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Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte

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410 Helmut Heiber<br />

Berufung doch ziemlich unmöglich, weil er bisher das autoritäre System à la Boris<br />

bekämpft und die vom König durchgeführte Verfassungsänderung abgelehnt habe.<br />

Es sei ferner dem Volke bekannt, daß König Boris und Zankoff sich gegenseitig<br />

nicht gemocht hätten, - und zu allem Überfluß sei er auch alt und ohne nennenswerten<br />

Anhang.<br />

Wenn Steengracht so zwar einen doppelten Mißerfolg einstecken mußte, tröstete<br />

Filoff ihn andererseits damit, daß selbstverständlich auch Muschanoff oder ein<br />

anderer Demokrat ebenso indiskutabel seien wie etwa irgendein geistlicher Würdenträger.<br />

Der Staatssekretär warf daraufhin den Namen seines Ersatzmannes in die<br />

Diskussion, über den er in der Zwischenzeit mit positivem Erfolg in Sofia recherchiert<br />

hatte. Zur besseren Vorbereitung machte er seinem Gegenüber dabei zunächst<br />

einige Komplimente über seine Erfolge bei der Verwaltung der neuerworbenen<br />

Gebiete und brachte dann die Sprache geschickt auf den dortigen Vollzieher des<br />

Filoffschen Willens, den Innenminister Gabrowsky. Hier aber hatte er das Pech,<br />

eine offenbar allergische Stelle des Bulgaren zu berühren, denn dieser lobte den<br />

Angeführten zwar als energischen Mann, lehnte es jedoch ab, den Punkt weiter zu<br />

vertiefen. Gerade jene Energien und Ambitionen waren es wohl, denen der Ältere<br />

mißtraute, da er sie als auf seine eigene Position gerichtet ansah.<br />

Alles in allem nahm der deutsche Staatssekretär den Eindruck mit, daß Filoff<br />

sich bemühte, die Widerstände gegen eine Berufung Kiosseiwanoffs zum Ministerpräsidenten<br />

zu beseitigen. Um ihn abzudecken und gleichsam zu kompensieren,<br />

schien er deshalb einen Mazedonier als drittes Mitglied des Regentschaftsrates zu<br />

suchen und dabei möglicherweise an Kimon Georgieff zu denken, den Kriegshelden<br />

von 1914/18 und zweimaligen Staatsstreichler von 1923 und 1934. Diese Überlegungen<br />

Steengrachts haben einiges <strong>für</strong> sich; es scheint, daß Filoff ebenso wie<br />

König Boris die Gefahr fühlte, von der das Land bedroht war, und daß er in Kiosseiwanoff<br />

und seinen in Bern angeknüpften Verbindungen eine Möglichkeit erhoffte,<br />

diese Schlinge noch rechtzeitig zu zerschneiden. Ob er dabei in der Erwägung eines<br />

mazedonischen Regentschaftskandidaten tatsächlich an jenen Georgieff gedacht hat,<br />

unter dessen zweiter Ministerpräsidentschaft dereinst die Monarchie beseitigt und<br />

er selbst mit seinen beiden Mitregenten, zwei weiteren Ministerpräsidenten,<br />

22 Ministern, acht königlichen Beratern und 68 Abgeordneten des Sobranje in den<br />

Morgenstunden des 2. Februar 1945 auf dem Friedhof von Sofia hingerichtet werden<br />

sollte 97 , - das dürfte heute kaum mehr nachweisbar sein.<br />

Was schließlich die allgemeine politische Lage Bulgariens anlangte, so zerstreute<br />

Filoff etwaige Bedenken hinsichtlich der kommunistischen Tätigkeit, handele es<br />

sich doch hierbei lediglich um etwa vierhundert in den Wäldern verborgen lebende<br />

Terroristen 98 . Allerdings wäre die Lieferung von Beutewaffen <strong>für</strong> die bulgarische<br />

97 Zahlen nach Keesings Archiv der Gegenwart 1945, S. 73. — Bretholz (a. a. O., S. 149)<br />

spricht von 17 Ministern und 66 Abgeordneten. Hier (S. 150) findet man auch die scheußlichen<br />

Einzelheiten dieses Blutbades vom 2. Februar 1945.<br />

98 Eine akute Gefahr sah man damals freilich z. B. in der Türkei, wo - wie die Neue Zürcher<br />

Zeitung in ihrer Morgenausgabe vom 2. September meldete — erhebliche Besorgnis

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