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lesen - Vatican magazin ::: Schönheit und Drama der Weltkirche

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disputa 43Beanstandung geblieben war“ (AmL). Dies w<strong>und</strong>erte den Verfasser:„Dabei wäre gerade auch hier durchaus Sprengstoff enthaltengewesen“ (AmL). Damit meint Ratzinger die eigentlicheThese, die auch diesen Teil bestimmt: „Bonaventura benenntnirgendwo, soviel ich sehen kann, die Schrift selbst als ‚Offenbarung’“.Nach Bonaventura sei Offenbarung „gleichbedeutendmit <strong>der</strong> geistlichen Erfassung <strong>der</strong> Schrift.“ Warum die Schriftnicht Offenbarung genannt wird, schreibt <strong>der</strong> Habilitand: „Dasversteht sich vom Offenbarungsvorgang her von selbst, in demsich nämlich ‚Offenbarung’ gerade als Erfassen geistigen Sinnesdarstellt.“ Im dritten Teil steht sogar eine Entkräftung des Einwandes,dass dieses Offenbarungsverständnis einem „subjektivistischenAktualismus“ Vorschub leiste, <strong>der</strong> an die Stelle <strong>der</strong>objektiven Offenbarungswahrheiten trete. Das GegenargumentRatzingers besteht darin, „dass das die Schrift je erst zur ‚Offenbarung’erhebende Verständnis sich nicht als Sache des Einzellesersauffassen lässt, son<strong>der</strong>n sich allein im lebendigen Schriftverständnis<strong>der</strong> Kirche zuträgt. Die Objektivität des Glaubensanspruchsist damit zweifellos sichergestellt.“Inhalt des dritten Teils sind vor allem die geschichtstheologischenKonsequenzen, die Bonaventura aus seinem Offenbarungsverständnisableitet. Ratzinger war <strong>der</strong> erste, <strong>der</strong> nachweisenkonnte, dass sich Bonaventura mit den Thesen des Joachimvon Fiore (gest.1202) auseinan<strong>der</strong>gesetzt hat. Dieser süditalienischeAbt hatte aus <strong>der</strong> Heiligen Schrift drei heilsgeschichtlicheEpochen abgeleitet: Auf das Reich des Vaters (Altes Testament)sei das Reich des Sohnes (Geschichte <strong>der</strong> Kirche) gefolgt,das noch im dreizehnten Jahrh<strong>und</strong>ert vom Reich des HeiligenGeistes abgelöst werde. Sehr bald verstanden sich nicht wenigeFranziskaner als Avantgarde des Heiligen Geistes zur Überwindung<strong>der</strong> Institution Kirche im neuen Reich <strong>der</strong> Freiheit <strong>und</strong><strong>der</strong> Liebe im Namen des heiligen Franziskus. Als Ordensobererhatte Bonaventura die Aufgabe, die Lehre Joachims richtigzu stellen <strong>und</strong> eine Spaltung des Ordens zu verhin<strong>der</strong>n. Unterdem Titel „Die Geschichtstheologie des Heiligen Bonaventura“reichte Ratzinger diesen Teil nun nochmals im Oktober 1956ein: „Da bei <strong>der</strong> herben Kritik an meiner Arbeit dieser Teil ohneBeanstandung geblieben war, konnte man ihn wohl nicht nachträglichals wissenschaftlich unannehmbar erklären“ (AmL).Am 11. Februar 1957 wurde ihm die Annahme mitgeteilt.Bereits am 21. Februar sollte die öffentliche Habilitationsvorlesungstattfinden. Ihr Thema, das Ratzinger in seiner Autobiographienicht mitteilt, war die Erörterung <strong>der</strong> Frage, ob die Ekklesiologiein die F<strong>und</strong>amentaltheologie o<strong>der</strong> in die Dogmatikgehöre. Ein Augenzeuge, Alfred Läpple, „Mentor“ <strong>und</strong> lebenslangerFre<strong>und</strong> Ratzingers berichtet, dass Professor Schmaus sichnach <strong>der</strong> Vorlesung erhob <strong>und</strong> sagte: „’Die Sache, mit ihrer subjektivistischenArt die Offenbarung zu deuten, ist nicht richtigkatholisch.’ Ratzinger wollte beginnen zu erwi<strong>der</strong>n. Dochda hat sich Söhngen eingeschaltet. Ein heftiger Streit entbranntezwischen den beiden Professoren. Ratzinger blieb nur an <strong>der</strong>Seite stehen“(Peter Pfister, Hg.: Joseph Ratzinger <strong>und</strong> das ErzbistumMünchen <strong>und</strong> Freising. Regensburg 2006, S.123). Esschloss sich die Sitzung des Prüfungsausschusses an <strong>und</strong> danachwurde Ratzinger formlos auf dem Gang seine Habilitationmitgeteilt. So ging <strong>der</strong> „Alptraum“ <strong>der</strong> Habilitation zu Ende,<strong>der</strong> fast die gesamte Zeit <strong>der</strong> Freisinger Dozententätigkeit von1953 bis Anfang 1957 überschattete.Ein Jahr später erfolgte Ratzingers Ernennung zum ordentlichenProfessor für F<strong>und</strong>amentaltheologie <strong>und</strong> Dogmatikin Freising, allerdings „nicht ohne vorangegangenes Störfeuervon interessierter Seite“ (AmL), womit auch wie<strong>der</strong> aufSchmaus angespielt sein könnte. Alfred Läpple berichtet, dassRatzinger im Sommer 1958 zu Kardinal Wendel einbestelltwurde, <strong>der</strong> ihm im Beisein von Professor Schmaus seine Ernennungzum Professor an <strong>der</strong> Pädagogischen Hochschule inMünchen-Pasing mitteilte. Da zog Ratzinger zur Verblüffung<strong>der</strong> beiden Herren seine Berufung auf den Lehrstuhl für F<strong>und</strong>amentaltheologiean <strong>der</strong> Universität Bonn aus <strong>der</strong> Tasche.„Es war für mich sozusagen das Traumziel, dorthin zu gehen“(AmL).Mit Bonaventura gegen die Neuscholastik:Die OffenbarungskonstitutionAls Ratzinger zum Sommersemester 1959 seine BonnerLehrtätigkeit aufnahm, hatte Papst Johannes XXIII. keine dreiMonate vorher ein Konzil angekündigt. Vom Kölner KardinalFrings, Mitglied <strong>der</strong> Zentralen Vorbereitungskommission desKonzils, ins Vertrauen gezogen konnte Ratzinger in alle Textentwürfefür das Konzil Einblick nehmen. Ratzinger wurde somit<strong>der</strong> theologische Berater eines <strong>der</strong> einflussreichsten Kardinäledes Konzils. Wie groß das Vertrauen von Kardinal Fringsin Ratzinger war, zeigt die Einladung an alle deutschsprachigenBischöfe am 10. November 1962, dem Vorabend <strong>der</strong> Konzilseröffnung,zu einem Referat von Professor Ratzinger zumkurialen Textentwurf „Über die Quellen <strong>der</strong> Offenbarung.“ Eswar äußerst mutig von Frings, dass er ohne zu wissen, welchenSpielraum die „Konzilsregie“ für die Väter überhaupt vorgesehenhatte, seinem Chefberater dieses Forum für einen totalenVerriss des Offenbarungsschemas bereitete. Damit beginnt <strong>der</strong>zweite Akt des <strong>Drama</strong>s <strong>der</strong> Habilitation.Seit dem Dogma von 1950 war das Thema Glaubenswahrheit<strong>und</strong> Schriftbeweis unbewältigt. Das Traditionsargumentkonnte nicht standhalten, wenn es keine historischen Beweisefür eine bis auf die Zeit <strong>der</strong> Apostel zurückreichende mündlicheÜberlieferung außerhalb <strong>der</strong> Schrift gibt. Drohte das Endevon Lehramt <strong>und</strong> Tradition? Die zentrale Frage <strong>der</strong> Habilitation:„Wie sich Geschichte <strong>und</strong> Geist im Gefüge des Glaubenszueinan<strong>der</strong> verhalten“ (AmL), musste darum auch die zentra-10|2009

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