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lesen - Vatican magazin ::: Schönheit und Drama der Weltkirche

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48 disputanoch übel nehmen.“ Bonaventura wi<strong>der</strong>setzt sich <strong>der</strong> innerweltlichenErlösungslehre des Joachim von Fiore, die unter radikalenFranziskanern begeisterte Aufnahme fand. Man kann sogarsagen, dass die Aufgabe, die damals Bonaventura als dem Generalministerdes Franziskanerordens angesichts <strong>der</strong> Krise durchdie Spiritualen zufiel, vergleichbar ist <strong>der</strong> Herausfor<strong>der</strong>ung fürdie Gesamtkirche, vor die sich Kardinal Ratzinger durch die Befreiungstheologiegestellt sah. Dies bestätigt Ratzinger selbst imVorwort zur Neuausgabe <strong>der</strong> Habilitationsschrift (ital. 1991, dt.1992): „Die Frage, ob man als Christ an eine Art von innerweltlicherVollendung denken könne, also so etwas wie eine christlicheUtopie, eine Synthese von Utopie <strong>und</strong> Eschatologie möglichsei, kann man vielleicht geradezu als den theologischen Kern<strong>der</strong> Debatte um die Befreiungstheologie bezeichnen.“Was Ratzinger über Bonaventura sagt, trifft genau auchseine standhafte Haltung gegenüber <strong>der</strong> neomarxistischen Richtung<strong>der</strong> Befreiungstheolgie, für die er beson<strong>der</strong>s im deutschenSprachraum – dem Ausgangspunkt des marxistisch inspiriertenPrimats <strong>der</strong> Praxis – überwiegend Ablehnung erfuhr: „Erwar freilich unerbittlich in <strong>der</strong> Ablehnung von Bestrebungen,die Christus <strong>und</strong> Geist, die christologisch-sakramental geordneteKirche <strong>und</strong> die pneumatologisch-prophetische Kirche <strong>der</strong> Armenzu teilen versuchten <strong>und</strong> dabei in Anspruch nahmen, Utopiedurch ihre Lebensform selbst vergegenwärtigen zu können.“Dies ist das <strong>Drama</strong> einer weitgehend unveröffentlichtenHabilitationsschrift <strong>und</strong> ihrer Wirkungsgeschichte in <strong>der</strong> zweitenHälfte des zwanzigsten Jahrh<strong>und</strong>erts. Nach <strong>der</strong> versuchtenUnterdrückung durch Schmaus folgte die Wirkung <strong>der</strong> TheseRatzingers auf das Konzil: Ablehnung des Entwurfs einer Offenbarungskonstitutionmit den Argumenten Ratzingers <strong>und</strong> <strong>der</strong>enEinwirken auf „Dei Verbum.“ In <strong>der</strong> nachkonzilaren Krise mussRatzinger erleben, dass es <strong>der</strong> progressistischen Min<strong>der</strong>heit gelungenwar, die Rezeption des Konzils in ihrem Sinne zu verfälschen,<strong>und</strong> dass mit <strong>der</strong> unrechtmäßigen Weihe von Bischöfendie Traditionalisten sich als Gegenkirche etablierten. Durch denWi<strong>der</strong>stand <strong>der</strong> Integristen kam ein Kompromisstext heraus,dem man eine noch größere Entschiedenheit im Sinne Ratzingersgewünscht hätte. Mit seinen Klarstellungen wäre man möglicherweisenicht so schnell in die Defensive geraten.Mit <strong>der</strong> „Geschichtstheologie des heiligen Bonaventura“sah <strong>der</strong> Kurienkardinal Ratzinger schließlich in <strong>der</strong> Befreiungstheologiedas Missverständnis wie<strong>der</strong> aufleben, dass durch politischesHandeln eine innerweltliche Vollendung herbeigeführtwerden könne. Wie Bonaventura tritt er in seiner Zeit gegen einchiliastisches Erlösungsverständnis auf, hinter dem <strong>der</strong> Marxismussteht, <strong>der</strong> bereits als falscher Messianismus <strong>und</strong> Weg inden mör<strong>der</strong>ischen Totalitarismus überführt war <strong>und</strong> im Übrigenkurz vor dem Zusammenbruch stand. Nach 54 Jahren wurdejetzt die Habilitationsschrift des Papstes als zweiter Band <strong>der</strong>Werkausgabe erstmals vollständig veröffentlicht. Bücher habenihre Schicksale, auch unveröffentlichte.Vorsicht Dávila!Um irgendwen in Empörung zu versetzen, genügtes heutzutage, ihm vorzuschlagen, er solleauf etwas verzichten.Die Geschichte zeigt, dass die Glückstreffer desMenschen zufällig sind <strong>und</strong> seine Fehlgriffemethodisch.Nur einige wenige werden am Ende nicht amHalfter in den Stall geführt.Die Freiheit ist das Metall, aus dem die Fußeisengeschmiedet sind.Der Pöbel behandelt den berühmten Schriftstellermit einer sinnreichen Diskretion: Er feiertseinen Namen <strong>und</strong> ignoriert seine Bücher.Wir sollten nicht auf den hören, <strong>der</strong> kein grobesPilgergewand trägt.Kein Kunstwerk kann uns Tore zu einer Überweltöffnen.Doch <strong>der</strong> Unterschied zwischen einem misslungenen<strong>und</strong> einem gelungenen Werk ist ein Spaltüberweltlichen Lichts.Die <strong>Schönheit</strong> ist <strong>Schönheit</strong> eines irdischenDings. Doch dass es die <strong>Schönheit</strong> gibt, ist keineirdische Angelegenheit.Solange man ihn nicht ernst nimmt, kann, werdie Wahrheit sagt, eine Weile in einer Demokratieleben.Danach: <strong>der</strong> Schierlingsbecher.Während er zu brüllen glaubt, iaht <strong>der</strong> jungeMensch.Die Wasser des Abendlands sind faulig, dochdie Quelle ist rein.Aphorismen aus den Werken des kolumbianischenPhilosophen Nicolás Gómez DávilaAus: Das Leben ist die Guillotine <strong>der</strong> Wahrheiten, EichbornVerlag, Frankfurt am Main 200610|2009

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