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4.3. Ballistische Phononenpulse

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<strong>4.3.</strong> <strong>Ballistische</strong> Phononen <strong>4.3.</strong>1. Phononen Fokussierung 188<strong>4.3.</strong> <strong>Ballistische</strong> <strong>Phononenpulse</strong>Wie in Kapitel 4.2.1 erwähnt, haben die Phononen in reinen Kristallen bei tieferTemperatur sehr lange mittlere freie Weglängen, die nur durch Streuung an derProbenoberfläche begrenzt sind. Mit solchen „ballistischen“ Phononen sindPulsexperimente möglich, ähnlich wie beim 2. Schall. Ein solches Experiment istschematisch in Fig. 4.24 gezeigt. Auf den zwei gegenüberliegenden Seiten einesKristalls (z.B. Al 2 O 3 (Saphir) oder Si) ist ein Heizer und ein Thermometer als dünneFilme aufgebracht. Durch den Heizerfilm fließt ein kurzer Strompuls, dessen Dauer(10 -7 s) dabei deutlich kleiner ist als die Laufzeit des Schalls vom Heizer zumThermometer. Die Phononen breiten sich vom Heizer in alle Richtungen aus. IhrEintreffen im Thermometer als Funktion der Zeit zeigt Fig. 4.25. Zuerst treffen die(schnelleren) longitudinalen Phononen, dann die transversalen ein. Schließlichkommen noch auf längeren Laufwegen die Echos von den Seitenwänden desKristalls.Fig. 4.24: Typischer Aufbau eines PulsexperimentesFig. 4.25: <strong>Phononenpulse</strong>xperiment (aus: Habilitationsschrift Kinder)Mit diesen <strong>Phononenpulse</strong>n wird meist die Ausbreitung der Phononen in anisotropenKristallen untersucht.


<strong>4.3.</strong> <strong>Ballistische</strong> Phononen <strong>4.3.</strong>1. Phononen Fokussierung 189<strong>4.3.</strong>1 Phononen-FokussierungBei Einkristallen hängt die Schallgeschwindigkeit von der Kristallrichtung ab. Umdies zu verstehen, betrachten wir das in Fig. 4.26 gezeigte Kristallgitter. Je nachdemaus welcher Richtung Druck auf das Gitter ausgeübt wird, sind die Rückstellkräfteunterschiedlich. Diagonal erscheint in diesem Fall der Kristall „weicher“ alshorizontal oder vertikal. Die Härte des Kristalls wird mit dem richtungsabhängigenElastizitäts-Modul c angegeben.Fig. 4.26: Gitterdeformation in unterschiedliche Richtungen.Es gilt für die Phasen-Geschwindigkeit der Phononen:v =mit: c: Elastizitäts-Modulρ: Dichte (richtungsunabhängig)cρSie ist also ebenfalls richtungsabhängig (≡„Anisotropie“ der Schallgeschwindigkeitin Kristallen).Da die Rückstellkräfte und damit die Schallgeschwindigkeiten richtungsabhängigsind, können Phononen mit dem Vektor k einen Energiestrom in die Richtung ≠kaufweisen. Dies ist schematisch in Fig. 4.27 gezeigt. Der Strahl läuft nicht inRichtung des k-Vektors. Man spricht dann von einer „schiefen Mode“ („obliquemode“). Die Strahlrichtung, d.h. die Richtung der Energieausbreitung, ist durch dieGruppengeschwindigkeit vggegeben.Fig. 4.27: k-Vektor bzw. Energierichtung der Pononen in einem anisotropen Kristall.Für die Gruppengeschwindigkeit, also der Ausbreitungsgeschwindigkeit derHüllkurve des Wellenpakets, gilt:∂ω vg= ≡ grad ω(k )k∂k


<strong>4.3.</strong> <strong>Ballistische</strong> Phononen <strong>4.3.</strong>1. Phononen Fokussierung 190Der Vektor vgim k-Raum steht also senkrecht auf Flächen ω ( k ) = const.Dies ist inFig. 4.28 gezeigt. Dargestellt ist hier eine ω=const.-Fläche für Si (Fläche 3. Ordnungmit Gitter-Symmetrie). Die eingezeichneten Pfeile geben alle Flächennormalen mit[100]-Richtung an. Zu jeder gehört ein anderer k-Vektor. Nur der mittlere hatebenfalls [100]-Richtung.HFig. 4.28: Dargestellt ist eine Fläche, für die gilt ω ( k ) = const.und einige Normalenrichtungen zuden Flächen (aus: Northop und Wolfe).Anmerkung:Tatsächlich gibt es drei Phononendispersionskurven (1 xlongitudinal; 2 x transversal) und damit drei ω=const. Flächen.Fig. 4.29 zeigt schematisch einen Schnitt durch eine ω=const.-Fläche. Die k-Vektoren sind im Wärmepuls gleichmäßig in alle Richtungen verteilt. Diezugehörigen v g -Vektoren zeigen in diesem Beispiel jedoch bevorzugt in k x -Richtung.In diese Richtung breitet sich daher die Energie bevorzugt aus. Diese Bündelung derEnergieausbreitung in bestimmt Richtungen bezeichnet man - nicht ganz korrekt - als„Phononenfokussierung“.Fig. 4.29: Energiebündelung und Verdünnung in best. k-Richtungen


<strong>4.3.</strong> <strong>Ballistische</strong> Phononen <strong>4.3.</strong>1. Phononen Fokussierung 191Fig. 4.30 zeigt einen experimentellen Aufbau zum Nachweis derPhononenfokussierung. Mit einem Laser werden an der Oberseite einer Si-ProbeWärmepulse erzeugt. Auf der gegenüberliegenden Seite der Probe befindet sich einDetektor (z.B. SL nahe bei T c ), der ankommende Wärmepulse registriert. DieRichtung der Energieausbreitung wird durch 2-dimensionales Abrastern derOberseite mit dem Laserstrahl variiert, während das jeweilige Detektorsignalregistriert wird. Das entsprechende Intensitätsmuster wird mit Hilfe eines Monitorsdargestellt.Fig. 4.30 Experimenteller Aufbau zur Bestimmung der Vorzugsrichtungen des Energiestroms.Das Ergebnis einer solchen Messung zeigt Fig. 4.31. Als Probe wurde ein Si-Würfelverwendet, dessen Vorderseite und zwei Seitenflächen abgerastert wurden. Im Bildist ebenfalls die würfelförmige Struktur zu erkennen. Die Vorderfläche (100) zeigteine vierzählige Symmetrie. Die Seitenflächen (011) weisen eine 2-zähligeSymmetrie auf. Besonders in 100-Richtung ist die Bündelung sehr ausgeprägt.Fig. 4.31: Experimentell bestimmte Vorzugsrichtungen des Energiestroms in einem Si-WürfelFazit: Für Wärmeleitungsexperimente muß die Vorzugsrichtung des Energiestromsmit berücksichtigt werden. Dies gilt jedoch nur für tiefe Temperaturen. Bei höherenTemperaturen treten Normalprozesse in Erscheinung, die das Bild verschmieren.Solche Wärmepulse sind auch für die Klärung des Kapitza-Widerstandes geeignet.Aus diesem Grund soll im nächsten Kapitel nochmals auf den Kapitza-Widerstandeingegangen werden.


<strong>4.3.</strong> <strong>Ballistische</strong> Phononen <strong>4.3.</strong>2. Kapitza-Widerstand mit Pulsen 192<strong>4.3.</strong>2. Kapitza-Widerstand mit Pulsen:In Kap. 4.2.3 behandelten wir bereits die akustische Fehlanpassung (acousticmismatch) und die anomale Transmission. Dazu wurden Pulsmessungen von Guound Maris (1972) durchgeführt. In Fig. 4.32 ist schematisch der Meßaufbau gezeigt.In einem Kryostaten befindet sich unter flüssigem Helium eine Vakuumkammer. Andiese wird seitlich mittels einer Indium-Dichtung ein Si-Kristall befestigt. Dieserträgt an der „Außenseite“ einen Heizer und einen Detektor. Ein Strompuls im Heizererzeugt thermische Phononen, die in das Kritallinnere abgestrahlt werden, an der„Innenseite“ reflektiert werden und dann vom Detektor nachgewiesen werden. Beievakuierter Kammer gibt es keine Transmission, so dass die Phononen zu 100%zurückkommen. Befindet sich flüssiges Helium in der Kammer kommt nur noch einTeil der Phononen zurück. Aus dem Unterschied ist der Transmissionkoeffizientbestimmbar.Fig. 4.32: Experimenteller Aufbau zur Bestimmung des Transmissionkoeffizienten von Phononenbeim Übergang Festkörper/Helium.In Fig. 4.33 ist das Ergebnis einer solchen Messung gezeigt. Aufgetragen ist hier diePhononenintensität über der Zeit. Kurve 1 entspricht dem Fall, dass sich kein He inder Kammer befindet. Das Ergebnis mit voll gefüllter Kammer zeigt Kurve 5. Wieersichtlich, gehen ca. 50% der Phononen ins Helium.Fig. 4.33: Reflektierte Phononenintensität in Abhängigkeit von der Zeit. 1: kein He; 5: Kammerkomplett mit He gefüllt. (aus: Weber, Dietsche, Kinder; Phys. Lett. 1977)


<strong>4.3.</strong> <strong>Ballistische</strong> Phononen <strong>4.3.</strong>2. Kapitza-Widerstand mit Pulsen 193Das Experiment wurde mit Transversalwellen durchgeführt. Für diese erwartet mankeine akustische Transmission, da sich im He nur Longitudinalwellen ausbreiten.Auch für Longitudinalwellen hätte man nur eine akustische Transmission von 0,4%erwartet. Die Tatsache, dass trotzdem 50% ins Helium gehen, ist also ein direkterBeweis der „anomalen Transmission“ (s. Kap. 4.2.3). In dieselbe Richtung weisendie Kurven 2-4 der Fig. 4.33. Sie entsprechen Messungen mit einem He-Druckkleiner als der gesättigte Dampfdruck (SVP: saturated vapor pressure) in derKammer. In diesem Fall scheidet sich ein dünner He-Film (einige Monolagen) an derWand ab. Die Dicke des Films ist über den Druck einstellbar. Der Verlauf von Kurve4 entspricht fast dem von Kurve 5, obwohl sich erst drei Monolagen He an der Wandbefinden. Die maximale Transmission ist also schon fast erreicht. Ein 3-MonolagenFilm kann jedoch keine akustische Transmission ermöglichen.Da der Effekt bei wenigen Monolagen auftritt, muß es sich um einenOberflächeneffekt handeln. Es muß also gezielt der Einfluß der Oberflächeuntersucht werden.Anmerkung:Auf normalen Oberflächen befinden sich immer Adsorbate, z.B.ein Wasserfilm von einigen Monolagen. Die letzte MonolageWasser ist z.B. erst bei 400°C wegheizbar. Bei tieferTemperatur kann darüber hinaus feste Luft vorhanden sein.Um einen Oberflächeneffekt nachweisen zu können, muß die Oberfläche insitugereinigt werden. Dies ist z.B. durch Laser-Schmelzen möglich. Den experimentellenAufbau dazu zeigt Fig. 4.34. Es wird zusätzlich ein optisches Fenster angebracht,durch das mit einem Laser die Oberfläche der Probe aufgeschmolzen wird.Fig. 4.34: Modifizierter Aufbau zur Bestimmung des Transmissionskoeffizienten. Hier findetzusätzlich eine Reinigung der Oberfläche statt.Zunächst wird die Reflexion ohne He in der Kammer gemessen. Anschließend wirddie Reflexion mit He in der Kammer untersucht. Das Ergebnis zeigt Fig. 4.35a. Nunwird die Oberfläche des Si mit einem Riesenpuls (20ns Dauer) gereinigt (bei 1K!).Durch den Laserpuls schmilzt die Oberfläche für 100ns bis in eine Tiefe von100nm. Der Kristall rekristallisiert dann von Innen her (epitaktisches Wachstum).Dadurch ergibt sich eine perfekte kristalline Oberfläche, frei von Defekten. DasErgebnis der Messung nach diesem Annealing ist in Fig. 4.35b gezeigt. EinUnterschied, ob die Kammer mit He gefüllt ist oder nicht ist fast nicht mehr zuerkennen. Der Wärmetransport war also vorher durch dieOberflächenverunreinigungen ermöglicht worden.Wieviel solcher Verunreinigungen sind nötig? Dazu kann die Oberfläche künstlichverschmutzt werden. An die Innenseite des optischen Fensters wird ein


<strong>4.3.</strong> <strong>Ballistische</strong> Phononen <strong>4.3.</strong>2. Kapitza-Widerstand mit Pulsen 194Fig. 4.35: Intensität des reflektierten Phononensignals jeweils mit und ohne He in der Kammer. a: vordem Annealing. b: nach dem Annealing. c:/d: Mit Au-Monolagen auf der Probe. (aus:Basso, Dietsche, Kinder, 1984).Au-Film aufgebracht. Erwärmt man diesen mit dem Laser, kann definiert Goldverdampft werden, welches sich auf der Si-Probe niederschlägt. In 4.35c/d ist dasErgebnis für einen 0,4 bzw. 1,0 Monolagen dicken Au-Film auf der Probe gezeigt.Der Effekt der anomalen Transmission tritt wieder in Erscheinung.Wie läßt sich dieser Sachverhalt deuten? Verunreinigungen an der Oberfläche sindungeordnet. Solche Unordnung kennen wir von Gläsern, die sich durch ein zwei-Niveausystem auszeichnen (s. Kap. 4.1.2). Solche 2-Niveau-Systeme können auch ander Oberfläche existieren. Sie können dann Phononen, die vom Festkörper hereintreffen, absorbieren und wieder emittieren, siehe Fig. 4.36. Dabei erfolgt dieEmission vorzugsweise ins He, da in diesem aufgrund der niedrigeren3Schallgeschwindigkeit die Phononezustandsdichte ( D( ω ) ∝1/v ) um ca. 3Größenordnungen größer als im Festkörper ist. Die Phononen werden also ins He„gesaugt“.Dagegen ist die akustische Transmission viel schwächer.Fig. 4.36: 2-Niveau-System der Verunreinigungen an der Festkörperoberfläche. Das Adsorbat verhältsich wie ein Glas.


<strong>4.3.</strong> <strong>Ballistische</strong> Phononen <strong>4.3.</strong>3. Spektroskopie mit SL Tunneldioden 199Fig. 4.46: Diffenenzielle Phononenrate als Funk-Tion der emittierten Phononenenergie.Die Absorptionslinie spaltet sich unterDruck senkrecht zur Phononenausbreitungsrichtungauf. 2∆ Al ist die Empfindlichkeitsgrenzedes Detektors.Die durchgezogene Linie ergibt sich aus der Theorie. Das eingesetzte Bild zeigt dasNiveauschema im Kristallfeld unter Druck..Fig. 4.47: Resonanzenergie als Funktion des Drucks in 001-Richtung für 4 verschiedene Proben.Aus diesen Messungen können Informationen über den Einbau des OH − ins NaCl-Gitter gewonnen werden.

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