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kammerrundschreiben - Rechtsanwaltskammer Mecklenburg ...

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Liebe Kolleginnen und Kollegen,<br />

I.<br />

„wer nicht wagt, der nicht gewinnt“ gilt nicht mehr. Der Eindruck, der Risikoscheue könnte wenigstens das Vorhandene<br />

bewahren, ist falsch.<br />

Wo man auch hinhört oder hinschaut: wir leben in einer riskanten Zeit, was allerdings für frühere Generationen<br />

genauso gegolten haben dürfte. Uns erscheinen nur deren Probleme im Verhältnis zu unseren viel beschaulicher,<br />

irgendwie steuerbarer und damit weniger beängstigend.<br />

Wir leben in einer Wissensgesellschaft und eignen uns auch Kenntnisse an, für die wir vorher gar keinen Bedarf<br />

sahen. Gleichwohl können wir die uns umgebenden Krisen, die schlagartige Ruinierung ganzer Volkswirtschaften<br />

und damit verbundener sozialer Systeme, die Verschuldung von Staaten mit nahezu oder sogar mehr als 100% ihres<br />

Haushaltes, die Währungsspekulationen und die Vernichtung von Milliarden, nicht erklären.<br />

Zur Überraschung aller bleibt der Deutsche gelassen und legt eine ihm nicht zugetraute Coolness an den Tag. Umfragen<br />

haben ergeben, dass die meisten das größte Risiko darin sehen, schwer zu erkranken oder zu sterben und<br />

damit doch das Risiko: Leben als Chance zu begreifen.<br />

Seit es die <strong>Rechtsanwaltskammer</strong> <strong>Mecklenburg</strong>-Vorpommern gibt, ist auch das Anwaltsleben in diesem Mikrokosmos<br />

mit besonderen Risiken und Nebenwirkungen verbunden. Dies ist wahrscheinlich auch der Grund, warum die<br />

Zulassungszahlen bei uns nicht steigen, sondern im Unterschied zum Bundestrend leicht abnehmen. Bis Juli hatten<br />

wir 27 Neuzugänge zu verzeichnen, 41 Rechtsanwälte haben uns in der gleichen Zeit verlassen. Wie die Betrachtung<br />

eines halbvollen/halbleeren Glases, sind Risiken und Chancen zwei Seiten einer Medaille. Allerdings sieht man<br />

immer nur eine dieser beiden Seiten und richtet offensichtlich danach sein Leben aus.<br />

Unsere besonderen Risiken in <strong>Mecklenburg</strong>-Vorpommern sind real. Wir laufen Gefahr, das Land mit den größten<br />

Amtsgerichtsbezirken zu werden. Von 21 Amtsgerichten sollen 11 geschlossen werden. Damit werden Gerichtsbezirke<br />

entstehen, die größer sind als das Saarland.<br />

Zum 01.08.2012 treten nur noch insgesamt 52 Auszubildende ihren Weg in unsere Kanzleien bzw. Berufsschulen<br />

an. Nachdem der uns betreffende Ausbildungszweig in der Berufsschule Neustrelitz geschlossen wurde, spricht<br />

vieles dafür, dass wir neben den größten Landkreisen und Amtsgerichtsbezirken auch die flächenmäßig ausgedehntesten<br />

Berufsschulstandorte erhalten.<br />

Obwohl die Reform des RVG längst überfällig geworden ist und sich hieraus Einkommensverbesserungen ergeben<br />

würden, sind diese für die meisten Anwälte <strong>Mecklenburg</strong>-Vorpommerns im Saldo nicht zu erzielen, solange die<br />

Annahme dieses Gesetzesvorhabens an ein Junktim zur Begrenzung der Prozess- und Beratungshilfe geknüpft ist.<br />

Das Risiko, in <strong>Mecklenburg</strong>-Vorpommern Anwalt zu sein, hat allerdings auch ein wunderbares Ergebnis zur Folge:<br />

wir sind nicht feige, weder dem Leben noch (und gerade) der „Obrigkeit“ gegenüber!<br />

Es ist schon ermutigend, wie sich Anwälte im wahrsten Sinne des Wortes, der Macht in den Weg stellen, wie in<br />

Ribnitz-Damgarten, Parchim und anderen Orten geschehen. Die für unsere Volksinitiative zuständige Wahlleiterin<br />

hat nach 19.667 gültigen Stimmen mit dem Zählen aufgehört, da das gesetzlich vorgesehene Mindestquorum von<br />

15.000 gültigen Stimmen deutlich überschritten worden ist.<br />

52 Berufsschüler sind wenig, allerdings bieten sie auch die Chance, wirklich für den eigenen Bedarf und damit qualitativ<br />

hochwertiger auszubilden, als dies in früheren Jahren noch der Fall war. Außerdem ist die eingetretene Situation<br />

Anlass, über ein eigenes Bildungswerk - vielleicht gemeinsam mit der Notarkammer - nachzudenken. Damit<br />

nehmen wir die Dinge nicht nur in die eigenen Hände, sondern sind gegen mögliche Entscheidungen der Landesregierung,<br />

weitere Berufsschulstandorte zu schließen, gewappnet.<br />

Und unsere Gebühren?<br />

Am 01.08.2012 habe ich eine junge Kollegin vereidigt, die in Dublin arbeiten wird. Die dortigen Anwälte müssen,<br />

mangels gesetzlicher Gebührenordnung mit den Mandanten seit jeher verhandeln und Vergütungsvereinbarungen<br />

schließen. Dies macht der jungen Kollegin keine Angst, sie kennt es nicht anders. Woher kommt dann die Angst<br />

gestandener Anwälte vor einer Reform der Prozesskosten- und Beratungshilfe?<br />

R E C H T S A N W A L T S K A M M E R M E C K L E N B U R G - V O R P O M M E R N 2

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