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Ausgabe 2011 - Pfarrer- und Pfarrerinnenverein

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(Apg 2,5ff.) <strong>und</strong> die es mit der Thoraobservanznicht so genau zu nehmenschienen <strong>und</strong> den die Bedeutung desTempels negierten (Apg 6,14). Ihr Wortführerwar Stephanus (Apg 6,5f.).Es ist durchaus wahrscheinlich, dass dieHellenisten sich mit ihrer Gesetzes- <strong>und</strong>Tempelkritik in der Tradition Jesu selbstsahen (Mk 7,8-15; 11,15ff.). Die Verfolgung<strong>und</strong> Vertreibung der Hellenistenaus Jerusalem (Apg 8,1) bedeutetezugleich den Beginn einer die Grenzenden Judentums überschreitenden Mission,zunächst im Hinblick auf die Samariter(Apg 8,4-24, dann aber auch imüberwiegend heidnischen KüstengebietPalästinas (Apg 8,26.40). Besonders hatman sich offenbar dabei an die Gruppeder »Gottesfürchtigen« gewandt, d.h.an Heiden, die zwar nicht beschnittenwaren, aber angezogen waren von derjüdischen Erlösungsreligion. (Apg 8,27-39). Auf diese Art <strong>und</strong> Weise gelangtedas Christentum sowohl nach Damaskusals auch nach Antiochia am Orontes. Esist davon auszugehen, dass hier wiedort Volljuden <strong>und</strong> »Gottesfürchtige«gleichberechtigt zusammen in einer Gemeindelebten, in der die Beschneidungebensowenig eine Grenze war wie diekultisch-rituellen Gesetze. Mit diesemChristentum scheint sich Paulus auseinandergesetztzu haben (Apg 8,3; 9,2f.).Das Anwachsen der Heiden innerhalbder Gemeinde veränderte die Gemeindenachhaltig: Sie galt immer mehr in denAugen ihrer Umwelt nicht mehr als jüdischeGemeinde, sondern als eigenständig,<strong>und</strong> man prägte die Bezeichnung»Christianoi« (Christianer – Christus-Anhänger) für sie (Apg 11,26).In Antiochia fand bald nach seiner Berufungvor Damaskus auch Paulus seinegeistige Heimat. Was immer ihm beiseiner Berufung vor Damaskus passiertwar – Paulus trat in Antiochia auf inder Überzeugung, dass Kreuz <strong>und</strong> AuferstehungJesu ein Heilsgeschehen Gottes<strong>und</strong> dass die Thora als Heilsweg durchden Glauben an Christus abgelöst ist.Weder die Annahme des Gesetzes nochdie Beschneidung können jetzt nochBedingung sein für den Eintritt in dasendzeitliche Gottesvolk. Die erste planmäßigeMissionsreise in rein heidnischeGebiete führen Paulus <strong>und</strong> Barnabasals Abgesandte der AntiochenischenGemeinde durch; sie gründen in Kleinasienerstmals rein heidenchristlicheGemeinden (Apg 13f.: die sog. ersteMissionsreise).S. 82 KorrespondenzblattNr. 5 Mai <strong>2011</strong>Die Theologie des Paulus wirdvon Jesusjüngern anerkanntDas sich daran anschließende Apostelkonziletwa im Jahre 48 n.Chr. solltefeststellen, dass auch diese neuen Gemeindenin Kleinasien in Kontinuität<strong>und</strong> geistlicher Gemeinschaft mit derJerusalemer Urgemeinde stehen.Die Argumentationen der jeweiligenGesprächspartner können wir unsheute lebhaft mit gewisser Phantasievorstellen. Vielen Jerusalemern musses klar gewesen sein, dass Paulus hierdie theologische Begründung für eineneue Religion liefert <strong>und</strong> teilweise dieJerusalemer vor vollendete Tatsachen zustellen versucht. So nahm Paulus denunbeschnittenen Heidenchristen Titus(Gal 2,3) mit nach Jerusalem – so als ober den Jerusalemer sagen wolle: »Sehther, es geht doch ohne Beschneidung!«Die Argumentation der Jerusalemer, vorallem der Jesusjünger Petrus <strong>und</strong> Johannessowie des Jesusbruders Jakobus,können wir nur erahnen: »Jesus wolltekeine neue Religion! Nie hat Jesus gesagt,die Menschen bräuchten sich nichtbeschneiden zu lassen. Jesus verkündigtedas Reich Gottes. Du, Paulus, machstetwas ganz anderes daraus.« Paulus ließsich offenbar nicht auf eine Diskussiondarüber ein, was Jesus gepredigt habe.Hier hätte er nur den kürzeren gezogen.Hatte er Jesus doch – abgesehen vonseiner Berufung – nie persönlich kennengelernt! Nein, Paulus geht es umdas »Wort vom Kreuz« (1Kor 1,18), esgeht ihm um das neue Angebot Gottesin dem Gekreuzigten <strong>und</strong> Auferstandenen:»Denn dazu ist Christus gestorben<strong>und</strong> wieder lebendig geworden, dass erüber Tote <strong>und</strong> Lebende Herr sei« (Röm14,9). Die Belegstellen ließen sich ausden Paulusbriefen noch um ein Vielfachesvermehren. Dass Paulus sich damitviele Feinde gemacht hat, verschweigter nicht: »Wir aber predigen den gekreuzigtenChristus, den Juden ein Ärgernis<strong>und</strong> den Griechen eine Torheit.« (1Kor1,23). Nur fünfmal in seinen Briefenerwähnt Paulus ein »Wort des Herrn«:1Thess 4,15 (Parusie), 1Kor 7,10 (Ehescheidung),1Kor 9,14 (Apostelunterhalt),1Kor 11,23-25 (Abendmahlsworte)<strong>und</strong> evtl. 2Kor 12,9 (»Lass dir an meinerGnade genügen, denn meine Kraft ist inden Schwachen mächtig!«). Ansonstengeht ihm um das Heilsgeschehen Gottesin Kreuz <strong>und</strong> Auferweckung Jesu füralle, die daran glauben.Paulus bleibt also in Jerusalem hart<strong>und</strong> lässt sich keine Beschränkung auferlegen(Gal 2,5f.). Dass die Jerusalemer»Säulen« ihn als dazugekommenenApostel akzeptieren, spricht dafür, dasssie Paulus durchaus in Kontinuität zudem sahen, wofür dieser Jesus, ihr Lehrerbzw. ihr leiblicher Bruder, eigentlichstand: Für die Annahme des Menschendurch Gott ohne irgendwelche Vorbedingungen.Tatsächlich reicht man sicham Ende dieses Treffens die Hand (Gal2,9) <strong>und</strong> Paulus weiß dadurch seinenApostolat auch von den Jerusalemernbestätigt. Er steht jetzt auch offiziell inKontinuität zur Jerusalemer Urgemeinde,ja zu Jesus selbst. Doch ebenfallswird beschlossen, die Missionsgebieteaufzuteilen bzw. einander aus dem Wegzu gehen. Petrus solle die Juden missionieren<strong>und</strong> Paulus die Heiden (Gal 2,7).Dass diese in der Praxis nicht durchführbareTrennung dann den Zwischenfallvon Antiochia (Gal 2,11ff.) <strong>und</strong> damitden endgültigen Bruch mit den Jerusalemernnach sich zieht, ist im Gr<strong>und</strong>eeine logische Konsequenz. Paulus machtjetzt Mission in eigener Verantwortung:er besucht noch einmal die Gemeindenin Kleinasien <strong>und</strong> wagt dann die Überfahrtnach Griechenland (Apg 16). Dortgründet er Gemeinden in Philippi, Thessalonich<strong>und</strong> Korinth. Am Ende der sog.dritten Missionsreise wird Paulus etwaim Jahr 56 n.Chr. wohl nicht zufällig inJerusalem verhaftet. Aus dieser Haft ister wohl nie mehr frei gekommen.Die Evangelien sind die nachgeschobenegeschichtlicheF<strong>und</strong>ierung der paulinischenTheologieDie Entstehung der Evangelien verdankenwir m.E. auch der Unkenntnisdes Paulus vom irdischen Christus. Fastnichts erfahren wir in seinen Briefenvon dem Mann, dessen Schicksal einHeilsgeschehen für die Christen seinsoll. Mit dem Jahr 56 verschwindet Paulusim Wesentlichen aus dem Blickfeldder von ihm gegründeten Gemeinden.Sie bleiben mit all ihren Fragen zurück.Und zwar solange, bis sich der Markus–evangelist als erster einmal die Mühemacht, um das Jahr 70 n.Chr. die Informationenzu sammeln, die er von demvon Paulus verkündigten Jesus Christusbekommen kann. Und tatsächlich: Siehtman sich bereits das Markusevangeliumeinmal genauer an, stellt man fest,dass alles auf die Passion zuläuft. MartinKähler bezeichnet es zu Recht alsPassionsgeschichte mit ausführlicher

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