1977 - Historische Gesellschaft der Deutschen Bank e.V.
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dierung. Der 1976 begonnene Abbau <strong>der</strong> hohen Defizite<br />
sollte fortgesetzt werden. Tatsächlich konnte <strong>der</strong> Staat<br />
hierbei relativ schnell Erfolge erzielen. Seine Spar-Poli-<br />
tik wurde durch unerwartet stark steigende Steuerein-<br />
nahmen unterstützt, die im wesentlichen bei <strong>der</strong> Lohn-<br />
steuer lagen. Hier wirkte sich die Steuerprogression bei<br />
weiter wachsenden Einkommen aus. Auch die Körper-<br />
schaftsteuer brachte als Folge <strong>der</strong> im Jahr 1976 verbesser-<br />
ten Gewinnsituation <strong>der</strong> Unternehmen mehr Einnahmen.<br />
<strong>1977</strong> blieb die Zuwachsrate des Staatsverbrauchs mit 5,6%<br />
unter <strong>der</strong> des Sozialprodukts (6,2%). Sogar etwas unter<br />
Vorjahreshöhe lagen die öffentlichen Investitionen, die<br />
damit abermals in erster Linie von <strong>der</strong> zurückhaltenden<br />
Ausgabenpolitik betroffen wurden.<br />
Mit <strong>der</strong> fortschreitenden konjunkturellen Abschwä-<br />
chung sah sich die öffentliche Hand jedoch gezwungen,<br />
konjukturpolitischen Zielen wie<strong>der</strong> den Vorrang vor fi-<br />
nanzwirtschaftlichen Erfor<strong>der</strong>nissen einzuräumen. Die<br />
Kurskorrektur erfolgte im Herbst. Die Gelegenheit, nach<br />
dem Stabilitätsgesetz schnell und massiert Maßnahmen<br />
zu treffen, um vor allem die private Investitionstätigkeit<br />
zu beleben, wurde aber versäumt. In <strong>der</strong> parlamentari-<br />
schen Diskussion wurden die konjunkturpolitischen Zie-<br />
le zum Teil durch verteilungspolitische Aspekte ver-<br />
drängt. Das Resultat war eine Reihe gesetzgeberischer<br />
Maßnahmen mit Vergünstigungen, die einer Vielzahl von<br />
Gruppen zugute kommen sollen, aber dadurch <strong>der</strong> Gefahr<br />
ausgesetzt sind, nicht die erwartete konjunkturbelebende<br />
Wirkung auszulösen.<br />
Bei den Sozialversicherungen trugen das geringe<br />
Wachstum <strong>der</strong> Wirtschaft und die anhaltend hohe Ar-<br />
beitslosigkeit dazu bei, da13 sich relativ optimistische<br />
Voraussagen über eine Lösung <strong>der</strong> Finanzierungspro-<br />
bleme <strong>der</strong> Rentenversicherung ais unrealistisch erwie-<br />
sen. Mit ,,leichter Hand" wird sich die Sanierung <strong>der</strong> So-<br />
zialversicherung nicht herbeiführen lassen. Tiefergrei-<br />
fende Einschnitte werden sich zukünftig als notwendig<br />
erweisen.<br />
Belebung <strong>der</strong> privaten Investitionen unterbrochen<br />
1976 hatte sich mit <strong>der</strong> verbesserten Gewinnsituation<br />
<strong>der</strong> Unternehmen die private Investitionstätigkeit merk-<br />
lich belebt. <strong>1977</strong> setzte sich dieser Prozeß nicht im er-<br />
wünschten Maß fort. Im ersten Halbjahr nahmen zwar<br />
die Investitionen noch bedeutend stärker als das Sozial-<br />
produkt zu. Im zweiten Halbjahr ging jedoch dieser<br />
Schwung wie<strong>der</strong> verloren.<br />
Ein bestimmen<strong>der</strong> Faktor für diese Entwicklung war<br />
die erneute Verschlechterung <strong>der</strong> Ertragslage bei den<br />
Unternehmen. Die Korrektur in <strong>der</strong> Einkommenspolitik,<br />
die sich 1976 nach vielen Jahren ständig steigen<strong>der</strong><br />
Lohnquote zugunsten <strong>der</strong> Gewinne vollzogen hatte, er-<br />
wies sich nur als eine kurze Atempause. Die Löhne und<br />
Gehälter (+7,0%) stiegen ein weiteres Mal stärker als<br />
das Volkseinkommen (+5,9%). Das schlug sich bei ei-<br />
nem Produktivitätszuwachs von nur 3% in einem An-<br />
stieg <strong>der</strong> Lohnstückkosten nie<strong>der</strong>. Da sich gleichzeitig<br />
die industriellen Erzeugerpreise nur wenig erhöhten,<br />
wurden die Unternehmensgewinne geschmälert. Die<br />
auf allzu optimistischen Prognosen fußenden, durch die<br />
tatsächliche Entwicklung aber nicht gerechtfertigten<br />
übermäßigen Lohnerhöhungen haben die Investitionstä-<br />
tigkeit und dadurch die Entstehung neuer Arbeitsplätze<br />
beeinträchtigt. Zusätzlich behin<strong>der</strong>ten Bürgerinitiativen<br />
zum Schutz <strong>der</strong> Umwelt, zur Bekämpfung <strong>der</strong> Atom-<br />
kraftwerke usw. durch Interventionen verschiedenster<br />
Art umfangreiche lnvestitionsprojekte. Schließlich tru-<br />
gen administrative Hemmnisse als Folge eines Gesetz-<br />
gebungs- und Verwaltungsperfektionismus mit zu ei-<br />
nem lnvestitionsstau bei, <strong>der</strong> auf etwa 25 Mrd. DM ge-<br />
schätzt wird.<br />
Mehr Wachstum erfor<strong>der</strong>lich, um Arbeitslosigkeit<br />
abzubauen<br />
Im Rahmen <strong>der</strong> vier obersten Ziele <strong>der</strong> Wirtschaftspolitik<br />
verzeichnete die Bundesrepublik <strong>1977</strong> bei Geldwertstabili-<br />
tät und Zahlungsbilanzgleichgewicht weitere Fortschritte.<br />
Unbefriedigend blieb dagegen die Entwicklung im Hinblick<br />
auf Wachstum und Beschäftigung. Die Abschwächung <strong>der</strong><br />
konjunkturellen Aktivität im Verlauf des Jahres zeigte mit<br />
aller Deutlichkeit, daß sich selbsttragende Kräfte in <strong>der</strong><br />
deutschen Wirtschaft unter den gegebenen Bedingungen<br />
nicht entfalten konnten. Zusätzliche Impulse durch den<br />
Staat waren notwendig, um eine drohende Stagnation zu<br />
vermeiden.<br />
Das begrenzte Wachstum bestätigt zwar die Erkennt-<br />
nis, daß die Bundesrepublik nicht mehr mit den hohen<br />
Zuwachsraten vergangener Jahre rechnen kann. Mit all-<br />
zu geringem Wachstum lassen sich jedoch viele Proble-