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«Ich bedaure jedes tote Tier – doch so ist die Natur» - Engadiner Post

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Donnerstag, 28. Mai 2009 3<br />

Vor 20 Jahren wurde das Hotel «Waldhaus» in Vulpera ein Raub der Flammen<br />

Der grosse Verlust eines Kulturdenkmals<br />

Der 27. Mai 1989 war einer<br />

der traurigsten Tage in<br />

der Geschichte wichtigster<br />

Zeugen der bündnerischen<br />

Hotelarchitektur. Das einzige<br />

Fünf-Sterne-Haus<br />

im Unterengadin, das Hotel<br />

«Waldhaus» in Vulpera,<br />

brannte nach erfolgter Renovierung<br />

vollständig nieder.<br />

Benedict Stecher<br />

Den tragischen Samstag, 27. Mai<br />

1989, werden <strong>die</strong> Unterengadiner<br />

Einwohner, be<strong>so</strong>nders jene von Vulpera<br />

und Umgebung, nicht <strong>so</strong> schnell<br />

vergessen.<br />

Rolf Zollinger, Direktor der «Einfachen<br />

Gesellschaft Clemgia» und des<br />

Hotels «Waldhaus», erinnert sich mit<br />

Schrecken daran zurück. «Eine Woche<br />

vor Sai<strong>so</strong>nbeginn brach um 03.45<br />

Uhr im Hotel ‘Waldhaus’ das Feuer<br />

aus. Zuerst war vor allem Rauch zu<br />

sehen», erklärt er. «Um 5.15 Uhr traf<br />

<strong>die</strong> Feuerwehr ein. Und um 5.40 Uhr<br />

schmolzen <strong>die</strong> Fensterscheiben.»<br />

Luft drang ins Innere des Gebäudes.<br />

Ab <strong>die</strong>sem Zeitpunkt brannte<br />

das grosse Haus lichterloh und an<br />

eine Rettung des Gebäudes war<br />

nicht zu denken. Das unter Denkmalschutz<br />

stehende Gebäude im Baustil<br />

der Neo-Renaissance wurde Opfer<br />

der Flammen. Die Feuerwehren der<br />

Gemeinden Tarasp und Scuol hatten<br />

keine Chance gegen <strong>die</strong> gierigen<br />

Flammen und mussten sich auf <strong>die</strong><br />

Rettung der Nebengebäude und des<br />

Waldes konzentrieren.<br />

Die grosse Trauer<br />

Der damalige Feuerwehrkommandant<br />

Charli Schur aus Tarasp<br />

erinnert sich: «Wir mussten mit Entsetzen<br />

und Grauen zuschauen, wie<br />

ein Kulturdenkmal erster Güte von<br />

den Flammen zerfressen wurde. Ich<br />

war ab 5.00 Uhr morgens im Einsatz<br />

und wurde um 17.00 Uhr abgelöst.<br />

Da erst kamen <strong>die</strong> Emotionen hoch;<br />

ich musste mich übergeben und habe<br />

geweint wie ein Kind.» Und Rolf<br />

Zollinger ergänzt: «Er war nicht der<br />

Einzige, der geheult hat. Auch ich und<br />

meine treuen Angestellten haben mit<br />

Tränen in den Augen das schreck-<br />

Um 03.45 Uhr am 27. Mai 1989 brach im Hotel «Waldhaus» in Vulpera das Feuer aus. Um 6.00 Uhr (Bild) stand das Haus in Vollbrand und konnte nicht mehr<br />

gerettet werden. Ein Stück Schweizer Hotelgeschichte wurde ein Raub der Flammen.<br />

liche Schauspiel mitansehen müssen.<br />

Ein Trauerspiel erster Güte.» Er<br />

hat noch ein paar Erinnerungen aus<br />

den Flammen retten können, <strong>die</strong><br />

Zeugnis geben vom einstigen Kulturdenkmal.<br />

Die damalige Besitzerin des Hotels<br />

«Waldhaus», <strong>die</strong> «Einfache Gesellschaft<br />

Clemgia AG», war vom<br />

Verlust des Nobelhotels stark betroffen.<br />

Er wog schwer. Zollinger erzählt<br />

von den Folgen: «Die Gebäudeversicherung<br />

bezahlte damals 22,5 Mio.<br />

und <strong>die</strong> Mobiliarversicherung 6 Mio.<br />

Franken. Da an einen Wiederaufbau<br />

nicht zu denken war, wurde das Geld<br />

in <strong>die</strong> Hotels «Villa <strong>Post</strong>», «Schweizerhof»<br />

und «Scuol Palace» (alle im<br />

Besitze der Clemgia) investiert.<br />

Der Kurpark<br />

Über <strong>die</strong> Brandursache konnte damals<br />

nur spekuliert werden. Auch eine<br />

Untersuchung des wissenschaftlichen<br />

Dienstes der Stadtpolizei Zürich kam<br />

zu keinem zählbaren Resultat. Fakt<br />

war, dass ein Stück Hotelgeschichte<br />

mit dem Brand ausgelöscht wurde.<br />

1897 wurde das Hotel «Waldhaus» in Vulpera eröffnet. Das Fünf-Sterne-Hotel wurde in seiner Blütezeit (Bild) Ferienort<br />

vieler bekannter und betuchter Gäste aus aller Welt.<br />

Heute zeugen noch der Springbrunnen<br />

und ein paar Säulen – <strong>die</strong><br />

im heutigen Kurpark sinnvoll eingebettet<br />

wurden – von der grossen<br />

Zeit der damaligen vornehmen Gesellschaft<br />

und der Hotelgeschichte.<br />

Ein Stück Hotelgeschichte<br />

bcs. Die Vulpera-Hotels verkörpern<br />

ein Stück schweizerischer Hotelgeschichte<br />

und der Verlust des<br />

«Waldhaus» war eine Tragö<strong>die</strong>. Das<br />

Nobelhaus war der bedeutendste<br />

Bau des Architekten und Bauunternehmers<br />

Nicolaus Hartmann<br />

(1838–1903) aus St. Moritz. Im<br />

Frühjahr 1895 wurde mit den Bauarbeiten<br />

begonnen und am 8. Juni<br />

1897 das Hotel eröffnet.<br />

Die Bauherrin, <strong>die</strong> Familie Pinösch,<br />

hat damals sehr viel Initiative<br />

und Mut mit der Erstellung<br />

des imposanten Gebäudes bewiesen.<br />

Sie investierte 1,5 Mio. Franken<br />

Aktienkapital in <strong>die</strong> Gross-<br />

Auch der alte Teil des Kurparks <strong>ist</strong> in<br />

tadellosem Zustand und beherbergt<br />

Sträucher und Bäume aller Art. Vor<br />

allem ältere Gäste spazieren gerne<br />

im Park und geniessen <strong>die</strong> stilvoll angelegte<br />

Anlage.<br />

hotels Waldhaus und Schweizerhof<br />

mit insgesamt 470 Gästebetten.<br />

Dank <strong>die</strong>sem Einsatz wurde aus<br />

der einstigen Bauernsiedlung Vulpera<br />

ein bekannter Kurort.<br />

Vieles wurde aus Deutschland<br />

importiert. So stammten das Holz<br />

in der Hotelhalle <strong>so</strong>wie <strong>die</strong> Säulen<br />

aus dem süddeutschen Raum. Die<br />

Materialien wurden bis Landeck<br />

mit der Bahn und von dort mit<br />

Pferdefuhrwerken nach Vulpera<br />

transportiert. Das Innere des Hotels<br />

bot das praktisch unveränderte<br />

Bild eines vornehmen, geschmackvoll<br />

eingerichteten Hotel-Interieurs<br />

aus der Jahrhundertwende.<br />

Der frühere «Waldhaus»- und Clemgia-Direktor Rolf Zollinger im heutigen<br />

Park in Vulpera. An der Stelle wo einst das Hotel stand.

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