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Ausgabe 2011 - Pfarrer- und Pfarrerinnenverein

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Glieder der wahren, unsichtbaren Kircheanzunehmen. 11Die Notwendigkeit der kirchlichen Institutionhat Luther damit freilich nichtbestritten. Aber er hat die äußerlichgreifbare Kirche, analog zum neuenAmtsverständnis, von einer sakralenHeilsanstalt göttlichen Rechts zu einemäußeren Mittel für das Wirken desHeiligen Geistes im Verborgenen des jeeinzelnen Gemüts herabgestuft. Diesesfunktionale Kirchenverständnis kommtauch noch in CA V mit hinreichenderDeutlichkeit zum Ausdruck, insofernhier Wort <strong>und</strong> Sakrament »gleichsamals Werkzeuge« des Heiligen Geistesrangieren, durch welche dieser denGlauben wirkt, »wo <strong>und</strong> wann es Gottgefällt«. Auch hier sind die kirchlichenGr<strong>und</strong>vollzüge als äußere Hilfsmittelzur Weckung des unverfügbaren inwendigenGottvertrauens der je Einzelnengefasst. Dass im Rahmen dieser sichtbarenVollzüge sich solches Gottvertrauentatsächlich bildet, dass den äußerenKennzeichen der Kirche also auch eineinnere Wirklichkeit entspricht, kannwiederum nur geglaubt werden.Was folgt aus alledem für das infragestehende »Gemeindeprinzip«? Es bedeuteteine Klarstellung im Blick auf dentheologischen Anspruch, die Ortsgemeindesei die »Basis der Kirche« (<strong>und</strong>damit womöglich der eigentliche Zweckder Gesamtkirche). Ziel allen kirchlichenHandelns – inklusive der Gemeindevollzüge– ist nach Überzeugung der Reformatorendie Weckung des Glaubens inder Innerlichkeit der <strong>und</strong> des Einzelnen.Die Institution Kirche hat nicht den(sichtbaren) Ortsgemeinden zu dienen,sondern der verborgenen Gemeinschaftder Glaubenden. Oder formelhaft ausgedrückt:Die Gemeinde ist nicht Zweckder sichtbaren, sondern Mittel der unsichtbarenKirche. Damit ist auch dieGemeinde gegenüber dem Glauben derEinzelnen eine Größe von abgeleitetertheologischer Dignität.Aber, so wird man einwenden, ist dieseekklesiologische Präzisierung nichtbloß theologische Haarspalterei? Lässtsich das Gemeindeprinzip nicht auch imHorizont der Unterscheidung von sichtbarer<strong>und</strong> unsichtbarer Kirche leichtrechtfertigen? Es wären dann mit CAVII die gemeindlichen Gr<strong>und</strong>vollzügeinnerhalb der sichtbaren Kirche als dievorzüglichen Mittel zur Erbauung derSeelen <strong>und</strong> mithin der unsichtbarenKirche anzusehen, denen also nach wievor ein prinzipieller Vorrang vor ande-11 Vgl. a.a.O. 199ff.ren kirchlichen Vollzügen <strong>und</strong> Instanzenzuzuschreiben wäre.Dem ist entgegenzuhalten, dass Luthersekklesiologische Leitidee der unsichtbarenKirche für die Reflexion kirchlichenHandelns sowie kirchlicher Ordnungeine beträchtliche Flexibilisierung bedeutet,genauer: eine Relativierungaller dogmatischen Fixierungen. 12 Behältman die geistliche Erbauung desinneren Menschen als letzten Zweckder Kirche im Auge, lassen sich Verkündigung<strong>und</strong> Sakramentsverwaltungnicht ohne weiteres in der Weise aufparochiale Formen normieren, wie es imProgramm des »Forums Aufbruch Gemeinde«geschieht. Es rücken dann auchandere Gestalten von sprachlicher, symbolischer<strong>und</strong> ritueller Verkündigung inden Blick, die hinsichtlich der Konstitutionder ecclesia invisibilis prinzipielldenselben Rang beanspruchen können.Hier wäre etwa an jene vom EKD-Papierbesonders in den Fokus gerückten »Passantengemeinden«zu denken oder anüberparochiale Projekte wie die NürnbergerJugendkirche – um nur zwei12 Diese Relativierung verstärkt sich nocherheblich, wenn man im Rahmen einer Theoriedes neuzeitlichen Christentums die modernenFortschreibungen der beiden diskutiertenTheologoumena Luthers (allgemeinesPriestertum, unsichtbare Kirche) mitreflektiert.Siehe dazu a.a.O. 203-230.Beispiele zu nennen, die im Kontext desForums besonderen Argwohn hervorgerufenhaben.Die normative Vorstellung vom Ortsgemeindelebenals der eigentlichen Erscheinungsformder Kirche verliert beiBeachtung der Differenz von sichtbarer<strong>und</strong> unsichtbarer Kirche ihre unmittelbaretheologische Plausibilität. Ob es fürjene Normvorstellung andere, also organisations-oder systemtheoretische,soziologische, sozialpsychologischeoder auch ökonomische Gründe gibt,steht auf einem anderen Blatt. Wo derGemeindebezug als Kirchenreformprinzippropagiert wird, muss man sichdann zur Begründung allerdings auchauf die komplexen sozial- <strong>und</strong> organisationswissenschaftlichenDebatteneinlassen, die etwa auf der Basis derEKD-Mitgliedschaftsuntersuchungengeführt werden. Der einfache Rekursauf Bekenntnisformeln dagegen greiftzu kurz. Der Schein theologischer Eindeutigkeit,der dadurch erzeugt wird,mag eine entlastende Reduktion theoretischerKomplexität bedeuten – densachlichen Problemen dürfte man damitso wenig gerecht werden wie dem Wesen<strong>und</strong> dem Auftrag der Kirche.Dr. Martin Fritz,Augustana-Hochschule,NeuendettelsauEpiskopal <strong>und</strong> kongregationalistischDie Schwedische Kirche in neuer GestaltDie Schwedische Kirche ist, wie die anderenlutherischen Kirchen in Nordeuropa,eine Nationalkirche, der herkömmlichpraktisch die ganze Bevölkerunggehört Heu te hat sich die Zahl der Mitgliederdurch Einwanderung <strong>und</strong> durchSäkularisierung auf 72 % reduziert. DieKirche besteht aus 13 Diözesen mitinsgesamt etwa 1500 Ge meinden. Einenormalgroße Diözese hat etwa 500.000Einwohner, 400.000 Kirchen mitglieder<strong>und</strong> 2000 kirchlich Angestellte, davon200 <strong>Pfarrer</strong> <strong>und</strong> <strong>Pfarrer</strong>innen.Seit den Anfängen haben die schwedischenKirchengemeinden eine rechtgroße Selbständigkeit, die besondersim Zuge der Trennung der Kirche vomStaat, genauer: der Veränderung derBeziehung zwischen Staat <strong>und</strong> Kircheim Jahr 2000 noch verstärkt worden istDeshalb kann diese episkopal verfassteKirche deutschen Betrachtern gleichzeitigkongregationalistisch vorkommen.Bevor ich darauf eingehe, bedarf eseiner kurzen historischen Orientierung.I. Zur GeschichteDie Anfänge kirchlicher Organisation inSchweden liegen ziemlich genau 1000Jahre zurück. Der erste christliche Königwurde um die Jahrtausendwende getauft,<strong>und</strong> der erste Bischofssitz Skarawurde am Anfang des 11. Jh.s gegründet;die etwas unsichere Jahreszahl ist1014.In der Konkurrenz zwischen englischer<strong>und</strong> deutscher Mission hat die deutscheim Laufe des 11. Jh.s den Sieg davongetragen, namentlich das kaisertreueErzbistum Hamburg-Bremen. Im 12. Jh.hat der Papst im Zuge des Machtkampfesmit dem Kai ser ganz Nordeuropa vonHamburg-Bremen getrennt <strong>und</strong> als eineS. 88 KorrespondenzblattNr. 5 Mai <strong>2011</strong>

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