zielsetzungen bezüglich Erdbebensicherheit und dieZusammenarbeit zwischen Architekt und Bauingenieur früh im Projekt diskutiert und geregeltwerden. Befragten Architekten sind aber oft der Meinung, dass die Erdbebensicherheit7373


eigentlich ganzheitlich vom Bauingenieur zu regeln ist und dass es ein aktive Rolle desArchitekten nicht braucht. Auf der anderen Seite erwarten Bauingenieure, dass dieKoordination des Problems vom Architekt übernommen wird. Aus einer anderen Perspektivesind sich die Bauherren nicht sicher, was sie im Bereich der Erdbebensicherheit von ihrenProjektverfassenden zu erwarten haben.In diesem Sinne sind Dialoginstrumente erforderlich, um sicherzustellen, dass Bauherren,Architekten und Bauingenieure ein gemeinsames Verständnis von den Verantwortungen undRollen bezüglich Erdbebensicherheit innerhalb eines Projektes haben. Dazu existieren die breitverbreitete Faltblätter der Stiftung für Baudynamik und Erdbebeningenieurwesen und desBundesamtes für Umwelt „Erdbebensicheres Bauen in der Schweiz – worauf es ankommt undwarum“ [6] und „Ist unser Haus erdbebensicher – Wann eine Überprüfung und allfälligeErtüchtigung zu empfehlen ist“ [7]. Diese Faltblätter sollen 2012 überarbeitet und neupubliziert werden, um den Aspekt der Zusammenarbeit der Projektverfassenden zu verbessern.5 ZUSAMMENFASSUNGIn der Schweiz hat die Umsetzung von Präventionsmassnahmen bezüglich Erdbebenvereinzelt erst Mitte der 90-er Jahren begonnen. Seitdem wurde einiges erreicht. Es bleibt abernoch viel zu tun, um eine kohärente und genügende Prävention bezüglich Erdbeben zuerreichen. Der Entscheid von kantonalen Behörden mehr Druck im Rahmen vonBaubewilligungsverfahren zu machen sowie die Erarbeitung einer Konsenslösung zur Deckungder finanziellen Schäden, zwischen privaten Eigentümern, Versicherungen und Staat gehörenzu den kritische Erfolgsfaktoren.REFERENCES[1] <strong>SGEB</strong>-Dokumentation D0150, Handlungsbedarf von Behörden, Hochschulen, Industrieund Privaten zur Erdbebensicherung der Bauwerke in der Schweiz, SchweizerischeGesellschaft für Erbebeningenieurwesen und Baudynamik, Zürich, 1998.[2] BAFU, Bericht an den Bundesrat, Erdbebenvorsorge – Massnahmen des Bundes –Standortbestimmung und Massnahmenvorschläge für den Zeitraum 2009-2012,Bundesamt für Umwelt, Bern, 2009. (*)[3] SIA 260 bis 267, Normen SIA 260 bis 267: Tragwerksnormen. SchweizerischerIngenieur- und Architekten-Verein, Zürich, 2003.[4] SIA 2018, Merkblatt SIA 2018, Überprüfung bestehender Gebäude bezüglich Erdbeben.Schweizerischer Ingenieur- und Architekten-Verein, Zürich, 2004.[5] T. Wenk, Erbebenertüchtigung von Bauwerken – Strategie und Beispielsammlung ausder Schweiz, Umwelt-Wissen N o 0832, Bundesamt für Umwelt, Bern, 2008. (*)[6] H. Bachmann: Erdbebensicheres Bauen in der Schweiz, Faltblatt der Stiftung fürBaudynamik und Erdbebeningenieurwesen, Dübendorf, und des Bundesamts fürUmwelt (BAFU), Bern, 2007. (*)[7] H. Bachmann: Ist unser Haus erdbebensicher? Faltblatt der Stiftung für Baudynamikund Erdbebeningenieurwesen, Dübendorf, und des Bundesamts für Umwelt (BAFU),Bern, 2007. (*)(*) www.bafu.admin.ch/erdbeben => Publikationen3748


12. D-A-<strong>CH</strong> Tagung – Erdbeben und BaudynamikC. Könke (Hrsg.)Hannover, Deutschland, 15.–16. September <strong>2011</strong>VEBESSERUNG DER TRAGFÄHIGKEIT VONMAUERWERKSWÄNDEN DUR<strong>CH</strong>STAHLBETON-LAGERBALKEN UNDEXPERIMENTELLE UNTERSU<strong>CH</strong>UNG MIT HILFEPSEUDODYNAMIS<strong>CH</strong>ER SUBSTRUKTURTESTSE. Fehling *, E. Aldoghaim* Institut für Konstruktiven IngenieurbauFachgebiet MassivbauKurt-Wolters-Straße 334125 KasselE-mail: fehling@uni-kassel.deKeywords: Stahlbeton-Lagerbalken, Erdbebenbeanspruchung, Pseudo-dynamischer Versuch,Substrukturtest, Kippbewegung .Abstract. Durch Gebäudeversagen infolge von Erdbeben werden jedes Jahr weltweit vieleMenschen verletzt oder getötet. Der beste Weg dies zu verhindern, ist unser Verständnis desPhänomens zu verbessern und Regeln für erdbebensicheres Bauen zu entwickeln undumzusetzen. Der Kenntnisstand bei Mauerwerkskonstruktionen ist in diesem Zusammenhangbisher weniger weit entwickelt als bei anderen Bauweisen wie Beton-, Stahl- und Holzbauten.Dies ist vor dem Hintergrund, dass die meisten Wohngebäude in Deutschland ausunbewehrtem Mauerwerk gebaut sind, von besonderer Bedeutung.Aus diesem Grund wurde eine neue Methode zur Verbesserung des Verhaltens vonMauerwerkswänden durch Verwendung von Stahlbeton-Lagerbalken mit Eckaussparung(Corner-Gap-Element) [1] vorgeschlagen, die sich mit geringem Kostenaufwand umsetzenlässt. In diesem Beitrag wird gezeigt, wie sich Mauerwerkswände mit unten beziehungsweisesowohl unten als auch oben angeordneten Lagerbalken als Tragwände in typischenReihenhäusern verhalten. Dazu wurden pseudodynamische Versuche an Mauerwerkswändenals Substruktur in einem typischen Einfamilien-Reihenhaus durchgeführt. Durch dieSubstrukturtechnik wird dabei ermöglicht, die Randbedingungen einer Mauerwerkswand, wiesie während eines Erdbebens in einem typischen Reihenhaus gegeben sind, realitätsnah imExperiment zu simulieren, ohne das ganze Gebäude im Versuchsstand aufbauen zu müssen.1375


1 EinführungEine Möglichkeit zur Verbesserung des Verhaltens schlanker Mauerwerkswände imErdbebenfall ist durch Stahlbeton-Lagerbalken möglich, die am Ende eine Aussparungaufweisen (Corner-Gap). Die Grundidee basiert drauf, das vorzeitige Versagen des Mauerwerksdurch Spannungskonzentrationen im Eckbereich zu vermeiden. Die Beanspruchung derMauerwerkswand im Erdbebenfall und die grundsätzliche Wirkungsweise werden in Bild 1veranschaulicht. Mauerwerkswände erfahren im Erdbebenfall häufig eine hohe Ausnutzung derQuerkrafttragfähigkeit. Mit steigender Querkraft ist ein Anstieg des Biegemoments verbunden,so dass die Exzentrizität der Normalkraft im den kritischen Querschnitt signifikant werdenkann. Dies führt zu einer Verkürzung der Länge der Druckzone, d.h. der wirksamenAufstandslänge der Mauerwerkswand einer unbewehrten Mauerwerkswand und einer hohenKonzentration von Normal- und Schubspannungen. Um dieses Problem zu lösen, wurde einLagerbalken vorgeschlagen, der sowohl eine Begrenzung der möglichen Exzentrizität derNormalkraft als auch eine Mindestlänge der Druckzone im Mauerwerk garantiert, wodurch einebessere Verteilung und Begrenzung der Spannungen erreicht und eine Sprödversagenvermieden wird. Gleichzeitig ist durch die sich einstellende Kippverformung eine hoheVerformungskapazität gegeben, indem die Wand um den Aufstandspunkt an der Spitze derAussparung rotiert. Damit kann das Prinzip der Kapazitätsbemessung auch bei Mauerwerkumgesetzt werden.Bild 1: Wirkungsweise des Lagerbalkens, [9].Rütteltischversuche [1] haben die prinzipielle Eignung dieses Konzepts im Erdbebenfallgezeigt. Zur konkreten experimentellen Verifikation der Anwendung in typischen Gebäudenwurden insgesamt 10 pseudodynamische Versuche an Ziegel-Mauerwerkswänden ohne und mitLagerbalken in verschiedenen Konfigurationen als Substruktur eines 2-stöckigen Reihen-Mittelhauses an der Universität Kassel durchgeführt. Im Versuchsstand war dazu lediglich eineTragwand des Erdgeschosses aufgebaut, während die restlichen Wände und alle Deckennumerisch simuliert wurden. Am Wandkopf wirkten zwei Hydraulikzylinder vertikal sowieeiner in horizontaler Richtung. Entsprechend den drei Freiheitsgraden am Wandkopf wurdeeine dynamische Kondensation durchgeführt, indem die drei wesentlichen Eigenformen erfasstwerden.3762


2 PSEUDO-DYNAMIS<strong>CH</strong>E SUBSTRUKTUR- VERSU<strong>CH</strong>TE<strong>CH</strong>NIK2.1 GrundlagenBei pseudo-dynamischen Sub-Struktur- Tests wird das zu untersuchende System in einemexperimentell zu untersuchenden und einem numerischen erfassten Teil unterteilt. DiesesVerfahren ermöglicht es, große Strukturen unter dynamischer Belastung zu simulieren, indemnur ein Teil des Systems (Tragwand im Bild 2) experimentell untersucht werden muss,während alle Trägheitseffekte sowie das Restsystem durch rechnerische Simulationbeschrieben werden können (Methode der Pseudodynamik PSD). Das im Rahmen vonESECMaSE [2] am Joint Research Center (JRC) der EU in Ispra untersuchte Einfamilien-Reihenhaus wurde für das hier beschriebene Versuchsprogramm ausgewählt.Bild 2: Grundriss des gesamten Ispra-Gebäudes.Bild 3: Das FE-Modell des gesamten Gebäudes,[9].Im Finite-Element-Modell ist die Hauptschubwand im Erdgeschoss durch ein spezielles T-Element vertreten, welches das Verhalten (Verschiebungen, Rotation, und Knotenkräfte) derrealen getesteten Schubwand mit dem FE-Modell verbindet. Bei der Sub-Struktur-Technik wirddie Steifigkeit der gesamten Struktur in jedem Schritt innerhalb der Gleichgewichtsiterationjedes Zeitschritts benötigt. Das würde zu langen Rechen- und Versuchsdauern führen. Umdieses Problem zu lösen, wird das gesamte System auf der Basis der aus der Modalmatrixausgesuchten wichtigsten drei Schwingungsmoden der Struktur nach Gleichung (1) in einmodales Koordinatensystem transformiert, s. Bild 4. Die Differentialgleichungen werden nunim neuen Koordinatensystem vom PSD-Algorithmus für diese drei Schwingungsmoden gelöst.Im Rahmen des ESECMaSE-Projekts [3] wurde von Aldoghaim ein Algorithmus mit Hilfe desimpliziten α-Verfahrens zur Lösung dynamischer Gleichungen mit einem Freiheitsgradimplementiert. Hier wird dieser Algorithmus erweitert, um die drei entkoppelten dynamischenGleichungen iterativ zu lösen.3377


Bild 4: Transformation des Systems in das modale Koordinatensystem, [9].•••[ M ] .{} u + [ C] .{} u + [ K + K ] .{} u = a ⋅[ M ]n×n n×1 n×n n×1 SB W n×n n×13•••••[ μ] × 3.{} q 3 × 1+ [ Δ] 3 × 3.{} q 3 × 1+ [ γSB+ γW] .{} q 3 × 1= { Fr} 3 × 13 × 3gn×nTransformation⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯→(1)Tµ = Φ 3xn ∙ M nxn . ∙ Φ nx3 ist hierbei die Massenmatrix im modalen Koordinatensystem, Φ ist dieTModalmatrix der drei ausgesuchten Moden, Δ = Φ 3xn ∙ C nxn ∙ Φ nx3 ist die Dämpfungsmatrix imTmodalen Koordinatensystem, γ SB = Φ 3xn ∙ K SB(nxn) ∙ Φ nx3 ist die Steifigkeitsmatrix der Sub-TStruktur im modalen Koordinatensystem, γ w = Φ 3xn ∙ K w(nxn) ∙ Φ nx3 ist die Steifigkeitsmatrix dergetesteten Wand im modalen Koordinatensystem, q, q·, q·· sind die Verschiebungs-,Geschwindigkeits- und Beschleunigungsvektoren im modalen Koordinatensystem und F r sinddie Trägheitskräfte im modalen Koordinatensystem.Die drei ausgewählten Schwingungsmoden wurden so bestimmt, dass sie sowohl diemaximale Horizontalverschiebung und Verdrehung sowie auch die Vertikalverschiebung desWandkopfes (repräsentiert durch das T-Element) bestmöglich erfassen können. Um denEinfluss der Vernachlässigung der anderen Modalformen zu prüfen, wurden alle möglichenKombinationen, die aus jeglichen drei Modalformen gebildet werden können, in Gruppengeordnet. Die Antwort der Struktur wurde nach diesen Kombinationen im PSD-Algorithmuslinear-elastisch berechnet. Die Verschiebungen aus der ausgewählten Kombination derSchwingungsmoden sind 10-fach größer als für jede andere Kombination.2.2 Nichtlineares Verhalten der GiebelwandWeil die Substruktur linear-elastisch simuliert wurde, ist im Kreuzungsbereich dergetesteten Wand (mit der Länge 1,5m) und der Giebelwand zu bemerken, dass während derSchwingung des Gebäudes eine Zugkraft in der –numerisch simulierten- Giebelwand entstehenkann. In einem Versuch am Gesamtgebäude könnte diese Zugkraft jedoch wegen desAusbildens einer klaffenden Fuge zwischen der Decke und dem Wandkopf nicht auftreten.Damit die in der Realität nicht auftretende Zugkraft das Versuchsergebnis nicht verfälscht,wurde ein Stabelement in das numerische Modell eingebaut, s. Bild 5. Dieses Stabelementmuss bei Verformungen nach oben zusammen mit der Giebelwand eine verschwindendeSteifigkeit erzeugen, so dass in Summe keine Zugkraft entsteht.3784


dexuv1uhuv2WegZugkraft imStabelementRzStabelement(Giebelwand)Bild 5-a: Zugkraft in der Giebelwand, [9]. Bild 5-b: Zugkraft im simulierten Stabelement, [9].Die zu kompensierende Zugkraft R z,u kann einfach im physikalischen Koordinatensystem nachGleichung (2) ermittelt werden:EARz, u = ⋅ dex(2)HHierbei ist E der Elastizitätsmodul der Giebelwand, A ist der effektive Querschnitt derGiebelwand im Kreuzungsbereich, H ist die Höhe des Erdgeschosses der Struktur und d ex istdie vertikale gemessene Verschiebung am linken Wandkopf während des Versuchs.Weil der Versuch im modalen Koordinatensystem durchgeführt wird, muss die Zugkraft R z,uin Bezug auf die drei ausgewählten Moden in das modale Koordinatensystem nach Gleichung(3) transformiert und in den PSD-Algorithmus eingebaut werden.⎡kkk1,1 1,2 1,3T ⎢⎥z , q = [ ϕ1ϕ2ϕ3] ⋅ k2,1k2,2k2,3⋅[ ϕ1ϕ2ϕ3](3)R⎢⎥⎢⎥⎣k3,1k3,2k3,3⎦[ ϕ1ϕ2ϕ3] ist die aus den drei ausgesuchten Schwingungsmoden an den drei Knoten des T-Elements gebildete Modalmatrix. Die quadratische 3x3 Matrix ist die Steifigkeit dessimulierten Stabelements im physikalischen Koordinatensystem.Für den Fall der Druckbeanspruchung der Giebelwand muss die Steifigkeit des Stabelementszu Null gesetzt werden, um nicht eine Verdopplung der Druckkraft zu erhalten.⎤3 EXPERIMENTELLE UNTERSU<strong>CH</strong>UNGEN AN MAUERWERKSWÄNDEN3.1 Anordnung des Lagerbalkens in MauerwerkswandDer Lagerbalken wurde als ein innovatives Element in vorgestellt, der aus Stahlbetonhergestellt werden kann. Lagerbalken können in einer Mauerwerkswand in der ersten sowie inder letzten Mauerschicht eines Geschosses anstatt jeweils einer Steinreihe installiert werden, s.Bild 6. Die Lagerbalken können in der Praxis einfach mit Verwendung von Normalmörtel ander Betonplatte angeschlossen werden. Die einfache Herstellung und Installation des5379


DeckenplatteKopfbalkenAussparungFußbalkenBild 6-a: Mauerwerkswand mit Kopf- und Fußlagerbalken.Bild 6-b: Mauerwerkswand mit Fußlagerbalken.Lagerbalkens in Mauerwerkswänden stellt ein günstiges und einfaches Verfahren fürVerbesserung der seismischen Kapazität eines Mauerwerksgebäudes in der Praxis dar.3.2 VersuchsprogrammZur Beurteilung der Einflüsse aus unterschiedlicher Wandlänge l, aus verschiedenenvertikalen Spannungen σ v und des Einflusses von Stahlbeton-Lagerbalken auf dasSchubtragverhalten von Ziegel-Mauerwerkswänden wurden 10 Wandversuche im Rahmeneines Forschungsprojekts durchgeführt [9]. Die Randbedingungen der Wand werden währendder pseudodynamischen Wandversuche so simuliert, als ob die Wand sich in dem obenerwähnten typischen Reihenhaus befinden würde. Das bedeutet, dass auch der Einfluss des beiKippen (Rocking) der Schubwand zu erwartenden Anstiegs der Normalkraft auf das Verhaltender Wand im Versuch berücksichtigt werden kann. Die Versuche sollen das Verhalten derKonstruktion mit Lagerbalken im Vergleich zu üblichen Ziegelmauerwerksgebäuden ohneLagerbalken zeigen. Tabelle 1 enthält das Versuchsprogramm mit den maßgeblichenEinflussgrößen der Versuchswände. Es wurden die Steinarten Planelement T 500 [4],Planelement T 10 [5] und Opti 2-TSQ Quadrat [6] wurden für die Herstellung derMauerwerkswände verwendet. Für das Erstellen der untersten und obersten Lagerfuge sowiefür die Lagerfugen zwischen Steinschicht und Lagerbalken wurde Normalmörtel derMörtelgruppe M10, für die anderen Lagerfugen der Wandscheibe ein Dünnbettmörtel benutzt.Tabelle 1: Übersicht über die pseudo-dynamischen Wandversuche.3806


Die Lastaufbringung an der Wand erfolgte weggesteuert durch drei Hydraulik-Zylinder. DieBodenbeschleunigungs-Zeitverläufe wurden spektrumkonform mit den Spektren CS und CRnach DIN 4149 bzw. dem deutschen Annex zu EN 1998-1 erzeugt, s. Bild 7 a und b.Bild 7-a: Elastisches Antwortspektrum fürBeschleunigungs-Zeitverlauf C-S, [7].Bild 7-b: Elastisches Antwortspektrum fürBeschleunigungs-Zeitverlauf C-R, [9].3.3 Auswertung und Ergebnisse der WandversucheDer Input-Beschleunigungszeitverlauf Versuche wurde jeweils bis zum Versagen der Wandbzw. bis zum Erreichen der Sicherheitsgrenzwerte für den Prüfstand gesteigert. In der Tabelle 2sind sowohl die Horizontalkraft beim Auftreten erster Risse H E in der Wand in Zug- bzw. inDruckrichtung des Horizontal wirkenden Hydraulikzylinders als auch die maximal erreichteHorizontalkraft H u zusammengestellt. Die maximale und minimale Vertikalkraft N sindebenfalls in Tabelle 2 gelistet. Weiterhin ist hier jeweils das Verhältnis zwischen Bruch- undErstrisskraft sowie das Verhältnis der maximalen Horizontalkraft zur zugehörigen Vertikalkraftdargestellt. Ebenso sind in der Tabelle die maximal erreichten Kopfverformungen du 1 und du 2der Versuchswände in beide Richtungen dargestellt.Tabelle 2: Maximale Horizontalkraft mit zugehöriger NormalkraftEinen Überblick über die Ergebnisse hinsichtlich der Tragfähigkeit gibt Bild 8. Für dieDarstellung wurde in Anlehnung an Stürz [8] ein Wandfaktor k w ' eingeführt, der denAusnutzungsgrad der Wand hinsichtlich der Normalkraft α = σ v / f k sowie das Verhältnis derNetto-Aufstandslänge der Wand l w ' zu Wandhöhe ausgeht:kw′=v lw′⋅fkhwσ(4)7381


Die Schubtragfähigkeit der Wand wird durch eine bezogene Schubspannung τ' dargestellt, mit:Hτ ′ =u(5)fk⋅ AwHierin ist H u die Schubtragfähigkeit der Wand (maximal im Versuch aufnehmbareHorizontalkraft) und A w ist die Grundfläche der betrachteten Wandscheibe A w = t . l w 'Bild 8: Übersicht über die bezogene Tragfähigkeit aus den Wandversuchen, [9].Bild 9 zeigt beispielhaft das Verschiebungs-Horizontalkraftdiagramm. DieVersuchsergebnisse belegen, dass der Lagerbalken sowohl das Verformungsvermögen als auchdie Tragfähigkeit der Wand deutlich gegenüber den Referenzversuchen (Endung-N) ohneLagerbalken erhöht. Im Übrigen konnte nur ein geringer Einfluss eines zweiten (oberen)Lagerbalkens auf das Verhalten der Wand festgestellt werden. Die Aufstandslänge der Wandwird durch die Ausklinkung des Lagerbalkens um 400 mm verkürzt, so dass die Wand leichtereine Kippbewegung in der Wandebene ausführen kann. Damit verbunden kann die Normalkraftmit steigender Horizontalkraft anwachsen (s. Bild 10). Bei kurzen Wänden (1,5 m) ist derEinfluss des Lagerbalkens auf die Normalkraft deutlich stärker ausgeprägt.Lagerbalken UntenLagerbalken Oben/UntenLagerbalken Ohne100806040Horizontale Kraft [kN]200-13 -11 -9 -7 -5 -3 -1 1 3 5 7 9 11-20-40-60-80-100-120-140Horizontale Verschiebung [mm]Bild 9-a: Einfluss von Lagerbalken auf das Tragverhalten, l w =2,0 m, [9].3828


Bild 9-b: Einfluss von Lagerbalken auf das Tragverhalten, l w =1,5 m, [9].Bild 10-a: Entwicklung der Normalkraft, l w =2,0 m, [9].Bild 10-b: Entwicklung der Normalkraft, l w =1,5 m, [9].9383


Bei den längeren Wänden (2,0 m) ist die Periode der horizontalen Antwortschwingung kaumvon der Existenz eines oder zweier Lagerbalken abhängig. Hingegen zeigen die kürzerenWände (1,5 m) deutliche Unterschiede der Perioden der Schwingungsantwort, wenn zweiLagerbalken angeordnet werden (s. Bild 11). Für die kurze Wand lässt sich somit die bis zumVersagen ertragbare Bodenbeschleunigung von a g ∙ S = 0,22g durch Verwendung vonLagerbalken auf a g ∙ S = 0,38 g steigern, also um 72,7 %.12108Horizontale Antwort-ZeitLagerbalken Unten -0,38gLagerbalken Oben/Unten -0,42gLagerbalken Ohne -0,22g6Hor. Verschiebung (mm)420-2-4-60 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10-8-10-12Zeit (sec)Bild 11-a: Horizontal-Verschiebungs-Zeitverlauf, l w =2,0 m, [9].2015Lagebalken Oben/Unten -0,38gLagebalken Ohne -0,22gHorizontale Antwort-Zeit10Hor. Antwort (mm)50-50 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10-10-15-20Zeit (sec)Bild 11-b: Horizontal-Verschiebungs-Zeitverlauf, l w =1,5 m, [9].Einen Überblick über den Einfluss der Anordnung von ein bzw. zwei Lagerbalken auf diemaximale von der Mauerwerkswand als aussteifende Wand des Gebäudes aufnehmbare38410


Bodenbeschleunigung gibt Bild 12. Die jeweilige Neigung der resultierenden Kraft beimaximaler Horizontalbeanspruchung kann Bild 13 entnommen werden.l w =2,0 ml w =1,5 mBild 12: Übersicht über die maximal aufnehmbare Input-Beschleunigung, [9].C-RN 0 = -200 kNBild 13: Übersicht über die Neigung der resultierenden Kraft, [9].Weitere Informationen über die Ergebnisse dieses Projekts sind im Detail demForschungsbericht [9] zu entnehmen.11385


VERWENDETE LITERATUR[1] M. Nejati, Seismic behavior of capacity designed masonry walls in low seismicityregions, Dissertation, Universität Kassel, Fachbereich Bauingenieur- undUmweltingenieurwesen, November 2005.[2] A. Anthoine, Definition and design of the test specimen, Technical report of thecollective research project ESECMaSE, deliverable D8.1, 2007.[3] E. Fehling, J. Stürz, E. Aldoghaim, Test results on the earthquake resistance on improvedmasonry materials by pseudo dynamic tests, Technical report of the collective researchproject ESECMaSE, deliverable D7.2a, 2008.[4] Allgemeine Bauaufsichtliche Zulassung, Mauerwerk aus WIENERBERGER-Planelement T500. Deutsches Institut für Bautechnik, Wienerberger ZiegelindustrieGmbH, Hannover, NR. Z-17.1-706, August 2009.[5] Allgemeine Bauaufsichtliche Zulassung, Mauerwerk aus POROTONPlanhochlochziegeln T10/-T11 " Mz 33" in Dünnbettverfahren, WienerbergZiegelindustrie GmbH, Hannover, NR. Z-17.1-889, März <strong>2011</strong>.[6] Allgemeine Bauaufsichtliche Zulassung, Mauerwerk aus Planhochlochziegeln mitquadratischer Lochung, Deutsches Institut für Bautechnik, Mein Ziegelhaus GmbH &Co.KG, NR. Z-17.1-993, Oktober 2008.[7] A. Anthoine, P. Caperan, Earthquake tests and analysis of the experimental results,Technical report of the collective research project ESECMaSE, deliverable D8.3, 2008.[8] J. Stürz, Ein empirischer Ansatz zur Beschreibung der Horizontaltragfähigkeitgemauerter Wandscheiben unter Berücksichtigung der Interaktion mit derGebäudestruktur, Dissertation, Universität Kassel, Fachbereich Bauingenieur- undUmweltingenieurwesen, <strong>2011</strong>[9] E. Fehling, E. Aldoghaim, Verbesserung des dynamischen Widerstands vonZiegelgebäuden in den deutschen Erdbebengebieten durch den Einsatz von Lagerbalken,Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen "Otto von Guericke" (AiFProjekt), Universität Kassel, März <strong>2011</strong>.38612


12. D-A-<strong>CH</strong> Tagung – Erdbeben und BaudynamikC. Könke (Hrsg.)Hannover, Deutschland, 15.–16. September <strong>2011</strong>NA<strong>CH</strong>WEIS DER ERDBEBENSI<strong>CH</strong>ERHEIT EINERVERBRENNUNGSANLAGE FÜR RADIOAKTIVE ABFÄLLER. Flesch *, H. Friedl und M. Kwapisz* Austrian Institute of Technology AIT/ Mobility/ TITGiefinggasse 2, 1210 Wien, AustriaE-mail: rainer.flesch@ait.ac.atKeywords: Ermittlung Erdbebensicherheit, bestehende Bauwerke, dynamische in-situMessungen, Bauwerksmodellierung, model – updating, Erdbebennachweis.Abstract. Die Verbrennungsanlage für radioaktiven Müll der Firma Nuclear EngineeringSeibersdorf GmbH (NES) wurde 1978 erbaut und soll im Rahmen des Zukunftskonzeptesmodifiziert werden. Der Umbau betrifft den Bereich der Beschickung sowie der Entaschung desVerbrennungsofens. Durch den Umbau der Ofen – Beschickung kommt es zu höheren Lastenauf den Ofen sowie auf die Stahlkonstruktion, welche eine Zwischendecke in Höhe + 9,4 mbildet.Die Untersuchung erfolgte in 5 Schritten: 1) Modellierung des bestehenden Gebäudes inklusiveStahlkonstruktion, Ofen und zugehörige Anlagen (Filterkästen, etc.; 2) Dynamische in-situMessungen an Ofen + Gebäude zur Ermittlung der Steifigkeit. Die Anregung erfolgte hierbeimittels des Schwingungsgenerators VICTORIA durch „Rauschen“ unter Einsatz derStabkettentechnik (Verbindung Hydraulikkolben mit Bauwerk unter 45°); 3) Verbesserung desRechenmodells mittels der aus den Messungen identifizierten Eigenfrequenzen undEigenformen („model – updating“; 4) Überprüfung der Erdbebensicherheit des bestehendenGebäudes (vor dem Umbau) gemäß Eurocode 8; 5) Ermittlung der Bauwerksbeanspruchungzufolge der zusätzlichen statischen Lasten sowie der erhöhten Erdbebenlasten nach demUmbau. Hierfür wurden zwei unterschiedliche Annahmen für die Zusatzmassen getroffen.Für die Modalanalyse des Gebäudes wurden Transferfunktionen unter Verwendung derkünstlichen Schwingungsanregung durch VICTORIA ermittelt. Insgesamt wurden hieraus 4Eigenschwingzustände zwischen 4,6 und 8,6 Hz identifiziert.Für das Gebäude wurde ein sehr detailliertes räumliches Finite-Elemente Modell in ANSYSerstellt. Das FE- Modell wurde anhand der ersten vier aus den Messungen identifiziertenEigenschwingzustände kalibriert. Im Zuge des „model updating“ Prozesses wurden dieBodenfedern, der E-Modul des elastischen Materials in den Gebäudefugen und die Steifigkeitder Verbindung zwischen Stahldecke und Stahlbetonwänden variiert. Der Mittelwert derAbweichungen zwischen den berechneten und gemessenen Eigenfrequenzen betrug am Endeca. 2 %.1387


1 AUFGABENSTELLUNGAIT – damals arsenal research - war Partner im Integrated Project LESSLOSS der EC undhat das Teilprojekt 5 (SP5) koordiniert. Die wichtigste Aufgabe von SP5 war die Erarbeitungdes „European Manual for In-Situ Assessment of Important Existing Structures“ [1], welchesim Jahr 2007 veröffentlicht wurde.Die Verbrennungsanlage für radioaktiven Müll der Firma Nuclear Engineering SeibersdorfGmbH (NES) wurde 1978 erbaut und soll im Rahmen des Zukunftskonzeptes modifiziertwerden. Der Umbau betrifft den Bereich der Beschickung sowie der Entaschung desVerbrennungsofens. Durch den Umbau der Ofen – Beschickung kommt es zu höheren Lastenauf den Ofen sowie auf die Stahlkonstruktion, welche eine Zwischendecke in Höhe + 9,4 mbildet. AIT Mobility wurde mit folgenden Untersuchungen beauftragt:Nachrechnung ob die Zwischendecke (+9,4m) aufgrund der zusätzlichen Lastenverstärkt werden mussÄnderung des dynamischen Bauwerksverhaltens zufolge der ZusatzmassenÜberprüfung der Erdbebensicherheit von Gebäude/ Ofen/ Stahlkonstruktion vor undnach dem Umbau.Da es sich um einen maßgeblichen Umbau einer bestehenden Anlage handelt, bei der imFall von Erdbeben wesentliche Sekundärrisken vorliegen, war der Eurocode 8 in vollemUmfang anzuwenden. Zusätzlich wurde seitens der Zentralanstalt für Meteorologie undGeodynamik ein Gutachten betreffend die maximale Erdbebenbeschleunigung am Standorterstellt. Die horizontale Bemessungsbeschleunigung ergab sich zu 1,8 m/ s².Die Untersuchung erfolgte in 5 Schritten:Modellierung des bestehenden Gebäudes inklusive Stahlkonstruktion, Ofen undzugehörigen Anlagen (Filterkästen, etc.).Dynamische in-situ Messungen an Ofen + Gebäude zur Ermittlung der Steifigkeit.Die Anregung erfolgte hierbei mittels des Schwingungsgenerators VICTORIA durch„Rauschen“ unter Einsatz der Stabkettentechnik (Verbindung Hydraulikkolben mitBauwerk unter 45°).Verbesserung des Rechenmodells unter Verwendung der aus den Messungenidentifizierten Eigenfrequenzen und Eigenformen („model – updating“).Überprüfung der Erdbebensicherheit des bestehenden Gebäudes (vor dem Umbau)gemäß Eurocode 8.Ermittlung der Bauwerksbeanspruchung zufolge der zusätzlichen statischen Lastensowie der erhöhten Erdbebenlasten nach dem Umbau. Hierfür wurden zweiunterschiedliche Annahmen für die Zusatzmassen getroffen.2 MESSUNGENZur experimentellen Ermittlung des Eigenschwingverhaltens des Gebäudes wurde derhydraulisch angetriebene Reaktionsmassenerreger „VICTORIA“ verwendet. Das Gerät wurde3882


vor dem Gebäude positioniert (siehe Abbildung 1 und 2) und der Hydraulikkolben unter 45°mittels Stabkette an das Gebäude angekoppelt. Es wurden somit horizontale und vertikaledynamische Erregerkräfte in das Gebäude eingeleitet. Für die Messungen wurden hochsensibledreiachsige Beschleunigungsaufnehmer verwendet. Es wurden 42 Messpunkte in 5 Ebenenangeordnet (4,6 m; 7,1 m; 9,4 m; 9,6 m und 12,0 m über dem Boden). Des Weiteren wurden amVerbrennungsofen 4 weitere Messpunkte vorgesehen.Abbildung 1: „VICTORIA“ in 45° Schrägstellung, Anschlusskonsole und AufstellungAbbildung 2: Position des Schwingungsgenerators VICTORIA im Grundriss3389


Vier von fünf Sensoren wurden direkt an die Wand angeschraubt und ein Sensor wurde aufdem Boden positioniert. Am Verbrennungsofen konnten die Sensoren mit Hilfe einerMagnetvorrichtung befestigt werden. Mit den 5 verfügbaren Sensoren waren zehnAufstellungskonfigurationen erforderlich, um in allen Positionen zu messen. Standardmäßigwurde bei jeder Messung eine Schwingungsanregung durch „Rauschen“ im Frequenzbereich 4bis 25 Hz vorgenommen.Als Basis für die Modalanalyse wurden aus den gemessenen Zeitverläufen derAntwortschwingungen und der Erregerkraft Transferfunktionen für alle Messpunkte gebildet.Hierbei erhält man die Schwinggeschwindigkeit (mm/ s) in den Messpunkten als Funktion derFrequenz, bezogen auf 1 N eingeleitete Erregerkraft bei der betrachteten Frequenz. DieAuswertung erfolgte zum Teil direkt während der Aufnahme der Zeitsignale, indem mit demOROS Analysator sofort die Transferfunktionen für die gerade verwendeten Messpunkteerrechnet und gespeichert wurden. Für die Analyse wurden folgende Einstelldaten verwendet:• Frequenzbereich 0 bis 80 Hz• Frequenzauflösung 0,2 Hz• Datenfenster Hanning• Überlappung 30 %; Anzahl der Mittelungen: gesamte Messzeit.Unter Verwendung der Transferfunktionen wurde mit der OROS NV- Solutions Softwaredie Modalanalyse für Rauschanregung durchgeführt, wobei die MDOF – Analysemethodeverwendet wurde. Es konnten vier Eigenschwingzustände (Moden) im Bereich 4 – 9 Hzidentifiziert werden, was aus dem Stabilitätsdiagramm in Abbildung 3 ersichtlich ist. Dieidentifizierten Eigenfrequenzen und Dämpfungszahlen sind in Tabelle 1 angegeben.Real /250NewPoleFrequencyFreq-DampFreq-VectorStableSelectedFRF(FC.101.X,FC.999.X)-2020FRF(FC.102.X,FC.999.X)FRF(FC.103.X,FC.999.X)FRF(FC.104.X,FC.999.X)FRF(FC.106.X,FC.999.X)FRF(FC.108.X-,FC.999.X)FRF(FC.109.X,FC.999.X)FRF(FC.221.X,FC.999.X)-40FRF(FC.222.X,FC.999.X)15FRF(FC.223.X,FC.999.X)FRF(FC.224.X,FC.999.X)FRF(FC.226.X-,FC.999.X)FRF(FC.228.X-,FC.999.X)FRF(FC.229.X,FC.999.X)FRF(FC.230.X,FC.999.X)-60FRF(FC.30.X,FC.999.X)FRF(FC.34.X,FC.999.X)10FRF(FC.36.X-,FC.999.X)FRF(FC.9.X,FC.999.X)FRF(FC.999.X,FC.999.X)FRF(FS.11.X,FC.999.X)FRF(FS.17.X-,FC.999.X)7-801.6 24681011Frequency - HzdB Ref 101.97m g/NAbbildung 3: StabilitätsdiagrammMode Frequenz Dämpfung[Hz] [%]1 4,6 5,12 5,6 6,63 7,5 5,64 8,6 2,7Tabelle1: Identifizierte Eigenfrequenzen und Dämpfungszahlen3904


3 RE<strong>CH</strong>ENMODELLFür das Gebäude wurde ein räumliches Finite – Elemente Modell in ANSYS erstellt. DiesesModell beinhaltet nur wenige Vereinfachungen und liefert deshalb sehr genaue Ergebnissesowie Informationen über die Auslastung einzelner Tragelemente. Der größte Teil des Modellsbesteht aus Decken und tragenden Wänden, die durch Flächenelemente mit entsprechenderDicke modelliert wurden. Weiters wurden Stahlbetonstützen und Unterzüge in das Modellintegriert. Die Geometrie der Wände inkl. Fenster- und Türöffnungen wurde nach denBestandsplänen modelliert. Das Modell besteht aus folgenden Elementen:Shell63 für Wände, Decken und OfenBeam 4 für Säulen und UnterzügeBeam189 für Säulen und Balken der StahlkonstruktionMass21 für zusätzliche Massen (z.B. Filter)Link8 für elastische Materialien in den FugenCombin14 für elastische LagerungZur Erzielung einer ausreichend genauen Diskretisierung wurde eine maximaleElementgröße von 0,5 m gewählt. Es wurden insgesamt 27.284 Elemente verwendet. DieGesamtanzahl der Freiheitsgarde betrug 114.810.Das Gebäude besteht aus den Baukörpern I, II und III (siehe Abbildung 4). Baukörper Ibeinhaltet die Zwischendecke und den Verbrennungsofen und bildet das Kernstück derUntersuchungen. Baukörper II und III, letzteres mit zwei gekoppelten Kaminen, stellen für denBaukörper I Randbedingungen dar und wurden aus diesem Grund in die Modellierung desGesamtgebäudes einbezogen.Abbildung 4: Gesamtmodell, Baukörper I (im Vordergrund), II und III5391


Abbildung 5: Stahlkonstruktion für Zwischendecke und VerbrennungsofenDie vorhandene Zwischendecke im betrachteten Gebäude (Ebene +9.4) wurde nach denKonstruktionsplänen abgebildet (siehe Abbildung 5). Die Decke besteht aus Holzdielen, ist aufeiner ausgesteiften Stahlkonstruktion aufgelagert und soll für die neu geplanteBeschickungsanlage als Unterkonstruktion dienen. Die Stahlkonstruktion ist in den Fußpunktenmit dem Gebäude verbunden. Aufgrund der sehr schmalen Dilatationsfuge steht der Holzbodenjedoch in direktem Kontakt mit dem Gebäude. Das Schwingungsverhalten derStahlkonstruktion wird durch diese Randbedingung beeinflusst. Speziell bei Anregung durchErdbeben ist dieser Einfluss wegen der höheren Verschiebungsamplituden zu berücksichtigen.Im Modell wurden deshalb speziell abgestimmte Federelemente (Combin14) alsVerbindungsglied zwischen Gebäude und Stahlkonstruktion angeordnet.Der Verbrennungsofen wurde vereinfacht aus Schalenelementen (shell63 Elemente) mit 2cm Wandstärke modelliert. Die angesetzten Massen des Verbrennungsofens wurden denvorhandenen statischen Unterlagen entnommen. Der Elastizitätsmodul der Ofenkonstruktionwurde unter Verwendung der aus den Messergebnissen identifizierten Eigenfrequenz ermittelt.Die Materialeigenschaften der Betonteile wurden entsprechend den vorliegendenPrüfberichten aus dem Jahr 1980 angesetzt. Aus den gemessenen Druckfestigkeiten wurde derElastizitätsmodul gemäß der Definition im Eurocode 2 ermittelt. Diese Werte wurden im erstenRechenmodell angesetzt, welches zum „model – updating“ verwendet wurde. Für dieErdbebenberechnung selbst wurden die Steifigkeiten der Stahlbetonteile zur Berücksichtigungdes Zustands II gemäß den Angaben in der ÖNorm EN 1998-1:2005 auf 50% herabgesetzt. FürStahl und Mauerwerk wurden entsprechende Werte gemäß Normen und Erfahrung angesetzt.Maschinenanlagen mit wesentlicher Masse wurden im Modell als Einzelmassen gesondertberücksichtigt. Maschinen und Anlagenelemente mit kleineren Massen wurden als„verschmierte“ Größen in den jeweiligen Geschoßen berücksichtigt. Nachstehend sind jeneAnlagenteile angeführt, welche gesondert berücksichtigt wurden:3 Filter gelagert auf Ebene +4.40; in Summe 26400 kg3926


2 Maschinen auf Ebene +4.40; Summe 4400 kgRohrleitung unterhalb Zwischendecke mit insgesamt vier Abhängungen; Summe4500 kgDie Eigenfrequenzen und die zugehörigen Eigenformen des Gebäudes wurden mittelsmodaler Analyse berechnet und mit den Messungen verglichen. Das FE – Modell wurdeanhand der ersten vier Eigenschwingzustände aus der Messung kalibriert. Folgende Parameterwurden im Zuge des model – updating Prozesses variiert und letztlich optimiert: Steifigkeit der elastischen Elemente im Fundamentbereich: Endwert 52 MN/ m² E-Modul des elastischen Materials in den Gebäudefugen: 73,3 MN/ m²E- Modul des VerbrennungsofensSteifigkeit der Verbindung zwischen Stahldecke und Stahlbetonwänden:Endwert 23,363MN/ m.Nach dem model updating lag eine gute Übereinstimmung zwischen den gemessenen undberechneten Eigenfrequenzen vor. Bei den vier betrachteten Eigenschwingzuständen liegen dieAbweichungen im Bereich 0,65 bis 5,05%, im Mittel bei 2,08%.Das Rechenmodell lieferte drei weitere Eigenschwingzustände (z.B.Deckeneigenfrequenzen), die zufolge des verwendeten Messpunkterasters aus den Messungennicht identifiziert werden konnten. Die Modellverbesserung mittels model updating erfolgtejedenfalls unter Verwendung der eindeutig zuordenbaren Eigenformen. Die gemessene und dieberechnete 1., 2. und 3. Eigenform werden in den Abbildungen 6, 7 und 8 dargestellt.Abbildung 9 zeigt 2 weitere berechnete Eigenschwingzustände, die aus den Messergebnissennicht identifizierbar waren.Abbildung 6: 1. Eigenform; links Messung, rechts Berechnung. Y-Richtung ist dominant7393


Abbildung 7: 2. Eigenform; links Messung, rechts Berechnung. TorsionAbbildung 8: 3. Eigenform; links Messung, rechts Berechnung. TorsionAbbildung 9: Beispiele von berechneten Eigenformen, die nicht gemessen wurden3948


4 ERDBEBENNA<strong>CH</strong>WEISE4.1 Untersuchung des Ist - ZustandsDie Beurteilung erfolgte gemäß der aktuellen Erdbebennorm ÖNorm EN 1998-1:2005 undÖNorm B 1998-1. Die im gegenständlichen Fall für den Standort anzunehmende horizontaleBodenbeschleunigung ist höher als in der Erdbebenkarte und wurde gemäß eines Gutachtensder Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) mit 1,5 m/ s²angesetzt. Mit demBodenfaktor S = 1,2 für Baugrundklasse B ergibt sich dann die horizontaleBemessungsbeschleunigung a g = 1,8 m/ s².Der Erdbebennachweis erfolgte mit dem modalen Antwortspektrumverfahren (Typ-1,Bodenklasse B). Hierbei wurde das elastische Antwortspektrum (Verhaltensbeiwert q=1,0)verwendet.Aufgrund der Komplexität der Struktur und der Verbindungen zu den angrenzendenGebäudeteilen wurde die Berechnung an drei Modellen mit unterschiedlichenRandbedingungen durchgeführt:Modell 1: Berücksichtigung des gesamten Gebäudekomplexes mit angrenzendenGebäudeteilenModell 2: Berücksichtigung des Gebäudes der Verbrennungsanlage ohne BaukörperII und IIIModell 3: Berücksichtigung des Gebäudes der Verbrennungsanlage ohne BaukörperII und III, weiters keine Verbindung zwischen Stahlkonstruktion und Baukörper I.Es wurden die Verformungen der drei unterschiedlichen Modelle aus rein seismischerEinwirkung miteinander verglichen und letztlich diejenigen Modelle für dieDetailuntersuchungen in XX- und YY- Richtung gewählt, welche die größten Verschiebungenliefern. Letztlich wurden diese Untersuchungen mit Modell 1 bzw. 3 durchgeführt.Die Berechnungen der Erdbebeneinwirkung auf Stahlbetonteile wurde zum Vergleichjeweils mit zwei Ansätzen der Materialsteifigkeit (100% bzw. 50%) durchgeführt und letztlichder ungünstigere Fall bei den Lastkombinationen angesetzt. Für die Berechnung wurdeninsgesamt vier Lastkombinationen berücksichtigt. Diese resultieren aus Erdbebeneinwirkung inden zwei orthogonalen Richtungen mit jeweiliger ungünstiger Kombination des statischenLastfalls. Zur Bestimmung der ungünstigsten Lastkombination wurden die Lastfälle durchErdbebeneinwirkung zum statischen Lastfall addiert bzw. von diesem subtrahiert. In Tabelle 2sind die berechneten maximalen Druckspannungen und Verformungen von Stahlbetonwändenund Decken für die 4 Lastkombinationen dargestellt. In der letzten Zeile werden die tatsächlichauftretenden Druckspannungen durch die zulässige Druckfestigkeit dividiert und derAusnutzungsgrad in Prozent angegeben. Die ermittelten tatsächlichen Druckspannungenrepräsentieren Maximalwerte und beinhalten auch Erhöhungen infolge geometrischerDiskretisierung. Der Ausnutzungsgrad bei Kombination 4 mit dem Wert 116% ist auf einelokale Spannungskonzentration zwischen Anschluss der Stütze an die Wandscheibezurückzuführen. Detailuntersuchungen dieses Anschlusses zeigten, dass die tatsächlicheBeanspruchung in den Bauteilen weit unter der zulässigen Druckspannung liegt.Für die Untersuchung der tatsächlichen Zugspannungen wurden die berechnetenSpannungen mit den Zugfestigkeiten gemäß Eurocode 2 verglichen. Für die ausgewiesenen9395


kritischen Bereiche wurden detaillierte Querschnittsanalysen durchgeführt. In den übrigenBereichen sind die Zugspannungen kleiner als f ctd = 1,5 MPa.DruckfestigkeitTabelle 2: Maximale Druckspannungen und Verformungen in Wänden und DeckenDie Querschnittsanalysen erfolgten anhand der bestehenden Planunterlagen und es wurdenNachweise über die aufnehmbare Zugspannung durch die vorhandene Bewehrungdurchgeführt. Die inneren Schnittkräfte (Normalkraft und Biegemomente in x- und y- Richtungwurden dabei direkt im FE – Modell berechnet. Der Nachweis über die aufnehmbaren Lastenwurde mit dem Querschnittsanalysemodul Inca2 [2] durchgeführt und ein SicherheitsfaktorGamma berechnet. Mit diesem Modul wurde gezeigt, dass der Beton im Querschnitt reißt unddie vorhandene Bewehrung die Ableitung der Zugspannungen übernimmt.Der ausgewiesene Sicherheitsfaktor gibt den Ausnutzungsgrad des untersuchtenQuerschnittes an. Dabei wird wie folgt unterschieden:Gamma I: Restsicherheit bis zum Erreichen der Betonzugfestigkeit f ctdGamma II: Vollständige Rissausbildung im Querschnitt, Restsicherheit bis zum Erreichender Stahlstreckgrenze f y,dGamma III: Vollständige Rissausbildung im Querschnitt, Restsicherheit bis zumErreichen der Bruchdehnung u,dDie Ergebnisse der Untersuchungen betreffend die Erdbebensicherheit vor dem Umbaulassen sich wie folgt zusammenfassen:LastfallEigengewichtBei den Bauteilen aus Stahlbeton werden die Druckspannungen eingehalten. DieBetonzugspannungen werden teilweise überschritten, es ist jedoch ausreichendBewehrung vorhanden.Bei der Stahlkonstruktion werden sämtliche Material- und Stabilitätsanforderungeneingehalten.Die maximale Auslenkung des Verbrennungsofens beträgt 2,1 cm.Betreffend detaillierte Ergebnisse wird auf [3] verwiesen.4.2 Situation nach dem UmbauModel 3Lastfall Erdebeben, Einwirkung inXX- Richtung„+“„-“Kombination 1 Kombination 2Lastfall Erdebeben, Einwirkung in YY-Richtung„+“„-“Kombination 3 Kombination 4Wände undDeckenSX [Mpa] 10,5 9,75 14,2 9,21 13,2SY [Mpa] 8,3 6,62 11,7 7 12SZ [Mpa] 14,6 12,7 19,8 12,2 23,6Usum [mm] 22,3 14,8 31,9 17,1 33,7S3 [Mpa] 14,9 12,7 19,9 12,3 24,2S3/fcd 72% 61% 96% 59% 116%Vom Betreiber der Anlage wurden jene zusätzlichen Massen genannt, die sich durch denUmbau der Beschickungsanlage ergeben. Da noch keine Detailplanung vorliegt, mussten einige39610


Abschätzungen vorgenommen werden. Die Massen wurden direkt an der Stahlkonstruktion inForm von drei Punktmassen in das FE – Modell implementiert und zwar:an Position 1: 500 kg + 700 kg: Beschickungsbox (Umbau) und Zuführboxan Position 2: 600 kg: Pufferboxan Position 3: 1900 kg Übernahmebox.Somit ergibt sich in Summe eine Zusatzmasse von 3.700 kg für die gesamteStahlkonstruktion und in weiterer Folge für das Gebäude (Lastannahme 1). Nach Angabe derBetreiber wurden die jeweiligen Massen bereits mit einem Sicherheitsaufschlag für einekonservative Betrachtungsweise versehen. Um jedoch den Trend bei weiterer Massenzunahmenumerisch zu untersuchen, wurde eine zweite Analyse bei 30%iger Massenerhöhungdurchgeführt (Lastannahme 2).Betreffend die Lastannahme 1 wurden insgesamt acht kritische Stahlbeton- Bauteileidentifiziert und einer detaillierten Analyse unterzogen (siehe Abbildung 6). Bauteil 1 und 4sind kurze Stützen im Erdgeschoß, welche durch die Zusatzmassen an der Stahlkonstruktionnur eine geringfügige Lasterhöhung im Vergleich zur Situation vor dem Umbau erfahren unddaher nicht extra untersucht werden mussten. Die Nachweise der Bauteile 2, 3, 5, 6, 7 und 8sind in Tabelle 20 in [3] gegeben. Durch die Definition verschiedener Sicherheitslevels könnendie verschiedenen nichtlinearen Zustände der Querschnitte deutlich dargestellt werden. Diegrößten Verformungen und Plastifizierungen sind in den Bauteilen 2 und 6 zu erwarten. ImVergleich zu den Ergebnissen vor dem Umbau der Anlage sind die größtenSpannungszuwächse in Wand B (Bauteil 3, 6 und 7) identifiziert worden.Abbildung 9: Bauteile mit DetailuntersuchungDie Ergebnisse der Untersuchungen betreffend die Erdbebensicherheit nach dem Umbau/Lastannahme 1 lassen sich wie folgt zusammenfassen:Bei den Bauteilen aus Stahlbeton werden die Druckspannungen eingehalten. DieBetonzugspannungen werden teilweise überschritten, es ist jedoch ausreichendBewehrung vorhanden.11397


Bei der Stahlkonstruktion sind die Querschnittsnachweise bei mehreren Bauteilennicht erfülltDie maximale Auslenkung des Verbrennungsofens beträgt 2,1 cm.Die Lastannahme 2 wirkt sich aufgrund der Anordnung der Zusatzmassen vorwiegend beiErdbebeneinwirkung in YY- Richtung aus. Die Spannungskomponenten bei Einwirkung ausXX- Richtung verändern sich aufgrund der Gebäudesteifigkeit nur unwesentlich. DieErgebnisse der Untersuchungen entsprechen den Ergebnissen für die Lastannahme 1.Zusätzlich treten jedoch in einzelnen Beton - Bauteilen plastische Verformungen auf. Diese„lokalen“ Einflüsse bedeutet jedoch keine Gefährdung der Tragsicherheit.5 S<strong>CH</strong>LUSSFOLGERUNGENBei sicherheitsrelevanten Bauwerken, die im Falle eines Erdbebens funktionstüchtig bleibenmüssen, bzw. von denen bei Beschädigung sekundäre Gefährdungspotentiale ausgehen, sindentsprechend der Philosophie des EC 8 umfangreichere Nachweise als im Standardfallerforderlich. Erstens sind Extrembeben mit höheren Beschleunigungen als im Fall desNormbebens anzuwenden, zweitens sind möglichst realitätsnahe Bauwerksmodelle für dieBerechnung heranzuziehen. Bei bestehenden Bauwerken hat man den Vorteil, dass Messungendes Eigenschwingverhaltens durchgeführt werden können.Mittels experimenteller Modalanalyse + FE – Berechnung wurde ein sehr wirklichkeitsnahesRechenmodell für den gesamten Gebäudekomplex der Verbrennungsanlage erstellt. Aufgrundkünstlicher Gebäudeanregung mittels des Schwingungsgenerators VICTORIA konnten durchdie Versuche insgesamt vier Eigenschwingzustände identifiziert werden. Die Modellanpassungerfolgte über diese vier Moden, wobei neben den E-Moduli der Materialien auch die elastischenLagerfugen zu den angrenzenden Gebäudeteilen, die Verbindung der Stahlkonstruktion zumGebäude und die Lagerbedingungen an der Basis als Anpassungsparameter verwendet wurden.Mit dem verbesserten Modell wurden Nachweise nach dem aktuellen Stand der Technik undder Wissenschaften durchgeführt. Die Untersuchungen umfassten eine Beurteilung für denErdbebenfall nach EC 8 vor dem Umbau sowie nach dem Umbau. Für die Umbaumaßnahmenwurden zwei unterschiedliche Lastannahmen getroffen. Durch die Einführung von dreiverschiedenen Sicherheitslevels (Gamma I, II und III) wird eine detaillierte Übersicht über dieverschiedenen Ausnutzungsgrade in den diversen Bauteilen gegeben.LITERATUR[1] R. Flesch (Editor): „European Manual for In-Situ Assessment of Important ExistingStructures“. LESSLOSS Report No. 2007/02, IUSS Press, Pavia, Italy, 2007. ISBN: 978-88-6198-006-8)[2] INCA2, TU Hamburg, Mai 2009[3] H. Friedl, Endbericht Störungssimulation NES, Nachweis Erdbebensicherheit. AIT ProjektNr. 2.05.00435.1.0, 2009.39812


12. D-A-<strong>CH</strong> Tagung – Erdbeben und BaudynamikC. Könke (Hrsg.)Hannover, Deutschland, 15.–16. September <strong>2011</strong>ERHÖHUNG DER ERDBEBENSI<strong>CH</strong>ERHEIT FÜR NI<strong>CH</strong>T DUKTILETRAGWERKE IM HO<strong>CH</strong>BAU DUR<strong>CH</strong> STREIFENFÖRMIGELAGERUNGH. Friedl*, M. Kwapisz, R. Flesch,P. Burtscher** und M. Dietrich* Austrian Institute of Technology AIT/ Mobility/ TITGiefinggasse 2, 1210 Wien, AustriaE-mail: herbert.friedl@ait.ac.at**Getzner Werkstoffe GmbHHerrenau 5, 6706 BürsKeywords: Elastomerlager, Gebäudedämpfung, Transiente Zeitverlaufsberechnung.Abstract. In diesem Beitrag wird der Einfluss von hochdämpfenden elastischen Lagern unterErdbebeneinwirkung diskutiert. Die Untersuchungen konzentrieren sich auf eineVergleichsstudie mit streifenförmiger Lagerung von Hochbauten mittels Elastomerlager welchegegenüber herkömmlichen base isolation Systemen hinsichtlich Wirtschaftlichkeit undInstandhaltung einen großen Vorteil mit sich bringen. Elastomere sind gummielastischeWerkstoffe mit weitmaschig vernetzten Molekülketten (vulkanisiert). Es entsteht einzähelastisches Netzwerk von hoher dynamischer Festigkeit, das sich mit Federwirkungelastisch verformt und bei Entlastung die Ausgangsform praktisch wieder einnimmt(Rückstellvermögen). Um den Einfluss von Einsatz elastischer Lagerung im Hochbau beiErdbebenbelastung zu beurteilen wurden zahlreiche Analysen an unterschiedlichen Gebäudendurchgeführt. Die hier dargestellten Ergebnisse resultieren aus Untersuchungen von einemviergeschossigen Hochbau in Ziegelbauweise mit symmetrischer Anordnung der Tragelementeim Grundriss und Regelmäßigkeit im Aufriss. Die elastischen Lager wurden anhand dervorhandenen Lasten (Eigengewicht und Nutzlast) bemessen und streifenförmig unter alletragenden Wände auf Niveau der Fundament Oberkante eingebracht. Als variierendeParameter wurde die Dicke des Lagers zwischen d=3,75cm und d=5,0cm definiert und dieDämpfung in Form des Verlustfaktors zwischen V=12% und V=40%. Die Beurteilungunterschiedlicher Elastomerlager umfasste in Summe sechs Modellvariationen, wobei Modell 1das Referenzmodell ohne elastische Lagerung darstellte.1399


1 EINLEITUNGTraditionelle Wohnbauten in China, Erde- und Steinbauten in Peru- und Stein undHolzbauten in der Türkei zeigen aufgrund langer Erfahrung in der Baukultur relativ gutenseismischen Widerstand. Bei Erdbeben (z.B.: Türkei 1999) wurde beobachtetet, dass diegrößten Schäden bei Wohnbauten mit mangelnder qualitativer Ausführung, Verwendung vonneuen Baumaterialien bei nicht fachgerechter Konstruktionsweise und Baustoffen geringerQualität auftreten. Anspruchsvolle technische Lösungen zum Schutz von Bauwerken gegenErdbebenlasten sowie Kontrollinstanzen, die die Umsetzung von Planungsentwürfen in dieWirklichkeit überwachen, stehen in vielen Erdbebengebieten oftmals nicht zur Verfügung. DerEinsatz von elastischen Lagern kann einen wesentlichen Beitrag zur Erhöhung derErdbebensicherheit im klassischen Wohnbau mit nicht duktilen Eigenschaften geben.2 MODELLBES<strong>CH</strong>REIBUNGDie Untersuchungen wurden an einem viergeschossigen Hochbau bestehend ausunbewehrtem Mauerwerk durchgeführt. Die Gebäudegeometrie ist mit den Außenabmessungenvon L=18,0m und B=16,0m gegeben. Die Gebäudehöhe beträgt 13,55m, siehe Abbildung 1.Die Regelmäßigkeit des Gebäudes im Grund- und Aufriss ist nach Definition von EC 8gegeben. Die tragenden Wände werden zur Gänze aus unbewehrtem Mauerwerk hergestellt,wobei die Decken aus Stahlbeton C25/30 ausgeführt werden. Die Materialeigenschaften dertragenden Wände aus Mauerwerk wurden aus den historischen Bautabellen [5] entnommen.2.1 FEM ModellAbbildung 1 zeigt den Grundriss und das räumliche Finite Elemente Modell mit einerElementzahl von ca. 10.200 bestehend aus Schalen- und Linienelementen. Es wurde einSchalenelement gewählt, welches im Stande ist sowohl Biege- als auch Membrankräfteaufzunehmen. Das gewählte Element kann sowohl Querkräfte als auch in der Scheibenebenewirkende Normalkräfte berücksichtigen. Des weiteren verfügt das Element über sechsFreiheitsgrade (3 translatorische sowie 3 rotatorische). Weiters wurde ein Linienelementgewählt, welches über sechs Freiheitsgrade (3 translatorische und 3 rotatorische) verfügt undim Wesentlichen der Timoshenko Balkentheorie genügt.Abbildung 1: FE Modell und Grundriss mit Wandachsen und Koordinatensystem4002


Der Einbau der elastischen Lagerung erfolgt in der Trennfuge der tragenden Wände zumFundament. Die Dimensionierung der Elastomerlager erfolgte aufgrund der statischenGewichtslasten und anteiliger Nutzlast als Flächenlast auf die Geschoßflächen verteiltangesetzt. Zur Einhaltung der Formstabilität bei gleichzeitig hoher Dämpfung wurden für dienumerische Betrachtung unterschiedliche Elastomere hinsichtlich Ihrer Eigenschaftenkombiniert. Elastomere sind gummielastische Werkstoffe mit weitmaschig vernetztenMolekülketten (vulkanisiert). Es entsteht ein zähelastisches Netzwerk von hoher dynamischerFestigkeit, das sich mit Federwirkung elastisch verformt und bei Entlastung die Ausgangsformpraktisch wieder einnimmt (Rückstellvermögen). Die für den AnwendungsfallErdbebeneinwirkung entwickelten Lager können eine statische Dauerlast von 0,011 N/mm² bis1,2 N/mm² (Lastspitzen bis 6,0 N/mm²) aufnehmen, bei gleichzeitig sehr geringeAmplitudenabhängigkeit, ausgeprägtem Langzeitverhalten und hoher Materialdämpfung [3].Für die Beurteilung unterschiedlicher Elastomerlager wurden in Summe sechsModellvariationen analysiert, wobei Modell 1 das Referenzmodell ohne elastische Lagerungdarstellt, diese werden in weiterer Folge als Modell 1 bis 6 bezeichnet:Modell 1: ohne Elastomerlager (Referenzmodell!)Modell 2: mit Elastomerlager in EG, Dicke 3.75 cm, Verlust Faktor 12%Modell 3: mit Elastomerlager in EG, Dicke 3.75 cm, Verlust Faktor 20%Modell 4: mit Elastomerlager in EG, Dicke 3.75 cm, Verlust Faktor 30%Modell 5: mit Elastomerlager in EG, Dicke 3.75 cm, Verlust Faktor 40%Modell 6: mit Elastomerlager in EG, Dicke 5.00 cm, Verlust Faktor 12%2.2 DämpfungDas Dämpfungsverhalten der Elastomerlager wird durch den mechanischen Verlustfaktorbeschrieben. Für das kombinierte Lager ist der Verlustfaktor in Abhängigkeit derMaterialzusammensetzung mit maximal 40% für die Modellvariante 5 angegeben. Zwischenmechanischen Verlustfaktor η und dem LEHR‘schen Dämpfungsmaß D besteht folgendeBeziehung: 2 D(1)Das Lehrsche Dämpfungsmaß beschreibt die Energiegröße für die Dämpfung einerSchwingung und ist dimensionslos.2 x 2D x x 0(2)0 0Das Dämpfungsverhalten der Elastomerlager wurde in Form der Rayleighdämpfungimplementiert. Bei diesem proportionalen Dämpfungsanastz setzt sich die Dämpfungsmatrixaus einer Linearkombination von Massen- und Steifigkeitsmatrix zusammen. Das Rayleigh-Dämpfungsmodell beschränkt sich auf zwei Terme.C M K(3)Der von α abhängige Term stellt eine verteilte äußere Dämpfung dar und wirkt wie eine äußereReibung oder die Bewegung in einem zähen Fluid. Der durch β gekennzeichnete Term eineinnere Dämpfung oder Materialdämpfung [4].3401


Abbildung 2: Rayleigh-Dämpfung [2]Im Falle der Rayleigh-Dämpfung besteht folgender Zusammenhang zwischen ω i , denKoeffizienten α, β und der Dämpfungszahl ξ i :1 i i(4)2 iDie beiden Konstanten , können, z. B. für die Bedingung, dass die Dämpfungszahlen derEigenformen j, k die Werte jund k, annehmen, wie folgt ermittelt werden:j2k2j2 jk k kj (5) k2kj2j2 k j (6) Sollen n-beliebig gewählte modale Dämpfungszahlen iberücksichtigt werden, lässt sich eineDämpfungsmatrix, die der Orthogonalitätsbedingung genügt, wie folgt angeben [2]:n2 *Mi iTCM Mi1Die Materialdämpfung des Mauerwerks wurde mit zwei bis fünf Prozent der kritischenDämpfung ξ= 2% bzw. ξ= 5% festgelegt.iii(7)3 SIMULATIONFür die Simulation der Erdbebeneinwirkung wurden transiente Zeitverlaufsberechnungendurchgeführt. Die Zeitsignale entsprechen tatsächlich aufgezeichneten Erdbebenzeitverläufenmit Magnituden im Bereich von 5,25 bis 6,04 und maximalen Beschleunigungen von 1,07 m/s²bis 2,96m/s², siehe Tabelle 1 [1].Die elastische Lagerung bewirkt für die Gesamtstruktur eine Steifigkeitsänderung was sichin der Berechnung der Eigenfrequenzen wiederspiegelt. Die dadurch hervorgerufeneFrequenzänderung (Gebäudeverstimmung) bewirkt im bei einzelnen Zeitverlaufsanalysen eineReduktion der Einwirkung. Dieser Effekt, auf welchen auch die klassische base isolationabzielt ist natürlich positiv zu bewerten, da dadurch auch geringe Spannungen undVerformungen resultieren, ist aber nicht Hauptgegenstand dieser Untersuchungen. Für eineallgemeine Betrachtungsweise wurden insgesamt elf unterschiedliche Zeitverläufe für die4024


Simulation ausgewählt und die Analyse der Spannungen in den Bauteilen anhand dergemittelten Werte für die unterschiedlichen Einwirkungen durchgeführt.Tabelle 1: Erdbeben SignaleID Magnitude Entfernung[km] Tiefe[km] Beschl [m/s²] Baugrundkat Zeitdauer[s]1 133 6,04 9 9 1,07 C "3/15"2 159 5,43 7 6 2,34 B "2/10"3 242 5,89 5 1 1,99 A "2/10"4 336 5,45 28 7 1,41 B* "4/18"5 413 5,99 10 - 2,79 B "2/18"6 581 5,42 16 - 1,97 C "2/18"7 592 6,04 5 5 2,05 B* "2/18"8 1313 6,04 16 8 2,96 B "2/15"9 1314 6,04 17 8 1,17 B "2/15"10 1714 6,04 14 5 2,45 B "10/18"11 6093 5,25 16 - 2,61 B "2/18"In Tabelle 2 sind die ersten Eigenfrequenzen für beide Koordinatenrichtungen und diedaraus resultierenden Spektralbeschleunigungen aus den gewählten Zeitverläufen dargestellt.Die gegebenen Spektralbeschleunigungen geben das Mittel der elf berücksichtigtenZeitverläufe wieder. Die mittlere Abweichung der Lasteinwirkung bedingt durch Einbau derElastomerlager bezogen auf das Referenzmodell beträgt somit nur 3,55%.Tabelle 2: Vergleich der SpektralbeschleunigungenSpektrum Anregung [m/s²](Mittelwert aus 11 gewähltenFrequenz [Hz]Signalen)Modell X Richtung Y Richtung X Richtung Y Richtung MittelwertModell 1 4,66 5,17 5,765 5,635 5,7Modell 2-5 3,49 3,68 5,407 6,362 5,88Modell 6 3,28 3,44 5,385 5,98 5,683,55%14,00Zeitverläufe in X Richtung Signal 1Signal 212,00Signal 3Signal 4Signal 510,00Signal 6Sd [m/s²]8,006,00Signal 7Signal 8Signal 9Signal 10Signal 11Mittelwert4,002,00T Modell 1 T Modell 24030,000,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2 1,4 1,6T [s]Abbildung 3: Spektren der Zeitverkäufe5


Für die Analyse und Beurteilung der Spannungsverteilung der zu untersuchenden Modellewurden einzelne Bauteilgruppen definiert. Als maßgebliche Bauteilgruppen wurden Stützenzwischen Fenster (Wandpfeiler), Unterzüge und die Eckbereiche der Wandscheiben gewählt.Für eine aussagekräftige Beurteilung wurden pro Modell 14 Wandpfeiler, 4 Unterzüge und 10Eckbereich in den Wandscheiben gewählt. Die gewählten Bauteilgruppen verteilen sich auf dietragenden Wände des Gebäudes (siehe Abbildung 1).4 ERGEBNISSEIm Rahmen einer Sensitivitätsanalyse wurden für die in Summe 28 Bauteilgruppen dievertikalen Spannungen und die Schubspannungen sowie die maximale Gebäudeauslenkung inForm der Absolutverformung berechnet. Für die Gegenüberstellung zum Referenzmodellwurden die gemittelten Spannungen und Verformungen aus den elf Zeitverlaufsberechnungenherangezogen und gemäß den definierten Bauteilgruppen zusammengefasst. Die Mittelungwurde wie folgt durchgeführt:wobeinSmittl. ik Smittl.1kk1 Smittl. 1kM. i 1(8)n11Sjik1S . jmittlik11(9)die Normal oder Schubspannung von Element k, Modell i, Signal j und n die Zahl der Elementein der jeweiligen Kategorie darstellen. In Tabelle 3 sind die Normal- undSchubspannungsverläufe für ausgewählte Wände dargestellt. In der linken Spalte sind dieErgebnisse für Modell 1 dargestellt und in der rechten Spalte Modell 2.Tabelle 3: Spannungsverteilungen in den WandscheibenReferenzmodell: Vertikale Spannungen S Z in Wand 1 Modell 2: Vertikale Spannungen S Z in Wand 14046


Referenzmodell: Schubspannungen S YZ in Wand 1 Modell 2: Schubspannungen S YZ in Wand 1In Tabelle 4 sind die modalen Dämpfungszahlen für unterschiedliche Damping ratios vomGebäude und Elastomerlager dargestellt. Die „Gebäudedämpfung“ wurde in Abhängigkeit dermodalen Masse berechnet und für die einzelnen Schwingungsmoden ausgegeben. Durch denEinbau der Lager erhöht sich das Dämpfungsverhalten der ersten Eigenschwingformen desGebäudes wesentlich, welche wiederum den Hauptbeitrag zur Erdbebenantwort liefern.Tabelle 4: Spannungsverteilungen in den WandscheibenGesamtes ModellGebäude Elastomer Mode1 Mode2 Mode3Damping ratio 2% 6% 3.23% 3.46% 2.64%Damping ratio 2% 20% 6.29% 7.27% 4.98%Damping ratio 5% 6% 5.31% 5.36% 5.16%Damping ratio 5% 20% 8.57% 9.39% 7.48%5 DISKUSSIONFür eine eindeutige Trendanalyse werden im Folgenden die einzelnen Modellvariantengegenübergestellt. Dazu werden folgende Gegenüberstellungen diskutiert: Modellvarianten M2-1 bis M5-1: Elastomerlager im EG, d=3.75 cm,unterschiedliche Verlustfaktoren der Elastomerlager Modellvarianten M2-1 und M6-1: Elastomerlager im EG, Verlustfaktor 12%,unterschiedliche Dicke der ElastomerlagerIn Abbildung 4 sind die Vergleiche der Modelle zwei bis sechs jeweils bezogen auf dasReferenzmodell dargestellt. Positive Prozentwerte bedeuten dabei eine Zunahme derSpannungen bzw. Verformungen gegenüber dem Referenzmodell und negative Prozentwertebedeuten eine Reduktion der Spannungen. Die Modellvariationen zwei bis fünf unterscheidensich rein in den Dämpfungseigenschaften der Elastomerlagers.7405


Vergleich Modell 2 bis 6120%le 80%odzmren40%efeRmzu0%%ginn‐40%eruderänV ‐80%‐120%Modell 2‐1 Modell 3‐1 Modell 4‐1 Modell 5‐1 Modell 6‐192%99%94%73%78%60%66%58%63%49%45%38%21%3%5%6%‐5%‐2%‐12%‐12% ‐10%‐10%‐19%‐19%‐27%‐23%‐34%‐45%‐45%‐52%‐56%‐61%‐58%‐94%‐109%Sz, Stütze zwischen Fenster Sz,Unterzüge Sz, Ecke Syz.max, Stütze zwischen Fenster Syz.max, Unterzüge Syz.max, Ecke VerformungAbbildung 4: Modellvergleiche zwei bis sechsDie vertikalen Normalspannungen in den Stützen zwischen Fenstern und auch in den Eckender Wandscheiben werden bei allen Modellvariationen reduziert. Mit einem Verlustfaktor vonV=40% werden im Mittel die Druckspannungen bei den Fensterpfeilern um 109% reduziertund in den Ecken der Wandscheiben um 58%. Im Vergleich dazu treten in den Unterzügen beiModellvariante zwei bis vier erhöhte Normalspannungen auf (Anstieg in Modell 2 um +38%)und können erst ab einem Verlustfaktor im Bereich von V=30% und V=40% auf demAusgangsniveau vom Referenzmodell gehalten werden. Im Vergleich zu denNormalspannungen zeigen die Schubspannungen in den betrachteten Bauteilgruppen folgendeEigenschaften. Bei den gemittelten Schubspannungen der Fensterpfeiler lässt sich durch denEinbau von Elastomerlagern eine Reduktion der Spannungen von 12% in Modell zweifeststellen welche durch die höhere Dämpfung in Modell drei bis fünf auf rund 20% ansteigt.Die Schubspannungen in den Unterzügen ändern sich nur gering und erreichen eine maximaleReduktion von 10%-12% in den Modellvarianten 4 und 5. In den Ecken der Wandscheibenkommt es durch den Einbau von Elastomerlagern zu einem Anstieg der Schubspannungen inallen Modellvarianten. Auch mit einem Verlustfaktor von V=40% beträgt der Anstieg derSchubspannung 58% im Vergleich zum Referenzmodell. Bei Betracht derSpannungstrajektorien ist klar ersichtlich dass es sich hierbei nur um lokaleSpannungskonzentrationen handelt.Der Einbau von elastischen Lagern in der Fundament Ebene bewirkt bei horizontalerLasteinwirkung auch eine Zunahme der horizontalen Verformungen. Die hier ausgewiesenenVerformungen stellen die gemittelten maximalen Horizontalverformungen des Gebäudes dar.Dabei ist anzumerken dass es sich um absolute Maximalauslenkungen handelt und nicht umStockwerksverschiebungen welche für den Nachweis der Tragsicherheit ausschlaggebend sind.Die Absolutverformungen steigen bei allen Modellvarianten an und können mit zunehmenderDämpfung von +73% auf +45% reduziert werden. Bei Modellvariation sechs mit einerLagerdicke von 5cm und einem Verlustfaktor von 12% werden im Vergleich zu Modell 2 dieSchubspannungen annähernd konstant gehalten allerdings verbunden mit einer deutlichenZunahme der Normalspannungen in den Unterzügen und Erhöhung der Verformung.4068


6 AUSBLICKAufgrund der erzielten Ergebnisse sind eindeutige Trends identifizierbar welche denpositiven Einfluss von streifenförmiger elastischer Lagerung durch Elastomerlager beiErdbebeneinwirkung bestätigen. Aufgrund der engen Kopplung der elastischen Lagerung zurdynamischen Strukturantwort eines Gebäudes sind jedoch Pauschalaussagen nicht zulässig. Dieweiterführenden Untersuchungen konzentrieren sich auf die Analyse verschiedenerBauwerkstypen mit unterschiedlicher Gebäudemasse und Steifigkeit sowie dieBerücksichtigung eines verbesserten Materialmodells für die Abbildung der elastischen Lager.REFERENCES[1] Ambraseys N., Smit P., Rinaldis D., Cotton F., Berge-Thierry C.: Dissemination ofEuropean Strong-Motion Data. CD-ROM collection. European Council, Environment andClimate Research Programm, 2000.[2] Flesch R.: Baudynamik Praxisgerecht – Band 1, Berechnungsgrundlagen. Bauverlag,Wiesbaden, 1993.[3] Getzner Werkstoffe GmbH; Produktunterlagen: Werkstoffeignescahften undschwingungsisolation, Technsiche Informationen <strong>2011</strong>.[4] Magnus, K., Popp, K.: Schwingungen, 7. Auflage, Teubner Verlag Wiesbaden 2005:[5] Bargmann H. : „Historische Bautabellen. Normen und Konstruktionshinweise 1870 –1960.“ Werner Verlag, Auflage: 3., überarb. Ausgabe: 01-01- 2001.9407


408


12. D-A-<strong>CH</strong> Tagung – Erdbeben und BaudynamikC. Könke (Hrsg.)Hannover, Deutschland, 15.–16. September <strong>2011</strong>NA<strong>CH</strong>WEIS DES SEISMIS<strong>CH</strong>EN WIDERSTANDS VONWIENER GRÜNDERZEITHÄUSERN:NUMERIS<strong>CH</strong>E MODELLIERUNG DES MAUERWERKST. Furtmüller und C. Adam ** Universität Innsbruck, Arbeitsbereich für Angewandte MechanikTechnikerstr. 13, 6020 Innsbruck, ÖsterreichE-mail: christoph.adam@uibk.ac.atSchlagwörter:Finite Elemente Berechnungen, Gründerzeitliches Ziegelmauerwerk,Homogenisierung, Kapazitätsspektrum-Methode, Mauerwerks-Makromodell,Scheibenbeanspruchung.Kurzfassung. In dieser Arbeit wird historisches Ziegelmauerwerk numerisch modelliert, umdie Erdbebensicherheit von Wiener Gründerzeithäusern wirklichkeitsnäher beurteilen zukönnen. Ausgehend von experimentellen Untersuchungen, die an Ziegeln, Mörtel und kleinteiligenMauerwerksprobekörpern durchgeführt worden sind, werden geeignete Materialparameterund Materialmodelle für die Einzelkomponenten des Mauerwerks im Rahmen vonFinite Elemente Berechnungen ermittelt. Zur Anwendung kommt hierbei ein im verwendetenFinite Elemente Programm verfügbares Werkstoffmodell für Beton. Da für die Berechnunggrößerer Strukturen nur eine verschmierte Modellierung von Mauerwerk, also ohne expliziteBerücksichtigung der Mörtel- und Ziegelteile, zielführend ist, wird ein Makromodell imRahmen der mehrflächigen Plastizitätstheorie implementiert. Das Modell berücksichtigtverfestigendes und entfestigendes Materialverhalten sowie die wesentlichen Versagensartenvon Mauerwerk bei Beanspruchung in der Wandebene. Die Materialkennwerte des Makromodellswerden mittels Homogenisierung auf Grundlage einer zweidimensionalen Einheitszellebestimmt. Diese Einheitszelle bildet die Geometrie eines Läuferverbandes ab. In einem Beispielwird die Erdbebensicherheit eines Wiener Gründerzeithauses untersucht. Dabei wird von dermaßgebenden Mauerwerkswand mit Hilfe dieses mechanischen Modells die globale nichtlineareKraft-Verschiebungslinie numerisch ermittelt. Durch Anwendung der Kapazitätsspektrum-Methodekann für dieses Gebäude der Nachweis der Erdbebensicherheit erbrachtwerden.1409


1 EINLEITUNG1.1 Hintergrund und Ziel der UntersuchungenDas Stadtzentrum von Wien wird von Wohngebäuden dominiert, die größtenteils zwischenden Jahren 1850 bis 1918 in der sogenannten Gründerzeit errichtet worden sind. Etwa einDrittel aller Gebäude des gesamten Stadtgebiets, das sind in etwa 32.000 Objekte, können aufdiese Epoche zurückgeführt werden. Seit Inkrafttreten des Eurocode 8 [1] in Österreich geltenerhöhte Anforderungen bezüglich der Erdbebensicherheit von Gebäuden. Zusammen mit demFaktum, dass über die aktuellen, von der Belastungsgeschichte abhängigen, mechanischenEigenschaften des Mauerwerks relativ wenige Erkenntnisse vorliegen, ergeben sich beimNachweis der Erdbebensicherheit, der beispielsweise bei größeren Dachgeschoßausbauten zuführen ist, Probleme. Deshalb wurde das Projekt SEISMID [2] initiiert, das unter anderem eineUntersuchung des Themenkomplexes „Erdbebeneinwirkung auf Gebäude der Gründerzeit inWien“ zum Ziel hatte. Neben umfassenden dynamischen Messungen, die sich unter anderemmit dem globalen Schwingungsverhalten von Gründerzeithäusern [3] sowie mit lokalen, vomUntergrund beeinflussten Verstärkungseffekten befassen, wurde auch das mechanischeVerhalten von Mauerwerk der Gründerzeit detailliert untersucht [4]. In dieser Arbeit wird einim Rahmen dieses Projekts entwickeltes Modell zur numerischen Berechnung der seismischenKapazität von tragenden Mauerwerkswänden in Gründerzeithäusern vorgestellt. Eine ausführlicheDarstellung findet sich in der Dissertation des Erstautors [4].1.2 Bauweise von Wiener GründerzeithäusernFür die Herstellung des tragenden Mauerwerks von Wiener Gründerzeithäusern kamen inder Regel in Mörtel verlegte Vollziegel des sogenannten „Österreichischen Formats“ mit denAbmessungen 290 140 65 mm zur Anwendung. Auf einen Meter aufgehendes Mauerwerkkommen damit 13 Ziegelscharen. Seit den 1870er Jahren wurden in den Wiener BauordnungenMindestwandstärken angegeben, ab denen auf einen statischen Nachweis verzichtet werdenkonnte. Verglichen mit den heutigen Verhältnissen ergaben sich daraus relativ dicke Mauern.Aufgrund des Ziegelformats und der großen Wandstärken entwickelte sich eine Vielzahl unterschiedlicherVerbandsausbildungen. Die Zwischenwände besitzen in der Regel eine Stärke von14 cm und dienen zur Aussteifung des Gebäudes [5].Über dem Kellergeschoß wurden überwiegend massive Gewölbekonstruktionen eingebaut,die eine besondere Tragfähigkeit und große horizontale Steifigkeit aufweisen. Für die Deckeninnerhalb der Nutzgeschoße kamen Holzkonstruktionen meist in Form von Tramdecken zurAusführung, die auf den tragenden Außen- und Mittelmauern aufliegen. Die Verbindung mitdem Mauerwerk erfolgte mit Schließen und Schuber aus Eisen ausschließlich in Spannrichtungder Träme, wodurch das Mauerwerk nicht umfassend verschlossen ist. Den horizontalenAbschluss zum Dachboden bilden Dübel- oder Dippelbaumdecken, deren geschlosseneBalkenlage im Brandfall das Durchschlagen von Teilen des Dachtragwerks verhindern sollte[5]. Im Hinblick auf den Erdbebenwiderstand ist diese Ausführung aus Holz ungünstig, da dierelativ weichen Decken mit fehlender Umschließung zu einer geringen Aussteifung desGebäudes führen und demzufolge sich nur bedingt eine Scheibenwirkung aufbaut. Deshalbkommt beim Erdbebennachweis von Gründerzeithäusern dem tragenden Ziegelmauerwerk einebesondere Bedeutung zu.4102


1.3 Kapazitätsspektrum-Methode für den Nachweis der ErdbebensicherheitDie Kapazitätsspektrum-Methode [6] ist ein vereinfachtes nichtlineares statisches Nachweisverfahren,bei dem die Erdbebeneinwirkung durch ein Antwortspektrum in Form desKapazitätsspektrums definiert ist. Beim Kapazitätsspektrum wird die spektrale PseudobeschleunigungS a nicht über die Periode, sondern über die zugehörige maximale spektraleVerschiebung S d des erdbebenerregten Einmasseschwingers aufgetragen [6]. Treteninelastische Schwingungen auf, wird die daraus resultierende Energiedissipation durchReduktion der Amplituden des Kapazitätsspektrums berücksichtigt.Die Kapazität des betrachteten Gebäudes wird über eine nichtlineare statische Berechnung –eine sogenannte Pushover-Analyse – ermittelt. Dabei wird eine horizontale Belastung, derenVerlauf der Grundschwingungsform ähnlich ist, verschiebungsgesteuert solange gesteigert, bisdie Struktur versagt. Das Auftragen des Horizontalschubs V auf der Fundamentebene, auchGesamterdbebenkraft genannt, über der Verschiebung u r eines Kontrollpunkts liefert dierepräsentative nichtlineare Last-Verschiebungskurve bzw. globale Pushover-Kurve des betrachtetenGebäudes. Der Pushover-Kurve werden, wie in Abb. 1(a) gezeigt, charakteristischeVerhaltenszustände, welche die Schadensgrenze, die Funktionstüchtigkeit, die Benutzbarkeit,die Überlebenssicherheit und den Einsturz des Gebäudes kennzeichnen, zugewiesen.Abbildung 1 (a) Globale Pushover-Kurve mit Verhaltenszuständen. (b) Auffinden des VerhaltenspunktsUm dieser nichtlinearen statischen Systemantwort die seismische Einwirkung in Form desKapazitätsspektrums gegenüberstellen zu können, ist die globale Pushover-Kurve in eineKapazitätskurve des zugehörigen äquivalenten Einmasseschwingers umzuwandeln. Für Hochbauten,die mit N Punktmassen m i , i = 1,..., N, diskretisiert sind, erfolgt diese Transformationder Kraft und der Lagekoordinate über den Umrechungsfaktor gemäß [1]f * = V / , D = u r / , = L * / m * , L * = m i i , m * 2= m i i (1)D bezeichnet die Lagekoordinate dieses Einmasseschwingers. i , i = 1,..., N ( N = 1), stellt dieite Komponente des Formvektors dar, der sowohl die vertikale Verteilung der Deformationdes Tragwerks bei der Approximation als äquivalenter Einmasseschwinger beschreibt als auchdie Form der horizontalen Belastung bei der Pushover-Analyse festlegt. Die äquivalente Kraftdes Einmasseschwingers f * ist noch mit der äquivalenten Masse L * zu dividieren, damit diedaraus resultierende Größe f * / L * der Dimension Beschleunigung mit der Pseudobeschleunigungdes Kapazitätsspektrums vergleichbar ist.Ni=1Ni=13411


Im Sinne eines verhaltensbasierten Nachweises ist, wie in Abb. 1(b) illustriert, der Schnittpunktzwischen der Kapazitätskurve und dem Kapazitätsspektrum aufzusuchen. Wird imTragwerk zufolge der durch das Kapazitätsspektrum charakterisierten seismischen Einwirkungdie Elastizitätsgrenze überschritten, ist das elastische Kapazitätsspektrum so abzumindern, dassdie Duktilität des zugehörigen inelastischen Spektrums mit der Duktilität der Kapazitätskurvebeim Schnittpunkt übereinstimmt [6]. Der Vorgang des Auffindens des Schnittpunkts erfolgtim Allgemeinen iterativ. Dieser Schnittpunkt wird als Verhaltenspunkt bzw. Performance-Punkt bezeichnet. Anschließend wird der Verhaltenspunkt mit einem im Erdbebenfall toleriertenVerhaltenszustand verglichen. Ist die Deformation des Verhaltenspunkts (Zielverschiebung)kleiner als die des tolerierten Verhaltenszustands, ist der Nachweis der Erdbebensicherheit fürdas Bemessungserdbeben gelungen.2 ME<strong>CH</strong>ANIS<strong>CH</strong>E MODELLIERUNG DES ZIEGELMAUERWERKS2.1 ModellierungsstrategieUm bei einer Pushover-Analyse das progressive Versagen von Mauerwerkswänden unterkombinierter Schub- und Normalkraftbeanspruchung untersuchen zu können, ist eine Diskretisierungder Wände mit Finiten Kontinuumselementen erforderlich. Bei einer diskretenModellierung auf der sogenannten Mikroebene werden Ziegel und Mörtel mit ihren tatsächlichengeometrischen Abmessungen über eigene Materialmodelle abgebildet. Um alleVersagensarten beschreiben zu können, muss der Kontaktbereich zwischen den zwei Materialienentweder über Interface-Elemente oder über eine Kontaktformulierung mit eigenenkonstitutiven Beziehungen diskretisiert werden. Die Generierung eines Finite Elemente Netzeseiner größeren Struktur - wie etwa eine Wand - ist sehr aufwendig, da die deutlich unterschiedlichengeometrischen Abmessungen zwischen Ziegel und Mörtel eine sehr feine Diskretisierungerfordern. Weiters ist eine große Anzahl von teils schwer oder nicht ermittelbarenMaterialparametern erforderlich. Will man auf den Detailgrad einer diskreten Modellierungnicht verzichten, bietet sich als Alternative eine Modellierung auf der Mesoebene an [7]. Dabeiwird auf eine separate Modellierung des Kontaktbereichs verzichtet. Der Kontaktbereich ist imMaterialgesetz der Fugen zu berücksichtigen.Dem gegenüber steht die Modellierung auf der Makroebene, bei der das Mauerwerkverschmiert, mit nur einem Werkstoffgesetz, betrachtet wird. Zwar werden die Versagensmodiüber Ziegel und Mörtel hinweg verschmiert, diese können jedoch zumindest indirekt zugeteiltwerden. Zur Berechnung größerer Strukturen erscheinen einzig solche Makromodelle alszielführend. Der Übergang von der Mikro- bzw. Mesoebene auf die Makroebene lässt sichdurch eine Homogenisierung erreichen. Dabei gilt es, durch Mittelung die effektiven Makro-Eigenschaften eines auf der Mikrostruktur heterogenen Werkstoffs zu bestimmen [7].Nachfolgend wird eine solche Strategie für die mechanische Modellierung des Ziegelmauerwerksgewählt. Ausgehend von experimentellen Untersuchungen werden Materialparameterund -modelle für die Komponenten des Mauerwerks ermittelt. Zur Anwendungkommt hierbei ein im verwendeten Finite Elemente Programm verfügbares Werkstoffmodellfür Beton. Der Übergang auf die Makroebene erfolgt mittels Homogenisierung auf Grundlageeiner zweidimensionalen Einheitszelle, welche die Geometrie eines Läuferverbandes abbildet.Daraus folgen die Materialkennwerte für ein Makromodell im Rahmen der mehrflächigenPlastizitätstheorie, welches verfestigendes und entfestigendes Materialverhalten sowie diewesentlichen Versagensarten von Mauerwerk bei Beanspruchung in der Wandebene abbildet.4124


2.2 Experimentelle Untersuchungen an Ziegelproben, Mörtel und kleinteiligenMauerwerkselementenDa eine Entnahme von Mauerwerkskörpern aus Gründerzeithäusern unter Beibehaltungihrer Integrität nicht möglich war, wurde zunächst das Materialverhalten von Ziegel und Mörtelgetrennt experimentell bestimmt. An Probekörpern aus Mauerziegeln von Abbruchobjekten ausder Gründerzeit wurden an der TVFA Innsbruck Versuche zur Ermittlung der Festigkeit, desElastizitätsmoduls, der Querdehnzahl, der Bruchenergie und der Rohdichte durchgeführt.Basierend auf einer chemischen Analyse von Proben des Originalmörtels konnte dessenZusammensetzung identifiziert und für weiterführende Versuche an kleinteiligen Mauerwerkselementenaus Originalziegeln nachgestellt werden. Die Abmessungen der Probekörper, dieVersuchsaufbauten, die Versuchsdurchführungen und die gewonnenen Ergebnisse sind in [4]beschrieben.2.3 Materialeigenschaften auf der MesoebeneUm die Materialparameter für Mörtel und Ziegel unter Berücksichtigung des Verhaltens desKontaktbereichs zwischen den beiden Materialien zu kalibrieren, wurden drei Versuchenumerisch nachgerechnet. Anhaltswerte für die Materialparameter des Mörtels wurden durchSimulationen von Druckversuchen an nachgestelltem Mörtel gewonnen. Bei der Nachrechnungvon Druckversuchen an Kleinprobekörpern mit einer Mörtelfuge wurde insbesondere auf eineausreichend genaue Abbildung des unterschiedlichen Verhaltens der Proben mit dünner unddicker Mörtelfuge Wert gelegt. Zudem erfolgten Nachrechnungen von Druckversuchen anpfeilerförmigen Probekörpern [4].Als Materialmodell zur Beschreibung des Mörtels und der Ziegel wurde das in ABAQUS[8] implementierte Betonmodell verwendet, welches auf einer Kopplung zwischenSchädigungs- und Plastizitätstheorie basiert. Für Details siehe [8].Im Folgenden wird exemplarisch die Nachrechnung der Druckversuche an Würfeln ausnachgestelltem Mörtel mit einer Kantenlänge von 60 mm vorgestellt. Unter Berücksichtigungder Symmetrie wurde ein Viertel des Probekörpers mit würfelförmigen Finiten Elementendiskretisiert. Im Modell wurden die Proben an der Unterseite als eingespannt und an der Oberseiteals horizontal unverschieblich gelagert angesehen. Die Berechnung erfolgte verschiebungsgesteuertdurch Vorgabe der vertikalen Verschiebung an der Probenoberseite. Der inAbb. 2 grau schattierte Bereich stellt die Umhüllende der experimentell ermittelten Spannungs-Stauchungskurven aus mehreren Versuchen dar, wobei die mittlere Druckspannung derbelasteten Probenoberfläche über die mittlere Stauchung des Versuchskörpers aufgetragen ist.Die rote Linie in Abb. 2 ist das Ergebnis der numerischen Simulation. Den zu dieser Berechnunggehörenden Versagensmodus zeigt Abb. 3. Als Maß für die irreversiblen Verformungenpl pldienen die äquivalenten plastischen Verzerrungen t und c für Zug- und Druckbeanspruchung[8]. Das experimentell beobachtete Abplatzen der äußeren Mörtelschichten gemäßAbb. 3(a) wird im Rahmen der Simulation qualitativ gut wiedergegeben. Der mittlere Bereichentlang der Würfelkanten versagt nach Abb. 3(b) zufolge (Trenn-)Rissbildung, während ausAbb. 3(c) ein Bereich mit diagonalen Druckstreben erkennbar ist, längs der die Probe durchZerstauchen versagt. Abb. 3(d) zeigt eine um 90° gedrehte Ansicht der Viertelprobe, aus derersichtlich ist, dass die plastischen Druckverzerrungen bis in die Probenmitte reichen. ImVersuch zeigt sich ein merklicher Unterschied in den erreichten Druckfestigkeiten bei Probengrößenvon 40, 60 und 80 mm [4]. Dies tritt bei den numerischen Simulationen nicht auf.Abb. 2 enthält auch Spannungs-Stauchungslinien von Berechnungen mit 40 und 80 mmWürfelkantenlänge, welche zeigen, dass die erreichte Druckfestigkeit für alle drei Berech-5413


nungen gleich groß ist. Lediglich im Nachbruchbereich kommt es zu geringen Abweichungen.Dies lässt vermuten, dass das experimentell beobachtete Verhalten auf Randbedingungen imVersuchsaufbau zurückzuführen ist, die im Rahmen von numerischen Simulationen nichtberücksichtigt werden können. Es wird darauf hingewiesen, dass die Diskretisierung und dieNetzfeinheit einen wesentlichen Einfluss auf das Ergebnis haben, weshalb die eingegebeneSpannungs-Dehnungsbeziehung an eine charakteristische Elementslänge angepasst werdenmuss [4, 8].In Tabelle 1 sind die numerisch gewonnenen Materialparameter auf der Mesoebene aufGrundlage der Versuchsnachrechnungen zusammengefasst.Abbildung 2 Mörteldruckversuche: Spannungs-Stauchungslinien aus Versuchen und numerischen SimulationenAbbildung 3 Mörteldruckversuch. (a) Versagen im Experiment. (b), (c), (d) Versagensmuster in der numerischenplSimulation des Versuchs an einer Viertelprobe: (b) Äquivalente plastische Zugverzerrungen t ;pl(c), (d) Äquivalente plastische Druckverzerrungen c . Rot: pl pl t , cmaximal. Blau: pl plt, cnullParameter Ziegel MörtelElastizitätsmodul E [N/mm 2 ] 7.500 220Querdehnzahl 0,07 0,20Zugfestigkeit f t [N/mm 2 ] 1,3 0,1Spezifische Mode I Bruchenergie G I f [Nmm/mm 2 ] 0,05 0,005Druckfestigkeit f c [N/mm 2 ] 30 1,7Verhältnis biaxiale - einaxiale Druckfestigkeit f b /f c 1,15 1,6Bruchstauchung cu 0,08 0,09Tabelle 1 Materialparameter für Ziegel und Mörtel4146


2.4 Makromodell für das MauerwerkDie numerischen Simulationen des Mauerwerks beruhen auf einer modifizierten zusammengesetztenVersagensfläche, die auf Lu [9] zurückgeht. Dieses Modell beschreibt das Verhaltenvon scheibenbeanspruchtem Mauerwerk auf Grundlage eines ebenen Spannungszustandes, d.h.der Spannungstensor setzt sich aus den beiden Normalspannungen x , y und der Schubspannung xy zusammen. Die Indizes beziehen sich dabei auf ein Koordinatensystem mithorizontaler, also in Richtung der Lagerfugen verlaufender, x-Achse und vertikaler y-Achse.Wie in Abb. 4(a) dargestellt, wird der elastische Bereich durch fünf Fließfunktionen f 1 bis f 5begrenzt. Die von Furtmüller modifizierten Fließfunktionen sind in [4] formelmäßig angegeben.Nach Lu [9] können den einzelnen Fließfunktionen die folgenden Versagensartenzugeordnet werden: f 1 weist auf Zugversagen der Ziegel hin, f 2 auf Druckversagen derZiegel, f 3 auf Schubversagen der Ziegel, f 4 bedeutet Gleiten entlang der Lagerfugen, undZugversagen (Trennbruch) der Lagerfugen wird durch f 5 gekennzeichnet.Der Formulierung von Schlegel [10] folgend werden in den konstitutiven Beziehungen dieFestigkeitskennwerte mit einem Faktor multipliziert, um die aktuellen Werte unter derBerücksichtigung der Verfestigung und Entfestigung zu erhalten. Das Verfestigungs- undEntfestigungsverhalten wird durch innere Variablen gesteuert. Beispielhaft ist in Abb. 4(b)der Verlauf des Multiplikators fc für die Druckfestigkeiten f cx und f cy als Funktion derzugehörigen inneren Variable fc dargestellt. Nach einer parabelförmigen Verfestigung folgtzuerst eine parabelförmige Entfestigung und danach eine exponentielle Entfestigung. Die Entfestigungder weiteren Materialkennwerte wurde mittels spezifischer Bruchenergien objektiv,d.h. unabhängig von der verwendeten Elementgröße, formuliert. Für die Evolutionsgleichungender Ver- und Entfestigung sowie der inneren Variablen wird auf [4] verwiesen.Abbildung 4 (a) Versagenskriterium. (b) Ver- und Entfestigungsfunktion im DruckbereichAbbildung 5 Homogenisierung. (a) Ausschnitt einer Mauerwerkswand mit Einheitszelle. (b) Einheitszelle7415


2.5 HomogenisierungDa dieses Mauerwerk als eine mehr oder weniger regelmäßige Anordnung von Ziegel undMörtel aufgefasst werden kann, beruht die hier durchgeführte Homogenisierung auf der inAbb. 5 dargestellten Einheitszelle [4], um die Materialeigenschaften im Mesobereich gemäßTabelle 1 und Makrobereich in Beziehung zu bringen. Diese Einheitszelle beschreibt gründerzeitlichesMauerwerk, welches im Läuferverband mit konstantem Überbindemaß einer halbenZiegellänge ausgeführt ist, und besteht aus einer Lagerfuge und einer Stoßfuge mit den Dickenvon 15 und 10 mm und einem alten Mauerziegel des „Österreichischen Formats“. Bei denBerechnungen wurden der Einheitszelle die zuvor bestimmten Materialparameter von Mörtelund Ziegel getrennt zugewiesen. Die Komponenten des homogenisierten elastischen Steifigkeitstensorsdes orthotropen Werkstoffs, nämlich die Steifigkeiten E x = 3.400N/mm 2 ,E y = 1.064N/mm 2 , G xy = 409 N/mm 2 und die Querdehnzahl xy = 0,026 wurden über dreiEinheitslastfälle mittels linearer Finite Elemente Berechnung bestimmt. Diese Einheitslastfälleentsprechen dem Einprägen von reinen Normalverzerrungen E xx und E yy und der reinenSchubverzerrung E xy [11]. Die vertikalen Mauerwerksdruck- und Mauerwerkszugfestigkeitenf cy = 2,2 N/mm 2 und f ty = 0,1N/mm 2 und die horizontalen Festigkeiten f cx = 2,3N/mm 2und f tx = 0,02 N/mm 2 wurden anhand numerischer einaxialer Druck- und Zugversucheermittelt. In den Berechnungen wurde ein einaxialer makroskopischer Verzerrungszustandvorgeschrieben. Dadurch kann zwar kein exakter einaxialer makroskopischer Spannungszustanderzielt werden, es hat sich jedoch gezeigt, dass die Abweichungen vernachlässigbarsind [4]. Es musste eine weggesteuerte Berechnung mit der Vorgabe eines makroskopischenVerzerrungszustands durchgeführt werden, da aus den Spannungs-Dehnungskurven auch dieMaterialparameter für den Nachbruchbereich (Bruchenergie) bestimmt wurden. Die weiterenMaterialparameter wie die Bruchenergien, Kohäsion, Reibungswinkel und Dilatanzwinkelkönnen [4] entnommen werden.3 ANWENDUNGSBEISPIEL3.1 UntersuchungsobjektAuf Grundlage der vorgestellten mechanischen Modellierung von gründerzeitlichemZiegelmauerwerk wird exemplarisch das Verhalten eines Gebäudes der Gründerzeit unterErdbebenbeanspruchung untersucht. Das als Wohnhaus genutzte Objekt im 18. WienerGemeindebezirk, Riglergasse 10, mit Kellergeschoß, Erdgeschoß und drei im wesentlichenidenten Obergeschoßen wurde 1895 erbaut. Die Gebäudehöhe beträgt 18,70 m. ZwischenKeller- und Erdgeschoß befindet sich eine Ziegelgewölbedecke, die darüber liegenden Deckenkonstruktionensind als Dippelbaumdecken ausgebildet. Abb. 6(a) zeigt ein Foto der straßenseitigenFassade, Abb. 6(b) den Grundriss eines Regelgeschoßes.Im Zuge eines im Jahr 2006 durchgeführten Dachgeschoßausbaus in Leichtbauweisekonnten vor und nach dem Umbau dynamische Messungen durchgeführt werden [3], um diegrundlegenden dynamischen Gebäudeparameter zu identifizieren. Da das Gebäude zu denZeitpunkten der messtechnischen Untersuchungen bewohnt war, wurden ambiente Beschleunigungsantwortenan den vertikal im Stiegenhaus und horizontal im Dachboden verteiltenSensoren aufgezeichnet. Aus diesen Daten wurden die Grundfrequenz und die Grundschwingungsformbestimmt. Aufgrund der Symmetrie im Grund- und Aufriss entkoppelt dasSchwingungsverhalten normal (x-Richtung) und parallel (y-Richtung) zur Riglergasse. AlsGrundschwingungsform konnte eine Biegeeigenform in x-Richtung mit einer Eigenfrequenzvon f E1 = 2,55 Hz identifiziert werden [3]. Da das Testobjekt an beiden Seiten mit angren-4168


zenden Häusern einen Verband bildet, wird das Schwingungsverhalten in y-Richtungwesentlich von diesen Nachbargebäuden beeinflusst. Außerdem ist dadurch in dieser Richtungdie ambiente dynamische Antwort nur sehr schwach ausgeprägt. Aus den Antwortdaten wurdein y-Richtung eine Eigenfrequenz f E2 = 4,35 Hz ermittelt, die Form der zugehörigen Eigenschwingungsformkonnte jedoch experimentell nicht bestimmt werden [3].(a)Abbildung 6 Objekt Riglergasse 10, 1180 Wien. (a) Straßenseitige Fassade. (b) Grundriss des RegelgeschoßesAbbildung 7 (a) Finite Elemente Modell zur Berechnung der Eigenschwingungsformen.(b) Numerisch ermittelte Grundschwingungsform3.2 Numerische Ermittlung der dynamischen GebäudeparameterZur numerischen Bestimmung der dynamischen Gebäudeparameter im linear elastischenBereich wurde aus Planunterlagen das in Abb. 7(a) gezeigte dreidimensionale Finite ElementeModell erstellt. Das in sich sehr steife Kellergeschoß, welches zudem in den Untergrund eingebundenist, wurde als starr angenommen. Die Diskretisierung der Wände und Decken erfolgtedurch rechteckige und dreieckige Schalenelemente mit linearem Verschiebungsansatz. DemMauerwerk wurden die orthotrop-elastischen Parameter der für den Läuferverband bestimmtenWerte gemäß Abschnitt 2.5 zugewiesen. Die Dichte wurde mit = 1.700 kg/m 3 etwas schwererals die des reinen Ziegels angenommen. Die jeweilige Wandstärke konnte den Grundrissplänenentnommen werden. Diese beträgt 70 cm bei der Außenwand des untersten Stockwerks undreduziert sich auf 15 cm für die Zwischenwände. Die Dippelbaumdecken wurden näherungsweiseals isotrop-elastische 10 cm dicke Platten mit einem Elastizitätsmodul vonE = 10.000 N/mm 2 , einer Querdehnzahl von = 0,2 und der Dichte = 1.500 kg/m 3 modelliert.Die Berücksichtigung der Deckenaufbauten sowie der ständigen Auflasten erfolgte über9417


gleichverteilte flächenhafte Zusatzmassen. Die angenommenen Werte der Massen betragen fürdie Decke über dem Erdgeschoß m = 300 kg/m 2 , für die beiden darüberliegenden Deckenm = 200 kg/m 2 und für die Decke des dritten Obergeschoßes m = 500 kg/m 2 , um dembestehenden Dachgeschoßausbau sowie dem Dachaufbau gerecht zu werden. Die Lagerungerfolgte, so wie in Abb. 7(a) gezeigt, über Sperren der Verschiebung der Auflagerknoten. Diemit „FM Nord“ und „FM Süd“ bezeichneten Feuermauern wurden durch eine elastischeLagerung über Federn aus ihrer Ebene heraus unterstützt, um die Kopplung des Objekts mitden Nachbargebäuden zu modellieren. Die Federsteifigkeit k = 2.000 kN/m wurde so kalibriert,dass die zweiten Eigenfrequenzen aus Rechnung und Messung nahe beieinander liegen.Eine Frequenzanalyse ergab die beiden ersten Eigenfrequenzen zu f N1 = 2,75 Hz undf N2 = 4,29 Hz. Diese stimmen gut mit den experimentell bestimmten f E1 und f E2 überein. Die zurGrundfrequenz gehörende numerische Eigenschwingungsform zeigt Abb. 7(b). Wie imExperiment entspricht die Grundschwingungsform einer Biegeschwingung in x-Richtung. In[4] wird gezeigt, dass die erste Oberschwingung eine Torsionsschwingung darstellt. Bei denhöheren Eigenschwingungsformen kommt es zu lokalen Oszillationen einzelner Deckenfelderoder Innenwände [4]. Als Fazit der Frequenzanalyse des Gesamtgebäudes kann festgehaltenwerden, dass das globale Schwingungsverhalten durch die von den höheren Eigenschwingungsformengut separierte erste Eigenschwingungsform in x-Richtung bestimmt wird. Somit ist einewesentliche Voraussetzung zur Anwendung der Kapazitätsspektrum-Methode gegeben.3.3 Globales Last-Verschiebungsverhalten der maßgeblichen GebäudewandAufgrund der Gebäudestruktur und des daraus folgenden Eigenschwingungsverhaltens istdas Gebäude in x-Richtung anfällig gegenüber erdbebeninduzierten Schäden. Es ist daher imersten Schritt die maßgebliche Wand für Gebäudeversagen in dieser Richtung zu identifizieren.Die horizontalen Kräfte werden vor allem durch die beiden von unten nach oben durchgehendenFeuermauern und die steife Stiegenhauskonstruktion abgetragen. Da die Zwischenwändeteilweise vertikal nicht durchgehend sind und sehr rasch versagen, kann deren Beitragzur Gebäudekapazität vernachlässigt werden. Aufgrund der zu erwartenden geringeren Festigkeitwird die kürzere der beiden Feuermauern, in Abb. 6(b) „FM Nord“ genannt, als maßgeblicheWand identifiziert. Mit Hilfe einer nichtlinearen statischen Berechnung wurde dasglobale Last-Verschiebungsverhalten dieser Wand ermittelt. Dazu wurde in Scheibenrichtungein der Grundschwingungsform folgendes Lastmuster aufgebracht. Dabei konnte die Grundschwingungsformgemäß Abb. 7(b) durch einen nach oben hin linear zunehmenden Verlaufangenähert werden. Unter Wirkung der Vertikallasten aus Eigengewicht und ständiger Auflastwurde die Horizontallast durch Vorschreiben der Verschiebungen der äußeren Knoten aufHöhe der Geschoßdecken bis zum Versagen der Wand gesteigert. Dabei wurde das in Abb. 8(a)dargestellte Berechnungsmodell verwendet, bei dem alle vertikalen Deckenlasten vereinfachtdurch eine gleichmäßige Druckspannung von p = 0,32 N/mm 2 am oberen Rand berücksichtigtwurden. Dem Makromauerwerksmodell wurden die elastischen und inelastischen homogenisiertenMaterialparameter aus Abschnitt 2.5 zugewiesen. Um die Wirkung der quer zurbetrachteten Wand verlaufenden Außenmauern zu berücksichtigen, wurden die entsprechendenWandbereiche linear-elastisch mit demselben orthotrop-elastischen Verhalten wie der Rest derWand modelliert. Die Diskretisierung der Wand erfolgte durch 74.814 reduziert integrierteFinite Elemente mit linearem Verschiebungsansatz und insgesamt 150.748 Freiheitsgraden. DieErgebnisse der nichtlinearen statischen Berechnung zeigt Abb. 8. In Abb. 8(b) ist das globaleLast-Verschiebungsverhalten der Wand „FM Nord“ wiedergegeben, bei der die resultierendeSchubkraft V am Auflager über die horizontale Verschiebung des obersten Wandpunktes u raufgetragen ist. Im Rahmen der Berechnung konnte der globale Entfestigungsbereich nicht41810


erreicht werden. Die Kurve tendiert zu einem Plateau bei einem Bodenschub von etwa 950 kN.Die abrupten Kraftabfälle (z.B. bei u r 29 mm) deuten auf lokal sehr sprödes Verhalten hin.Abb. 8(c) zeigt die Rissverteilung am Ende der Berechnung anhand äquivalenter plastischerVerzerrungen. Neben Rissen, die entlang der linken und unteren Wandberandung verlaufenbzw. dort ihren Ursprung haben, bilden sich Diagonalrisse, die den Verlauf der Lastabtragungin der Wand andeuten. Zusätzlich ist in Abb. 8(d) die Aktivität der Fließflächen f 1 , f 4 und f 5dargestellt. Die Aktivität der Fließflächen f 4 und f 5 weist darauf hin, dass diese Risse auf einFugenversagen zurückzuführen sind. Zusätzlich kommt es durch die Aktivität der Fließfläche f 1im linken unteren Wandbereich zu einem ausgedehnten Bereich mit Ziegelversagen.Abbildung 8 (a) Berechnungsmodell. (b) Globale Last-Verschiebungskurve. (c) Äquivalente plastischeVerzerrungen am Ende der Berechnung. (d) Aktivität der Fließflächen f 1 , f 4 und f 5Abbildung 9 (a) Mechanisches Ersatzmodell. (b) Kapazitätsspektrum, Kapazitätskurve des äquivalentenEinmasseschwingers und Verhaltenspunkt11419


3.4 Nachweis der ErdbebensicherheitDie Erdbebeneinwirkung in Form des Kapazitätsspektrums wurde entsprechend EC8 [1] fürBodenklasse D (lockerer bis mitteldichter kohäsionsloser oder vorwiegend kohäsiver Boden)und 5% Dämpfung bestimmt. Entsprechend dem Standort Wien ergibt sich mit der Referenz-Spitzenbodenbeschleunigung von a gR = 0,8 m/s 2 das in Abb. 9(b) mit einer dünnen blauen Liniedargestellte Kapazitätsspektrum. Die Pushover-Kurve wurde in die Kraft-Verschiebungskurvedes zum in Abb. 9(a) dargestellten Ersatzmodells der Wand gehörenden äquivalenten Einmasseschwingerstransformiert. Bei der Abschätzung der in dieser Abbildung angegebenenPunktmassen wurde angenommen, dass auf die maßgebende Wand 37,5% der Gebäudemassewirken. Gemäß den in Gleichung (1) angegebenen Beziehungen ergeben sich zur Umrechnungdes Horizontalschubs V und der Dachverschiebung u r in den Spektralbeschleunigungs- bzw.Verschiebungsbereich die Werte = 1,211 und L * = 341.600 kg sowie in weiterer Folge die inAbb. 9(b) rot dargestellte Kapazitätskurve. Der Vergleich mit dem elastischen Kapazitätsspektrumzeigt, dass der Verhaltenspunkt im inelastischen Zweig der Kapazitätskurve liegt. Dieiterative Ermittlung des zugehörigen inelastischen Kapazitätsspektrums führt auf das inAbb. 9(b) mit dicker blauer Linie gezeigte Spektrum mit einem Verhaltensfaktor von q = 1,35.Entsprechend der beim Verhaltenspunkt vorhandenen Spektralverschiebung von etwaD = 21 mm ist als Dachverschiebung im Erdbebenfall u r 25,4 mm zu erwarten. Basierendauf diesen Berechnungen kann somit festgehalten werden, dass für die untersuchte Mauerwerkswand(bzw. für das untersuchte Gebäude) hinsichtlich der in den Normen definiertenErdbebeneinwirkung der Nachweis der Erdbebensicherheit als erfüllt angesehen werden kann.LITERATUR[1] EC8 - ÖNORM EN 1998-1. Eurocode 8: Auslegung von Bauwerken gegen Erdbeben.Teil 1: Grundlagen, Erdbebeneinwirkungen und Regeln für Hochbauten, 2005.[2] SEISMID - Seismic System Identification. www.seismid.com. 2006.[3] G. Achs, Erdbebengefährdung von Gründerzeithäusern. Beurteilung, Klassifizierung undexperimentelle Untersuchungen. Dissertation, Technische Universität Wien, <strong>2011</strong>.[4] T. Furtmüller, Numerische und experimentelle Untersuchungen von Mauerwerk inGründerzeithäusern in Hinblick auf deren Erdbebensicherheit. Dissertation, UniversitätInnsbruck, 2010.[5] A. Kolbitsch, Erdbebensicherheit - Erdbebenrichtlinien. Immolex, 03/2010, 82-85, 2010.[6] P. Fajfar, Capacity spectrum method based on inelastic demand spectra. EarthquakeEngineering and Structural Dynamics, 28, 979-993, 1999.[7] M. Mistler, Verformungsbasiertes seismisches Bemessungskonzept für Mauerwerksbauten.Dissertation, RWTH Aachen, 2006.[8] Abaqus Theory, Abaqus Theory Manual v6.9. Dassault Systèmes Simulia Corp., 2009.[9] S. Lu, Evaluierung der Erdbebensicherheit von maßgeblichen Mauerwerkshochbauten fürdas Katastrophenmanagement. Dissertation, Technische Universität Wien, 2006.[10] R. Schlegel, Numerische Berechnung von Mauerwerkstrukturen in homogenen unddiskreten Modellierungsstrategien. Dissertation, Bauhaus-Universität Weimar, 2004.[11] M. Mistler, A. Anthoine, C. Butenweg, In-plane and out-of-plane homogenization ofmasonry. Computer and Structures, 85, 1321-1330, 2007.42012


12. D-A-<strong>CH</strong> Tagung – Erdbeben und BaudynamikC. Könke (Hrsg.)Hannover, Deutschland, 15.–16. September <strong>2011</strong>KONSTRUKTION UND RÜTTELTIS<strong>CH</strong>VERSU<strong>CH</strong>E AN EINER STAHL-LEI<strong>CH</strong>TBAUKONSTRUKTIONF.-O. Henkel* und J. Röhner* Wölfel Beratende Ingenieure GmbH & Co. KGMax-Planck-Str. 15, D-97204 HöchbergE-mail: henkel@woelfel.deStichworte: Trockenbau, Leichtbau, RütteltischversucheAbstract. Die Erdbebensicherheit eines Bauwerks kann maßgeblich durch die Verringerungder während eines Erdbebens induzierten Trägheitskräfte und die Erhöhung der Duktilität desBauwerks, d.h. seiner Fähigkeit seismische Energie zu dissipieren, gesteigert werden.Im Rahmen eines europäischen Forschungsvorhabens wurde dieser Gedanke konsequent ineiner Leichtbaukonstruktion bestehend aus kaltgeformten Stahlblechprofilen undTrockenbauwänden umgesetzt, deren Erdbebensicherheit durch dreiaxiale Erregung auf einemRütteltisch getestet wurde. Die durchgeführten Rütteltischversuche wurden durch eineumfangreiche messtechnische Ausstattung aufgezeichnet. Mit den Werkzeugen derExperimentellen Modalanalyse (EMA) wurden aus den Messdaten die dynamischenStruktureigenschaften wie Eigenfrequenzen, Eigenvektoren und Dämpfungsgrade fürunterschiedliche Bauzustände des Gebäudes ermittelt und - soweit möglich - mit derrechnerischen Vorauslegung verglichen.Dieser Beitrag erläutert die wesentlichen Ergebnisse der Rütteltischversuche, stellt einenverbesserten Berechnungsansatz zur realistischen Erfassung des hysteretischen Last-Verformungs-Verhaltens von Trockenbauwänden vor und gibt, basierend auf denbautechnischen Schlussfolgerungen, Hinweise zu offenen Fragestellungen in der aktuellenNormung.1421


1 EINFÜHRUNGIn den seismischen Gebieten Südeuropas stellen Häuser in Stahl-Leichtbauweise mit einerGebäudehülle bestehend aus Trockenbauelementen eine gute Alternative zur konventionellenBauweise in Form von Stahlbetonskelett + Mauerwerkausfachung dar. Durch die geringeGebäudemasse werden zum einen die seismisch induzierten Trägheitskräfte in der Tragstrukturreduziert, während die hohe Duktilität und die flexible Befestigung der Trockenbauwände dieFähigkeit der Struktur seismische Energie zu dissipieren beträchtlich erhöht.Im Rahmen des europäischen Forschungsvorhabens I-SSB (Integrated Safe & Smart Built)wurde dieses Konzept des erdbebensicheren Leichtbaus in Form eines großmaßstäblichenVersuchsbauwerks (Mock-Up) umgesetzt, welches - nach der Bemessung auf der Grundlageder griechischen Erdbebennorm EAK2000 - auf dem Rütteltisch der NTUA Athen künstlichenErdbebenerregungen mit maximalen Bodenbeschleunigungen bis zu a g = 1 g unterworfenwurde.Ziel der Versuche war die Überprüfung der Traglastreserven, die normgerecht bemesseneBauwerke bestehend aus kaltverformten Stahlprofilen und Trockenbauwänden beim LastfallErdbeben besitzen. Des Weiteren sollten die normgerecht ermittelten dynamischenEigenschaften (Eigenfrequenzen, Eigenformen, Dämpfungsgrad) des Bauwerks den realen,messtechnisch erfassten Eigenschaften gegenübergestellt und Hinweise für eine verbesserteErdbebenbemessung von Leichtbauwerken in Trockenbauweise erarbeitet werden.Abbildung 1: Mock-Up, AufbauAbbildung 2: Mock-Up, reine Stahlskelettstruktur(Zustand 1)4222


2 BAUKONSTRUKTIONDie Außenmaße des Mock-Up betrugen L / B / H = 3,6 / 3,6 / 7,5 m, wobei die geringeGrundfläche durch die Geometrie des Rütteltisches bedingt war. Zur Minimierung derinduzierten Trägheitskräfte sollte die Tragstruktur des Mock-Up möglichst leicht sein (sieheTabelle 1). Deshalb wurde eine Stahlskelettstruktur mit warmgewalzten, schlanken Stahlstützen(HEA 120) und kaltverformten Stahlprofilen - Blechdicken 1,5 bis 2,5 mm - für die Balken undFachwerkstäbe gewählt (Abbildungen 1 und 2). Bedingt durch die gelenkige Ausführung allerAnschlüsse wurden für den Horizontallastabtrag Diagonalverbände bzw. Rahmen mitFachwerkbinder angeordnet. Abbildung 3 zeigt die Variante mit X-Bracings im 1. OG.Abbildung 4 zeigt die Variante ohne X-Bracings im 1. OG in x-Richtung, sodass in x-Richtungein Rahmen mit einem Leichtbau-Fachwerkbinder trägt.Abbildung 3: Mock-Up mit Dacheindeckung,Verkehrslast 1. OG X-BracingsAbbildung 4: Mock-Up mit Dacheindeckung,Verkehrslast 1. OG ohne X-Bracings(Zustand 2)Die Gebäudehülle bestand aus dem zweischaligen KNAUF-Wandsystem W388, bei dem dieAußenschale aus einer zementgebundenen AQUAPANEL-Platte (12,5 mm) mitwasserabweisendem Außenputz und die Innenschale aus 2 Lagen Gipskarton (25 mm) bestand.Im Inneren des Mock-Up wurde eine einschalige Innenwand vom Typ W111 angeordnet.3423


Abbildung 5: Mock-Up, AusbauAbbildung 6: Mock-Up, komplettBauteilDachFußbodenWändeTonziegelOSB-Beplankung, 22 mmabgehängte Decke, D112,12.5 mmGIFA Board, 28 mmabgehängte Decke, D112,12.5 mmAußenwände, W388Innenwände, W111Flächengewicht[kN/m²]0,550,130,110,420,110,630,23Fläche[m²]15,215,210,910,910,979,216,0Gewicht[kN]53,5konstruktiverStahl 19,1Gesamtgewicht: 89,9Tabelle 1: Gewicht des Mock-Up11,55,8Für beide Wandtypen wurden an der EMPA Dübendorf monotone / zyklische Scherversuchean großmaßstäblichen Probekörpern durchgeführt ([2], [3]), welche zeigen, dass dieTrockenbauwand vom Typ W388 eine Scherfestigkeit von etwa 15 kN/m Wandlänge aufweist(Abbildung 7), ein Wert, der sich mit anderen Versuchsergebnissen [4] deckt, bei denen sichScherfestigkeiten von bis zu 10 kN/m Wandlänge für einfach beplankte Metallständerwändeergaben.4244


Abbildung 7: Scherversuche EMPA, [2] an W388-Trockenbauwänden L/H = 2,5 / 2,72 mDie Bemessung des Mock-Up erfolgte für die Lastfälle Eigengewicht, Verkehrslast undErdbeben. Als Bemessungsspektrum wurde das elastische Normspektrum nach [1] für denStandort Amfilochia in Griechenland, Bodenklasse B, Dämpfungsgrad D = 0,04 und maximaleBodenbeschleunigung a g = 0,24 g angewandt (Abbildung 8). Eine Reduktion des elastischenAntwortspektrums mittels Verhaltensbeiwert q > 1 ist gemäß [1] aufgrund der Querschnittsklasse4 der kaltverformten Stahlprofile nicht möglich. Gemäß den in Deutschlandmaßgebenden Normen ist eine Berücksichtigung der Tragfähigkeit und der Steifigkeit derTrockenbauwände nicht zulässig – lediglich die Massen sind in Ansatz zu bringen. Für diedynamische Berechnung und Bemessung eines Leichtbauwerks hat dies jedoch zur Folge, dassaufgrund des relativ großen Massenverhältnisses m Wände / m Stahlbau (siehe Tabelle 1) und derVernachlässigung der Wandsteifigkeit die rechnerischen Eigenfrequenzen unterschätzt werdenund somit die anzusetzende Spektralbeschleunigung falsch und möglicherweise nichtkonservativaus dem Amfilochia, Bemessungsspektrum hrz. Earthquake abgelesen Design wird. Spectrum, Soil Class B1.000.900.800.70Sd [g]0.600.500.400.300.200.100.1 1 10 100f [Hz]Abbildung 8: Bemessungsspektrum nach EAK 2000, Soil Class B, Amfilochia5425


3 S<strong>CH</strong>WINGUNGSVERHALTEN DES MOCK-UPAnhand der Scherversuche der EMPA [3] an den Trockenbauwänden W388 und W111lassen sich äquivalente Schubsteifigkeiten gemäß Gleichung (1) ableiten. F s F sF HG G G G t A H t L Hs LFür den Wandtyp W388 ergibt sich für eine relative Wandverschiebung von etwa = s / H = 0,3 % die Steifigkeit zu etwa (Gt) 2800 kN/m und für den Wandtyp W111 zuetwa (Gt) 2300 kN/m. Die genannte „Drift-Ratio “ entspricht etwa 30 % der Verschiebung,die bei Wandversagen erreicht wurde.Die Rütteltischversuche am Mock-Up wurden am „Laboratory of Earthquake Engineering“der „National Technical University Athens“ (NTUA.LEE) durchgeführt, an dem ein Rütteltischmit sechs unabhängig voneinander steuerbaren Freiheitsgraden vorhanden ist. Der Tisch hat dieAbmessungen L / B = 4,0 / 4,0 m und kann Probekörper mit einem Gewicht von bis zu 100 kNaufnehmen. Es können horizontale und vertikale Beschleunigungen bis zu 2,0 g erzeugt und einFrequenzband von 0.1 bis 100 Hz angeregt werden. Es wurden insgesamt 3 Bauzuständeuntersucht:- Zustand 1: reine Stahlskelettstruktur mit GIFA-Board Fußbodenbelag und OSB-BoardDachbeplankung;- Zustand 2: wie 1, jedoch mit vollständiger Dacheindeckung (Tonziegel) undVerkehrslast auf Fußboden (50 kg/m²). Die Verkehrslast bestimmt sich für den LastfallErdbeben als Produkt aus der nominellen Verkehrslast für Wohnbauten q = 1,5 kN/m²und dem Kombinationsbeiwert 2 = 0,3;- Zustand 3: vollständig errichteter Mock-Up inklusive Trockenbauwänden.(1)FEM-Berechnung:Messung2D-Erregung,a g = 0,12 gMessung2D-Erregunga g = 0,16 gMessung2D-Erregung,a g = 0,24 gBauzustand Zustand 1:Stahlskelettstrukturmit OSB & GIFABoardsf 0 [Hz], D[%]x-Richtungz-Richtungx-Richtungz-Richtungx-Richtungz-Richtungx-Richtungz-Richtung6,50 Hz, -10,38 Hz, -6,39 Hz, 1,4 %10,31 Hz, 1,7 %6,36 Hz, 1,6 %10,34 Hz, 1,9 %6,34 Hz, 1,9 %10,40 Hz, 2,2 %Zustand 2:wie Zustand 1 mitDachdeckung (Ziegel) undVerkehrslast 50 kg/m²f 0 [Hz], D[%]4,67 Hz, -7,31 Hz, -4,61 Hz, 2,4 %7,25 Hz, 7,8 %4,60 Hz, 2,5 %7,26 Hz, 8,7 %4,58 Hz, 2,7 %7,23 Hz, 8,9 %Zustand 3vollständiger Mock-Up mitTrockenbauwändenf 0 [Hz], D[%]6,66 Hz, -6,60 Hz, -7,41 Hz, 13,0 %6,74 Hz, 13,8 %--7,01 Hz, 14,5 %6,66 Hz, 16,3 %Messung3D-Erregung,a g = 0,24 gMessung2D-Erregung,X-Bracings 1. OGa g = 0,24 gx-Richtungz-Richtungx-Richtungz-Richtung--11,06 Hz, 2,2 %10,02 Hz, 3,2 %4,58 Hz, 2,8 %7,29 Hz, 8,4 %8,31 Hz, 3,3 %7,08 Hz, 9,0 %7,03 Hz, 15,9 %6,38 Hz, 8,9 %7,45 Hz, 11,5 %6,87 Hz, 14,7 %Tabelle 2: Rechnerische und gemessene Eigenfrequenzen und Dämpfungsgrade für die hrz. Grundmoden4266


Für jeden der drei getesteten Bauzustände und unter Berücksichtigung der genanntenWandsteifigkeiten im Zustand 3 „vollständiger Mock-Up“ wurden die ersten Eigenfrequenzen(zweite Zeile, Tabelle 2) rechnerisch bestimmt und sind in Tabelle 2 den Ergebnissen derRütteltischversuche gegenübergestellt. Bis auf die letzte Zeile gelten alle Ergebnisse für dieVariante ohne X-Bracings in x-Richtung im 1. OG.Die Beschleunigungsantwort des Mock-Up wurde durch mehrere Sensoren aufgezeichnet,und mittels Experimenteller Modal Analyse (EMA) konnten im Nachgang aus den Messdaten[5] die fundamentalen Eigenfrequenzen f 0 , Eigenformen und Dämpfungsgrade D für dieeinzelnen Bauzustände und Erregungsarten ermittelt werden. Exemplarisch sind in Abbildung 9die so ermittelten Transferfunktionen zwischen den Messpunkten MP1 und MP5, dieEigenfrequenzen und die abgeleiteten Dämpfungsgrade für die 2-achsialen Erdbebenversuche(a g = 0,24 g) in x-y-Richtung und z-y-Richtung für alle 3 Bauzustände dargestellt, während inTabelle 2 zusätzlich die fundamentalen Eigenfrequenzen f 0 und Dämpfungsgrade D für weitereLastniveaus angegeben sind.Abbildung 9: Transferfunktionen MP1-MP5, Bauzustände 1-3. Links: Erregung X-Y; rechts: Erregung Z-YWie man anhand der Tabelleneinträge für die Bauzustände 1 bis 3 erkennt, verhält sich derMock-Up bis zum Belastungsniveau a g = 0,24 g erwartungsgemäß linear. Ebenso entsprechendie an der reinen Stahlstruktur (Bauzustand 1) ermittelten Dämpfungsgrade von D = 1,4% -2.2% für Lastniveaus kleiner gleich der Designlast den üblichen in der Fachliteraturpublizierten Werten.Im Bauzustand 2 wurden auf die Stahlstruktur zusätzliche Massen in Form derDacheindeckung (Tonziegel) und durch Befestigen der „Verkehrslast“ auf den Fußbodenaufgebracht. Der Vergleich der Eigenfrequenzen zwischen den Bauzuständen 1 und 2 deutet7427


dementsprechend auf eine Verdopplung der mitschwingenden Masse hin. Ungewöhnlich sinddie gemessenen Dämpfungsgrade. Während in x-y-Richtung der Dämpfungsgraderwartungsgemäß bei etwa 2 – 3% lag, ergaben sich in z-y-Richtung Dämpfungsgrade imBereich von D = 8 – 9%. Eine mögliche Erklärung für diese erhöhte Energiedissipation könntedas Verrutschen der Dachziegel bei Erregung parallel zur Firstlinie sein.Im Bauzustand 3 (komplettes Bauwerk) wurden die äußere Gebäudehülle in Form derTrockenbauwände vom Typ W388 und je Etage eine Innenwand vom Typ W111 eingebracht.Wie man im Bild 6 erkennt, wurde auch eine realistische Anzahl an Fenstern und Türenberücksichtigt. Die Gesamtmasse des Bauwerks hatte sich somit im Vergleich zumBauzustand 2 etwa verdoppelt. Vergleicht man unter diesem Gesichtspunkt die gemessenenEigenfrequenzen der Bauzustände 2 und 3, so wird deutlich, dass die Trockenbauwände in derDynamik von Leichtbauwerken nicht nur zur Erhöhung der Masse, sondern auch zurerheblichen Steigerung der Steifigkeit der Struktur beitragen (hier etwa um den Faktor 2!).Bedingt durch den relativ flexiblen, geschraubten Aufbau der Wandtafeln und derengeschraubte Befestigung an die Tragstruktur kommt es zu einer beachtlichen Energiedissipationwährend der Erdbebenerregung, die in den hohen gemessenen Dämpfungsgraden von etwaD 15% deutlich wird – ohne dass die gemessenen Eigenfrequenzen auf eine Plastifizierungvon Tragwerksteilen hinweisen.Vergleicht man in Tabelle 2 die fünfte Zeile (Struktur mit Rahmen in x-Richtung 1. OG) mitder letzten Zeile (Struktur mit X-Bracings in x-Richtung 1. OG), so sieht man im Zustand 1 undZustand 2 die aussteifende Wirkung der X-Bracings in der höheren Frequenz in x-Richtung. ImZustand 3 fällt der Zuwachs an Steifigkeit gegenüber Zustand 2 durch die Trockenbauwändesehr viel geringer aus, da durch die X-Bracings die Steifigkeit schon vorhanden war.Nichtlineare Effekte waren erst im Rahmen der schrittweisen Laststeigerung (a g = 0,24,0,36, 0,48, 0,6, 0,72, 0,84, 0,96, 1,08 g) jenseits der Designlast beobachtbar – ab etwa a g = 0,6 gkam es zum Abfall der fundamentalen Eigenfrequenzen [5]. Während der ständigen visuellenInspektionen des Mock-Up nach jedem Versuch konnten keine sichtbaren Schäden bis 1,08 gfestgestellt werden. Da bei diesem Lastniveau die technischen Grenzen der Hydraulikanlagebereits sichtbar wurden, konnte die reale Traglast des Mock-Up nicht erreicht werden.4 ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICKDurch die großmaßstäblichen Rütteltischversuche konnte erfolgreich nachgewiesen werden,dass die Kombination von leichter Stahltragstruktur und Gebäudehülle in Trockenbauweisesehr gut für Wohngebäude in seismisch gefährdeten Gebieten geeignet ist. Während das relativgeringe Gewicht derartiger Baukonstruktionen zur Reduktion der Einwirkungen und somit dererforderlichen Querschnittsabmessungen beiträgt, sind die guten Energieabsorptionsfähigkeitender Trockenbauwände in den gemessenen Dämpfungsgraden von bis zu D = 0,15 deutlichgeworden.Für die Berechnung und Bemessung derartiger Leichtbaukonstruktionen haben die Versuchegezeigt, dass der konventionelle Weg der bloßen Berücksichtigung der Trockenwandmassen inder dynamischen Analyse nicht notwendigerweise auf der sicheren Seite liegt. Durch dieVernachlässigung der Schubsteifigkeit der aufgehenden Wände unterschätzt man dieEigenfrequenzen, was wiederum zur Verwendung zu kleiner Spektralbeschleunigungen führenkann. Im Rahmen noch andauernder Forschungsarbeiten soll ein Berechnungsverfahrenentwickelt werden, das in der Lage ist, das nichtlineare Lastverformungsverhalten vonTrockenbauwänden realitätsnah zu modellieren. Hierzu wird das Bouc-Wen Modell verwendet,4288


welches durch entsprechende Ergänzungen die wesentlichen Verhaltensphänomene unterzyklischer Belastung wie Steifigkeits- und Festigkeitsabnahme und „Pinching“ numerischabbilden kann. Erste Parameteridentifikationen anhand der EMPA Scherversuche am WandtypW111 zeigen das Potenzial dieses Modells (Abbildung 10).Abbildung 10: Zyklischer Wandscherversuch (blaue Linie) und numerische Last-Verformungskurve (rot)Abschließend möchten wir uns für die sehr gute Zusammenarbeit innerhalb desForschungsprojektes „I-SSB Integrated Safe & Smart Built“ bei allen Beteiligten undinsbesondere bei den Koordinatoren Frau Professor Maria Founti, NTUA Athen und ProfessorDr. H.-U. Hummel, Knauf Gips KG bedanken. Das Forschungsvorhaben wurde durch die EUunter der Projektnummer IP 026661 gefördert.LITERATURHINWEISE[1] EAK 2000: Greek Code for Seismic Resistant Structures.[2] C. Papanicolaou, A. Schuhmacher: Report covering first series of cyclic-static tests onbuilding components. Forschungsbericht D5.2.4.1, I-SSB Project, Proj.-No. 026661-2,31.07.2008.[3] A. Schuhmacher: Second series of cyclic-static tests on building components: Parts 1 and2 (EMPA). Forschungsbericht D5.2.4.2, I-SSB Project, Proj.-No. 026661-2, 28.04.2009.[4] R. Serrette, K. Ogunfunmi: Shear Resistance of Gypsum-Sheathed Light-Gauge SteelStud Walls. J.Struct.Eng., Vol. 122, No. 45, April 1996.9429


[5] C. Ebert, F.-O. Henkel: Modale Identifikation mit Zeitbereichsverfahren am Beispiel vonRütteltischversuchen einer Stahl-Leichbaukonstruktion, 12. D-A-<strong>CH</strong> Tagung, Hannover,September <strong>2011</strong>.43010


12. D-A-<strong>CH</strong> Tagung – Erdbeben und BaudynamikC. Könke (Hrsg.)Hannover, Deutschland, 15.–16. September <strong>2011</strong>ERDBEBENVORSORGE DER INFRASTRUKTUREN IN DER S<strong>CH</strong>WEIZ– HANDLUNGSBEDARF, BEURTEILUNG UND UMSETZUNG ANHANDVON ZWEI KONKRETEN BEREI<strong>CH</strong>ENS. Heunert ** Bundesamt für Umwelt<strong>CH</strong>-3003 Bern, SchweizE-mail: sven.heunert@bafu.admin.chKeywords: Erdbebenvorsorge, Infrastruktursysteme, SchweizAbstract. Mit der Zielsetzung Menschenleben und Sachwerte vor Erdbeben zu schützen hat derBund in der Schweiz im Jahr 2000 ein Massnahmenprogramm Erdbebenvorsorge gestartet. DieUmsetzung von präventiven Massnahmen steht dabei im Vordergrund und soll dasErdbebenrisiko langfristig reduzieren. Durch das föderalistische System in der Schweiz, liegtdie Baugesetzgebung im Kompetenzbereich der Kantone. Es ist somit umso wichtiger, dass dieKoordinationsstelle für Erdbebenvorsorge des Bundes mit Förderung die umfangreichenBereiche unterstützt. Im Bereich der Hochbauten sind schon viele Grundlagen vorhanden undInstrumentarien erarbeitet worden im Sinne der Erdbebenvorsorge.Im Bereich der Infrastruktursysteme, deren Bedeutung als Lebensadern modernerGesellschaften stetig zunimmt, sind kaum etablierte Massnahmenkonzepte vorhanden, um dieVerletzlichkeit gegenüber grossräumigen Ereignissen wie Erdbeben zu verringern. Mitdiversen Studien wurden in der Schweiz die Infrastruktursysteme untersucht. Dabei wurde stetsdieselbe Vorgehensweise angewendet, die auf der Bewertung der Problematik derErdbebensicherheit auf Grund von Erfahrungen im weltweiten Ausland aufbaut. DieVerletzlichkeit des Schweizer Systems wird danach analysiert und Risikoschwerpunkteidentifiziert. Neben der Definition von Handlungsbedürfnissen machen die Studien auchMassnahmenvorschläge technischer, organisatorischer und betrieblicher Art.Branchenspezifische Instrumentarien werden wenn nötig erarbeitet, um die Betreiber zuunterstützen sowie die Bewilligungsbehörden in ihrer Tätigkeit.Generell sind beim Bau von Neuanlagen gewisse Anforderungen in Form von Empfehlungenoder Richtlinien einzuhalten, die rasch zum Stand der Technik gehören sollen. Bei bestehendenAnlagen spielt die Verhältnismässigkeit von Massnahmen eine zentrale Rolle, wobei Sektorübergreifende Massnahmen bekannt sind, deren Effizienz sich im Ausland schon erwiesen hat.Wichtiger als die Studien ist die tatsächliche Schweiz weite Umsetzung der Massnahmen in derPraxis. Dazu müssen alle Akteure, somit auch die Betreiber, von Anfang an bei den Studienmitreden können, um die Akzeptanz zu gewährleisten. Zusätzlich spielt die Sensibilisierung einewichtige Rolle und schlussendlich auch die Kontrolle.1431


1 EINFÜHRUNGDie Bedeutung von Infrastruktursystemen, als Lebensadern moderner Gesellschaften, nimmtstetig zu, unteranderem aufgrund des Bevölkerungswachstums und dem steigenden Bedarf anMobilität. Infrastrukturnetze besitzen eine oft unterschätzte wirtschaftliche Bedeutung. GemässBericht des Bundesrates über die Zukunft der nationalen Infrastrukturnetze in der Schweiz [1]ist der heutige Stand im internationalen Vergleich gut, aber dieser Vorteil ist nicht dauerhaftgesichert. Schon heute bestehen in den meisten Infrastrukturnetzen kritische Engpässe undSchwachstellen. Somit steht die Erhaltung der Funktionalität und der Effizienz bestehenderInfrastrukturen im Vordergrund, um langfristig grosse volkswirtschaftliche Schäden beiStörungen oder gar Zusammenbrüchen zu vermeiden.Durch ihre Netzstruktur sind Infrastruktursysteme besonders anfällig auf grossflächigeGefahren wie Erdbeben. Neben den direkten Schäden, können im Falle eines Erdbebens nichtfunktionierende Infrastruktursysteme die Rettungs- und Wiederaufbaubemühungen verzögern,behindern oder verunmöglichen und dadurch das Schadensausmass noch verschlimmern.Bei der Untersuchung von Infrastruktursystemen ist auch die zukünftige Entwicklung zuberücksichtigen, die sich in einem Spannungsfeld zwischen steigender Anfrage und begrenztenAusbaumöglichkeiten bewegt. Diese Situation führt zu einer intensivierten Benutzung derNetze, somit zum Erreichen von Kapazitätsgrenzen und dadurch zu einem erhöhten Risiko vonflächendeckenden Systemausfällen, teils schon durch lokale Störungen an neuralgischenSchwachstellen. Bei der Abklärung der Verletzlichkeit eines Infrastruktursystems steht dieIdentifikation solcher Netzschwachpunkte im Mittelpunkt.2 S<strong>CH</strong>WEIZER ERDBEBENVORSORGE VON INFRASTRUKTURSYSTEMEN2.1 Massnahmenprogramm des BundesMit der Zielsetzung Menschenleben und Sachwerte vor Erdbeben zu schützen hat der Bundim Jahr 2000 ein Massnahmenprogramm Erdbebenvorsorge gestartet, bei dem präventiveMassnahmen im Vordergrund stehen. Das Programm wird seither vierjährlich von einerinterdepartementalen Arbeitsgruppe aktualisiert und dem Bundesrat zur Verabschiedungeingereicht [2, 3].Neben den Bundesbauten hat der Bundesrat auch beschlossen die Erdbebensicherheit derInfrastrukturen zu untersuchen und wo nötig mit Massnahmen zu verbessern. Unter der Leitungder Koordinationsstelle für Erdbebenvorsorge des Bundesamt für Umwelt (BAFU), berichtetdie Arbeitsgruppe „Erdbebenvorsorge und Lifelines“ über den aktuellen Stand beim Schutzwichtiger Infrastrukturen vor Erdbeben und identifiziert den weiteren Handlungsbedarf.Aufgrund des potentiellen Schadensausmasses bei Störungen in jeglichenInfrastruktursystemen hat die Arbeitsgruppe ihren Arbeitsbereich von Lifelines, d.h. zurBewältigung eines Erdbebens unbedingt erforderliche Infrastrukturen, auf Infrastrukturen imAllgemeinen erweitert. Neben den Bereichen die im direkten Kompetenzbereich des Bundesliegen, sei es durch seine Aufsichts- oder Subventionierungstätigkeit (Strasse, Schiene,Luftfahrt, Strom, Gas, Telekom), werden auch die weiteren Infrastrukturen berücksichtig.4322


2.2 Kompetenzbereiche und KomplexitätDer Schutz vor Naturgefahren ist eine Verbundaufgabe, an der Gemeinden, Kantone und derBund beteiligt sind. Im Bereich des Erdbebenrisikos weist die Verfassung dem Bund jedochkeine Kompetenzen zu. Die allgemeinen Bauvorhaben sind in der Schweiz durch diekantonalen Baugesetze geregelt und die Gemeinden führen die Baubewilligungsverfahrendurch. Die Initiative einen neuen Artikel „Schutz vor Naturgefahren“ in die Verfassungaufzunehmen, um dem Bund mehr Handlungsspielraum zu eröffnen, so dass er seine FührungsundKoordinationsaufgabe im Bereich der Naturgefahren besser wahrnehmen kann, wurdeverworfen. Der Bund verfügt damit weiterhin nur in einigen wenigen Sachbereichen überGesetzgebungskompetenz. Dennoch zeigen die Untersuchungen der Arbeitsgruppe, dass auchausserhalb des Kompetenzbereiches des Bundes Handlungsbedarf besteht.Die stark verknüpften und teilweise überschneidenden Zuständigkeitskompetenzenerschweren die Umsetzung von Massnahmen, da so die Finanzierung, die grundsätzlich mit derVerantwortung zusammenhängt, nicht klar geregelt ist. Dazu kommt noch, dass dieKomplexität einer Netzstruktur die Priorisierung erschwert bei der Umsetzung vonMassnahmen in Abhängigkeit ihrer Effizienz. Zusätzlich spielen die Interdependenzenzwischen einzelnen Infrastruktursystemen auch eine grosse Rolle beim Ausmass der Schädennach einem Erdbeben sowie bei den Rettungsarbeiten und dem Wiederaufbau. Diese Aspektesind bei der Massnahmenpriorisierung auch zu berücksichtigen. Der Ausfall derStromversorgung kann zum Beispiel die Wasserversorgung und –Entsorgung beeinträchtigen,da elektrisch betriebene Elemente wie Pumpen nicht mehr funktionieren. Die meistenInfrastrukturen sowie die Rettungsdienste sind neben dem Strom heutzutage auch sehr starkvon Informations- und Kommunikationstechnologien abhängig.Weitere Aspekte, die das Festlegen von Zielsetzungen bei der Minimierung desErdbebenrisikos beeinflussen, sind der Betrachtungswinkel und die Systemabgrenzung, sowieauch Interessenkonflikte zwischen verschiedenen Akteuren. Schutzziele eines Netzbetreiberskönnen zum Beispiel rein finanzielle Interessen abdecken. Im Gegensatz dazu steht für denBund die Versorgungssicherheit der Gesellschaft im Vordergrund. Es ist auch fraglich, ob beider heutigen geographischen Vernetzung von Infrastrukturen, die Umsetzung von Massnahmensich an die Landesgrenzen beschränken darf.2.3 Ziele und HandlungsbedarfObwohl Infrastrukturen eine hohe Komplexität aufweisen und gewisse Interessenkonfliktevorhanden sind, steht für öffentliche und private Betreiber von Infrastruktursystemen imVordergrund, Schäden infolge von Erdbeben und die Zeit bis zur Wiederinbetriebnahme zuminimieren. Dabei sind natürlich andere Gefährdungen auch einzubeziehen und beim Setzenvon Prioritäten zwischen verschiedenen Schutzansprüchen ist ein integraler Ansatz desRisikomanagements anzuwenden. Somit sind neben vorbeugenden Massnahmen im Bereichder Prävention und der Vorsorge auch Massnahmen zu treffen, um die Bewältigungs- und dieRegenerationsphase nach einem Ereignisses zu verbessern. Dabei spielen Infrastruktursystemeeine zentrale Rolle.Im Bericht an den Bundesrat [3] wurden von der Arbeitsgruppe aufgrund der langfristigenStrategie im Bereich der Erdbebenvorsorge von Infrastruktursystemen Massnahmenvorschlägefür den Zeitraum 2009 bis 2012 definiert. Per Bundesratbeschluss wurde unteranderem dieKoordinationsstelle für Erdbebenvorsorge des BAFU beauftragt, die vorgeschlagenenMassnahmen umzusetzen. Einige für diesen Betrag relevante Aspekte werden hier aufgeführt:3433


- Erarbeitung von Schadenszenarien- Systematische Studien zur Verletzlichkeit von Infrastrukturen- Systematische Erhebung der Erdbebensicherheit von Infrastrukturen- Entwicklung von Vollzugshilfen- Erarbeitung von Kriterien und Abläufen für Bewilligungsverfahren- Intensivierung der Aufsicht- Untersuchung zum Potenzial organisatorischer Massnahmen- Erstellen von Sensibilisierungs- und KommunikationskonzeptenUm eine angemessene Erdbebensicherheit von Infrastrukturen zu erreichen istHandlungsbedarf auf verschiedenen Ebenen nötig. Der grösste Handlungsbedarf besteht auf derSystemebene der einzelnen Infrastruktursysteme. Dabei geht es darum die Systemsicherheitbezüglich Verhalten beim Erdbebenfall zu analysieren und wenn nötig technische undorganisatorische Massnahmen zu ergreifen, um die Sicherheit zu erhöhen. Des weiteren mussauch der Komponentenebene mehr Beachtung geschenkt werden, um jene Teile, dieinfrastrukturübergreifen immer wieder grosse Schäden verursachen, zu verbessern, wie zumBeispiel die Erdbebensicherheit der Bauten oder von nicht tragenden Elementen ohne dieInfrastruktursysteme nicht funktionstüchtig sind. Als letztes besteht auch bei den GrundlagenHandlungsbedarf. Das Bewusstsein für die Bedeutung der Erdbebensicherheit soll gefördertwerden. Normen und Richtlinien sind zu erarbeiten oder einfach nur den branchenspezifischenBedürfnissen anzupassen und umzusetzen. Des Weiteren sind die Ausbildung sowie dieForschung zu unterstützen.Grundsätzlich sind die zu erreichenden Ziele bezüglich Erdbebenvorsorge bei allenInfrastruktursystemen identisch, sei es im Kompetenzbereich des Bundes oder ausserhalb. DerAspekt der Verantwortung und Zuständigkeit spielt bei der generellen Vorgehensweise um dieBereiche zu untersuchen keine Rolle, jedoch bei der konkreten Umsetzung von Massnahmenund somit bei der Finanzierung.3 VORGEHENSWEISE ZUR BEURTEILUNG VON INFRASTRUKTURSYSTEMENIn der Schweiz wurden die verschiedenen Infrastruktursysteme immer mit derselbenVorgehensweise untersucht, allenfalls mit branchespezifischen Anpassungen. Dabei war derfrühe Einbezug von Fachleuten und Partnern aus der Branche grundlegend für den Erfolg derStudien und deren Akzeptanz. Neben Dachverbänden und eidgenössischen Bewilligungsstellenwurden auch repräsentative Industriepartner aus den jeweiligen Branchen in einerArbeitsgruppe zusammengeführt, die von Anfang an die Vorgehensweise mitentscheidenkonnte und deren Wirksamkeit in der Praxis beurteilen konnte. In Zusammenarbeit mit denjeweiligen Arbeitsgruppen wurden die genauen Pflichtenhefte der Studien erarbeitet und durchdie Koordinationsstelle für Erdbebenvorsorge des Bundes in Auftrag gegeben. Der Auftrag dieStudie durchzuführen wurde von Ingenieurbüros wahrgenommen mit Experten im Bereich desErdbebeningenieurwesens. Das nötige branchenspezifische Wissen konnte mit Hilfe derArbeitsgruppen oder dank Besichtigungen von repräsentativen Installationen angeeignetwerden.4344


3.1 Zielsetzung einer StudieMit einer Studie soll die Erdbebenverletzlichkeit des gesamten Infrastruktursystemsuntersucht werden und Massnahmen vorgeschlagen werden, um die allenfalls vorhandeneVerletzlichkeit zu reduzieren. Die Massnahmen sollen sowohl bei der Planung und dem Bauvon neuen Infrastrukturkomponenten als auch beim Betrieb vorgeschlagen werden und könnentechnischer oder organisatorischer Art sein. Die Ergebnisse der Studie sowie die erarbeitetenInstrumentarien werden in einem Bericht erstattet, der von der Arbeitsgruppe beurteilt wird,und danach publiziert.3.2 Vorgehensweise einer StudieIm Detail wurden folgende Arbeitsschritte in einer Studie verlangt und mit demAuftragnehmer unter Einverständnis der Arbeitsgruppe vereinbart:1. Einführung in das Infrastruktursystem der Schweiz mit den für die Studierelevanten Grundlagen und Elementen.2. Dokumentation der in der Schweiz geltenden Normen und Richtlinien sowie derüblichen Baupraxis in der Branche.3. Bewertung der Problematik der Erdbebensicherheit auf Grund der Erfahrungen imweltweiten Ausland (Personen- und Sachschäden, Betriebsunterbrüche, typischevorsorgliche Massnahmen).4. Identifikation von Risikoschwerpunkten für das Infrastruktursystem in der Schweiz(Analyse der Verletzbarkeit der einzelnen Elemente und des Systems als Gesamtnetz).5. Definition von Handlungsbedürfnissen und Priorisierung (dabei muss sowohl dieKonzeption von Neubauten als auch die Ertüchtigung von bestehenden Anlagenberücksichtigt werden) sowie allenfalls Angabe von Wissenslücken.6. Vorschlag von konkreten technischen Massnahmen zur Erdbebensicherung vonKomponenten des Infrastruktursystems, inkl. Kosten-Nutzen Überlegungen.7. Vorschlag von weiteren Massnahmen organisatorischer oder betrieblicher Art umdas Erdbebenrisiko effizient zu reduzieren.8. Erarbeitung von standardisierten Instrumentarien für die Bewilligungsstellen, umdie erdbebengerechte Umsetzung von Massnahmen zu prüfen.9. Thematisierung der Notfallplanung (konkrete Massnahmen, Identifikation vonKoordinationsbedarf innerhalb der Branche und mit weiteren Infrastruktursystemen,…).Neben den schon eingangs erwähnten Zielen der Studien zur Reduktion derErdbebenverletzlichkeit der Infrastruktursysteme, soll mit den Arbeitsgruppen auch dieZusammenarbeit innerhalb der Branche gefördert werden sowie die mit anderenInfrastrukturen. Dazu wird unter anderem der Stand der Studien sowie die Ergebnisse derübergeordneten Arbeitsgruppe „Erdbebenvorsorge und Lifelines“, neu „Erdbebenvorsorge undInfrastrukturen“ regelmässig mitgeteilt und das weitere Vorgehen im Rahmen derMassnahmenprogrammes des Bundes diskutiert.5435


4 AKTUELLER STAND UND KONKRETE UMSETZUNG4.1 Übersicht über die Studien im Bereich der InfrastruktursystemeAufgrund der Erkenntnisse aus dem Bericht an den Bundesrat der Arbeitsgruppe„Erdbebenvorsorge und Lifelines“ wurden nicht nur die Infrastruktursysteme im direktenKompetenzbereich des Bundes untersucht sondern, im Sinne der Förderung derErdbebenvorsorge, auch diejenigen die auf kantonaler Ebene bewilligt oder finanziert werden.Dabei werden unteranderem die Brücken der Nationalstrassen inventarisiert sowie dieErdbebensicherheit der elektrischen Energieverteilung, der Bahninfrastruktur, derAbwassersysteme und der Erdgasversorgung untersucht. Zusätzlich haben andere Bundesämterdie Federführung übernommen und überprüfen die Erdbebensicherheit im Bereich derKernenergie sowie von Staudämmen (BFE), erarbeiten neue Kontrollverfahren bei derBewilligung von Anlagen im Bereich der Luftfahrtinfrastruktur (BAZL) oder erarbeiten dieGrundstrategie des Bundesrates zum Schutz Kritischer Infrastrukturen (BABS).Sektor übergreifend arbeitet die Koordinationsstelle auch an eine Publikation „Erdbeben undInfrastruktursystemen“ [4], die Ende <strong>2011</strong> veröffentlicht wird und das Bewusstsein gegenüberder Erdbebengefährdung bei den Betreibern und Nutzern von Infrastrukturen sowie bei denBehörden verbessern soll. Durch Aufklärung soll somit die Selbstverantwortung gesteigertwerden und die Umsetzung von Verbesserungsmassnahmen durch Unterstützung gefördertwerden. Es werden dabei unter anderem überzeugende und verhältnismässige Massnahmenvorgestellt, die bei häufig anzutreffenden Schäden bei Infrastruktursystemen wirkungsvoll sind.4.2 Elektrische EnergieverteilungEinführungDer Schweizer Elektrizitätsmarkt ist seit dem Inkrafttreten des Stromversorgungsgesetzes(StromVG) am 1. Januar 2009 teilweise liberalisiert. Mit über 800 Netzbetreibern ist er starkfragmentiert. Die Elektrizitätsinfrastruktur befindet sich grossmehrheitlich im Besitz deröffentlichen Hand. Der Bund ist weder an der Elektrizitätswirtschaft beteiligt, noch richtet erfinanzielle Beiträge an sie aus.Das Hochspannungs-Übertragungsnetz untersteht als klassisches natürliches Monopol einerspezifischen Regulierung nach EU-Vorbild, die neben dem diskriminierungsfreien Netzzugangund einer Grundversorgungspflicht für Netzbetreiber auch die Abtretung der Netze der grossenElektrizitätsgesellschaften an die nationale Netzgesellschaft Swissgrid – die bereits heute dieKoordination und den Betrieb besorgt – bis spätestens Ende 2012 vorsieht.Im Bereich der elektrischen Energieversorgung ist das EidgenössischeStarkstrominspektorat (ESTI) für die Aufsicht verantwortlich, beziehungsweise das Bundesamtfür Verkehr (BAV), was die Bahnen anbetrifft. Die Bahnstromversorgung stützt sich auf eineigenes Übertragungsnetz, das mit jenen der deutschen und österreichischenBahngesellschaften, die das gleiche Stromsystem verwenden, verknüpft ist und prinzipiellanfälliger für Störungen ist aufgrund seiner strahlenförmigen Auslegung.Vorgehensweise der StudieAls prioritärer Sektor identifiziert wurde, die Versorgung mit elektrischer Energie im Jahre2008 durch eine Studie untersucht. Die im 1. Zwischenbericht [5] dargelegten Erkenntnissekonnten noch nicht alle offenen Fragen bezüglich des Erdbebenverhaltens der elektrischenEnergieverteilung auf Hochspannungsebene beantworten. Das quantitative Ausmass der4366


qualitativ erkannten Probleme wurde in einer zweiten Phase anhand einiger Pilotstudienuntersucht und im 2. Bericht [6] zusammengefasst, der Mitte <strong>2011</strong> veröffentlicht wird. DieErkenntnisse der gesamten Studie sind in eine ESTI-Richtlinie zur „Erdbebensicherung derelektrischen Energieverteilung in der Schweiz“ eingeflossen, die im Jahre 2012 in Kraft tretenwird und das ESTI im Rahmen der Bewilligungen von Projekten unterstützen soll. DesWeiteren werden die Erkenntnisse dazu dienen, die Elektrobranche zu sensibilisieren, diesunter anderem anhand einer Fachtagung im kommenden Jahr.Ergebnisse der StudieErfahrungen im Ausland zeigen eindeutig, dass die mit Abstand grössten Schäden an derInfrastruktur der elektrischen Energieverteilung im Erdbebenfall bei Unterwerken inFreiluftbauweise beobachtet werden, während Freileitungen Erdbeben in der Regel recht gutüberstehen. Je höher die Spannungsebene, desto verletzlicher sind die Unterwerke. Schädenwerden sowohl bei den Leistungstransformatoren, insbesondere bei deren Durchführungen, wieauch bei den Höchstspannungsapparaten erwartet. Eines der Hauptprobleme sind die heute zustraffen Leiterverbindungen zwischen den Apparaten, so dass die einzelnen Apparate nichtunabhängig voneinander schwingen können; dies lässt grosse Interaktionskräfte entstehen, diezum Bruch der Apparate, insbesondere der Porzellanisolatoren, führen können. Auch dieSekundärsysteme, wie etwa Notstrombatterien oder Steuerschränke, weisen heute bedeutendeSchwachstellen auf und dürften schon bei schwächeren Erdbeben ausfallen.Als daraus resultierender Handlungsbedarf sollen präventive Massnahmen in diesenBereichen, die Versorgungssicherheit im Falle eines Erdbebens signifikant erhöhen.Entsprechende Massnahmen, die im Rahmen von Anlage-Erneuerungen ergriffen werden,verursachen nur äusserst geringe Zusatzkosten. Es liegt deshalb im Eigeninteresse – und in derEigenverantwortung – der Netzbetreiber, solche Massnahmen bei jeder sich bietendenGelegenheit zu ergreifen.Eine der wichtigsten Schlussfolgerungen ist, dass die fehlende Verankerung grosserTransformatoren gegenüber Abheben eines der wichtigsten potenziellen Probleme in derSchweiz ist. Wie gross diese Gefahr des Abhebens allerdings tatsächlich ist, hängt von dentiefsten Eigenfrequenzen der Kippschwingungen der Transformatoren ab. Zu diesem Punktliegen in der Literatur widersprüchliche Angaben vor. Um genaue Anforderungen definieren zukönnen, wurde in Pilotprojekten die Eigenfrequenzen von repräsentativen Transformatoren inden Schweiz gemessen. Dabei wurden auch die vorhandenen Lose zwischen relevantenApparaten aufgenommen, um die Baupraxis der Schweiz in diesem Bereich wiederzugeben undAnforderungen zu definieren.Entwurf der neuen ESTI-RichtlinieDie neue ESTI-Richtlinie zur „Erdbebensicherung der elektrischen Energieverteilung in derSchweiz“ [7] wurde von der Arbeitsgruppe abgesegnet und ist gerade in Vernehmlassunggegangen. Die Richtlinie wird voraussichtlich Anfang 2012 in Kraft treten. Die Anforderungender Richtlinie basieren auf den Empfehlungen der Studie und werden nach Erdbebenzonen undSpannungsebenen abgestuft. Um die Akzeptanz der Richtlinie zu gewährleisten und keineunverhältnismässigen Massnahmen zu verlangen, beschränken sich momentan dieAnforderungen auf neue Anlagenelemente. Für bestehende Komponenten gelten dieAnforderungen nur als Empfehlungen.Folgende Tabelle des aktuellen Entwurfes der ESTI-Richtlinie definiert dieGeltungsbereiche der Bestimmungen in Abhängigkeit der Spannungsebenen.7437


Erdbebensicherung vonTransformatorenElektrische ApparateLeiterverbindungen (Lose)Gebäude der SekundärtechnikAnlagen der Energieverteilung in SchrankbauweiseSekundärsysteme und andere EinbautenFreileitungenSpannungsebeneAlle SpannungsebenenSpannungen von 220 kV und höherSpannungen von 220 kV und höherAlle SpannungsebenenAlle SpannungsebenenAlle SpannungsebenenSpannungen von 220 kV und höherTabelle 1: Geltungsbereiche der Bestimmungen des Entwurfes der ESTI-RichtlinieIn der Richtlinie wird unteranderem verlangt, dass für neue Gebäude von Unterwerken dieNutzungsvereinbarung gemäss der Norm SIA 260 [8] einzureichen ist. Die Bestimmungen fürUnterwerke und Transformatorenstationen sind nach Erdbebenzonen abgestuft undkonzentrieren sich auf folgende Aspekte:- Erdbebensicherung von Transformatoren:In Abhängigkeit der Erdbebenzone und des Schlankheitsgrades der Transformatorenwerden Erdbebenzertifikate (nach IEC) verlangt sowie rechnerische Nachweise derVerankerungen bezüglich Abheben und Abscheren. Ein wichtiger Faktor bei derVerankerung spielt die Eigenfrequenz der Transformatoren, die anhand von Messungengenau bestimmt werden kann. Liegen keine genaueren Abklärungen vor, ist von derPlateaubeschleunigung sowie von einer Dämpfung von 2% der kritischen Dämpfungauszugehen.- Erdbebensicherung von Hochspannungsapparaten:In Abhängigkeit der Erdbebenzone der Hochspannungsapparaten werdenErdbebenzertifikate (nach IEC) verlangt sowie rechnerische Nachweise derVerankerungen bezüglich Kippen und Abscheren. Auch hier spiel die Eigenfrequenz einewichtige Rolle.- Erdbebengerechte Leiterverbindungen:Die Richtlinie definiert die erforderliche Lose, die im Leiterseil zwischen zweiHochspannungsapparaten vorhanden sein muss, in Abhängigkeit der Grundfrequenzender miteinander verbunden Apparate, der Erdbebenzone und der Baugrundklasse.- Erdbebensicherheit von Gebäude:Unabhängig von der Spannungsebene sind neue Gebäude nach den gültigenTragwerksnormen zu bemessen. Des Weiteren werden auch Angaben gemacht über denverhältnismässigen Aufwand bei bestehenden Gebäuden mit ungenügenderErdbebensicherheit in denen Hochspannungs-Anlagen erneuert werden.- Erdbebensicherung von Sekundärsystemen, von Anlagen der Energieversorgung inschrankbauweise und von anderen Einbauten:Für alle Erdbebenzonen und Spannungsebenen verlangt die Richtlinie, dassSekundärsysteme wie Steuerschränke, Notstrombatterien oder –Aggregate, etc. undEinbauten wie Doppelböden, Trennwände etc. gegen Erdbeben zu sichern sind. DieseBestimmungen gelten sinngemäss auch für Mittelspannungsanlagen und fürEinrichtungen der Energieverteilung mit Spannungen unter 1000V, welche in Schränkenuntergebracht sind.4388


Für „wichtige“ bestehende Unterwerke wird eine Erdbebenertüchtigung empfohlen falls einesolche mit geringem Aufwand möglich ist (trifft bei der Sicherung von Sekundärsystemenmeistens zu) oder wenn es sich aus der Sicht der regionalen Versorgungssicherheit um„aussergewöhnlich wichtige“ Anlageteile handelt, für die in den nächsten 20 Jahren oder längerkeine Erneuerungen zu erwarten sind. Dabei liegt es in der Eigenverantwortung derNetzbetreiber, bestehende aussergewöhnlich wichtige Anlageteile zu identifizieren und zuüberprüfen, ob eine Erdbebenertüchtigung „verhältnismässig“ ist.Weiteres VorgehenWie mit jeder neuen Richtlinie ist es grundlegend, dass alle Beteiligten der Branche richtiginformiert werden und auch klar den Geltungsbereich der Vorschriften kennen. Dazu wird imLaufe 2012 eine Fachtagung organisiert, zusätzlich sind diverse Beiträge anbranchenspezifischen Veranstaltungen geplant sowie Artikel in der fachspezifischen Presse.Genauso wichtig ist aber auch die Umsetzung der Richtlinie, somit der Umgang derBewilligungsbehörde mit den Anforderungen. Ein gutes Verständnis der generellen Zielsetzungder Richtlinie und die Kenntnis über die technischen Grundlagen der jeweiligen Anforderungensind eine Voraussetzung um, von Fall zu Fall, die einzelnen zu bewilligenden Projekte richtigzu beurteilen. Gemäss der jetzigen Fassung der ESTI-Richtlinie wird es auch die Aufgabe derBewilligungsbehörde sein, darauf zu achten, dass die Betreiber, die bestehenden Anlagen, dieaus noch zu definierende Gründen besonders wichtig für die Versorgung der elektrischenEnergie in der Schweiz sind, verhältnismässig auf den Stand der neuen Richtlinie verbessern.Momentan handelt es sich bei den bestehenden Komponenten des Infrastruktursystems nur umEmpfehlungen, die in Ansicht der Arbeitsgruppe, im Eigeninteresse und in derEigenverantwortung der Betreiber umgesetzt werden. Sollten diese „freiwilligen“Empfehlungen aufgrund der Sensibilisierung nicht im Sinne einer effizienten Reduktion desErdbebenrisikos im Bereich der elektrischen Energieverteilung umgesetzt werden, müssteallenfalls der Geltungsbereich die Richtlinie angepasst werden. Im Bereich der bestehendenAnlagen müsste somit auf nationaler Ebene ein Verfahren erarbeitet werden, um die Anlagenzu inventarisieren und die Umsetzung von Massnahmen zu priorisieren.4.3 AbwassersystemeEinführungAbwassersysteme haben in den heutigen Gesellschaften eine grosse Bedeutung für denMenschen und die Umwelt, zur Erhaltung der Gesundheit und zum Schutz der Gewässer sowiedes Grundwassers. Da bislang in der Schweiz von Anlagebetreibern keine besonderenMassnahmen gegen Erdbebeneinwirkungen beim Bau und Betrieb von Abwassersystemenvorgenommen worden sind, ist auch dieser Bereich prioritär auf seine Erdbebenverletzlichkeitzu untersuchen.Grundsätzlich werden die Anlagen des Abwassersystems auf kantonaler Ebene bewilligt unddie Kantone sind für den Vollzug des Gewässerschutzgesetzes zuständig. Auch dieNotfallplanung im Havariefall liegt in der Verantwortung der Kantone. Die Einhaltung der vomBAFU zu erreichenden Zielvorgaben liegt in der Verantwortung des Anlagenbetreibers. DerBetreiber ist selber verantwortlich und verpflichtet, notwendige Abklärungen durchzuführen,allfällige Schutzmassnahmen zu ergreifen und nachzuweisen, dass die Anforderungen zumSchutz der Gewässer erfüllt sind. Neben den kantonalen Fachstellen sind somit hauptsächlichdie rund 900 ARA-Betreiber durch den Dachverband VSA (Verband Schweizer Abwasser- undGewässerschutzfachleute) zu sensibilisieren.9439


Vorgehensweise der StudieAls einer der prioritären Sektoren wurde die Infrastruktur der Abwasserentsorgung im Jahre2007 durch eine Studie untersucht. Aufgrund des aufgezeigten Handlungsbedarfes wurdendiverse Instrumentarien entwickelt sowie in Pilotanwendungen evaluiert. Die Erkenntnisse ausder Studie sowie die Anwendungsdokumente sind in einem Bericht im Auftrag des BAFU„Erdbeben und Infrastrukturen – Abwassersysteme“ [9] zusammengefasst, der im Laufe <strong>2011</strong>veröffentlicht wird. Die Studie wurde von Anfang an von einer Arbeitsgruppe begleitet mitVertretern des BAFU und des VSA sowie repräsentativen Betreibern von Kläranlagen, sowohlim Bereich von kommunalen wie auch gewerblichen Abwässern und auch Industrieabwässer.Die Abwasserbranche wird im kommenden Jahr an einer Fachtagung über die Erkenntnisse ausder Studie informiert.Ergebnisse der StudieAufgrund einer Literaturrecherche und der Sammlung von Erfahrungen im weltweitenAusland wurde die Verletzlichkeit der einzelnen Elemente eines Abwassersystems unterErdbebeneinwirkung in der Schweiz analysiert. Dazu wurden auch die vorhandenen Normenund Grundlagen untersucht sowie die typische Konstruktionsweise der Abwassersysteme in derSchweiz. Sehr hilfreich waren dazu die Informationen, der an der Arbeitsgruppe beteiligtenBetreiber und die damit verbundenen Besichtigungen von Anlagen.Ausgehend von der Hauptaufgabe der Abwassersysteme das Grund- und Oberflächenwasservor Verunreinigungen zu schützen, wurden Betriebsziele der Abwasseranlagen abgeleitet.Diese Betriebsziele werden durch die angestrebte Funktionstüchtigkeit einer Anlage nach einerbestimmten Erdbebeneinwirkung beschrieben. Dabei sind vielfältige Aspekte zuberücksichtigen, wie z.B. die Durchquerung von Grundwasserschutzzonen, die Leistungsstärkeder Vorflut, ob es sich um industrielle oder kommunale Abwässer handelt. Zusätzlich könnenauch spezifische Betreiberinteressen von Bedeutung sein. Bei der Diskussion derFunktionstüchtigkeit muss immer auch die Energieversorgung betrachtet werden, da wichtigeEinrichtungen, wie Pumpen, Hebewerke, Schlammräumer und Belüftung der Belebungsbecken,auf eine Energieversorgung angewiesen sind.Im Bericht sind bekannte konstruktive Details zur Erdbebensicherung präsentiert, diesowohl beim Bau von Neuanlagen wie auch bei der Ertüchtigung von bestehenden Anlagen zueiner effizienten Reduktion des Erdbebenrisikos führen. Da unterirdisch verlegte Rohrleitungenund in die Erde eingelassene Beckenbauwerke gering durch Erdbebenerschütterungengefährdet sind (in der Schweiz sind starke Bodenverschiebungen durch Rutschungen undBodenverflüssigungen kaum zu erwarten), sind vor allem Einbauten und oberirdischeAnlageteile korrekt auszuführen oder zu prüfen.Konkrete InstrumentarienDas wesentliche Ergebnis der Studie sind drei Instrumentarien, mit denen dieErdbebensicherheit neuer und bestehender Abwasseranlagen eingeschätzt und verbessertwerden kann. Empfehlungen:Die Erkenntnisse der Studie werden als offizielle VSA-Empfehlung herausgebracht,deren Nutzen an Fachtagungen und Weiterbildungskurse so einzuführen sind, dass sie raschzum Stand der Technik in der schweizerischen Abwasserbranchen gehören. DieEmpfehlungen sind einerseits für Neubauten anzuwenden, richten sich jedoch auch an44010


estehende Abwasseranlagen und ihre Einrichtungen. Neben konkretenMassnahmenvorschlägen sind auch Aspekte zur Prävention und Intervention aufgeführt, dievon grosser Bedeutung sind, um nach einem Erdbeben schnell wieder den Normalbetrieb inGang zu nehmen. Dabei sind zum Beispiel Prioritäten zu setzen beim Wiederaufbau, umeine grössere Verschmutzung des Trinkwassers zu verhindern. Relevanzbeurteilung:Aufgrund der fehlenden Kompetenz auf Bundesebene kann momentan dieRelevanzbeurteilung nicht zur Priorisierung von Massnahmen auf nationaler Ebeneangewendet werden. Die Kriterien der Relevanzbeurteilung erlauben es, die Anlagen zuidentifizieren bei denen im Erdbebenfall mit potentiell grösseren Folgeschäden für dieNatur, Umwelt und Trinkwasserversorgung zu rechnen ist und somit eine vertiefteÜberprüfung sinnvoll ist. Auf kantonaler Ebene kann mit Hilfe der Relevanzbeurteilung einInventar erstellt werden und Massnahmen für bestehende Anlagen priorisiert werden. Überprüfungskonzept:Grundsätzlich sollen einfache und effiziente Massnahmen auch ohne grosses Konzeptergriffen werden, dennoch ist zur Ausarbeitung eines effizienten Ertüchtigungskonzepteseine umfassende Analyse des Abwassersystems erforderlich. Das vorgeschlageneÜberprüfungskonzept gliedert sich in 5 Stufen:1. Funktionsanalyse:Festlegen des Betriebsziels nach Erdbeben für die Kanalisation bzw. die Kläranlage.2. Bedeutungsanalyse:Untersuchung der Bedeutung einzelner Abwasserkomponenten hinsichtlich desErreichens des Betriebszieles.3. Grobbeurteilung:Ortsbegehung nach Checklisten und Einstufen der Anlagenkomponenten nach ihrerVerletzlichkeit.4. Detailbeurteilung:Detaillierte Analyse bedeutender Anlagenkomponenten entsprechend ihrerVerletzlichkeit.5. Massnahmenkonzept:Ausarbeitung eines Ertüchtigungskonzeptes für gefährdete Anlagenkomponentenentsprechend der Effizienz der Masshamen.Anhand der detaillierten Analysen lässt sich ein Massnahmenkonzept erarbeiten. Diesumfasst Ertüchtigungsarbeiten an den einzelnen Anlagekomponenten genauso wie dieErmittlung des Reparaturbedarfs und eine Reparaturprioritätenliste für den Erdbebenfall.Weiteres VorgehenNeben der eigentlichen Studie ist die Sensibilisierung der Erdbebenproblematik imAbwassersektor eine weitere Voraussetzung, um langfristig die Erdbebensicherheit desSchweizer Abwassernetzes zu verbessern. Zusätzlich zur Herausgabe der VSA-Empfehlung istsomit auch ein gutes Weiterbildungs- und Informationskonzept grundlegend. Aufgrund derkantonalen Kompetenz müssen auch die Behörden mit diesen Informationen bedient werden,um die Thematik der Erdbebensicherheit in die Bewilligungsverfahren einzubeziehen.11441


5 PROBLEME UND ERFOLGSBEDINGUNGENInfrastruktursysteme sind von grosser Bedeutung und Erfahrungen aus dem Ausland sowieStudien im Inland zeigen, dass sie in Bezug auf Erdbeben verletzlich sind. Dabei spielensowohl die Netzstruktur eine Rolle, als auch die Komplexität und die Interdependenzen. Somitist es auch sehr schwierig die Umsetzung von Massnahmen, um das Erdbebenrisiko zuminimieren, auf eine absolut objektive Art zu priorisieren. Des Weiteren erschweren die sehrverknüpften und teilweise in Bezug auf das Erdbebenrisiko unklaren Zuständigkeiten dieEntscheide über Kosten für die Umsetzung von Massnahmen. Grundsätzlich zeigt sich, dass beibestehenden Anlagen die Umsetzung von teilweise sehr einfachen aber effizientenMassnahmen die grösste Wirkung zeigen wird (Verhältnismässigkeit).Bezüglich Neuanlagen müssen die zum grossen Teil vorhandenen Kenntnisse zurerdbebensicheren Bauweise konsequent eingehalten werden und so rasch wie möglich zumStand der Technik gehören. Neben einer effizienten Sensibilisierung, sind auch dieBewilligungsbehörden auf kantonaler und Bundesebene beauftragt, die tatsächliche Einhaltungder Anforderungen zu kontrollieren.Ein sicherlich zentraler Aspekt, um die Umsetzung von Massnahmen bei neuen sowie beibestehenden Anlagen zu gewährleisten, besteht darin, die jeweiligen Betroffenen von Anfangan mitreden zu lassen, z.B. in Form von Arbeitsgruppen. Nur so sind Massnahmen auch breitgenug abgestützt, um flächendeckend in der Praxis umgesetzt zu werden und zurErdbebenrisikominimierung beizutragen.REFERENZEN[1] GS-UVEK, Zukunft der nationalen Infrastrukturnetze in der Schweiz – Bericht desBundesrates vom 17. September 2010, Bern, 2010.[2] BAFU, Bericht an den Bundesrat, Erdbebenvorsorge – Massnahmen des Bundes –Standortbestimmung und Massnahmenvorschläge für den Zeitraum 2009-2012,Bundesamt für Umwelt, Bern, 2009.[3] BAFU, Bericht an den Bundesrat, Erdbebenvorsorge und Infrastrukturen –Standortbestimmung und Massnahmenvorschläge für den Zeitraum 2009-2012,Bundesamt für Umwelt, Bern, 2009.[4] Risicare, BAFU Publikation Umwelt-Wissen, Erdbeben und Infrastruktursysteme,Bundesamt für Umwelt, Bern, zu veröffentlichen.[5] M. Koller, 1. Zwischenbericht, Erdbebensicherheit der elektrischen Energieverteilung inder Schweiz, Bundesamt für Umwelt, Bern, 2009.[6] M. Koller, 2. Bericht, Erdbebensicherheit der elektrischen Energieverteilung in derSchweiz, Netze und Einrichtungen > 1kV, Bundesamt für Umwelt, Bern, zuveröffentlichen.[7] ESTI, Richtlinie, Erdbebensicherung der elektrischen Energieverteilung in der Schweiz,Fehraltorf, zu veröffentlichen.[8] SIA, Norm SIA 260 – Grundlagen der Projektierung von Tragwerken (SN 505 260),Zürich, 2003.[9] Studer Engineering, Erdbeben und Infrastrukturen – Abwassersysteme, Bundesamt fürUmwelt, Bern, zu veröffentlichen.44212


12. D-A-<strong>CH</strong> Tagung – Erdbeben und BaudynamikC. Könke (Hrsg.)Hannover, Deutschland, 15.–16. September <strong>2011</strong>ABS<strong>CH</strong>ÄTZUNG DER SEISMIS<strong>CH</strong>EN KOLLAPSKAPAZITÄT VONTRAGWERKEN MITTELS KOLLAPSKAPAZITÄTSSPEKTRENC. Jäger 1 und C. Adam 21Universität Innsbruck, Arbeitsbereich für Angewandte MechanikTechnikerstr. 13, 6020 Innsbruck, ÖsterreichE-Mail: clemens.jaeger@uibk.ac.at2Universität Innsbruck, Arbeitsbereich für Angewandte MechanikTechnikerstr. 13, 6020 Innsbruck, ÖsterreichE-Mail: christoph.adam@uibk.ac.atSchlagwörter:Äquivalenter Einmasseschwinger, Dynamische Instabilität,Kollapskapazitätsspektrum, P-Delta Effekt, Rahmentragwerk.Kurzfassung. Dieser Beitrag befasst sich mit der Vorhersage der Kollapskapazität vonebenen, regelmäßigen Rahmentragwerken unter Starkbebeneinwirkung, die bei erheblicheninelastischen Deformationen durch ihre Flexibilität stabilitätsgefährdet sind. Bei diesen Tragwerkenführt also der sogenannte P-Delta Effekt zum Versagen des Tragwerks, Materialdegradationwird nicht betrachtet. Es wird ein vereinfachtes Verfahren zur raschen, aberausreichend genauen Abschätzung des Medians und der Streuung der Kollapskapazität zufolgeder erdbebenbedingten Unsicherheiten vorgestellt. Dazu wird zunächst das mechanischeModell des Mehrfreiheitsgradsystems in ein äquivalentes Einfreiheitsgradsystem übergeführt,welches die wesentlichen dynamischen Eigenschaften der ursprünglichen Struktur widerspiegelnsoll. Anschließend wird die Kollapskapazität des äquivalenten Einfreiheitsgradsystemsmittels sogenannten Kollapskapazitätsspektren ermittelt. Die Anwendung dieser Spektren isteinfach, da mithilfe von wenigen Parametern die (Bemessungs-)Kollapskapazität abgelesenwerden kann. Alternativ zum Ablesen aus dem Diagramm stehen auch analytische Ausdrückezur Verfügung. Die Rückführung in das Mehrfreiheitsgradsystem liefert schließlich diegesuchte Abschätzung des Medians der Kollapskapazität des Bauwerks. Die Ermittlung der 16.und 84. Perzentile erfolgt aus analytischen Zusammenhängen. Aus der Annahme einerlognormal-verteilten Kollapskapazität wird eine Fragilitätskurve abgeschätzt. Im Beitragwerden die Genauigkeit dieses einfachen Verfahrens sowie Einflüsse einzelner Aspekte wiejener der Steifigkeitsverteilung einer generischen Rahmenstruktur über die Höhe auf dieKollapskapazität aufgezeigt und diskutiert.1443


1 EINLEITUNG1.1 Hintergrund und Ziel der UntersuchungenIn der heutigen Bemessungspraxis im Erdbebeningenieurwesen [1] werden erdbebenbedingteinelastische Deformationen gezielt zugelassen, um die erforderliche Festigkeit und inFolge die Bauteildimensionen zu reduzieren. Wirken große Schwerkräfte auf eine flexibleStruktur ein, so führt dies aufgrund des P-Delta Effekts (Theorie 2. Ordnung) zu einer Vergrößerungder vorhandenen Deformationen. Diese Vergrößerung ist in realen elastischenStrukturen vernachlässigbar, kann jedoch bei erheblichen inelastischen Deformationen signifikantsein, wenn die globale Last-Verschiebungskurve nach Fließeintritt durch den P-DeltaEffekt eine negative Steigung aufweist. Wird während eines Starkbebens die Festigkeit überschritten,führt der P-Delta Effekt in einer solchen Situation zu einer raschen Zunahme derinelastischen Deformationen in eine ausgeprägte Richtung, und in weiterer Folge zum Versagendes Tragwerks, auch wenn keine Materialdegradation unterstellt wird [2].Die Vorhersage der Wahrscheinlichkeit von erdbebeninduziertem Tragwerksversagen zähltzu den elementaren Aufgaben des Erdbebeningenieurwesens. Da die Berechnung des Widerstandseiner Struktur gegen Kollaps, der sogenannten Kollapskapazität, im Allgemeinen sehrzeitaufwändig und rechenintensiv ist, sind vor allem für ein frühes Stadium des Entwurfs- undBemessungsprozesses vereinfachte Verfahren wünschenswert, um eine rasche, aber ausreichendgenaue, Abschätzung der Kollapskapazität zu erreichen. In diesem Beitrag wird einsolches Verfahren, das Kollapskapazitätsspektrum-Verfahren, zur Vorhersage der seismischenKollapskapazität von regelmäßigen Rahmentragwerken ohne Zeitverlaufsberechnungen vorgestellt.Die betrachteten ebenen Rahmentragwerke sollen so flexibel sein, dass deren Stabilitätdurch den P-Delta Effekt gefährdet ist, wenn diese durch die Wirkung eines Erdbebens starkinelastisch verformt werden. Die Materialdegradation spielt bei den betrachteten Strukturenkeine wesentliche Rolle und wird daher ausgeschlossen. Von diesem Verfahren, welches vonden Autoren [3, 4] entwickelt worden ist, werden die wesentlichen Eckpunkte dargestellt. EineVorstudie wurde bereits in [5] präsentiert. Es werden die Einflüsse einzelner Aspekte wie z.B.jener der Steifigkeitsverteilung des Tragwerks über die Höhe aufgezeigt.1.2 Seismische KollapskapazitätUnter der seismischen Kollapskapazität versteht man diejenige Erdbebenintensität, bei derdas betrachtete Gebäude gerade noch nicht einstürzt [6]. Im allgemeinsten Fall wird dieKollapskapazität eines erdbebenerregten deterministischen mechanischen Tragwerksmodellsmit Hilfe einer zeitaufwendigen und rechenintensiven Inkrementellen Dynamischen Analyse[7], im Folgenden kurz IDA genannt, ermittelt. Dabei werden solange nacheinander Zeitverlaufsberechnungenmit einer schrittweisen Erhöhung der Anregungsintensität nach jedemRechengang durchgeführt, bis Versagen im Sinne exzessiver Deformationen festgestellt wird.Die zugehörige seismische Intensität ist die Kollapskapazität des Tragwerks für diesen Erdbebenschrieb.Im Rahmen dieser Arbeit wird die mit 5% gedämpfte normierte spektraleBeschleunigung S a bei der Periode T 1 der Grundschwingung der betrachteten Struktur als dasIntensitätsmaß herangezogen. Die dimensionslose Kollapskapazität des Tragwerks angeregtzufolge des mit i gekennzeichneten Erdbebenschriebs ist daher [3]iCC MDOF= S a,i (T 1 )gcollapse(1)4442


g ist dabei die Fallbeschleunigung und ein dimensionsloser Koeffizient, der aus dem Verhältnisder sogenannten Gesamterdbebenkraft [1] bei Fließeintritt V y zum Gesamtgewicht W gebildetwird: = V y / W. Da jede Erdbebenaufzeichnung zu einer unterschiedlichen Kollapskapazitätführt, ist eine IDA für jede Aufzeichnung eines ganzen Satzes von Erdbebenschriebenzu führen.Die im Folgenden durchgeführten Untersuchungen basieren auf den 44 „gewöhnlichen“Schrieben des ATC63-FF [8] Erdbebensatzes. Diese Schriebe wurden während mehrererStarkbeben der Momentenmagnitude zwischen 6,5 und 7,6 aufgezeichnet. Der kleinste Abstandzur tektonischen Bruchlinie ist dabei größer als 10 km. Es wurden nur Erdbeben verursachtdurch Blattverschiebungen und Aufschiebungen berücksichtigt. Alle Schriebe dieses Satzes (jezwei Schrieben aus 22 Erdbeben) wurden auf weichem Fels (Bodenklasse C) oder steifemBoden (Bodenklasse D) gemäß der NEHRP-Klassifizierung [9] aufgezeichnet.Das Sortieren der Kollapskapazitäten aus den einzelnen IDA nach ihrer Größenordnungführt zur Kollaps-Fragilitätskurve. Eine Kollaps-Fragilitätskurve wird im Allgemeinen auchdurch eine Lognormal-Verteilung approximiert [10]. Dazu benötigt man nur den Medianwertsowie die 16. und 84. Perzentile der Kollapskapazität, die Einzelwerte der Kollapskapazitätenmüssen dann nicht gespeichert werden.Für Näherungsverfahren zur Abschätzung der Kollapskapazität sind diese statistischenWerte von besonderer Bedeutung. Dies trifft insbesondere auf das im Folgenden beschriebeneKollapskapazitätsspektrum-Verfahren zu. Für die Einbettung der hier gewonnen Ergebnisse indas Verhaltensbasierte Erdbebeningenieurwesen wird auf [11] verwiesen.2 KOLLAPSKAPAZITÄTSSPEKTRUM-VERFAHREN2.1 Pushover-AnalyseDie Bewertung, ob das betrachtete Tragwerk bei seismischer Anregung durch den P-DeltaEffekt stabilitätsgefährdet ist, erfolgt über eine nichtlineare statische Berechnung – diesogenannte Pushover-Analyse. Dabei wird auf das Tragwerk mit angreifenden Schwerkräfteneine horizontale Belastung aufgebracht und verschiebungsgesteuert solange gesteigert, bis dieStruktur versagt. Die horizontale Belastung soll dabei affin zur Grundschwingungsform verlaufen.Das Auftragen des Horizontalschubs V auf der Fundamentebene, auch Gesamterdbebenkraftgenannt [1], über der Verschiebung x N eines Kontrollpunkts (im Allgemeinen dieHorizontalverschiebung des obersten Riegels) liefert die repräsentative nichtlineare Last-Verschiebungskurve des Bauwerks, die auch globale Pushover-Kurve genannt wird. Weist diewie in Abb. 1(a) mit einer roten Linie dargestellte globale Pushover-Kurve in ihrem inelastischenDeformationszweig eine negative Steifigkeit auf, besteht die Gefahr, dass das Tragwerkunter Starkbebeneinwirkung kollabiert.Um den P-Delta Effekt auf die horizontale Tragfähigkeit zu quantifizieren, wird zusätzlicheine Pushover-Analyse ohne Schwerkraft durchgeführt. Die zugehörige globale Pushover-Kurve ist in Abb. 1(a) mit einer dicken schwarzen Linie eingezeichnet. Die Verringerung derglobalen Steifigkeit zufolge der Schwerkraft wird durch Stabilitätskoeffizienten ausgedrückt.Betrachtet man die bilinearen Approximationen der beiden in Abb. 1(a) dargestellten Pushover-Kurven, erkennt man, dass die Schwerkraft im inelastischen Deformationszweig zu einemgrößeren Steifigkeitsabfall führt als im elastischen. Das bedeutet, dass der inelastische Stabilitätskoeffizient i stets größer als der elastische e ist: i > e . Bei sehr nachgiebigen Tragwerkenkann das Verhältnis aus inelastischem und elastischem Stabilitätskoeffizient ein Viel-3445


faches von eins ausmachen [2]. Eine negative Steifigkeit nach Erreichen der Festigkeiterfordert einen positiven Wert der Differenz aus dem inelastischen Stabilitätskoeffizient i unddem globalen Verfestigungskoeffizient S : i S > 0 .Abbildung 1 (a) Globale Pushover-Kurven eines mehrgeschoßigen Rahmentragwerks mit und ohneBerücksichtigung der Schwerkraft und ihre bilinearen Approximationen. (b) Nichtlineare Federkennlinien deszugehörigen äquivalenten Einmasseschwingers2.2 Äquivalenter EinmasseschwingerIm nächsten Schritt wird das mechanische Modell des Mehrfreiheitsgradsystems in ein äquivalentesEinfreiheitsgradsystem übergeführt, welches die wesentlichen dynamischen Eigenschaftender ursprünglichen Struktur widerspiegeln soll. Die Formulierung des äquivalentenEinmasseschwingers erfolgt unter der Annahme, dass während der nichtlinearen erdbebenerregtenSchwingung des N-geschoßigen Rahmentragwerks das Verhältnis der Komponentendes Verschiebungsvektors x zueinander konstant bleibt [2, 12],x = x N (2) mit seinen N Komponenten i , i = 1,..., N , N = 1, stellt dabei den Formvektor dar, dersowohl die vertikale Verteilung der Deformation des Tragwerks bei der Approximation alsäquivalenter Einmasseschwinger beschreibt als auch den Verlauf der horizontalen Belastungbei der vorhergehenden Pushover-Analyse festlegt. Der Vektor folgt damit der Grundschwingungsform.Um im äquivalenten Einmasseschwinger den P-Delta Effekt geeignet abbilden zu können,wird die globale Pushover-Kurve in eine nichtlineare Federkennlinie („backbone curve“) deszugehörigen äquivalenten Einmasseschwingers umgewandelt. Wie bereits zuvor festgestellt,muss bei der bilinearen Approximation der globalen Last-Verschiebungsbeziehung zwischeneinem elastischen und einem inelastischen Stabilitätskoeffizient e und i unterschiedenwerden. Im Gegensatz dazu weist jedoch ein Einmasseschwinger nur einen einzigen Stabilitätskoeffizient auf [13], der die Wirkung der Schwerkraft auf die Last-Verschiebungskurvesowohl im elastischen als auch im inelastischen Bereich beschreibt [2]. Deshalb wird demäquivalenten Einmasseschwinger eine sogenannte auxiliare Federkennlinie zugewiesen. Wirddann der äquivalente Einmasseschwinger mit einer äquivalenten Schwerkraft belastet, führtgenauso wie bei einem tatsächlichen Einmasseschwinger ein für den elastischen und inelastischenBereich einheitlicher auxiliarer Stabilitätskoeffizient a zur Federkennlinie mit Wirkung4464


der Schwerkraft [2, 5]. Abb. 1(b) zeigt die Federkennlinien mit und ohne P-Delta Effekt sowiedie auxiliare Federkennlinie. Die Federkennlinie dient als Einhüllende für das hysteretischeWerkstoffgesetz, welches dem äquivalenten Einmasseschwinger zugewiesen wird.Die Beziehungen für den auxiliaren äquivalenten Einmasseschwinger wurden in [2, 10]hergeleitet. Demgemäß werden die elastische Periode und der Stabilitätskoeffizient des auxiliarenäquivalenten Einmasseschwingers wie folgt berechnet:T a = 21 S1 e + i Sx NyV yN i e S i m i , a =(3)1 e + i Si=1Dabei sind V y die Gesamterdbebenkraft und x Ny die Verschiebung des Kontrollpunkts beiFließeintritt der globalen Pushover-Kurve ohne Wirkung der Schwerkraft, siehe Abb. 1(a). m i ,i = 1,…,N, bezeichnet die Masse des iten Geschoßes der N-geschoßigen Rahmenstruktur.2.3 KollapskapazitätsspektrenIn [14] wurde gezeigt, dass bei gegebener Bodenbeschleunigung die Kollapskapazität einesEinmasseschwingers mit bilinearer Federkennlinie nur vom hysteretischen Werkstoffgesetz,von der elastischen Eigenperiode T, vom Lehrschen Dämpfungsmaß und von der Neigung dernegativen inelastischen Steifigkeit, ausgedrückt durch die Differenz – aus Stabilitätskoeffizient und Verfestigungskoeffizient , abhängt. Auf Grundlage der 44 gewöhnlichen Schriebedes ATC63-FF Erdbebensatzes [8] haben die Autoren dieses Artikels einen analytischenAusdruck für den Median der Kollapskapazität eines Einmasseschwingers, genannt CC b , mitbilinearem hysteretischem Werkstoffgesetz und 5% viskoser Dämpfung hergeleitet. Dabeiwurde für einen Einmasseschwinger mit vorgegebenen Werten von T und – und jeden der44 Erdbebenschriebe eine IDA bis zum Kollaps durchgeführt und die zugehörige Kollapskapazitätgemäß der Definition von Glg. (1) gespeichert. Dieser Vorgang wurde für eineVielzahl von Wertepaaren (T, – ) wiederholt und eine statistische Auswertung lieferte denMedian und die 16. und 84. Perzentile der Kollapskapazität. Aus den Medianwerten wurdenmit einer nichtlinearen Regressionsanalyse analytische Gleichungen für CC b ermittelt. Die sichso ergebenden sogenannten Kollapskapazitätsspektren sind in [14] als Funktion der Periode Tund der negativen Steigung der inelastischen Steifigkeit – angegeben: qT p T T 1CC b (T , ) = qT p ( p1) 1 + qpT 1 ( T T 1 ) T > T 1wobeiq = 2 (3 ) 2/3 , p = 3 (100 ) 7/10 + 110 , T 1 = 40 ( ) 2/5 18 / 5( ) 0.10( ) > 0.10In Abb. 2 sind die Median-Kollapskapazitätsspektren für diskrete Werte von – alsFunktion der Periode T grafisch dargestellt. Der Einfluss einer von 5% abweichenden viskosenDämpfung und eines vom bilinearen Verhalten abweichenden Werkstoffgesetzes wird mittelsder Einflussfaktoren und m berücksichtigt [14],CC d = m CC b (6)(4)(5)5447


1086Grundfall:MedianATC63-FF ErdbebensatzBilineares zyklischesVerhalten = 0.050.04 ( a S )0.06CC b40.1020.200.8000 1 2 3 4 5Eigenschwingungsdauer T (T a ) [s]Abbildung 2 Median-Kollapskapazitätsspektren für diskrete Werte des negativen inelastischenSteifigkeitsverhältnisses – Die analytischen Ausdrücke für und m können [14] entnommen werden.Beim Kollapskapazitätsspektrum-Verfahren werden diese Spektren verwendet, um denMedian der Kollapskapazität des äquivalenten Einmasseschwingers abzuschätzen. Dabei ist diePeriode T a anstatt T und das negative inelastische Steifigkeitsverhältnis a S anstatt – einzusetzen. Anschließend muss die so ermittelte Kollapskapazität in den Raum des äquivalentenEinmasseschwingers gemäßCC ESDOF =CC d MDOF(7)rückgeführt werden [3]. Dabei soll CC ESDOF eine hinreichend genaue Näherung des Mediansder Kollapskapazität des betrachteten Rahmens CC MDOF darstellen:CC MDOF CC ESDOF (8) MDOF ist der Transformationskoeffizient, MDOF = Ni=12 N i m i / mi i=1Ni=1 2 i m i (9)der sich aus der Überführung des tatsächlichen Mehrfreiheitsgradsystems in den äquivalentenEinmasseschwinger ergibt [2, 3].Die 16. und 84. Perzentile der individuellen Kollapskapazitäten können laut [4] wie folgtabgeschätzt werden:p16CC MDOFp16 CC ESDOF= 1 s CC * ESDOF , C p84MDOFlp84 CC ESDOF= s u * CC ESDOF (10)wobeis l * (T a ) = 2920 T a 1/21 , s u * (T a ) = 3 2 T a 1/35 (11)4486


Abbildung 3 (a) Ebenes generisches Rahmentragwerk. (b) Bilineare zyklische Momenten-Rotationsbeziehung derRotationsfedern. (c) Biegesteifigkeit der Stützen des ersten Geschoßes der Rahmentragwerke ID1 bis ID7 bezogenauf die Biegesteifigkeit der Stützen des Rahmentragwerks ID1Untersuchungen [4, 10, 14] belegen, dass die zu einzelnen Erdbebenschrieben gehörigenKollapskapazitäten mehr oder weniger einer Lognormal-Verteilung folgen. Daher könnenanalytische Näherungen der Kollapsfragilitätskurven ausln N(m, 2 ) ,hergeleitet werden.m = ln( CC ESDOF ) , = ln s * *l s u(12)3 FALLSTUDIE3.1 Generische RahmentragwerkeIn einer Fallstudie wird die Kollapskapazität von sieben generischen Rahmentragwerken mitHilfe des Kollapskapazitätsspektrum-Verfahrens ermittelt. Diese 18-geschoßigen ebenenRahmen mit einheitlicher Geschoßhöhe h werden im Folgenden mit ID1, ID2, usw. bis ID7bezeichnet, und sind aus elastischen Stützen, starren Riegeln und elastoplastischen Rotationsfedernan den Riegelenden und am Fundament, so wie in Abb. 3(a) dargestellt, zusammengesetzt.An den Knoten sind die für alle Rahmen gleich großen Punktmassen m S /2 angeordnet.Die Grundschwingungsdauer T 1 beträgt bei allen Strukturen 3.6 s. Die Rahmentragwerkeunterscheiden sich voneinander in der Verteilung der Geschoßsteifigkeiten. Abb. 4(a) zeigt füralle Tragwerke die auf die Steifigkeit des ersten Geschoßes bezogenen Geschoßsteifigkeiten.Während beim Rahmen ID7 die bezogenen Geschoßsteifigkeiten über die gesamte Bauwerkshöhegleich groß sind, nimmt diese bei den anderen Strukturen mit zunehmender Geschoßanzahlab. Beim Rahmen ID1 wurden die Geschoßsteifigkeiten so aufeinander abgestimmt,7449


dass die Grundschwingungsform linear verläuft. Diese Struktur besitzt damit die kleinstenbezogenen Geschoßsteifigkeiten. Die bezogenen Geschoßsteifigkeiten der Rahmen ID2 bis ID6liegen äquidistant zwischen diesen beiden Grenzfällen. Der Absolutwert der Steifigkeit desersten Geschoßes ist für Rahmen ID1, verglichen mit den anderen Strukturen, am größten. InAbb. 3(c) ist für die betrachteten Tragwerke ID1 bis ID7 das Verhältnis der Biegesteifigkeit derStützen des ersten Geschoßes zur entsprechenden Größe des Rahmens ID1 aufgetragen. DieGrundschwingungsformen der Strukturen ohne Einfluss der Schwerkraft sind in Abb. 4(b)grafisch wiedergegeben. Das nichtlineare hysteretische Verhalten bleibt auf die Drehfedernbeschränkt. Diesen Federn wird die in Abb. 3(b) dargestellte bilineare Momenten-Rotationsbeziehungohne Materialdegradation zugewiesen. Bei allen Rahmen sind die Festigkeiten derFedern so aufeinander abgestimmt, dass bei einer Pushover-Analyse (ohne Schwerkraft) miteinem Lastbild affin zur Grundschwingungsform alle Federn gleichzeitig zu fließen beginnen.Der Verfestigungskoeffizient beträgt bei jeder Feder 0.03. Jedem Rahmenknoten wird die ausder Masse herrührende Gewichtskraft m S g /2 zugewiesen, um den Einfluss des P-DeltaEffekts zu studieren. Die axialen Stützenkräfte nehmen damit linear von oben nach unten zu.Aufgrund ihrer Flexibilität sind die Rahmentragwerke empfindlich gegenüber dynamischerInstabilität zufolge des P-Delta Effekts. Die Strukturdämpfung wird massen- und steifigkeitsproportionalgemäß Rayleigh mit 5% für die Grundschwingung und mit 5% für diejenigeEigenschwingung festgesetzt, bei der die Summe der modalen Massen 95% der Gesamtmasseüberschreitet.Geschoß(a)1816141210864ID1 ID2 ID3 ID4 ID5 ID6 ID72 18-geschoßige Rahmentragwerke00.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0Relative Geschoßsteifigkeiten K i / K 1Geschoß(b)1816141210864ID1ID2ID3ID4ID5ID6ID7218-geschoßige Rahmentragwerke00.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0x i / x NAbbildung 4 Rahmentragwerke ID1 bis ID7: (a) Geschoßsteifigkeiten bezogen auf die Steifigkeit des erstenGeschoßes (b) Grundschwingungsform ohne Wirkung der Schwerkraft3.2 Bewertung des Kollapskapazitätsspektrum-VerfahrensIm ersten Schritt wird für jede Struktur eine Pushover-Analyse mit einem Lastbild affin zurGrundschwingungsform durchgeführt. Exemplarisch sind in Abb. 5 die globalen Pushover-Kurven für die Rahmen ID1 und ID7 dargestellt. Diese Kurven weisen bei Erreichen derglobalen Festigkeit einen scharfen Knick ohne Ausrundung auf. Dies ist auf die zuvorbeschriebene spezielle Abstimmung der einzelnen Festigkeiten der Rotationsfedern zurückzuführen.Aus Abb. 5 ist ersichtlich, dass der P-Delta Effekt zu einer negativen Steifigkeit nachÜberschreiten der Festigkeit führt. Da sowohl die Gesamterdbebenkraft als auch die horizontaleVerschiebung des obersten Geschoßriegels auf die korrespondierenden Werte bei Fleißeintritt4508


(ohne P-Delta) bezogen sind, können der elastische und inelastische Stabilitätskoeffizient eund i sowie der globale Verfestigungskoeffizient S direkt abgelesen werden. In Abb. 6(a)sind diese Werte für jeden Rahmen aufgetragen.Im nächsten Schritt werden für jedes Tragwerk die Periode T a und der Stabilitätskoeffizient a des auxiliaren äquivalenten Einmasseschwingers gemäß Glg. (3) sowie der Transformationskoeffizient MDOF gemäß Glg. (9) ermittelt. Als Formvektor wird dabei die jeweiligeGrundschwingungsform (ohne P-Delta) normalisiert auf den Maximalwert 1 verwendet. Derauxiliare Stabilitätskoeffizient a sowie die inelastische bezogene negative Steifigkeit a Ssind ebenfalls in Abb. 6(a) für jede Struktur aufgetragen. Der Transformationskoeffizient kannfür jeden Rahmen aus Abb. 6(b) abgelesen werden. Die Auswertung von Glg. (4) führt auf dieKollapskapazität CC b aus dem Kollapskapazitätsspektrum. Aufgrund der angenommenenParameter entspricht dieser Wert dem CC d gemäß Glg. (6). Die Division dieses Ergebnissesmit dem Transformationskoeffizient MDOF liefert schließlich den Median der KollapskapazitätCC ESDOF des äquivalenten Einmasseschwingers, vergleiche mit Glg. (7).1.2ohne P-Delta Effekt1.2ohne P-Delta Effekt1 e = 0.0711 S = 0.0381 e = 0.0851 S = 0.0400.80.8V / V y0.60.4 S – i = – 0.096mit P-Delta EffektV / V y0.60.4 S – i = – 0.104mit P-Delta Effekt0.2Rahmen ID10(a)0 0.5 1 1.5 2 2.5 3x N / x Ny(b)0.20Rahmen ID70 0.5 1 1.5 2 2.5 3x N / x NyAbbildung 5 Rahmentragwerke (a) ID1 und (b) ID7: Globale Pushover-Kurven mit und ohne Wirkung derSchwerkraft.0.160.14 i a S0.12 a 0.820.100.810.080.06 e0.800.04 S0.790.020.7818-geschoßige Rahmentragwerke18-geschoßige Rahmentragwerke0.000.77(a)1 2 3 4 5 6 7 1 2 3 4 5 6 7(b)ID Nummer (Rahmennummer)ID Nummer (Rahmennummer) MDOFAbbildung 6 Rahmentragwerke ID1 bis ID7: (a) Elastischer, inelastischer und auxiliarer Stabilitätskoeffizient e , i , a . Verfestigungskoeffizient S . Inelastisches Steifigkeitsverhältnis a S . (b) Transformationskoeffizient.0.840.839451


CC10864Median18-geschoßige RahmenCC MDOF ("exakt")CC ESDOF (Kollapskapazitätsspektrum-Verfahren)CC / CC| ID11.51.00.5Median18-geschoßige RahmenCC MDOF / CC MDOF | ID1 ("exakt")CC ESDOF / CC ESDOF | ID1(Kollapskapazitätsspektrum-Verfahren)2(a)01 2 3 4 5 6 7ID Nummer (Rahmennummer)(b)0.01 2 3 4 5 6 7ID Nummer (Rahmennummer)Abbildung 7 Rahmentragwerke ID1 bis ID7: Medianwert der globalen Kollapskapazität. Schwarze Balken:„Exakte“ Ergebnisse aus einer IDA. Rote Balken: Abschätzung mit dem Kollapskapazitätsspektrum-Verfahren.(a) Absolutwerte. (b) Bezogen auf den Wert des Rahmens ID1.1016. Perzentile18-geschoßige Rahmen1084. PerzentileCC p16864p16CC MDOF ("exakt")p16CC ESDOF (Kollapskapazitätsspektrum-Verfahren)CC p8486422(a)01 2 3 4 5 6 7ID Nummer (Rahmennummer)(b)01 2 3 4 5 6 7ID Nummer (Rahmennummer)Abbildung 8 (a) Rahmentragwerke ID1 bis ID7: 16. und (b) 84. Perzentile der globalen Kollapskapazität.Schwarze Balken: „Exakte“ Ergebnisse aus einer IDA. Rote Balken: Abschätzung mit dem Kollapskapazitätsspektrum-VerfahrenIn Abb. 7(a) ist die Abschätzung der Kollapskapazität CC ESDOF mit dem vorgeschlagenenvereinfachten Verfahren für die betrachteten Rahmentragwerke in rot dargestellt. Der Vergleichder Ergebnisse für die betrachteten Rahmen macht deutlich, dass der Median der Kollapskapazitätfür den Rahmen ID1 am größten ist. Mit zunehmender ID Nummer nimmt derMedian der Kollapskapazität ab und beträgt für den Rahmen ID7 gemäß Abb. 7(b) etwa 88%vom Wert des Rahmens ID1. Bereits bei den globalen Pushover-Kurven nimmt, wie inAbb. 6(a) illustriert, die negative Steigung im inelastischen Deformationszweig mit zunehmenderID Nummer und damit die Anfälligkeit auf Kollaps zu. Abb. 7 zeigt neben diesen Schätzwertenauch die „exakten“ Ergebnisse, die aus zeitaufwändigen IDA der tatsächlichen Rahmenstrukturenauf Basis der 44 Erdbebenschriebe des ATC-63 FF Satzes ermittelt wurden. DerVergleich der so gewonnenen Medianwerte, in Abb. 7 mit schwarzen Säulen angegeben, mitden zugehörigen Schätzwerten aus dem vorgestellten vereinfachten Verfahren zeigt, dass die45210


damit errechneten Werte die tatsächlichen um ca. 12% überschätzen. In einem frühen Stadiumdes Entwurfs- und Bemessungsprozesses reicht jedoch diese Näherung der Kollapskapazitätvollkommen aus.Im Weiteren werden die 16. und 84. Perzentile der Kollapskapazität durch Anwendung derGlg. (10) und (11) ermittelt. Die Ergebnisse sind in Abb. 8 wieder mit roten Säulen dargestellt.Die schwarzen Säulen entsprechen den „exakten“ Werten aus den zuvor beschriebenen IDA. Esist generell zu erkennen, dass bei diesen Beispielen die Schätzwerte der Perzentilwerte näherbei den „exakt“ ermittelten sind, als das bei den Medianwerten der Fall ist. Mit der Abschätzungwird jedoch die 16. Perzentile der Kollapskapazität etwas unterbewertet, vergleichemit Abb. 8(a). Beim 84. Perzentilwert ist gemäß Abb. 8(b) diesbezüglich kein eindeutigerTrend festzustellen. Auch die Perzentilwerte der Kollapskapazität werden mit zunehmenderRahmennummer kleiner.Abschließend werden die in Abb. 9 exemplarisch für die beiden Rahmen ID1 und ID7gezeigten Fragilitätskurven diskutiert, welche die Kollapswahrscheinlichkeit als Funktion derErdbebenintensität zeigen. Bei der sogenannten „sortierten Kollapsfragilität“ werden die ausder IDA stammenden einzelnen Kollapskapazitäten nach ihrer Größenordnung sortiert. Die inblau dargestellte glatte Kurve rührt von einer Ausgleichsrechnung unter Annahme einerLognormal-Verteilung her. Die auf Grundlage des Kollapskapazitätsspektrum-Verfahrensgemäß Glg. (12) hergeleitete Fragilitätskurve aus Median, 16. und 84. Perzentile der Kollapskapazitätenist in schwarz dargestellt. Es ist ersichtlich, dass mit einer Lognormal-Verteilungdie tatsächliche Streuung der Kollapskapazitäten gut abgebildet werden kann. Besonders imunteren Ast, der für eine Abschätzung der tatsächlichen Gefährdung wesentlich ist, passt dieKurve aus den Schätzwerten der Kollapskapazität gut mit der sortierten Kollapsfragilitätüberein.Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass der Rahmen ID7, welcher einegleichverteilte Steifigkeit über alle Geschoße und, im Vergleich zu den anderen Rahmen, diegeringste Stützen-Biegesteifigkeit im untersten Geschoß aufweist, die kleinste Kollapskapazitätbesitzt.1.01.0Kollapswahrscheinlichkeit0.80.60.40.20.0(a)84. PerzentileMediansortierteKollapsfragilität16. PerzentileAusgleichskurveRahmen ID1T 1 = 3.6 s0 2 4 6 8 10S a /(g )Kollapswahrscheinlichkeit0.80.60.484. PerzentileMediansortierteKollapsfragilitätAusgleichskurveKollapskapazitätsspektrum-VerfahrenKollapskapazitätsspektrum-Verfahren0.2 16. PerzentileRahmen ID7T 1 = 3.6 s0.0(b)0 2 4 6 8 10S a /(g )Abbildung 9 Rahmentragwerke (a) ID1 und (b) ID7: Kollaps-Fragilitätskurven. Sortierte Werte aus einer IDA,dazugehörige Ausgleichskurve gemäß einer Lognormal-Verteilung und Abschätzung gemäß des Kollapskapazitätsspektrum-Verfahrens.11453


LITERATUR[1] EC8 - ÖNORM EN 1998-1. Eurocode 8: Auslegung von Bauwerken gegen Erdbeben.Teil 1: Grundlagen, Erdbebeneinwirkungen und Regeln für Hochbauten, 2005.[2] C. Adam, L.F. Ibarra und H. Krawinkler, Evaluation of P-delta effects in nondeterioratingMDOF structures from equivalent SDOF systems. 13th World Conferenceon Earthquake Engineering, 1.-6. August 2004, Vancouver B.C., Canada. DVD-ROMpaper, 15 S., Canadian Association for Earthquake Engineering, 2004.[3] C. Adam und C. Jäger, Seismic induced global collapse of non-deteriorating framestructures. Papadrakakis, M., Fragiadakis, M., Lagaros, N.D., eds. ComputationalMethods in Earthquake Engineering, S. 21-40, Springer, <strong>2011</strong>.[4] C. Adam und C. Jäger, Collapse capacity assessment of earthquake excited regular framestructures vulnerable to P-delta (eingereicht zur Publikation).[5] C. Adam und J.-P. Spieß, Vereinfachte Bestimmung der globalen Kollapskapazitätstabilitätsgefährdeter Rahmentragwerke unter Erdbebeneinwirkung. In: Proc. D-A-<strong>CH</strong>Tagung 2007 der Österreichischen Gesellschaft für Erdbebeningenieurwesen undBaudynamik, 27.-28. September 2007, Wien, Manuskript Nr. 30, 10 S., 2007[6] H. Krawinkler, F. Zareian, D.G. Lignos und L.F. Ibarra, Prediction of collapse ofstructures under earthquake excitations. M. Papadrakakis, N.D. Lagaros, M. Fragiadakiseds. 2 nd International Conference on Computational Methods in Structural Dynamics andEarthquake Engineering (COMPDYN 2009), Rhodes, Greece, 22.-24. Juni 2009, CD-ROM paper, paper no. CD449, 2009.[7] D. Vamvatsikos und C.A. Cornell, Incremental dynamic analysis. EarthquakeEngineering and Structural Dynamics 31, 491-514, 2002.[8] FEMA P-695, Quantification of Building Seismic Performance Factors. FederalEmergency Management Agency, Washington D.C., 2009.[9] FEMA 368: NEHRP recommended provisions for seismic regulations for new buildingsand other structures. 2000 Edition. Part 1: Provisions. Washington D.C.: FederalEmergency Management Agency, 2000.[10] L.F. Ibarra und H. Krawinkler, Global collapse of frame structures under seismicexcitations. Report No. PEER 2005/06, Pacific Earthquake Engineering Research Center,University of California, Berkeley, CA, 2005.[11] F. Zareian, H. Krawinkler, L. Ibarrra und D. Lignos, Basic concepts and performancemeasures in prediction of collapse of buildings under earthquake ground motions. Struct.Design Tall Spec. Build. 19, 167-181, 2010.[12] P. Fajfar, Structural analysis in earthquake engineering - a breakthrough of simplifiednon-linear methods. 12th European Conference on Earthquake Engineering, CD-ROMpaper, Paper Ref. 843, 20 S., Elsevier, 2002.[13] G.A. MacRae, P- effects on single-degree-of-freedom structures in earthquakes.Earthquake Spectra 10, 539-568, 1994.[14] C. Adam und C. Jäger, Seismic collapse capacity of basic inelastic structures vulnerableto the P-delta effect. Earthquake Engineering and Structural Dynamics (im Druck).45412


12 D-A-<strong>CH</strong> Tagung-Erdbeben und BaudynamikC. Könke (Hrsg)Hannover,Deutschland ,15-16.September <strong>2011</strong>DIE STATIS<strong>CH</strong>EN UND DYNAMIS<strong>CH</strong>EN UNTERSU<strong>CH</strong>UNGEN DER FAST 500JAHRE ALTEN UNDIM LAUFE DER ZEIT DUR<strong>CH</strong> DAS UNTERS<strong>CH</strong>IEDLI<strong>CH</strong> STARKE ERDBEBENBES<strong>CH</strong>ÄDIGTES MINARETTStadt DEMIRCI / TürkeiDipl.-Ing. (ITU 54) Ibrahim LeylekConsulting Engineers65197 Wiesbaden/ GermanyDieselstr. 17E-Mail: ileylek@gmx.deAbstract: The Minaret construction made of brick or stone is one of the oldestconstruction methods, mainly in Islamic countries. The dynamic and static survey underearthquake loads or wind-induced shrinkage tests are for minaret so far not design inthe scientific literature. In Demirci/Turkey currently Haji Hassan mosque with minaretis 500 years old according to the estimates. Builder and at the same time financier wasan emigrant from Turkmenistan, a Mr. Haji Hasan Effendi. In the course of time,varying earthquake corrupted and Minaret located directly in the Centre of has becomethreatening for the population for security reasons. The top of the Minaret of andSoutheastern direction is 35 cm side moves.Abstrakt: Die Minarett Bauweise aus Ziegelsteinen oder aus Natursteinen ist eine derältesten Bauweisen, überwiegend in islamischen Ländern.Die dynamischen und statischen Untersuchungen unter Erdbebenlasten oderwinderregte Schwindungsuntersuchungen sind für Minarett Bauweise in derFachliteratur bisher nicht anzutreffen.Die in Demirci/Türkei befindlicher Hadji-Hasan Moschee mit Minarett ist nach denSchätzungen 500 Jahre alt. Erbauer und gleichzeitig Finanzier war ein Emigrant ausTurkmenistan, ein Herr Hadji Hasan Effendi.Das im Laufe der Zeit durch das unterschiedlich starke Erdbeben Beschädigtes unddirekt in der Stadtmitte befindliches Minarett ist für die Einwohner ausSicherheitsgründen bedrohlich geworden. Die Spitze des Minaretts ind südöstlicherRichtung ist 35 cm seitlich verschiebt.455


1.00-Einführung:Die Minarett Bauweise aus Ziegelsteinen oder aus Natursteinen ist eine der ältestenBauweisen, überwiegend in islamischen Ländern.Die dynamischen und statischen Untersuchungen unter Erdbebenlasten oder winderregteSchwindungsuntersuchungen sind für die Minarett Bauweise in der Literatur bisher nichtanzutreffen.Die in Demirci befindlicher Hadji-Hasan Moschee mit Minarett ist nach den Schätzungen500 Jahre alt. Die Moschee und dazu gehörigen Anlagen, das Badehaus (Hamam) usw. waren,nach Berichten vom bekanntesten türkischen Reiseberichterstatter Evliya Celebi, um ca.1500gebaut worden. Erbauer und Finanzier war ein Emigrant aus Turkmenistan, ein Herr HadjiHasan Effendi [1]. Um diese Zeit herrschten noch die seldschukischen Herrscher in einigenProvinzen von Anatolien. Im Raum Demirci herrschten Saruhan Feudalherren.Eine genaue Bauzeit ist nirgendwo festzustellen [1].Das direkt in der Stadtmitte befindliche Minarett ist für die Einwohner aussicherheitstechnischen Gründen bedrohlich geworden. Die Spitze des Minaretts in südöstlicherRichtung, mit dem bloßen Auge ersichtlich, ist seitlich verformt und gekrümmt. DasKatasteramt der Stadt hat an der Turmspitze eine seitliche Verschiebung von 35 cmgemessen. Dieser Zustand bringt allein die Spannungserhöhungen für 500 Jahre altesBaumaterial Probleme mit.Auf der Druckseite des gekrümmten Minaretts wurden Ziegelabplatzungen und auf dieZugzeiten die Zerstörung der Fugen festgestellt.Im Bereich der Natursteinsockel sind in mehreren Stellen deutlich sichtbare 2 bis 3 mm stärkeoffene Risse vorhanden. Über die Eingangstür zu den Minaretten Aufgang ist der Türsturzaus Naturstein von der Lagerung fast gelöscht.2.00- Baubeschreibung;Die Bauweise der Minarette ist aufgrund ihrer spezifischen Bauform wie folgt zu beschreiben.Die Minaretten Konstruktion besteht aus zwei ineinander stehenden Zylinderblöcken ausZiegelsteinen. Der innere Zylinderblock sind 35 cm.stark und dient praktisch zur Verankerungder 22 cm starken Treppenstufen, welche trapezförmig aus Sandsteinen, bzw. ausNatursteinen hergestellt sind. Sie sind in der Höhe spiralförmig angeordnet und in einemKreisquerschnitt sind 14 Stück vorhanden. Es ist anzunehmen, dass die Steintreppen, wegenDer schweren Maße, auf die Stabilisierung des Bauwerks Einfluss zu haben. Die Steinstufen erhöhendamit die Steifigkeit des Minarettquerschnitts erheblich.Wie die Steifigkeitserhöhung durch massive Stufen rechnerisch berücksichtigt werden kann,ist es nur mit Näherungsannahmen möglich, da bisher keine genauen theoretischenUntersuchungen vorliegen.Tafel 1 MassenermittlungenInnere ZylinderPositionGewicht MassekN KgP Piramidhaube 5.00 500.01Äußere ZylinderGewichtkNMassekg456


P2P 320 cm Ziegel2 2(1.70 1.30 ) 2.90 18.04Geländer 3.00 0.08 0.95 18.0Äußerer Zylinderteil 2.30 1.50 0.30 18.0Innerer Zylinderteil 1.65 1.50 0.35 18.0Steinstufen;1 0.43 0.03 0.90 0.22 20.00 0.91 kN27 Stück (7x 0.91)­erefiye (Muezzin) Plattform1 0.235 1.50 2.835 18.02Plattform t=10 cm2 23.07 2.0 0.1018.0449.20 4920.0048.98 4898.006.37 637.0028.30 2830.007.67 767.0012.89 1289.0058.53 5853.00P 4Innerer Zylinderteil 1.65 0.35 14.0 18.0Äußerer Zylinderteil 2.30 0.30 14.0 18.063 Stück Steinstufen63 x 0.91457.2057.334572.005733.00546.26 54626.00P5Übergang von Ziegelstein zum NatursteinteilInnere Zylinder aus Ziegel 1.65 0.35 3.30 18.0Pyramide äußere Teil. 2.30 0.30 3.30 18.0107.7610776.00128.7612876.001 0.30 3.30 2.90 18.0214 Stück Stufen 14x0.9112.741274.0081.188118.00P6Innere Zylinder aus Naturstein 1.65 0.35 6.020.028 Stufen 28 x 0.91Äußere Zylinder aus Naturstein2 2.03.203.20 6.020.04 Insgesamt:217.7125.491018.7521771.002549.00101875.0851.801679.4285180.00167942.00Der äußere Zylinderteil ist 30 cm stark und in erster Linie für eine gute äußerlicheErscheinung mit verantwortlich. Aber dieser Teil muss gleichzeitig zur Lastabtragung inBiegerichtung herangezogen werden.Das Trägheitsmoment in Querrichtung ist ein maßgebender Faktor. Infolge äußererBelastungen, wie zum Beispiel Wind- oder Erdbebenbelastungen müssen normalerweise alleQuerschnitte unter Druckspannungen bleiben.Die Gesamthöhe aus Ziegeln beträgt H= 21.70 m.Dieser Teil sitzt auf 3.20x3.20 m² und6.00 m Höhe Natursteinsockel. Bis zur Spitze beträgt insgesamt Höhe des Minaretts 30.20.m.457


Die Längst-, Querschnitte sind auf der Abbildung, (1), (2) ersichtlich.3.00- Ermittlungen Eigenperiode und Eigenfrequenzen;Mithilfe dieser Schwingungsperiode kann man über elastisches Antwortspektrum dieSpektralbeschleunigungswerte ablesen. Die Beschleunungswerte spielen für die Ermittlungder Erdbebenlasten eine wichtige Rolle. Sie sind Basis Ausgangswerte derErdbebenbelastungen.Die Minarette bauten werden in der Praxis sehr schlank gebaut. Gegensatz zu Glockentürmen,welche durch die spezifische Anregung durch Geläute schwingungsanfällig sind, werden dieMinarette eventuell nur infolge Windböen oder eventuell durch Erdbeben in Schwingungkommen, wenn sie schwingungsanfällig gebaut werden.Obwohl die natürlichen Bausteine, wie Mauersteine aus Ton, eine geringeErdbebenwiderstandsfähigkeit aktivieren können, werden diese Baumaterialien beim Bau vonMinaretten am meisten verwendet.In den türkischen Erdbebenvorschriften (2007) Teil 5 basieren die Einschränkungen für dieMauerwerksbauten aus Ziegelsteinen überwiegend auf zulässigen Zug, - Druck, - undSchubspannungen. Für die Sonderbauten, in diesem Fall wie Turmbauten, Minarett Bauweisewerden auf internationale Vorschriften hingewiesen.Das unbewehrte Mauerwerk gilt als spröde, da E-Modul sehr klein ist. Um die 500 Jahre altenZiegel das Materialverhalten bei Schwingungsuntersuchung und bei derErdbebenbeanspruchung richtig schätzen zu können, muss das E-Modul richtig gewähltwerden.Aus verschiedenen Veröffentlichungen wurden, die E-Modul Werte, wie folg, ermittelt.1 - Türkische Erdbebenvorschriften (2007 ), Teil 5.0 und § 5.3.4.f MN kNcmE 200 f 200 640 ( MPa) 64.0dd2 20.25 mcmffdcm Bruchspannung der Ziegeln.MN Zulässige Belastungsspannung ( )2mMNf 0.8cm2m2 - DIN 1053-2, Teil 5.8MN kNE 3500 3500 0.3 1050 105.00 2 2m cm3- Referenz [ 2 ] ,Tafel 1.24-2, Seite 38kN MNE 100 10002 2cm mBei der Scwingungsuntersuchungen wurden;Ausserer ZylinderblockInnerer ZylinderblockE = 1000 MN/m²E = 1000 MN/m²458


3.10 – Dynamische ModellierungEntsprechend der Massenbelegung der Minarette, nach Tafel 1, werden die Massen an denbestimmten Knoten konzentriert vorgestellt.Bei der Berechnung ist die spezifische ( Verformt) Form der Minarette mitberücksichtigt.a) Die Minarette in der Höhe, wie Abschnitt 1.0 erläutert, seitlichUnd sichtbar gekrümmt, sodass eine Verschiebung von 18.41 cm aufDer Gebetsruferebene (Serefiye) erfolgt.b) Die zusätzliche Aussteifungswirkung der Steinstufen wird mit.Einer Annahme durch die zusätzliche Erhöhung des QuerschnittesdurchmessersDes inneren Zylinderblocks ca. 25 cm mitberücksichtigt.Angewandte Rechnungsverfahren:1 : Rayleigh Verfahren: [2], (Seite 117 ): Eigenperiyod (T);T ( sn) 20G yig G yii2iDimention : G kN;y miiEs wird wie folgt vorgegangen :g 10 m( Erdbeschleunigung )2sn1- Die konzentrierten Eigenlasten an den Knoten wirken als horizantaleBelastung.2- Man ermittelt die horizontalen ( y ) Verschiebungswerte. Abbildung ( 3 )3- In der Tafel 3.1 werden die Zwischenwerte gerechnet. Anschliessendwird nach der Rayleige-Gleichung das Eigenperiod ( T ) ermittelt.Die Querschnittswerte:Tafel 2Schnitt Gi( kN ) yi( m ) Giyiy2iG y6 67.09 0.528 35.42 0.278 18.655 354.53 0.468 165.92 0.219 77.644 377.51 0.278 104.95 0.077 29.073 341.67 0.106 36.22 0.0112 3.832 321.32 0.022 7.07 0.0005 0.16i2iSumme349.58 129.35129.35Periyod : T 21.209sn010 349.581Frequens: f 0.27 HzT2 - Nach DLUBAL-RSTAB Vers; 4.930Die Ergebnisse sind der Tafel 3 zu entnehmen.459


Tafel 3 Eigenformen1. MOD 2. MOD 3.MODSchnittu-x u-z u-x u-z u-x u-z6 1.00 0.0121 -1.00 -0.028 -0.029 1.005 0.882 0.0106 -0.4985 -0.022 -0.0186 0.9924 0.502 0.0043 0.8515 0.00075 0.0028 0.8183 0.187 0.00094 0.917 0.0026 0.0040 0.5142 0.037 0.00007 0.288 -0.00003 -0.00091 0.211Periyod 1.213 sn 0.191 sn 0.099 snFrequens 0.824 Hz 5.233 Hz 100.94 HzErgebnis : Die beiden Verfahren geben die gleiche Ergebnisse.4.00 -Erdebebenberechnung des gekrümmten Minaretts.4.10 Überblick:Bedingt duch die Krümmung des Minarett muss die höhere Eigenformen sowie, wegen derexentrischen Belastung der Querschnitte, die senkrechte Erdbebenbeschleunigung mitberücksichtigt werden.Hier genüg es die ersten der drei Eigenformen zu berücksichtigen.Diese drei Modalformen aktivieren fast alle der effektiven Masse des Minaretts.Aus oben erwähneten Gründen fällt das vereinfachte Antwortspektren-Verfahren für dieErmittlung der Erdbebenlasten vom Anfang an aus.Zweitens; Die Massenbelegung ist entlang die Höhe der Baukörper nicht ganz konstant. DasHauptmasse befindet sich auf der Höhe der Gebetsrufersplatform.In der EUROCODE 8: 2004 gibt das multimodale Antwortspektren Verfahren( MODAL ANALYSIS ) als Standartverfahren an.4.20 - Erdbebenzone und die Untergrundverhältnisse .Die Stadt Demirci befindet sich auf dem höchsterdbebengefährdeten Gebiet der Türkei. Sieliegt ca. 200 Km östlich vom Ägäischen Meer.Als Bemessungswert der horizontalen Bodenbeschleunigung wurde gemäss der TürkischenErdbebenvorschriften ( 2007 ) für die Zone 1 der Wert A0=0.40 zugrunde gelegt, beiDämpfungsmaß 0.05 .EUROCODE 8 ,Teil 1 gibt für die senkrechte Bemesungswert avg/ ag 0.90 bis 0.45 an.Die Türkischen Vorschriften geben keine spektralen Beschleunigunswerte in senkrechteRichtung an.Hier wurde die gleiche Beschleunigung, wie horizontale, zugrunde gelegt.Die Bodenkontrollperioden sind die Werte TA0.10 sn und TB 0.30 sn angenommen.Die Bodenparameter wurden im Abhändigkeit der geologischen Untergrund Teil 6.0 undTabelle 6.10 übernommen.Die werte der Bodenkontrollperioden TA;T Bwurden aus dem EUROCODE 8, die folgendeWerte übernommen.460


T T und T TA B B C( Gleichstellung mit dem EUROCODE 8 )4.30 Elastische Antwortspektrum, Die Verlauf des elastischen Antwortspektrums inhorizontale Richtung wird durch folgende Funktionen beschrieben. Nach türkischenErdbebenvorschriften (2007), Teil 2 und die Gleichungen 2.2.Boden- Katagori :Z und T 0.10 ve T 0.301 A BTiS ( T ) 1.0 1.50 0 T TiiATS ( T ) 2.50 T T TAi Ai BS TTB 0.80( ) 2.50( ) TiBTi TiNach der Ergebnisse der Dlubal- RSTAB , Tafel 3.Spekral Beschleunigungen :T 1.213 sn T 0.191 sn T 0.099 sn1 2 3ST0.80( ) 2.50( ) 0.818120.301.213zum Vergleich nach EUROCODE 8 ist der Wert;0.30=1.25 2.50 0.773 0.8181.213ST ( ) 2.500.099ST ( ) 1.0 1.50 2.48530.104.40 Bedeutungskategorie des Bauwerkes:Nach Teil 2 /TDY/2007 und Tabelle 2.3 wird Bedeutungskategorie I= 1 zugrunde gelegt.4.50 Verhaltenswert q ( bzw. Nach TDY 1 (2007 ), (R=q Gleichstellung)Die türkischen Erdbebenvorschriften ( TDY, Teil 5.2, 2007 ) geben für die Mauerwerksbautenden Wert von q= 2 an. Dieser Wert gilt nur bei horizontalen Erdbebenbeschleunigungen. Fürdie senkrechten Beschleunigungen macht sie keine Angaben.In DIN 4149 wird unter Annahmen der geringeren Vorformungsfähigkeit der Mauerbautenein vorsichtiger Wert von q=1.5 und für die senkrechte Beschleunigung q=1.00 angegeben.Man kann die Bandbreite der Verhaltungsbeiwerte q für die verschiedenen Baustoffarten istim EUROCODE 8 und Tabelle 2 zu sehen.4.60 Ermittlung der horizontalen Erdbebenersatzkräfte ;Die Ersatzkräfte werden je j Höhenpunkt und je i Modalspektern , nach Literatur [2] und ausden folgenden Gleichungen ermitellt.Die Ersatzkräfte:1TDY = türkische Erdbeben Vorschriften461


, , 0 , 0LMii BeteilungsfaktorH m ( )LiA g S ( T ) G ( )Li1 I A S ( T )j iMi j iMiqi j j j mjGDie Masse =ij; gA Bemessungswerte der Erdbeschleunigung0(Nach der TDY ist PEAK GROUND ACCELERATION)ii= Modalspektren , j = HöhenniveauG Gewichte an Knotenpunkten ( kN)jL G G i j 1 j 1j jM G G2 2 i j 1 j 1j jDie Knotenmassen wurden aus der Tafell 1. ermittellt.Siehe auch 6.0 Die Spannungsermittlungen aus der KrümmungBeteilungsfaktor : 1. Mod. und Horizontale Richtung :1L 67.0 1.00 354.53 0.882 377.51 0.503 341.67 0.187 321.32 0.037 645.45M111LM2 2 2 2 2 67.09 1.0 354.53 0.882 377.51 0.503 341.67 0.187 321.32 0.037 450.78645.45 1.43450.78HHx1,6x1,51 67, 09 1.0 1.43 0.40 0.818 1.0 20.92 kN1.511.43 0.40 0.818 1.0 0.3121.5 354.53 0.882 0.312 97.56 kNHx1,4 377.51 0.503 0.312 59.25 kNHx1,3 341.67 0.187 0.312 19.93kNxH 321.32 0.037 0.312 3.71 kN1,2Beteilungsfaktor1.Mod,senkrechteRichtungL 67.09 0.0121 354.53 0.0106 377.51 0.0043 341.67 0.00094 321.32 0.00007 6.5341M1LMH11z1,6 2 2 2 2 267.09 0.0121 354.53 0.0106 377.51 0.0043 341.67 0.00094 321.32 0.00007 0.0576.534 114.630.057 67.09 0.0121 37.51 30.45 kN1114.63 0.40 0.8181.0 37.511.0HHz1,5z1,4 354.53 0.0106 37.51 140.92 377.51 0.0043 37.51 60.88kNkNHz1,3 341.67 0.00094 37.51 12.05kNHz1,2 321.32 0.00007 37.51 0.85 kNDie Werte für die 2. Mod und 3. Mod sind in gleicherweise zu ermitell.462


4.70 Schnittkraftsermittlung aus Erdbebenbeanspruchung;Die Schnittkräfte aus der Erdbebenbeanspruchung werden mit Hilfe das DLUBAL,RSTAB4.93Programm errechnet.Dabei hat man angenommen, daß die Krümmung wie eine Parabolgleichung verläuf und die2 2Gleichung y ax b 0.0005223 x 0.1841 befriedigt Weiterhin: Querschnittswerte:Das Moment :Die Bemessungsgrössen,bzw Die Schnittkräfte ;2 2 2M 3000.4 113.9 58.1 3003.200.00T 0.80T 0.80T3 2 1kNm2 2 2M 2334.4 59.7 47.7 2335.703.30kNmDie Querkraft:2 2 2Q 201.8 16.4 2.5 202.480.002 2 2Q 199.2 14.4 2.7 199.733.30kNkNDie Normalkraft:2 2 2N 244.8 226.1 51.5 337.200.002 2 2N 243.1 225.8 47.8 335.223.30kNkN5.00 - Verteilung der Schnittkräfte aus Erdbebenlasten auf innere undaussere Zylinderblöcke des Minaretts ( Abbildung 6 )Unterschiedlich ausgesteifte innere und äussere Zylinderkörper verhalten sich bei äussererBeanspruchung wie ein Federstab.Der innere Zylinderkörper hat wegen der aussteifenden Wirkung der Steinstufen einanderes E- Modul als der aussere Ziegelzylinderkörper. Infolgedessen haben diebeiden Zylinderkörper unschiedliche Federsteifigkeiten.Sie erhalten aus der äusseren Belastung, wie hier auch aus der Trägheitskräften,verschiedene Anteile.Zum besseren Verständnis wird durch ein Beispiel erläutert:Federsteifigkeiten sind abhängig von geometrischen Grössen der Querschnitte so wieMaterialarten und Lasteinwirkungungsarten. Zum Beispiel, aus Einzellasten odergleichmässig verteilten Lasten sind die verschiedenen Federsteifigkeiten zu ermitteln.Abbildung ( 6 ). Hier wurde die Einzellastwirkung zugrunde gelegt.Das ineinander befindliche und aus zwei verschiedenen Materiaienl bestehende Rohr ist alsein Kragarm in einem Fundament verankert. Am Kragarmende wirkt eine Einheitslast inhorizontale Richtung.Die Frage ist; Welche Anteile bekommen jeweils die einzelnen Rohrstücke ?H= Kragarmlänge mE I Aussere Zylinder;E I Innere Zylinder1 1 2 2Somit die Federsteifigkeiten der Zylinder3E I3E I1 1 2 2k ; k 1 3 23HH463


Unter der Lastwirkung P=1 müssen beide Zylinderkörper oben die gleiche Verschiebung ( e )machen. So das die Kräfte für jede Zylinderblöcke sind;P k e P=P P1 1 1 21 2P k e P=e( k k ); P (P=1) ; P (P=1)2 2 1 2 1 2kk k k k1 2 1 2kAnwendung zum Minarett;Äussere Zylinderkörper;E 1000 MN / m ; I=0.7854(1.3 1.0 ) 1.458 m12 4 4 4Innere Zylinderkör; E 2000 MN / m (mit Stufen); I 0.7854(1.0 0.40 ) 0.765 m22 4 4 463 EI 31.0 10 1.4581 1kNk 658.271 3 3h 18.8m;k63 EI 3 2.0 10 0.7652 2kN 690.77h 18.8m2 3 3P 658.27 ( P 1) 0.488; P 690.77 ( P 1) 0.5121 658.27 690.77 21349.01.00 0.488 0.512Das Ergebnis : Der äussere Zylinderteil wird mit 48.8 % und der innere Zylinderteil wirdmit 51.2 % von Erdbebenlasten beansprucht.Dieser Zustand wird bei Spannungsberechnungen mit berücksichtigt.6.00–Schnittkräfte aus der Krümmung und Eigengewicht des Minaretts:Wegen der Krümmung der Minarette treten aus exzentrischer Belastung der zusätzlichenSchnitts-Kräfte. Die ausmittigen Abweichungen wurden aus der Parabolgleichung.2 2y ax b 0.0005224 x 0.1841Errechnet.7.00 - Windbelatung: Die Windbelastung wird nach DIN1055,Teil 4 (03.2005)Hier wurde nur die Ergebnisse angegeben.Tafel 4 Kombinationswerte der Spannungen ( +3.30, ) kN/m²Nr. Belastung Aussere Kante Innere KanteMak. Min. Mak. Min.1 Eigengewicht und -378.10 -285.41 -355.46 -286.23Krümmung2 Wind -227.76 +227.76 -113.85 +113.851+2 -605.86 57.65 -469.31 172.383 Erdbeben -753.41 +648.33 -420.10 +315.021+3 -1131.5 +362.92 -775.56 +28.79Man kann die zulässigen Spannungen im Bereich Ziegelmauerwerk sowieBruchsteinmauerwerk als464


zMN kN kP0.35 0.50 ( 0.10 ) (3.5 5.0 )2 2 2m cm cm schätzen.Die Spannungsüberschreitungen sind erheblich. Warum im Eingangsbereich zumMinarettaufgang so viele kleine und grosse Rissen vorhanden sind, kann man dadurcherklären, dass die aussteifende Wirkung der Steinstufen, siehe Teil 5.0 , zum innerenZylinderteil wahrscheinlich viel grösser sind.Widmung: Gewidmet meinem Großvater Kücük Hafiz Ahmet Efendi,der in denschwierigsten kriegsjahren 1920-1922 Bürgermeister der Stadt Demirci/Türkei war.Referenzen :[1] - Yrd.Doç. Dr.Ertan Gökme (Geschichte der Stadt Demirci)Tanzimattan 2. Meşrutiyete DEMİRCİ - KAZASIDemirci Belediyesi Kültür yayınları Nr.1 (türkisch)[2 ]- İnş.Yük.Müh: İbrahim Etem Leylek (Baudynamik Lehr und Handbuch )Yapı Dinamiği ve Depreme dayanılıYapılar (türkisch )Çağlayan Kitabevi 2005/ İstanbul,www.caglayan.com465


466


12. D-A-<strong>CH</strong> Tagung – Erdbeben und BaudynamikC. Könke (Hrsg.)Hannover, Deutschland, 15.–16. September <strong>2011</strong>Ein probabilistisches Konzept zur Ermittlungvon Dübelverschiebungen bei ErdbebeneinwirkungT. Luther and H. Sadegh-AzarHO<strong>CH</strong>TIEF Solutions AG, Consult IKS EnergyLyoner Str. 25, 60528 Frankfurt am Main, GermanyE-mail: torsten.luther @ hochtief.deSchlagwörter: Dynamik, Erdbebensimulation, Stochastik, Dübelverschiebungen.Zusammenfassung. In Kraftwerksanlagen werden Dübelplatten mit Hinterschnittdübelnvielfach zur Verankerung von Komponenten eingesetzt. Insbesondere in kerntechnischenAnlagen resultiert ein wesentlicher Anteil der Bemessungslasten von Dübelplatten ausErdbebeneinwirkungen, welche durch die Bemessungserdbeben an den jeweiligen Standortendefiniert sind. Zum Erhalt der Funktionssicherheit angeschlossener Komponenten sind dieDübelverschiebungen auch im Lastfall Bemessungserdbeben auf ein Minimum zu reduzieren.Es wird ein probabilistisches Konzept vorgestellt, mit dem die zu erwartendenDübelverschiebungen bei Erdbebeneinwirkung unter Berücksichtigung realistischerRandbedingungen ermittelt werden und probabilistische Aussagen zum Überschreitenvorgegebener Grenzwerte getroffen werden können. Dazu werden die für dieDübelverschiebungen relevanten Einflussgrößen detailliert quantifiziert und mit stochastischenParametern beschrieben. Am Beispiel eines kerntechnischen Bauwerks wird die Berechnungund Bewertung der Dübelverschiebungen im Erdbebenfall dargestellt. DieDübelverschiebungen werden mithilfe umfangreicher Zeitverlaufsberechnungen im Rahmeneiner Monte-Carlo-Simulation und unter Anwendung varianzreduzierender Sampling-Verfahren als stochastische Ergebnisgröße ermittelt. Basierend auf der so ermitteltenVerteilung der Dübelverschiebungen können Aussagen zur Überschreitungswahrscheinlichkeitdefinierter Grenzwerte der Dübelverschiebung getroffen werden.1467


1 EINLEITUNGIn Kraftwerksanlagen werden vielfach Dübelplatten mit Hinterschnittdübeln zur Verankerungvon Komponenten, wie Anlagenteile, Rohrleitungen oder Kabelpritschen eingesetzt.Wesentliche Belastungen erfahren diese Dübelplatten aus Erdbebeneinwirkungen, welche z.B.für kerntechnische Anlagen in Deutschland durch die Bemessungserdbeben an den jeweiligenKraftwerksstandorten definiert sind. Die Erdbebenlasten können Risse in Betonbauteilenhervorrufen, die zu einem Ausziehen der Dübel aus dem Bauteil führen können.Um die Integrität und Funktionssicherheit der an den Dübelplatten angeschlossenenKomponenten zu gewährleisten, sind die Dübelverschiebungen zu begrenzen. Werden dieDübelverschiebungen nicht begrenzt, treten Stoßeffekte auf, welche sowohl die Komponentenbeeinträchtigen als auch zu einem weiteren Herausschlagen der Dübel führen. Zudem kommtes zu Nichtlinearitäten, die in der Berechnungs- und Auslegungskette nicht mehr erfasst werdenkönnen. Bei kerntechnischen Anlagen sind nach den Empfehlungen des Deutschen Instituts fürBautechnik (DIBt-Leitfaden [1]) für die Zulassung von Dübelbefestigungen beiErdbebeneinwirkungen Versuche durchzuführen, in denen die Dübelverschiebungen unter denungünstigsten Randbedingungen gemessen werden. Diese extrem konservativ ermitteltenDübelverschiebungen sind für reale Einbausituationen deutlich zu groß, da sie im Rahmeneines deterministischen Sicherheitskonzeptes die Tragfähigkeit der Dübelbefestigungen beigleichzeitigem Auftreten aller ungünstigen Randbedingungen sicherstellen sollen. Zurrealistischen Ermittlung der zu erwartenden Dübelverschiebungen sollen alle Parameter,welche einen Einfluss auf die Dübelverschiebungen haben, detailliert quantifiziert und bewertetwerden.Nachfolgend wird ein Konzept vorgestellt, welches die zu erwartendenDübelverschiebungen für reale Einbausituationen bei Erdbebeneinwirkung ermittelt undprobabilistische Aussagen zum Überschreiten vorgegebener Grenzwerte macht. Dazu werdendie für die Dübelverschiebungen relevanten Einflussgrößen (z.B. Bodensteifigkeiten,Eigenfrequenzen der Bauteile und Komponenten, Ausnutzungsgrade der Bauteile undBefestigungen, Rissbreiten) stochastisch beschrieben. Zudem wird die gesamteBerechnungskette, von der Einwirkung, über die Rissöffnung, bis zur Erdbebenlast am Dübel,simuliert. Die Ermittlung der Dübelverschiebungen im Erdbebenfall erfolgt mithilfeumfangreicher Zeitverlaufsberechnungen im Rahmen einer Monte-Carlo-Simulation und unterAnwendung varianzreduzierender Sampling-Verfahren. Die probabilistische Simulation lieferteine Verteilung der Dübelverschiebungen als Ergebnis stochastisch definierter realistischerRandbedingungen. An einem Beispiel wird die Anwendung des Konzepts zur Bewertung vonDübelverschiebungen bei Erdbebeneinwirkung in einem typischen kerntechnischen Bauwerkbeschrieben.Basierend auf der berechneten Verteilung der Dübelverschiebungen können Aussagen zurÜberschreitungswahrscheinlichkeit definierter Grenzwerte der zulässigen Dübelverschiebunggetroffen werden. Darin fließt die Eintrittswahrscheinlichkeit des Bemessungserdbebens ein.Mit Anwendung des Konzepts soll für Hinterschnittdübel nachgewiesen werden, dass imLastfall Bemessungserdbeben die Wahrscheinlichkeit von Dübelverschiebungen über einemGrenzwert von 3 mm sehr klein ist.4682


2 ERMITTLUNG DER DÜBELVERS<strong>CH</strong>IEBUNG BEI ERDBEBENEINWIRKUNG2.1 AllgemeinesFür außergewöhnliche Einwirkungen, wie Erdbeben, erfolgt die Bemessung von Dübeln indeutschen Kernkraftwerken auf der Grundlage einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungoder einer Zustimmung im Einzelfall. Die Zulassungsbedingungen für einen Dübel folgen denEmpfehlungen des DIBt-Leitfadens [1] und basieren auf verschiedenen Versuchen. Dabei wirdberücksichtigt, dass bei Erdbebeneinwirkung Risse im Beton entstehen, die sich im zeitlichenVerlauf des Bebens mehrfach öffnen und schließen. Darüber hinaus tritt im Erdbebenfall auchdie Dübelkraft in Abhängigkeit des Schwingverhaltens des an der Dübelverankerungangebrachten Anlagenteils zum Teil zyklisch auf.Unter der Annahme, dass sich der Verankerungsbereich des Dübels im Erdbebenfall ingerissenem Beton befindet, sind nach Abschnitt 5.3.2.1 des DIBt-Leitfadens [1] u.a.verschiedenartige zyklische Versuche durchzuführen, anhand derer die Dübelverschiebung beiBemessungserdbeben bewertet wird. Zum einen wird die Dübelverschiebung bei geöffnetemRiss unter einer wechselnden Zugbeanspruchung mit derzeit 15 Lastzyklen ermittelt. Zumanderen werden Versuche mit sich öffnenden und schließenden Rissen bei konstanterZugbelastung des Dübels und 10 Rissöffnungszyklen durchgeführt. Im Rahmen desdeterministischen Sicherheitskonzeptes sind die Versuchsbedingungen, auch mangelsgenauerer Erkenntnisse, sehr konservativ gewählt. Demgegenüber wird im vorliegendenBeitrag ein probabilistischer Ansatz zur numerischen Ermittlung der Dübelverschiebungen beiErdbebeneinwirkung vorgestellt, der darauf basiert, die für die Dübelverschiebungwesentlichen Einflussgrößen genau zu quantifizieren und somit die sehr konservativenAnnahmen der Versuche durch realistische Randbedingungen in der numerischen Simulationzu ersetzen.Wesentliche Konservativitäten, die im deterministischen Ansatz und damit in denVersuchsbedingungen nach DIBt-Leitfaden [1] gegenüber realen Einbausituationen vonDübelverankerungen enthalten sind, werden nachfolgend benannt.- In der Regel bestehen Verankerungen aus Dübelplatten mit mehreren Dübeln. Einesolche Dübelplatte weist aufgrund der Umlagerung bzw. Verteilung der Kräfteveränderte Verschiebungen auf als ein Einzeldübel mit der gemäß Berechnungungünstigsten Belastung. Der Platteneffekt wird bisher vernachlässigt.- Bei deterministischer Herangehensweise wird unterstellt, dass die Betonrissegleichzeitig mit maximaler Rissweite durch alle Dübelbohrungen einer Platte verlaufen.Allerdings liegen Risse mit maximal zu unterstellender Rissweite aufgrund desresultierenden Spannungsabbaus im Beton weiter auseinander.- Werden Komponenten von mehreren Dübelplatten gehalten, verlaufen gemäßdeterministischem Ansatz Betonrisse mit maximaler Rissweite durch alleDübelbohrungen aller Halterungen. Dies ist sehr konservativ.- Die Versuche werden mit der rechnerisch maximalen Rissweite durchgeführt. Dieseentspricht dem 95%-Fraktilwert der Rissweitenverteilung bei voller Ausnutzung desBauteils in der Lastfallkombination Erdbeben. Die tatsächliche Verteilung dermaximalen Rissweiten wird nicht berücksichtigt. Zudem bestehen i.d.R. Auslegungsreserven,sodass eine volle Ausnutzung der Stahlbetonquerschnitte nicht erreicht wird.- In den Versuchen werden die Dübel mit der maximalen Zulassungskraft beansprucht.Dagegen sind Verankerungssysteme in realen Einbausituationen i.d.R. nicht für einevollständige Ausnutzung bemessen.3469


- Die Extremwerte von Rissweite und Dübelkraft treten weder für alle Rissöffnungs- bzw.Lastzyklen noch gleichzeitig und immer in ungünstigster Richtung auf.Eine Beschreibung realistischer Randbedingungen für die numerische Simulation erfolgt inAbschnitt 4 am Beispiel eines typischen kerntechnischen Gebäudes.2.2 Dynamische Bauwerksberechnung für die ErdbebeneinwirkungDie sich bei Erdbebeneinwirkung einstellenden Dübelverschiebungen hängen hauptsächlichvon zwei Schnittgrößen ab, zum einen vom Biegemoment M im Bauteil, welches imWesentlichen mit der Rissöffnung korreliert ist, und zum anderen von der Zugkraft N z in derVerankerung. Zur Ermittlung der Schnittgrößenzeitverläufe an definierten Auswertungsstellenwerden an einem Bauwerksmodell mit Komponentenanschlüssen lineare dynamischeBerechnungen im Zeitbereich durchgeführt. Die gesamte Berechnungskette, von derEinwirkung, über die mit der Biegebeanspruchung im Bauteil korrelierte Rissöffnung, bis zurErdbebenlast am Dübel wird in einem Modell simuliert. Die Anregung des Bauwerks erfolgtdurch Erdbebenzeitverläufe ü n (t).Das Schema eines vereinfachten Bauwerksmodells für eine dynamische Finite-Elemente-Berechnung ist in Abbildung 2.1 dargestellt. Das Bauwerk selbst kann durch Balkenelementeund Einzelmassen modelliert werden. Die Boden-Bauwerk-Wechselwirkung wird durchFederelemente mit von den Untergrundeigenschaften abgeleiteten Steifigkeiten erfasst. DieKomponentenanschlüsse werden ebenfalls als Federelemente abgebildet, an welchen dieKomponenten jeweils durch eine Einzelmasse angeschlossen sind. Die Steifigkeiten dieserFedern sowie die Komponentenmassen können so eingestellt werden, dass die resultierendenEinmassenschwinger das Grundschwingverhalten der jeweiligen Komponente wiedergeben. ImModell können Komponenten sowohl an Wänden als auch an Decken angeschlossen sein. DieMomentenzeitverläufe M j (t) werden an den Auswertungsstellen j der Wände bzw. Decken alsBalkenschnittgrößen abgegriffen. Die Normalkraftzeitverläufe N j (t) der an den Stellen jvorgesehenen Komponentenanschlüsse ergeben sich als Federkräfte aus den zugehörigenElementen. Die Bauwerksberechnung kann auch mit höherer Genauigkeit an komplexerenModellen erfolgen. Jedoch ist zu beachten, dass die Bauwerksberechnung im Zuge einerstochastischen Analyse vielfach mit unterschiedlichen Parametersätzen wiederholt werdenmuss. Dies führt bei komplexen Modellen sehr schnell zu enormen Rechenzeiten.Anregungü n (t)DeckenkomponenteZeit tN 1 (t)M 1 (t)BauwerkM 2 (t)WandkomponenteN 2 (t)BodenAbbildung 2.1: Schema eines einfachen Bauwerksmodells mit Bodenfedern und Komponentenanschlüssen.Für kerntechnische Anlagen in Deutschland, die Gegenstand der Untersuchungen imBeispiel des Abschnitts 4 sind, wird die Erdbebeneinwirkung nach KTA 2201.1 [2] durch ein4704


eitbandiges Frequenzspektrum vorgegeben, welches die unterschiedliche Charakteristikverschiedener Erdbebenzeitverläufe der Bodenbeschleunigung hinsichtlich z.B. Magnitude,Herdentfernung, Herdtiefe und Geologie des Untergrundes repräsentiert. Aus demvorgegebenen Frequenzspektrum können künstliche Beschleunigungszeitverläufe derAnregung generiert werden, mit denen jeweils das gesamte breitbandige Spektrum abgedecktwird. Folglich sind diese Zeitverläufe energiereicher und enthalten eine höhere Anzahl großerAmplitudenausschläge als tatsächlich gemessene Zeitverläufe. Zur Berechnung derDübelverschiebungen werden deshalb natürliche Zeitverläufe der Bodenbeschleunigunggenutzt, die in Abhängigkeit der Baugrundbedingungen, des geologischen Untergrundes, dermaximalen Bodenbeschleunigung und des Bodenantwortspektrums des Bemessungserdbebensfür den entsprechenden Standort ermittelt worden sind. Üblicherweise erfolgt die Berechnungje Bauwerksmodell mit etwa 10 natürlichen Zeitverläufen. Die Ergebnisse derBerechnungsdurchgänge können bei lineareren Berechnungen gemittelt werden.Zur Berücksichtigung streuender Baugrundeigenschaften werden in den dynamischenBerechnungen zwei Modelle mit verschiedenen Bodenparametern verwendet, zum einen dasModell „MIN“ mit abgeminderten Werten der Bodensteifigkeit und zum anderen das Modell„MAX“ mit erhöhten Werten der Bodensteifigkeit. Entsprechend den Empfehlungen der KTA2201.1 [2] ergeben sich die minimalen Werte zu 2/3 und die maximalen Werte zu 3/2 derüblicherweise im Baugrundgutachten angegebenen mittleren Bodensteifigkeiten. Diedynamische Berechnung der Schnittgrößenzeitverläufe wird an beiden Modellen für jeweilsalle ausgewählten Anregungszeitverläufe durchgeführt. Die Bemessungsschnittgrößen ergebensich aus der Einhüllenden der jeweils über die Zeitverlaufsberechnungen gemitteltenSchnittgrößen des „MIN“- und des „MAX“-Modells.2.3 Berechnung der Dübelverschiebung aus den SchnittgrößenzeitverläufenGegenstand der Untersuchung sind Verschiebungen von Hinterschnittdübeln, die beiErdbebeneinwirkung entlang der Dübelachse in Richtung der angeschlossenen Komponentestattfinden. Im Rechenmodell wird angenommen, dass diese Dübelverschiebungen bei einemsich öffnenden Riss in der Dübelbohrung und gleichzeitiger Zugkraft in der Verankerungauftreten. Die rechnerischen Rissweiten ergeben sich bei der Berechnung derStahlbetonbauteile im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit im Wesentlichen aus denBiegemomenten. Das maßgebende Biegemoment M max an der Stelle einer angebrachtenVerankerung ergibt sich wie folgt aus den Maximalwerten der Modelle „MIN“ und „MAX“:MAX MINM max = max M max , M max . (1)Die Maximalwerte der Biegemomente der Modelle „MIN“ und „MAX“ sind über dieZeitverlaufsberechnungen gemittelt.MIN= medianmn = 1M maxM MIN n, max ; M maxMAX= medianmn = 1M MAX n, max (2)Darin sind M MINn, max und M MAXn, max die jeweils maximalen Momente infolge Anregung des „MIN“-bzw. „MAX“-Modells mit dem Beschleunigungszeitverlauf n.Es wird angenommen, dass sich die Rissweite im Bauteil proportional zum Biegemomentverhält. Folglich ergibt sich der Zeitverlauf der Rissweite w n t für die Anregung n durchNormierung des zugehörigen Momentenzeitverlaufs mit dem maßgebenden Biegemoment M maxund Skalierung mit einer zu diesem Moment korrespondierenden maximalen Rissweite w max .w n t w max M n(t)M max(3)5471


Die bemessungsrelevante Verankerungszugkraft N max ermittelt sich analog demmaßgebenden Biegemoment wie folgt:N max = 1 · max N MAX MINΩ max , N max ; 0 ≤ Ω ≤ 1 (4)MIN= medianmn = 1N maxDarin bezeichnen N MINn, max, N MAXn, maxN MIN n, max ; N maxMAX= medianmn = 1N MAX n, max . (5)die jeweils maximale Normalkraft der Verankerung infolgeAnregung des „MIN“- bzw. „MAX“-Modells mit dem Beschleunigungszeitverlauf n. Der Faktor1/Ω berücksichtigt, dass sich die Gesamtnormalkraft N max in der Verankerung aus einem AnteilΩ · N max infolge Erdbebeneinwirkung sowie einem Anteil (1-Ω) · N maxinfolge quasiständigerEinwirkungen zusammensetzt.Der infolge der Anregung n in einem Dübel resultierende Normalkraftzeitverlauf F n tergibt sich durch Normierung des um den quasiständigen Anteil erweiterten NormalkraftzeitverlaufsN n (t) der Verankerung mit der bemessungsrelevanten Verankerungszugkraft N maxund Skalierung mit der zulässigen Zugkraft des Dübels F p .F n t = F p N n(t) + (1Ω) · N maxN max(6)Anhand der Rissweitenzeitverläufe w n t und der Dübelkraftzeitverläufe F n t können dieDübelverschiebungen jeweils für das „MIN“- und das „MAX“-Modell und für jede Anregung nberechnet werden. Dazu werden beide Zeitverläufe überlagert und an diskreten Stellenausgewertet (Abbildung 2.2). Die potentielle Dübelverschiebung D n,z t i an einem diskretenZeitpunkt t i bei Anregung mit dem Beschleunigungszeitverlauf n ermittelt sich zu:0 wenn w n t i ≤ 0 oder F n t i ≤ 0D n,z t i = C · w n (t i ) α · F n (t i ) β wenn w n t i > 0 und F n t i > 0 . (7)Die Formel zur Berechnung der Dübelverschiebung bei geöffnetem Riss und gleichzeitigerZugkraft im Dübel basiert auf der Auswertung zyklischer Ausziehversuche, die auf derGrundlage der in Abschnitt 2.1 genannten Versuchsbedingungen des DIBt-Leitfadens [1]durchgeführt wurden. Die Konstante C sowie die Exponenten α und β können aus diesenVersuchen für verschiedene Typen von Hinterschnittdübeln bestimmt werden.Die maßgebende Dübelverschiebung D n,z in einem Rissöffnungszyklus z ergibt sich alsMaximalwert aus allen nach Gl. (7) berechneten potentiellen Dübelverschiebungen im Zyklus.nD n,z = max i = 1 D n,z t i (8)Die Gesamtdübelverschiebung D n für die Anregung n ergibt sich durch Summation derDübelverschiebungen D n,z über alle Rissöffnungszyklen z.D n = ∑mz = 1 D n,z(9)Die rechnerische Dübelverschiebung infolge Erdbebeneinwirkung erhält man als Maximalwertaus den jeweils über alle Anregungen n gemittelten Werten der Modelle „MIN“ und „MAX“sowie unter Berücksichtigung einer Anfangsverschiebung D 0 , die den Schlupf des Dübelsrepräsentiert.mD = D 0 + max median n = 1D MIN mn , median n = 1D n MAX (10)4726


w n (t) , F n (t)Auswertungsbereiche der Dübelverschiebungmit w n (t i ) > 0 und F n (t i ) > 0F n (t i )w n (t i )0t iF n (t)Zeit tw n (t)z = 1 z = 2 z = 3 … Rissöffnungszyklen zAbbildung 2.2: Überlagerung der Zeitverläufe von Rissöffnung w n t und Verankerungskraft F n t.3 PROBABILISTIS<strong>CH</strong>ES KONZEPT3.1 AllgemeinesIm Rahmen einer probabilistischen Vorgehensweise sollen die für die Dübelverschiebungrelevanten Einflussgrößen stochastisch beschrieben werden. Die relevanten Einflussgrößenwerden zuerst mittels einer Sensitivitätsanalyse aus der Gesamtmenge der Eingangsparameterbestimmt. Damit kann der Parameterraum für die nachfolgende stochastische Analyse sinnvolleingegrenzt werden. Auf der Grundlage vorhandener Datensätze werden für jede relevanteEinflussgröße Verteilungsfunktionen bestimmt und parametrisiert.Innerhalb einer Monte-Carlo-Simulation werden die relevanten Einflussgrößen entsprechendihrer zuvor ermittelten realen Verteilung unabhängig voneinander variiert. Für jedenParametersatz der Variation wird die zugehörige Dübelverschiebung berechnet. Die Monte-Carlo-Simulation liefert als Ergebnis eine Verteilung der berechneten Dübelverschiebungen inAbhängigkeit von der Variation der Eingangsparameter. Auf Grundlage dieser Verteilungkönnen Aussagen zu Überschreitungswahrscheinlichkeiten definierter Grenzwerte getroffenwerden.3.2 EinflussgrößenNachfolgend werden alle Einflussgrößen benannt, welche direkt oder indirekt in dieBerechnung der Dübelverschiebung eingehen. Aus diesen Eingangsparametern werden späterdurch eine Sensitivitätsanalyse die relevanten Einflussgrößen bestimmt.- Die Bodensteifigkeit beeinflusst die Boden-Bauwerk-Wechselwirkung und damit dieSchnittgrößenermittlung in der dynamischen Berechnung.- Die Eigenfrequenz des Bauteils ist maßgebend für dessen Schwingverhalten beidynamischer Anregung.- Die Eigenfrequenz der Komponente charakterisiert deren Schwingverhalten und wirktsich bei dynamischer Anregung auf die Anschlusskräfte aus.7473


- Die Rissweite im Beton hängt von der maximalen Rissweite im betrachteten Bauteilsowie dessen Ausnutzungsgrad im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit ab. Mitzunehmender Rissweite in der Dübelbohrung erhöhen sich die Dübelverschiebungen.- Die Zugkraft im Dübel hängt von der Zulassungskraft des jeweiligen Dübeltyps undderen Ausnutzungsgrad ab. Damit hat der Dübeltyp einen indirekten Einfluss auf dieDübelverschiebung, welche bei geöffnetem Riss mit zunehmender Zugkraft ansteigt.- Der Anteil der Erdbebenlast an der Bemessungskraft im Dübel wirkt sich entsprechendden Gln. (4) und (6) auf die Dübelverschiebung bei Erdbebeneinwirkung aus.- Die Betonfestigkeit beeinflusst den Widerstand des Betons gegen die Verschiebung desDübels. Sie fließt indirekt über die aus Versuchen abgeleiteten Parameter C, α und β inGl. (7) ein.- Die Anzahl der Dübel je Dübelplatte wirkt sich entsprechend der in Abschnitt 2.1erläuterten Effekte aus. Diese Effekte werden im hier dargelegten Konzept noch nichtberücksichtigt.3.3 Monte-Carlo-SimulationEinfache Monte-Carlo-Simulationen erfordern eine hohe Anzahl an Parametersätzen, diesogenannten Samples, um aus den stochastischen Simulationen Aussagen mitzufriedenstellender Genauigkeit ableiten zu können. Dabei steigt die Anzahl erforderlicherSamples erheblich mit der Anzahl der Variationsparameter. Aus diesem Grund werden instochastischen Analysen i.d.R. varianzreduzierende Samplingverfahren eingesetzt, die einedeutliche Reduktion der Anzahl benötigter Samples bei gleicher Aussagequalität ermöglichen.Ein solches varianzreduzierendes Verfahren ist das Latin-Hypercube-Sampling, das für dieMonte-Carlo-Simulation im Beispiel des Abschnitts 4 angewandt wurde.Das Latin-Hypercube-Sampling basiert auf der Unterteilung des Wertebereichs einer jedenstochastischen Variablen in N Intervalle mit gleicher Wahrscheinlichkeit. Dabei ist N dieAnzahl der zu generierenden Samples. Aus jedem Intervall wird ein Zufallswert der Variablenentnommen, sodass eine vollständige und die Wahrscheinlichkeitsverteilung berücksichtigendeAbdeckung des Wertebereichs jeder stochastischen Variable erfolgt. Die Werte einer jedenVariablen werden zufällig mit den Werten der anderen Variablen kombiniert. Eine detaillierteBeschreibung des Latin-Hypercube-Samplings ist u.a. in der Dokumentation der für diestochastischen Simulationen angewandten Software optiSLang [3] zu finden.4 BEISPIEL4.1 ModellbeschreibungDie probabilistische Vorgehensweise zur Ermittlung und Bewertung von Dübelverschiebungenbei Erdbebeneinwirkung soll am Beispiel eines typischen kerntechnischen Gebäudesmit hoher Bauwerkssteifigkeit demonstriert werden. Das für die Bauwerksberechnungangewandte vereinfachte Stab-Masse-Modell ist in Abbildung 4.1 dargestellt. Die äquivalentenSteifigkeiten von in sich ausgesteiften Strukturen werden etagenweise einzelnen Balkenstäbenzugeordnet. Die Massen der Etagen sind in Einzelmassen in der Höhe der Geschossdeckenzusammengefasst. Das Bauwerk wird als 2D Modell mit vertikalem und resultierendemhorizontalen Freiheitsgrad in den Knoten gerechnet. Das probabilistische Konzept wirdbeispielhaft für die Bewertung der Dübelverschiebungen in Wänden angewandt. Eine4748


Erweiterung zur Berechnung und Bewertung von Dübelverschiebungen in Decken kann beiBedarf vorgenommen werden.Das Schwingverhalten der Wände entspricht im Wesentlichen dem dynamischen Bauwerksverhaltenin horizontaler Richtung. Da die berechneten Schnittkraftzeitverläufe normiertwerden, können die Momente an den Wandstäben mit äquivalenter Steifigkeit abgegriffenwerden, sodass die Verankerung der Wandkomponente direkt als Einmassenschwinger aneinem solchen Balkenstab modelliert wird. Die Steifigkeiten und Massen sowohl desBauwerksmodells als auch des angeschlossenen Einmassenschwingers werden so eingestelltund variiert, dass die typische Bandbreite realer Eigenfrequenzen abgebildet wird.Die Translations- und Rotationssteifigkeiten der Bodenfeder werden als frequenzunabhängigeSteifigkeiten aus einer statischen Analyse unter Berücksichtigung der standortspezifischenBodenkennwerte abgeleitet. Diese Vorgehensweise folgt den Empfehlungen desArbeitskreises „Baugrunddynamik“ der Deutschen Gesellschaft für Geotechnik e.V. (DGGT)[4].DeckenkomponenteBauwerkM(t)N(t)WandkomponenteYXBodenAbbildung 4.1: Berechnungsmodell für ein typisches kerntechnisches Gebäude mit Anschluss einerWand- und Deckenkomponente und Auswertungsstellen der Schnittgrößenzeitverläufe.9475


4.2 Zeitverläufe der AnregungEs werden jeweils 10 natürliche Zeitverläufe für die vertikale und horizontale Bauwerksanregungverwendet, die unter Beachtung der Baugrundbedingungen, des geologischen Untergrundes,der maximalen Bodenbeschleunigung und des Bodenantwortspektrums des Bemessungserdbebensam Bauwerksstandort ausgewählt wurden. Zur besseren Übereinstimmung mitden Spektren der vertikalen bzw. der resultierenden horizontalen Bauwerksanregung oberhalb1 Hz sind die Zeitverläufe mit Skalierungsfaktoren angepasst worden. Die Abbildungen 4.2 und4.3 zeigen die errechneten Antwortspektren der Zeitverläufe im Vergleich zu den Spektren dervertikalen bzw. der resultierenden horizontalen Beschleunigung für einen bestimmtendeutschen Standort. Diese Bodenantwortspektren beziehen sich auf Beschleunigungen an derGeländeoberkante und werden näherungsweise für die Ableitung der Bauwerksanregungherangezogen.resultierende horizontaleBauwerksbeschleunigugn [m/s²]10,01,00,10,00,1 1,0 10,0 100,0Frequenz [Hz]zv01_hzv02_hzv03_hzv04_hzv05_hzv06_hzv07_hzv08_hzv09_hzv10_hZielspektrumMedian_hAbbildung 4.2: Vergleich des Medianspektrums von 10 skalierten natürlichen Zeitverläufen mit demBodenantwortspektrum der resultierenden horizontalen Beschleunigungen (Zielspektrum).vertikale Bauwerksbeschleunigung[m/s²]10,01,00,10,00,1 1,0 10,0 100,0Frequenz [Hz]zv01_vzv02_vzv03_vzv04_vzv05_vzv06_vzv07_vzv08_vzv09_vzv10_vZielspektrumMedian_vAbbildung 4.3: Vergleich des Medianspektrums von 10 skalierten natürlichen Zeitverläufen mit demBodenantwortspektrum der vertikalen Beschleunigungen (Zielspektrum).47610


4.3 Quantifizierung der Einflussgrößen und SensitivitätsanalyseIn die probabilistische Analyse gehen mit Berücksichtigung ihrer tatsächlichen Einbauhäufigkeitvier Dübeltypen ein, die den wesentlichen Bestand an Hinterschnittdübeln imbetrachteten Bauwerk repräsentieren. Diese Dübeltypen sind: Fischer FZA-K M12, Hilti HDA-T M10, Hilti HDA-T M12 und Hilti HDA-T M16.Als Grundlage der probabilistischen Analyse der Dübelverschiebungen bei Erdbebeneinwirkungwerden die Einflussgrößen stochastisch beschrieben. Im vorliegenden Beispiel wirddie stochastische Streuung der Einflussgrößen, je nach deren Charakteristik, entweder durcheine Normalverteilung oder durch eine Lognormalverteilung näherungsweise wiedergegeben.Mittelwerte, Standardabweichungen und Grenzen der einzelnen Variablen wurden basierendauf Erfahrungswerten oder auf Grundlage ausgewerteter Datensätze des Bauwerks festgelegt.Die stochastische Beschreibung der maximalen Rissweite beruht auf der Auswertung vonVersuchsdaten, die im Merkblatt Rissbildung des DBV [5] dokumentiert sind. DieseVersuchsdaten bilden u.a. die Grundlage des Rissweitenkonzepts der DIN 1045-1.Ausführliche Erläuterungen dazu sind im DAfStb-Heft 525 [6] zu finden. Die laut Normzulässige Rissweite stellt als charakteristischer Wert den 95%-Fraktilwert der Verteilung dermaximalen Rissweite dar.Die Gleichungen (3) und (6) gehen von einer vollständigen Ausnutzung der zulässigenmaximalen Rissweite im Bauteil bzw. der zulässigen Zugkraft im Dübel aus. Tatsächlicherfolgt die Bemessung der Bauteile und Dübel aber häufig mit wesentlichen Reserven. Ausdiesem Grund werden die genannten Gleichungen um einen Faktor erweitert, der denAusnutzungsgrad des Bauteils bzw. Dübels enthält. Die Verteilung der Ausnutzungsgrade A Wder zulässigen Rissweite in Wänden wurde aus Rissweitenberechnungen am Beispielbauwerkermittelt. Die stochastische Charakterisierung der Ausnutzung A F der zulässigen Dübelkraftkonnte ebenfalls aus den für das Bauwerk vorliegenden Datensätzen bestimmt werden. MitBerücksichtigung der Ausnutzungsgrade lesen sich die Gleichungen (3) und (6) bezogen aufWände (W) wie folgt:w n,W t A W w max M n,W(t)M max,W(11)F n,W t = A F F p N n,W(t) + (1Ω W ) · N max,WN max,W. (12)Eine Zusammenfassung aller in der Berechnung berücksichtigten Einflussgrößen und deszugehörigen Verteilungstyps ist in Tabelle 4.1 zu finden. Die Variation der Betonfestigkeitsowie die Anzahl der Dübel je Dübelplatte werden im aktuellen Beispiel noch nichtberücksichtigt. Ihre stochastische Parametrisierung ist Bestandteil einer geplanten Erweiterungder derzeitigen Simulation.In einer ersten stochastischen Simulation wird der Einfluss der Eingangsparameter auf dieErgebnisgröße, die Dübelverschiebung in Wänden, untersucht. Dazu wird eineSensitivitätsanalyse mit 100 Samples im Programm optiSLang [3] durchgeführt. Die Sampleswerden, wie in Abschnitt 3.3 beschrieben, nach der Latin-Hypercube-Methode generiert. DieSensitivitätsanalyse dient sowohl dem Verständnis und der Überprüfung des Rechenmodells alsauch der Begrenzung des Parameterraums für eine Zuverlässigkeitsanalyse, für welche dieAnzahl der benötigten Samples mit der Anzahl zu variierender Parameter bei gleicher Qualitätder probabilistischen Aussage erheblich ansteigt. Durch Auswahl der Parameter, die einen11477


Tabelle 4.1: Einflussgrößen und stochastische Beschreibung.Einflussgröße Einheit Typ der VerteilungFaktor der Bodensteifigkeit g [ - ] NormalFaktor der Wandsteifigkeit s W [ - ] LognormalEigenfrequenz der Wandkomponente f WK [Hz] LognormalMaximale Rissweite w max [mm] LognormalAusnutzung der Wände A W [ - ] LognormalAusnutzung der Dübel A F [ - ] LognormalAnteil Erdbebenlast an maximalerKraft des Wanddübels Ω W[ - ] NormalBetonfestigkeit f c Im Beispiel nicht variiert, f c = 38,0 N/mm²Anzahl Dübel je Platte n Dübel Platteneffekt im Beispiel nicht berücksichtigt, n Dübel = 1wichtigen Einfluss auf die Ergebnisgröße haben und durch Definition nur dieser Parameter alsstochastische Variable verringert sich die Anzahl benötigter Samples für die Zuverlässigkeitsanalyseund damit der numerische Aufwand der Simulation.Das Ergebnis der Sensitivitätsanalyse ist in Abbildung 4.4 dargestellt. Anhand des„Coefficient of Importance“ konnten nur 38 % der Variation der Ergebnisgröße durchVariationen in den Eingangsgrößen erklärt werden. Dies ist u.a. auf erhebliche Nichtlinearitätenin der Berechnungskette zurückzuführen. Zur besseren Analyse der Sensitivität der resultierendenDübelverschiebung hinsichtlich der Berechnungsparameter wurde eine „Moving LeastSquares“-Approximation der Antwortfläche vorgenommen. Mittels eines Meta-Modells konntenun die Sensitivität anhand des „Coefficient of Prognosis“ untersucht werden. Damit konnten93 % der Variation der Ergebnisgröße erklärt werden. Für die Wandverankerung wurdenfolgende Parameter als wesentliche Einflussgrößen der Dübelverschiebung erkannt:- Ausnutzung der Wand A W- Maximale Rissweite in der Wand w max- Ausnutzung des Dübels in der Wand A F- Eigenfrequenz der Wandkomponente f WK- Anteil der Erdbebenlast an der maximalen Kraft des Wanddübels Ω W .Der Typ des Dübels hat sich für die betrachteten Hinterschnittdübel als nicht relevant herausgestellt.Der Grund ist, dass der vom Dybeltyp abhängige Term C · F n (t i ) β der Gl. (7) für allebetrachteten Dübeltypen einen ähnlichen Wert liefert.Einen wesentlichsten Einfluss auf die Dübelverschiebungen haben diejenigen Einflussgrößen,welche die Rissweite in der Dübelbohrung bestimmen. Dies sind die maximaleRissweite bei voller Ausnutzung des Bauteils sowie dessen Ausnutzungsgrad. Beide Parameterbestimmen maßgeblich die in die Berechnung nach Gl. (7) eingehende Rissweite w n t i .47812


Abbildung 4.4: Bewertung des Einflusses von Eingangsgrößen mittels Sensitivitätsanalyse in optiSLang [3].Links: basierend auf den simulierten Dübelverschiebungen und anhand des „Coefficient of Importance“,Rechts: basierend auf einem approximierten Metamodell und anhand des „Coefficient of Prognosis“.4.4 Probabilistische Bewertung der DübelverschiebungenDie Bewertung der Dübelverschiebungen in Wänden des Beispielbauwerks erfolgt auf Basiseiner stochastischen Simulation mit 10.000 Samples in optiSLang [3]. Die Verteilung derberechneten Dübelverschiebungen ist in Abbildung 4.5 anhand eines Histogramms dargestellt.Der statistische Mittelwert aller simulierten Dübelverschiebungen beträgt 0,07 mm. Zurbesseren Bestimmung der Überschreitungswahrscheinlichkeit von Grenzwerten wird diesimulierte Verteilung durch eine Verteilungsfunktion approximiert. Die beste Näherung konntemit einer Weibullverteilung erreicht werden.Für deutsche Kernkraftwerksbauten wird ein Grenzwert von 3 mm für die Dübelverschiebungvorgegeben. Dabei kommt zur hier simulierten Dübelverschiebung infolgeErdbebeneinwirkung noch ein Verschiebungsanteil infolge Schlupf hinzu. Er wird basierendauf Versuchsdaten mit D 0 = 1,0 – 1,5 mm abgeschätzt. Unter Annahme dieser Werte verringertsich der Grenzwert für die reine Dübelverschiebung infolge Erdbebeneinwirkung aufG = 1,5 – 2,0 mm. Die Überschreitungswahrscheinlichkeiten für diesen Grenzbereich wurdensowohl auf Basis der simulierten Ergebnisse als auch mittels der approximiertenWeibullverteilung bestimmt, wobei mit beiden Vorgehensweisen ähnliche Wahrscheinlichkeitenermittelt wurden. Unter Berücksichtigung der Eintrittswahrscheinlichkeit desBemessungserdbebens von 10 -5 a -1 für kerntechnische Anlagen ergibt sich für die untersuchteDübelverschiebung eine sehr geringe Überschreitungswahrscheinlichkeit des zuvor genanntenGrenzbereichs G.13479


Abbildung 4.5: Histogramm und approximierte Verteilungsfunktionen (Fitted PDF) der simuliertenVerschiebungen von Wandübeln (D W ) bei Erdbebeneinwirkung sowie Grenzwert G = 1,5 mm.5 BEWERTUNG UND AUSBLICKDas vorgestellte probabilistische Konzept bietet unter Annahme realistischer Randbedingungeneine Möglichkeit zur Bewertung von Dübelverschiebungen bei Erdbebeneinwirkung.Damit stellt es eine Alternative zu der konservativen Bestimmung der Dübelverschiebungengemäß DIBt-Leitfaden [1] dar, die bisher im Rahmen des deterministischen Sicherheitskonzeptspraktiziert wird. Für ein typisches kerntechnisches Gebäude mit hoher Bauwerkssteifigkeitwurde gezeigt, dass die mit realistischen Randbedingungen numerisch simuliertenVerschiebungen von Wanddübeln bei Einwirkung des Bemessungserdbebens sehr klein sind.Anhand erster stochastischer Simulationen wurde ein Mittelwert der erdbebenbedingtenDübelverschiebung von 0,07 mm ermittelt. Für den Grenzwert der Dübelverschiebung infolgeSchlupf und Bemessungserdbeben, welcher mit 3 mm angegeben wird, ergibt sich eine sehrgeringe Überschreitungswahrscheinlichkeit. Das Ergebnis für die berechnete Dübelverschiebunginfolge Bemessungserdbeben ist als Näherungswert anzusehen, da es aus derstochastischen Simulation an einem vereinfachten Bauwerksmodell resultiert. Es ist anhandweiterer Berechnungen zu verifizieren.Für zukünftige Anwendungen können diejenigen Verteilungsparameter, die bisher abgeschätztwurden, genauer quantifiziert werden. Darüber hinaus ist beabsichtigt, den Einfluss derBetonfestigkeit sowie die bei Dübelplatten auftretende Umlagerung bzw. Verteilung vonKräften zu berücksichtigen.REFERENZEN[1] Deutsches Institut für Bautechnik, Berlin, Verwendung von Dübeln in Kernkraftwerkenund kerntechnischen Anlagen: Leitfaden zur Beurteilung von Dübelbefestigungen bei derErteilung von Zustimmungen im Einzelfall nach den Landesbauordnungen derBundesländer, Ausgabe 09/1998.48014


[2] KTA 2201.1, Auslegung von Kernkraftwerken gegen seismische Einwirkungen, Teil 1:Grundsätze, Fassung 2010-11.[3] optiSLang – the optimizating Structural Language version 3.2.0, DYNARDO GmbH,Weimar, <strong>2011</strong>.[4] Deutsche Gesellschaft für Geotechnik e.V., Empfehlungen des Arbeitskreises „Baugrunddynamik“,Berlin, 2002.[5] Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein e.V., DBV-Merkblatt Begrenzung derRissbildung im Stahlbeton- und Spannbetonbau, Fassung Januar 2006.[6] Deutscher Ausschuss für Strahlbeton, Erläuterungen zu DIN 1045-1, 2. überarbeiteteAuflage, Berlin 2010.15481


482


12. D-A-<strong>CH</strong> Tagung – Erdbeben und BaudynamikC. Könke (Hrsg.)Hannover, Deutschland, 15.–16.September <strong>2011</strong>VORS<strong>CH</strong>LAG EINES KONZEPTES FÜR DIEVERSI<strong>CH</strong>ERUNGSWIRTS<strong>CH</strong>AFT ZUR REALISTIS<strong>CH</strong>ENABS<strong>CH</strong>ÄTZUNG VON ERDBEBENS<strong>CH</strong>ÄDEN ANMAUERWERKSBAUTEN AUF DER GRUNDLAGE NUMERIS<strong>CH</strong>ERTRAGWERKSSIMULATIONENA._Mühlhausen*, U.E. Dorka, A. Smolka, M. Stupazzini* Universität Kassel, Fachgebiet Stahl- und VerbundbauKurt-Wolters-Straße 3, 34125 Kassel, GermanyE-mail: axel-muehlhausen@uni-kassel.deKeywords: Versicherungskonzept, Erdbebenschäden, Mauerwerk, Erdbebenrisiko,TragwerkssimulationenAbstract. Erdbeben in dicht besiedelten Gegenden unserer Welt gehören zu denschwersten uns bekannten Naturkatastrophen. Ein Erdbeben ist das Naturereignis mit demgrößten Sachschadenpotenzial. Der Sachschaden eines einzigen Bebens kann den Wohlstandeines blühenden Landes oder das Wachstum eines Schwellenlandes in Sekunden vernichten.Im Rahmen einer Masterarbeit wurde in Zusammenarbeit mit der Munich Re einVorschlag für ein Konzept für die Versicherungswirtschaft zur realistischen regionalenAbschätzung von Erdbebenschäden an Mauerwerksbauten auf Grundlage numerischerTragwerkssimulationen erstellt. Das Konzept ist im Grundsatz auf verschiedene Regionenanwendbar. Die erstellte Arbeit beschäftigt sich beispielhaft mit der Erdbebenregion„L„Aquila“ in Italien.Der Grundgedanke des Versicherungskonzepts ist der, dass ein zuvor geschulter„Beobachter“ mit einem Laptop und entsprechender Software das zu untersuchende Gebäudevor Ort durch Beantwortung von wenigen Fragen klassifiziert. Anschließend wird imRechenprozess die Versicherungsrate berechnet und ausgegeben.1483


1 EINFÜHRUNGEine wichtige Aufgabe der Versicherungs- und Rückversicherungsindustrie ist es, nacheiner Naturkatastrophe schnelle Aufbauhilfe für die Gesellschaft zu leisten. Die in den letzenzwei Jahren zu verzeichnenden Erdbeben in Chile (Maule, Mw 8.8, 6. Februar 2010), NewZealand (Darfield, Mw 7.0, 3. September 2010, Lyttelton, Mw 6.1, 21. Februar <strong>2011</strong>) undJapan (Honshu, Mw. 9.0. 11. März <strong>2011</strong>) belegten einmal mehr, dass es sehr wichtig für dieGesellschaft ist, Erdbebensicher zu bauen. Weitere Informationen zu den genanntenErdbeben sind auf der Internetseite des U.S. Geological Survey zu finden [1]. Jeder weitereFortschritt in dieser Richtung ist in zuverlässigen Rechenmodellen zu implementieren um dasnatürliche Risiko bestimmen zu können. Dieser Prozess berücksichtigt ein besseresVerständnis über den „hazard“, die „vulnerability“ und den „exposure“.Auch wenn wichtige laufende Projekte, wie das „Global Earthquake Model“ (GEM) [2], inZukunft wahrscheinlich erfolgreiche wissenschaftliche Beiträge leisten wird, bestehenweiterhin Wissenslücken hinsichtlich der Verfügbarkeit von Schadensdaten infolge vonErdbeben. Die bestehenden Schadensdaten decken rein zufällig die ganze Welt ab, sowohlqualitativ als auch aus geografischen Gesichtspunkten. Tatsächliche Schadensdaten liegen fürdie meisten gefährdeten Regionen nicht bzw. nicht in der notwendigen Güte vor. DaErdbeben seltene Ereignisse sind, die versicherten Schäden daraus aber exponential steigen,wird sich diese Situation in absehbarer Zeit nicht ändern. Es ist daher notwendig, sich nachneuen Konzepten umzusehen. Hier kann die in den letzten Jahrzehnten entwickeltenumerische Simulation von Gebäuden unter Erdbeben mit Hilfe der Finiten Elemente einenentscheidenden Beitrag leisten [3].Die hier vorgestellte Arbeit leistet einen ersten Beitrag in diese Richtung. Darin wurde einneues Konzept für die Versicherungswirtschaft zur realistischen regionalen Abschätzung vonErdbebenschäden an Mauerwerksbauten auf der Grundlage numerischer Tragwerkssimulationenentwickelt. Dabei wurden detaillierte, dreidimensionale FE Modelle für einzelneMauerwerksgebäude erstellt, die lokale Schäden durch Rissbildung mit guter Näherungabbilden und so eine Berechnung der zu sanierenden Flächen erlauben.Damit lässt sich eine Datenbank für bestimmte Gebäudeklassen (z.B. Mauerwerk)erzeugen, die wie eine reale Schadensdatenbank aus der Versicherungsbranche zurBerechnung von Prämien ausgewertet werden kann. Dazu gehört auch die schnelleAbschätzung der Prämie eines bestimmten Objektes vor Ort auf der Grundlage einfach zuerkennender Charakteristiken. Hierfür wurde ein erstes computerbasiertes Tool entwickelt.Einen sehr guten Überblick über die Entwicklung der unterschiedlichen Methoden zumThema „Seismische Risikoanalyse“ ist in Calvi [4] aufgeführt. Calvi unterteilt die in denletzen 30 Jahren entwickelten Methoden in empirische und analytische Ansätze.Zu den empirischen Methoden gehören die „Damage Probability Matrices (DPMs)“ [5],die „Vulnerability Index Method“ [6], die „Continuous Vulnerability Curves“ [7] und die„screening Methods“ [8]. Bei den analytischen Methoden nennt Calvi sechs verschiedene, zudenen gehören unter anderem die „Analytically-Derived Vulnerability Curves and DPMs“[9], die „Hybrid Methods“ [10] und die „Collapse Mechanism-Based Methods“ [11].Ein weiterer analytischer Ansatz wurde von Park entwickelt [12]. In der von Parkentwickelten Studie wird ein zweigeschossiges unbewehrtes Mauerwerksgebäude erzeugt,welches ein typisches Gebäude (z.B. Feuerwache) repräsentiert und im Zentrum oder im4842


Süden der vereinigten Staaten vorkommt. Für die dynamische Analyse des Gebäudes,vereinfacht Park das komplexe 3D Gebäude so, dass die Mauerwerkswände durch einfacheFedern ersetzt werden. Für „In-Plane Walls“ benutzt Park nichtlineare Federmodelle und für„Out-of-Plane Walls“ bi-lineares Federverhalten. Weitere Einzelheiten sind der o. g. Literaturzu entnehmen.Der von Park gewählte Ansatz ist für die Abschätzung von Erdbebenschäden an Mauerwerksbautenjedoch nicht möglich, die vereinfachten Federmodelle erlauben es nicht,Mauerwerksschäden an 3D Gebäuden abschätzen zu können. Hier ist der oben erwähnteAnsatz über die numerischen Tragwerkssimulationen unter Zuhilfenahme der FE Methodedie einzige Möglichkeit, realistische Aussagen über Mauerwerksschäden treffen zu können.2 DAS NEUE KONZEPT ZUR ABS<strong>CH</strong>ÄTZUNG VON ERDBEBENS<strong>CH</strong>ÄDEN2.1. Grundsätzliche VorgehensweiseDas in [13] entwickelte Konzept basiert auf der gleichen Vorgehensweise wie bei der„Düzce Datenbasis“ [14]. Dabei wird durch Klassifizierung einzelner optischer Gebäudeparameter,wie z. B. Geschossanzahl oder Vorhandensein eines weichen Untergeschosses,das Schadenspotential eines Gebäudes infolge eines Erdbebens abgeschätzt.Ein solches Konzept muss folgende wichtige Kriterien erfüllen, um in der Realität seineAnwendung zu finden: die Methode muss leicht verständlich sein, die Methode muss zuverlässig sein, die Methode muss kostengünstig sein, die Methode muss flexibel auf andere Bauweisen angepasst werden können, umdiese bei Bedarf schnell implementieren und erfassen zu können, die Methode muss nach kurzer Einarbeitungszeit auch von ungeübten Beobachternsicher angewendet werden können.Die Erkenntnisse über die Erdbebenschäden an einem Gebäude werden durch dieAnwendung numerischer Tragwerkssimulationen mit Hilfe einer FE Software (in diesem FallSAP2000) simuliert. Auf diese Weise wird in der vorliegenden Arbeit eine künstlicheSchadensdatenbank erzeugt. Diese erlaubt, Aussagen über die Versicherungsrate treffen zukönnen. Die Düzce Datenbasis sowie die hier vorliegende Studie arbeiten mit vergleichbarenKriterien. Die Beschaffung der Schadensdaten unterscheidet sich allerdings erheblich.Während bei der Düzce Datenbasis reale Schäden zu Grunde liegen, wird in der hiervorliegenden Studie mit einer künstlich erschaffenen Datenbasis gearbeitet.Für die Erstellung künstlicher Schadensdaten ist es notwendig Gebäudeklassen zudefinieren. Eine Gebäudeklasse wird durch die Bestimmung verschiedener Vulnerabilitätsparameterdefiniert. Diese entsprechen in etwa denen der Düzce Datenbasis, jedoch werdenhier die Parameter leicht verändert definiert. Der Beobachter muss die folgenden Parameteran dem zu untersuchenden Gebäude durch Beantwortung von sieben einfachen Fragenbestimmen. Die möglichen Antworten sind rechts neben den Fragen aufgeführt. Damitergeben sich durch die verschiedenen Antwortmöglichkeiten 576 unterschiedliche Gebäudeklassenfür Mauerwerksbauten.3485


Wie viele Geschosse hat das Gebäude? 1 bis 6 Wie ist der optische Gebäudezustand? Ist der Grundriss symmetrisch? Ist der Grundriss quadratisch? Besitzt das Gebäude Überhänge, wie z.B. Balkone? Besitzt das Gebäude ein weiches Geschoss (soft storey)? Gibt es Versprünge in der Außenwand?gut, mittel, schlechtja/neinja/neinja/neinja/neinJa/neinDa jede Gebäudeklasse ohne die Einflüsse von Abmessungen, Öffnungen oderWandstärken etc. definiert wird, ist es notwendig zu erwähnen, dass es innerhalb einerGebäudeklasse eine große Anzahl von verschiedenen Gebäudevarianten gibt. Diesverdeutlicht Abbildung 1. Hier sind für eine Gebäudeklasse vier unterschiedliche Variantendargestellt.Eine Gebäudeklassekann aus n- unterschiedlichen Gebäudevarianten bestehen:Variante 1 Variante 2 Variante … Variante nAbbildung 1 Zusammenhang zwischen Gebäudeklassen und Gebäudevarianten, [15], [16], [17], [18]Als Beobachter wird derjenige bezeichnet, der die Aufnahme des zu untersuchendenObjektes durchführt. Dieser ist vor der Durchführung der Aufnahme mit der Vorgehensweiseder Methode vertraut zu machen, umso die Zeitdauer der Aufnahme je Objekt auf einMinimum zu reduzieren.Schematisch betrachtet kann die Sichtweise des Beobachters für die Eingabe einesObjektes bis zur Ausgabe der Versicherungsrate wie in Abbildung 2 dargestellt werden.Aufnahme und Eingabe Rechenprozess AusgabeAbbildung 2 Schematische Darstellung aus Sicht des Beobachters4864


Abbildung 3 zeigt das Ablaufdiagramm für das neu entwickelte Konzept. Im Anschlusswird auf die wichtigsten Komponenten dieses Konzeptes explizit eingegangen.5487


Abbildung 3 Neues Konzept zur Ermittlung der Versicherungsrate für eine Gebäudeklasse (z.B.Mauerwerksbauten)2.2. Ermittlung der Standardabweichung lokaler Spannungen über PowerspektrenWenn das Powerspektrum einer lokalen Spannung bekannt ist, dann kann durch seineIntegration die Standardabweichung (STD) dieser Spannung bestimmt werden, die einewichtige statistische Eingangsgröße zur Abschätzung des lokalen Schadenrisikos ist. Zureffizienten Bestimmung dieser Powerspektren kann man bei linearen Tragwerken s.g.Transferfunktionen einsetzten.Transferfunktionen stellen das Verhältnis zwischen einer lokalen mechanische Größe (z.B.Spannungen) und einer Anregung (z.B. Fußpunktanregung – Erdbeben) dar. Sie sind damiteine Tragwerkseigenschaft, die ohne eine genaue Kenntnis über das Lastereignis bestimmtwerden kann, nur sein Angriffspunkt muss bekannt sein. Sie werden in der Frequenz-Domaindurch das Verhältnis von lokalem Output zu normiertem Input an einer Stelle des Systemsbeschrieben. Für lineare Tragwerke sind diese Funktionen über den gesamten Prozesskonstant und müssen deshalb nur einmal erzeugt werden.Um das Powerspektrum einer lokalen Spannung zu erhalten, wird seine mit einem FE-Programm (hier SAP 2000) bestimmte Transferfunktion (TF) mit dem Powerspektrum derAnregung (PS Hazard ) multipliziert. Anschließend kann daraus die Standardabweichung dieserSpannung wie oben beschrieben ermittelt werden. Es wird also ein Powerspektrum desBebenprozesses (PS Hazard ) benötigt.2.3. Ermittlung der Powerspektren des ErdbebenprozessesFür die numerische Modellierung von Erdbebenschäden spielen zwei Faktoren eineentscheidende Rolle. Zum einen ist der lokal anstehende Boden maßgeblich dafürverantwortlich in welchen Frequenzbereichen sich die Bodenbewegungen konzentrieren [19].Zum anderen ist die maximal zu erwartende Bodenbeschleunigung (PGA) in Abhängigkeitder Wiederkehrperiode ein Maß für die Stärke des Bebens. Demnach charakterisieren diebeiden Parameter Bodenklasse und maximal zu erwartende Bodenbeschleunigung dasPowerspektrum (PS Hazard ) der Bodenbewegung.4886


Abbildung 4 Zusammenhang zwischen der maximal zu erwartenden Bodenbeschleunigung (PGA) undWiederkehrperiode für die Region L‟AquilaPowerspektren werden durch die Fourier-Transformierte der Autokorrelationsfunktioneiner Zeitreihe gebildet [20]. Als Zeitreihe dient hier ein gemessener Beschleunigungsverlaufeines Erdbebens. Im vorliegenden Fall wurde der registrierte Beschleunigungsverlauf derMessstation L'Aquila - v. Aterno - Colle Grilli (Station Code AQG) verwendet. DerBeschleunigungsverlauf wurde separat für alle drei Raumrichtungen aufgenommen und derenAutokorrelationsfunktionen bestimmt.Zur Demonstration des Konzepts wird hier lediglich eine Bodenklasse nach EC 8 [21] miteiner Wellengeschwindigkeit zwischen 360 und 800 m/s verwendet. Als Referenzbodenbeschleunigungwird für die Region L‟Aquila der Wert 0,275 g angesetzt. Dieser ist derHazardkarte, erstellt vom italienischen „Instituto Nazionale di Geofisica e Vulcanologia“ füreine Wiederkehrperiode von 475 Jahren entnommen [22]. Alle weiteren PGA wurden inAbsprache mit der Munich Re beispielhaft gewählt (Abbildung 4).Mit diesen Eingangswerten können die Powerspektren PS Hazard für jede Wiederkehrperiodeund Bodenklasse erzeugt werden.2.4. Bestimmung der zu erwartenden Schadensflächen für eine GebäudevarianteUnter einer Erdbebenanregung ist bei einer linear elastischen Modellierung der Mittelwertaller lokalen Größen, in diesem Falle der Hauptspannungen, null, da dieBodenbeschleunigung im Mittel null ist. Nimmt man im ersten Ansatz eine Normalverteilungfür die Hauptspannungen an, dann kann die Überschreitenswahrscheinlichkeit einerbestimmten Hauptspannung allein aus ihrer Standardabweichung (STD) berechnet werden.In erster Näherung kann man für Mauerwerk als Risskriterium einen Grenzwert für dieHauptzugspannung einführen. Damit erhält man an jeder Stelle des Tragwerks eineAbschätzung zur Auftretenswahrscheinlichkeit von Rissen und damit die Wandflächen fürdie eine Schädigung zu erwarten ist.Eine Grenze für die Hauptzugspannung als Risskriterium für Mauerwerk lässt sich aus dervorhandenen Festigkeit der Mauersteine und des Mörtels abschätzen. Dabei streuen dieseWerte in der realen Anwendung. Diese Streuung ist jedoch gering gegenüber der Streuungdes Bebenprozesses und kann deshalb in erster Näherung vernachlässigt werden. DieAbschätzung des Mittelwertes reicht also aus. Für ein mittleres Mauerwerk wurden deshalbhier die Werte der Festigkeitsklasse 12 und Mörtelgruppe III [23] um den eingebautenTeilsicherheitsbeiwert reduziert, womit sich eine mittlere Rissspannung von 0,2 N/mm²7489


ergibt. Damit können nun mit Hilfe der Tafeln für die „normierte Normalverteilung“ [24] diezu erwartenden Risswahrscheinlichkeiten an jedem Punkt des Tragwerks berechnet werden.Für ein einzelnes der verwendeten Finiten Elemente (Abb. 5) wird die zu erwartendemittlere Risswahrscheinlichkeit durch Mittelung der Wahrscheinlichkeiten in den vierIntegrationspunkte bestimmt.Abbildung 5 3D lineares Shell Element [25], das für die Modellierung der Mauerwerkswände verwendetwurdeDiese mittlere Risswahrscheinlichkeit wird mit der Fläche des Elementes multipliziert, umso die zu erwartende Schadensfläche je Element zu erhalten. Dieser Schritt wird für alleElemente des Tragwerks durchgeführt, um die zu erwartende Schadensfläche deruntersuchten Gebäudevariante durch Summierung der einzelnen Schadensflächen derElemente zu erhalten.2.5. Ermittlung der SanierungskostenAls ersten Ansatz für die Sanierungskosten kann in guter Näherung eine lineare Funktionzwischen den Kosten und der Schadensfläche angenommen werden. Die Sanierungskostenwurden hier mit 265 €/m² angesetzt [13] wobei zu erwähnen ist, dass sehr große regionaleSchwankungen hinsichtlich der Lohn- und Materialkosten zu verzeichnen sind. Es istvorteilhaft, die Sanierungskosten als Prozentangaben bezogen auf die Versicherungssummeauszudrücken, um auf diese Weise die Versicherungsrate ebenfalls in Prozent derVersicherungssumme zu erhalten. Aus diesem Grund und nach Kommunikation mit derMunich Re wird der Ansatz für die Sanierungskosten mit 0,1 % der Versicherungssumme prom² angesetzt.Damit steigen die Sanierungskosten pro m² für ein hochwertiges Gebäude an, was dentatsächlichen Kosten in gewisser Weise entspricht. Im Umkehrschluss würden dieSanierungskosten pro m² für ein preisgünstigeres Gebäude fallen.2.6. Ermittlung der Schadenskurve und VersicherungsrateSchadenskurven sind für die Versicherungswirtschaft ein wichtiges Instrument um dasSachschadenpotential eines Gebäudes besser abschätzen zu können und dienen als Grundlagefür die Ermittlung der Versicherungsrate pro Jahr. Ein Beispiel für eine Schadenskurve ist inAbbildung 7 zu sehen.Um eine Schadenskurve für eine Gebäudevariante erstellen zu können müssen zunächst4908


die Sanierungskosten für unterschiedliche Hazardlevel berechnet werden. Für die Ermittlungder Versicherungsrate ist es ausreichend, Wiederkehrperioden bis 2000 Jahre zu verwenden,da größere Wiederkehrperioden auf die Versicherungsrate nur noch einen vernachlässigbarenEinfluss aufweisen.Für die Ermittlung der Versicherungsrate pro Jahr für eine Gebäudevariante wird dieseSchadenskurve über Gl. 1 vereinfacht ausgewertetXVariante2Sanierungskosten Wiederkehrperiode(Gl. 1)Für die Ermittlung der Versicherungsrate für eine Gebäudeklasse, bestehend aus n-Gebäudevarianten, wird das arithmetische Mittel aus den Versicherungsraten für jedeGebäudevariante wie folgt berechnet:1X X ... XnGebäudeklasse Variante _1 Variante _ n(Gl. 2)3 ERGEBNISSE UND INTERPRETATIONFür die erste Durchführung des Konzeptes wurden wie in Abbildung 6 und 7 dargestellt,vier dreidimensionale Gebäudevarianten mit der Software SAP 2000 modelliert. Dabeihandelt es sich um vier verschiedene Gebäudevarianten einer Gebäudeklasse mitunterschiedlichen Abmessungen, Fenster- und Türanordnungen etc.Die mit SAP 2000 durchgeführten 3-D FE Berechnungen zeigen erwartungsgemäßHauptzugspannungsspitzen im Bereich der Tür- und Fensteröffnungen (Abbildung 8). EineDarstellung der maximalen Hauptzugspannungen für jedes Element für ein ganzes Erdbebenist mit SAP 2000 in einem Bild nicht möglich.Die Ermittlung der Schadenskurve für die Gebäudeklasse und für eine Bodenklasse ist inAbbildung 8 zu finden. Es handelt sich um die zu erwartenden Schäden an der Gebäudeklassefür eine große Anzahl von Erdbeben für eine zuvor gewählte Bodenklasse.Abbildung 6 Verschiedene Gebäudevarianten einer Gebäudeklasse, Nähere Beschreibung ist in [13] zufindenLinks: Variante ARechts: Variante B9491


Abbildung 7 Verschiedene Gebäudevarianten einer Gebäudeklasse, Nähere Beschreibung ist in [13] zufindenLinks: Variante CRechts: Variante DAbbildung 8 Hauptspannungsverteilungen in der Wand einer Gebäudevariante aus einerZeitverlaufsberechnung unter Erdbeben mit SAP 2000. Anwendung fanden lineare 3D Shell Elemente(Abb. 5), [13]Abbildung 9 Schadenskurven einer Gebäudeklasse für eine Bodenklasse in der Region L‟Aquila49210


Daraus ergibt sich die Versicherungsrate für diese Gebäudeklasse zu 0,275 ‰ derVersicherungssumme. Bei einer beispielhaft gewählten Versicherungssumme von 300.000 €beträgt damit die Versicherungsrate 81,15 € pro Jahr. Der berechnete PML (ProbableMaximum Loss) beträgt 17 ‰ bei einer Wiederkehrperiode von 1000 Jahren. Diese erstenErgebnisse können zwar nicht direkt mit den Werten der Munich Re verglichen werden, abersind von der Größenordnung vielversprechend. Damit hält die hier rein numerisch bestimmteSchadenskurve einem ersten empirischen Vergleich stand und kann für diesen Gebäudetypals realistisch angesehen werden.Für die Ermittlung der Versicherungsrate haben die Wiederkehrperioden 20, 50, 100, und200 Jahre den größten Einfluss. Diese 4 Wiederkehrperioden machen ca. 75 % der gesamtenVersicherungsrate aus. Für diese Hazardlevels ist der Ansatz eines linearen FE-Modellsgerechtfertigt, da hierfür nicht mit ausgeprägtem nichtlinearem Verhalten (z.B. zyklischemRisswachstum) zu rechnen ist. Damit erhält auch der Ansatz eines einfachen Risskriteriumsüber eine Hauptzugspannungsgrenze und die daraus resultierende Abschätzung der zusanierenden Wandflächen eine rationale Grundlage, denn hoch-nichtlineare und aufwendigenumerische Tragwerkssimulationen können das Ergebnis offensichtlich nur so geringfügigverbessern, das sie für eine gute Schätzung der Versicherungsrate von Mauerwerksbautennicht erforderlich sind.4 Zusammenfassung und AusblickDas hier dargestellte neue Konzept zur realistischen Abschätzung regionalerVersicherungsraten für Mauerwerksbauten unter Erdbeben beruht auf einer FE-Analysedetailliert erstellter linearer 3-dimensionaler Tragwerksmodelle für unterschiedlicheGebäudevarianten. Es wurde im Rahmen einer Masterarbeit in Zusammenarbeit mit derMunich Re entwickelt.Die Ergebnisse der FE-Analyse werden statistisch für eine Gebäudeklasse in Form vonSchadenskurven ausgewertet, aus denen sich direkt die Versicherungsrate und der PML(probable maximum loss) für diese Gebäudeklasse ergibt. Der Größte Beitrag für die Rateentsteht aus den Hazardlevels 20, 50, 100 und 200 Jahren. Da unter diesen Hazardlevels keinausgeprägtes nicht-lineares Verhalten zu erwarten ist, können mit guter Näherung lineareTragwerksmodelle eingesetzt werden.Damit können zur Berechnung der erforderlichen statistischen Kennwerte lokalerVariablen (Hauptspannungen) Powerspektren verwendet werden, die durch einfacheMultiplikation der Transferfunktion der Hauptspannung an einem Ort mit demPowerspektrum aus der Bodenbewegung entstehen. Ein über die Hauptzugspannungdefiniertes Risskriterium liefert eine Abschätzung der geschädigten Wandflächen und damitauch des Sanierungsaufwandes.Die darüber bestimmte Versicherungsrate und der PML, die hier für eine Gebäudeklasse inder Region L‟Aqulia, Italien ermittelt wurden, stimmen mit empirischen Werten aus derVersicherungswirtschaft gut überein. Damit ist gezeigt, dass detaillierte 3-dimensionale FiniteElement Modelle heute geeignet sind, die Grundlage einer Datenbasis zu liefern, mit derrealistische Versicherungsraten vor Ort schnell und sicher abgeschätzt werden können. Da dieVersicherungswirtschaft nicht genügend empirische Daten zu Erdbebenschäden hat, kanndieses Konzept wesentlich dazu beitragen, hier eine realistischere und solidere Grundlage zuschaffen.Das hier vorgestellte Konzept lässt sich durchgängig automatisieren. Dafür wird z.Zt. an11493


der Universität Kassel in Zusammenarbeit mit der Munich Re eine Software entwickelt, dieso konzipiert ist, dass sie auch andere Tragwerksarten (z.B. Stahlbeton) behandeln kann,sobald hierfür geeignete 3D FE Modelle zur Verfügung stehen.Und obwohl für die Versicherungsrate nichtlineare FE Berechnungen offensichtlich keinegroße Rolle spielen, erhalten sie dann Bedeutung, wenn das Konzept auf dieRisikoabschätzung einer einzelnen Region angewendet werden soll.Literaturverzeichnis[1] USGS, Web page, (Stand: 30. Juni <strong>2011</strong>)http://www.usgs.gov/,[2] GEM, Web page, (Stand: 30. Juni <strong>2011</strong>)http://www.globalquakemodel.org/[3] O. C. Zienkiewicz, The Finite Element Method, McGraw-Hill Book Company, 1967[4] G.M. Calvi, R. Pinho, J.J. Magenes, L.F. Restrepo-Vélez and H. Crowley,“Development of seismic vulnerability assessment methodologies over the last 30years”. ”. ISET-Journal of Earthquake Technology, Paper No. 472, Vol. 43, No. 3, pp.75-104, 2006[5] R.V. Whitman, J.W. Reed and S.T. Hong, “Earthquake Damage ProbabilityMatrices”,Proceedings of the Fifth World Conference on Earthquake Engineering,Rome, Italy, Vol. 2,pp. 2531-2540, 1973[6] D. Benedetti and V. Petrini, “Sulla Vulnerabilità Di Edifici in Muratura: Proposta Di UnMetodo Di Valutazione”, L‟industria delle Costruzioni, Vol. 149, No. 1, pp. 66-74, 1984[7] R. Spence, A.W. Coburn and A. Pomonis, “Correlation of Ground Motion with BuildingDamage: The Definition of a New Damage-Based Seismic Intensity Scale”, Proceedingsof the Tenth World Conference on Earthquake Engineering, Madrid, Spain, Vol. 1, pp.551-556, 1992[8] JBDPA, “Standard for Seismic Capacity Assessment of Existing Reinforced ConcreteBuildings”, Japanese Building Disaster Prevention Association, Ministry ofConstruction, Tokyo, Japan, 1990[9] A. Singhal and A.S. Kiremidjian, “Method for Probabilistic Evaluation of SeismicStructural Damage”, Journal of Structural Engineering, ASCE, Vol. 122, No. 12, pp.1459-1467, 1996[10] A.J. Kappos, K. Pitilakis and K.C. Stylianidis, “Cost-Benefit Analysis for the SeismicRehabilitation of Buildings in Thessaloniki, Based on a Hybrid Method of VulnerabilityAssessment”, Proceedings of the Fifth International Conference on Seismic Zonation,Nice, France, Vol. 1, pp. 406-413., 1995[11] A. Bernardini, R. Gori and C. Modena, “Application of Coupled Analytical Models andExperimental Knowledge to Seismic Vulnerability Analyses of Masonry Buildings” in“Engineering Damage Evaluation and Vulnerability Analysis of Building Structures(edited by A. Koridze)”, Omega Scientific, Oxon, U.K, 1990[12] J. Park, P. Towashiraporn, J.I. Craig, and B.J. Goodno, “Analytical fragility assessmentof a low-rise URM building”, The 14 th World Conference on Earthquake Engineering,Beijing, China, 200849412


[13] A. Mühlhausen, U. Dorka, A.Smolka; Masterarbeit „Vorschlag eines Konzeptes für dieVersicherungswirtschaft zur realistischen regionalen Abschätzung von Erdbebenschädenan Mauerwerksbauten auf der Grundlage numerischer Tragwerkssimulationen“Universität Kassel, 2010[14] H. Suzuoglu, U. Yazgan and A. Yakut, Screening Procedure for Seismic RiskAssessment in Urban Building Stocks. Earthquake Engineering Research Institute,Earthquake Spectra 2007[15] Fertighaus & Massivhaus, BB-Haus 24, (Stand: 22. Juni <strong>2011</strong>)http://www.bb-haus24.de/hausbau%20programm/massiv-haus.php?hn_id=18[16] Fertighaus & Massivhaus, BB-Haus 24, (Stand: 22. Juni <strong>2011</strong>)http://www.bb-haus24.de/024bild/city/ci13.jpg[17] Online-Magazin für Häuser, Bauen, Garten und Lifestyle, (Stand: 22. Juni <strong>2011</strong>)http://www.zuhause3.de/haeuser/272-schwoerer--plan492_1.html[18] Das eigene Haus, (Stand: 22. Juni <strong>2011</strong>)http://daseigenehaus.de/neu/wordpress/wp-content/uploads/2009/10/ecostadtvillenjpg-300x222.jpg[19] M. Wakabayashi, Design of Earthquake-Resistant Buildings, McGraw-Hill BookCompany, 1986[20] R. Schlittgen, B. Streitberg, Zeitreihenanalyse, Oldenbourg Verlag, 9.Auflage, 2001[21] EC8: Auslegung von Bauwerken gegen Erdbeben-Teil 1: Grundlagen, Erdbebeneinwirkungenund Regeln für Hochbauten; Deutsche Fassung EN 1998-1:2004[22] INGV, Homepage: http://www.ingv.it/eng/[23] DIN 1053-1; Mauerwerk – Teil 1: Berechnung und Ausführung, BeuthVerlag GmbH, Berlin 1996[24] L. Papula, Mathematik für Ingenieure und Naturwissenschaftler - Band 3; Vieweg +Teubner Verlag, 2008[25] SAP 2000 Handbuch „Basic Analysis Reference Manual“13495


496


12. D-A-<strong>CH</strong> Tagung – Erdbeben und BaudynamikC. Könke (Hrsg.)Hannover, Deutschland, 15.–16. September <strong>2011</strong>EXPERIMENTELLE UNTERSU<strong>CH</strong>UNGEN VONSTAHLS<strong>CH</strong>UBWÄNDEN ZUR VERSTÄRKUNG VON BESTEHENDENSTAHLBETONGEBÄUDEN UNTER ERDBEBENBELASTUNGD. Schmitt* , M. Gündel** und B. Hoffmeister*** SDA-engineering GmbHKaiserstr. 100 (TPH III)52134 HerzogenrathDeutschlandE-mail: schmitt@sda-engineering.de** Institut für StahlbauRWTH Aachen UniversitySchlagworte: Stahlschubwand, Erdbeben, zyklische Tests, Duktilität, Beulen.Abriss: Im Rahmen eines gemeinschaftlichen Forschungsprojektes, gefördert von dereuropäischen Kommission, wurden Lösungen zur nachträglichen Verstärkung vonerdbebengefährdeten Gebäuden untersucht. Als Teil dieses Gemeinschaftsprojektes wurde amInstitut für Stahlbau der RWTH Aachen eine Versuchsreihe über Stahlschubwändedurchgeführt. Es wurden ein Stahlbetonrahmen, zwei Stahlschubwände sowie zwei weitereStahlbetonrahmen mit Verstärkung durch Stahlschubwände in zyklischen Tests untersucht.1497


1 EINLEITUNG1.1 ProjektbeschreibungMit Hilfe aktueller Normen und der entsprechenden baulichen Umsetzung wird dieStandsicherheit neuer Gebäude gegen Erdbeben sichergestellt. Viele ältere Bauwerke wurdenjedoch ohne entsprechende Norm errichtet, da diese noch nicht existierten oder ignoriertwurden. Ebenso existieren beispielsweise Gebäude, die in schlechter Bauausführung errichtetwurden. Diese und andere Gründe führen zu Bedarf an nachträglicher Ertüchtigung bestehenderGebäude gegen Erdbeben.Das gemeinschaftliche Forschungsprojekt STEELRETRO wurde vom RFCS (ResearchFund for Coal and Steel) der europäischen Kommission gefördert, um Lösungen zurnachträglichen Verstärkung bestehender erdbebengefährdeter Bauwerke zu erforschen. Dabeiwurden verschiedene Ertüchtigungstypen von mehreren Universitäten (RWTH Aachen,Universität Pisa und Polytechnische Universität Timisoara) untersucht. Das Institut fürStahlbau der RWTH Aachen führte dabei die Forschung an Stahlschubwänden durch.In den USA und in Japan sind bereits Gebäude mit Stahlschubwandsystemen ausgeführtworden, die sich unter Erdbebeneinfluss bereits als sehr gutes passives Aussteifungssystemerwiesen haben. Die Erfahrungswerte bezüglich der Bemessung und dem Einbau vonStahlschubwänden zur Verstärkung bestehender Gebäude sind jedoch nach wie vor sehr gering.Im Folgenden werden die experimentellen Untersuchungen der RWTH Aachen überStahlschubwände vorgestellt.1.2 ReferenzgebäudeAls Referenzgebäude zur Untersuchung der verschiedenen Ertüchtigungssysteme wurde füralle Projektpartner ein dreigeschossiges Stahlbetongebäude bemessen nach der italienischenStahlbeton-Norm von 1939 vorgegeben. Damit entspricht die Struktur vielenStahlbetongebäuden in Italien, die zwischen den ´50ern und frühen ´70ern erbaut wurden. [1]Das Gebäude trägt in beide Richtungen die horizontalen Kräfte über Rahmensysteme ausStahlbeton ab. Dabei beträgt die Betonfestigkeit f ck = 20 N/mm 2 und die Streckgrenze derBewehrung f yk = 230 N/mm 2 . Sowohl die Belastbarkeit als auch die Duktilität erwies sich inder Push-Over-Analyse für Erdbeben nach heutiger Norm als deutlich zu gering.1.3 Prinzip der StahlschubwändeBei den untersuchten Stahlschubwänden an der RWTH Aachen handelte es sich umschlanke Stahlschubwände, bestehend aus einem gelenkig ausgebildeten Rahmensystem aus I-Profilen und Blechen innerhalb dieses Rahmensystems, welche als dissipative Elementefungieren. Durch Belastung der Schubwände bildet sich in diagonaler Richtung einSpannungsfeld aus, bei dem die Bleche den plastischen Zustand erreichen.2 VERSU<strong>CH</strong>SKÖRPER2.1 StahlbetonrahmenDie untersuchten Aussteifungssysteme wurden von allen Projektpartnern mit gleichwertigenStahlbetonrahmen getestet, um die Versuchsergebnisse miteinander vergleichen zu können.4982


Hierzu wurden die gleichen Abmessungen des Stahlbetonrahmens und ein Beton mit dergleichen Betonfestigkeit wie der im Referenzgebäude verwendet (s. Bild 1). AlsBewehrungsstahl wurde ein BSt500 eingesetzt, dessen Stabdurchmesser angepasst wurden, umder Bewehrung mit geringerer Streckgrenze aus dem Referenzgebäude zu entsprechen.Bild 1: Abmessungen und Querschnittsaufbau des Stahlbetonrahmens2.2 Rahmen der StahlschubwändeDie Kapazität und das Verhalten von Stahlschubwänden hängt vom Rahmen und deneingebauten Blechen des Systems ab. Rahmen von Stahlschubwänden können entwedergelenkig oder biegesteif ausgebildet werden. Sie sorgen dafür, dass die Bleche derStahlschubwand möglichst über ihre gesamte Fläche ihre Streckgrenze erreichen und einideales plastisches Spannungsfeld zur maximalen Energieaufnahme erzeugen können. Dabeiwerden die Rahmen durch die Belastung von außen auf das System sowie durch die Kräfte ausden inneren Blechen belastet. Stahlschubwände sollten so bemessen sein, dass IhreRahmensysteme bei biegesteifer Ausbildung nur plastische Gelenke an den Enden der Trägerund im Fußbereich der Stützen ausbilden. Ein ideales System stellt im verformten Zustand einParallelogramm dar. Um zu hohe Momente und damit plastische Gelenke über die Stützenhöhezu vermeiden, kann die Schubwand durch zusätzliche Träger ausgesteift werden (s. Bild 2).Alle Rahmen der untersuchten Stahlschubwände wurden gelenkig ausgebildet und entsprechendem schematischen Aufbau aus Bild 2 mit einer horizontalen Aussteifung in der Mitte desSystems.Bild 2: Stahlschubwand ohne und mit Aussteifung3499


2.2 Innere Bleche der StahlschubwändeDie Kapazität von Stahlschubwänden hängt hauptsächlich von den Materialeigenschaftender Bleche, deren Dicke und der Breite der Schubwand ab. Dabei liegt ein entscheidenderPunkt der Bemessung im Anschluss der Bleche und damit deren Kraftübertragung auf dasRahmensystem der Stahlschubwand. Um ein möglichst effektives System zur nachträglichenErtüchtigung bestehender Bauwerke zu erhalten, muss die Dicke und die Streckgrenze dereinzubauenden Bleche begrenzt werden. Im Rahmen der Versuchsreihe der RWTH Aachenwurden drei unterschiedliche Blechtypen mit verschiedenen Anschlussvarianten getestet: (1) 4mm dicke Bleche mit einer Streckgrenze fyk = 235 N/mm 2 angeschlossen über eineSchweißverbindung, (2) 1 mm dicke Bleche der Sorte DX51D mit einer unteren und oberenZugfestigkeit fuk = 270-500 N/mm 2 angeschlossen mittels Setzbolzen und (3) 1 mm dickeBleche der Sorte DX56D mit einer unteren und oberen Zugfestigkeit fuk = 260-350 N/mm 2ebenfalls angeschlossen mittels Setzbolzen. Zur Untersuchung des Tragverhaltens derSetzbolzen wurden verschiedene Anschlussvarianten getestet. Dabei wurde durch dasumkanten der Bleche im Anschlussbereich die doppelte Blechdicke erzielt und somit dieKraftaufnahme einzelner Setzbolzen verdoppelt sowie die Duktilität der Verbindung erhöht.Die folgenden Grafiken zeigen die Versuchsproben und Ergebnisse. Es wurden jeVerbindungsvariante maximal 3 Probekörper getestet.5004


Bild 3: Versuchsreihe zur Untersuchung Verbindungsanschluss Blech-Rahmen3 VERBINDUNG ZWIS<strong>CH</strong>EN STAHLS<strong>CH</strong>UBWAND UND STAHLBETONRAHMENEin entscheidender Punkt im nachträglichen Einbau des Stahlschubwandsystems ist dieKraftübertragung zwischen Stahlbetonstruktur und Schubwand. Ziel ist es, die auftretendenKräfte, welche auf das gesamte Gebäude wirken, in die Stahlschubwand einzuleiten und dabeiein Verbindungssystem zu entwickeln, welches dem Stahlbetonsystem erlaubt, dieVerbindungskräfte aufnehmen zu können. Es wurden 3 Verbindungssysteme durch einfacheStabmodelle analysiert: (a) nur horizontale Kräfte werden auf den Stahlbetonrahmenübertragen, (b) horizontale und vertikale Kräfte werden übertragen, (c) ein zusätzlichesStahlträgersystem leitet die horizontalen und vertikalen Kräfte direkt in die Stahlbetonstützenein (s. Bild 4). Für alle untersuchten Stahlschubwände wurde Variante (c) verwendet. ImFolgenden werden die Vor- und Nachteile aller drei Verbindungsvarianten tabellarischaufgelistet.5501


Verbindungsvariante Vorteile Nachteilehorizontale Verbindung (a)horizontale und vertikaleVerbindung (b)Übertragungssystem (c)hohe vertikale Kräfte amFußpunkt derStahlschubwandgeringere vertikale Kräfte amFußpunkt derStahlschubwandgeringere vertikale Kräfte amFußpunkt derStahlschubwandkeine Schubkräfte imStahlbetonträgerkeine Schubkräfte imStahlbetonträgerhohe Schubkräfte imStahlbetonträgerKrafteinleitung in die Stützendes StahlbetonrahmensTabelle 1: Vor und Nachteile unterschiedlicher Verbindungstypen zwischen Stahlschubwand undStahlbetonrahmenBild 4: Kraftübertragung zwischen Stahlschubwand und Stahlbetonrahmen4 EXPERIMENTELLE UNTERSU<strong>CH</strong>UNGEN4.1 VersuchsprogrammDie Versuchsreihe an Stahlschubwänden umfasste insgesamt 5 Versuche. Einen Test aneinem reinen Stahlbetonrahmen, zwei Tests an Stahlschubwänden ohne Stahlbetonrahmen undzwei weiteren Tests an Stahlbetonrahmen ausgesteift durch Stahlschubwände (s. Bild 5). Imersten Test wurde die Tragfähigkeit des unverstärkten Stahlbetonrahmens bestimmt. In Testzwei wurde eine Stahlschubwand mit durch Schweißverbindungen angeschlossenen 4 mm5026


dicken Blechen (Stahl S235) getestet. In Test drei wurde eine Stahlschubwand mit durchSetzbolzen angebrachten Blechen der Dicke 1 mm (Stahl DX51D) getestet. In Test vier wurdedie gleiche Stahlschubwand wie in Test zwei am Stahlbetonrahmen getestet. In Test fünf wurdeeine Stahlschubwand mit durch Setzbolzen angebrachten 1 mm dicken Blechen (Stahl DX56D)am Stahlbetonrahmen getestet. Die äußeren Rahmenelemente der Stahlschubwände bestandenaus HEB 300 Profilen, die mittlere Aussteifung aus einem HEB 200 Profil und dieTrägerkonstruktion zur Übertragung der Kräfte zwischen Schubwand und Stahlbetonrahmenaus zwei U-300 Profilen. Für diese Elemente wurde Stahl S355 verwendet.Test 1 Test 2+3 2 x U 300Test 4+52 x U 300Bild 5: Versuchsprogram an Stahlschubwänden4.2 Versuchsablauf und MesstellenAlle Versuchskörper wurden zyklischen, weggesteuerten Tests unterzogen. Dabei wurde derBelastungsablauf nach der ECCS-Empfehlung [2] für Tests an Stahlelementen unter zyklischerBelastung aufgebracht. Neben Kraft- und Wegmessung am Druckzylinder wurden ebensoVerdrehungen der Stützen am Fußpunkt und horizontale Verschiebungen auf Höhe allerStahlschubwandträger gemessen. Zudem wurden an den Blechen und Rahmenelementen derStahlschubwände mittels DMS Dehnungen gemessen.7503


Weg (mm)Zyklen (-)Bild 6: Zyklischer Verlauf Test 1 nach ECCS [2]4.3 Test 1: StahlbetonrahmenDer erste Test untersuchte das Verhalten eines reinen Stahlbetonrahmens. Der Rahmenkonnte insgesamt eine maximale Kraft von 13 kN aufnehmen Das System versagte mit denZyklen auf 144 mm Kopfauslenkung. Am Ende war der Stahlbetonrahmen durch die hoheBiegebelastung und das damit erreichte Fließen der Bewehrung in den Eckbereichen so weich,dass keine exakte Kraftmessung mehr möglich war, und der Versuch beendet wurde.4.4 Test 2: Stahlschubwand - Bleche (4mm)In Test 2 wurde eine Stahlschubwand mit 4 mm dicken Blechen (S235) getestet, welche anden Rahmen der Schubwand angeschweißt wurden. Das erste sichtbare Ausbeulen der Blechewurde ab einer Verschiebung von ca. 30 mm erkennbar. Zu diesem Zeitpunkt war bereits eineHorizontallast von knapp über 700 kN erreicht. Der Versuchskörper konnte eine maximale Lastvon 825 kN bei einer Kopfauslenkung von 76 mm aufnehmen. Ab einer Verschiebung von ca.80 mm trat der erste Riss nahe der horizontalen Schweißnähte auf. Infolge weiterer Zyklenkamen bei der gleichen Auslenkung weitere Risse hinzu. Nachdem die Kopfauslenkung eineweitere Steigerung auf 106 mm erfuhr, war erstmals ein Lastabfall von 100 kN zu verzeichnen.Im weiteren Verlauf breiteten sich die Risse auch an den vertikalen Seiten der Beulbleche aus.Der Versuch wurde bei einer maximalen Verschiebung von 139 mm abgebrochen, da zudiesem Zeitpunkt die Risse nahe der horizontalen Schweißnähte zwischen den Beulblechen unddem Schubwandrahmen durchgängig verliefen und bereits ein rapider Lastabfall zuverzeichnen war.4.5 Test 3: Stahlschubwand - Bleche (1mm, DX51D)Die getestete Stahlschubwand in Test 3 unterschied sich von der in Test 2 durch den Einsatz1 mm dicker Bleche (DX51D), die über Setzbolzen an den Rahmen der Schubwandangeschlossen wurden. Aufgrund der Versuchsergebnisse zum Anschluss der Bleche an denRahmen mit Setzbolzen wurden die Bleche im Verbindungsbereich umgekantet und einSetzbolzenabstand von 33 mm gewählt. Im Gegensatz zu Test 2 wurde bei diesem Versuchbereits nach den ersten Millimetern Kopfauslenkung das Beulen der Bleche sichtbar. Diemaximale Kraftaufnahme wurde mit 206 kN bei einer Kopfauslenkung von 36 mm beobachtet.Nach einem konstanten Kraftverlauf bis zu 56 mm Auslenkung trat im zweiten Zyklus auf 56mm ein erster Lastabfall von 30 kN auf. Durch Nettoquerschnittsversagen der Bleche zwischenden Setzbolzen wurde die Kapazität der Schubwand im weiteren Verlauf des Versuchs5048


herabgesetzt, bis die horizontalen Verbindungen wie auch am Ende von Versuch 2 komplettversagten, und der Versuch beendet wurde.4.6 Test 4: Stahlbetonrahmen mit Stahlschubwand – Bleche (4mm)In Test 4 wurde eine identische Stahlschubwand wie in Test 2 im Einsatz mit einemStahlbetonrahmen geprüft. Aufgrund der im Vergleich zur Stahlschubwand minimalenKraftaufnahme des Stahlbetonrahmens verlief der Test nahezu identisch wie Test 2. DieKraftübertragung zwischen U-Profil-Konstruktion und Stahlbetonrahmen zeigte einausgesprochen gutes Verhalten. Der erste erkennbare Beulausschlag trat beim ersten Zyklus bei28 mm Kopfauslenkung auf. Die maximale Lastaufnahme wurde bei 84 mm Kopfauslenkungdes Systems mit 857 kN gemessen. Das Versagen der Schubwand trat durch Risse nahe derSchweißnahtverbindungen infolge des weiteren zyklischen Testablaufs wie in Test 2 ein.4.7 Test 5: Stahlbetonrahmen mit Stahlschubwand – Bleche (1mm, DX56D)Mit Versuch 5 wurde eine weitere Stahlschubwand im Einsatz an einem Stahlbetonrahmengetestet. Der Aufbau des Versuchskörpers entsprach dem von Test 4, jedoch kam als Stahl fürdie 1 mm dicken Bleche ein DX56D zum Einsatz. Der Setzbolzenabstand wurde wegen dergeringeren Zugfestigkeit des eingesetzten DX56D auf 43 mm erweitert. Ebenso wie in Test 3trat auch hier bereits bei geringer Auslenkung das Beulen der Bleche auf. Bei 80 mmKopfauslenkung wurde die maximale Tragfähigkeit von 178 kN erreicht. Durch die geringereZugfestigkeit konnte ein deutlich besseres Anschlussverhalten der Bleche mit dem Rahmenerreicht werden. Das Versagen der Verbindung trat erst deutlich später und in kleineremAusmaß auf. Damit erreichte das Stahlschubwandsystem eine nochmals gesteigerte Duktilitätim Vergleich zu allen anderen getesteten Versuchsproben. Die nachfolgenden Bilder zeigen dieVersuche sowie die aufgezeichneten Hysteresen.Bild 7: Versuchsaufbau und Hysteresen Test 19505


Bild 8: Versuchsaufbau und Hysteresen Test 2 (links), Test 3 (rechts)Bild 9: Versagen Verbindung Blech-Rahmen Test 2 (links), Test 3 (rechts)50610


Bild 10: Versuchsaufbau und Hysteresen Test 4 (links), Test 5 (rechts)5 ZUSAMMENFASSUNGIm Rahmen des STREELRETRO Projektes wurde eine Versuchsreihe an Stahlschubwändendurchgeführt. Dabei wurden ein Stahlbetonrahmen als Referenzrahmen getestet, zwei reineStahlschubwände mit unterschiedlichen Blechen, sowie zwei weiteren Stahlschubwänden alsAussteifungssystem an je einem Stahlbetonrahmen mit ebenfalls unterschiedlichen Blechen.Zudem wurden Versuche hinsichtlich der verschiedenen Anschlussmöglichkeiten getestet. Allegetesteten Varianten an Stahlschubwänden erwiesen sich aufgrund ihrer hohen Duktilität alsgute Kontrollsysteme zur Aussteifung bestehender Gebäude im Erdbebenfall.Innerhalb des Projektes wurde zusätzlich auch eine Parameterstudie mit Hilfe von FE-Simulationen durchgeführt und dabei bestehende Bemessungsformeln analysiert (siehe [4]).DANKSAGUNGDas Forschungsprojekt STEELRETRO wurde gefördert vom Research Fund for Coal andSteel (RFCS). Die Hilti AG Liechtenstein unterstütze die Versuchsreihe durch die verwendetenSetzbolzen. Beiden gilt an dieser Stelle ein ausdrücklicher Dank.LITERATUR[1] A. Braconi et. al.: RFSR-CT-2007-00050 (STEELRETRO): Technical report 3, März2009.11507


[2] ECCS: Recommended Testing Procedure for Assessing the Behaviour of Structural SteelElements under Cyclic Loads, Technical working group 1.3, 1986.[3] M. Gündel, D. Schmitt, B. Hoffmeister: Experimental investigations on steel shear wallsas seismic retrofit measure for existing RC-buildings, Proceedings of the COST ActionC26 Final Conference, Naples, 16 – 18 September 2010.[4] D. Schmitt, Experimentelle und numerische Untersuchungen von Stahlschubwänden zurVerstärkung von bestehenden Stahlbetongebäuden unter Erdbebenbelastung,Diplomarbeit am Institut für Stahlbau der RWTH Aachen, Aachen 2010.[5] M.Guendel, B. Hoffmeister, M. Feldmann: Experimental and numerical investigations onSteel Shear Walls for seismic retrofitting, Proceedings of the 8th InternationalConference on Structural Dynamics, EURODYN <strong>2011</strong> Leuven, Belgium, 4-6 July <strong>2011</strong>[5] A. Formisano: Seismic upgrading of existing RC buildings by means of metal shearpanels: design models and full-scale tests, PhD thesis, University of Naples, 2006.50812


12. D-A-<strong>CH</strong> Tagung – Erdbeben und BaudynamikC. Könke (Hrsg.)Hannover, Deutschland, 15.–16. September <strong>2011</strong>EXPERIMENTELLE UNTERSU<strong>CH</strong>UNGEN VONERTÜ<strong>CH</strong>TIGUNGSMAßNAHMEN AN EINEMMAUERWERK<strong>SGEB</strong>ÄUDE MIT MULTIAXIALEM FASERGELGEUNTER ERDBEBENBEANSPRU<strong>CH</strong>UNGM. Urban *, L. StempniewskiKarlsruher Institut für Technologie (KIT)Gotthard-Franz-Straße 376131 KarlsruheE-mail: Moritz.Urban@kit.eduKeywords: Erdbebenverstärkung, Mauerwerk, multidirektionale Gelege, Glasfaser,Polypropylenfaser, Epoxidharz vergüteter Mörtel.Abstract. Im Rahmen des EU-Projektes „Polytect“ (www.polytect.net) und „Polymast“ wurdeein 2-stöckiges Mauerwerksgebäude aus Naturstein auf dessen Erdbebentauglichkeit getestet.Die Architektur war mit den Gebäuden aus L’Aquila (Italien) vergleichbar, wo im April 2009ein Erdbeben der Magnitude von 6,3 260 Tote, 1000 Verletzte und 28000 Obdachlose forderte.In einer ersten Testserie wurde das unverstärkte Gebäude mit einem Zeitverlauf desMontenegro Erdbebens (1979) auf einem 4 x 6 m großen Rütteltisch am EU-Center in Paviadynamisch belastet, bis die Schädigungen des Gebäudes so stark waren, dass ein Kollapsunmittelbar bevorstand.Danach wurde das Gebäude mit Hilfe des am KIT entwickelten Erdbebenverstärkungssystemseq-grid ertüchtigt. Das System besteht aus einem Epoxidharz vergüteten Feinspachtel, in demein 4-axiales hybrides Glasfaser-Polypropylengelege eingebettet war. Durch die nachträglicheVerstärkung war man in der Lage die Tragfähigkeit des Gebäudes so zu steigern, dass selbstbei der maximalen möglichen Grundbeschleunigung des Rütteltisches von 0.6 g dieStandsicherheit nie gefährdet war, sondern nur geringe rein kosmetische Schäden auftraten.1509


1 EINLEITUNGMauerwerk ist seit Jahrtausenden neben Holz eines der beliebtesten Materialien in derGeschichte der Bauwerkskunst. Neben seinen vielen Vorteilen wie zum Beispiel der einfachenVerarbeitung, guten Wärmespeicher- und Isoliereigenschaften und seiner hohenDauerhaftigkeit, wurden aber auch Nachteile speziell in Regionen hoher seismischer Aktivitätbeobachtet. Mauerwerk ist ein sehr sprödes Material und hat verglichen zu seiner hohenDruckfestigkeit ca. nur ein Zehntel an Zugfestigkeit. Diese Nachteile führen bei derLasteinwirkung Erdbeben zu vielen Schwachstellen in einer Konstruktion, die jedoch durchnachträgliche Verstärkungsmaßnahmen behoben werden können.2 MATERIALEIGENS<strong>CH</strong>AFTENIm Allgemeinen unterscheidet man zwei Hauptversagensrichtungen:a) Biegung aus der Ebene, so dass eine Plattenwirkung entsteht (Out-of-plane)Bild 1: Out-of –plane „Plattenbiegung”Bei der out-of-plane Biegung muss man in erster Linie die Lagerung und somit dieTragrichtung beachten. Abhängig von der Auflast und der seitlichen Lagerung entsteht bei derVerdrehung eine zusätzliche Normalspannung im Mauerwerk, die gewöhnlich günstig wirkt, dader Querschnitt mehr überdrückt wird. Da nur eine vernachlässigbar geringe Zugkraftvorhanden ist, kann das Mauerwerk das Moment nur durch einen überdrückten Querschnittaufnehmen. Durch eine nachträgliche flächige außenseitige Anbringung eines hoch zugfestenTextils als „Zugbewehrung“ kann der Querschnitt auf ein vielfaches höher ausgenutzt werden,da der Effekt der klaffenden Fuge vermieden wird und analog zu Stahlbeton sich ein inneresZug-Druck-Kräftepaar ausbildet.5102


) Biegung und Schub in der Wandebene, so dass eine Scheibenwirkung entsteht (In-plane)Bild 2: Versagensarten für ScheibenwirkungWird eine Wand in der Ebene horizontal und vertikal belastet, können sieben verschiedeneArten von Versagen entstehen (Siehe Bild 2).Die häufigsten Versagensarten sind die Fälle 2, 5 und 7. Beim Schubversagen in den Fugen(Fall 2) entsteht nach überschreiten der Haftzugfestigkeit zwischen Mörtelfuge und Stein einSchubriss, der im Nachbruchverhalten proportional von der Normalkraft abhängig ist, da derWiderstand nur aus einer Reibungskomponente besteht. Das Multiaxialgelege wurde soentworfen, dass durch die Anordnung von schrägen (ca. 30°) hochduktilen Fasern eineVerstärkung und vor allem eine Sicherung gegen unkontrolliertes Abgleiten erreicht wurde.Insbesondere der Nachbruchbereich konnte durch die schrägen Fasern stabilisiert werden.Da Mauerwerk zwar eine hohe Druckfestigkeit, aber nur eine sehr geringe Zugfestigkeit besitzt,entstehen bei Ausbildung einer kräftigen Druckstrebe Querzugkräfte, die zu diagonalentreppenartigen Rissen in den Stoß- und Lagerfugen führen. In seltenen Fällen lassen sich auchdiagonale Risse durch Steine erkennen. Durch die Anordnung von horizontalen und diagonalenZugfasern können diese Risse so überbrückt werden, dass (a) die Tragfähigkeit gesteigert wirdund (b) die Rissbreiten beschränkt bleiben, so dass ein Stabilitätsversagen auf Grund vonEffekten aus Theorie II. Ordnung vermieden werden. Appliziert man auf die Oberfläche derWand eine Faserverstärkung, lässt sich eher ein Versagen entweder (a) in den Fasern, (b) dereinbettenden Matrix oder (c) der Steinhaut beobachten (Versagensart 4).3511


3 VERSTÄRKUNGSSYSTEMEZwei mögliche Verstärkungssysteme wurden am KIT entwickelt. Das Erste besteht auseinem hochduktilen atmungsaktiven Polyurethanklebstoff und einem flächigen biaxialen AR-Glasfasergewebe. Der Klebstoff wird auf einen bestehenden Putz aufgetragen und befestigt dasGewebe, das wiederum die Zugverstärkung bewirkt. Das hat den Vorteil, dass bei einembestehenden Gebäude kein Putz entfernt werden muss, sofern er eine ausreichendeTragfähigkeit zum Stein aufweist. Dieses Erdbebensystem eq-top ist nicht Gegenstand diesesArtikels.Die zweite Verstärkungstechnik eq-grid wird direkt als Mörtelsystem auf den Stein aufgetragenund soll hier Gegenstand der Betrachtung sein. Unter Berücksichtung der vielen möglichenSchadensfälle wird klar, dass man viele verschiedene Richtungen mit Fasern abdecken muss,um jede Versagensart zu berücksichtigen, um ein universelles Verstärkungssystem zu erhalten.Daher wurde ein quaddirektionales hybrides Glasfaser-/Polypropylengelege entwickelt, das alldiese Versagensarten berücksichtigt und einen optimalen Verstärkungseffekt bewirkt. In einemSandwichaufbau, der aus einer Schicht hochfestem Epoxidharz vergütetem Mörtel, eingelegtemFasertextil und einer abdeckenden Schicht desselben Mörtels besteht, wird das ganze Systemflächig im frisch-in-frisch Verfahren auf der Außenseite eines Gebäudes aufgebracht.Bild 3: Gewebe im MörtelbettBild 4: Multiaxiales Gelege4 WANDVERSU<strong>CH</strong>EMit kleinen Wandversuchskörpern der Größe 1,25 m x 1,25 m x 0,24 m wurden zunächstverschiedene Gelege- und Mörtelarten getestet und anschließend optimiert. Dabei wurden dieFasermaterialien Karbon, E-Glas, AR-Glas und Polypropylen verwendet, wobei diese in denvier Richtungen so miteinander kombiniert wurden, dass sie je nach Versagensart optimaleErgebnisse erzielten. Als Belastung wurde die über die gesamte Versuchsdauer konstantevertikale Auflast zwischen 0,2 und 1,0 MN/m² variiert. Gemessen wurde der horizontaleWiderstand und Weg, der durch einen Weg geregelten Kolben sinusförmig und zyklischaufgebracht wurde.5124


Bild 5: Wandversuch 1,25m x 1,25mBild 6: Diagonale SchubrisseIm Vergleich zwischen einer unverstärkten (98 kN) und einer verstärkten Wand (232 kN)wurde die maximale horizontale Last um 136% gesteigert. Zusätzlich konnte dieVerschiebeduktilität um mehr als 200% gesteigert werden. Das Versagen trat durch diagonaleKreuzrisse auf, die anfangs durch die Glasfasern überbrückt wurden. Nach dem Zerreißen dersteifen Glasfasern wurden nach und nach die ebenfalls verwendeten, wesentlich weicherenPolypropylenfasern aktiviert. Letzt genannten trugen wesentlich zur Steigung der Duktilität imNachbruchverhalten bei.Bild 7: Hysteresekurve der unverstärkten WandBild 8: Hysteresekurve der verstärkten Wand5513


5 TEST AM UNVERSTÄRKTEN GEBÄUDENach dem Erdbeben in L’Aquila 2009 wurden Untersuchungen an Gebäuden mit derselbenArchitektur unternommen. Dazu wurde im EUCENTRE in Pavia ein Natursteingebäude mitHolzdecke von 5,8 m Höhe, 5,8 m Länge und 4,4 m Breite aufgebaut und auf einemunidirektionalen Rütteltisch getestet. Es wurde der Beschleunigungsverlauf des MontenegroErdbebens (1979) verwendet und fünfmal mit steigender Intensität und skalierter maximalerGrundbeschleunigung aufgebracht. Folgende maximale Grundbeschleunigungen wurdenverwendet: 0.05 g; 0.1 g; 0.2 g; 0.3 g; 0.4 g. Nach der Belastung mit dem Erdbeben mit einerBasisbeschleunigung von 0.4 g war das Gebäude so stark beschädigt, dass der Einsturz kurzbevorstand. Größere Schäden wurden bereits bei einer Beschleunigung 0.15 g beobachtet.Bild 9: Unverstärktes Natursteingebäude im geschädigten ZustandViele der zuvor beschriebenen Versagensarten traten hier auf. Durch die weiche Holzdecke gabes keine Kopplung der Wände untereinander. Daher konnte auch bei 1) und 2) ein out-of-planeBiegeversagen auftreten (siehe Bild 9). Bei 3) wurden diagonale Kreuzrisse und horizontaleSchubrisse beobachtet. Dadurch dass die Frontseite nach der Rissbildung wesentlich stärkerverformt wurde, entstanden bei 4) Risse in der Ecke, die durch einen Winkel von


Bild 10: Frequenzanalyse des Gebäudes mit Artemis6 TEST AM VERSTÄRKTEN GEBÄUDEDas unverstärkte Gebäude wurde mit sehr einfachen Mitteln wieder instandgesetzt und ineinem zweiten Testprogramm durch denselben Erdbebenschrieb erneut belastet. Da vieleNagelverbindungen stark plastisch verformt waren, wurde zur Aussteifung zusätzlich eineHolzplatte mit einer Stärke von 1,8 cm im Versatz auf die Decke aufgenagelt, um dieursprüngliche Deckensteifigkeit wieder herzustellen. Die vorhandenen Risse wurden lediglichmit Epoxidharz geschlossen. Die Hauptinstandsetzungsmaßnahme bestand in der Applikationdes Mörtel-Textilsystems direkt auf die Außenseite des Gebäudes im frisch-in-frischSandwichverfahren. Bei glatten Oberflächen, wie den kleinen Wandversuchen, wurdegewöhnlich eine Schicht von 4mm Mörtel – Gelege – 4 mm Mörtel aufgetragen, wobei hier dieerste Schicht durch die große Unebenheit Schwankungen von 4 bis 15 mm aufwies.Bild 11: Gewebeapplikation am EUCENTRE (Pavia)7515


Der Rütteltischversuch wurde analog zu dem unverstärkten Gebäude mit demBeschleunigungszeitverlauf des Montenegro-Erdbebens durchgeführt. Die Stufen dermaximalen Grundbeschleunigungen waren: 0.1 g; 0.3 g; 0.4g; 0.5 g; 0.6 g. Die Belastung mit0,6 g entsprach der maximalen Kapazität der Versuchseinrichtung.Nach dem letzten Belastungstest von 0.6 g entstanden zwischen der linken Tür und Fenster indem Sturzbereich sichtbare Risse in der Matrix und Faser. Durch die sehr große Verformungdieses Bereichs entstand zwischen der ersten Mörtelschicht und dem Gelege ein Bereich mitgeringfügiger Delamination. Von den Ecken der Tür und des Fensters beginnend, konnten0,5 cm breite Risse beobachtet werden, wo die horizontalen Glasfasern planmäßig gerissenwaren und der Riss nun durch die weichen, hochduktilen diagonalen Polypropylenfasernüberbrückt wurde.Bild 12: a) Delamination am Stürzbereich, b) Gerissene horizontale GlasfasernErste feine Risse konnten erst bei 0.5 g beobachtet werden. Eine Analyse des Abfalls derrelevanten Eigenfrequenz bestätigt, dass erste mechanische Veränderungen ab der Stufe von0.5 g entstanden. Somit war das Gebäude bei der maximalen Belastungsgrenze desunverstärkten Referenzgebäudes noch vollständig intakt, obwohl es im ersten Versuchslaufbereits nahezu zerstört wurde.11Frequenzabfall10Frequenz [Hz]98760.1 g 0.3 g 0.4 g 0.5 g 0.6 gTestsBild 13: Frequenzabfall als Schadensindikator für das verstärkte Gebäude5168


7 FAZITTrotz des hohen Schädigungsgrades des unverstärkten Gebäudes, war man in der Lage dasGebäude mit einem multiaxialen hybriden Fasergelege so wiederherzustellen, dass dieursprüngliche maximale Beschleunigung von 0.4 g diesmal ohne nennenswerte Schädigungerneut aufbracht werden konnte. Da die Kapazität des Rütteltisches eine maximale Belastungvon 0.6 g besitzt, konnte das verstärkte Gebäude nicht bis zum Versagen getestet werden.Separat durchgeführte nichtlineare Berechnungen ergaben Werte um 0.8 g und damit doppeltso hohe Werte wie das ursprüngliche Gebäude. Die Gesamtergebnisse zeigen, dass man in derZukunft nach einem Erdbebenfall mit dem Verstärkungssystem eq-grid entscheiden kann, obman ein beschädigtes Mauerwerksgebäude abreißt oder wieder kostengünstig instand setzt.LITERATUR[1] M. Urban, L. Stempniewski: Reinforcement and measurement method for earthquakedamaged masonry buildings tested on a shaking table, 3 rd ECCOMAS conference oncomputational methods on structural dynamics and earthquake engineering, Karlsruhe<strong>2011</strong>.[2] C. Wallner: Erdbebengerechtes Verstärken von Mauerwerk durch Faserverbundwerkstoffe,Dissertation, Karlsruhe 2008.[3] J. C. Münich: Hybrid Textile Reinforcement in a cement-based matrix for Retrofitting ofMasonry, Karlsruhe 2008.[4] C. Wallner, L. Stempniewski: Experiments on seismic retrofitting of In-plane loadedmasonry walls with fibre composites, in: Brebbia, C. A. et al: Fifth world conference onearthquake resistant engineering structures, Wessex Institute of Technology, UK, p. 601-610, 2006.[5] D. C. Schermer: Verhalten von unbewehrtem Mauerwerk unter Erdbebenbeanspruchung,Dissertation, München 2004.[6] J. C. Münich: Hybride Multidirektionaltextilien zur Erdbebenverstärkung von Mauerwerk– Experimente und numerische Untersuchungen mittels eines erweiterten Makromodells.Dissertation, Karlsruhe 20109517


Postersession


Messung der Mikroseismizität im Bereich Landau / SüdpfalzJörn Groos und Joachim Ritter, KIT, Geophysikalisches InstitutIm Rahmen des Forschungsverbundes MAGS - Konzepte zur Begrenzung derMikroseismischen Aktivität bei der energetischen Nutzung Geothermischer Systemeim tiefen Untergrund – liegt der Schwerpunkt der Forschungsarbeiten aufhydrothermalen Systemen, da hier für die nahe Zukunft die meisten Anwendungenzur geothermischen Energiegewinnung in Deutschland zu erwarten sind. Mitgeothermischer Energiegewinnung wird hier die tiefe Geothermie bezeichnet, beiwelcher Strom und Wärme mit erhitztem Wasser aus über 2-3 km Tiefe gewonnenwird. Diese Form der Nutzung hat insbesondere in der Molasse, im Oberrheingraben(Südpfalz) sowie im norddeutschen Becken bereits begonnen. Diese Regionenbilden daher die geographischen Schwerpunkte der im Verbundvorhabenuntersuchten Gebiete. Das Geophysikalische Institut des Karlsruher Instituts fürTechnologie ist mit der Durchführung des Einzelprojektes 1 - Quantifizierung undCharakterisierung des induzierten seismischen Volumens im Bereich Landau /Südpfalz – am Verbundprojekt beteiligt.Im Umfeld eines geothermischen Kraftwerks in Landau, Südpfalz, sind im Sommerund Herbst 2009 deutlich spürbare Erdbeben aufgetreten (Intensität V+). DieseEreignisse werden mit dem Kraftwerksbetrieb direkt in Verbindung gebracht. Imbenachbarten Insheim wurden bei Stimulationsversuchen für ein weiteresgeothermisches Kraftwerk ebenfalls spürbare Erschütterungen verursacht. DieEreignisse von Landau haben in der Öffentlichkeit bereits eine generelle Skepsisgegenüber der erneuerbaren Energiequelle tiefe Geothermie ausgelöst, obwohl diedortigen Vorgänge noch nicht abschließend geklärt sind. Diese schwachen Erdbeben(Magnitude kleiner 3) gefährden daher den weiteren Kraftwerksbetrieb in Landau undinsgesamt die weitere Entwicklung tiefer geothermischer Energiegewinnung ananderen Standorten in der Südpfalz.Der bestehende seismologische Datensatz aus dem Bereich Landau soll erweitert,vereinheitlicht, veröffentlicht und umfassend bzgl. der Seismizitätsparameterausgewertet werden. Hierzu werden seismologische Messungen mit Stationen desKarlsruher BreitBand Array (KABBA) durchgeführt. Mehrere dieser Stationenübertragen die Messdaten direkt über Mobilfunk an das KABBA-Datenzentrum. Diebestehenden und neuen seismologischen Daten werden durch ein SeisComP3-System verwaltet und den Projektpartnern zur Verfügung gestellt. Die Echtzeit-Datenströme werden für die Erprobung einer Echtzeit-Überwachung unmittelbar andas Datenzentrum der BGR in Hannover übertragen.Mit dem bestehenden und vor allem mit den neu gemessenen Wellenformen sollendie raum-zeitliche Entwicklung der Seismizität rekonstruiert und das aktivierteseismische Volumen unter Landau beschrieben werden. Bei einem Auftretendeutlicher Seismizität an benachbarten Geothermie-Standorten soll diese ebenfalls indie Auswertung einbezogen werden, um eine möglichst repräsentative Einschätzungder Seismizität an tiefen geothermischen Standorten im Oberrheingraben zuerhalten. Aus diesen Ergebnissen werden Modelle abgeleitet, welche die Ursachenund Mechanismen der induzierten Seismizität erklären, um Maßnahmen zurVermeidung zukünftiger starker Seismizität ergreifen zu können.Das Verbundprojekt MAGS (Förderkennzeichen 0325191A) wird durch dasBundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit finanziert.


D-A-<strong>CH</strong> Tagung 15.-16. September <strong>2011</strong>AmQuake – Eine Software für Mauerwerks-Design auf Grundlage derPush-Over Analyse nach Eurocode 6 und 8Autoren: Andreas Jäger (1) , Jan Cervenka (2) , Martin Kasa (1) , und Suikai Lu (1)(1) Wienerberger AG, Wienerbergstraße 11, Wienerberg City, A-1100 Wien(2) Červenka Consulting Ltd, Na Hrebenkach 55, 150 00 Prague 5, TschechienDie Einführung der Eurocodes in der Europäischen Union hat erhöhte Anforderungen an dasseismische Design von Mauerwerk nach sich gezogen. Diese neuen Anforderungen erhöhendie Sicherheitsstandards der Bauindustrie, gleichzeitig sind aber auch die Ingenieure gefordertneue Methoden und Berechnungsverfahren einzusetzen. Der Eurocode 8 erlaubt dieAnwendung von realitätsnahen nichtlinearen Berechnungsmethoden wie der Push-OverMethode. Diese Methode ermöglicht es Ingenieuren die dissipativen Eigenschaften derStrukturen realistisch zu berechnen. Gleichzeitig bleibt die Komplexität der Berechnung ineinem akzeptablen Rahmen.Die Wienerberger AG verwendet viel Energie und Ressourcen in die Entwicklung von neueninnovativen Lösungen für ihre Kunden. In Kooperation mit Cervenka Consulting wurde dieSoftware AmQuake entwickelt, mit der seismische Berechnungen von Mauerwerksbauteneinfach durchgeführt werden können. In diesem Artikel werden die theoretischen Grundlagendieser Software vorgestellt. Weiters wird die Performance der vorgeschlagenen Methodikanhand von einfachen Beispielen mit analytischen Lösungen verifiziert. Die Validierung derModellbildung von unbewehrten und eingefassten Mauerwerkswänden erfolgt anhand vonvorhandenen Versuchsdaten aus der Literatur. Versuchsergebnisse von ESECMaSe Tests aneinfachen Mauerwerksbauten sind Grundlage für die Validierung des Modells aufBauwerksebene.Das vorgestellte Programm basiert auf der Push-Over Methode und der äquivalentenRahmenmethode. Bei dieser Methode wird jede Wand durch einen vertikalen Balkenmodelliert. Die Parapete, Überlager und Stahlbetonringbalken werden durch horizontaleBalkenelemente modelliert, die durch spezielle steife Verbindungen mit den vertikalenElementen verbunden sind. Diese steifen Verbindungen werden in der zugrundeliegendenFinite Element Lösung als generalisierte Verschiebungsrandbedingungen behandelt. Dasnichtlineare Verhalten des Mauerwerks und der Stahlbetonelemente wird auf derQuerschnittsebene eingeführt. Das bedeutet dass die Querschnittskräfte wie Momente,Normal und Querkräfte in den kritischen Querschnitten berechnet und mit den Widerständengemäß den Formeln nach Eurocode 6 und 2 verglichen werden. Wenn die vorhandenen Kräftedie Querschnitts Grenztragfähigkeit erreichen werden plastische Gelenke eingeführt. Für dieweitere Berechnung wird ein nichtlinearer iterativer Lösungsalgorithmus basierend auf derBogenlängen Methode (Arc-length method) verwendet. Diesem Ansatz folgend wird dievollständige Push-Over Kurve für verschiedene Orientierungen und Formen derHorizontalkraft berechnet. Die Verschiebungskapazität und die Zielverschiebungen werdennach den Vorgaben des Eurocode 8 berechnet.Dieser Artikel zeigt dass der gewählte Ansatz, der strikt den Vorgaben der Eurocode 6 und 8folgt, eine Lösung darstellt die eher konservativ ist. Sie liefert aber im Vergleich zu denüblich verwendeten linearen Analysen mit den q-Faktoren eine erhöhte strukturelle Kapazität.Gleichzeitig kann mit der präsentierten Methode das strukturelle Verhalten und derVersagensmechanismus des Gebäudes realitätsnah beurteilt werden.


D‐A‐<strong>CH</strong>‐Tagung <strong>2011</strong> am 15./16. Sept. <strong>2011</strong> in HannoverKurzfassung des geplanten Beitrags, Projektforum „Wiener Baukultur“Arbeitstitel:Vor‐Ort‐Untersuchungen, Messungen und Modellberechnungen zum wirklichkeitsnahen Nachweisder Erdbebensicherheit von Wiener Gründerzeithäusern 1 und Strategien zu deren ErtüchtigungDie Erdbebenkapazität bestehender Mauerwerksbauten ist ein bestimmendes Thema für dieModernisierung der bestehenden Bausubstanz unserer Städte, sowohl für den Umbau, als auch fürdie Verdichtung der Stadtzentren z.B. durch Dachgeschoßausbauten. Die überliefertenBerechnungsmodelle für die Ableitung von Horizontallasten haben sich dabei als wenig nützlicherwiesen, ergeben sie doch Kapazitäten, die meist nicht nur deutlich unter den von neuen Normengeforderten Werten liegen, sondern auch unter den Einwirkungen, welche die Gebäude im Laufeihres Bestehens bereits (schadensfrei) überstanden haben 2 . Formale Anforderungen anMindestfestigkeiten und maximale Schlankheiten, welche in diesen Regelwerken festgeschriebensind, aber im Bestand oft nicht eingehalten sind, erschweren einen praktizierbaren Umgang mit derbestehenden Bausubstanz zusätzlich.Die hier dargelegten Umstände haben in Wien – und vermutlich nicht nur hier – über die letztenJahre zu einem Rückgang von Umbauprojekten und zur Einschränkung bzw. sogar zum Ausschlussbestimmter Bauweisen bei Eingriffen in den Bestand geführt, teilweise ohne klar nachvollziehbaremechanische Begründung. Daher hat sich in Wien eine Projektgruppe aus Ingenieurbüros,Baumeistern und Immobilienfachleuten gebildet, die Gruppe „Wiener Baukultur“, welche sich zumZiel gesetzt hat, moderne Rechenmethoden (Nachweise nach EC6, Push‐over‐Analyse, FEA‐Kontinuumsberechnungen, etc.) zu vergleichen und auf ihren praktischen Einsatz zur Berechnung vonBestandsbauten zu testen und praxisnahe Ertüchtigungsmaßnahmen zu entwickeln, mit denen dieErdbeben‐Kapazität dieser Bauten gesteigert werden kann. Dafür wurde vor ca. einem Jahr einForschungsprojekt gestartet.In gemeinsamer Anstrengung werden seit Frühjahr 2010• eine Auswahl von Altbauten auf ihre konstruktive Ausbildung überprüft, speziell hinsichtlichder Eignung von Holzdecken für die Ableitung von Scheibenkräften (Menge und konstruktiveAusbildung von Stahlschließen, Holzverschalungen, Tramkästen, Rosten etc.)• Vor‐Ort‐Messungen zur Untersuchung des Tragverhaltens von Altbauten durchgeführt(Großschwingversuch) bzw. zur Durchführung ab Frühjahr <strong>2011</strong> vorbereitet (DynamischeUntersuchungen von Holzdecken mittels horizontal wirkendem Unwuchterreger). Für diegeplanten Versuche stehen „Abbruchbauten“ zur Verfügung, welche auch Prüfungen anfreiglegten Konstruktionen und auch statische bzw. zerstörende Versuche (Auszugsversuchean Dippelbäume etc.) erlauben.1 Gründerzeithäuser sind mehrgeschoßige Vollziegelmauerwerksbauten in geschlossener (Block‐)Bauweise mittypischen Abmessungen, Grundrissen und Bauweisen , ; Entstehungszeit vor 1900)2 In Wien sind – in der Zentralanstalt für Meterologie und Geodynamik (ZAMG) –Erdbeben registriert, derenEinwirkungen die gemäß der überlieferten Berechnungsmodelle ermittelten Widerstände „normaler“Aussteifungswände beträchtlich übersteigen (siehe später)


• Rechenmodelle zum Kapazitätsnachweis nach EC6 programmiert, unter speziellerBerücksichtigung des Kippens von hohen, schlanken Mauerwerkswänden• Modelle zur wirklichkeitsnahen Berücksichtigung des Kopplungseffektes vonMauerwerkspfeilern durch Stürze und Parapete ohne biegesteife Stahlbetondeckenuntersucht, bzw. zur geeigneten Berechnung der Tragkapazität von unterbrochenen(„gelochten“) Mauerwerkswänden.• 3d‐FEA‐Modelle berechnet, zum Studium der Modellierungsprobleme bzw. der kritischenModellzonen und zum Vergleich der Kapazitäten mit den Ergebnissen alternativerBerechnungsmethoden• Modelle zur wirklichkeitsnahen Erfassung der effektiven Tragwirkung der Holzdecken (TramundDippelbaumdecken) untersucht.• möglichst einfache und wirtschaftliche bauliche Eingriffe untersucht, durch welche dieTragfähigkeit der Bestandsbauten erhöht werden kann – möglichst auch für bewohnteObjekte, z.B‐ Maßnahmen zur Scheibenausbildung von Holzdecken im Zuge vonRevitalisierungsmaßnahmen‐ Einbau von Stahlträgern bzw. –rahmen zur möglichst effektiven Kopplung benachbarterMauerwerkspfeiler bzw. zur bestmöglichen Kompensation von Wandöffungen‐ Verpressung ausgewählter MauerwerksbereicheAusgangspunkt der Betrachtungen ist dabei der Umstand, dass Wien im Jahre 1972 einem Bebenausgesetzt wurde 3 , dessen Beschleunigungen über 50% des modernen Bemessungsbebensentsprachen und bei dem keine großen Gebäudeschäden gemeldet wurden – die größten Schädenbetrafen lockere Gesimse und Kamine bzw. herabgestürzte Putzteile.Es kann und muss daher davon ausgegangen werden, dass die derzeit (in Wien) angewendetenNachweismethoden deutlich zu konservativ sind und die tatsächliche Tragkapazität unsererBestandsbauten nicht ausreichend abbilden.Die „Gruppe Wiener Baukultur“ hat sich zum Ziel gesetzt, die tatsächlichen Tragkapazitäten derBestandsbauten durch geeignete Modelle abzubilden und die Bestandsbauten in ihrerkonstruktiven Gesamtheit wieder einer plausiblen, mechanischen Betrachung und Berechnungzugänglich zu machen.Wir planen, bis zum Frühsommer die bis dahin erarbeiteten Resultate zusammen zu fassen undwürden diese im Rahmen der Tagung gerne vorstellen und zur allgemeinen Diskussion freigeben.3 dem „Seebensteinbeben“ vom 16.April 1972, mit einer in Wien registrierten Intensität von 6.5; Distanz zumEpizentrum 60 km


D-A-<strong>CH</strong> <strong>TAGUNG</strong> <strong>2011</strong>Erdbebeningenieurwesenund Baudynamik

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!