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Ausgabe 2011 - Pfarrer- und Pfarrerinnenverein

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S. 92 KorrespondenzblattNr. 5 Mai <strong>2011</strong>Neues vomreligiösen MarktManche dieser Bücher finden sich selbstin den Regalen unserer Kirchenvorsteherinnen<strong>und</strong> Kirchenvorsteher: Bücher,die die meisten <strong>Pfarrer</strong>innen <strong>und</strong> <strong>Pfarrer</strong>ebenso wenig lesen wie die neuestenSpekulationen über Maria von Magdalaoder die Weihnachtsgeschichte im»Spiegel«: Bücher mit religiösen Anklängen,Bücher mit allerlei Spekulationen,die sich als christlich ausgeben <strong>und</strong>eher esoterisch sind. Wir lesen sie (meist)nicht, können deswegen auch nichtsüber sie sagen, obwohl wir manchmalsogar gefragt werden.Der neue Weltauschauungsbeauftragteunserer Landeskirche, Dr. Haringke Fugmann,wird im Korrespondenzblatt immerwieder derartige Bücher vorstellen.Ruediger Schache, Das Gott-Geheimnis.Die Reise Ihrer Seele durch die Schöpfung,Arkana Verlag, München, 2010,268 SeitenRuediger Schache, dessen Buch »Dergeheime Plan Ihres Lebens« es 2009in die SPIEGEL-Bestsellerliste schaffte,hat mit dem hier besprochenen Titel einWerk vorgelegt, das man insofern alsesoterisch bezeichnen kann, als die Vermischungnaturwissenschaftlicher <strong>und</strong>religiöser Themen geradezu als Kennzeichenzeitgenössischer esoterischerLiteratur eingeschätzt werden kann. Eshandelt sich also schon fast um gängigeMotive dieses Genres, wenn – so wiehier – einerseits auf die Quantenphysik<strong>und</strong> auf den Welle-Teilchen-Dualismusdes Lichts Bezug genommen <strong>und</strong> andererseitsder Begriff »Gott« im Sinne einesunpersönlichen höchsten Bewusstseins,als »Meer des unendlichen Bewusstseins«interpretiert wird (20). So wenigdieser Ansatz dem Leser plausibel seinmag, so muss doch (selbstkritisch) anerkanntwerden, dass hier zumindest derVersuch einer Reintegration dieser inder Moderne ausdifferenzierten Wirklichkeitsbereicheunternommen wird,während es Theologie <strong>und</strong> Kirche bishernicht geschafft haben, ein vergleichbaresAnliegen ähnlich breitenwirksam zubearbeiten.Schache nimmt die Leserin mit auf eine»Reise« <strong>und</strong> offenbart ihr insgesamtzehn »Schöpfungsgeheimnisse« (so dieKapitelüberschriften). Da erfährt manetwa im Kapitel über die »Wahrheit allerReligionen«: »Es sind alles nur scheinbarverschiedene Wege zum selben Ziel.Es sind alles ›richtige‹ Wege, um überdie Grenzen des materiell denkendenVerstandes hinauszugehen ...« (86). AlsNachweis dient etwa eine ausführliche(immerhin 22 Seiten lange) Auslegungder biblischen Schöpfungsgeschichte,die erkennbar dem Zweck dient, dieKompatibilität der Genesis-Erzählungmit der kosmologischen Lehre des Verfassersnachzuweisen. Die äußerst komplexeAuslegungstradition, in die dieserbiblische Text eingebettet ist, wird dabeivom Verfasser größtenteils außer Achtgelassen. In religionswissenschaftlicherSicht überwiegen dann insgesamtdoch eher die eklektizistischen Anleihenam hinduistisch-buddhistischenTraditionsstrom, sei es die Vorstellungder Reinkarnation (hier allerdings ihresSchreckens entledigt, der ihr im Hinduismusbzw. Buddhismus innewohnt),die Vorstellung der Nicht-Getrenntheitalles Seienden (sog. Advaita-Vedanta)oder die zahlreichen Zitate indischerProvenienz (von Sri Ramakrishna, SriAurobindo u.a.). Hinzu kommen Motive,die denen einer frühchristlichen Gnosisähneln (göttlicher Ursprung der Seele,ihr Abstieg in die Welt der Materie <strong>und</strong>ihre Rückkehr zum Göttlichen usw.)Jedes literarische Werk verdient es, zunächstanhand derjenigen Kriterien beurteiltzu werden, die es sich selbst zumMaßstab setzt. In diesem Fall formuliertder Verfasser im Einleitungskapitel:»Wenn unsere Reise zur Wahrheit richtigverläuft, dürfte es danach in keinerheiligen Überlieferung <strong>und</strong> in keinemBericht eines großen Wissenden derWelt einen Widerspruch oder eine Ungereimtheitgeben. Wenn wir die letzteWahrheit gef<strong>und</strong>en haben, müsstenjede Aussage über Gott, jede Religion,jede wissenschaftliche Erkenntnis, jedespirituelle Sichtweise <strong>und</strong> jedes persönlicheErlebnis ihren Platz finden. Sobalddas große Bild stimmt, gibt es keinen›Fehler‹ mehr ...« (9f.) Eine solche absoluteWiderspruchsfreiheit ist ein hoherSelbstanspruch, der meiner Ansichtnach nicht erfüllt wird. So wird etwabehauptet, die Seele sei »Teil der feinstofflichenWelt« (40); diese wiederumwird mit physikalischer Energie (Licht)gleichgesetzt (32). Dann aber müsstedie Seele wie jede andere Form vonphysikalischer Energie messbar sein <strong>und</strong>sich in jede andere Form von Energieüberführen lassen können (sog. Energieerhaltungssatz).Ein entsprechenderempirischer Nachweis steht meinesWissens noch aus. Oder der Verfasserspricht in Metaphern, ohne dies fürmich hinreichend kenntlich zu machen.Aus theologischer Sicht ist es nichtnotwendig, an erster Stelle die (deutlicherkennbaren) Unterschiede im hierpräsentierten Gottes-, Menschen- <strong>und</strong>Weltbild in Relation zur christlichenTradition zu kritisieren, denn schon einflüchtiger Blick auf die zahlreichen <strong>und</strong>weltweiten Christentümer (in synchroner<strong>und</strong> diachroner Hinsicht) führt zurErkenntnis, dass es schon christlicherseitsmehr als eine Möglichkeit gibt, inuneigentlicher Weise (<strong>und</strong> die Theologiehat immer um dieses Spezifikumihrer Gottesrede gewusst) von Gott zusprechen <strong>und</strong> das Verhältnis von Gott,Mensch <strong>und</strong> Welt auch entsprechendkultureller Prägungen zu bestimmen.Gravierender fällt m.E. der Umstand insGewicht, dass dieses sich selbst offenk<strong>und</strong>igals Offenbarung eines »Geheimnisses«verstehende Buch keinerlei Hinweisauf seine Offenbarungsquelle(n)enthält. Damit wird die Möglichkeiteiner kritischen, zumindest intersubjektivenRelationierung des Präsentiertenerschwert, obwohl gerade diese – hierkann sich das Christentum auf eine langeErfahrungsgeschichte berufen – demGlauben gut ansteht (<strong>und</strong> der Wissenschaftebenfalls).Neben jenen Passagen, die bei mir kritischeFragen aufwerfen, finden sich im»Gottes-Geheimnis« schließlich aberauch solche, die mich beim Lesen positivangesprochen haben. So etwa, wenndas Verhältnis von Körper <strong>und</strong> Seele amBeispiel eines Lichtstrahls verdeutlichtwird, der durch Wasser hindurchleuchtet:»So wie ein Lichtstrahl gleichzeitigam selben Ort sein kann, wo auchWasser ist. Licht kann ›im Wasser« sein<strong>und</strong> nimmt ihm dennoch keinen Platzweg. […] Wenn Sie irgendwann sterben,stirbt vor allem Ihr materieller Körper.Doch nur weil ein See austrocknet, verschwindetnicht auch das Licht, das ihnzuvor erhellt hat.« (40).Es bleibt abzuwarten, ob der Verfassermit diesem Buch an frühere Erfolgeanknüpfen können wird. Da es aber imBlick auf Format, Layout <strong>und</strong> Aufmachungstark dem Bestseller »The Secret– Das Geheimnis« von Rhonda Byrne(ebenfalls Arkana Verlag) ähnelt, istes durchaus denkbar, dass es auch denWeg in die Bücherregale so mancherGemeindeglieder <strong>und</strong> Kirchenvorsteherinnenfinden wird.Dr. Haringke Fugmann, Beauftragterfür religiöse <strong>und</strong> geistige Strömungenunserer Zeit, Bayreuth

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