Kommunikations- wissenschaft - Medien ...
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M&K 49. Jg. 2001/4 E 20039 F<br />
&<br />
HANS-BREDOW-INSTITUT<br />
<strong>Medien</strong><br />
<strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong><br />
Joachim R. Höflich / Patrick Rössler<br />
Mobile schriftliche Kommunikation – oder: E-Mail für das Handy.<br />
Die Bedeutung elektronischer Kurznachrichten (Short Message<br />
Service) am Beispiel jugendlicher Handynutzer<br />
Peter Vorderer / Ute Ritterfeld / Christoph Klimmt<br />
Spaß am Hören. Hörspielkassetten als sprachförderliche<br />
Unterhaltungsangebote für Vorschulkinder<br />
Christoph Klimmt<br />
Ego-Shooter, Prügelspiel, Sportsimulation? Zur Typologisierung<br />
von Computer- und Videospielen<br />
Annette von Kalckreuth-Tabbara<br />
Die Regulierung von Geschlechtsrollenklischees im kanadischen<br />
Rundfunk. Lässt sich die klischeehafte Darstellung von Frauen<br />
im Rundfunk durch rechtliche Steuerung verhindern?<br />
Daniel Jones<br />
<strong>Medien</strong>- und <strong>Kommunikations</strong>forschung in Spanien – ein Überblick<br />
Klaus-Jürgen Buchholz<br />
Zur Funktion nichtkommerzieller und Freier Radios.<br />
Anmerkungen zum Aufsatz von Jan Pinseler in M&K 3/2001<br />
Jan Pinseler<br />
„Das ist einfach nur unprofessionell“. Eine Antwort auf<br />
Klaus-Jürgen Buchholz<br />
Nomos Verlagsgesellschaft<br />
Baden-Baden<br />
Die neue Rundfunk und Fernsehen
II<br />
Anzeige<br />
2. Umschlagseite
M&K 49. Jg. 2001/4<br />
HANS-BREDOW-INSTITUT<br />
<strong>Medien</strong><br />
<strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong><br />
&<br />
Redaktion:<br />
Joan Kristin Bleicher, Hardy Dreier, Uwe Hasebrink, Anja Herzog,<br />
Friedrich Krotz, Christiane Matzen, Eva Rischkau, Hermann-Dieter<br />
Schröder, Wolfgang Schulz, Jutta Simon, Ralph Weiß<br />
Nomos Verlagsgesellschaft<br />
Baden-Baden
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
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AUFSÄTZE<br />
Joachim R. Höflich / Patrick Rössler Mobile schriftliche Kommunikation – oder: E-Mail<br />
für das Handy. Die Bedeutung elektronischer Kurznachrichten<br />
(Short Message Service) am Beispiel jugendlicher<br />
Handynutzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437<br />
Peter Vorderer / Ute Ritterfeld / Spaß am Hören. Hörspielkassetten als sprachförder-<br />
Christoph Klimmt liche Unterhaltungsangebote für Vorschulkinder . 462<br />
BERICHTE<br />
Christoph Klimmt Ego-Shooter, Prügelspiel, Sportsimulation? Zur Typologisierung<br />
von Computer- und Videospielen . . 480<br />
Annette von Kalckreuth-Tabbara Die Regulierung von Geschlechtsrollenklischees im<br />
kanadischen Rundfunk. Lässt sich die klischeehafte<br />
Darstellung von Frauen im Rundfunk durch rechtliche<br />
Steuerung verhindern? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498<br />
Daniel Jones <strong>Medien</strong>- und <strong>Kommunikations</strong>forschung in Spanien<br />
– ein Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 528<br />
DISKUSSION<br />
Klaus-Jürgen Buchholz Zur Funktion nichtkommerzieller und Freier Radios.<br />
Anmerkungen zum Aufsatz von Jan Pinseler in<br />
M&K 3/2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 546<br />
Jan Pinseler „Das ist einfach nur unprofessionell“. Eine Antwort<br />
auf Klaus-Jürgen Buchholz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 551<br />
LITERATUR<br />
Besprechungen<br />
INHALTSVERZEICHNIS<br />
Joan Kristin Bleicher Jutta Röser: Fernsehgewalt im gesellschaftlichen<br />
Kontext. Eine Cultural Studies-Analyse über <strong>Medien</strong>aneignung<br />
in Dominanzverhältnissen, Opladen:<br />
Westdeutscher 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553<br />
Martin Emmer Christoph Bieber: Politische Projekte im Internet.<br />
Online-Kommunikation und politische Öffentlichkeit,<br />
Frankfurt/New York: Campus 1999 . . . . . . . . 554<br />
Frank Fölsch Anja Claudia Todtenhaupt: Cyber TV – Die Digitalisierung<br />
der Film- und Fernsehproduktion. Münster:<br />
Lit 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 556<br />
435
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
Michael Jäckel David Gauntlett /Annette Hill: TV Living. Television,<br />
Culture and Everyday Life, London, New York:<br />
Routledge 1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 558<br />
Martin Löffelholz Ingrid Volkmer: News in the Global Sphere. A Study<br />
of CNN and its Impact on Global Communication.<br />
Luton: University of Luton Press 1999 . . . . . 560<br />
Helmuth Schulze-Fielitz Wolfgang Hoffmann-Riem: Regulierung der dualen<br />
Rundfunkordnung. Grundfragen, Baden-Baden:<br />
Nomos 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 562<br />
Tarik Tabbara Susan J. Drucker / Gary Gumpert (Hrsg.): Real Law<br />
@ Virtual Space. Communication Regulation in Cyberspace,<br />
Cresskill: Hampton Press 1999 . . . . . . . . 565<br />
Joachim Trebbe Isabella-Afra Holst: Realitätswahrnehmung in politischen<br />
Konflikten. Grundlagen einer Theorie der<br />
Wissenskluft, Konstanz: UVK 2000 . . . . . . . . . . . . 568<br />
Hans J. Wulff Rolf Parr / Matthias Thiele (Hrsg.): Gottschalk,<br />
Kerner & Co. Funktionen der Telefigur „Spielleiter“<br />
zwischen Exzeptionalität und Normalität, Frankfurt:<br />
Suhrkamp 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 569<br />
Zeitschriftenlese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 571<br />
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 591<br />
English abstracts and keywords . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 597<br />
Mitarbeiterinnen und Mittarbeiter<br />
dieses Heftes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 599<br />
Hinweise für Autorinnen<br />
und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 600<br />
Inhaltsverzeichnis 49. Jahrgang 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 602<br />
436
Mobile schriftliche Kommunikation –<br />
oder: E-Mail für das Handy<br />
Die Bedeutung elektronischer Kurznachrichten (Short Message Service) am Beispiel<br />
jugendlicher Handynutzer<br />
Joachim R. Höflich / Patrick Rössler<br />
AUFSÄTZE<br />
Mit der schnellen Diffusion des mobilen Telefons („Handy“) hat sich in Deutschland<br />
auch der Short Message Service (SMS) als spezifische Nutzungsform verbreitet. Dieser<br />
gestattet es, kurze, der E-Mail vergleichbare Textnachrichten zu senden und zu empfangen.<br />
Unter Jugendlichen erfreuen sich SMS-Botschaften besonderer Beliebtheit; noch<br />
vor der mobilen Telefonie stellen sie die dominante Nutzungsform des Handys dar. Anknüpfend<br />
an die theoretische Verortung des Short Message Service im Kontext einer<br />
„Dialektik“ mobiler Kommunikation wird die Aneignung des SMS durch Jugendliche in<br />
einer explorativen empirischen Studie untersucht. Vor dem Hintergrund eines modifizierten<br />
Uses and Gratifications-Konzepts werden distinkte, mit dem Gebrauch des Short<br />
Message Service verbundene Gratifikationen ausgelotet. Als dominante Nutzungsmotive<br />
ergeben sich der Austausch über persönliche Befindlichkeiten und das Aufrechterhalten<br />
von Kontakten unter dem Vorzeichen, immer erreichbar zu sein. Eine faktorenanalytische<br />
Verdichtung unterstreicht, dass die gegenseitige Rückversicherung als Nutzungsmotiv<br />
herausragt, das zwar ebenso mit dem Telefon verbunden ist, allerdings mit<br />
einer weniger aufdringlichen SMS-Nachricht zweckadäquater umgesetzt werden kann.<br />
Die Studie verweist ferner auf geschlechtsspezifische Unterschiede, die eine größere Affinität<br />
weiblicher Jugendlicher zu schriftlichen Mitteilungsformen nahe legen.<br />
Keywords: Short Message Service, Neue <strong>Medien</strong>, technisch vermittelte interpersonale<br />
Kommunikation, Uses and Gratifications, Aneignung, Jugendliche<br />
Die medialen Entwicklungen an der Schwelle zum 21. Jahrhundert stehen unter dem<br />
Vorzeichen umfassender Konvergenz. Als Paradebeispiel hierfür gilt das Internet, bei<br />
dem sich überdies das Moment der Konvergenz mit einer ausgeprägten Globalisierung<br />
der Kommunikation verbindet. Zur im Wesentlichen US-amerikanisch geprägten globalen<br />
Kommunikation via Internet kommt allerdings eine Technologie hinzu, die gerade<br />
in Europa einen besonderen Wachstumsschub erfährt: Die Mobilfunktechnologie,<br />
für die sich hierzulande die anschauliche Begrifflichkeit des „Handy“ durchgesetzt hat,<br />
an Stelle des in den USA üblichen „Cellular Phone“. Das Handy steht indessen nicht nur<br />
für eine umfassende Mobilität, denn es schickt sich an, zu einem weiteren Universalgerät<br />
zu werden: „Aus dem Handy der Zukunft wird ein Mini-PC, ein Multimedia-Terminal<br />
in Taschenformat. Mit einem großen Farbdisplay und größeren, aber dafür wenigen<br />
Tasten. Damit wird man fotografieren, filmen, im Internet surfen, einfach all das tun<br />
können, wofür man heutzutage noch die unterschiedlichsten Geräte benötigt“ (Reischl/<br />
Sundt 1999: 12).<br />
Dies alles – und womöglich noch viel mehr – verspricht der viel diskutierte künftige<br />
Standard für mobile Telekommunikation UMTS (Universal Mobile Telecommunications<br />
System). Bis zu dessen effektivem Einsatz muss man sich noch mit den Nutzungsofferten<br />
des WAP (Wireless Application Protocol) begnügen, das bereits einen<br />
Zugang zum Internet erlaubt (vgl. z. B. Eckstein 2000). Doch schon jetzt präsentiert sich<br />
das Handy nicht nur als ein neues Informations- und Abrufmedium, sondern gleichzei-<br />
437
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
tig als ein Medium (mobiler) schriftlicher Kommunikation. Denn verfügbar sind auch<br />
Optionen, über den so genannten Short Message Service (SMS) kurze Textnachrichten<br />
zu versenden und zu empfangen. Bei dieser „E-Mail für das Handy“ können mittels des<br />
Tastenfeldes bis zu 160 Zeichen eingegeben und übermittelt werden, die anschließend<br />
auf dem Display des Angewählten erscheinen. Technisch ermöglicht dies der ständige<br />
Kontakt zwischen dem mobilen Telefon und der Funkstation des jeweiligen Netzes, bei<br />
dem die kurzen Textbotschaften quasi „nebenbei“ mitgeliefert werden.<br />
Der vorliegende Beitrag nähert sich diesem Phänomen aus theoretischer und empirischer<br />
Perspektive: Zunächst werden wir einige Spezifika der Kommunikation via SMS<br />
aufzeigen, ausgehend von der Mobiltelefonie als Trägermedium des Dienstes. Im Anschluss<br />
daran folgen erste Ergebnisse einer Pilotstudie, bei der die Nutzer aus der<br />
primären Zielgruppe des SMS-Dienstes – Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren – nach<br />
ihrem Alltagsgebrauch von SMS befragt wurden. 1<br />
1. Die Hybris allzeitiger Erreichbarkeit: mobile Telefonie<br />
Das Telefon war lange Zeit ein Medium der häuslichen Kommunikation. Vor etwa zehn<br />
Jahren, so zeigt die Berliner Telefonstudie aus dem Jahre 1989 (Lange u. a. 1990: 13),<br />
standen über die Hälfte der Telefone in den Wohnzimmern, etwas mehr als ein Viertel<br />
befand sich im Flur oder in der Diele. Mehr als 50 Prozent der Telefonkunden hatten<br />
nur ein Wählscheibentelefon, der Anteil der schnurlosen Telefone lag sogar unter einem<br />
Prozent. Inzwischen hat sich diese Situation fundamental verändert, denn das Telefon<br />
hat sich von seinem festen Ort gelöst: Schnurlose Telefone sind mittlerweile eher der<br />
Standard als die Ausnahme. Doch diese Innovation brachte keinen Bewegungsspielraum<br />
über ein paar hundert Meter hinaus, das Telefon blieb häuslich.<br />
Bereits im Jahre 1958 existierte in Deutschland eine Elite von Telefonierenden, die<br />
(wenn auch handvermittelte) Telefonate vom Autotelefon aus über das so genannte<br />
A-Netz führen konnten (vgl. weiter: Wessel 2000). Deswegen fungierte das Mobiltelefon<br />
auch lange Zeit als Statussymbol, wie es Schneider (1996: 12) treffend charakterisiert:<br />
„Das Handy ist klein, schwarz, diskret und lässt mit einem feinen Piepen die Umgebung<br />
aufhorchen. Natürlich wissen alle, daß dieses Piepen die Sprache des elektronischen<br />
Dorfes ist, das die babylonische Katastrophe entsorgt hat. Und außerdem wissen alle,<br />
daß dieser Mann mit dem Handy jetzt die heiligen Zeremonien der Wichtigkeit einleitet.<br />
Er erteilt der unwissenden Welt eine kleine akustische Lektion, wie es im Reich der<br />
schweren Bürden und hohen Verantwortungen aussieht. So spricht der wichtige Mann<br />
nicht nur mit dem Partner am anderen Ende der durch das piepende Esperanto hergestellten<br />
Funkstrecke. Er spricht zugleich zu einer andächtig lauschenden Umgebung.“<br />
Die digitale Generation der D1- und D2-Netze läutete im Jahre 1992 den Siegeszug des<br />
Handys ein, der zu immerhin mehr als 23 Millionen Nutzern in Deutschland im Jahre<br />
1999 führte (o. Verf. 2000a: 146). Im Laufe des darauf folgenden Jahres hat sich diese<br />
Zahl sogar verdoppelt. Damit ist das Handy schon längst kein Elitemedium mehr und<br />
sein Beispiel verdeutlicht gleichzeitig, wie gering die Halbwertszeit von Statuseffekten<br />
ist.<br />
1 Für ihre Mitarbeit bei der Konzeption der Studie, der Entwicklung des Instruments und der Koordination<br />
bzw. Durchführung der Feldarbeit danken wir besonders herzlich stud. phil. Stefanie<br />
Steuber.<br />
438
Höflich / Rössler · Mobile schriftliche Kommunikation<br />
Gerade die Loslösung des Telefonierens von einem festen Ort impliziert eine umfassende<br />
Erreichbarkeit. 2 Allerdings scheint die Beziehung zwischen Erreichen-Wollen<br />
und Erreichbarkeit asymmetrisch, wie Lange (1990: 34) dies bereits festgestellt hatte:<br />
„Stimmt es jedoch, daß ca. 80% aller über Mobiltelefone ausgeführten Gespräche vom<br />
mobilen Gerät aus initiiert werden und daß Mobiltelefone häufig abgestellt werden, so<br />
ist das ein wichtiger Beleg dafür, daß das überwiegende Interesse des Mobiltelefonteilnehmers<br />
nicht darin besteht, permanent und überall erreichbar zu sein, sondern<br />
während Phasen räumlicher Mobilität andere erreichen zu können“ (vgl. Lange 1991:<br />
155 ff.). Wenn auch jeder, so Mettler-Meibom (1994: 182), ein „Recht auf Nicht-Erreichbarkeit“<br />
habe, führt die Verbreitung des mobilen Telefongeräts zunehmend zu einem<br />
Erreichbarkeitsdruck: Wer über ein Handy verfügt, der muss es auch unter Stand-<br />
By-Bedingungen bei sich tragen.<br />
Das Handy bietet Stoff für viele Geschichten, die veranschaulichen, wie dieses Medium<br />
Probleme löst, aber auch erst neue schafft (vgl. die amüsanten Bemerkungen von Karasek<br />
1999). Und ähnlich wie in den Anfangsjahren des klassischen Telefons wird man<br />
zunächst mit der Frage konfrontiert: „Wer braucht das Handy überhaupt und zu welchem<br />
Zweck?“ Einer bestimmten Gruppe von Handybesitzern bringt Umberto Eco<br />
(2000) – nicht ohne eine gewisse Ironie – Verständnis entgegen: nämlich derjenigen, der<br />
das mobile Telefon aufgrund von Behinderungen oder Krankheiten mehr als gute<br />
Dienste erweist, indem es beispielsweise die Benachrichtigung von Arzt oder Notdienst<br />
sichert. Gleiches gilt seiner Ansicht nach für Personen, die aus triftigen beruflichen<br />
Gründen auf das <strong>Kommunikations</strong>mittel angewiesen sind, und die Ehebrecher, die nunmehr<br />
Botschaften ihres geheimen Partners erhalten, ohne dass Familienmitglieder, Sekretärinnen<br />
oder boshafte Kollegen die Anrufe abfangen können. Problematisch sind<br />
für ihn jene Nutzer, die das Mobiltelefon auf eigene und anderer „Gefahr“ verwenden,<br />
wie etwa „die Leute, die nirgendwo hingehen können, ohne weiter mit Freunden und<br />
Angehörigen, die sie eben verlassen haben, über dies und das zu schwatzen“ (Eco 2000:<br />
83) – oder Menschen, die nur öffentlich demonstrieren wollen, wie begehrt sie sind.<br />
Die mit der ubiquitären Erreichbarkeit verknüpfte, subjektiv empfundene Aufdringlichkeit<br />
des Mediums (persönliche Aufdringlichkeit) wird durch die Allgegenwart der<br />
2 Zum Thema der Erreichbarkeit zwei Randbemerkungen: Die Möglichkeiten der Mobilkommunikation<br />
stellt für jene Regionen eine Chance dar, überhaupt erst Erreichbarkeit herzustellen,<br />
in denen eine Versorgung mit herkömmlichen Telefonen via Verkabelung mangels Rentabilität<br />
kaum realisiert ist (beispielsweise in Afrika, vgl. Aden 2000: 66 ff.). Für die konservative<br />
Bruderschaft der Amischen („The Old Order Amish of Pennsylvania“) ist das Telefon dagegen<br />
immer noch ein gewisser Fremdkörper, zumindest lassen sie es nicht zu, dass das<br />
Telefon, wie auch der elektrische Strom, in ihren Haushalt gelangen. Nur auf den ersten Blick<br />
mag es dabei erstaunen, dass Rheingold (1999: o. S.) davon berichtet, wie er eine Amischenfrau<br />
in ihren Garten beobachtete – während sie in der Tat ein Handy in der Hand hatte: „She was<br />
sitting in the middle of the garden, alone, the very image of technology-free simplicity. But she<br />
was holding her hand up to her ear. She appeared to be intent on something, strangely engaged.<br />
‘Whenever you see an Amish women sitting in the field like that’, my guide said, ‘she’s<br />
probably talking on a cell phone.’“ Im Falle der Amischen geht es nämlich nicht darum, dass<br />
sie das Telefon und damit die telefonische Erreichbarkeit grundlegend ablehnen, sondern dass<br />
sie es nur in ihrem Haushalt nicht dulden. Auch das Handy bleibt, so Rheingold, draußen –<br />
und zum Aufladen der Batterie wird es einem befreundeten Nicht-Amischen mitgegeben. Dies<br />
verdeutlicht ein weiteres Mal, dass die Prozesse der Aneignung durchaus differenziert zu betrachten<br />
sind.<br />
439
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
mobilen Telefonie auch zu einer öffentlichen Aufdringlichkeit, oft sogar zu einer<br />
öffentlichen Belästigung (vgl. ausführlicher: Burkart 2000: 218 ff.). So gesehen gehört<br />
das Handy zu den „Zeichen und Zumutungen des Alltags“, wie es der Untertitel eines<br />
von Peter Kemper (1996) herausgegebenen Bandes formuliert. Privates und Intimes<br />
wird in eine Öffentlichkeit unfreiwilliger Mithörer getragen – vor ein Publikum, das<br />
nie die Wahl hatte, als ein solches zu fungieren. „Es scheint keinen privaten oder öffentlichen<br />
Raum mehr zu geben, in dem man nicht tatsächlich von allen jederzeit erreichbar<br />
wäre, sofern man ein Handy besitzt. Innerhalb riesiger Menschenmengen<br />
führen Individuen völlig ungeniert Privatgespräche, für die man sich früher in ein Zimmer<br />
oder doch wenigstens in eine abgeschlossene Telefonzelle zurückgezogen hätte.<br />
[…] Das Klingeln – und die Beantwortung des Klingelns – stört jedes Gespräch mit<br />
den körperlich Anwesenden und macht Ungestörtheit des Zusammenseins sowie höfliche<br />
Rücksichtnahme den Mitmenschen gegenüber zu einem Traum von gestern“<br />
(Lehnert 1999: 89/90).<br />
Der öffentlich-demonstrative Nutzer 3 scheint es jedoch zunehmend schwerer zu haben,<br />
denn sein Publikum verweigert sich ihm: Immer mehr öffentliche Orte werden zu<br />
handyfreien Zonen erklärt, das gilt sogar für den königlichen Palast von Elizabeth II.<br />
(vgl. Schilly-Strack 2000: 17). In Flugzeugen und Krankenhäusern ist der Gebrauch allemal<br />
untersagt. 4 In den USA wird der Widerstand in Form einer „Cell phone rage“ von<br />
besonders aggressiven Aktivisten im Internet propagiert (zu sehen unter: http://www.<br />
phonebashing.com): Die Protagonisten entwenden aufdringlich erscheinenden, öffentlichen<br />
Telefonierern ihr Handy und dokumentieren dies auf Video. Technisch gibt es<br />
außerdem die (in Deutschland verbotene) Möglichkeit, die Nutzung des Geräts durch<br />
einen Handy-Blocker unmöglich zu machen (vgl. o. Verf. 1998).<br />
2. Zur „Neuerfindung“ des Telefons: Schriftliche Kommunikation<br />
über das Handy<br />
Um einen Eindruck von der quantitativen Bedeutung der neuen medialen Möglichkeiten<br />
zu vermitteln: Allein im August 2000 wurden weltweit um die sieben Milliarden<br />
SMS-Botschaften verschickt. Ein Drittel davon wird allein schon in Japan generiert. In<br />
Europa steht Deutschland mit mehr als einer Milliarde Kurznachrichten pro Monat an<br />
erster Stelle (vgl. o. Verf. 2000d; auch: Brandmaier/Girlie 2000). Eingedenk der SMS-<br />
Möglichkeiten ist das Handy nicht nur ein weiteres Musterbeispiel für eine intramediale<br />
Konvergenz, weil es Funktionen (hier: der schriftlichen und sprachlichen Kommunikation)<br />
übernimmt, die bislang auf verschiedene <strong>Medien</strong> verteilt waren. Durch den<br />
Brückenschlag zwischen verschiedenen <strong>Medien</strong> treibt es auch die intermediale Konvergenz<br />
voran: Unterschiedliche <strong>Medien</strong> verweisen gegenseitig aufeinander und führen Impulse<br />
des anderen Mediums weiter (Stichwort: „Cross-Media“), was letztlich auch zu einer<br />
inhaltlichen Konvergenz führen kann. So können beim Short Message Service via<br />
3 Gleichwohl gibt es inzwischen auch den Typ von Nutzer, der sich bei einem Telefonat zurückzieht<br />
(oder zumindest den Versuch dazu unternimmt).<br />
4 Kulturspezifische Besonderheiten beim Umgang mit solchen Schutzzonen sind hier mitzudenken.<br />
Sicherlich schickt es sich nicht, während des Essens zu telefonieren. Eine schroffe Zurückweisung<br />
wie: „Ich habe keine Lust, jetzt zu telefonieren, ich esse gerade. Kann ich dich zurückrufen?“<br />
wäre bei einem Italiener trotzdem undenkbar, denn „was ihr Handy, ihr Telefonino angeht,<br />
verstehen die Italiener keinen Spaß“ (Holzamer 2000: V1/1).<br />
440
Höflich / Rössler · Mobile schriftliche Kommunikation<br />
Computer Kurztexte an das Handy (und umgekehrt) geschickt werden. 5 Die technisch<br />
notwendige Begrenzung des Umfangs ausgenommen unterscheiden sich solche Nachrichten<br />
von der gleichfalls asynchronen Kommunikation per E-Mail wesentlich darin,<br />
dass sie nicht von einem Computernutzer zu einem anderen User, sondern zu einem<br />
Handynutzer gelangen. Als höchst anschauliches Beispiel für diese intermediale Konvergenz<br />
mag der Wettbewerb „160 Zeichen“ gelten, den der Düsseldorfer Uzzi-Verlag<br />
über seine Website ausgeschrieben hat: Die Veranstalter erbitten Zusendungen von<br />
„SMS-Literatur auf kleinstem Raum“ im „handyüblichen 160-Zeichen-Format“; die<br />
originellsten Messages werden auf der Homepage veröffentlicht und mit der symbolischen<br />
Summe von 160 Mark prämiert (o. Verf. 2001). Ferner illustriert dieses Exempel,<br />
dass die erzwungene Zeichenknappheit der SMS-Kommunikation durchaus als kreative<br />
Ressource fungieren kann, die oft eigenwillige Sprach- und Symbolschöpfungen der<br />
User herausfordert – und an denen sich zuweilen auch hochrangige Politiker beteiligen<br />
(vgl. Neubacher 2001).<br />
Das Beispiel des Mobiltelefons macht erneut deutlich, dass sich eine Technologie niemals<br />
in einem Endzustand befindet, sondern ständig „neu erfunden“ wird – zumal wenn<br />
neue Nutzungsoptionen hinzukommen (vgl. weiter: Rice/Rogers 1980). Folglich sind<br />
sowohl die Bedeutung des Telefonierens als soziale Aktivität wie auch die Bedeutung<br />
des Telefons als Artefakt in stetem Wandel begriffen. Und mit Blick auf die Möglichkeiten<br />
des SMS mutiert das mobile Telefon zu einem Multifunktionsgerät mit Textsende-<br />
und Textempfangsmöglichkeit. In einem ersten Schritt lässt sich die Aneignung<br />
dieses Mediums und seiner Nutzungsoptionen neu fassen, indem man das Ineinandergreifen<br />
der fernmündlichen und fernschriftlichen <strong>Kommunikations</strong>angebote in einem<br />
dialektischen Sinne versteht: Probleme und Begrenzungen telefonvermittelter Kommunikation<br />
fordern Lösungen, auch wenn diese selbst neue Probleme mit sich bringen (vgl.<br />
Höflich 1998: 212). 6 Eines dieser Probleme ist das Moment der Aufdringlichkeit.<br />
Nutzer können nicht nur ein Interesse daran haben, eine Botschaft auch dann empfangen<br />
zu können, wenn das Handy ausgeschaltet ist (Anrufbeantworter-Funktion),<br />
sondern sie zudem auf eine weniger aufdringliche Art zu erhalten. Dem kommt das<br />
„Silent Text Messaging“ des Short Message Service (SMS) entgegen – allerdings mit der<br />
Besonderheit, dass eben schriftlich kommuniziert wird. Einzig ein Fiepen signalisiert<br />
den Eingang einer Nachricht, was situationsbedingt nicht nur Privatpersonen, sondern<br />
auch den Bedürfnissen gelangweilter Abgeordneter im Bundestag und der Minister am<br />
Kabinettstisch entgegenzukommen scheint (vgl. Neubacher 2001). Das Bedürfnis nach<br />
weniger aufdringlichen Formen der Kommunikation erklärte bereits den Siegeszug der<br />
Electronic Mail, der bekanntermaßen beliebtesten Internet-Anwendung. Beide Dienste,<br />
E-Mail und SMS, sind dabei Ausdruck einer sich (zumindest in den USA) wandelnden<br />
<strong>Medien</strong>etikette. Beispielsweise gelten unangemeldete Anrufe in der dortigen Hightech-<br />
Branche als Belästigung. In seinem Bericht über eine sich etablierende „digitale Kommunikette“<br />
formuliert denn auch Freyermuth (2000: 97) folgende Grundregel: „Du<br />
sollst, wo immer möglich, digitale Kommunikation analoger vorziehen und asynchrone<br />
der synchronen. Du sollst also vor allem niemanden anrufen, wenn du genauso gut eine<br />
5 Dies hat im Übrigen den Vorteil, dass einem Computernutzer durch diese Botschaften keine<br />
weiteren Übermittlungskosten entstehen.<br />
6 Bereits an dieser Stelle sei angemerkt, dass die Annäherung der Angebote durch distinkte mediale<br />
Zugänge aufgebrochen werden kann, wenn sich beispielsweise jugendliche SMS-Nutzer<br />
schon von Anfang an auf eigensinnige Art und Weise den <strong>Medien</strong> zuwenden.<br />
441
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
E-Mail oder wenigstens ein Fax schicken könntest. Telefonate unterbrechen den Lebensrhythmus<br />
des Angerufenen, ob der nun konzentriert arbeitet oder im Gespräch mit<br />
anderen ist, ob er isst oder sich noch intimeren Verrichtungen hingibt. Unentwegte und<br />
unangekündigte Anruferei ist unter digitalen Verhältnissen eine Belästigung, die sich<br />
von unangemeldeten Vertreterbesuchen nur graduell unterscheidet.“<br />
3. Jugendliche und das Handy<br />
Die Jugendlichen, ja sogar Kinder haben das Handy für sich entdeckt: Die jüngst veröffentlichte<br />
„Kids Verbraucher Analyse 2000“ (vgl. o. Verf. 2000c) belegt, dass sieben Prozent<br />
der Sechs- bis 17-Jährigen ein Handy besitzen; vor einem Jahr waren es noch zwei<br />
Prozent. Unter den 14- bis 17-Jährigen verfügt entsprechend der Studie schon jeder<br />
Fünfte über ein mobiles Telefon. Diese stark zunehmende Verbreitung wurde nicht zuletzt<br />
durch die Prepaid-Karte forciert, die die Nutzung des mobilen Telefons ohne monatliche<br />
Grundgebühren erlaubt. Dabei kann man zwar nur im Rahmen des verfügbaren<br />
Guthabens telefonieren – doch selbst wenn dieser Betrag verbraucht ist, kann man<br />
immer noch angerufen werden, was es wiederum den auf Kostenkontrolle erpichten Eltern<br />
erleichtert, die Anschaffung eines Handys zu unterstützen.<br />
Einen ersten umfassenden Überblick über die Verbreitung und Nutzung des Handy<br />
unter Jugendlichen liefert die 13. Shell Jugendstudie (Deutsche Shell 2000, insbesondere:<br />
Fritzsche 2000a: 199ff.). Trotz methodischer Unschärfen, die insbesondere die Definition<br />
von „Jugend“ betreffen7 , ergeben sich interessante Tendenzen und Zusammenhänge<br />
zwischen Merkmalsausprägungen: Das Handy scheint der Studie zufolge ein<br />
<strong>Kommunikations</strong>medium der Großstadt zu sein, denn in Dörfern und ländlichen Kleinstädten<br />
bis 20.000 Einwohnern hat jeder vierte, in Großstädten bereits jeder dritte „Jugendliche“<br />
ein Handy. Dass das Handy gerade unter der Gruppe der italienischen Jüngeren<br />
besonders häufig verbreitet ist, spiegelt die Vorliebe des Nachbarlandes Italien für<br />
das „Telefonino“ wider. Zwischen deutschen und türkischen Handynutzern gibt es insgesamt<br />
gesehen kaum Unterschiede in der Verbreitung, wohl aber bei der Verteilung<br />
zwischen den Geschlechtern. Im Vergleich zu den ausländischen Befragten haben deutsche<br />
männliche „Jugendliche“ seltener ein Handy, dafür sind die weiblichen Altersgenossinnen<br />
weitaus besser ausgestattet als Ausländerinnen. Die Gegenüberstellung von<br />
ost- und westdeutschen Befragten ergibt kaum nennenswerte Differenzen, lediglich in<br />
der Altersgruppe der 18- bis 21-Jährigen verfügen mehr ostdeutsche Jungen und Mädchen<br />
über ein Handy.<br />
Blickt man auf das Bildungsniveau der Eltern, so zeigt sich eine bemerkenswerte Geschlechterdifferenz:<br />
Mädchen aus Elternhäusern mit niedrigem Bildungsniveau verfügen<br />
seltener über ein Handy als solche aus einem Elternhaus mit mittlerer oder höherer<br />
formaler Bildung. „Vermutlich hat das damit zu tun“, so die Erklärung von Fritzsche<br />
7 Basis der Studie bildet eine Grundgesamtheit von 4546 Befragten, die bestimmt wird als „bundesdeutsche<br />
Wohnbevölkerung deutscher oder nicht-deutscher Nationalität im Alter von 15 bis<br />
24 Jahren, die in der Lage ist, den deutschsprachigen Fragebogen zu verstehen und zu beantworten“<br />
(Fritzsche 2000b: 352). Was Jugend meint, ja dass es „die Jugend“ nicht gibt, muss an<br />
dieser Stelle nicht erneut diskutiert werden (vgl. z. B. Nowottnick 1989: 21 ff; Baacke 1999:<br />
227 ff.). Dass Jugend im Rahmen der Shell-Studie von 15 – 24 Jahren reichen soll, mag durchaus<br />
irritieren; problematisch wird diese Definition freilich bei Vergleichen mit anderen Daten<br />
zur Nutzung des Handys unter Jugendlichen.<br />
442
Höflich / Rössler · Mobile schriftliche Kommunikation<br />
(2000a: 200), „daß weibliche Jugendliche aus der gehobenen, aber auch aus der mittleren<br />
Bildungsschicht, von den Eltern stärker zur Eigenständigkeit (auch zur beruflichen) und<br />
zur Beschäftigung mit technischen Geräten angehalten werden, als das in der unteren<br />
Bildungsschicht üblich ist.“ Genauso könnte sich hierin aber auch die kontrollierende<br />
Sorge der Eltern um ihre Töchter niederschlagen, die in „besseren Familien“ stärker ausgeprägt<br />
sein dürfte.<br />
Bei den 15- bis 19-jährigen männlichen Handy-Nutzern ergibt sich ein gegenteiliges<br />
Bild, denn diese stammen eher aus der unteren als aus der gehobenen Bildungsschicht.<br />
Vermutlich schlägt bei dieser Altersgruppe ein mit dem Handy-Besitz verbundener<br />
symbolischer Effekt durch, der als „Männlichkeits-Marker“ (Fritzsche 2000a: 201) fungiert,<br />
sich allerdings mit zunehmendem Alter zugunsten anderer symbolträchtiger Insignien<br />
(wie Motorrad oder Auto) verflüchtigt. Das Fazit der Autorin lautet: „Wir können<br />
also begründet vermuten, dass sich in diesem Datum ,Handybesitz‘ sehr deutlich<br />
Geschlechtsspezifika von Erziehungsstilen in den verschiedenen Bildungsschichten<br />
spiegeln“ (Fritzsche 2000a: 201). Inwiefern sich hinter diesen eher oberflächlichen demographischen<br />
Zusammenhängen tatsächlich distinkte Aneignungsweisen des mobilen<br />
Telefons verbergen, ist derzeit noch unbeantwortet.<br />
Überhaupt scheint wenig über die Nutzung des Telefons durch Kinder und Jugendliche<br />
bekannt – trotz des hohen Stellenwertes, den dieses Medium einnimmt. Kommunikation<br />
via Telefon (und damit genauso via Handy) dürfte sich auf zunächst triviale<br />
Verwendungsweisen beziehen: Speziell bei Jugendlichen geht es in erster Linie vermutlich<br />
um soziale Arrangements und Verabredungen. Beim Gebrauch eines von einem<br />
festen Nutzungsort befreiten Mediums erfolgen darüber hinaus laufend räumliche Verortungen<br />
(„Wo bist du? Ich bin gerade …“). Mehr noch: die Verortung kann zum kommunikativen<br />
Selbstzweck werden: Man meldet sich beim Anderen, nur um ihm mitzuteilen,<br />
wo man sich gerade aufhält. Insgesamt ist aber insbesondere das Feld der „Telefonsozialisation“<br />
noch weithin unerforscht (vgl. auch: Höflich 2000). Gleichzeitig ist zu<br />
vermuten, dass die genannten Hypothesen nicht nur den Umgang mit dem Handy, sondern<br />
nachgerade die Nutzung des Short Message Service betreffen könnten.<br />
4. Aneignungsformen der jungen <strong>Medien</strong>nutzer<br />
Ausgeprägter als je zuvor präsentiert sich die Welt der Jugendlichen als <strong>Medien</strong>welt.<br />
Allerorten stößt man auf Begrifflichkeiten wie die „neue <strong>Medien</strong>generation“ (Weiler<br />
1999), die „Windows-Generation“ (Schwab/Stegmann 1999) oder die „Generation @“<br />
(Opaschowski 1999). Im Mittelpunkt dieser Zuschreibungen stehen nicht nur die distinkte<br />
Nutzung von Radio, Fernsehen, Musik-CDs oder Videos, sondern insbesondere<br />
die des Computers und des Internets. „Mit der beginnenden Informationsgesellschaft<br />
zeichnen sich deutliche Veränderungen der Statuspassagen Kindheit und Jugend in<br />
ihrem Verhältnis zueinander ab. Die hohe Verfügbarkeit und die relativ leicht zu erlernende<br />
Bedienbarkeit von elektronischen <strong>Medien</strong> haben das Zugangsalter deutlich sinken<br />
lassen. War es früher etwa notwendig, eine Telekommunikation als gebildeter Erwachsener<br />
per Brief, also schriftlich abzuwickeln, ist dies heute kinderleicht mit dem Telefon<br />
auch mündlich machbar“ (Schwab/Stegmann 1999: 26). So verwundert es nicht,<br />
wenn das Mobiltelefon schon von Kindern verwendet wird – zumal es bereits eigene<br />
„Kinder-Handys“ auf dem Markt gibt.<br />
Die „Handy-Generation“ macht für sich über das Telefon hinaus die Potenziale der<br />
mobilen Kommunikation und der Telekommunikation nutzbar, die sie sich auf kreative<br />
Weise aneignet. Die erwähnte Aufdringlichkeit des Handys wird sogar als Heraus-<br />
443
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
forderung betrachtet, provokativ vereinnahmt und als Form des Widerstands gegen die<br />
Erwachsenenwelt gewendet, losgelöst von der elterlichen Kontrolle der (häuslichen) Telefonnutzung.<br />
Drückt der PC – der „personal computer“ – schon das jeweils Eigene aus,<br />
so wird das Handy zu einem PT, einem „personal telephone“, das mehr ist als nur ein<br />
bloßer Vermittlungsapparat. Das Handy, nachgerade in seiner Verbindung mit dem<br />
SMS-Dienst, ist auch deswegen ein „eigenes Medium“, weil es nicht von den Eltern eingesehen<br />
werden kann. SMS-Botschaften ähneln dabei flüchtigen Einträgen in ein virtuelles<br />
Poesie-Album.<br />
Aus der Perspektive von <strong>Medien</strong> als „Kulturmedien“ vermerkt Willis (1991: 47): „In<br />
den allgegenwärtigen Kulturmedien des elektronischen Zeitalters findet die symbolische<br />
Arbeit und Kreativität von Jugendlichen ein mächtiges Stimulans und ein breites Spektrum<br />
von symbolischen Ressourcen. […] Die Jugendlichen sind diejenige gesellschaftliche<br />
Gruppe, die die Bilder der <strong>Medien</strong> am raffiniertesten zu ‚lesen‘ versteht. Die Bedeutungen,<br />
die sie daraus ableiten, inspirieren für sie sämtliche Aktivitäten. In erster Linie<br />
benutzen sie die Kulturmedien zur Steigerung der Lebenskräfte. Sie liefern und konstruieren<br />
ihnen bestimmte Dimensionen für das, was sie sind und werden könnten.“ Zu<br />
dieser Konstruktion gehört das „Entdecken“ von <strong>Medien</strong>, das je eigene – spielerische –<br />
Ausloten von deren Möglichkeiten. Die Gruppe der Jugendlichen interessiert in diesem<br />
Zusammenhang nicht deshalb, weil diese gänzlich „anders“ sind, sondern weil für sie die<br />
These einer spielerischen – kreativen – <strong>Medien</strong>aneignung besonders einleuchtend erscheint.<br />
Das Spiel ist kulturschaffend (Huizinga 1987), wenngleich, so Caillois (1982: 68),<br />
„Spiele und Spielzeuge […] im Laufe der Geschichte zu Residuen der Kultur geworden<br />
[sind …]. Ihre soziale Funktion, nicht aber ihr Wesen hat sich geändert.“ Obgleich Spiele<br />
an gesellschaftskonstituierendem Status eingebüßt haben mögen, prägen sie bis heute<br />
Teilkulturen oder führen in diese ein. Distinkte Technik- und <strong>Medien</strong>kulturen wie etwa<br />
Multi User Dungeons (MUDs) sind durch Momente des Spiels bestimmt, und die beliebteste<br />
Tätigkeit von Kindern und Jugendlichen am PC scheint immer noch das Spiel<br />
zu sein (Weiler 1999: 221).<br />
Analog hat auch das Spielen mit dem Telefon eine doppelte Funktion: Einerseits wird<br />
mit dem Spiel die Aneignung des Mediums eingeleitet; man lernt mit Technik als Objekt<br />
umzugehen, um dieses in den eigenen Alltag einbauen zu können. Andererseits<br />
kommt bei <strong>Medien</strong> der interpersonalen Kommunikation (im Vergleich zu Artefakten im<br />
Allgemeinen) hinzu, dass man lernt, unter den jeweiligen medialen Bedingungen auf seine<br />
<strong>Kommunikations</strong>partner einzugehen. Aus Sicht der Telefonsozialisation erfüllt das<br />
Spiel mit Technik damit die Funktion, rollenspielerisch – wie beispielsweise anfänglich<br />
durch das Spieltelefon und fiktives Telefonieren (vgl. Oerter 1999: 128) – die Interaktion<br />
mit einem imaginären Gegenüber einzuüben. In gewisser Weise wiederholt sich im<br />
Spiel mit dem Telefon ontogenetisch das, was technogenetisch bereits vorgelagert ist.<br />
Denn als das Telefon neu war, hat man sich diesem ebenso spielerisch angenähert:<br />
„The sense of pleasure in playing with a new toy – perhaps a necessary part of the inventive<br />
process itself – persisted with the users until novelty gave way to routine“<br />
(Briggs 1977: 40).<br />
Der Short Message Service ist indessen nicht nur ein Medium zur Individualkommunikation.<br />
Technisch eröffnet der Dienst auch die Möglichkeit, mit einer Reihe anderer<br />
Mitnutzer in Kontakt zu treten und wird so zu einem Medium der Gruppenkommunikation.<br />
In Finnland, aufgrund der Verbreitungszahlen derzeit ein Eldorado der Mobilkommunikation,<br />
hat sich mittlerweile der Austausch zwischen vielen Nutzern via Handy-Tastatur<br />
fest etabliert. Beispielsweise bietet Radiolinja, der zweitgrößte Mobilfunk-<br />
444
Höflich / Rössler · Mobile schriftliche Kommunikation<br />
betreiber Finnlands, einen solchen SMS-Chat an: Unter Pseudonym können die Teilnehmer<br />
verschiedene virtuelle Räume (etwa einen für Singles oder einen fürs Flirten)<br />
aufsuchen (vgl. o. Verf. 2000a). Dort hat die Online-Kommunikation via Internet eine<br />
ganz beachtliche Konkurrenz bekommen, obwohl in diesem Bereich ebenfalls die angedeuteten<br />
Konvergenzbewegungen offenkundig werden: SMS können durch die Benutzeroberflächen<br />
spezieller Anbieter inzwischen sehr bequem via Internet abgesetzt und<br />
abgerufen werden.<br />
5. Nutzungsweisen von SMS: einige Analogieschlüsse<br />
Über den Gebrauch von SMS und die damit verbundenen Gratifikationen ist noch wenig<br />
bekannt, denn aufgrund der vergleichsweisen Neuartigkeit des Phänomens existieren<br />
bislang kaum <strong>wissenschaft</strong>liche Studien hierzu. Um das Thema dennoch forschungstechnisch<br />
,einkreisen‘ zu können, empfiehlt sich ein Blick auf Arbeiten im näheren Umfeld.<br />
Als Arbeitsdefinition, der formal im Weiteren gefolgt werden soll, wird eine Botschaft<br />
via SMS als eine Form von Electronic Mail verstanden. Betont sei, dass sich diese<br />
Form der schriftlichen Kommunikation dahingehend von der herkömmlichen E-Mail<br />
unterscheidet, dass nur ein begrenzter Umfang für die zu vermittelnde Botschaft zur<br />
Verfügung steht. Dies erfordert besonders klare und bündige Mitteilungen, weshalb der<br />
Einsatz von so genannten Emotikons (z. B. Formen des Smiley) ergiebig erscheint.<br />
Diese wurden bislang meist in ihrer Funktion betrachtet, die – bei der schriftlichen<br />
Kommunikation via Computer ansonsten ausgeblendeten – nonverbalen beziehungsund<br />
stimmungsanzeigenden Signale der Körpersprache zu ergänzen. Ihre Funktionalität<br />
zum Zwecke einer Verständnisförderung wurde freilich überschätzt, denn computervermittelte<br />
Kommunikation bricht nicht notwendigerweise zusammen, wenn Emotikons<br />
nicht verwendet werden. Im Falle von SMS zeigt sich allerdings ihre kommunikationsökonomische<br />
Bedeutung: Angesichts des begrenzten Zeichenrepertoires lässt sich<br />
schlicht mehr und präziser kommunizieren, wenn auf solche parasprachlichen Zeichen<br />
zurückgegriffen wird.<br />
„Die Grundfunktionen der Informationsübermittlung, des Appellierens und der<br />
Selbstäußerung machen die genuinen und historisch quasi invarianten kommunikativen<br />
Möglichkeiten des Briefes aus“ (Nickisch 1991: 13). Diese funktionale Verortung des<br />
Briefes ist sicherlich allgemein genug, um auch für die elektronische Variante des Briefes<br />
(ein Terminus, den wir hier beibehalten wollen) gelten zu können. 8 Sie hilft freilich<br />
nur begrenzt weiter, denn die Erforschung des Briefes in der telematischen Gesellschaft<br />
steckt aus kommunikations<strong>wissenschaft</strong>licher Sicht noch in den Kinderschuhen. Zwar<br />
ist die Untersuchung seines elektronischen Pendants in letzter Zeit stärker in den Mittelpunkt<br />
gerückt; doch obwohl E-Mail die beliebteste Internetanwendung darstellt, ist<br />
über ihre private Verwendung relativ wenig bekannt. Auch im Falle der Electronic Mail<br />
gilt, dass Organisationen bei der Adaption neuer <strong>Kommunikations</strong>technologien eine<br />
Vorreiterrolle übernehmen. So verwundert es auch nicht, dass das Gros der E-Mail-Forschung<br />
aus dem Bereich der organisatorischen <strong>Medien</strong>verwendung stammt (vgl. z. B.<br />
8 Schließlich ist sie so generell gehalten, um kennzeichnend für zwischenmenschliche Kommunikation<br />
überhaupt zu sein. Dies zeigt sich z. B., wenn man die Umschreibung der Funktionalitäten<br />
des Briefes mit den vier Seiten der zwischenmenschlichen Kommunikation nach Schulz<br />
von Thun (1988: 13f.) vergleicht: unterschieden werden ein Sachaspekt, der Beziehungsaspekt,<br />
ein Selbstoffenbarungs- und ein Appellaspekt der Nachricht.<br />
445
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
Stegbauer 1995; Steinfield 1990; Wiest 1992, 1994; als Überblick: Garton/Wellman 1995;<br />
Rudy 1996).<br />
Vereinzelte Erkenntnisse zur Anwendung im privaten Bereich liegen zwar vor (vgl.<br />
z. B. Schaefermeyer/Sewell 1988; McCormick/McCormick 1992; AOL Bertelsmann<br />
1998, auch Opaschowski 1999), an systematischer Forschung besteht jedoch immer noch<br />
ein Mangel. Dabei schickt sich die private elektronische Post an, neben anderen zu einem<br />
Medium zu werden, das dazu dient, Kontakte zu pflegen und Beziehungen aufrecht<br />
zu erhalten (vgl. Wellman/Gulia 1999: 182, auch: Parks/Floyd 1996). Der Beziehungsdimension<br />
der häuslichen E-Mail sind Stafford u. a. (1999) nachgegangen. Ihr Fazit: „The<br />
findings of this study lend credence to the view that meaningful relationships are maintained<br />
via computer-mediated communication: individuals appear to sustain relationships<br />
via e-mail“ (S. 666). So verstanden sollte weder Electronic Mail noch das Handy mit<br />
seinen SMS-Möglichkeiten losgelöst von sonstigen (medialen wie nicht-medialen)<br />
<strong>Kommunikations</strong>aktivitäten betrachtet werden. Überdies wird man nicht notwendigerweise<br />
von einer Substitution des einen Mediums durch ein anderes ausgehen können:<br />
Beispielsweise muss der, der SMS benutzt, nicht auf das Briefschreiben verzichten.<br />
6. Erklärungsansätze: Mögliche Gratifikationen der SMS-Nutzung<br />
Wie häufig in frühen Diffusionsphasen neuer <strong>Kommunikations</strong>technologien steht die<br />
Frage nach den Gründen für die SMS-Nutzung im Mittelpunkt der Forschungsinteressen<br />
von Wissenschaftlern wie Produktverantwortlichen. Diese Gründe sollten, so unsere<br />
Annahme, nicht unähnlich jenen sein, die man mit dem Gebrauch des Telefons assoziiert.<br />
Schon eingedenk der immer noch begrenzten Erkenntnisse zum Thema E-Mail –<br />
aber auch, weil das Telefon das etablierte Beziehungsmedium ist – lohnt deswegen<br />
zunächst ein Blick auf frühere Befunde in diesem Bereich. Und dies, obwohl es unter<br />
Telefonforschern bereits ein geflügeltes Wort ist, dass das Telefon trotz seines Alters von<br />
mehr als einhundert Jahren (vgl. als historische Anmerkung: Höflich 1998) immer<br />
noch ein gerade kommunikations<strong>wissenschaft</strong>lich „vernachlässigtes Medium“ sei (Fielding/<br />
Hartley 1989: 126). In den Anfangsjahren des Mediums musste erst einmal vermittelt<br />
werden, wozu man das Telefon nutzen sollte (vgl. Höflich 1989: 208); heutzutage<br />
stellt sich eher die Frage nach den Grenzen dieser Nutzung.<br />
Zunächst ist das Telefon, trotz seines Potenzials zur weltweiten Kontaktnahme, ein<br />
Medium der Nahraumkommunikation geworden. 9 Die häufigsten <strong>Kommunikations</strong>partner<br />
sind – in der Reihenfolge ihrer Bedeutung – Verwandte, Freunde und Bekannte.<br />
Dabei ist die Nutzung des Telefons in bestehende Sozialkontakte eingebunden bzw.<br />
trägt dazu bei, dass diese aufrechterhalten werden: Wer viel telefoniert, hat umfangreiche<br />
soziale Beziehungen und umgekehrt. Die Bedeutung des Mediums zur Aufrechterhaltung<br />
dieser sozialen Beziehungen zeigt sich außerdem darin, dass das Telefon insbesondere<br />
zur Ankündigung, Terminierung oder Absage von Verabredungen benutzt<br />
wird. Es gibt heute kaum noch unangekündigte, spontane Besuche – diese werden als<br />
äußerst unhöflich empfunden, und das „Eindringen“ von Fremden scheint damit erst<br />
recht begründungsbedürftig.<br />
Studien, die sich dem Thema nicht allein aufgrund sozialstatistischer Daten nähern,<br />
sondern einen differenzierten Blick auf die Nutzung des Telefons und die damit ver-<br />
9 Zu den folgenden Anmerkungen zur Nutzung des Telefons vgl. zusammenfassend Höflich<br />
1996: 219ff.<br />
446
Höflich / Rössler · Mobile schriftliche Kommunikation<br />
bundenen Gratifikationen werfen, sind gerade aus einem kommunikations<strong>wissenschaft</strong>lichen<br />
Interesse von Bedeutung (vgl. z. B. Singer 1981; Dordick 1983; Noble 1987,<br />
1989, 1990; zum Mobilfunk: vgl. z. B. Schenk u. a. 1996: insbesondere 108 und 203 ff.).<br />
Allerdings stellt die Untersuchung so genannter „interaktiver <strong>Medien</strong>“ (wie dem Telefon)<br />
für die Uses-and-Gratifications-Forschung eine besondere Herausforderung dar<br />
(vgl. z. B. Ruggiero 2000): Sie kann nämlich auf diesem Forschungsterrain das von ihr<br />
vorausgesetzte Aktivitätspostulat, wonach die Menschen den <strong>Medien</strong> nicht passiv ausgesetzt<br />
sind, sondern in einem aktiven Sinne damit umgehen, einem plausiblen Test unterziehen.<br />
Exemplarisch soll diese Vorgehensweise anhand einiger neuerer Studien beleuchtet<br />
werden, da die dort vorgeschlagenen Gratifikationsdimensionen auch für die<br />
Konstruktion des Instruments der vorliegenden Studie von Belang sind.<br />
Im Jahre 1994 publizierten Dimmick u.a. eine Studie zu den „Gratifications of<br />
the Household Telephone“. Aus einer Reihe von zunächst 20 bzw. 23 Items wurden<br />
zwei zentrale Faktoren berechnet, die die Autoren als Soziabilität und Instrumentalität<br />
bezeichnen. Dabei handelt es sich um Dimensionen, die im Kontext der Telefonnutzung<br />
immer wieder ähnlich auftauchen (vgl. auch Höflich 1998: 211 f.). Kurz zusammengefasst<br />
verweist die Soziabilität auf den Prozess der sozialen Integration, die Instrumentalität<br />
auf jenen der sozialen Koordination; sei es, dass Menschen damit geschäftliche<br />
Zwecke realisieren oder das Medium zu einem weitaus profaneren Grund<br />
verwenden, wie etwa für die Abfrage des Wetterberichts. Wie zuvor dargestellt, lassen<br />
sich beide Dimensionen ähnlich auch im Kontext des E-Mail-Gebrauchs ermitteln,<br />
wodurch sie die Nutzung alter und neuer <strong>Medien</strong> miteinander verbinden: „The similarity<br />
of two of the household telephone gratification dimensions that emerged in this<br />
study – sociability and instrumentality – to dimensions of use of the newer media suggests<br />
an homophily of use between the older and newer interactive media“ (Dimmick<br />
u. a. 1994: 659).<br />
Mit dem Telefon in einem besonderen Maße verbunden ist ferner eine dritte Dimension,<br />
die die Autoren als psychologisches Bedürfnis nach Rückversicherung („psychological<br />
need for reassurance“) bezeichnen. Gemeint sind damit Nutzungen zu dem<br />
Zweck, sich beispielsweise darüber Gewissheit zu verschaffen, dass es den Freunden<br />
oder der Familie gut geht. Diesbezügliche Nachrichten müssen nicht unbedingt lang<br />
sein, meist genügt dazu schon ein kurzer Anruf. Da der Short Message Service gerade<br />
für solche Kurzbotschaften gut geeignet ist, wurde als Arbeitshypothese angenommen,<br />
dass das Moment der Rückversicherung dort ebenfalls eine wichtige Rolle spielt.<br />
Ausdrücklich auf den Uses-and-Gratifications-Ansatz beruft sich eine Studie von<br />
O’Keefe und Sulanowski (1995), obwohl auch diese sich bei der Auswahl von Gratifikationsitems<br />
stark an den Studien im Kontext der Massenkommunikation orientieren<br />
und damit die Besonderheiten von <strong>Medien</strong> der interpersonalen Kommunikation nur ungenügend<br />
berücksichtigen. Im Falle dieser Studie kann man dem bereits an anderer Stelle<br />
häufiger kritisierten Aspekt (vgl. Höflich 1994: 399ff.) – zumindest für die Untersuchung<br />
von SMS – sogar einen gewissen Vorteil abgewinnen: Indem sie Uses and Gratifications<br />
im Zwischenspiel von interpersonalen und medialen Nutzungen betrachten,<br />
machen sie nämlich darauf aufmerksam, dass Gratifikationen, die ansonsten mit der<br />
Nutzung der Massenmedien verbunden werden, auch bei einer Kommunikation via Telefon<br />
von Belang sind. Den Autoren zufolge erlaube dies ein umfassenderes Verständnis<br />
der öffentlichen Telefonnutzung und deren Möglichkeit, ein weiteres Spektrum an<br />
<strong>Kommunikations</strong>bedürfnissen zu befriedigen. Ihr Fazit lautet entsprechend: „The findings<br />
indicate, that contemporary telefone users seek a mix of interpersonal and mass<br />
media gratifications“ (O’Keefe/Sulanowski 1995: 931).<br />
447
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
Im Einzelnen wurden von den Verfassern vier Dimensionen der Telefonnutzung ermittelt:<br />
Soziabilität, Unterhaltung, Akquisition und das Zeitmanagement. Während sich<br />
die Akquisition (wie das Bestellen von Eintrittskarten, Informationen über Produkte<br />
u. a.) und Zeitmanagement (Terminierung von Verabredungen u. a.) unter einer eher instrumentellen<br />
Nutzung zusammenfassen lassen, geht die bereits von Dimmick u. a.<br />
(1994) benannte Dimension der Rückversicherung hier in der Soziabilität auf. Zusätzlich<br />
kommt dafür der Aspekt der Unterhaltung zum Vorschein, 10 die in diesem Sinne<br />
mit dem ,Spiel‘ verbunden ist, das bereits als bedeutsames Kriterium für die Aneignung<br />
und Nutzung des Telefons erwähnt wurde. Rafaeli (1986: 127) hatte vor geraumer Zeit<br />
vorgeschlagen, den Uses-and-Gratifications-Ansatz bei der Untersuchung von <strong>Medien</strong><br />
um das Moment des Spiels (und damit um eine „,Ludenic’ theory“) zu erweitern. Es liegt<br />
dann auch nahe, Unterhaltung und Spiel im Zusammenhang mit dem Short Message Service<br />
als bedeutsames Nutzungsmotiv zu berücksichtigen.<br />
Dementsprechend beschreiben Leung und Wei (2000: 313) in ihrer Studie zu den Uses<br />
and Gratfications des Mobiltelefons in Hong Kong die Motivdimension „Vergnügen“:<br />
„It seems that the cellular phone is perceived as a new pleasure phone.“ Dies unterstreicht<br />
nachhaltig die Bedeutung des Spiels, die bereits im Zusammenhang mit der <strong>Medien</strong>aneignung<br />
Jugendlicher erwähnt worden ist und gerade bei einem neuen Medium<br />
wie hier dem Handy besonders herausragt. Insgesamt konnten die Autoren sieben Gratifikationsdimensionen<br />
ermitteln: Mode/Status, Zuneigung/Soziabilität, Entspannung,<br />
Mobilität, unmittelbarer Zugang, Instrumentalität und Rückversicherung. Im Kontrast<br />
zu bisherigen Studien markieren (nicht unerwartet) insbesondere die Dimensionen Mobilität<br />
11 und unmittelbarer Zugang 12 den Gebrauch des „cellular phone“. Ferner erwies<br />
sich die Instrumentalität als der stärkste Prädiktor zur Nutzung des Handys, was nicht<br />
zuletzt mit der Verwendung dieses Mediums zum Zwecke der geschäftlichen Kommunikation<br />
zusammenhängt („to do business transactions“; „to talk business“). Für die<br />
Autoren spiegelt sich darin wider, dass geschlechtsspezifische Muster der Nutzung des<br />
konventionellen Telefons auf das mobile Telefon übertragen werden, indem männliche<br />
Nutzer die instrumentelle Nutzung, weibliche eher einen sozioemotionalen Gebrauch<br />
präferieren.<br />
Schließlich sei auf die bereits erwähnte Studie von Stafford u. a. (1999) hingewiesen,<br />
in der die Befragten als Gründe für die Nutzung von Electronic Mail interpersonale Motive,<br />
13 persönliche Nutzenerwägungen 14 wie auch eine geschäftliche Nutzung 15 nannten.<br />
Ferner wurden noch so genannte allgemeine Gratifikationsaspekte angeführt: Das<br />
10 Unterhaltung umfasst dabei Statements wie „because usi,ng the telefone relaxes you“, „to help<br />
pass the time“, „because it’s entertaining“ oder „because using the telefone is fun“.<br />
11 Ausgedrückt zum Beispiel durch die Statements: „to avoid the need of looking for a fixed public<br />
telephone any more“ oder „to tell others you will be late during a traffic jam.“<br />
12 Beispielhafte Statements: „to be always accessible to anyone no matter where your are“; „to<br />
provide immediate access to others anywhere anytime.“<br />
13 Beispiele: „to send and receive personal messages“, „to keep in touch with friends“, „to keep in<br />
touch with familiy or relatives who live far away“ oder „to share ideas of opinions, or to exchange<br />
information with people you know“.<br />
14 Z. B.: „for learning, education, acquiring information“, „for recreation, fun, keep up with news,<br />
sports, travel“.<br />
15 Z. B.: „for business reasons, corresponding with clients, telecommuting“, „for shopping, manage<br />
investments“.<br />
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Höflich / Rössler · Mobile schriftliche Kommunikation<br />
Medium wird nicht nur dafür verwendet, um interpersonale Beziehungen aufrecht zu<br />
erhalten, sondern weil alleine schon die Nutzung des Mediums gewisse Vorteile (Gratifikationen)<br />
verspricht. Darunter fällt der günstige Preis, seine Schnelligkeit, dass es einfach<br />
zu handhaben sei, dass es „konversational“ eine umgehende Rückantwort ermögliche,<br />
dass es bequem und effizient zu nutzen sei und schließlich keine geographischen<br />
Grenzen kenne.<br />
Eine integrative Studie, die die Gratifikationen verschiedener interpersonaler<br />
und Massenmedien im Vergleich betrachtet, gibt interessante Aufschlüsse über die motivationalen<br />
Zusammenhänge bei der Nutzung von Telefon und Electronic Mail. In<br />
ihrer Datenerhebung von Anfang 1998 ermittelten Flanagin und Metzger (2001) Ratings<br />
von 684 Befragten, die für neun verschiedene <strong>Kommunikations</strong>modi angeben mussten,<br />
wie relevant ein Katalog von 21 Motiven für deren Nutzung jeweils ist. Sowohl<br />
die spezifizierten Modi als auch die Gratifikationsitems wurden im Anschluss clusteranalytisch<br />
verdichtet und wechselweise als unabhängige bzw. abhängige Variable untersucht.<br />
Ihre Ergebnisse bestätigen zunächst den in der vorliegenden Studie zugrundegelegten<br />
Analogieschluss, wenn sich Telefon, E-Mail und Internet-Konversationen (Chat,<br />
Usenet) in einem gratifikationsbasierten Cluster zusammenfinden, der mediatisierte<br />
interpersonale Kommunikation genannt wird. Demgegenüber bilden <strong>Medien</strong> der<br />
Massenkommunikation (Fernsehen, Bücher/Magazine, Zeitungen, Internet-Informationssuche<br />
und Internet-Informationsangebot) einen zweiten und die klassische<br />
Face-to-Face-Kommunikation einen dritten Cluster. Die von uns vorgenommene<br />
Verortung von SMS im Kontext von E-Mail, Internet-Kommunikation und (Mobil-)<br />
Telefonie wird durch diesen Befund gestützt. Während sich Face-to-Face Kommunikation<br />
in nahezu jeder Hinsicht als die viel versprechendste Alternative erweist,<br />
belegt die Ausdifferenzierung nach Gratifikationen und Gratifikationsclustern,<br />
dass die mediatisierte interpersonale Kommunikation gegenüber der Massenkommunikation<br />
insbesondere für Aspekte des „Social Bonding“ tauglich scheint. Andere<br />
kennen zu lernen, sie mit Informationen zu versorgen, Probleme zu lösen und sich<br />
weniger einsam zu fühlen, werden als Stärke dieser <strong>Kommunikations</strong>modi transparent.<br />
Electronic Mail wie Telefon erweisen sich als besonders geeignet für die Aufrechterhaltung<br />
von Beziehungen („Relationship maintenance“, vgl. Flanagin/Metzger<br />
2001: Tab. 3 und 5). Diese Gratifikationsdimensionen sollten zweifellos auch im Kontext<br />
des SMS als weiterer Form mediatisierter interpersonaler Kommunikation beachtet<br />
werden.<br />
7. Zielsetzung, Vorgehensweise und Stichprobenbeschreibung der explorativen<br />
Studie<br />
Die kommunikations<strong>wissenschaft</strong>liche Bedeutung des SMS als einer Art von „E-Mail<br />
für das Handy“ wurde in den vorangegangenen Abschnitten aus einer Reihe verschiedener<br />
Perspektiven aufgezeigt. Besonderes Augenmerk galt den Aspekten der Mobilität<br />
und Funktionalität, möglichen Nutzungsmotiven und der Aneignung durch Jugendliche<br />
als primäre Zielgruppe, die zugleich im Kontext früherer <strong>Medien</strong>anwendungen der<br />
interpersonalen Kommunikation (Telefon, E-Mail) verortet wurden. Dieser breit gehaltene<br />
Zugang bietet eine ganze Reihe von Anknüpfungspunkten für eine systematische<br />
empirische Untersuchung des Phänomens SMS. Ein Pilotprojekt zur Nutzung des Short<br />
Message Service durch Jugendliche, über das im Folgenden berichtet wird, kann aber<br />
notwendigerweise nur einen geringen Ausschnitt aus dieser Vielfalt drängender Fragen<br />
449
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
behandeln. 16 Aufgrund des skizzierten, insgesamt noch eher dürftigen Forschungsstandes<br />
weist jede Studie noch einen eher explorativen Charakter auf; und dem Rechnung<br />
tragend streben wir zunächst an, in einem ersten Schritt grundlegende Zusammenhänge<br />
zwischen verschiedenen Dimensionen des Gebrauchs und diesbezüglich relevanten<br />
Rahmenbedingungen und Einflüssen auszumachen. Vor dem Hintergrund einer Uses<br />
and Gratifications-Perspektive geht es uns daran anschließend um die Bestimmung relevanter<br />
Gratifikationsdimensionen, die mit dem Gebrauch assoziiert werden (respektive<br />
diesen prägen) – und letztlich darum, den besonderen medialen Charakter des Short<br />
Message Service auszuloten. Ziel dieser Studie ist es damit also nicht, alle dargestellten<br />
Facetten der Aneignung einer neuen <strong>Kommunikations</strong>form umfassend zu erkunden;<br />
vielmehr sollen ausgewählte Aspekte anhand der Zielgruppe jugendlicher Handy-Nutzer<br />
betrachtet werden.<br />
Als Arbeitshypothese wird davon ausgegangen, dass die Besonderheiten des Short<br />
Message Service insbesondere Jugendlichen spezifische Gratifikationen vermitteln, die<br />
• verglichen mit anderen Dimensionen der Telefonnutzung aufgrund der Prägnanz der<br />
Mitteilungen herausragen, wie etwa das Planen von Alltagsaktivitäten (Verabredungen)<br />
oder die Funktion zum Zwecke der Rückversicherung;<br />
• speziell mit dem Medium Handy verbunden sind, wie die Mobilität und die jederzeitige<br />
Verfügbarkeit;<br />
• insbesondere durch den Neuigkeitscharakter und die Aneignung des Mediums durch<br />
Jugendliche geprägt werden. Gemeint sind verschiedene Momente eines „Pleasure<br />
Phones“, das zum Vergnügen, zur Unterhaltung, aber auch zum experimentellen Gebrauch,<br />
bis hin zu einem Flirt via SMS verwendet wird und<br />
• sich aufgrund geschlechtsspezifischer Nutzungsweisen in dieser Altersgruppe weiter<br />
differenzieren lassen.<br />
Diese Vermutungen wurden anhand einer im Juli 2000 durchgeführten mündlichen Befragung<br />
von 204 Handy-Besitzern im Alter zwischen 14 und 18 Jahren aus verschiedenen<br />
Regionen Deutschlands überprüft. 17 Die Untersuchungsteilnehmer wurden an öffentlichen<br />
Einrichtungen oder an öffentlichen Plätzen kontaktiert; allerdings handelt es<br />
sich dabei keinesfalls um eine gezogene Zufallsstichprobe aus der Grundgesamtheit jugendlicher<br />
Handy-Nutzer, weshalb das Datenmaterial keinen Anspruch auf Repräsentativität<br />
erheben kann. Da zum Zeitpunkt der Feldarbeit auch noch keine gesicherten<br />
Informationen über die soziodemographische Struktur der relevanten Zielpersonen verfügbar<br />
waren, musste auf die Vorgabe von Quotierungsmerkmalen verzichtet werden.<br />
Es kann daher nur spekuliert werden, dass das Bildungsniveau unserer Stichprobe leicht<br />
überdurchschnittlich ausgefallen sein könnte, denn 43 % der Befragten besuchten ein<br />
Gymnasium (auch Fachgymnasium), 32 % eine Real- oder Hauptschule und 25 % absolvierten<br />
seinerzeit eine Berufsausbildung. 45 % der Teilnehmer waren männlichen<br />
und 55 % weiblichen Geschlechts; ihr Durchschnittsalter betrug 16,4 Jahre, das freilich<br />
mit dem Bildungsniveau gekoppelt ist (Jugendliche in Ausbildung waren tendenziell<br />
älter als Schüler).<br />
16 Diese Studie ist Teil eines umfassenderen Projekts, das sich auch in qualitativen Erhebungen mit<br />
der Nutzung von <strong>Medien</strong> der interpersonalen Kommunikation im Alltag beschäftigt – vom<br />
Brief über die E-Mail zur SMS.<br />
17 Die Feldarbeit wurde von Teilnehmern zweier Projektseminare an den Universitäten Erfurt und<br />
Augsburg durchgeführt, für deren persönliches Engagement wir herzlich danken.<br />
450
Höflich / Rössler · Mobile schriftliche Kommunikation<br />
Da die SMS-Nutzung an den Handy-Besitz geknüpft ist, mussten zunächst diese jeweils<br />
individuell variierenden kommunikativen Rahmenbedingungen erhoben werden.<br />
Demzufolge nutzen Jugendliche unter 16 Jahren, die über weniger Mittel verfügen und<br />
erst seit kurzem ein Handy besitzen, vorwiegend Prepaid-Angebote. Mit dem Alter und<br />
der zunehmenden Erfahrung mit Handys wächst auch der Anteil Jugendlicher, die einen<br />
festen Mobilfunknetz-Vertrag abschließen, weshalb die Prepaid-Karte tatsächlich<br />
als ein wichtiger Motor für die Marktdurchsetzung von SMS unter Jugendlichen gelten<br />
kann. Von den vier großen Anbietern präferiert die vorliegende jugendliche Stichprobe<br />
D2 (46 %) und Telly D1 (32 %), während E-Plus (15 %) und Viag Interkom (8 %) erst<br />
mit größerem Abstand folgen. Nach ihrer eigenen Einschätzung geben T-D1- und D2-<br />
Kunden monatliche Handy-Kosten von im Schnitt über 80 DM an; aber auch E-Plus-<br />
Telefonierer investieren immer noch knapp 60 DM pro Monat für ihre Mobilkommunikation.<br />
Während knapp die Hälfte der 14-jährigen Jugendlichen ihr Handy selbst finanziert,<br />
steigt dieser Anteil auf klar über 70 % mit 17 Jahren. Trotzdem lässt sich immerhin noch<br />
ein Viertel der volljährigen Jugendlichen ihr Handy von anderen bezahlen. Wichtigste<br />
Entscheidungshilfe beim Kauf waren bei Berufsschülern die Freunde, während Gymnasiasten<br />
ihr Gerät häufiger geschenkt bekamen. Werbung und Informationen in Fachmedien<br />
spielen den Befragten zufolge bei der Anschaffung keine große Rolle. Insbesondere<br />
Berufsschüler sind der Meinung, dass viele Menschen in ihrem Umfeld über ein<br />
Handy verfügen – und damit also erst die Voraussetzung erfüllen, am SMS-Versand teilzunehmen.<br />
Dagegen schätzt weniger als die Hälfte der Gymnasiasten, dass fast alle oder<br />
die meisten Personen in ihrem Bekanntenkreis ein Handy besitzen. Insgesamt verblüfft<br />
freilich das hohe Niveau entsprechender Wahrnehmungen in allen Gruppen, das gleichzeitig<br />
die fortgeschrittene Marktdurchdringung des Handys unter Jugendlichen widerspiegelt.<br />
8. SMS-Nutzung Jugendlicher in ihrem <strong>Kommunikations</strong>alltag: erste Aufschlüsse<br />
Die Alltagsbeobachtung, wonach jugendliche Handy-Besitzer die SMS-Nutzung längst<br />
in ihr <strong>Kommunikations</strong>verhalten integriert haben, bestätigt sich auch in der Abfrage verschiedener<br />
täglicher Handlungen (vgl. Tab. 1). Durchschnittlich drei Handy-Telefonaten<br />
pro Tag stehen sieben bis acht SMS-Nachrichten gegenüber, die sowohl geschickt<br />
als auch empfangen werden. Auch die Handlungsalternative E-Mail spielt selbst in der<br />
Teilmenge von Personen, die überhaupt das Internet nutzen, von der Frequenz her eine<br />
geringere Rolle, wobei diese Angaben durch den variierenden Umfang der <strong>Kommunikations</strong>akte<br />
relativiert werden: SMS-Botschaften müssen aus technischen Gründen sehr<br />
kurz ausfallen (max. 160 Zeichen), während E-Mails prinzipiell länger sein können und<br />
gerade bei Telefonaten meist ein deutlich intensiverer Austausch vorliegen dürfte. Die<br />
Unterscheidung nach Geschlechtern zeigt, dass SMS bevorzugt von Mädchen genutzt<br />
wird, während Jungen etwas häufiger mit ihrem Handy telefonieren. Hier (aus Platzgründen)<br />
nicht näher dokumentierte Detailanalysen belegen sowohl für die Handy- als<br />
auch für die SMS-Nutzung den diffusionstypischen U-Verlauf: Differenziert man die<br />
befragten Jugendlichen danach, wie lange sie bereits über ein Handy verfügen, so zeigt<br />
die Kohorte der Newcomer eine intensive Phase des Ausprobierens, die darauf folgenden<br />
Kohorte einen leichten Rückgang der Nutzung, und bei mehr als halbjähriger Nutzung<br />
scheint das Medium in den Alltag eingebettet zu sein. Generell erweisen sich in unserer<br />
Stichprobe die in Ausbildung befindlichen Jugendlichen als die Kommunikativsten,<br />
unabhängig vom abgefragten Medium.<br />
451
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
Die Zusammenhänge zwischen den einzelnen <strong>Kommunikations</strong>handlungen lassen<br />
sich durch Korrelationsberechnungen verdeutlichen. Auf der Hand liegt wohl, dass<br />
Jugendliche, die viele SMS verschicken, umgekehrt auch viele empfangen (Pearson’s<br />
r = .79), und Ähnliches gilt für die Verwendung von E-Mail (.85). Interessant ist allerdings,<br />
dass die Zahl geführter Handy-Telefonate mit allen weiteren Alternativen korreliert<br />
– wer viel mobil telefoniert, verschickt und empfängt auch häufiger SMS (.40 bzw.<br />
.35), E-Mails (.27 bzw. .24) und schreibt sogar öfters einmal einen Brief (.15). Dies deutet<br />
darauf hin, dass die Handy-Aktivitäten der befragten Jugendlichen als ein generelles<br />
Indiz für das Ausmaß technisch vermittelter interpersonaler Kommunikation gelten<br />
könnte.<br />
Tabelle 1: Tägliche <strong>Kommunikations</strong>handlungen der Jugendlichen (Selbsteinschätzung<br />
der Anzahl, Mittelwerte)<br />
Kommu- N gesamt Jungen Mädchen Gymnasium Real-/Haupt- in Ausnikations-<br />
schule bildung<br />
handlung (n=194) (n = 86) (n = 108) (n = 83) (n = 61) (n = 46)<br />
Handy-Telefonate 190 2,9 3,2 2,6 2,6 3,1 3,2<br />
SMS verschicken 199 7,7 7,3 8,0 5,4 9,6 9,8<br />
SMS empfangen 193 7,0 6,8 7,1 5,2 7,9 9,2<br />
E-Mail verschicken 81 2,0 2,0 1,9 1,6 2,6 2,3<br />
E-Mail empfangen 76 2,5 2,7 2,3 2,0 3,0 3,5<br />
Übereinstimmend betonen alle früheren Arbeiten die Mobilität als eine zentrale Option<br />
der Handy-Nutzung. Dagegen ist festzuhalten, dass das häufige Schreiben und<br />
Empfangen von SMS-Nachrichten am ehesten für den Aufenthaltsort „zuhause“ angegeben<br />
wird (43 %), „beim Warten“ oder in der Unterrichts- bzw. Ausbildungsstätte<br />
nutzt weniger als ein Viertel der Befragten häufig SMS. Wenn sie mit Freunden unterwegs<br />
sind, ist die SMS-Nutzung durchaus üblich (34 %); allerdings empfinden zwei<br />
Drittel der Jugendlichen dies zumindest „manchmal“ als eine Störung der Geselligkeit.<br />
Dabei sind sich diejenigen Personen, die sich durch SMS während der Unterhaltung mit<br />
anderen gestört fühlen, auch besonders der Tatsache bewusst, dass sie im umgekehrten<br />
Fall selbst andere stören könnten. Trotzdem erwarten nahezu alle Befragten (97 %) immer<br />
oder meistens eine schnelle Rückantwort des Kontaktierten: der Versand einer SMS<br />
erzeugt den Erwartungsdruck, möglichst unverzüglich antworten zu müssen. So entstehen<br />
mitunter regelrechte „SMS-Gespräche“, bei denen einzelne Kurznachrichten –<br />
dem Online-Chat vergleichbar – in schneller Folge ausgetauscht werden. Mehr als ein<br />
Drittel der Befragten gibt dies sogar als den überwiegenden <strong>Kommunikations</strong>modus an,<br />
insbesondere männliche Jugendliche schicken dagegen meist nur einzelne SMS-Botschaften<br />
(33 % vs. 18 % unter Mädchen). Solche SMS-Gespräche kommen nicht immer<br />
zustande. Das könnte auch daran liegen, dass etwa ein Viertel der Jugendlichen angibt,<br />
SMS-Botschaften häufig auch dann zu schreiben, wenn sie eigentlich mit etwas anderem<br />
beschäftigt sind – in diesem Fall können schnelle Rückantworten je nach Situation problematisch<br />
werden.<br />
Bevorzugte <strong>Kommunikations</strong>partner sind zum einen der Partner, zum anderen die<br />
beste Freundin (bei Mädchen) bzw. der beste Freund (bei Jungen), denen über die Hälfte<br />
der befragten SMS-Nutzer häufig schreibt (vgl. Tab. 2). Weitere Adressaten sind die<br />
übrigen Freunde und Bekannten, während Eltern oder andere Verwandte seltener kontaktiert<br />
werden. Den höchsten Wert nimmt die Kommunikation mit dem Partner unter<br />
452
Höflich / Rössler · Mobile schriftliche Kommunikation<br />
Berufsschülern ein, die (aus Altersgründen) überhaupt häufiger über einen Partner verfügen<br />
dürften; umgekehrt werden SMS in dieser Gruppe kaum mit Eltern oder Verwandten<br />
getauscht. Die generell überdurchschnittliche SMS-Nutzung von Auszubildenden<br />
bzw. Real- und Hauptschülern bestätigt sich, und gerade die letztere Gruppe<br />
gibt bezüglich fast aller vorgelegten <strong>Kommunikations</strong>partner die intensivste SMS-Korrespondenz<br />
an.<br />
Tabelle 2: Bevorzugte <strong>Kommunikations</strong>partner der Jugendlichen (häufiger SMS-Kontakt,<br />
Prozentwerte)<br />
Ich schicke gesamt Jungen Mädchen Gymnasium Real-/Haupt- in Aushäufig<br />
SMS- schule bildung<br />
an … (n=197) (n = 87) (n = 110) (n = 85) (n = 60) (n = 49)<br />
Meinen Partner 50 47 53 42 52 61<br />
Meine beste Freundin 40 27 51 35 50 38<br />
Meinen besten Freund 43 52 36 34 56 46<br />
Andere Freunde, Bekannte 26 23 28 26 31 16<br />
Eltern und Verwandte<br />
Leute, die ich persönlich noch<br />
5 3 6 4 12 0<br />
nicht getroffen habe 6 6 6 4 9 6<br />
Schaubild 1: SMS-Nutzungsmotive männlicher und weiblicher Jugendlicher (Prozentanteil<br />
zustimmender Nennungen: „trifft zu“ = Werte 1 und 2 auf einer<br />
fünfstufigen Skala)<br />
Probleme besprechen<br />
Ratschläge geben<br />
in Erinner. bleiben<br />
Kontakte erhalten<br />
Befinden der Freunde<br />
eig. Befinden mitt.<br />
statt telefonieren<br />
sich verabreden<br />
Spaß am Kontakt<br />
Überbrückung Distanz<br />
Notsituationen<br />
immer erreichb. sein<br />
Technik ausprobieren<br />
Information abrufen<br />
Langeweile vertreiben<br />
Geschlecht<br />
weiblich<br />
männlich<br />
0 20 40 60 80 100<br />
Die eingangs erwähnte, unverbindliche Kommunikation mit anonymen Anderen kommt<br />
durchaus vor, erweist sich aber keinesfalls als dominantes Nutzungsmuster, wenn etwa<br />
eine unter zwanzig Personen dies eigenen Angaben nach häufiger betreibt. Auf diesem<br />
niedrigen Level ist kein Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Jugendlichen<br />
festzustellen. Aber generell haben mehr als drei Viertel der Jugendlichen zumindest schon<br />
453
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
einmal per SMS geflirtet; vielen macht dies richtig Spaß (31 %), die meisten finden es zumindest<br />
ab und zu ganz nett (41 %). Die Zustimmung fällt dabei unter Mädchen graduell<br />
geringer aus als unter Jungen, was sich gerade in dem Anteil der Befragten niederschlägt,<br />
die sich durch SMS-Flirts richtiggehend „genervt“ fühlen (3 vs. 7 %).<br />
In Anlehnung an die oben erwähnten Gratifikationsstudien wurden den Befragten 15<br />
Motivationsitems zur Beurteilung anhand einer fünfstufigen Skala vorgelegt. 18 Breite<br />
Zustimmung erhielten hierbei die Vorgaben, man würde SMS schreiben und empfangen,<br />
um Verabredungen zu treffen und um sich nach dem Befinden der Freunde zu erkundigen<br />
(vgl. Schaubild 1). Generell werden insbesondere diejenigen Motive als besonders<br />
zutreffend beschrieben, die sich auf Aspekte gegenseitiger Vergewisserung beziehen<br />
(Mitteilung des eigenen Befindens, Aufrechterhaltung der Kontakte zu Freunden).<br />
Kaum verwundern kann daneben die Tatsache, dass die Befragten das Alleinstellungsmerkmal<br />
von SMS betonen, nämlich allzeit asynchron erreichbar zu sein und per Mobilkommunikation<br />
mit denen zu interagieren, die man nicht persönlich treffen kann.<br />
Mehr als die Hälfte der Jugendlichen setzt SMS dabei häufig als funktionales Äquivalent<br />
für Telefonate ein. Von untergeordneter Bedeutung, aber keineswegs ausgeschlossen,<br />
sind komplexere Bedürfnisse wie die Erörterung von persönlichen Problemen oder das<br />
Erteilen von Ratschlägen via SMS – hier dürften sich die Restriktionen in der Medialität<br />
niederschlagen (Textbasiertheit, begrenzte Zeichenzahl, geringer Bedienungskomfort).<br />
Auch diese Nutzungsmotive variieren teilweise zwischen den Geschlechtern:<br />
Mädchen legen größeren Wert darauf, anderen ihre Befindlichkeit mitzuteilen oder sich<br />
nach deren Befindlichkeit zu erkundigen, und genauso nutzen sie SMS eher, um Langeweile<br />
zu vertreiben oder einfach nur wegen des Spaßes am Kontakt mit anderen, aber<br />
überhaupt nicht zum Informationsabruf. Jungen hingegen spielen im Durchschnitt lieber<br />
mit den technischen Möglichkeiten des Geräts und rufen eher zweckorientiert Informationen<br />
ab bzw. verabreden sich mit anderen.<br />
Mit Hilfe einer Faktorenanalyse 19 lassen sich die 15 in der Studie abgefragten Motive<br />
auf fünf Nutzungsdimensionen verdichten (vgl. Tab. 3). Zentrales Nutzungsmotiv ist<br />
demnach die gegenseitige Rückversicherung (Items 5 und 6) – zu erfahren, was die<br />
Freunde oder der Partner machen und ob es ihnen gut geht bzw. selbst mitzuteilen, was<br />
man macht und wie es einem geht. Am zweitwichtigsten scheint den Jugendlichen die<br />
allgemeine Kontaktpflege (Items 7 bis 10): Man verabredet sich oder schickt Mitteilungen<br />
um ihrer selbst willen, einfach weil es Spaß macht, und sendet SMS-Botschaften an<br />
18 Formulierung der Statements: Ich schreibe und empfange SMS-Kurznachrichten … (1) um meine<br />
Probleme mitzuteilen und mir Ratschläge zu holen; (2) um anderen Ratschläge zu geben; (3)<br />
um zu wissen, dass Leute an mich denken und sich um mich kümmern; (4) um den Kontakt zu<br />
meinen Freunden nicht zu verlieren; (5) um zu wissen, was meine Freunde oder mein Partner<br />
gerade macht / ob es ihnen gut geht; (6) weil meine Freunde / mein Partner wissen möchten, was<br />
ich gerade mache / ob es mir gut geht; (7) weil ich in manchen Situationen nicht telefonieren<br />
kann (es würde auffallen, wenn ich telefoniere); (8) um Verabredungen zu machen / Unternehmungen<br />
etc. zu planen; (9) weil es mir Spaß macht mit vielen Leuten zu tun zu haben; (10) um<br />
mit Leuten in Kontakt zu bleiben, die ich nicht persönlich treffen kann; (11) in Notsituationen<br />
(Unfall etc.); (12) um ständig erreichbar zu sein; (13) weil es mir Spaß macht die technischen<br />
Möglichkeiten des Geräts auszuprobieren; (14) um mir Informationen (Wetterbericht, Horoskop<br />
etc.) einzuholen; (15) um mir die Zeit zu vertreiben, wenn ich Langeweile habe.<br />
19 Hauptkomponentenanalyse mit Varimax-Rotation, Eigenwertkriterium > 1, Varianzaufklärung<br />
durch 5 Faktoren = 57%. Faktorzuordnung eines Items bei einer Faktorladung >.35,<br />
darunter 1 Doppelladung (s. Tab. 3).<br />
454
Höflich / Rössler · Mobile schriftliche Kommunikation<br />
Leute, die man gerade nicht persönlich treffen kann oder mit denen man in der Situation<br />
nicht telefonieren kann. Fast gleich bedeutend ist die Verfügbarkeit des Mediums<br />
(Items 11 und 12), beispielsweise in Notsituationen, gepaart mit der ständigen Erreichbarkeit.<br />
Bereits deutlich weniger relevant sind Aspekte der Lebenshilfe (Items 1 bis 4),<br />
z. B. das gegenseitige Rat geben oder die Bindung an die Freunde in dem Wissen, dass<br />
andere Leute an einen denken.<br />
Tabelle 3: Relevante Gratifikationsdimensionen der SMS für Jugendliche (Faktorladungen<br />
bzw. Factor-Scores und Item-Index, Mittelwerte; positiver Wert:<br />
Faktor trifft eher zu; negativer Wert: Faktor trifft weniger zu)<br />
Gratifikations- gesamt Jungen Mädchen Gymnasium Real-/Haupt- in Ausdimension<br />
Mittelwert20 schule bildung<br />
(Item / Faktorladung) (n=196) (n = 111) (n = 91) (n = 85) (n = 63) (n = 51)<br />
Rückversicherung<br />
Befinden der Freunde (.85)<br />
eigenes Befinden mitt. (.80)<br />
2,04 –.04 .03 –.15 .08 .20<br />
Kontaktpflege<br />
statt telefonieren (.74)<br />
Verabredungen treffen (.60)*<br />
Spaß am Kontakt (.50)<br />
Überbrückung Distanz (.39)<br />
2,39 –.09 .10 –.02 .05 –.05<br />
Verfügbarkeit<br />
Notsituationen (.77)<br />
immer erreichbar sein (.69)<br />
2,43 .01 .00 –.28 .26 .06<br />
Lebenshilfe<br />
Probleme besprechen (.84)<br />
Ratschläge geben (.84)<br />
in Erinnerung bleiben (.61)<br />
Kontakte n. verlieren (.49)<br />
3,23 –.13 .17 –.19 .28 –.02<br />
Nutz-Spaß<br />
Technik ausprobieren (.73)<br />
Informationen abrufen (.67)<br />
Langeweile vertreiben (.45)<br />
3,64 .06 –.07 –.29 –.03 .08<br />
* Doppelladung von .38 auf Faktor „Verfügbarkeit“<br />
Bemerkenswert erscheint ferner, dass alle diese Gratifikationen von Mädchen eher genannt<br />
werden als von Jungen (vgl. auch Abb. 1), also die weiblichen Befragten generell<br />
eine größere Zahl von Motiven für die SMS-Nutzung angaben. Einzig für ein Bündel<br />
von Gründen gilt dies nicht, und zwar für das am wenigsten relevante: wenn es nämlich<br />
um den Nutz-Spaß an SMS geht (Items 13 bis 15) – das Ausprobieren der Technik, Informationsabruf<br />
und das Vertreiben von Langeweile. Diese auf den ersten Blick eher heteroge<br />
Gruppe von Gratifikationen erinnert an die vom Internet bekannte technologische<br />
Faszination, die mit dem Abruf vorgefertigter Info-Angebote einhergeht, auch<br />
wenn sie nur als Beschäftigung zwischendurch geschieht (vgl. Grüne/Urlings 1996: 495).<br />
Hier liegen die mittleren Factor-Scores der Jungen etwas höher als die der Mädchen. Die<br />
geringsten Unterschiede ergeben sich bei der leichten Verfügbarkeit und dem Einsatz<br />
zur gegenseitigen Rückversicherung.<br />
20 Ungewichteter Indexwert der betreffenden Items eines Faktors; 1 = „trifft voll zu“, 5 = „trifft<br />
gar nicht zu“.<br />
455
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
Während das Alter der Jugendlichen und die Dauer des Handy-Besitzes kaum Unterschiede<br />
für die Relevanz der Gratifikationsdimensionen zeitigen, erscheint die Bildung<br />
als ein relevanter Einflussfaktor: Insgesamt treffen die vorgegebenen Motive – nach<br />
ihrer eigenen Einschätzung – stärker auf Haupt- und Realschüler zu, während insbesondere<br />
Gymnasiasten allen Motiven unterdurchschnittlich zustimmen. Allerdings<br />
kann an dieser Stelle nicht geklärt werden, ob es sich hierbei um einen Imageeffekt handelt,<br />
d. h. möglicherweise sperren sich besser gebildete Jugendliche dagegen, überhaupt<br />
starke Motive für eine aus ihrer Sicht vielleicht eher triviale <strong>Kommunikations</strong>handlung<br />
zu äußern. Betrachtet man alleine die Daten, so wäre festzustellen, dass Gymnasiasten<br />
insbesondere Motive des Nutz-Spaßes und der Verfügbarkeit zurückweisen, während<br />
letztere gerade für Realschüler im Vordergrund zu stehen scheint, gemeinsam mit der<br />
Nutzung zur Lebenshilfe. Für Berufsschüler bildet hingegen die gegenseitige Rückversicherung<br />
den Mittelpunkt der Nutzungsgratifikationen.<br />
Um insgesamt die Einflussfaktoren zu beleuchten, die die Nutzung von SMS bestimmen,<br />
wurden soziodemographische Angaben, die genannten Motive und weitere <strong>Kommunikations</strong>aktivitäten<br />
in einer multiplen Regressionsanalyse blockweise auf die letztlich<br />
angegebene Nutzungshäufigkeit von SMS bezogen (vgl. Tab. 4). Erwartungsgemäß<br />
erweisen sich Geschlecht und Bildung als eng mit dem Senden von SMS-Botschaften<br />
verknüpft: Weibliche Jugendliche und Real- bzw. Berufsschüler schicken besonders viele<br />
Kurznachrichten, und zwar umso höher die ihnen zur Verfügung stehenden finanziellen<br />
Mittel sind. Daneben besteht ein positiver Zusammenhang mit der Zahl täglicher<br />
Handy-Telefonate – wer das Handy häufig zum Telefonieren nutzt, schreibt auch viele<br />
Kurztexte. Kein Zusammenhang besteht hingegen zum E-Mail-Schreiben. Anscheinend<br />
werden SMS weder als Substitut gesehen noch deuten sie als „E-Mail für das Handy“<br />
auf eine generelle Präferenz dieser <strong>Kommunikations</strong>form hin. Eine gewisse Textorientierung<br />
der SMS-Nutzer lässt sich allenfalls aus der leicht höheren Frequenz des Briefschreibens<br />
ableiten, was allerdings stark mit dem Geschlecht korrespondiert.<br />
Vergleichsweise enttäuschend ist dagegen das Erklärungspotenzial der von uns vorgelegten<br />
Gratifikationsitems: Lediglich die Präferenz einer SMS-Nutzung zur Rückversicherung<br />
und aufgrund der generell guten Verfügbarkeit zeigen einen nennenswerten<br />
positiven Einfluss auf die allgemeine Nutzungshäufigkeit. Deutlich negativ schlägt sich<br />
hingegen die Nutzung aus Motiven der Lebenshilfe nieder, die allerdings (wie zuvor dargestellt)<br />
grundsätzlich weniger verbreitet ist. Dies lässt sich auch umgekehrt formulieren:<br />
Personen, die SMS nutzen, um anderen Ratschläge zu geben oder Probleme anzusprechen,<br />
schreiben im Schnitt weniger SMS-Nachrichten – möglicherweise ein (durch<br />
unsere Daten nicht weiter überprüfbarer) Hinweis darauf, dass zu diesem Zweck andere,<br />
eventuell unvermittelte <strong>Kommunikations</strong>formen zum Zuge kommen.<br />
Auch ein erweitertes Modell, das statt der Gratifikationsdimensionen die Einzelitems<br />
berücksichtigt, liefert keine zusätzlichen Erkenntnisse: 21 Einzig das Geben und Annehmen<br />
von Ratschlägen sowie der Informationsabruf wirken sich hier stärker auf die Häufigkeit<br />
der SMS-Nutzung aus, obwohl diese Motive nicht sonderlich verbreitet sind:<br />
Während alle anderen Motive wenig differenzieren, sorgt die Befürwortung dieser Items<br />
für eine deutlich erhöhte SMS-Nutzung. Insgesamt lässt sich also die Zuwendung Jugendlicher<br />
zur SMS aufgrund der uns vorliegenden Daten noch am besten aufgrund allgemeiner<br />
Persönlichkeitsmerkmale und einer generellen Handy-Affinität erwarten,<br />
21 Modelldaten werden aus Platzgründen nicht abgedruckt.<br />
456
Höflich / Rössler · Mobile schriftliche Kommunikation<br />
während die vorgegebenen SMS-spezifischen Gratifikationen über ein geringeres Erklärungspotenzial<br />
verfügen.<br />
Tabelle 4: Einfluss von soziodemographischen Charakteristika, Gratifikationsdimensionen<br />
und anderen <strong>Kommunikations</strong>handlungen auf die Häufigkeit der<br />
SMS-Nutzung (standardisierte Regressionskoeffizienten = ß-Werte)<br />
unabhängige Variablen Regressionsmodelle:<br />
blockweiser Einschluss von<br />
Modell-Parameter<br />
(1) (1) und (2) (1) bis (3) (n = 134)<br />
(1) Soziodemographie<br />
Geschlecht: weiblich .19 .21 .31 *<br />
Bildung: Real- oder Berufsschule .38 * .35 * .34 * Modell: Block 1<br />
Alter .11 .05 .07 Korr. R2 frei verfügbare Mittel<br />
= .15<br />
(Taschengeld/selbst verdient)<br />
(2) Motivdimensionen<br />
.26 .30 * .21 F-Wert = 4,1 *<br />
Motiv: Lebenshilfe -.38 * -.30 *<br />
Motiv: Rückversicherung .08 .14<br />
Motiv: Kontaktpflege .03 .04 Modell: Blöcke 1-2<br />
Motiv: Verfügbarkeit .17 .17 Korr. R2 = .28<br />
Motiv: Nutz-Spaß -.12 -.03 F-Wert = 4,1 *<br />
(3) andere <strong>Kommunikations</strong>handlungen<br />
Verschicken von E-Mails -.02<br />
Zahl täglicher Handy-Telefonate .30 *<br />
Handy-Kosten (altern. Indikator) -.06 Modell: Blöcke 1-3<br />
Häufigkeit des Briefschreibens .12 Korr. R2 = .32<br />
Nutzung von SMS zum Flirten -.07 F-Wert = 3,4 *<br />
* aufgrund des Pilotcharakters dieser Studie verbietet sich ein Schluss auf die Grundgesamtheit jugendlicher<br />
SMS-Benutzer; als Interpretationshilfe sei dennoch darauf hingewiesen, dass die markierten Koeffizienten in<br />
dieser Modellrechnung als signifikant für p < .05 ausgewiesen werden.<br />
9. SMS – ein zukünftiges Medium der interpersonalen Kommunikation?<br />
Die hier vorgelegte Pilotstudie zur SMS-Nutzung durch Jugendliche in Deutschland<br />
kann selbstverständlich nur einige erste Anhaltspunkte geben, auf welche Art und Weise<br />
sich Jugendliche diesen neuen Modus der technisch vermittelten Kommunikation aneignen.<br />
Das Handy ist, zumal für Jugendliche, nicht nur ein schieres Telefon, das einen<br />
mobilen Einsatz ermöglicht, sondern vielmehr ein distinktes Medium mit besonderen<br />
Qualitäten. Es ist überdies ein persönliches Medium, über das man, im Vergleich zum<br />
Familientelefon, alleine verfügt und das man zur Realisierung seiner individuellen <strong>Kommunikations</strong>absichten<br />
nutzbar macht. Für manche Jugendliche scheint es nachgerade ein<br />
Medium zur kommunikativen Organisation des Alltagslebens, das auch von dem wartenden<br />
Verharren vor dem häuslichen Telefon entbindet; ein Vehikel hierzu ist die Nutzung<br />
des Short Message Service. Das bedeutet indessen nicht, dass gänzlich neue Gebrauchsweisen<br />
geschaffen werden – wie unsere Studie andeutet, werden mit dessen Gebrauch<br />
oft profane Zwecke verfolgt: SMS-Botschaften dienen wesentlich zur Rückerversicherung<br />
und Kontaktpflege, d. h. insbesondere zum Zwecke der Verabredung,<br />
verbunden mit der Option, immer erreichbar zu sein. Bis auf die mobile Dimension (die<br />
457
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
selbst wieder durch das Versenden von Kurzbotschaften via Handy von zu Hause aus<br />
gebrochen wird) hat man es mit Funktionalitäten zu tun, die bereits mit vorgängigen<br />
<strong>Medien</strong> verbunden waren, insbesondere mit dem Telefon und vor diesem auch mit dem<br />
Brief. Mit den SMS-Möglichkeiten werden allerdings nicht das Telefonieren oder das<br />
Briefschreiben in Gänze, sondern nur gewisse Teilfunktionen substituiert. Um sich etwa<br />
zu vergewissern, wie es dem anderen geht oder um eine Verabredung zu machen, muss<br />
kein längeres Telefonat mehr geführt werden.<br />
Einen Erklärungsrahmen für den SMS-Gebrauch könnte dabei die Theorie der Gratifikationsnischen<br />
(gratification niches) liefern, wie sie kürzlich von Dimmick et al.<br />
(2000) hinsichtlich der Relation von E-Mail und Telefon unterbreitet wurde. Die Autoren<br />
stellen fest: „A new medium survives and prospers by providing utility or gratifications<br />
to its patrons. In doing so, it may have effects on existing media by providing new<br />
solutions to old needs or to more contemporary needs. One way of defining a medium’s<br />
niche is as that region of the resource space where it outcompetes similar media“ (Dimmick<br />
et al. 2000: 240). Noch sind wir allerdings ein gutes Stück davon entfernt, von einem<br />
sozial standardisierten, d.h. erwartbaren Gebrauch ausgehen und damit die Frage<br />
beantworten zu können, welchen Stellenwert ein Short Message Service im kommunikativen<br />
Alltag einnimmt und wie dies die vorgängigen <strong>Medien</strong> beeinflusst. Auch was die<br />
geschlechtsspezifischen Aneignungsweisen anbelangt werden Fragen virulent: Eine<br />
„Feminisierung des Telefons“ (Höflich 1996: 224) scheint einem differenzierten Gebrauch<br />
des Handys und des Short Message Service zu weichen, wiewohl die sozioemotionale<br />
Seite des <strong>Medien</strong>gebrauchs (z.B. Mitteilung der eigenen Befindlichkeit und Erkunden<br />
der Befindlichkeit anderer) gemäß unseren Ergebnissen auch hier stärker weiblich<br />
bestimmt ist. Überdies scheinen Mädchen eher schriftliche <strong>Kommunikations</strong>formen<br />
zu bevorzugen: Sie senden nicht nur mehr und umfassendere SMS-Botschaften,<br />
sondern sie schreiben auch mehr Briefe.<br />
Die Beliebtheit des Handys und erst recht des SMS unter Jugendlichen (und nicht nur<br />
bei diesen) ist aber letztlich nur dann erklärbar, wenn die zukünftige Forschung das spielerische<br />
Moment mitdenkt. So macht es die besondere Beliebtheit aktueller Handys aus,<br />
dass sie von vornherein mit elektronischen Spielen ausgestattet sind. Über die Beschäftigung<br />
mit dem Gerät hinaus kann freilich auch die Kommunikation mit anderen spielerische<br />
Züge annehmen: Wie schon bei einigen Formen computervermittelter Kommunikation<br />
eröffnet das Handy via SMS Optionen, um im Verborgenen zu kommunizieren.<br />
Möglicherweise macht sogar dieses bloße schriftliche Kontaktieren einen besonderen<br />
Reiz aus: Das Flirten via SMS scheint sich unserer Pilotstudie zufolge einer<br />
gewissen Beliebtheit zu erfreuen, denn eingebunden in die Peer Group ergibt sich hier<br />
ein Feld, um den „erotischen Erfahrungsbereich“ (Baacke 1999: 14) auszudehnen. Man<br />
kann zunächst anonym kommunizieren, indem man eine kurze Textbotschaft mit der<br />
Erwartung einer Rückantwort an eine beliebige andere Nummer sendet, was die von uns<br />
befragten Jugendlichen mitunter ganz gerne tun.<br />
Prognosen über die Zukunft neuer medialer Möglichkeiten haben sich immer schon<br />
als prekär erwiesen. Man mag denn schnell das aktuelle Aufleben des Short Message Service<br />
als Modeerscheinung degradieren. Doch wer hätte mit dem Beginn einer Ära des<br />
Internets angenommen, dass die E-Mail eine nachhaltige Revitalisierung einer (wie immer<br />
gearteten und beurteilten) Schriftkultur mit sich bringt? Nicht minder erstaunlich<br />
ist es, dass mit den neuen medialen Möglichkeiten, über das Handy Kurznachrichten zu<br />
versenden, selbst Jugendliche zum Schreiben kommen, die ansonsten möglicherweise<br />
nie einen Brief oder eine E-Mail-Nachricht verfasst hätten. Eher fraglich scheint allerdings,<br />
dass es sich angesichts des begrenzten Zeichenvorrats und geringer Komplexität<br />
458
Höflich / Rössler · Mobile schriftliche Kommunikation<br />
von SMS bereits um jene Art von Einstieg in die Lese- und Schreibkompetenz handelt,<br />
die immer wieder als Basisqualifikation für die Nutzung auch neuer elektronischer bzw.<br />
digitaler <strong>Medien</strong> gefordert wird (vgl. z. B. Schön 1998: 219): Nicht jede SMS-Nachricht<br />
taugt schließlich als „Literatur auf kleinstem Raum“.<br />
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461
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
Spaß am Hören<br />
Hörspielkassetten als sprachförderliche Unterhaltungsangebote für Vorschulkinder<br />
Peter Vorderer / Ute Ritterfeld / Christoph Klimmt<br />
Der <strong>Medien</strong>gebrauch von Vorschulkindern wurde bisher vergleichsweise selten <strong>wissenschaft</strong>lich<br />
untersucht. Insbesondere die bei dieser Altersgruppe besonders beliebten Hörspielkassetten<br />
fanden – im Gegensatz zum Fernsehen – von Seiten der <strong>Medien</strong><strong>wissenschaft</strong><br />
und der <strong>Medien</strong>psychologie wenig Beachtung. Der vorliegende Beitrag stellt daher<br />
die wenigen Erkenntnisse über Hörspielkassetten und ihre Nutzung durch Vorschulkinder<br />
kurz dar. Anschließend wird ein theoretisches Modell zur Wirkung dieser<br />
<strong>Medien</strong>angebote auf eine für Vorschulkinder zentrale Entwicklungsaufgabe, nämlich<br />
den Spracherwerb, expliziert. Das Modell basiert auf medien- und sprachpsychologischen<br />
Überlegungen und geht davon aus, dass Hörspielkassetten zum Spracherwerb von Vorschulkindern<br />
beitragen können.<br />
Keywords: Hörspielkassetten, Vorschulkinder, <strong>Medien</strong>wirkung, Spracherwerb, Unterhaltung,<br />
Unterhaltungserleben, Aufmerksamkeit<br />
1. Einführung<br />
Medial vermittelte Unterhaltung nimmt im Leben von Kindern einen beachtlichen Stellenwert<br />
ein. Wie viel dieser Unterhaltung für Kinder „gut“ ist, wird denn auch nicht erst<br />
seit der Ankunft der „Teletubbies“ und „Pokémons“ unter Eltern, Pädagogen und <strong>Medien</strong><strong>wissenschaft</strong>lern<br />
diskutiert. Dabei haftet den entsprechenden <strong>Medien</strong>angeboten<br />
oftmals ein zweifelhaftes Image an; immer wieder wird die Gefahr schädlicher Wirkungen<br />
von Unterhaltungsmedien auf Kinder thematisiert (z. B. Glogauer, 1999). Gleichzeitig<br />
wird häufig versucht, durch Verknüpfung von Lerninhalten mit unterhaltsamen<br />
Elementen („Edutainment“) einen pädagogischen Nutzen aus den Unterhaltungsangeboten<br />
für Kinder zu erzielen (Fritz, 1997).<br />
Im Mittelpunkt der Diskussion und der meisten Forschungsarbeiten über Kinder und<br />
(unterhaltsame) <strong>Medien</strong>angebote stehen das Fernsehen (Schmidbauer & Löhr, 2000)<br />
und neuerdings die Computer- und Videospiele (z. B. Laudowicz, 1998). Die ebenfalls<br />
weit verbreiteten und besonders bei Vorschulkindern intensiv genutzten Hörkassetten<br />
finden dagegen kaum Beachtung. Unser Beitrag dient dazu, diese Wissenslücke zu verkleinern.<br />
Zunächst wollen wir überblicksartig zusammenfassen, was heute über „Kinderhörspielkassetten“<br />
bekannt ist: Angebotsformen, Marktdaten, Nutzungsmuster und<br />
-zeiten. Darauf aufbauend wird ein Modell skizziert, das Annahmen über mögliche Wirkungen<br />
der Hörspielrezeption auf Kinder trifft. Dabei gilt unsere Aufmerksamkeit dem<br />
Spracherwerb von Vorschulkindern, der – so nehmen wir an – durch unterhaltsame<br />
Hörspiele gefördert werden kann.<br />
2. Hörspielkassetten für Kinder<br />
2.1.Angebotsformen<br />
Eine detaillierte Typologisierung von Kinderhörspielen hat Weber (1997) vorgelegt. Dabei<br />
unterscheidet sie literarische und radiophonische Hörspiele. Erstere sind im We-<br />
462
Vorderer / Ritterfeld / Klimmt · Spaß am Hören<br />
sentlichen Umsetzungen literarischer Stoffe, zum Beispiel vorgelesene Märchen. Hier<br />
dominiert das gesprochene Wort. Radiophonische Hörspiele dagegen sind <strong>Medien</strong>angebote,<br />
die speziell als Hörspiel gestaltet wurden, in denen also Sound-Effekte und Musik<br />
integrale Bestandteile darstellen. Eine ähnliche Differenzierung nimmt Wermke<br />
(1997, 1999) vor. Sie unterscheidet Angebote, die nach genauer Umsetzung des zugrunde<br />
liegenden Textes streben (und einer so genannten ,Buch-Orientierung‘ folgen), und<br />
Hörspiele, die eher die Gestaltungsmittel der audiovisuellen <strong>Medien</strong> adoptieren und die<br />
an Film und Fernsehen gebundenen Rezeptionshaltungen zu bedienen versuchen (so<br />
genannte AV-Orientierung): „Während sich buchorientierte Kinderhörkassetten im Erzählduktus<br />
nach dem Grundsatz der ,Werktreue‘ an einer inhaltlichen Gliederung orientieren<br />
und die Dauer der Sequenzen über den Wechsel des Ortes, also über den Schauplatz<br />
definieren, scheinen sich AV-orientierte Hörkassetten nach Zeiten zu richten, und<br />
zwar nicht nach der Erzählzeit des Textes, sondern nach den Zeitvorgaben für einen optimalen<br />
Rezeptionsprozess“ (Wermke, 1999, S. 195). Auch wenn einige moderne Hörspiele<br />
literarische Stoffe verwenden oder adaptieren (Haider, 1995), müssen doch die<br />
meisten gegenwärtig verfügbaren Kinderhörspiele als „radiophonisch“ bzw. als „AVorientiert“<br />
betrachtet werden.<br />
Bei der Typologisierung der aktuellen Hörspiellandschaft unterscheidet Heidtmann<br />
(1999a, 1999b, 1999c) sechs Genres: Funnies stellen humoristische Elemente in den<br />
Vordergrund, können aber auch Anleihen bei Abenteuer- und Fantasie-Geschichten<br />
machen. Eine für dieses Genre typische Hörspielserie ist „Benjamin Blümchen“. Bei<br />
dieser Gattung handelt es sich um die am weitesten verbreitete unter den Kinderhörspielen.<br />
Kinderdetektivserien sind die Hörspiel-Varianten der Fernsehkrimis. Sie kommen<br />
üblicherweise ohne Gewalt und Action aus und basieren meist auf einfachen<br />
Plots, so dass auch Vorschulkinder in der Lage sind, die Fälle zu lösen bzw. den Verlauf<br />
der Ermittlungen nachzuvollziehen. Ein Beispiel dafür ist die Serie „Die drei ???“.<br />
Science-Fiction und Fantasy-Serien besitzen unter den Kinderhörspielen nur eine marginale<br />
Bedeutung. Meist sind sie an Serien aus anderen <strong>Medien</strong> angelehnt oder direkt<br />
von dort übernommen. Beispiele dafür sind die Umsetzungen von Perry-Rhodan-Geschichten<br />
oder der Fernseh-Serie „Power Rangers“. Die Gattung der Abenteuer hat am<br />
meisten unter der stärker werdenden Konkurrenz von Fernsehserien zu leiden. Typische<br />
Vertreter sind Geschichten von Enid Blyton und die „Winnetou“-Reihe.<br />
Mädchenserien nutzen Inhalte wie Hexerei, vor allem aber Pferdegeschichten dazu,<br />
ihre Zielgruppe zu erreichen. In dieser Gattung dominiert die Reihe „Wendy“; andere<br />
Beispiele sind „Reiterhof Dreililien“ sowie „Hanni und Nanni“. Soap Operas schließlich<br />
stellen das sechste Genre der Kinderhörspielkassetten dar. Im Wesentlichen handelt<br />
es sich dabei um den Versuch, die gerade bei Kindern sehr populären täglichen Serien<br />
im Rahmen einer intermediären Vermarktung auch als Hörgeschichten umzusetzen.<br />
Entsprechend gleichen die Themen der Soap-Hörspiele denen der TV-Vorbilder:<br />
Emotionen, Freundschaften und Beziehungen stehen im Mittelpunkt. Beispiele sind<br />
„Neues vom Süderhof“, das an eine Reihe des Tigerentenclubs der ARD angelehnt ist,<br />
und „Die Kinder vom Alstertal“, ein „spin-off“ der gleichnamigen Fernsehserie, die<br />
auf dem Kinderkanal ausgestrahlt wird.<br />
2.2.Markt<br />
Die Industrie unterteilt den Markt für Kinderhörkassetten in drei Zielgruppen. Kleinkinder<br />
(zwei bis vier Jahre), Vorschulkinder (vier bis sechs Jahre) sowie Kinder im<br />
frühen Grundschulalter (sechs bis acht Jahre) gelten als die wichtigsten Nutzergruppen<br />
463
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
von Hörkassetten. Auf ältere Zielgruppen üben Hörkassetten einen deutlich geringeren<br />
Reiz aus (vgl. Heidtmann, 1999d).<br />
Mit Kindertonträgern wurde 1999 insgesamt ein Umsatz von rund 215 Millionen DM<br />
erwirtschaftet. Zwei Drittel dieses Betrages, etwa 143 Millionen DM, entfielen auf Hörspiele<br />
und Wortprogramme, knapp ein Drittel auf Kinderlieder. Klassik für Kinder trug<br />
mit weiteren 1,5 Prozent zum Umsatz bei (Institut für angewandte Kindermedienforschung,<br />
2001). 1997 hatte der Gesamtumsatz noch weniger als 200 Millionen DM betragen.<br />
Kindertonträger machten im Jahr 1999 4,1 Prozent des Gesamtumsatzes der<br />
phonographischen Wirtschaft aus und weisen seit 1995 beachtliche Zuwachsraten auf<br />
(Heidtmann, 1999d).<br />
Mit 2,16 Millionen abgesetzten Kassetten waren „Die drei ???“ im Jahr 2000 die meist<br />
verkaufte Kinderhörspielserie in Deutschland. Es folgten „Benjamin Blümchen“ mit<br />
2,10 Millionen und „Bibi Blocksberg“ mit 1,76 Millionen verkauften Kassetten. Das erfolgreichste<br />
Einzel-Kinderhörspiel des Jahres 1999 war „Pippi außer Rand und Band“<br />
(Astrid Lindgren/Karussel Universal) mit mehr als 500.000 abgesetzten Kassetten/CDs<br />
(Institut für angewandte Kindermedienforschung, 2001).<br />
2.3.Nutzung<br />
Rund drei Viertel der Vorschulkinder verfügen über ein eigenes Kassettenabspielgerät<br />
(Neumann-Braun & Güra, 1997). In 88 Prozent der Haushalte mit Kindern standen<br />
1999 Stereoanlagen zur Verfügung, 28 Prozent aller 6- bis 13-Jährigen besitzen<br />
eine eigene Anlage. Während ältere Kinder diese Ausstattung eher zum Musikhören<br />
nutzen, sind für Sechs- und Siebenjährige Hörspiele ebenso interessant: 71 Prozent<br />
dieser Altersgruppe geben an, neben Musik auch „andere Sachen“ zu hören. Am beliebtesten<br />
sind „Kindergeschichten“ und „Abenteuergeschichten“, es folgen „Märchen/Sagen“,<br />
„Grusel-/Gespenstergeschichten“ und schließlich „Krimis/Kriminalgeschichten“<br />
(Feierabend & Klingler, 1999). Jungen bevorzugen Abenteuer- und Action-<br />
Geschichten, während Mädchen lustige Angebote präferieren (Hansen & Manzke,<br />
1993). Das kindliche Nutzungsverhalten in Bezug auf Hörkassetten wird von Eltern in<br />
der Regel weniger streng reglementiert als die Fernsehnutzung (Schroll-Decker & Peicher,<br />
1999).<br />
Wie viel Zeit Kinder mit der Rezeption von Hörspielen verbringen, ist bisher nur selten<br />
untersucht worden. Paus-Haase, Hölterschinken und Tietze (1990) beziffern die<br />
tägliche Nutzung von Hörkassetten auf 27 Minuten als Nebenbeitätigkeit bzw. 15 Minuten<br />
als Exklusivtätigkeit. Etwa ein Sechstel der Kinder werden von ihnen als Vielhörer<br />
beschrieben: Sie überschreiten diese Durchschnittswerte deutlich. Grüninger und<br />
Lindemann (2000) geben die durchschnittliche tägliche Hörkassettennutzung mit 27<br />
Minuten für Dreijährige und 35 Minuten für Vierjährige an. Die meisten Kassetten werden<br />
mehrmals rezipiert, in Einzelfällen bis zu hundertmal (Inhalte und Themen der Kinderhörspiele,<br />
1995, S. 21), bevor sie ihre Attraktivität verlieren.<br />
Auch zu den Nutzungsmotiven liegen bisher nur wenige Erkenntnisse vor. Eine qualitative<br />
Studie von Finkbeiner (1997) kommt zu dem Ergebnis, dass die Hörspiele genutzt<br />
werden, weil sie Raum lassen für eigene Vorstellungen, weil man sich besser in die<br />
Geschichte hineinversetzen kann, weil die Hörspiele emotional stärker involvieren, weil<br />
jederzeit die Möglichkeit zum Rückzug aus der Rezeptionssituation besteht und weil<br />
Hörkassetten im Gegensatz etwa zu TV-Sendungen jederzeit verfügbar sind (vgl. auch<br />
Rogge, 1995). Insgesamt wissen wir heute aber nur relativ wenig darüber, wie und warum<br />
Vorschulkinder Hörspielkassetten nutzen: Sowohl das Publikumssegment als auch<br />
464
Vorderer / Ritterfeld / Klimmt · Spaß am Hören<br />
das Medium sind bislang vergleichsweise selten Gegenstand medien- und kommunikations<strong>wissenschaft</strong>licher<br />
Forschung gewesen. Dieser Mangel ist besonders bedauerlich,<br />
weil „Audiokassetten … für Kinder zwischen 4 und 12 Jahren nahezu das Unterhaltungsmedium<br />
schlechthin“ (Lühr, 1998, S. 54) darstellen.<br />
3. Zur Wirkung von Kinderhörspielkassetten auf Vorschulkinder am Beispiel des<br />
Spracherwerbs<br />
Die vorliegenden Daten über die Verbreitung und Nutzung von Hörkassetten werfen<br />
aus kommunikations<strong>wissenschaft</strong>licher wie psychologischer Perspektive die Frage auf,<br />
welche Wirkungen mit dem umfangreichen „Hörkassettenkonsum“ so junger Rezipient(inn)en<br />
verbunden sind. In der Pädiatrie und in der <strong>Medien</strong>pädagogik wird immer<br />
wieder die Sorge vor schädlichen Einflüssen übermäßiger <strong>Medien</strong>nutzung auf Kinder<br />
und ihre Entwicklung thematisiert (z. B. Glogauer, 1999). Auch Beeinträchtigungen des<br />
Spracherwerbs werden auf den <strong>Medien</strong>gebrauch zurückgeführt (Heinemann, 1997), womit<br />
schließlich selbst die Sorge um einen Verlust an Sprach- und Lesekompetenz verbunden<br />
wird (vgl. dazu: Vorderer & Klimmt, im Druck). Und in der Tat ist der Spracherwerb<br />
eine für Kinder im Alter von drei bis vier Jahren – mithin für die Hauptnutzerschaft<br />
von Hörspielkassetten – zentrale Entwicklungsaufgabe (im Überblick: Grimm,<br />
2000). Die Verbindung zwischen <strong>Medien</strong>gebrauch und Spracherwerb zu untersuchen,<br />
ist daher ein nahe liegendes Ziel medien- und sprachpsychologischer Forschung (d’Ydevalle<br />
& Pavakanun, 1997; Schneider, Ennemoser & Reinsch, 1999) und wurde selbst im<br />
Zusammenhang mit dem Fremdspracherwerb bereits thematisiert (z. B. Schmidt, 1998).<br />
Die Bedeutung von Hörspielkassetten für den kindlichen Spracherwerb zu untersuchen,<br />
erscheint aber auch vor allem deshalb sinnvoll, weil diese im Vergleich zu anderen<br />
bei Kindern populären <strong>Medien</strong> ausschließlich auf akustisch dargebotenen Informationen<br />
basieren. Fernsehen und Bilderbücher, die in der Altersgruppe der 3- bis 4-jährigen<br />
Kinder ähnlich populär sind wie Hörspielkassetten (Grüninger & Lindemann, 2000),<br />
liefern demgegenüber einen beträchtlichen Teil ihrer Informationen über die visuelle<br />
Modalität. Das Verfolgen einer Geschichte im Buch oder im Fernsehen ist somit auch<br />
dann möglich, wenn nur wenige sprachliche Informationen, dafür aber akzentuiert Bilder<br />
verarbeitet werden. Die in den Hörspielen vermittelte Bedeutung ist hingegen auf<br />
die Analyse der gesprochenen Sprache angewiesen. Von daher lässt sich annehmen, dass<br />
die dargebotenen sprachlichen Informationen eines Hörspiels besonders gründlich verarbeitet<br />
werden. Hinzu kommt, dass Hörspiele in der Regel über einen Zeitraum von<br />
mehreren Wochen oder gar Monaten immer wieder gehört werden. Derselbe sprachliche<br />
Input wird damit wiederholt verarbeitet, wobei sich parallel dazu auch die Sprachverarbeitungskompetenz<br />
des Kindes erweitert. Während das Kind im Laufe der Zeit<br />
kompetenter die einzelnen Informationseinheiten aus dem Hörspiel rezipieren kann,<br />
kann es diesen Input gleichzeitig zur Erweiterung seines Sprachvermögens nutzen. Es<br />
liegt deshalb nahe, speziell den Einfluss der Rezeption von Hörkassetten auf den Spracherwerb<br />
zu analysieren.<br />
Bevor wir im Folgenden zwei Modelle zum Zusammenhang von unterhaltsamem <strong>Medien</strong>gebrauch<br />
und kindlichem Spracherwerb skizzieren wollen (vgl. unten: 3.3.), müssen<br />
zunächst einmal die dafür erforderlichen theoretischen Grundlagen diskutiert werden:<br />
Wie läuft Spracherwerb allgemein ab (vgl. unten: 3.1.)? Und wie lässt sich kindliches Unterhaltungserleben<br />
konzeptualisieren (vgl. unten: 3.2.)?<br />
465
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
3.1.Kindlicher Spracherwerb und die Rolle der Aufmerksamkeit<br />
In der Spracherwerbsforschung ist es mittlerweile unstrittig, dass Kinder die Fähigkeit<br />
und Motivation mitbringen, sich der Spracherwerbsaufgabe zu stellen (im Überblick:<br />
Grimm, 2000). Dem Kind stehen offenbar bestimmte Mechanismen zur Verfügung, mit<br />
denen es aus einem komplexen Datenangebot diejenigen Spracheinheiten und -regeln<br />
extrahieren kann, die ihm den selbstständigen und kreativen Gebrauch von Sprache ermöglichen.<br />
Das Datenangebot kann sozial oder medial vermittelt werden und so beschaffen<br />
sein, dass es die Spracherwerbsaufgabe des Kindes eher unterstützt oder eher<br />
erschwert. Die Untersuchung des sozial vermittelten Inputs hat eine lange Forschungstradition<br />
(im Überblick: Ritterfeld, 2000), wohingegen die Auswirkungen des<br />
medial vermittelten Inputs noch viele Fragen und damit Raum für Spekulationen offen<br />
lassen (vgl. auch Böhme-Dürr, 2000; Ritterfeld & Vorderer, 2000).<br />
Zahlreiche Untersuchungen zum Zusammenhang von elterlichem Sprachangebot und<br />
kindlicher Sprachkompetenz machen deutlich, dass die meisten Eltern (oder andere Bezugspersonen<br />
eines Kindes) ihr Sprachangebot intuitiv dem kindlichen Sprachvermögen<br />
anpassen und dabei der sukzessiv wachsenden Sprachkompetenz des Kindes Rechnung<br />
tragen. Durch so genannte naive Sprachlehrstrategien bieten sie dem Kind genau diejenigen<br />
Sprachparameter an, die es in seiner jeweiligen Entwicklungsphase benötigt (vgl.<br />
Siegert & Ritterfeld, 2000). Hierzu gehören zum Beispiel die prosodische Markierung<br />
durch Betonung und rhythmische Strukturierung, eine hohe Redundanz oder die so genannten<br />
linguistischen Erweiterungen kindlicher Äußerungen („Ein Fisch? Ja, das ist ein<br />
richtig großer Fisch!“). Der sozial vermittelte Input hat gegenüber dem medial vermittelten<br />
zwei gewichtige Vorteile: Er ist nicht nur responsiv auf das kindliche Sprachvermögen<br />
bezogen, sondern auch interaktiv. Responsiv bedeutet, dass den individuellen<br />
Voraussetzungen und Bedürfnissen des Kindes sowie den situativen Besonderheiten<br />
Rechnung getragen wird. Interaktiv heißt, dass die kindlichen Äußerungen von der Bezugsperson<br />
aufgegriffen und/oder (korrigiert) rückgemeldet werden und das Kind zur<br />
eigenen Sprachproduktion ermuntert wird. Es besteht kein Zweifel, dass diese beiden<br />
Vorteile des sozialen Datenangebots durch keine Form der <strong>Medien</strong>nutzung erfüllt werden<br />
können. Dennoch bietet die <strong>Medien</strong>rezeption spezifische Vorteile, die dem Spracherwerbsprozess<br />
zugute kommen können, und zwar dann, wenn die Attraktivität des<br />
Mediums die Aufmerksamkeit des Kindes auf das Sprachangebot zu lenken vermag.<br />
Die auditive Informationsverarbeitung stellt – ähnlich wie die visuelle Reizverarbeitung<br />
– keine Abbildung objektiver physikalischer Reize dar, sondern unterliegt konstruktiven<br />
Prozessen. Mit dem Konstrukt „Aufmerksamkeit“ wird dasjenige intrapsychische<br />
Geschehen zu fassen versucht, das die Schnittstelle zwischen physikalischer<br />
Reizverarbeitung und kognitiven Prozessen markiert (im Überblick: Neumann & Sanders,<br />
1996; vgl. auch Wirth, 2001). Aufmerksamkeit wird dabei metaphorisch als ,Filter‘<br />
konzeptualisiert, der eine Selektion der zu verarbeitenden Informationen vornimmt<br />
(Broadbent, 1954). Es wird angenommen, dass diese Selektionsprozesse im Dienste begrenzter<br />
Informationsverarbeitungskapazitäten stehen und das System vor Überforderung<br />
schützen (Posner & Snyder, 1975; Schneider & Shiffrin, 1977). Damit ist impliziert,<br />
dass die Selektionsprozesse nicht zufällig sind, sondern einer funktionalen Logik folgen.<br />
Ähnlich wie in der visuellen Wahrnehmung wurden auch beim Hören Ordnungsprinzipien<br />
identifiziert, die Einzeltöne oder -klänge zu einem holistischen auditiven<br />
Eindruck zusammenführen. Diese Ordnungsprinzipien werden auch als „Streaming“<br />
bezeichnet (vgl. ten Hoopen, 1996, S. 137). So ist beispielsweise untersucht worden, wie<br />
groß Tonhöhenunterschiede sein müssen, damit eine physikalische Tonreihe als zwei<br />
466
Vorderer / Ritterfeld / Klimmt · Spaß am Hören<br />
Reihen bzw. Melodien wahrgenommen wird. Diese so genannte Trillerschwelle liegt bei<br />
zwei bis drei Halbtönen. Interessant ist dabei, dass auch bei der Wahrnehmung zweier<br />
akustischer Gestalten das aus der Gestalttheorie bekannte Figur-Grund-Prinzip greift:<br />
Eine Reihe wird als dominant, die andere als hintergründig wahrgenommen (l. c.). Das<br />
Streaming-Phänomen konnte nicht nur in Bezug auf Frequenz-, sondern auch hinsichtlich<br />
der Tempounterschiede nachgewiesen werden und verdeutlicht damit eine der<br />
grundlegenden Kompetenzen, die erforderlich sind, um einem einzelnen Sprecher<br />
zuhören zu können, auch wenn gleichzeitig andere Geräusche oder Stimmen ertönen.<br />
Dass die angewandten Ordnungsprinzipien sich darüber hinaus auch auf Bedeutungsaspekte<br />
beziehen könnten, wurde durch ein Experiment von Gray und Wedderburn<br />
(1960) deutlich: In einem dichotischen Hörtest hörte das eine Ohr die Reihe „wer – 4 –<br />
da“, das andere hingegen „6 – geht – 1“. Die Wiedergabe der beiden Reihen erfolgte geordnet<br />
nach Bedeutung: „wer geht da“ und „6-4-1“. Der Aufmerksamkeit kommt damit<br />
die Funktion zu, akustische Eindrücke so auszuwählen und zu ordnen, dass damit<br />
die Grundlage für einen sinnvollen auditiven Konstruktionsprozess geschaffen wird<br />
(vgl. auch Bregman, 1978).<br />
Die vom System als irrelevant herausgefilterten Informationen werden nicht weiter<br />
verarbeitet, treten damit auch nicht in Kontakt mit Gedächtnisprozessen (Sperling,<br />
1960) und sind nicht bewusstseinsfähig (Deutsch & Deutsch, 1963). Dabei können diese<br />
Selektionsprozesse sowohl von außen durch Ereignisse in der Umwelt als auch durch<br />
intrapsychische Motivationen und Intentionen gesteuert werden. Im ersten Fall wird<br />
von einer unwillkürlichen, im zweiten Fall von einer willkürlichen Aufmerksamkeitszuwendung<br />
gesprochen (Eimer, Nattkemper, Schröger & Prinz, 1996). Diese Terminologie<br />
birgt allerdings die Gefahr einer Verwechslung mit der Unterscheidung automatisierter<br />
versus willentlicher Prozesse, wie sie etwa von Posner und Snyder (1975) beziehungsweise<br />
von Schneider und Shiffrin (1977) im Rahmen der so genannten Zwei-Prozess-Theorie<br />
vorgenommen wurde. Während sich die Unterscheidung zwischen<br />
willkürlichen und unwillkürlichen Formen der Aufmerksamkeit auf die Verortung des<br />
die Aufmerksamkeit steuernden Mechanismus bezieht, fokussiert die Differenzierung<br />
in automatisierte versus willentliche Prozesse den Grad der Bewusstheit während der<br />
Informationsverarbeitung (Bargh, 1997).<br />
Kahnemann und Chajzyk (1983) sowie Logan (1985) postulierten ein Kontinuum der<br />
Aufmerksamkeit, das den Grad der Automatisierung kennzeichnet: Hoch automatisierte<br />
Prozesse verlangen danach wenig, bewusste Prozesse hingegen viel Aufmerksamkeit,<br />
ganz gleich, ob der Aufmerksamkeitsfokus durch Ereignisse in der Umwelt oder durch<br />
intrapsychische Motivationen bzw. Intentionen gesteuert wird. Dieses Modell macht<br />
deutlich, dass die Verarbeitung des Neuen immer mehr Ressourcen benötigt als die Verarbeitung<br />
des Vertrauten (vgl. auch Underwood & Everatt, 1996). In dem Moment, in<br />
dem eine Tätigkeit hoch automatisiert ist, werden deshalb Ressourcen frei, die für andere<br />
Paralleltätigkeiten genutzt werden können. Sprachverarbeitung bedeutet bei Kindern<br />
immer auch die Verarbeitung von Neuem. Werden neue Informationen, beispielsweise<br />
ein neues Wort, nicht aufmerksam beachtet, so ist nach dem beschriebenen Modell<br />
davon auszugehen, dass dieses Wort nicht im Gedächtnis gespeichert werden kann.<br />
Passiert dieses Wort hingegen den Selektionsfilter, so ist in Abhängigkeit von der aufgewendeten<br />
Aufmerksamkeit bei der Wortverarbeitung eine unterschiedlich gründliche<br />
Informationsverarbeitung zu erwarten. Verlangt zum Beispiel eine Tätigkeit ein hohes<br />
Maß an Aufmerksamkeit, so stehen für die Verarbeitung eines gleichzeitig dargebotenen<br />
sprachlichen Inputs weniger Ressourcen zur Verfügung als wenn die Sprachverarbeitung<br />
im Mittelpunkt des kindlichen Interesses steht.<br />
467
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
In den zahlreichen Studien zur so genannten „infant directed speech“ wird impliziert,<br />
dass das Sprachverhalten von Erwachsenen die Aufmerksamkeit des Kindes auf die Inhalte<br />
der Kommunikation und damit auf die Sprache zu lenken vermag (im Überblick:<br />
Hennon, Hirsh-Pasek & Golinkoff, 2000). Bereits bei Neugeborenen konnte die aufmerksamkeitsfördernde<br />
Funktion prosodischer Elemente der mütterlichen Sprache wie<br />
eine erhöhte Indifferenzlage oder Vokaldehnungen nachgewiesen werden (z. B. Messer,<br />
1994). Kitamura und Burnham (1998) fanden einen Zusammenhang zwischen der emotionalen<br />
Qualität der mütterlichen Stimme und der Aufmerksamkeitszuwendung neugeborener<br />
Kinder. Die Autoren interpretieren dieses Ergebnis funktionalistisch, indem<br />
sie davon ausgehen, dass eine emotionale Intensität der mütterlichen Sprechweise mit<br />
der Bedeutungshaltigkeit bzw. Relevanz des Gesagten für das Kind in Zusammenhang<br />
stehe. Insofern verwundert es auch nicht, dass sich der frühe Blickkontakt in den Untersuchungen<br />
von Keller (2000) als guter Prädiktor für die spätere kognitive Entwicklung<br />
erwies, denn der Blickkontakt kann als ein Indikator für Aufmerksamkeitszuwendung<br />
interpretiert werden. Im weiteren Entwicklungsverlauf wird die so genannte geteilte<br />
Aufmerksamkeit („joint attention“) für den semantischen und grammatischen<br />
Spracherwerb wichtig (im Überblick: Snow, 1999). Damit ist gemeint, dass im dyadischen<br />
Geschehen zwischen Erwachsenem und Kind die Aufmerksamkeit parallelisiert<br />
wird, indem ein Ereignis oder Gegenstand in den Mittelpunkt des gemeinsamen Interesses<br />
rückt.<br />
Obwohl das Konstrukt „Aufmerksamkeit“ im Kontext des kindlichen Spracherwerbs<br />
bisher nur selten explizit thematisiert wurde, kommt ihm also eine zentrale Bedeutung<br />
zu (vgl. ausführlicher: Ritterfeld, zur Publikation eingereicht). Aufmerksamkeit besitzt<br />
hier zunächst eine motivationale bzw. selektive Komponente. Dabei steht das Maß an<br />
bewusster und willentlicher Steuerung von Wahrnehmungsprozessen im Vordergrund.<br />
Zweitens bezeichnet „Aufmerksamkeit“ den Anteil an kognitiven Ressourcen, den das<br />
Kind für einen ihm angebotenen sprachlichen Input aufbringt. Dabei geht es um Aspekte<br />
der Informationsverarbeitung: Geschwindigkeit und Tiefe der Verarbeitungsprozesse<br />
variieren mit dem investierten Maß an Aufmerksamkeit und damit auch mit der Effizienz<br />
des Sprachlernens aus dem angebotenen Input.<br />
3.2 Kindliches Unterhaltungserleben<br />
Die medien<strong>wissenschaft</strong>lichen und -psychologischen Theorien zum Unterhaltungserleben<br />
während der Nutzung von <strong>Medien</strong>angeboten betonen die besondere Bedeutung<br />
medialer Akteure, Figuren oder Charaktere. So sieht die Affective Disposition Theory<br />
von Zillmann (im Überblick: Zillmann, 1996) die Ursachen für die emotionale Beteiligung<br />
von Rezipienten in deren Bewertungen und Einstellungen gegenüber diesen Akteuren.<br />
Danach findet die Rezeption ihren Ausgangspunkt in der Beobachtung eines<br />
Protagonisten („Perception, Assessment“) durch einen <strong>Medien</strong>nutzer. Diese Wahrnehmung<br />
führt – so Zillmann – zu einer moralischen Beurteilung („Moral Judgement“) der<br />
Handlungen des Protagonisten, die entweder positiv (billigend) oder negativ (missbilligend)<br />
ausfällt. Nach Zillmanns Überzeugung ist es eine Frage dieser Bewertung, ob der<br />
Rezipient dem Protagonisten positive („Liking“, „Caring“) oder negative Affekte<br />
(„Disliking“, „Resenting“) entgegenbringt, und welche Erwartungen er bezüglich des<br />
weiteren Verlaufs der Narration hegt. Empfindet er dem Protagonisten gegenüber positive<br />
Gefühle, so richten sich seine Hoffnungen auf einen für diesen Protagonisten vorteilhaften<br />
Ausgang. Gleichzeitig fürchtet er ein für den Protagonisten ungünstiges Ende<br />
der Geschichte. Bringt der Rezipient dagegen einer Figur negative Gefühle entgegen, so<br />
468
Abbildung 1: Ablaufschema unterhaltsamer Rezeptionsprozesse nach Zillmann (1996, S. 219)<br />
Vorderer / Ritterfeld / Klimmt · Spaß am Hören<br />
(1) (2) (3) (4) (5) (6) (7)<br />
Perception, Moral Affective Anticipation, Perception, Response to Moral<br />
Assessment Judgement Disposition Apprehension Assessment Outcome/Emotion Judgement<br />
469
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
hofft er geradezu auf einen für diese Figur ungünstigen Ausgang und befürchtet, es könne<br />
am Ende zu einem ungerechtfertigten positiven Ausgang kommen. Im ersten Fall (der<br />
Billigung) führt dies zu einer empathischen Anteilnahme an allen Emotionen des Protagonisten,<br />
das heißt: Der Rezipient teilt die Emotion des Protagonisten. Im zweiten Fall<br />
(der Missbilligung) folgt ein Auseinanderfallen der Emotionen von Zuschauer und Protagonist,<br />
das sogar zu einer generellen Schadenfreude („Counterempathy“) in Bezug auf<br />
diese Figur (typischerweise den „Bösewicht“) führen kann. Unabhängig davon, welchen<br />
Verlauf die emotionale Beteiligung des Zuschauers genommen hat, entstehen aus den<br />
Hoffnungen für bzw. Ängsten um die <strong>Medien</strong>person Gefühle und damit das klassische<br />
Unterhaltungserleben. Das mit Spannung erwartete Ende der Narration wird dann einer<br />
erneuten moralischen Beurteilung unterzogen, die selbst wiederum die anfänglich<br />
beschriebene Beobachtung der Protagonisten beeinflusst.<br />
Bei den empirischen Prüfungen einzelner Bestandteile dieser Theorie zeigte sich, dass<br />
vor allem die dem Protagonisten von den Rezipienten entgegengebrachte Sympathie von<br />
entscheidender Bedeutung dafür ist, wie sehr der Rezipient mit dem Protagonisten empathisch<br />
ist und damit auch, wie viel Spannung und Emotionen er empfindet, wie gut er<br />
sich also insgesamt unterhält (vgl. bereits Zillmann & Cantor, 1977; aktuell: Vorderer &<br />
Bube, 1996; Vorderer, Knobloch & Schramm, 2001). Daher gilt das Modell Zillmanns<br />
heute vor allem in der <strong>Medien</strong>psychologie als am besten geeignet, die unterhaltsame Rezeption<br />
von <strong>Medien</strong>angeboten Erwachsener umfassend zu beschreiben und zu erklären.<br />
Die Kritik, die dennoch an diesem Modell geübt wurde, bezog sich auf dessen schon fast<br />
ubiquitären Erklärungsanspruch und fordert insbesondere Differenzierungen bei der<br />
Beschreibung und Erklärung der kognitiven und emotionalen Beteiligung unterschiedlicher<br />
Rezipientengruppen und verschiedenartiger <strong>Medien</strong>angebote (vgl. Vorderer,<br />
1994, 1996a, im Druck).<br />
Im Hinblick auf kindliche Rezeptionserfahrungen lässt sich nämlich einwenden, dass<br />
dem Vorbildcharakter, den bestimmte mediale Figuren häufig für Kinder haben, im<br />
Rahmen der Dispositions-Theorie zu wenig Rechnung getragen wird. Protagonisten<br />
können aufgrund ihrer äußeren Erscheinung, ihrer physischen Stärke, ihrer Intelligenz<br />
und ihres Humors für den kindlichen Rezipienten so attraktiv sein, dass sie vor allem als<br />
Vorbilder wahrgenommen und empfunden werden, denen es nachzueifern gilt bzw. auf<br />
die sich zentrale Wünsche und Phantasien projizieren lassen. Hoffner (1996) bezeichnet<br />
diese Wahrnehmung von <strong>Medien</strong>helden als „wishful identification“. Zentral für das Unterhaltungserleben<br />
der Kinder ist demnach deren Wunsch, selbst so zu sein wie die mediale<br />
Vorbildfigur und Anteil an ihren positiven Eigenschaften zu erhalten (vgl. auch<br />
Paus-Haase, 1994).<br />
Eine dritte Möglichkeit, das Unterhaltungserleben während der kindlichen <strong>Medien</strong>rezeption<br />
zu beschreiben, ist das Konzept der parasozialen Interaktion (Horton &<br />
Wohl, 1956). Hier wird nicht von einer Identifikation der Rezipienten mit den <strong>Medien</strong>figuren<br />
ausgegangen, sondern von einer besonderen Form der „Beziehung“ zwischen<br />
Publikum und <strong>Medien</strong>person. Aus dieser Perspektive wird insbesondere das Personal<br />
von Unterhaltungsserien und wiederkehrenden Angebotsformen wie Nachrichten oder<br />
Talkshows von den Rezipienten wie „gute Bekannte“ wahrgenommen. Solche „Beziehungen“<br />
zu Moderatorinnen, Ansagern oder Charakteren sind relevant für die Bewertung<br />
des <strong>Medien</strong>angebots und auch für das Unterhaltungserleben während der Rezeption<br />
(vgl. im Überblick: Vorderer, 1996b, 1998). Für kindliche Rezipienten scheinen solche<br />
„<strong>Medien</strong>freundschaften“ besonders wichtig zu sein. So hat z. B. Groebel (1994a)<br />
wiederholt auf die Präferenzmuster von Kindern hingewiesen, die er in unterschiedlichen<br />
Studien identifizieren konnte. Dabei zeigte sich, dass es neben der Attraktivität des<br />
470
Vorderer / Ritterfeld / Klimmt · Spaß am Hören<br />
Protagonisten (die für Kleinkinder insbesondere von weiblichen und freundlichen Figuren<br />
realisiert werden kann) vor allem auf die sachliche Bindung an das <strong>Medien</strong>angebot<br />
(also vor allem auf die Frage, wie glaubwürdig, hilfreich und unterstützend ein Protagonist<br />
erscheint), auf die soziale Bindung zum Protagonisten (der durch die mediale<br />
Präsentation für die Kinder einfach da ist und somit ihre <strong>Kommunikations</strong>bedürfnisse<br />
aufgreift) und auf die emotionale Bindung (die sich vor allem aus einem Bedürfnis nach<br />
intensiven Gefühlen und nach Vorbildfiguren ergibt, die Projektionsflächen für eigene<br />
Emotionen darstellen) ankommt. Groebel (1994b) bezeichnet diese vier Aspekte als die<br />
Hauptcharakteristika der parasozialen Interaktion zwischen kindlichem Rezipient und<br />
Protagonist.<br />
Die vorgestellten Ansätze zur Erklärung des kindlichen Unterhaltungserlebens bei<br />
der Hörspielrezeption messen somit übereinstimmend den <strong>Medien</strong>figuren eine zentrale<br />
Bedeutung bei. Dass gerade die Helden von Hörspielen wichtige Bezugspersonen für<br />
kindliche Rezipienten sind, zeigt zum Beispiel eine Studie von Heidtmann (1995): Benjamin<br />
Blümchen und Bibi Blocksberg gehören unter Kindern zu den beliebtesten <strong>Medien</strong>figuren<br />
und rangieren vor den meisten Fernsehcharakteren, etwa den Disney-Geschöpfen.<br />
Neben dem Personal der Geschichten ist aber zweifelsohne auch die Darbietungsform<br />
eines <strong>Medien</strong>angebots relevant für das Unterhaltungserleben. Insbesondere<br />
Musik entfaltet unterhaltsame Wirkungen (im Überblick: Schramm, 2001) und hat im<br />
Kontext von <strong>Medien</strong>angeboten, zum Beispiel bei Filmen (Maas, 1997) und Hörspielkassetten<br />
(Pöttinger, 1994; Peinecke, 1996), auch eine verständnisfördernde Funktion.<br />
Während die emotionale Bedeutung der Charaktere auf die inhaltlichen Aspekte unterhaltsamer<br />
<strong>Medien</strong>angebote zurückgeht, wurzelt der „Musikgenuss“ als Teil des Unterhaltungserlebens<br />
in der formalen Gestaltung. Dazu gehören im Falle von Kinderhörspielen<br />
auch Soundeffekte (Weber, 1997), die dem Kind helfen, seine Imagination der<br />
Geschichte zu konkretisieren. Formale Elemente unterhaltsamer <strong>Medien</strong>angebote dienen<br />
offensichtlich eher der direkten Stimulanz oder Absorption, während inhaltliche<br />
Elemente stärker über die Evokation von Sozio-Emotionen zum Unterhaltungserleben<br />
beitragen dürften.<br />
3.3. Unterhaltung und Spracherwerb: Modelle zur einzelnen und mehrmaligen Hörspielrezeption<br />
Auf der Grundlage der vorgestellten Überlegungen zum kindlichen Spracherwerb und<br />
Unterhaltungserleben lassen sich nun Annahmen darüber formulieren, inwiefern die<br />
Geschichten auf Hörspielkassetten den Spracherwerb kindlicher Rezipienten beeinflussen<br />
können. Im Gegensatz zu der populären Annahme über eine Beeinträchtigung der<br />
Sprachentwicklung durch <strong>Medien</strong>gebrauch (Heinemann, 1997) nehmen wir an, dass der<br />
auditive Input, den Hörspiele liefern, den Spracherwerb fördern kann. Dieser positive<br />
Effekt ist sowohl auf der Ebene der einzelnen Rezeption als auch auf der Ebene der wiederholten<br />
Nutzung im Zeitverlauf zu erwarten.<br />
Wir gehen davon aus, dass am Anfang des Rezeptionsprozesses (vgl. Abbildung 2) die<br />
Wahrnehmung formaler Unterhaltungselemente steht. Viele Hörspiele beginnen mit einem<br />
(bei Serien wiederkehrenden und charakteristischen) Musikstück oder Lied (Pöttinger,<br />
1994). Zu diesem frühen Zeitpunkt verfügt das Kind noch nicht über komplexe<br />
inhaltliche Informationen aus dem Hörspiel, hat also noch keine affektive Bindung zum<br />
Protagonisten entwickelt – es sei denn, diese Bindung besteht bereits aus der Kenntnis<br />
anderer Episoden der gleichen Serie, wie etwa bei „Benjamin Blümchen“ (vgl. Heidtmann,<br />
1995). Die formalen Elemente lenken nach unserer Vorstellung die Aufmerk-<br />
471
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
samkeit des Kindes auf die auditive Modalität. Prägnante Reize, wie sie Musik oder<br />
Klangeffekte darstellen, bewirken eine Hinwendungsreaktion. Das Kind beginnt, aufmerksam<br />
zuzuhören. Diese unwillkürliche Aufmerksamkeit ist die erste Wirkung, die<br />
das Hörspiel auf kindliche Rezipienten entfaltet. Sie ermöglicht es dem Kind auch, die<br />
ersten sprachlichen Informationen bewusst aufzunehmen und zu verarbeiten: Aus den<br />
„Geräuschen“, die das Hörspiel produziert, werden sinnvolle Informationen. Anhand<br />
dieser Informationen und der formalen Gestaltung nimmt das Kind eine erste Bewertung<br />
vor: Ist das Gehörte unterhaltsam und interessant? Oder ist es langweilig und unangenehm?<br />
Fühlt sich das Kind an dieser Stelle nicht gut unterhalten, verliert es an Zuwendungsmotivation<br />
und beginnt, sich zu langweilen. Ein Abbruch der Rezeption wird<br />
wahrscheinlich, zumindest aber steigt das Interesse für alternative Reize und Beschäftigungsmöglichkeiten.<br />
Beurteilt das Kind hingegen den Anfang des Hörspiels als unterhaltsam,<br />
wird es mit größerer Wahrscheinlichkeit die Rezeption fortsetzen. Außerdem<br />
wird es seine Aufmerksamkeit bewusst auf den folgenden Teil des Hörspiels richten und<br />
spätestens jetzt den Großteil seiner kognitiven Ressourcen auf die Verarbeitung der Geschichte<br />
verwenden.<br />
Abbildung 2: Modell zum Zusammenhang zwischen Unterhaltungserleben und<br />
Sprachlernen während der einmaligen Rezeption eines Hörspiels<br />
Ist auf diese Weise der Einstieg in eine verstehende, interessierte Rezeption gelungen,<br />
entfaltet sich schnell die Welt des Hörspiels. Das Kind nimmt in schneller Folge Informationen<br />
über Personal, Handlungen und Ereignisse auf. An dieser Stelle beginnt sich<br />
die affektive Bindung an den Protagonisten der Geschichte zu entwickeln. Dessen erste<br />
Erlebnisse werden verarbeitet und (moralisch) bewertet (Zillmann, 1996), und das Kind<br />
entwickelt eine ,emotionale Beziehung‘ zur Hauptfigur (Hoffner, 1996). Zu diesem<br />
Zeitpunkt wird das Unterhaltungserleben nicht mehr nur wie zu Beginn aus formalen<br />
Elementen wie Musik, sondern auch aus inhaltlichen Elementen, nämlich der emotionalen<br />
Attraktivität der Hauptfigur, ,gespeist‘.<br />
Gelingt es dem Hörspiel also, sein formales und inhaltliches Unterhaltungspotenzial<br />
aufrechtzuerhalten und somit das Kind zu unterhalten, entsteht ein Kreislauf aus Aufmerksamkeit<br />
und Unterhaltungserleben. Da die Geschichte interessant ist, investiert das<br />
472
Vorderer / Ritterfeld / Klimmt · Spaß am Hören<br />
Kind immer wieder seine Aufmerksamkeit in die Geschichte und schenkt Alternativreizen<br />
nur selten und kurz Beachtung. Die aufmerksam aufgenommenen Informationen<br />
des Hörspiels können wiederum bei der Verarbeitung als unterhaltsam erlebt werden.<br />
Das Unterhaltungserleben wirkt also immer wieder als Motivator für die attentionale<br />
Hinwendung des Kindes zum Hörspiel und wird seinerseits durch die persistente Aufmerksamkeit<br />
aufrechterhalten. Da „Aufmerksamkeit“ eine Schlüsselgröße für das kindliche<br />
Sprachlernen aus einem angebotenen sprachlichen Input darstellt (s. o.), ist zu vermuten,<br />
dass kindliche Rezipienten mit größerer Wahrscheinlichkeit aus den sprachlichen<br />
Informationen eines Hörspiels semantische und syntaktische Strukturen extrahieren,<br />
also einen Sprachlerneffekt erzielen, wenn ihre Aufmerksamkeit durch das<br />
unterhaltsame Rezeptionserleben gefördert wird. Dies gilt sowohl für die durch formale<br />
Unterhaltungselemente getriggerte unwillkürliche als auch für die anschließend investierte<br />
willkürliche Aufmerksamkeit. Vermag also ein Hörspiel, seine kindlichen Rezipienten<br />
„gut zu unterhalten“, ist es eher in der Lage, deren Aufmerksamkeit zu binden und<br />
zu deren Spracherwerb beizutragen.<br />
Wie oben bereits ausgeführt, setzt sich das Unterhaltungspotenzial von Hörspielen<br />
sowohl aus dem Angebot für eine parasoziale Beziehung zu dem Hörspielprotagonisten<br />
als auch aus formalen Unterhaltungselementen zusammen. Dieses formale Unterhaltungspotenzial<br />
manifestiert sich vor allem in Soundeffekten. Darunter fallen die bereits<br />
erwähnte Eingangsmusik, die sich häufig bei Hörkassetten findet, oder auch die Geschichte<br />
begleitende Musikeinlagen. Daneben können aber auch andere Geräusche oder<br />
Klänge die Narration unterstreichen und sogar zu einem tieferen Verständnis der<br />
sprachlich dargebotenen Geschichte beitragen. Dies ist beispielsweise dann der Fall,<br />
wenn nicht nur erzählt wird, dass die Vögel singen, sondern tatsächlich Vogelgezwitscher<br />
zu hören ist. Die Soundeffekte verdeutlichen damit ähnlich wie die Bilder im Bilderbuch<br />
oder Fernsehen das Geschehen. Durch ihre ausschließlich akustische Vermittlung<br />
wird jedoch die Aufmerksamkeit des Kindes nicht von der auditiven auf die visuelle<br />
Rezeption verlagert. Es kann deshalb vermutet werden, dass das Ablenkungspotenzial,<br />
welches (vor allem bewegte) Bilder bei der gleichzeitigen Verarbeitung sprachlicher Informationen<br />
besitzen können, bei Hörkassetten nicht gegeben ist; ganz im Gegenteil<br />
sollten gerade diese formalen Unterhaltungselemente geeignet sein, die Aufmerksamkeit<br />
des Kindes für die auditive Rezeption aufrechtzuerhalten. Mit anderen Worten: Das formale<br />
Unterhaltungspotenzial öffnet das Fenster für die sprachliche Informationsverarbeitung<br />
und sorgt gleichzeitig dafür, dass es geöffnet bleibt.<br />
Das vorgestellte Modell trifft Annahmen über den Zusammenhang zwischen Unterhaltungserleben<br />
und Sprachlernen während des einzelnen Rezeptionsprozesses. Da der<br />
Spracherwerb eine längerfristige Entwicklung darstellt und in hohem Maße von Redundanz<br />
und Wiederholung dargebotenen Inputs abhängig ist (vgl. oben), erscheint es<br />
aber auch sinnvoll, die zeitliche Perspektive zu erweitern und die Bedeutung des Unterhaltungserlebens<br />
über mehrere Rezeptionsvorgänge hinweg, also mit Blick auf die<br />
längerfristige Nutzung eines <strong>Medien</strong>angebots, zu beleuchten. In dieser Perspektive erscheinen<br />
die kindlichen Nutzer als durchaus intentional Handelnde, die bei der nächsten<br />
anstehenden Entscheidung für eine unterhaltsame Rezeption mit höherer Wahrscheinlichkeit<br />
erneut das Hörspiel auswählen werden, welches ihnen schon in der Vergangenheit<br />
positiv empfundene Unterhaltungserlebnisse beschert hat. Denn gemäß Zillmanns<br />
(1988) Mood Management Theory ist das Aufsuchen positiv bewerteter<br />
Stimmungen und das Vermeiden negativer Stimmungen die zentrale Einflussgröße für<br />
das Selektionsverhalten von <strong>Medien</strong>nutzern (vgl. auch Zillmann, 2000). Diese Erwartung<br />
wird zumindest insofern bestätigt, als die vorhandene Literatur über die Nutzung<br />
473
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
von Kinderhörkassetten von einer extrem häufig wiederholten Rezeption einzelner<br />
Hörspieltitel zu berichten weiß (Inhalte und Themen der Kinderhörspiele, 1995, S. 21).<br />
Die formale Gestaltung und die emotionale Attraktivität des Protagonisten eines<br />
Hörspiels beeinflussen also nicht nur das kindliche Unterhaltungserleben während der<br />
Rezeption, sondern auch das mittel- und langfristige Nutzungsverhalten. Je unterhaltsamer<br />
ein Hörspiel von seinen kindlichen Rezipienten empfunden wird, desto häufiger<br />
sollte es auch von ihnen genutzt werden. Die Nutzungsfrequenz wiederum ist für die<br />
Extraktion von Informationen, die für den Spracherwerb relevant sind, eine kritische<br />
Größe: Mit zunehmender Häufigkeit der Wiederholung sprachlichen Inputs steigt auch<br />
die Wahrscheinlichkeit, dass sich Kinder neues Sprachwissen aneignen (vgl. oben). Da<br />
die sprachliche Information des Hörspiels bei jedem Rezeptionsvorgang vollkommen<br />
identisch bleibt, erfüllt die häufige Nutzung eines Hörspiels eine wesentliche Voraussetzung<br />
für das kindliche Sprachlernen, nämlich die mehrfache Wiederholung des<br />
Inputs. So müssen die Annahmen zum einzelnen Rezeptionsvorgang ergänzt werden<br />
um ein Modell zur wiederholten Nutzung, denn darin liegt der entscheidende Zusammenhang<br />
zwischen Unterhaltungserleben und Spracherwerb (vgl. Abbildung 3).<br />
Abbildung 3: Modell zum Zusammenhang zwischen Unterhaltungserleben und<br />
Sprachlernen aus der Perspektive des Selektions- und Nutzungsverhaltens<br />
Je häufiger das Kind ein Hörspiel rezipiert, desto mehr Möglichkeiten hat es, sprachliche<br />
Informationen für sich zu extrahieren und diese abzuspeichern und desto größer<br />
sollte der Sprachlerneffekt sein, der auf die Nutzung des Hörspiels zurückzuführen ist.<br />
474<br />
Sprachlernen<br />
Sprachlernen<br />
Sprachlernen
Vorderer / Ritterfeld / Klimmt · Spaß am Hören<br />
Umgekehrt dürfte ein eher „langweiliges“ Hörspiel seltener rezipiert werden. Dessen<br />
sprachlicher Input hätte daher weniger Chancen, erlernt zu werden.<br />
4. Fazit und Ausblick<br />
Die <strong>Medien</strong>nutzung von Vorschulkindern ist bisher nur unzureichend erforscht worden.<br />
Vor allem Hörspielkassetten sind in der <strong>Kommunikations</strong>- und <strong>Medien</strong><strong>wissenschaft</strong><br />
resp. -psychologie zu selten thematisch geworden, obwohl sie für Vorschulkinder<br />
eines der beliebtesten (Unterhaltungs-)<strong>Medien</strong> überhaupt darstellen. Uns<br />
ging es deshalb an dieser Stelle darum, ein erstes Modell über den potenziellen Einfluss<br />
der Hörspielkassettennutzung auf den Verlauf einer für Vorschulkinder zentralen<br />
Entwicklungsaufgabe, nämlich den Spracherwerb, zu explizieren. Aus Sicht dieses<br />
Modells bindet die Unterhaltsamkeit eines Hörspiels im Verlauf der einzelnen Rezeption<br />
die Aufmerksamkeit für den sprachlichen Input und schafft so eine Voraussetzung<br />
für dessen „tiefe“ und nachhaltige Verarbeitung. Darüber hinaus ist die häufige Wiederholung<br />
dieser Rezeption – im Falle von besonders unterhaltsamen Hörspielkassetten<br />
– von großer Bedeutung für das Sprachlernen, weil die so entstehende Redundanz<br />
die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass das Kind sprachliche Informationen aus dem<br />
Input extrahiert und entsprechende Wissensstrukturen anlegt. Freilich sind die Annahmen<br />
dieses Modells empirisch zu prüfen. Eine erste Teilstudie (Vorderer, Klimmt &<br />
Liebetruth, im Druck) hat bereits Hinweise auf den Zusammenhang zwischen der formalen<br />
Gestaltung eines Hörspiels und dem Unterhaltungserleben seiner kindlichen<br />
Rezipienten erkennen lassen, gleichzeitig aber einmal mehr die Schwierigkeiten empirischer<br />
Forschung mit Vorschulkindern offenbart. Weitere labor- und feldexperimentelle<br />
Studien sollen dazu dienen, die Einflüsse der oben skizzierten formalen und inhaltlichen<br />
Merkmale eines Hörspiels auf die Aufmerksamkeit und das Unterhaltungserleben<br />
von Vorschulkindern während der Rezeption sowie das Nutzungsverhalten<br />
über einen längeren Zeitraum hinweg zu prüfen. Sprachpsychologische Experimente<br />
werden schließlich überprüfen müssen, ob und inwiefern unterschiedlich starke<br />
Sprachlerneffekte in Abhängigkeit von der Aufmerksamkeit, die einem Hörspiel gewidmet<br />
wird, und in Abhängigkeit von der Häufigkeit, mit der es rezipiert wird, nachzuweisen<br />
sind.<br />
Mehr Unterhaltungserleben bedeutet nicht automatisch auch mehr Sprachlernen.<br />
,Knallige Sounds‘ und schrille Musik allein fördern weder das Unterhaltungserleben der<br />
Kinder, noch vergrößern sie den potenziellen Beitrag des Hörspiels zum Spracherwerb.<br />
Ein „wohlgeformter Input“ aber, der deutlich ausgesprochen und verständlich formuliert<br />
wird, stellt unseres Erachtens eine unverzichtbare Grundlage für jede sprachförderliche<br />
Wirkung einer Geschichte dar. Die oftmals für ihre angebliche „Oberflächlichkeit“<br />
gescholtenen Massenproduktionen unter den Kindermedien sind mithin differenzierter<br />
zu bewerten. Denn die für solche Angebote typischen Gestaltungsmerkmale sind<br />
für Kinder nicht nur attraktiv, sie könnten sogar einen durchaus positiven und wichtigen<br />
Beitrag zur kindlichen Ontogenese leisten.<br />
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Ego-Shooter, Prügelspiel, Sportsimulation?<br />
Zur Typologisierung von Computer- und Videospielen<br />
Christoph Klimmt<br />
BERICHTE<br />
Computer- und Videospiele stellen die <strong>Medien</strong>- und <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> vor<br />
neue Herausforderungen: Angesichts ihrer rasanten Verbreitung und ihrer herausragenden<br />
Stellung unter den medialen Unterhaltungsangeboten besteht erheblicher Forschungsbedarf.<br />
Bisher liegen jedoch nur wenige Abhandlungen und noch weniger empirische<br />
Studien zum Umgang mit Computer- und Videospielen vor. Selbst eine einheitliche<br />
Terminologie und Genreeinteilung für diesen neuen Forschungsgegenstand existiert<br />
(noch) nicht. Der Beitrag stellt daher ausgewählte Taxonomien aus der Praxis und der<br />
Wissenschaft vor und diskutiert ihre Vor- und Nachteile. Alternativ zu einer Taxonomie<br />
werden drei zentrale Ebenen der Beschreibung von Computer- und Videospielen vorgeschlagen,<br />
die als Grundlage für eine systematisch-<strong>wissenschaft</strong>liche Auseinandersetzung<br />
mit diesem Forschungsgegenstand sinnvoll erscheinen.<br />
Keywords: Computerspiel, Videospiel, Interaktivität, Unterhaltung, Genre, Klassifikation,<br />
Typologie, Taxonomie, Gegenstandsbeschreibung<br />
1. Einführung<br />
Der Einzug von Computern in die deutschen Kinder- und Jugendzimmer ist nicht mehr<br />
im vollen Gange – er ist beinahe abgeschlossen. Rund 70 Prozent der Haushalte, in denen<br />
Kinder leben, verfügen heute über einen PC (Franzmann, 2001). Fast die Hälfte der<br />
Jugendlichen besitzt sogar einen eigenen Rechner (Feierabend & Klingler, 2000). Unter<br />
den zahlreichen Nutzungsmöglichkeiten, die der PC bietet, ist „Spielen“ nach wie vor<br />
die beliebteste: Sowohl bei Kindern als auch bei Jugendlichen (Feierabend & Klingler,<br />
2000, 2001) führen Computerspiele in der Rangliste der beliebtesten PC-Anwendungsformen.<br />
Als Plattform für interaktive Unterhaltungsangebote stehen neben dem PC auch so<br />
genannte Videospielkonsolen zur Verfügung: spezielle Computer, die fast ausschließlich<br />
zum Spielen verwendet werden können. Sie werden üblicherweise an einen Fernseher<br />
angeschlossen und sind kleiner, leichter und einfacher zu bedienen als ein PC. Neben<br />
den Geräten für das Wohn- oder Kinderzimmer sind auch tragbare Systeme, allen<br />
voran der „Game Boy“ von Nintendo (vgl. hierzu Sheff, 1995), beliebt. Im Jahr 1999 besaßen<br />
die Deutschen insgesamt rund 11,2 Millionen tragbare und stationäre Videospielsysteme<br />
(VUD, 1999).<br />
Die Verbreitung von Spielsoftware entwickelt sich ähnlich dynamisch wie der Absatz<br />
der Hardware. Im ersten Halbjahr 2000 wurden in Deutschland ca. 14,75 Millionen<br />
Computerspiele auf CD-ROM und 8,24 Millionen Videospiele für die verschiedenen<br />
Konsolensysteme verkauft (VUD, 2001). Die Computerspieleindustrie weist im Vergleich<br />
mit den anderen Sparten der Unterhaltungsbranche seit Jahren die größten<br />
Wachstumsraten auf (Poole, 2000). Denn Computerspielen gehört mittlerweile zu den<br />
beliebtesten Freizeitbeschäftigungen. Rund 65 Prozent der 14- bis 19-jährigen, 40 Prozent<br />
der 20- bis 29-jährigen und noch 32 Prozent der 30- bis 39-jährigen Bundesbürger<br />
spielen laut „Typologie der Wünsche“ (Burda Advertising Center, 2001) zumindest<br />
„selten“ Video- und/oder Computerspiele. Insgesamt können aufgrund dieser Daten<br />
480
Klimmt · Ego-Shooter, Prügelspiel, Sportsimulation<br />
rund 15 Millionen Deutsche zur Gruppe der Spielenden gezählt werden. In den USA<br />
nutzen nach Angaben der Industrie sogar rund 145 Millionen Menschen Computerund/oder<br />
Videospiele (Interactive Digital Software Association, 2000).<br />
Während die Popularität interaktiver Unterhaltungsangebote unumstritten ist, wird<br />
über ihre Konsequenzen heftig debattiert. Im Mittelpunkt steht dabei die Beobachtung,<br />
dass ein Großteil der verfügbaren Computer- und Videospiele Gewalthandlungen beinhaltet<br />
(Dietz, 1998). Deshalb wird hauptsächlich über mögliche aggressionsfördernde<br />
Spielwirkungen diskutiert (z. B. Glogauer, 1999; Grossman & Daegetano, 1999) und geforscht<br />
(im Überblick: Griffiths, 1999).<br />
Insgesamt jedoch steht die Anzahl der bereits durchgeführten empirischen Untersuchungen<br />
und <strong>wissenschaft</strong>lichen Abhandlungen über Computer- und Videospiele in<br />
krassem Missverhältnis zu ihrer enormen Verbreitung. So liegen nur wenige Ansätze<br />
vor, den Prozess des Computerspielens medien<strong>wissenschaft</strong>lich bzw. medienpsychologisch<br />
zu beschreiben und zu erklären (Vorderer, 2000; Grodal, 2000; Klimmt, 2001).<br />
Analog dazu existiert noch keine allgemein anerkannte Systematik zur Beschreibung des<br />
<strong>Medien</strong>angebots „Computer-/Videospiel“. Die vorliegende Arbeit liefert daher einen<br />
Beitrag zur Typologisierung von Computer- und Videospielen: Welche Gattungen bzw.<br />
Genres lassen sich differenzieren?<br />
Im ersten Schritt werden beispielhaft bisherige Versuche aus der Praxis und der Wissenschaft,<br />
Computer- und Videospiele einzuteilen, vorgestellt und kritisch diskutiert<br />
(vgl. unter 2.). Von den Stärken und Schwächen dieser Taxonomien ausgehend wird die<br />
Frage erörtert, inwiefern die Aufstellung eines Genrekatalogs interaktiver Bildschirmspiele<br />
überhaupt Erfolg versprechend ist. Als Alternative zu einem solchen Katalog werden<br />
drei Kriterien vorgeschlagen, anhand derer Computer- und Videospiele aussagekräftig<br />
beschrieben werden können (vgl. unter 3.). Abschließend wird ein Fazit über die<br />
Probleme von Spieletaxonomien gezogen und skizziert, wie die künftige medien<strong>wissenschaft</strong>liche<br />
Forschung über Computer- und Videospiele unter Berücksichtigung der<br />
vorgeschlagenen Beschreibungsebenen vorgehen könnte (vgl. unter 4.).<br />
2. Bisherige Versuche, Computerspiele in Genres einzuteilen<br />
Mit den Begriffen „Gattung“ und „Genre“ wird hauptsächlich in der Literatur-, Filmund<br />
Fernseh<strong>wissenschaft</strong> operiert. Sie bezeichnen Typen oder Klassen von Texten bzw.<br />
<strong>Medien</strong>angeboten, die entweder aufgrund struktureller, das heißt angebotsinhärenter<br />
Merkmale unterschieden werden (vgl. z. B. Horn, 1998, S. 17) oder aber als „kognitive<br />
Schemata, die <strong>Medien</strong>nutzer in ihrem <strong>Medien</strong>handeln herausbilden“ (Gehrau, 2001,<br />
S. 265), konzeptualisiert werden. Während im ersten Fall die Einordnung eines Textes<br />
ausschließlich anhand von Eigenschaften, die „objektiv“ vorhanden sind, vorgenommen<br />
wird (z. B. dem Vorhandensein bestimmter Requisiten in „Western-Filmen“), schließen<br />
Klassifizierungen im zweiten Fall das Urteil der Nutzer/innen (mit) ein: Gattungen und<br />
Genres sind dann Konstrukte des Publikums (Gehrau, 1999). Gehrau (2001) verwendet<br />
im Kontext von Fernsehangeboten „Gattung“ als übergeordneten Begriff, der für Klassifikationen<br />
nach formbezogenen Kriterien dient; Magazine und Filme zum Beispiel bezeichnet<br />
er als Gattungen. Genres dagegen sind Typen fiktionaler Gattungen (Serien,<br />
Spielfilme), d. h. sie werden nach inhaltlichen Kriterien gebildet (z. B. Western, Komödie).<br />
Auf die Begriffsdiskussionen über Gattungen und Genres in den verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen<br />
soll hier nicht näher eingegangen werden. Für das angestrebte Ziel,<br />
die Möglichkeiten, Computer- und Videospiele in Gattungen und/oder Genres einzu-<br />
481
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
teilen, zu diskutieren, bleibt jedoch die Tatsache von Bedeutung, dass man Ordnungsversuche<br />
entweder ausschließlich am Gegenstand (also den Spielen als Angeboten selbst)<br />
ausrichten kann oder aber die Perspektive der Nutzer/innen einnehmen kann. Die im<br />
Folgenden vorgestellten Taxonomievorschläge konzentrieren sich auf Merkmale der<br />
Angebotsseite, berücksichtigen jedoch aufgrund der interaktiven Struktur des Gegenstands<br />
meistens – mehr oder weniger explizit – auch die Perspektive der Nutzer/innen.<br />
Aufgrund der vielen unterschiedlichen Titel und der raschen technischen Weiterentwicklung<br />
von Computer- und Videospielen scheint es schwierig zu sein, eine schlüssige<br />
Genre-Typologie zu entwickeln: Alle „bislang unternommenen Ordnungsversuche haben<br />
sich nach kurzer Zeit als „überholt“ erwiesen“ (Fritz, 1997, S. 87). Mit Klassifikationsansätzen<br />
hat sich bisher vor allem die <strong>Medien</strong>pädagogik beschäftigt (Abschnitt 2.3).<br />
Auch aus der <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> (2.4.) und der (<strong>Medien</strong>-)Psychologie (2.5.)<br />
liegen Typologievorschläge vor. Einige dieser Vorschläge werden exemplarisch in den<br />
folgenden Abschnitten vorgestellt; Hinweise auf zahlreiche weitere Systematiken finden<br />
sich z. B. bei Pias (1999). Zunächst soll jedoch auf die in der Praxis gängigen Genreeinteilungen<br />
eingegangen werden: An der Einteilung der einschlägigen Publikumszeitschriften<br />
orientieren sich die meisten Spieler/innen (Abschnitt 2.1.). Eine weitere praxisrelevante<br />
Typologie verwendet die Unterhaltungssoftware-Selbstkontrolle (USK,<br />
Abschnitt 2.2.).<br />
2.1 Die Praxis der Computerspiele-Zeitschriften<br />
Aufgrund der Vielzahl an Neuerscheinungen im Computer- und Videospielemarkt hat<br />
sich ähnlich wie im Fernsehbereich eine relativ große Anzahl an Publikumszeitschriften<br />
etabliert, die den Nutzer/innen mit Vorabwertungen, Besprechungen und Lösungstipps<br />
Orientierung verschaffen. Drei Zeitschriften dominieren die Landschaft der Computerspiele-Zeitschriften<br />
in Deutschland: „Computer Bild Spiele“, „GameStar“ und „PC<br />
Games“. Die Redaktionen orientieren sich an historisch gewachsenen Genres und entwickeln<br />
diese entsprechend den immer neu entstehenden Mischformen weiter. So hat<br />
sich eine Fülle von Bezeichnungen etabliert, die meistens als Ausdifferenzierung von<br />
Formaten oder Klassen betrachtet werden. Beispielsweise ist häufig von „Ego-Shootern“,<br />
„Aufbauspielen“, „Echtzeit-Strategie“ oder „Taktik-Spielen“ die Rede. Eine Auflistung<br />
all dieser – nicht unbedingt selbsterklärenden – Spezialtermini würde jedoch zu<br />
weit führen und dürfte kaum zu einer schlüssigen und übersichtlichen Typologie führen.<br />
Daher werden im Folgenden die Genres vorgestellt, welche die Redaktionen den Spezialkategorien<br />
überordnen.<br />
„Computer Bild Spiele“ (Heft 4/2001) unterscheidet 13 verschiedene Genres, ohne<br />
diese jedoch anhand von Beschreibungen voneinander abzugrenzen:<br />
1. Abenteuerspiele<br />
2. Actionspiele<br />
3. Brettspiele<br />
4. Denkspiele<br />
5. Flugsimulationen<br />
6. Geschicklichkeitsspiele<br />
7. Prügelspiele<br />
8. Puzzlespiele<br />
9. Rennspiele<br />
10. Rollenspiele<br />
11. Simulationsspiele<br />
482
Klimmt · Ego-Shooter, Prügelspiel, Sportsimulation<br />
12. Sportspiele<br />
13. Strategiespiele<br />
So ergeben sich Überschneidungen (zum Beispiel zwischen „Flugsimulationen“ und<br />
„Simulationsspielen“) und Unterschiede im Grad der Spezifizierung (so lassen sich<br />
„Prügelspiele“ problemlos unter „Actionspiele“ subsumieren). An der Typologie wird<br />
außerdem ein Problem deutlich, dass auch für fast alle anderen existierenden Einteilungsversuche<br />
zutrifft: Bei einigen Genres wird auf die zu erfüllende Anforderung rekurriert<br />
(z. B. „Geschicklichkeitsspiele“, „Strategiespiele“), bei anderen auf den Inhalt<br />
(z. B. „Sportspiele“, „Abenteuerspiele“). Diese Vermengung von Klassifikationskriterien<br />
schränkt die Anwendbarkeit der Typologien ein: „Geschick“ benötigt man sicherlich<br />
auch in vielen „Sport“-Spielen, und „Strategien“ sind wohl beim Bestehen von „Abenteuern“<br />
zumindest gelegentlich hilfreich.<br />
Die zweite bedeutende Computerspiele-Zeitschrift, „GameStar“, verwendet eine Einteilung<br />
in fünf Klassen, die jeweils kurz charakterisiert werden:<br />
1. Actionspiele: „Zur Action-Rubrik“ gehören Spiele, bei denen Reflexe und das Ausschalten<br />
von Gegnern im Vordergrund stehen. Typische Vertreter sind 3D-Shooter,<br />
Action-Rennspiele, Prügelspiele, Jump-and-runs“ (Steinlechner, 2001, S. 79).<br />
2. Strategiespiele: „Bei Strategiespielen führen Taktik, Ressourcen-Management und<br />
strategische Planung zum Erfolg. Zur Strategie-Rubrik gehören Echtzeit- und Aufbauspiele,<br />
Hexfeldtaktik, Wirtschaftssimulationen, Denkspiele“ (Langer, 2001,<br />
S. 103).<br />
3. Sportspiele: „Das Sport-Genre reicht vom Fußballspiel bis zum Formel-1-Rennen.<br />
Dazu gehören zum Beispiel Mannschaftssportarten, 3D-Rennspiele mit realistischen<br />
Fahrzeugen, Fußballmanager, Flipper“ (Galuschka, 2001, S. 123).<br />
4. Simulationen: „Zu den Simulationen gehören 3D-Spiele, bei denen komplexe Missionen<br />
und Technik im Vordergrund stehen, etwa Flugsimulationen, Mech-Spiele,<br />
U-Boot-Sims, 3D-Weltraumspiele“ (Schnelle, 2001, S. 141).<br />
5. Adventure-Spiele: „Zu den Adventures gehören Spiele, deren Gattung Rätsel, Aufgaben<br />
und eine ausgefeilte Handlung betonen, wie z. B. Grafik-Adventures, Rollenspiele,<br />
Action-Adventures, Detektivspiele“ (Deppe, 2001, S. 149).<br />
Abgesehen von den Tautologien innerhalb der Genrebeschreibungen und den zahlreichen<br />
Spezialtermini, die sich nur erfahrenen Leser/innen erschließen, bietet diese Typologie<br />
den Vorteil der Hierarchisierung, also der Zusammenfassung unterschiedlicher<br />
(Sub-)Typen zu Klassen. Allerdings gelingt auch damit keine problemlose Zuordnung<br />
gegebener Spiele. Denn die Übergänge zwischen „Simulation“ und „Actionspiel“ sind<br />
genauso fließend wie die von „Strategiespielen“ und „Sportspielen“. Wiederum besteht<br />
das Problem in der Vermischung von inhaltlichen Beschreibungen und Spielanforderungen.<br />
Die Zeitschrift „PC Games“ schließlich begnügt sich mit vier Genres, die allerdings<br />
auch nur vage definiert werden (vgl. Heft 4/2001):<br />
1. Strategie: „Strategie / Taktik / Managerspiele“<br />
2. Action: „Ego-Shooter / Action-Adventures / Jump & Runs“<br />
3. Abenteuer: „Rollenspiele / Adventures“<br />
4. Sport: „Sportspiele / Rennspiele / Simulationen“<br />
Auch hier stehen sich primär aufgabenbezogene und primär inhaltsbezogene Kriterien<br />
gegenüber. Wenn ein gegebenes Spiel die Anforderungen eines so definierten Genres mit<br />
dem Inhalt eines anderen Genres kombiniert, fällt eine Zuordnung nach diesem Schema<br />
willkürlich aus. Da keine Hierarchie vorliegt (z. B. „Inhalt vor Anforderung“), bleibt<br />
das Klassifikationsprinzip uneindeutig.<br />
483
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
Computerspiele-Zeitschriften müssen in ihren Genredefinitionen und ihrer Terminologie<br />
mit der starken Dynamik der technischen Entwicklung Schritt halten. Ungenauigkeiten<br />
und Überlappungen sind daher unvermeidlich, sollen die Kategorien einfach,<br />
verständlich und selbsterklärend bleiben. Aus diesem Grund hat auch eine der<br />
führenden amerikanischen Spiele-Zeitschriften, „Computer Gaming World“, ihr ehemals<br />
zehn Genres umfassendes Einteilungsschema aufgegeben. Stattdessen verwendet<br />
die Redaktion heute individuelle Charakterisierungen, die in Bezug auf den jeweiligen<br />
Einzeltitel aussagekräftig sind, jedoch keine Zuordnungen zu Klassen oder Genres mehr<br />
enthalten. So wird z. B. das Spiel „Max Payne“ als „Hong Kong Action Movie Simulation“<br />
bezeichnet (S. Bauman, persönliche Kommunikation, 31.7.2001).<br />
Insgesamt scheinen sich die Computerspiele-Zeitschriften bei ihren Klassifikationen<br />
auf das beträchtliche Vorwissen ihrer Leser/innen zu verlassen. Dadurch verlieren Genreeinteilungen<br />
an Bedeutung, weil sie nur noch eine eingeschränkte Orientierungsfunktion<br />
für die Leser/innen erfüllen (müssen). Für die Zwecke einer systematisch-<strong>wissenschaft</strong>lichen<br />
Beschreibung und Typologisierung von Computer- und Videospielen sind<br />
die Genrekataloge der Spielezeitschriften jedoch nicht ausreichend, weil sie zu wenig<br />
trennscharf sind und die Logik der Klassifizierung keinem stringenten Muster folgt,<br />
etwa weil die Kriterien „Inhalt“ und „Anforderung“ vermengt werden.<br />
2.2 Das Klassifikationsschema der Unterhaltungssoftware-Selbstkontrolle (USK)<br />
Die USK ist eine Institution der freiwilligen Selbstkontrolle und überprüft neu erscheinende<br />
interaktive Unterhaltungsangebote unter Gesichtspunkten des Jugendschutzes.<br />
Sie unterteilt die Landschaft der Computer- und Videospiele in zwölf Kategorien (USK<br />
2001):<br />
1. Simulation allgemein<br />
2. Simulation militärisch<br />
3. Arcade<br />
4. Adventure<br />
5. Sportspiel<br />
6. Strategie militärisch<br />
7. Management<br />
8. Denkspiele<br />
9. Rollenspiele<br />
10. Jump’n’Run<br />
11. 3D-Action<br />
12. Sonstige<br />
Zusätzlich vergibt die USK die Kategorien „Erotik“, „Edutainment“ und „Infotainment“,<br />
die jedoch in Bezug auf Computer- und Videospiele nicht relevant sind.<br />
Als Hauptproblem ihrer Einteilung hat die USK die zahlreichen Mischformen erkannt<br />
(C. Schulz, persönliche Kommunikation, 1.8.2001): Immer wieder überspringen neue<br />
Titel alte Genregrenzen oder entstehen revolutionäre Spiele, die wiederum als Prototypen<br />
für neue Genres dienen (könnten). So behelfen sich die Gutachter/innen der<br />
USK damit, sich in Konfliktfällen für das Genre zu entscheiden, mit dessen Merkmalen<br />
ein gegebenes Spiel am stärksten überein zu stimmen scheint. Das Einteilungsschema<br />
der USK weist demnach ähnliche Probleme auf wie die Ansätze der Spielezeitschriften.<br />
484
Klimmt · Ego-Shooter, Prügelspiel, Sportsimulation<br />
2.3 Genreeinteilungen der <strong>Medien</strong>pädagogik<br />
Im Bereich der <strong>Medien</strong>pädagogik sind mittlerweile zahlreiche Arbeiten über Computer-<br />
und Videospiele veröffentlicht worden (z. B. Fritz, 1995; Fritz & Fehr, 1997b;<br />
Fromme, Meder & Vollmer, 2000), darunter auch verschiedene Ansätze zur Typologisierung.<br />
Fritz und Fehr (1993) legten eine ausführliche Typologie vor, die von fünf<br />
Hauptgruppen ausgeht:<br />
1. Abstrakte Denk- und Geschicklichkeitsspiele<br />
2. Kampfspiele<br />
3. Funny-Games<br />
4. Simulationen<br />
5. Spielgeschichten.<br />
Diese Hauptgruppen werden weiter ausdifferenziert. Abbildung 1 fasst das Klassifikationsschema<br />
zusammen.<br />
Die Einteilung von Fritz und Fehr (1993) ist sehr detailliert und erfasst auch heute<br />
noch einen Großteil der verfügbaren Computer- und Videospiele. Vorteilhaft ist auch<br />
die Anordnung in Haupt- und Untergruppen. Es fällt jedoch auf, dass insbesondere<br />
der Bereich der „Simulationen“ sehr unterschiedliche Untergruppen subsumiert und<br />
dadurch eine wesentlich größere innere Bandbreite aufweist als die anderen Hauptgruppen.<br />
Zwar „simulieren“ alle dort aufgeführten Spielformate eine Form der Wirklichkeit,<br />
doch trifft dies letztendlich auch auf die anderen Hauptgruppen zu (vgl. auch<br />
Mogel, 1994). Fasst man so unterschiedliche Formate wie „Fußball“ und „Heerführung“<br />
unter die Kategorie „Simulation“ zusammen, verliert dieser Begriff an Beschreibungskraft.<br />
Angesichts der Schwierigkeiten, eine dauerhaft zutreffende Genreeinteilung zu gestalten,<br />
schlägt Fritz (1997) vor, von einem Genrekatalog abzurücken und die Landschaft<br />
der Computerspiele anhand von zwei Dimensionen zu charakterisieren<br />
(vgl. Abbildung 2): Das erste Kriterium bezieht sich auf die Art der Tätigkeit, welche<br />
ein gegebenes Spiel von seinen Nutzer/innen verlangt, nämlich „Denken“ oder „Action“.<br />
„Denkspiele“ betonen den Aspekt des planvollen Problemlösens durch Manipulation<br />
von Spielelementen, „Actionspiele“ hingegen die Bedeutung von Reaktionsschnelligkeit<br />
und Kampfkraft einer Spielfigur. Für ältere Spiele genügt nach der Auffassung<br />
von Fritz diese Dimension meistens zur Einordnung. Um auch die größere<br />
Bandbreite neuerer Titel erfassen zu können, ergänzt er die Dimension „Denken – Action“<br />
um das Kriterium der „Geschichte“. Er unterscheidet dabei Spiele, die vornehmlich<br />
einfache, wiederkehrende Handlungselemente beinhalten, von Titeln, die komplexe<br />
Rahmenhandlungen vorgeben und dadurch auch weniger monoton in ihren Aufgabenstellungen<br />
sind. So lassen sich etwa klassische „Ballerspiele“, die immer wieder die<br />
gleichen Handlungsabläufe fordern und höchstens Rudimente einer Rahmenerzählung<br />
aufweisen (z. B. das erfolgreiche „R-Type“), von typischen „Abenteuerspielen“, die<br />
eine ausgedehnte Geschichte erzählen und eine Vielzahl unterschiedlicher Aufgaben<br />
und Anforderungen bereithalten (z. B. die beliebte „Monkey Island“-Reihe), unterscheiden.<br />
Dieses Vorgehen vermeidet das Problem, sich auf ein bestimmtes Genre festlegen zu<br />
müssen und erlaubt so eine aussagekräftige Beschreibung einzelner Titel auf relevante<br />
Dimensionen. Jedoch weist sie einige Suboptimalitäten auf: So stellen die Pole „Denken“<br />
und „Action“ keinen wirklichen Gegensatz dar. Kampfspiele wie „Quake“oder „Dead<br />
or Alive“ setzen ihre Nutzer/innen tatsächlich häufig unter hohen Zeitdruck; andererseits<br />
sind auch hier planvolles Handeln und geschickte Antizipation notwendig. Diese<br />
485
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
Abbildung 1: Typologisierung von Computer- und Videospielen nach Fritz und Fehr<br />
1993 (Quelle: eigene Erstellung)<br />
486<br />
Abstrakte Denk- und<br />
Geschicklichkeitsspiele<br />
Zentrale Merkmale:<br />
Probleme erkennen und schnell<br />
lösen, z. B Tetris<br />
Kampfspiele<br />
Zentrale Merkmale: Konflikte,<br />
Reaktionsschnelligkeit verlangt,<br />
Thema Aggression/Krieg<br />
Funny Games<br />
Zentrale Merkmale: Harmlose<br />
Geschicklichkeitsspiele, lustige<br />
Figuren und Rahmengeschichte<br />
Simulationen<br />
Zentrale Merkmale: Imitation /<br />
Dramatisierung echter Lebensbereiche<br />
/ Begebenheiten /<br />
Technologien<br />
Spielgeschichten<br />
Zentrale Merkmale: Umfangreiche<br />
Rahmenhandlung,<br />
vielseitige Aufgaben, Steuerung<br />
einer Figur
Klimmt · Ego-Shooter, Prügelspiel, Sportsimulation<br />
Abbildung 2: „Landkarte der Bildschirmspiele“ (Quelle: Fritz, 1997, S. 88)<br />
Landkarte der Bildschirmspiele<br />
Geschichten<br />
Komplexe Geschichte;<br />
geschlossener Ablauf;<br />
Vielseitigkeit<br />
Einzelabläufe;<br />
eher einförmiges Geschehen<br />
Denken Action<br />
Steuerung von Spielelementen:<br />
mittelbar und zeitverzögert:<br />
Denken und indirektes<br />
Handeln<br />
Steuerung der Spielfigur;<br />
unmittelbar und aktional;<br />
direktes Handeln:<br />
filmische Abläufe<br />
Form der Anforderung ist also nicht typischen Denkspielen wie „Tetris“ vorbehalten.<br />
Auch die Pole „komplexe Geschichte“ und „Monotonie“ lassen sich zumindest für einige<br />
neuere Spiele nicht aufrecht erhalten. ,Hybridformate‘ wie das Action-Rollenspiel<br />
„Diablo 2“ erzählen zwar eine ausführliche und wendungsreiche Geschichte, verlangen<br />
aber von ihren Nutzer/innen immer wieder „Schwertkämpfe“ mit zahlreichen Antagonisten.<br />
Wiederkehrende Handlungen und narrative Komplexität müssen also nicht unbedingt<br />
Gegensätze darstellen. Schließlich muss zur „Landkarte“ von Fritz angemerkt<br />
werden, dass eine für die Beschreibung von Computerspielen wesentliche Dimension,<br />
nämlich die Darstellungsform, nicht berücksichtigt wird. Auf diesen Aspekt sollte jedoch<br />
nicht verzichtet werden. Denn bestimmte Spielformate unterscheiden sich fast ausschließlich<br />
in der Art und Weise, wie das Spielgeschehen präsentiert wird. Dieser Aspekt<br />
wird im folgenden Hauptabschnitt elaboriert. Zuvor werden jedoch weitere Kategorisierungsvorschläge<br />
aus der Wissenschaft diskutiert.<br />
2.4 Einteilungsvorschlag aus der <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>: Wolf (2000)<br />
In der <strong>Medien</strong>- und <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> existiert (noch) weniger Literatur<br />
über Computer- und Videospiele als in der <strong>Medien</strong>psychologie. Entsprechend rar sind<br />
aktuelle Typologien von Computer- und Videospielen. Wolf (2000) hat in Anlehnung<br />
an Filmgenres versucht, Computer- und Videospiele zu kategorisieren. Er hält zwei<br />
nach Buscombe (1970) für Filmgenres relevante Angebotsmerkmale, nämlich „icono-<br />
487
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
graphy“ und „theme“ für übertragbar, zumindest in Bezug auf Spiele, die eine Narration<br />
beinhalten. Jedoch sieht er die Notwendigkeit, „interactivity“ als für die Genrebildung<br />
konstitutives Kriterium zu berücksichtigen, weil die Spieler/innen maßgeblichen<br />
Einfluss darauf haben, wie sich ein Spiel(verlauf) entwickelt. Mit dieser Integration angebotsseitiger<br />
und rezeptionsorientierter Genrekomponenten kommt Wolf zu einer<br />
Liste von insgesamt 42 Typen von Computer- und Videospielen. Aus Platzgründen<br />
wird dieses Schema hier nicht detailliert vorgestellt. Allein die Anzahl unterschiedlicher<br />
Typen legt jedoch die Vermutung nahe, dass hier eine starke Überdifferenzierung vorliegt,<br />
zumindest aber die Praktikabilität des Schemas relativ gering ist. Ein Beispiel verdeutlicht<br />
dieses Problem: Wolf unterscheidet „Driving“- und „Racing“-Spiele. Obwohl<br />
es in beiden Kategorien um schnelles Autofahren geht, wird eine Differenzierung vorgenommen,<br />
weil es bei „Driving“-Spielen darum geht, eine bestimmte Strecke möglichst<br />
schnell zurückzulegen und nicht, wie bei „Racing“-Spielen üblich, darum, schneller als<br />
gegnerische Fahrzeuge zu sein. Der Autor selbst weist trotz solcher feinen Unterscheidungen<br />
auf mögliche Überlappungen von Kategorien hin. So scheint sowohl die Handhabbarkeit<br />
als auch die Aussagekraft des Schemas eingeschränkt zu sein. Es bleibt jedoch<br />
festzuhalten, dass dieser Ansatz ebenso wie die Einteilungen aus der Praxis und das<br />
Schema von Fritz (1997) einerseits narrative Elemente, andererseits den Aspekt der Interaktivität<br />
heranziehen.<br />
2.5 Genreeinteilungen in der (<strong>Medien</strong>-)Psychologie<br />
In der psychologischen Forschung wird vor allem nach negativen Wirkungen intensiver<br />
Spieltätigkeit bei Kindern und Jugendlichen gesucht. Neben der potenziellen aggressionsfördernden<br />
Wirkung (Griffiths, 1999) wird Computerspielen auch ein Suchtpotenzial<br />
unterstellt (Griffiths & Hunt, 1998). Daneben findet auch Forschung zu den<br />
Denk- und Problemlöseprozessen beim Computerspielen statt (Kirsh & Maglio, 1994;<br />
Ohler & Nieding, 2000).<br />
Funk und Buchman (1995; vgl. auch Funk, Hagan & Schimming, 1999) entwickelten<br />
auf der Basis empirischer Daten ein System von sechs Kategorien, indem sie die in einer<br />
Befragung ermittelten Lieblingsspiele von Kindern durch andere Kinder einschätzen<br />
ließen. Sie unterscheiden „General Entertainment“, „Educational“, „Fantasy Violence“,<br />
„Human Violence“, „Nonviolent Sports“ und „Sports Violence“ (ebd., S. 885). Diese<br />
Einteilung zielt hauptsächlich auf den Aspekt der gewalttätigen Inhalte ab. Ziel der Kategorisierung<br />
ist also weniger, verschiedene Typen von Computerspielen, sondern eher<br />
verschiedene Formen von Gewalt(handlungen) in Computerspielen zu differenzieren.<br />
Dieses Vorgehen erscheint für die Untersuchung aggressionsfördernder Wirkungen gewalthaltiger<br />
Spiele angemessen, führt jedoch nicht zu einem Beschreibungssystem, das<br />
für andere <strong>wissenschaft</strong>liche Fragestellungen brauchbar ist (vgl. zur Kritik an diesem<br />
System auch Griffiths, 2000).<br />
Eine andere Genreeinteilung aus der Psychologie stammt von Griffiths (1999); sie orientiert<br />
sich an der Praxis der Spielezeitschriften (vgl. oben: 3.1.). Insgesamt werden neun<br />
Klassen von Spielen unterschieden:<br />
„1. Sport Simulations: This type is self-explanatory. These games simulate sports such as<br />
golf, ice hockey, athletics, etc. …<br />
2. Racers: This type could be considered a type of sport simulation in that it simulates<br />
motor sports like Formula I racing. …<br />
3. Adventures: This type uses fantasy settings in which the player can escape to other<br />
worlds and take on new identities. …<br />
488
Klimmt · Ego-Shooter, Prügelspiel, Sportsimulation<br />
4. Puzzlers: This type is self-explanatory. These games are „brainteasers“, which often<br />
require active thinking …<br />
5. Weird Games: These games are not weird as such except they do not fit into any other<br />
category. They would be better called miscellaneous (e. g. SimCity 2000, Populous 3,<br />
etc.).<br />
6. Platformers: These games involve running and jumping along and onto platforms …<br />
7. Platform Blasters: These games involve platformers but also involve blasting everything<br />
that comes into sight …<br />
8. Beat ’Em Ups: These games involve physical violence such as punching, kicking,<br />
etc. …<br />
9. Shoot ’Em Ups: These games involve shooting and killing using various weapons …“<br />
(Griffiths, 1999, S. 210).<br />
Diese Kategorisierung verwendet ausschließlich Beschreibungen der Aufgaben, welche<br />
die jeweiligen Spiele ihren Nutzer(inne)n stellen. Insofern ist sie systematischer als die<br />
vorangegangenen Einteilungen. Doch weist auch sie einige Probleme auf, weil sie „unausgewogen“<br />
ist: Sie ist zum Teil überdifferenziert, denn es erscheint überflüssig, zwischen<br />
„Platformers“ und „Platform Blasters“ zu unterscheiden, und zum Teil unterdifferenziert,<br />
denn die Restkategorie „Weird Games“ schließt einen erheblichen Teil der<br />
verfügbaren Spiele-Titel ein. So gehören die Beispiele, die Griffiths für die Restkategorie<br />
aufführt, zu den besonders erfolgreichen Spielen und sind daher wiederholt von anderen<br />
Titeln imitiert worden.<br />
Trotz der Fokussierung der Aufgaben, die es in dem jeweiligen Genre zu bewältigen<br />
gilt, schwingt auch in Griffiths Ansatz eine narrative Komponente mit: Er charakterisiert<br />
die Aufgaben in ihrer narrativen Bedeutung, spricht also nicht von „Handbewegungen“<br />
und „Reaktionsschnelligkeit“, sondern von „Laufen“, „Springen“ und<br />
„Schießen“. Es ist zu überlegen, ob eine Trennung dieser Ebenen sinnvoll ist, also ob die<br />
eigentlichen Tätigkeiten abstrakt – wie bei Fritz (1997, vgl. oben: 2.3.) mit Begriffen<br />
außerhalb der Spielewelt – beschrieben werden sollten und nur für die narrativen Elemente<br />
konkrete aus der Spielwelt entnommene Bezeichnungen verwendet werden sollten<br />
(vgl. dazu unter 3.).<br />
Eine dritte Systematik psychologischer Provenienz stammt von den australischen<br />
Forschern Durkin und Aisbett (1999, S. 34 – 35). Sie unterscheiden sechs „major types“<br />
von Computer- und Videospielen, die zum Teil noch in Unterkategorien („genres“) zerfallen.<br />
Als „major types“ listen sie „Simulation“, „Shoot ’em ups“, „Fighting Games“,<br />
„Strategy Games“, „Adventure/action Games“ und „Platform Style Games“ auf. „Simulation“<br />
und „Platform Style“ weisen in diesem Schema die größte innere Bandbreite<br />
auf. Unter „Simulation“ werden z. B. sowohl Titel mit Sport als Thema als auch Autorennspiele<br />
und Flugsimulatoren, aber auch Titel mit Science-Fiction-Geschichten wie<br />
„Wing Commander“ gefasst. Insbesondere die Handhabung des Begriffs „Simulation“<br />
ist hier – wie schon bei Fritz und Fehr (1993; vgl. oben: 2.3.) – zu kritisieren, weil er sehr<br />
weit gefasst ist und damit zur Bezeichnung eines eigenen Typs von Computer- und Videospielen<br />
nicht mehr genügend Aussagekraft besitzt. Zudem ist eine Grenzbestimmung<br />
zwischen „Shoot ’em ups“, „Fighting“ und „Adventure/Action Games“ relativ<br />
schwierig. So merken Durkin und Aisbett (1999, S. 35) denn auch selbst zu ihrer Taxonomie<br />
an: „These game types are not mutually exclusive. Like other popular culture<br />
forms it is not easy to categorise a game definitely as a particular genre: they can have<br />
characteristics of more than one“.<br />
489
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
3. Drei Ebenen der Beschreibung von Computer- und Videospielen<br />
Die vorgestellten Versuche aus der Praxis wie aus der Wissenschaft, Computer- und Videospiele<br />
in Genres einzuteilen, haben gezeigt, dass die äußerst dynamische Entwicklung<br />
der Spiele und das häufige Entstehen von ,Mischformen‘ eine zuverlässige Kategorisierung,<br />
die nicht binnen kurzer Zeit überholt ist, kaum zulassen (Fritz, 1997). Schwierigkeiten<br />
bereitet dabei nicht nur die enorme thematische Vielfalt, sondern auch die Interaktivität<br />
der Spiele. Denn für die Entfaltung der Geschichte und insbesondere der<br />
einzelnen Spiel-Ereignisse sind hauptsächlich die Handlungen der Nutzer/innen von<br />
Bedeutung (Vorderer, 2000; Grodal, 2000; Klimmt, 2001). Eine Beschreibung und Klassifizierung<br />
von Computer- und Videospielen als Gegenstände <strong>wissenschaft</strong>licher Forschung<br />
sollte also dem zentralen Anteil der Spieler/innen am Spielgeschehen Rechnung<br />
tragen. Denn welche Komponenten des <strong>Medien</strong>angebots „Computerspiel“ in der Nutzung<br />
überhaupt zum Tragen kommen, hängt zum Gutteil von dem/der jeweiligen Spieler/in<br />
ab.<br />
Damit werden jedoch systematische A-Priori-Beschreibungen von Spieletiteln – ohne<br />
die Einbeziehung von Spieler/innen – schwieriger. Das Schema von Fritz (1997; vgl.<br />
oben: 2.3.) stellt eine mögliche Lösung für das Problem dar: Statt Genres zu definieren,<br />
deren Grenzen kaum zu bestimmen sind, skizziert er Dimensionen eines Raumes, innerhalb<br />
dessen sich gegebene Titel verorten lassen. Dieser Gedanke wird im Folgenden<br />
aufgegriffen und weiterentwickelt.<br />
An die Stelle einer Taxonomie sollen Ebenen treten, welche die zentralen Aspekte einer<br />
medien<strong>wissenschaft</strong>lichen Beschreibung von Computer- und Videospielen darstellen.<br />
Gegenüber einer Liste von Genres bedeutet dieses Vorgehen einen Rückschritt ins<br />
Abstrakte. Die Herangehensweise ist jedoch erforderlich, weil das Beschreibungssystem<br />
dauerhaft anwendbar und damit von der aktuellen Spielelandschaft unabhängig sein soll.<br />
Daher muss er notgedrungen hinter hochdifferenzierte Einteilungen und selbst erklärende<br />
Formatbezeichnungen zurückfallen, um ständige Revisionen des Schemas und<br />
Zuordnungskonflikte in konkreten Einzelfällen zu vermeiden.<br />
Im Wesentlichen können sich einzelne Titel auf drei Ebenen voneinander unterscheiden.<br />
Diese Ebenen sind a) der narrative Kontext, b) die Aufgabe der Spieler und c) die<br />
mediale Repräsentation. Sie werden im Folgenden expliziert.<br />
a) Narrativer Kontext: Die meisten Computer- und Videospiele sind in eine Geschichte<br />
eingebettet (Palme, 1993; Koch, 1999; Wolf, 2000). Narrationen rahmen die eigentlichen<br />
Spielhandlungen ein und werden oftmals durch diese wiederum fortgeschrieben.<br />
So werden zu Beginn vieler Computer- und Videospiele Ereignisse berichtet,<br />
die für die Spieler/innen relevant sein werden. Am Ende, wenn das Spiel „durchgespielt“<br />
ist, wird üblicherweise ein „Happy End“ dargestellt. „Filmsequenzen“, in welche die<br />
Spieler/innen nicht eingreifen können, sind ein typisches Instrument, um die narrativen<br />
Elemente eines Spiels zu vermitteln (Grodal, 2000). Sie führen zum Beispiel die Nutzer/innen<br />
in das Spiel ein („Vorspann“) oder verbinden einzelne Spielabschnitte („Level“<br />
oder „Missionen“) miteinander. Zwei Arten von Informationen machen den narrativen<br />
Kontext eines Computerspiels aus: Hinweise über die Beschaffenheit der Spielwelt<br />
einerseits und Beschreibungen der Rolle, welche die Spieler/innen in der Spielwelt einnehmen,<br />
andererseits.<br />
Einige Spiele bemühen sich darum, möglichst exakt reale Kontexte, etwa die Fußball-<br />
Bundesliga oder den Alltag eines Eisenbahn-Magnaten, zu simulieren. Andere Titel dagegen<br />
breiten historische, futuristische oder fantastische Szenarien aus. Die „Tiefe“ und<br />
„Breite“ der narrativen Informationen schwankt von Spiel zu Spiel: Einige Titel be-<br />
490
Klimmt · Ego-Shooter, Prügelspiel, Sportsimulation<br />
schränken sich auf rudimentäre Hinweise oder verzichten ganz auf solche Rahmungen<br />
(z. B. „Tetris“), andere entwickeln ein ganzes Universum mit spezifischen physikalischen,<br />
ästhetischen, sozialen und moralischen Grundsätzen.<br />
Zum narrativen Kontext können also Informationen über die Geographie der Spielwelt,<br />
ihre Bewohner und die Gesellschaftsform, die sie bilden, über die Beschaffenheit<br />
der Umwelt, etwa die Bedeutung von Magie und Technologie, über ästhetische Besonderheiten,<br />
zum Beispiel die typische Architektur unterschiedlicher Völker, und über<br />
rechtlich-moralische Grundlagen, etwa die Konventionen bezüglich der Anwendung<br />
von Gewalt, gehören. Eine genaue Kenntnis des narrativen Kontexts ermöglicht den<br />
Spieler/innen oftmals erst die erfolgreiche Bewältigung eines Spiels. In der Narration<br />
werden die „Regeln“der Spielwelt vermittelt und begründet.<br />
Neben der „Einrahmung“ der Spielhandlungen in eine Fantasiewelt kommt dem narrativen<br />
Kontext die Funktion zu, die Rolle zu definieren, welche die Spieler/innen übernehmen.<br />
Diese Rolle ergibt sich immer im Wechselspiel mit der „Story“ (vgl. auch Berger,<br />
2000): Die Spieler/innen werden zu Polizisten in einer vom Verbrechen geplagten<br />
Stadt, zu Soldaten in einem wichtigen Krieg, zu Managern in einer kapitalistischen Region.<br />
Der narrative Kontext liefert auch die moralische Legitimation für die Spielhandlungen:<br />
Als Manager darf man Angestellte entlassen, als Feldherr kann man eigene Truppen<br />
opfern, als Anti-Terror-Spezialist soll man Gangster erschießen und muss man Zivilisten<br />
schützen. Neben solchen tätigkeitsbezogenen Rollenkomponenten sind aber<br />
auch persönlichkeitsbezogene Elemente von Bedeutung. Spielfiguren werden durch<br />
narrative Komponenten „lebendiger“ (Klimmt & Vorderer, 2001; McDonald & Kim,<br />
2001): Spieletitel sollten danach unterschieden werden, ob die Spieler/innen in die Rolle<br />
einer anonymen Figur schlüpfen oder aber die Steuerung einer bedeutend komplexer<br />
inszenierten Person wie Lara Croft (vgl. Rettberg, 1999) übernehmen.<br />
Aus diesen Gründen ist der narrative Kontext ein relevantes Merkmal von Computer-<br />
und Videospielen, das zur <strong>wissenschaft</strong>lichen Beschreibung eines gegebenen Titels<br />
herangezogen werden muss. Im Vergleich zu den beiden anderen Beschreibungsebenen<br />
bieten Computer- und Videospiele beim narrativen Kontext wohl die größte Vielfalt: Es<br />
gibt kaum einen Lebensbereich, der nicht als narrative Vorlage für Spieletitel dient. Darüber<br />
hinaus existiert eine Fülle von Fantasieszenarien, die entweder aus anderen <strong>Medien</strong>angeboten,<br />
zum Beispiel Romanen („Der Herr der Ringe“) oder Filmen („Krieg der<br />
Sterne“) stammen oder eigens kreiert wurden („Ultima“, „Monkey Island“). Mittlerweile<br />
migrieren sogar die Rahmengeschichten von Computerspielen in andere <strong>Medien</strong>,<br />
z. B. in Kinofilme („Wing Commander“, „Tomb Raider“, „Pokémon“ oder „Final Fantasy“).<br />
b) Aufgabe der Spieler: Das zentrale Element interaktiver Unterhaltungsangebote ist<br />
die Möglichkeit des aktiven Mitwirkens der Spieler/innen (Vorderer, 2000; Grodal,<br />
2000). Computer- und Videospiele setzen ihre Nutzer/innen aber auch unter Druck,<br />
diese Handlungsmöglichkeiten zu nutzen: Antagonisten, Konkurrenten und widrige<br />
Umstände schaffen immer neue Probleme und Bedrohungen, auf die die Spieler/innen<br />
reagieren müssen (Klimmt, 2001). Daher gehört die Lösung von Aufgaben und Problemen<br />
zu den zentralen Tätigkeiten beim Computerspielen (vgl. z. B. Kirsh & Maglio,<br />
1994; Fromme, Meder & Vollmer, 2000). Die Anforderungen, die zur erfolgreichen Bewältigung<br />
eines Computerspiels erfüllt werden müssen, können auf zwei Ebenen beschrieben<br />
werden. Zum einen kann die narrative Rahmung herangezogen werden, um<br />
die gestellten Aufgaben in den Kategorien der jeweiligen Spielwelt darzustellen. Zum<br />
anderen können Dimensionen der menschlichen Informationsverarbeitung dazu dienen,<br />
die Anforderungen an die Spieler/innen auf einer abstrakteren Ebene zu fassen.<br />
491
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
Verwendet man den narrativen Kontext eines Spiels, um die Aufgaben für die Spieler/innen<br />
zu beschreiben, rückt die Rolle der Spieler/innen in den Vordergrund. Als Kapitän<br />
eines Unterseeboots zum Beispiel müssen die Spieler/innen navigieren, attackieren,<br />
manövrieren, kommunizieren, reparieren usw. Diese Methode, die Spielaufgaben<br />
darzulegen, gleicht den Produktbeschreibungen, wie sie in Computerspiele-Zeitschriften<br />
zu finden sind. Aus medien<strong>wissenschaft</strong>licher Perspektive dagegen gehören diese Informationen<br />
eher zur Dimension des narrativen Kontextes (s. o.).<br />
Betrachtet man die Tätigkeit des Computerspielens dagegen als Prozess des Problemlösens,<br />
lassen sich Aussagen über die Modalitäten der Informationsverarbeitung treffen,<br />
die von den Spieler/innen verlangt werden. Grundsätzlich lassen sich in diesem Zusammenhang<br />
Anforderungen an die Situationswahrnehmung bzw. Problemerfassung,<br />
die Problemlösung bzw. Entscheidungsfindung und die Entscheidungsausführung<br />
unterscheiden (vgl. ausführlich: Kirsh & Maglio, 1994). Zwei Dimensionen sind<br />
für die Beschreibung aller drei Anforderungsarten zentral: Geschwindigkeit und Komplexität.<br />
Wie die konkreten Anforderungen an die Nutzer/innen eines Computerspiels aussehen,<br />
hängt zunächst davon ab, wie schnell sich die Dinge während des Spielverlaufs entwickeln.<br />
Bei Spielen, die ein hohes Tempo besitzen, in denen zum Beispiel Kämpfe ausgefochten<br />
oder Rennen gefahren werden, gestaltet sich das Aufgabenprofil anders als bei<br />
Titeln, die eine geringere Grundgeschwindigkeit besitzen, etwa weil sie ihren Schwerpunkt<br />
im strategischen Bereich setzen (vgl. hierzu Maaß, 1996; Ohler & Nieding, 2000).<br />
Ebenso bedeutsam wie das Tempo ist die Komplexität für das Anforderungsprofil eines<br />
gegebenen Spiels. Die Anzahl der Spielelemente, z. B. der zu kommandierenden Einheiten<br />
im einem Strategiespiel, die Menge an nutzbaren Funktionen, die Variabilität der<br />
Gestaltungsmöglichkeiten, über die Spieler/innen und die ,künstliche Intelligenz‘ des<br />
Computergegners verfügen, tragen beispielsweise zur Komplexität der Spielanforderungen<br />
bei. Je komplexer ein Spiel ist, desto gründlicher müssen die Nutzer/innen ,hinsehen‘,<br />
nachdenken und vorgehen. Geschwindigkeit und Komplexität scheinen damit<br />
konkurrierende Größen zu sein. Die Art und Weise, wie sie ein bestimmtes Computerspiel<br />
miteinander verbindet, entscheidet über die Beschaffenheit der Anforderungen, die<br />
seine Nutzer/innen bewältigen müssen (vgl. Tabelle 1). Daher sollten Beschreibungen<br />
von Spieletiteln auf der Ebene der gestellten Anforderungen die Aspekte Geschwindigkeit<br />
und Komplexität berücksichtigen.<br />
Die Ebene der Anforderungen weist deutliche Übereinstimmungen mit der „interaktiven<br />
Komponente“ bei Wolf (2000) und der Dimension „Denken versus Action“ bei<br />
Fritz (1997) auf. Damit wird also der Bedeutung der Nutzereingaben für den Spiel(verlauf)<br />
Rechnung getragen; dieses Element ist daher für die systematische Beschreibung<br />
von Spieletiteln essenziell.<br />
c) Mediale Präsentation: Der narrative Kontext und die Anforderungen an die Spieler/innen<br />
fließen im Darstellungsmodus eines Computerspiels zusammen. Eine Rahmenhandlung<br />
wird durch Bilder und Klänge erzählt; die Rolle der Spieler/innen bzw.<br />
ihre Aufgabe wird durch die Präsentation erfahr- und umsetzbar.<br />
Die Präsentationsform hängt besonders eng mit der technischen Weiterentwicklung<br />
im Hardware-Bereich zusammen. Neue Grafik- und Sound-Chips ermöglichen immer<br />
detailliertere und reichhaltigere Eindrücke von der Spielwelt. Immer wieder werden<br />
auch vollkommen neuartige Perspektiven eingeführt, aus denen die Spieler/innen auf die<br />
Spielwelt blicken. Zu der narrativ-inhaltlichen und der interaktiven Ebene tritt also als<br />
dritter Teil der Systematik die Form. Grundsätzlich sind zwei Komponenten der Darstellungsform<br />
zu differenzieren: Raum und Zeit.<br />
492
Klimmt · Ego-Shooter, Prügelspiel, Sportsimulation<br />
Tabelle 1: Geschwindigkeit und Komplexität als Dimensionen von Anforderungen an<br />
Computerspieler/innen<br />
Problemerfassung Entscheidungsfindung/ Ausführung der<br />
Planung Planung<br />
Geschwindigkeit Fokussierung der Automatisierte (Re-) motorische<br />
relevanten, Ausblen- Aktionen/Routinen/ Schnelligkeit und<br />
dung irrelevanter kurzfristige Planung Präzision (zeitlich<br />
Informationen (z. B.<br />
Erfassung von Gegnern<br />
in einem Actionspiel)<br />
und räumlich)<br />
Komplexität Gründliche Aufnahme Mehrstufige Ent- Eindeutigkeit, Vollstänvon<br />
Informationen, scheidungsprozesse, digkeit (z. B. Bestim-<br />
Erkennung von Berücksichtigung von mung von Formation<br />
Wechselbeziehungen Wechselwirkungen, und Marschroute eigener<br />
zwischen Problem- Antizipation von Truppen, Befehlsvergabe<br />
elementen (z. B. Kon- langfristigen Handlungs- gemäß einer Prioritäfiguration<br />
und Geome- konsequenzen, tenliste, Sicherstellung<br />
trie eines feindlichen Ressourcenallokation des Einsatzes aller<br />
Angriffs) verfügbaren Ressourcen)<br />
Das erste formale Merkmal von Computer- und Videospielen ist die Perspektive, aus<br />
der den Spieler/innen die Sicht auf bzw. in die Spielwelt eröffnet wird. So vielfältig wie<br />
die Rahmengeschichten und die Anforderungen sind in der modernen Spielelandschaft<br />
auch die Formen der Raumdarstellung (Wolf, 1997). Weit verbreitet ist zum Beispiel die<br />
so genannte „Ego-Perspektive“, bei der die Spieler/innen die Spielwelt „durch die Augen“<br />
der Hauptfigur wahrnehmen. Hier wird bereits die Verknüpfung der Darstellungsebene<br />
mit den anderen Beschreibungsebenen deutlich: Die Ego-Perspektive<br />
kommt vor allem dort zum Einsatz, wo die Spieler/innen in die Rolle einer bestimmten<br />
Einzelperson (z. B. Rennfahrer, Pilot, Einzelkämpfer) schlüpfen und entsprechende Anforderungen<br />
(Bewegung, Reaktion, Timing etc.) erfüllen. Eine andere typische Darstellungsform<br />
ist die „Vogelperspektive“, die den Spieler/innen mehr Übersicht über das<br />
Spielgeschehen ermöglicht. Sie wird hauptsächlich bei Spielen verwendet, in denen die<br />
Rolle von Befehlshabern (Kommandanten, Königen, Managern) eingenommen wird<br />
und die Koordination zahlreicher Spielelemente (Truppen, Mitarbeiter, Wirtschaftsgüter)<br />
gefordert ist. Neben diesen geläufigen Modi der Raumdarstellung gibt es auch zahlreiche<br />
Mischformen; viele neuere Titel ermöglichen es den Spieler/innen auch, zwischen<br />
verschiedenen Perspektiven zu wechseln oder sie je nach aktueller Anforderung frei zu<br />
bestimmen.<br />
Die zweite Komponente der Beschreibungsebene „Form“ ist die Darstellung der<br />
Spielzeit. Fasst man den Prozess des Computerspielens als Kette ineinander greifender<br />
Spielhandlungen auf (Klimmt, 2001), ergeben sich verschiedene Möglichkeiten, diese<br />
Folge von Handlungen zeitlich zu organisieren. Von Brettspielen übernommen ist das<br />
so genannte Rundenprinzip: Ähnlich wie beim Schachspiel wechseln sich die<br />
Spieler/innen und die (vom Rechner gesteuerten) anderen Agenten ab. Rundenbasierte<br />
Spiele bestehen also aus wiederkehrenden Phasen; innerhalb einer Phase dürfen die<br />
Spieler/innen ihre Handlungen durchführen; anschließend werden die Ergebnisse ihrer<br />
Eingaben dargestellt, und die Gegner sind am Zug. Dieser Modus der Zeitdarstellung<br />
kommt vor allem bei Spielen zum Einsatz, in denen strategische Aufgaben (Führung<br />
493
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
von Streitkräften oder Wirtschaftseinheiten) zu bewältigen sind. Auch bei der Zeitdarstellung<br />
gibt es also wechselseitige Abhängigkeiten mit den anderen Beschreibungsebenen.<br />
Eine Konsequenz aus der technischen Weiterentwicklung der Computer ist die Möglichkeit,<br />
viele Rechenoperationen parallel ablaufen zu lassen. Deshalb ist es vor allem bei<br />
jüngeren Computerspielen gebräuchlich, die Nutzereingaben und die Maßnahmen der<br />
Computergegner gleichzeitig umzusetzen. Dieses so genannte ,Echtzeit‘-Prinzip erhöht<br />
die Dynamik des Spielverlaufs erheblich, weil die gemächliche Rundenstruktur aufgebrochen<br />
wird und es für die Spieler/innen keine Ruhepausen mehr gibt. Dabei muss allerdings<br />
die Echtzeit im Spiel nicht mit der wirklichen Zeit übereinstimmen. Oftmals<br />
schrumpfen lange „wirkliche“ Zeitperioden in Computerspielen auf kurze Intervalle zusammen.<br />
So können zum Beispiel die Nutzer/innen vieler Spieletitel mit historischem<br />
narrativen Kontext mehrere Jahrhunderte binnen weniger Stunden „durchleben“. Das<br />
zentrale Merkmal der Zeitrepräsentation in „Echtzeit“ ist vielmehr das parallele Ablaufen<br />
aller Spielprozesse, also der Nutzerhandlungen und der vom Rechner selbstständig<br />
durchgeführten Operationen. Daher ist diese Art der Zeitrepräsentation hauptsächlich<br />
bei Spielen mit hoher Geschwindigkeit anzutreffen, zum Beispiel wenn die Rollen von<br />
Rennfahrern oder Kämpfern zu besetzen sind. Aber auch Spiele mit strategischen Aufgaben<br />
nutzen häufig nicht mehr das Runden-, sondern das Echtzeitprinzip, wobei wiederum<br />
die Komplexität der Anforderung gegenüber rundenbasierten Spielen reduziert<br />
ist.<br />
4. Fazit und Ausblick<br />
Kaum ein anderes Unterhaltungsmedium unterliegt so stürmischen und radikalen<br />
Wandlungsprozessen wie die Computer- und Videospiele. Nur wenige empirische Studien<br />
zur Rezeption bzw. Nutzung dieser relativ jungen Unterhaltungsangebote liegen<br />
bislang vor, wenngleich sich vor allem die <strong>Medien</strong>pädagogik immer intensiver mit Bildschirmspielen<br />
befasst. Auch im Bereich der Gegenstandsbeschreibung und –systematisierung<br />
bestehen sowohl in der <strong>Medien</strong>- und <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> als auch in<br />
der <strong>Medien</strong>psychologie noch erhebliche Defizite, vor allem weil sich das <strong>Medien</strong>angebot<br />
Computerspiel erst in der interaktiven, individuellen Auseinandersetzung entfaltet<br />
und sich entsprechend für jede/n Nutzer/in anders darstellt. Die Versuche der Kategorisierung<br />
von Computer- und Videospielen weisen deshalb oftmals Suboptimalitäten<br />
auf.<br />
Dieser Beitrag hat versucht, durch die Einführung der Ebenen „narrativer Kontext“<br />
(mit den zentralen Komponenten „Rahmengeschichte“ und „Rolle der Spieler/innen“),<br />
„Aufgabe der Spieler/innen“ (mit den zentralen Komponenten „Geschwindigkeit“ und<br />
„Komplexität“) sowie „mediale Präsentation“ (mit den zentralen Komponenten<br />
„Raumdarstellung“ und „Zeitdarstellung“) ein Gerüst für die <strong>wissenschaft</strong>liche Beschreibung<br />
von Computer- und Videospielen zu schaffen, das der großen Entwicklungsdynamik<br />
dieser Spiele trotzt, auch auf künftige Generationen von Spieletiteln<br />
anwendbar ist und aussagekräftige Informationen für Forscher, Pädagogen und Praktiker<br />
im <strong>Medien</strong>bereich liefern kann. Gegenüber herkömmlichen Taxonomien ist dieses<br />
Gerüst weniger konkret und differenziert, dafür aber ohne innere Widersprüche auf<br />
praktisch alle Spieletitel anwendbar: Wer einen gegebenen Spieletitel auf den skizzierten<br />
Ebenen hinreichend darstellt, stellt eine systematische und m. E. vollständige und<br />
verständliche Beschreibung dieses Titels her, die <strong>wissenschaft</strong>lichen Ansprüchen<br />
genügt.<br />
494
Klimmt · Ego-Shooter, Prügelspiel, Sportsimulation<br />
Dadurch ist jedoch keine Aussage über die Wirkungen der Nutzung solcher Spiele impliziert.<br />
Vielmehr sollte auf der Grundlage des skizzierten Beschreibungssystems nach<br />
Erklärungen für die zahlreichen noch ungenügend erforschten Fragestellungen im Bereich<br />
der Computer- und Videospiele gesucht werden. So besteht zunächst im Bereich<br />
des Nutzungs- bzw. Spielprozesses noch erheblicher Bedarf an theoretischen Modellierungen<br />
und empirischen Erhebungen: Welche Faktoren beeinflussen das Spielvergnügen?<br />
Welche Identifikations- und Interaktionsprozesse finden während des Spielens<br />
statt? Welche Bedeutung kommt virtuellen Spiel-Charakteren zu (Durkin & Aisbett,<br />
1999; Klimmt & Vorderer, 2001)? Als potenziell relevante Faktoren sollten dabei auch<br />
die eingeführten Beschreibungsebenen geprüft werden. Ist zum Beispiel der narrative<br />
Kontext – die Rahmengeschichte und die „Rolle“ der Spieler/innen – von Bedeutung für<br />
das Spielerleben und die Spielmotivation? Wie wirken sich unterschiedliche Aufgabenstellungen<br />
aus? Welche Bedeutung kommt der Darstellungsform zu?<br />
Ausgehend vom Spielprozess und den ihn beeinflussenden Faktoren sollten dann medien<strong>wissenschaft</strong>liche<br />
Anschlussfragen bearbeitet werden. Dazu gehören neben möglichen<br />
Wirkungen intensiven Spielens – z. B. lernunterstützenden oder aggressionsfördernden<br />
Effekten – auch Aspekte der Spielselektion (Fritz & Fehr, 1997a) und der Persönlichkeit<br />
von (Nicht)spieler/innen (z. B. Knobloch, 2000).<br />
Computer- und Videospiele bieten ein weites Feld an offenen Fragen, die sowohl<br />
theoretischer als auch empirisch gestützter Antworten bedürfen. Angesichts der jetzt<br />
schon beachtlichen Popularität dieser Spiele, ihrer schon realisierten und noch zu erwartenden<br />
technischen Fortschritte (Online-Gaming, neue Eingabeinstrumente etc.)<br />
und der Aussicht, dass die mit ihnen aufgewachsenen Generationen auch in höherem Alter<br />
ihr lieb gewonnenes Unterhaltungsmedium weiterhin intensiv nutzen werden, sollten<br />
die <strong>Medien</strong><strong>wissenschaft</strong> und die <strong>Medien</strong>psychologie versuchen, ihre diesbezüglichen<br />
Wissenslücken zügig zu schließen. Einen Beitrag dazu soll die hier vorgestellte Systematik<br />
zur Gegenstandsbeschreibung leisten.<br />
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497
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
Die Regulierung von Geschlechtsrollenklischees<br />
im kanadischen Rundfunk<br />
Lässt sich die klischeehafte Darstellung von Frauen im Rundfunk durch rechtliche<br />
Steuerung verhindern?<br />
Annette von Kalckreuth-Tabbara<br />
Die stereotype Darstellung von Frauen in den Rundfunkmedien, die Auswirkungen der<br />
klischeehaften Bilder auf die Rezipienten und Strategien zu ihrer Vermeidung werden in<br />
der Soziologie und <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> seit langem untersucht, in der Rechts<strong>wissenschaft</strong><br />
hingegen ist dem Thema bislang wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden.<br />
Eine Auseinandersetzung mit dem rechtlichen Regulierungspotenzial erscheint jedoch um<br />
so dringlicher, als sich mittlerweile auch bei den Aufsichtsinstanzen die Einsicht durchgesetzt<br />
zu haben scheint, dass Handlungsbedarf besteht. Die kanadischen Rundfunkregulierer<br />
haben sich seit den 70er Jahren mit der Problematik der gender stereotypes<br />
befasst. Dabei hat die kanadische Bundesmedienanstalt eine Vielzahl von Regulierungsmodellen<br />
erprobt, die für die deutsche Diskussion fruchtbar gemacht werden können. Der<br />
Beitrag analysiert die kanadischen Regulierungsversuche und überträgt sie auf die<br />
deutsche Diskussion über Geschlechtsrollenklischees. Neben positiven Anregungen für einen<br />
dynamischen, kreativen und experimentierfreudigen Umgang mit Geschlechtsrollenklischees<br />
im Rundfunk kann aus den kanadischen Vorgaben auch gelernt werden,<br />
welche Fehler bei der Rundfunkregulierung in diesem Bereich zu vermeiden sind.<br />
Keywords: Geschlechtsrollenklischees, Rundfunk in Kanada, Diskriminierung, Programmgrundsätze,<br />
Gleichstellungsgesetz, Frauenförderung, Stereotypisierung, Sexualisierung,<br />
MediaWatch, Beschwerdeverfahren<br />
Die stereotype Darstellung von Frauen im Rundfunk löst seit geraumer Zeit bei verschiedenen<br />
Stellen Empörung aus. 1 Frauengruppen, <strong>Medien</strong>fachleute, aber auch einige<br />
Aufsichtsbehörden über den Rundfunk haben erkannt, dass die einseitig-verfälschenden<br />
Fernsehbilder Effekte zeigen und die Gefahr besteht, dass sie über kurz oder lang zu<br />
einer Beschränkung weiblicher Entwicklungsspielräume führen. Obwohl bereits seit<br />
den 70er Jahren diverse Studien der <strong>Medien</strong>inhalts- und <strong>Medien</strong>wirkungsforschung das<br />
stereotype Bild der Frau in den Rundfunkmedien dokumentieren, 2 haben sich die deut-<br />
1 Baetz, Brigitte: Elementar. Frauen und Fernsehen: 30. Mainzer Tage der Fernsehkritik, epd medien<br />
Nrn. 37 / 38 1997, S. 14ff.; Döhring, Frauke: Mona Lisa, Bella Block und Dieter Stolte. Zum<br />
Thema der 30. Mainzer Tage der Fernsehkritik, Funkkorrespondenz Nr. 19 1997, S. 3ff.¸<br />
Löwisch, Georg: Grüne Fernsehunschuld, taz vom 29.10.1998; Cornelißen, Waltraud: Die Präsentation<br />
der Geschlechter im Fernsehen – (k)ein Beitrag zur Verwirklichung der Gleichstellung<br />
von Frau und Mann, Zeitschrift für Frauenforschung 1996, S. 31ff.; Beckmann, Maria u. a.:<br />
Zur angemessenen Präsentation der Geschlechter im Fernsehen – Ein Forderungskatalog, Zeitschrift<br />
für Frauenforschung 1996, S. 105ff.<br />
2 Bis heute hat es keine ähnlich umfassende Gesamtstudie wie die von Erich Küchenhoff in den<br />
70er Jahren gegeben. Anhand einer Vielzahl von Einzelstudien zu unterschiedlichen Teilbereichen<br />
der Programmforschung lässt sich jedoch dokumentieren, dass sich das Frauenbild wenig<br />
verändert hat und mehr oder weniger die gleichen Stereotype aufweist. Vgl. aus der umfangrei-<br />
498
von Kalckreuth-Tabbara · Geschlechtsrollenklischees<br />
schen Rundfunkregulierer einer Lösung des Problems nicht entscheidend nähern können.<br />
3 Einige Landesmedienanstalten haben zwar Forschungsaufträge vergeben, deren<br />
Resultate unisono den Trend zur Trivialisierung und Annullierung von Frauenstimmen<br />
im Rundfunk bestätigen. 4 Die Umsetzung der Erkenntnis in konkrete Regulierungsarbeit<br />
lässt in Deutschland allerdings bislang noch auf sich warten.<br />
Im Bereich der Regulierung von Geschlechtsrollenklischees (gender stereotypes) 5 im<br />
Rundfunk dürfte Kanada einen mit keinem anderen Land vergleichbaren Erfahrungsvorsprung<br />
haben. Seit Jahrzehnten experimentieren die kanadischen Rundfunkregulierer<br />
mit diversen Modellen, die zu einer fairen und gleichberechtigten Darstellung von<br />
Frauen und Männern im kanadischen Rundfunk führen sollen. Die erprobten Modelle<br />
haben sich als unterschiedlich erfolgreich und auch als unterschiedlich beständig erwiesen.<br />
Aus verschiedenen Gründen hat bislang noch keine der gewählten Regulierungsstrategien<br />
zu einem Durchbruch im Sinne einer endgültigen Vermeidung von Geschlechtsrollenklischees<br />
geführt. Auf der anderen Seite hat es seit über 20 Jahren aber<br />
auch keinen Abbruch der Bemühungen gegeben, sich für ein vielfältiges und egalitäres<br />
Frauenbild im kanadischen Rundfunk einzusetzen.<br />
Über die Gründe, warum Geschlechtsrollenklischees relativ resistent gegen Veränderungen<br />
durch Regulierung erscheinen, kann nur spekuliert werden. Es spricht viel für<br />
die Annahme, dass zumindest bei der erstmaligen Aufnahme von Regulierungsaufgaben<br />
in diesem Bereich das mangelnde Interesse der Rundfunkveranstalter für die schleppende<br />
Durchsetzung verantwortlich war. Die Rundfunkveranstalter sahen es schlicht nicht<br />
ein, Zeit und Geld auf eine Veränderung programmlicher Standards zu verwenden,<br />
die ihnen – zunächst – nicht Gewinn bringend erschienen. Die Regulierung von Ge-<br />
chen Literatur: Küchenhoff, Erich: Die Darstellung der Frau und die Behandlung von Frauenfragen<br />
im Fernsehen. Eine empirische Untersuchung einer Forschungsgruppe der Universität<br />
Münster, Stuttgart 1975; Weiderer, Monika: Das Frauen- und Männerbild im Deutschen Fernsehen.<br />
Eine inhaltsanalytische Untersuchung der Programme von ARD, ZDF und RTL plus,<br />
Regensburg 1993; Velte, Jutta: Die Darstellung von Frauen in den <strong>Medien</strong>, in: Romy Fröhlich /<br />
Christina Holtz-Bacha (Hrsginnen): Frauen und <strong>Medien</strong>. Eine Synopse der deutschen Forschung,<br />
Opladen 1995, S. 182ff.; Steenland, Sally: Content Analysis of the Images of Women on<br />
Television, in: Cynthia M. Lont (Hrsgin): Women and Media. Content, Careers and Criticism,<br />
Belmont 1995, S. 179ff.; Schmerl, Christiane: Die schönen Leichen aus Chromdioxyd und aus<br />
Papier: Frauenbilder in der Werbung, in: Marie-Louise Angerer / Johanna Dorer (Hrsginnen):<br />
Gender und <strong>Medien</strong>, Wien 1994, S. 134ff.; dies.: Das Frauen- und Mädchenbild in den <strong>Medien</strong>,<br />
Opladen 1984; Klippel, Heike: Orgie in Pastell. Zur Fernsehserie „Golden Girls“, medium<br />
1994, S. 67ff.; Cornelißen, Waltraud: Die Präsentation der Geschlechter im Fernsehen – (k)ein<br />
Beitrag zur Verwirklichung der Gleichstellung von Frau und Mann, Zeitschrift für Frauenforschung<br />
1996, S. 31ff.; Cornelißen, Waltraud / Engbers, Renate: „Anna Maria – Eine Frau geht<br />
ihren Weg“. Eine Fallstudie zur Präsentation der Geschlechter in Fernsehserien, Zeitschrift für<br />
Frauenforschung 1996, S. 64ff.; dies. / Küsters, Kirsten: Zur Rolle der Frau in Nachrichtensendungen,<br />
Zeitschrift für Frauenforschung 1990, S. 108ff.<br />
3 Vgl. dazu: von Kalckreuth, Annette: Geschlechtsspezifische Vielfalt im Rundfunk, Baden-Baden<br />
2000.<br />
4 Vgl. dazu nur: Werner, Petra / Rinsdorf, Lars: Ausgeblendet? – Frauenbild und Frauenthemen<br />
im nordrhein-westfälischen Lokalfunk, Opladen 1998; Wünsch, Marianne / Decker, Jan-Oliver<br />
/ Krah, Hans: Das Wertesystem in Familienserien im Fernsehen, Kiel 1996; Scarbath,<br />
Horst / Gorschenek, Margaretha / Grell, Petra: Sexualität und Geschlechtsrollenklischees im<br />
Privatfernsehen. Inhaltsanalytische Fallstudien, Berlin 1994.<br />
5 Vgl. zum Begriff der „Geschlechtsrollenklischees“ bzw. „gender stereotypes“ unten, B.<br />
499
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
schlechtsrollenklischees teilt darüber hinaus jedoch auch die generelle Durchsetzungsschwäche<br />
der kanadischen Rundfunkregulierung, die nicht allein mit ökonomischen<br />
Interessen begründet werden kann. So wird in Kanada beispielsweise seit Jahren die Einbringung<br />
von canadian content, also spezifisch kanadischer Sendungen und Blickwinkel,<br />
von oberster Stelle gefördert. Dies geschieht, um der übermächtigen US-amerikanischen<br />
Film- und Fernsehindustrie zu begegnen und um eine eigene kanadische Identität<br />
zu erhalten. Die kanadischen Regulierer konnten in diesem Bereich beachtliche Teilerfolge<br />
verzeichnen, wie beispielsweise den Aufbau einer konkurrenzfähigen Filmindustrie.<br />
Dennoch ist diese ökonomisch gewünschte und geförderte Regulierung, die<br />
teilweise weitaus strengeren Anforderungen unterliegt als die Regulierung von Geschlechtsrollenklischees,<br />
ebenfalls mit großen Durchsetzungsschwierigkeiten verbunden.<br />
6<br />
Beispielhaft an den kanadischen Regulierungserfahrungen ist daher weniger ihre Erfolgsquote<br />
im Sinne einer mathematisch messbaren Veränderung, als vielmehr die Tatsache,<br />
dass die Problematik von Geschlechtsrollenklischees im Rundfunk mittlerweile<br />
in jedem Teilsystem des Rundfunks fest verankert ist und durch konstante Aufklärung<br />
und Einflussnahme seitens der kanadischen Bundesmedienanstalt im Bewusstsein der<br />
Rundfunkveranstalter, Werbeindustrie und Öffentlichkeit gehalten wird. Auf diese Art<br />
und Weise wurden seit den 70er Jahren diverse Foren zum Meinungs- und Wissensaustausch<br />
über eine erwünschte und mögliche Form der Darstellung vielfältiger weiblicher<br />
Lebensrealitäten und -räume geschaffen, die auch für die Regulierungsdiskussion in<br />
Deutschland fruchtbar gemacht werden können. Neben positiven Anregungen für einen<br />
dynamischen, kreativen und experimentierfreudigen Umgang mit Geschlechtsrollenklischees<br />
im Rundfunk kann aus den kanadischen Vorgaben aber auch gelernt werden,<br />
welche Fehler bei der Rundfunkregulierung in diesem Bereich zu vermeiden sind.<br />
Im Folgenden werden die verschiedenen in Kanada erprobten Regulierungsmodelle<br />
vorgestellt (B.). Vorher wird eine kurze Einführung in das kanadische Rundfunksystem<br />
gegeben, um die Potenziale der Vergleichbarkeit zur deutschen Rundfunkordnung auszuloten<br />
(A.).<br />
A. Rundfunk in Kanada<br />
Die kanadische Rundfunkpolitik ist seit jeher von zwei Faktoren geprägt: Der Überbrückung<br />
der enormen geographischen und demographischen, insbesondere sprachlichen<br />
Unterschiede in der Bevölkerung und der Wahrung der kulturellen Unabhängigkeit<br />
von dem mächtigen südlichen Nachbarn USA. 7 Die Meinungs- und Rundfunkfrei-<br />
6 Vgl. dazu: Janish, Hudson N.: Aid for Sisyphus: Incentives and Canadian Content Regulation<br />
in Broadcasting, 31 Alta.L.Rev. (1993), S. 575ff.; Meisel, John: Stroking the Airwaves: The Regulation<br />
of Broadcasting by the CRTC, in: Benjamin D. Singer (Hrsg.): Communications in<br />
Canadian Society, 4. Aufl., Toronto 1995, S. 265ff.; Russell, Jim: Demystifying Canadian Content:<br />
Challenging the Television Broadcast Regulator to „Say What It Means and Mean What<br />
It Says“, 3 M.C.L.R. (1993), S. 171ff. Henley, Gail: Preferences About Preferences: A Positive<br />
Justification for Canadian Content Regulation, 3 M.C.L.R. (1993), S. 127ff.<br />
7 Holznagel, Bernd: Canada, in: Hoffmann-Riem, Regulating Media. The Licensing and Supervision<br />
of Broadcasting in Six Countries, New York 1996, S. 191ff.; Desbarats, Peter: Private Television:<br />
The Villain of the Piece Seen in a New Light, in: Helen Holmes / David Taras (Hrsg.):<br />
Seeing Ourselves, Media Power and Policy in Canada, Toronto 1992, S. 77 (79); Eaman, Ross<br />
A.: Putting the „Public“ Into Public Broadcasting, in: Helen Holmes / David Taras (Hrsg.):<br />
500
von Kalckreuth-Tabbara · Geschlechtsrollenklischees<br />
heit wird in Kanada durch section 2 (b) der Canadian Charter of Rights and Freedoms<br />
(Charter) 8 geschützt (II.). Diese Freiheit geht einher mit Allgemeinwohlverpflichtungen,<br />
die insbesondere der 1991 Broadcasting Act 9 konkretisiert (III.). Darunter fallen<br />
auch Anti-Diskriminierungs- bzw. Anti-Stereotypisierungspflichten. Die Bundesmedienanstalt<br />
Canadian Radio and Telecommunications Commission (CRTC) hat die<br />
Aufgabe, für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zu sorgen (IV.).<br />
I. Das kanadische Rundfunksystem<br />
Die kanadischen Rundfunksender befanden sich in den 20er Jahren zunächst – wie in<br />
den USA auch – in privater Trägerschaft. Im Gegensatz zu den USA wurden die privaten<br />
Sender jedoch nicht kommerziell betrieben. 10 Nach einer Vorschrift des für Rundfunk<br />
zuständigen Department of Marine and Fisheries war sogar die Erhebung einer Gebühr<br />
oder sonstiger finanzieller Ausgleiche für das von dem Lizenzträger gesendete Programm<br />
ausdrücklich verboten. 11 Den privaten Radioveranstaltern war es verwehrt, sich<br />
über Werbung zu finanzieren. 12 Sie sollten vielmehr eine Public Service-Funktion erfüllen13<br />
, vergleichbar mit der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Sachwalterfunktion<br />
des Rundfunks für die freie Meinungsbildung. 14<br />
In den 30er Jahren wurden auf Betreiben der kanadischen Regierung mehrere Kommissionen<br />
mit dem Thema „Rundfunk“ befasst. 15 Dies war notwendig, weil sich Kana-<br />
Seeing Ourselves, Media Power and Policy in Canada, Toronto 1992, S. 58 (60); Siegel, Arthur:Politics<br />
and the Media in Canada, Toronto 1983, S. 2; Pike, Robert M: Canadian Broadcasting:<br />
ItsPast and Its Possible Future, in: Benjamin D. Singer (Hrsg.): Communications in<br />
Canadian Society, 4. Aufl., Toronto 1995, S. 51ff.<br />
8 Canadian Charter of Rights and Freedoms, Part I of the Constitution Act, 1982, enacted by the<br />
Canada Act, 1982 (U.K.), c.11, Schedule B, Section 2: „Everyone has the following fundamental<br />
freedoms: (…) b) freedom of thought, belief, opinion and expression, including freedom of<br />
press and other media of communication.“<br />
9 Broadcasting Act, R.S.C. 1991, c.11.<br />
10 Auch in den USA gab es zu Beginn Radio in nicht-kommerzieller Trägerschaft. Schon bald setzten<br />
sich aber kommerzielle Anbieter durch. Vgl. zur Geschichte des Rundfunks in den USA im<br />
Einzelnen: Engelmann, Ralph: Public Radio and Television in America. A political History,<br />
Thousand Oaks/London 1996, S. 11ff.; McChesney, Robert: Telecommunications, Mass Media,<br />
and Democracy. The Battle for the Control of U.S. Broadcasting, 1928 – 1935, New York<br />
Oxford, 1993, S. 12ff.<br />
11 Department of Marine and Fisheries, „License to use Radio, 18 April 1923, Public Archives of<br />
Canada, RG 97, Vol. 149, 6206-72-1“, dokumentiert in: Bird, Roger (Hrsg.): Documents of Canadian<br />
Broadcasting, Ottawa 1988, S. 31ff.<br />
12 Das Werbeverbot wurde im Jahre 1924 vom Department of Marine and Fisheries dahingehend<br />
gelockert, dass fortan „direkte Werbung“ verboten, „indirekte Werbung“, eine Art Sponsoring,<br />
jedoch erlaubt war, vgl. Department of Fisheries, „Form Letter, 1924“, dokumentiert in: Bird,<br />
a.a.O. FN 11, S. 35f.<br />
13 Finkelstein, Marie: The Charter and the Control of Content in Broadcast Programming, in: Neil<br />
R. Finkelstein / Brian MacLeod Rogers (Hrsg.): Charter Issues in Civil Cases, Toronto 1988,<br />
S. 213 (227); Desbarats, Peter: Guide to Canadian News Media, Toronto 1990, S. 30.<br />
14 Vgl. dazu grundlegend: BVerfGE 12, 205 (260).<br />
15 Vgl. hierzu insbesondere den so genannten Aird-Report, „Report of the Royal Commission on<br />
Radio Broadcasting“, September 1929, dokumentiert in: Bird, a.a.O. FN 11, S. 41ff. Der Aird-<br />
Commission folgten die Massey Commission im Jahre 1949, die Fowler Commission im Jahre<br />
501
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
da zunehmend mit der Gefahr einer „kulturellen Okkupation“ durch die USA konfrontiert<br />
sah. In den USA waren die technischen Voraussetzungen für die Veranstaltung<br />
von Rundfunk weiter gediehen als in Kanada, 16 und die US-Amerikaner zögerten nicht,<br />
die kanadische Bevölkerung mit ihren Programmen zu bedienen. 17<br />
Die erste mit Rundfunk befasste Aird-Commission schlug gravierende Änderungen<br />
für das kanadische Rundfunksystem vor. 18 So sollten die bestehenden privaten Rundfunkbetreiber<br />
enteignet und statt ihrer ein nationaler Rundfunksender etabliert werden<br />
19 , dem Inhalt und Anspruch nach vergleichbar mit der britischen BBC. Nach Ansicht<br />
der Aird-Commission war dies zur Wahrung der nationalen Identität Kanadas unerlässlich,<br />
da die privaten Veranstalter auch mit gesteigerten Werbeeinnahmen nicht in<br />
der Lage seien, die kanadische Öffentlichkeit hinreichend mit kanadischen Programmen<br />
zu versorgen. 20 Bei den privaten Rundfunkveranstaltern stießen diese Vorschläge erwartungsgemäß<br />
auf Widerstand. Mittlerweile organisiert in der Canadian Association of<br />
Broadcasters (CAB), konnten sie bei der konservativen Bennett-Regierung die Absicherung<br />
des Status quo für private Radiosender durchsetzen. 21<br />
Die Vorschläge der Aird-Commission blieben aber nicht folgenlos. So wurde im Jahre<br />
1932 der erste Canadian Broadcasting Act 22 verabschiedet und mit ihm die erste<br />
öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt Kanadas ins Leben gerufen. Die Canadian Radio<br />
Broadcasting Commission (CRBC) sollte zum einen öffentlich-rechtliche Konkurrentin<br />
für die privaten Veranstalter sein; zum anderen war sie aber auch mit regulativen<br />
Kompetenzen für den privaten Radiobereich ausgestattet. 23 Die CRBC wurde im Jahre<br />
1936 durch die Canadian Broadcasting Corporation (CBC) ersetzt, die auch heute noch<br />
die öffentlich-rechtliche Säule des kanadischen Rundfunksystems darstellt. 24 Im Jahre<br />
1958 wurde die CBC von ihren regulativen Aufgaben entbunden und jene an den Board<br />
of Broadcast Governers (BBC) übertragen. 25 Schließlich ersetzte der zweite Canadian<br />
Broadcasting Act 26 im Jahre 1968 die BBC durch die CRTC, die noch heute die zentrale<br />
Zulassungs- und Aufsichtsbehörde für Rundfunk in Kanada ist. 27<br />
1955 und die Task Force on Broadcasting Policy im Jahre 1986 sowie der im Jahre 1996<br />
erschienene Juneau Report, vgl. Raboy, Marc: Missed Opportunities. The Story of Canada’s<br />
Broadcasting Policy, Buffalo 1990, S. 93ff.<br />
16 Im Jahre 1932 beispielsweise verfügten die USA über eine Sendekraft von 680 Kilowatt,<br />
wohingegen man in ganz Kanada auf weniger als die Stärke einer 50-Kilowatt-US-Station<br />
kam.<br />
17 Desbarats, a.a.O. FN 13, S. 33.<br />
18 Eaman, Ross A.: The Media Society: Basic Issues and Controversies, Toronto/Vancouver 1987,<br />
S. 128.<br />
19 Dieser Vorschlag war sichtlich angelehnt an die in Großbritannien im Jahre 1927 errichtete<br />
BBC.<br />
20 Hierin drückte sich unter anderem die deutliche Aversion des Vorsitzenden der Kommission,<br />
Sir John Aird, gegen Werbung aus, die er als „poor education and bad taste“ bezeichnete, vgl.<br />
dazu Desbarats, a.a.O. FN 13, S. 34.<br />
21 Desbarats, a.a.O. FN 13, S. 35f.<br />
22 An Act Respecting Broadcasting, R.C.S. 1932, c.51, 22&23 Geo.5, dokumentiert in: Bird, a.a.O.<br />
FN 11, S. 115f.<br />
23 Raboy, a.a.O. FN 15, S. 50; Desbarats, a.a.O. FN 13, S. 35.<br />
24 Siegel, a.a.O. FN 7, S. 8; Desbarats, a.a.O. FN 13, S. 35; Raboy, a.a.O. FN 15, S. 60ff.<br />
25 Pike, a.a.O. FN 7, S. 51 (54); Eaman, a.a.O. FN 18, S. 132f.<br />
26 Broadcasting Act, 1968, c.25, 16 & 17 Eliz.<br />
27 Eaman, a.a.O. FN 18, S. 132.<br />
502
von Kalckreuth-Tabbara · Geschlechtsrollenklischees<br />
Das kanadische Radio wurde im Laufe der Zeit vom Fernsehen überholt. Im Jahre<br />
1945 stimmte die kanadische Regierung der Entwicklung eines nationalen Fernsehsenders<br />
zu, und bald darauf begann die CBC in Französisch und in Englisch zu senden. 28<br />
Kanadisches Fernsehen war also – im Gegensatz zum Radio – zunächst eine Domäne<br />
der öffentlich-rechtlichen Sender. Private Fernsehveranstalter konnten sich erst in den<br />
60er Jahren etablieren. 29<br />
Seitdem besteht das kanadische Rundfunksystem aus einem Hybrid von öffentlichrechtlichen<br />
und privaten Veranstaltern. 30 Beide sind aber Teil eines einheitlichen Systems,<br />
das die gleichen Ziele verfolgt. 31 Hierin unterscheidet sich das kanadische Rundfunksystem<br />
vom deutschen, in dem den öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstaltern<br />
die unerlässliche Grundversorgung obliegt, während den privaten Veranstaltern lediglich<br />
die Wahrung eines Standards gleichgewichtiger Vielfalt abverlangt wird. 32 Die<br />
Rundfunkveranstalter haben die nationale Einheit Kanadas zu schützen und erfüllen<br />
eine Public Service-Funktion für die kanadische Öffentlichkeit. Diese und weitere<br />
Grundsätze sind im 1991 Broadcasting Act niedergeschrieben. Sowohl die öffentlichrechtliche<br />
CBC als auch die mehrheitlich in der CAB organisierten privaten Veranstalter<br />
sind der Aufsicht der CRTC unterworfen. 33<br />
II. Section 2 (b) der Canadian Charter of Rights and Freedoms<br />
Anders als in Deutschland hat sich die kanadische Rundfunklandschaft gänzlich ohne<br />
die Hilfe des Verfassungsrechts entwickelt. 34 Kanada verfügt zwar seit dem Jahre 1982<br />
über einen verfassungsrechtlichen Grundrechtekatalog, die Canadian Charter of Rights<br />
and Freedoms (Charter); die entscheidenden rundfunkpolitischen Maßnahmen wurden<br />
jedoch lange vor Inkrafttreten der Charter getroffen.<br />
Das kanadische Verfassungsrecht nimmt mit Bezug auf den Rundfunk eine besondere<br />
Stellung ein. Garantiert wird in section 2 (b) der Charter die Rundfunkfreiheit<br />
als Unterfall der <strong>Medien</strong>freiheit. 35 Die Verfassung kennt als dogmatische Konstruktion<br />
nur schrankensetzende rechtfertigungsbedürftige Gesetze. Einen ausdrücklichen<br />
Ausgestaltungsvorbehalt für Grundrechte sieht sie nicht vor. Allerdings ist<br />
für den Gleichheitssatz der section 15 in Absatz 2 vorgesehen, dass Gesetzen, die<br />
28 Desbarats, a.a.O. FN 13, S. 38.<br />
29 Vgl. dazu Vipond, Mary: The Mass Media in Canada, 2. Aufl., Toronto 1992, S. 52ff.; Desbarats,<br />
a.a.O. FN 13, S. 39f.<br />
30 Jeffrey, Liss: Progress in Canada Toward Women’s Equality and the Media: Access to Expression<br />
and Decision Making, 1980-1994. Unpublished Report Prepared for Status of Women in<br />
Canada. Background Paper for UNESCO International Symposium: Women and the Media:<br />
Access to Expression and Decision Making. Toronto, Ontario, February 28 – March 3, 1995,<br />
S. 2; Pike, a.a.O. FN 7, S. 51 (52).<br />
31 So section 3 (2) 1991 Broadcasting Act.<br />
32 Vgl. nur BVerfG 73, 118 (153); Badura, Peter: Gleichgewichtige Vielfalt im privaten Rundfunk,<br />
JA 1987, S. 180 (186).<br />
33 Meisel, a.a.O. FN 6, S. 265ff.<br />
34 Vgl. zum kanadischen Verfassungsrecht: Hogg, Peter W.: Constitutional Law of Canada, 3.<br />
Aufl., Scarborough 1992.<br />
35 2.: „Everyone has the following fundamental rights: (…) (b) Freedom of thought, belief, opinion<br />
and expression, including freedom of press and other media of communication“.<br />
503
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
zum Schutz der Rechte von Minderheiten erlassen werden, keine Eingriffsqualität zukommt.<br />
36<br />
Auch beschreibt der 1991 Broadcasting Act 37 weit reichende inhaltliche Zielsetzungen<br />
und verpflichtet alle Rundfunkveranstalter auf die Einhaltung gewisser Regeln und<br />
Grundsätze, ohne dass dies als schrankensetzend gewertet wird. 38 Es spricht einiges für<br />
die Vermutung, dass das kanadische Rundfunkrecht längst mit einem „heimlichen“ Ausgestaltungsvorbehalt<br />
operiert. Diese dogmatische Konstruktion wurde möglicherweise<br />
deswegen noch nicht bemüht, da die kanadische Gesetzgebung von jeher sehr extensiv<br />
war und gewisse Regelungsinhalte, die in Deutschland erst der Impulssetzung des Bundesverfassungsgerichts<br />
bedurften, in Kanada auf Betreiben der Öffentlichkeit in Gesetzesform<br />
gebracht wurden. Die Verpflichtung des Gesetzgebers, eine „positive Ordnung“<br />
39 zu schaffen und „verbindliche Leitgrundsätze für das Programm“ 40 vorzugeben,<br />
hat sich in Kanada auch ohne verfassungsrechtliches Gebot durchsetzen können.<br />
Im Folgenden soll der grundrechtstheoretische Ansatz, der der section 2 (b) der Charter<br />
zugrunde liegt, anhand der Interpretation des kanadischen Supreme Court kurz erläutert<br />
werden.<br />
Der Supreme Court interpretiert die Meinungsfreiheit – die er im Übrigen mit der<br />
Rundfunk- und Pressefreiheit gleichsetzt 41 – als die Kernfreiheit der Verfassung. 42 In liberaler<br />
Tradition postuliert der kanadische oberste Gerichtshof die drei fundamentalen<br />
Prinzipien zum Schutz der Meinungsfreiheit: Meinungsfreiheit soll der Entwicklung<br />
und Entfaltung von Wahrheit dienen, sie soll die Partizipation des oder der Einzelnen<br />
im politischen Prozess ermöglichen und schließlich dem Individuum zur Selbstentfaltung<br />
verhelfen. 43 Meinungsfreiheit in Kanada ist ein negatives Recht, das sich als Abwehrrecht<br />
gegen Eingriffe des Staates wendet. 44 Eine Zensur findet nicht statt. 45 Die<br />
Charter legt dem Staat aber explizit keine positiven Handlungspflichten mit Bezug auf<br />
36 15. (1): „Every individual is equal before and under the law and has the right to the equal protection<br />
and equal benefit of the law without discrimination and, in particular, without discrimination<br />
based on race, national or ethnic origin, colour, religion, sex, age or mental or physical<br />
disability. (2) Subsection (1) does not preclude any law, program or activity that has as its<br />
object the amelioration of conditions of disadvantaged individuals or groups including those<br />
that are disadvantaged because of race, national or ethnic origin, colour, religion, sex, age or<br />
mental or physical disability“.<br />
37 Broadcasting Act, R.S.C. 1991, c.11.<br />
38 Vgl. nur: Trudel, Pierre / Abran, France: Le caractère public des fréquences comme limite à la<br />
liberté d’expression (1995) 4 M.C.L.R., S. 219ff.; Meisel, a.a.O. FN 6, S. 265; Henley, a.a.O.<br />
FN 6, S. 136.<br />
39 BVerfGE 57, 295 (320); 73, 118 (152f.); 90, 60 (88).<br />
40 BVerfGE 12, 205 (263); 57, 295 (326).<br />
41 Vgl. dazu Martin, Sheilah M.: Canadian Perspectives on Freedom of Expression, in: Canadian<br />
Comparative Law Association (Hrsg.): Contemporary Law, Montreal 1992, S. 517 (538).<br />
42 Edmonton Journal v. Alberta (1989) 2 S.C.R., 1326 at 1336, Cory J.<br />
43 Ford v. Quebec (A.G.) (1988) 2 S.C.R. 712 at 765; Irwin Toy Ldt. v. Quebec (A.G.) (1989)<br />
1 S.C.R. 927 at 979, Dickson J.; RWDSU v. Dolphin Delivery Ltd. (1986) 2 S.C.R. 573 at 584,<br />
McIntyre J.; R. v. Keegstra (1889) 3 S.C.R. 697 at 752, McLachlin J.; R. v. Zundel (1992) 2 S.C.R.<br />
731 at 728, Dickson J.; vgl. auch Macklem, Timothy: Putting Heart Into Expression, 1 M.C.L.R.<br />
(1991), S. 341 (343).<br />
44 Ford v. Quebec, a.a.O. FN 43; Irwin Toy Ldt. v. Quebec, a.a.O. FN 43; vgl. dazu Trakman,<br />
Leon: Reasoning with the Charter, Toronto 1991, S. 73.<br />
45 Martin, a.a.O. FN 41, S. 517 (525).<br />
504
von Kalckreuth-Tabbara · Geschlechtsrollenklischees<br />
die Grundrechte auf. Der Supreme Court hat in der NWAC-Entscheidung 46 festgestellt,<br />
dass es keinen Anspruch Einzelner oder von Gruppen gegen den Staat auf Einräumung<br />
einer „Plattform“ zur Ausübung des Rechts auf Meinungsfreiheit gibt. 47 Die<br />
Native Women’s Association of Canada (NWAC), eine Frauenorganisation der indigenen<br />
Bevölkerung Kanadas, hatte unter Berufung auf ihr Recht der Meinungsfreiheit gefordert,<br />
gesondert berücksichtigt zu werden, wenn es um die Vertretung ihrer Interessen<br />
gehe. Die bereits bestehenden Interessenvertretungen der Native People seien männlich<br />
dominiert, sodass bei ihrer ausschließlichen Berücksichtigung die Gefahr bestehe,<br />
dass spezifisch weibliche Interessen nicht hinreichend zum Ausdruck gebracht werden<br />
könnten. Nach Ansicht des Gerichts verbietet die Meinungsfreiheit dem Staat zwar,<br />
Knebel anzulegen, umgekehrt ist der Staat aber nicht verpflichtet, Megaphone zu verteilen.<br />
Meinungsfreiheit in Kanada schützt die Äußerung der Meinung (expression)<br />
prinzipiell ohne Ansehen ihres Inhaltes, soweit eine Bedeutung vermittelt wird. 48 Tatbestandlich<br />
erfasst sind dadurch beispielsweise auch Pornografie und „hate speech“. 49<br />
Auf der anderen Seite ist der Schutz der Meinungsfreiheit in Kanada nicht grenzenlos<br />
gewährleistet. In der Butler-Entscheidung 50 hat der Supreme Court entschieden, dass<br />
die Meinungsfreiheit zwar dem Prinzip nach jede Meinung schützt, deren Inhalte aber<br />
dem Umfang nach nicht gleich schutzwürdig sind. 51 Eine Einschränkung der Meinungsfreiheit<br />
ist nach der Rechtsprechung des Supreme Court leichter zu rechtfertigen,<br />
wenn die Meinungsäußerung von ökonomischen Interessen motiviert wird. 52 Dies betrifft<br />
in Kanada vor allem den Bereich von Pornografie, wo eine Einschränkung nur relativ<br />
geringen Anforderungen unterworfen ist. 53<br />
Nicht jeder Eingriff in die Meinungs- oder Rundfunkfreiheit ist in Kanada per se verfassungswidrig.<br />
Einschränkungen sind nach der Verfassung möglich. Zentral für alle<br />
Grundrechte ist der Rechtfertigungsmaßstab aus section 1 der Charter, der für alle<br />
Grundrechte einen Abwägungsmaßstab normiert. 54 Dieser ist in der Anwendung durch<br />
den Supreme Court mit Art. 5 Abs. 2 GG vergleichbar. Für eine rechtfertigende Schrankensetzung<br />
müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Zum einen muss die Einschränkung<br />
zugunsten eines hinreichend schützenswerten Rechtsgutes erfolgen, und zum anderen<br />
muss das Gesetz den so genannten Oakes-Test bestehen, eine Verhältnismäßigkeitsprüfung,<br />
die das Gericht in der Oakes-Entscheidung 55 entwickelt hat und deren<br />
einzelne Schritte der deutschen Verhältnismäßigkeitsprüfung (Geeignetheit, Erforderlichkeit,<br />
Angemessenheit im engeren Sinne) vergleichbar sind. 56<br />
46 Haig v. Canada (1993) 2 S.C.R. 995 at 1035, L’Heureux-Dubé J.<br />
47 Native Women’s Association of Canada v. Canada (1994) 3 S.C.R. 627 at 653, Sophinka J.<br />
48 Irwin Toy Ldt. v. Quebec, a.a.O. FN 43, S. 968.<br />
49 R. v. Keegstra, a.a.O. FN 43, S. 752; R. v. Zundel, a.a.O. FN 43, S. 728. Kritisch: Trakman, a.a.O.<br />
FN 44, S. 889 (913).<br />
50 R. v. Butler (1992) 1 S.C.R., S. 452ff.<br />
51 Rocket v. Royal College of Dental Surgeons of Ontario (1990) 2 S.C.R. 232 at 247, McLachlin J.<br />
52 R. v. Butler, a.a.O. FN 50, S. 501.<br />
53 Ebd., S. 452ff.<br />
54 S. 1 der Charter: „The Canadian Charter of Rights and Freedoms guarantees the rights and freedoms<br />
set out in it subject only to such reasonable limits prescribed by law as can be demonstrably<br />
justified in a free and democratic society“.<br />
55 R. v. Oakes (1986) 1 S.C.R. 103ff.<br />
56 Vgl. dazu Martin, Robert / Adam, Stuart: A Sourcebook of Canadian Media Law, 2. Aufl., Ottawa<br />
1994, S. 129.<br />
505
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
III. Der 1991 Broadcasting Act<br />
Der 1991 Broadcasting Act ist der Versuch einer Vermittlung zwischen zwei widerstreitenden<br />
Prinzipien. 57 Auf der einen Seite soll er der grundsätzlichen Bedeutung von<br />
Rundfunkfreiheit im Sinne der section 2 (b) der Charter Rechnung tragen, auf der anderen<br />
Seite sollen sich darin auch die Prinzipien wiederfinden, die die kanadische Rundfunkgesetzgebung<br />
schon seit Jahrzehnten beschäftigt haben, insbesondere die Wahrung<br />
der kulturellen Identität und die Public Service-Funktion für alle Kanadierinnen und<br />
Kanadier. Der 1991 Broadcasting Act ist in drei Abschnitte unterteilt. Der erste Abschnitt<br />
enthält Prinzipien für die Veranstaltung von Rundfunk. Der zweite Abschnitt<br />
beschreibt die Kompetenzen der CRTC, und der dritte Teil behandelt die Rechte und<br />
Pflichten der öffentlich-rechtlichen CBC.<br />
Der neuralgische Punkt des 1991 Broadcasting Act ist section 3. Detailliert legt sie –<br />
unterteilt in zwei Absätze und 20 Unterabsätze – die rundfunkpolitischen Grundsätze<br />
für Kanada fest. Dazu gehört als Kernpunkt die Feststellung, dass das kanadische Rundfunksystem<br />
den Kanadierinnen und Kanadiern gehört und von ihnen effektiv kontrolliert<br />
werden soll. 58 Die kanadischen Frequenzen werden zum Gemeingut (public property)<br />
erklärt, Rundfunk zur Sache der Allgemeinheit. 59 Section 3 (1)(a) klärt explizit,<br />
dass die kanadischen Frequenzen nicht lediglich Vehikel für US-amerikanische Programme<br />
sein dürfen. 60<br />
Das zweite tragende Prinzip des 1991 Broadcasting Act ist die Erklärung von Rundfunk<br />
zum Public Service. Während die Notwendigkeit einer Public Service-Funktion<br />
des Rundfunks früher 61 – wie in Deutschland auch62 – mit der Knappheit der Frequenzen<br />
begründet wurde, knüpft der 1991 Broadcasting Act das Public Service-Kriterium<br />
an die Notwendigkeit der Wahrung der nationalen Identität. 63 Die Public Service-Funktion<br />
ist von allen Veranstaltern – nicht nur der öffentlich-rechtlichen CBC – zu erfüllen.<br />
64<br />
Im Einzelnen müssen die kanadischen Rundfunkveranstalter dazu beitragen, die Entwicklung<br />
der Meinungsbildung zu fördern, indem sie eine breite Palette von Programmen<br />
senden. 65 Die Programme müssen einen hohen Standard aufweisen. 66 Die Rundfunkveranstalter<br />
müssen den Bedürfnissen und Interessen von kanadischen Männern,<br />
Frauen und Kindern dienen und ihre Lebensumstände und -ziele widerspiegeln, wozu<br />
auch gleiche Rechte gehören. 67 Dieser Pflicht haben die Veranstalter mittels ihrer Programme<br />
und Fairness im Beschäftigungsbereich nachzukommen. 68 In diesen Bereich<br />
fällt auch die Vielfaltsverpflichtung des 1991 Broadcasting Act, wonach die Öffentlich-<br />
57 Zum 1991 Broadcasting Act vgl. ausführlich: Scott, Sheridan: The New Broadcasting Act: An<br />
Analysis, 1 M.C.L.R. (1991), S. 25ff.<br />
58 S. 3 (1)(a).<br />
59 Scott, a.a.O. FN 57, S. 25 (40).<br />
60 Pike, a.a.O. FN 7, S. 51 (56).<br />
61 So noch der 1968 Broadcasting Act.<br />
62 BVerfG 12, 205 (262f.), vgl. auch BVerfG 59, 295 (322).<br />
63 S. 3 (1)(b); Finkelstein, a.a.O. FN 13, S. 213 (217); Henley, a.a.O. FN 6, S. 127 (136).<br />
64 S. 3 (1)(b); Henley, a.a.O. FN 6, S. 127 (136).<br />
65 S. 3 (1)(d)(ii).<br />
66 S. 3 (1)(g).<br />
67 S. 3 (1)(d)(iii).<br />
68 Ebd.<br />
506
von Kalckreuth-Tabbara · Geschlechtsrollenklischees<br />
keit Gelegenheit haben muss, von verschiedenen Meinungen und Belangen des öffentlichen<br />
Lebens angemessen Kenntnis zu erlangen. 69 Die Programme der Veranstalter<br />
müssen „breit gefächert und verständlich sein und eine Balance zwischen Information,<br />
Aufklärung und Unterhaltung für Männer, Frauen und Kinder jeden Alters, Interesses<br />
und Geschmacks bieten“. 70<br />
Die Veranstalter müssen sich mithin mit Gleichberechtigungsfragen sowohl intern als<br />
auch in ihrem Programm befassen. Während die Vielzahl der inhaltlichen Bindungen<br />
von einigen als der untaugliche Versuch des „being all things to all people“ 71 kritisiert<br />
wird, sehen darin andere die Chance, dass Rundfunk nicht länger mit traditionellen Hegemonien<br />
belastet ist, sondern er sich einer gesamtgesellschaftlichen Herausforderung<br />
stellt und zum meinungsbildenden Pool für alle Kanadierinnen und Kanadier wird. 72<br />
Im 1991 Broadcasting Act finden sich neben der Verpflichtung zur Wahrung der nationalen<br />
Identität auch Vielfaltsbindungen, die den kanadischen Zuschauerinnen und<br />
Zuschauern ein möglichst breites und vielfältiges Weltbild vermitteln sollen. Auf die<br />
Berücksichtigung der Interessen von Männern und Frauen wird Wert gelegt. Sie sollen<br />
durch eine durchdachte Programmplanung, aber auch mit Hilfe einer gleichberechtigten<br />
Einstellungspolitik bedient werden. In dieser Hinsicht bietet der 1991 Broadcasting<br />
Act eine Basis für die Regulierung von Geschlechtsrollenklischees.<br />
IV. Die Bundesmedienanstalt CRTC<br />
Die kanadische Bundesmedienanstalt CRTC hat die Aufgabe, das gesamte Rundfunksystem,<br />
bestehend aus der CBC und den privaten Rundfunkveranstaltern, zu kontrollieren.<br />
73 Einen Schwerpunkt bei der Aufgabenbeschreibung legt der 1991 Broadcasting<br />
Act auf die Hilfe bei der Implementation der oben näher erläuterten rundfunkpolitischen<br />
Ziele. Die CRTC hat die Aufgabe, die Interessen der Veranstalter und der Zuschauerinnen<br />
und Zuschauer zu harmonisieren.<br />
Die CRTC ist eine zentrale Aufsichtsbehörde, mit Außenstellen in einigen kanadischen<br />
Provinzen. 74 Sie ist eine unabhängige Stelle und unterliegt – wie die Landesmedienanstalten<br />
und Rundfunkräte auch – keinen staatlichen Weisungen. 75 Plural besetzt<br />
sind ihre Gremien nicht. Im Einzelnen obliegt der CRTC zunächst die Entwicklung von<br />
rundfunkpolitischen Entscheidungen. Über ihre Kontrollfunktion für den Public Service<br />
darf die CRTC beispielsweise die Veranstalter auf gesellschaftliche Probleme auf-<br />
69 S. 3 (1)(h)iv).<br />
70 S. 3(1)(i)(i).<br />
71 Lynn MacDonald, M.P., während der Diskussion der Bill C-149, Standing Committee on Communications<br />
and Culture, 1987.<br />
72 Henley, a.a.O. FN 6, S. 127f.; Horwitz, TV Violence, 52 U.T.Fac.L.Rev. (1994), S. 345ff.; Russell,<br />
a.a.O. FN 6, S. 171ff.<br />
So fordert auch die kanadische Verfassung in s. 28: „Notwithstanding anything in this Charter,<br />
the rights and freedoms referred to in it are guaranteed equally to male and female persons.“<br />
73 S. 3(2): The Commission shall „regulate and supervise all aspects of the Canadian broadcasting<br />
system with a view to implementing the broadcasting policy set out in subsection 3 (1) and, in<br />
so doing, shall have regard to the regulatory policy set out in subsection (2)“; vgl. dazu Meisel,<br />
a.a.O. FN 6, S. 265 (266); Holznagel, a.a.O. FN 7, S. 197ff.<br />
74 Ausführlich: Meisel, a.a.O. FN 6, S. 265 (271ff.); Janisch, a.a.O. FN 6, S. 575 (582).<br />
75 Vgl. aber für die Grenzen der Unabhängigkeit auch: Meisel, a.a.O. FN 6, S. 265 (279).<br />
507
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
merksam machen und eine Umsetzung in die Programme anregen. 76 Mit Bezug auf die<br />
Regulierung von Geschlechtsrollenklischees verfolgt die CRTC bisher zwei Strategien.<br />
Zum einen ermutigt sie die Veranstalter, die on-air-Darstellung von Frauen zu verbessern,<br />
und zum anderen wirkt sie auf eine Einhaltung der Förderung von Frau und Mann<br />
bei der Einstellung und Beförderung innerhalb der Anstalten (off air) hin.<br />
Wichtigstes rundfunkpolitisches Instrument der CRTC ist die Lizenzierung der Veranstalter.<br />
Wie die deutschen Landesmedienanstalten, hat die CRTC die Befugnis, Lizenzen<br />
zu erteilen, zu konkretisieren, zu erneuern und zu widerrufen. 77 Des Weiteren<br />
hat die CRTC das Recht, in Erfüllung ihrer Aufgaben Programmrichtlinien zu erlassen,<br />
um die in section 3 (1) aufgeführten Programmgrundsätze zu präzisieren. 78 Mit Bezug<br />
auf die Gleichberechtigung von Frau und Mann im Programm hat die CRTC für Fernsehen,<br />
Radio, Kabelfernsehen, Spartenkanäle und Pay-TV-Veranstalter eine Richtlinie<br />
erlassen, wonach es den Veranstaltern untersagt ist, zu senden<br />
„(a) anything in contravention of the law;<br />
(b) any abusive comment or abusive pictorial representation that, when taken in context,<br />
tends or is likely to expose an individual or a group of individuals or class of<br />
individuals to hatred or contempt on the basis of (…) sex;<br />
(c) any obscene or profane language or pictorial representation; (…).“ 79<br />
Die von der CRTC erlassenen Richtlinien sind für die Veranstalter bindend. 80 Sie sind<br />
– ebenso wie die Programmgrundsätze des 1991 Broadcasting Act – Bestandteil der jeweiligen<br />
Lizenz. 81<br />
Um ihre Einhaltung effektiv zu sichern, steht der CRTC – wie den deutschen Landesmedienanstalten<br />
– ein abgestuftes Sanktionsinstrumentarium zur Verfügung. Die<br />
CRTC erteilt die Lizenzen für die Veranstalter, wobei es ihr freisteht, sie mit Konkretisierungen<br />
oder Auflagen anzureichern. Sie kann einem Veranstalter, der die Richtlinien<br />
der CRTC missachtet, eine Geldbuße auferlegen. 82 Zu ihren Rechten gehört auch die<br />
Programmüberwachung, insbesondere im Hinblick auf die Einhaltung der gesetzlichen<br />
Grundlagen und Richtlinien. Soweit ein Veranstalter die Weisungen der CRTC miss-<br />
76 So geschehen vor allem mit Bezug auf Gewalt im Fernsehen, vgl. dazu: Dyson, Rose Anne: The<br />
Treatment of Media Violence in Canada Since Publication of the LaMarsh Commission Report<br />
in 1977, unveröffentlichte Dissertation, University of Toronto, 1995; Spears, George / Seydegard,<br />
Kasia: Gender and Violence in the Mass Media. Report Prepared for the Family Violence<br />
Prevention Division, Ottawa 1993.<br />
77 S. 9 (1)(b)ff. 1991 Broadcasting Act.<br />
78 S. 10 (1)(c).<br />
79 Section 5 (1) Television Broadcasting Regulations, SOR/87-49, January 9, 1987, 1987 Canada<br />
Gazette Part II, S. 336, SOR/92-615, October 16, 1992, 1992 Canada Gazette Part II, S. 4152;<br />
Section 3 Radio Regulations, SOR/86-982, September 18, 1986, 1986 Canada Gazette Part II,<br />
S. 4192, SOR/92-613, October 16, 1992, 1992 Canada Gazette Part II, S. 4150; Section 15 (1)<br />
Cable Telecommunications Regulations, SOR/86-831, August 1, 1986, 1986 Canada Gazette,<br />
Part II, S. 3334, SOR/92-610, October 13, 1992, 1992 Canada Gazette, Part II, S. 4147; Section<br />
3 Speciality Services Regulations, SOR/90-106, January 25, 1990, 1990 Canada Gazette Part II,<br />
S. 633, SOR/92-614, October 16, 1992, 1992 Canada Gazette, Part II, S. 4151; Section 3(1) Pay<br />
Television Regulation, SOR/90-105, January 25, 1990, 1990 Canada Gazette Part II, S. 623,<br />
SOR/91-588, October 23, 1991, 1991 Canada Gazette Part II, S. 3432.<br />
80 Meisel, a.a.O. FN 6, S. 265 (273).<br />
81 Vgl. s. 10 (2) 1991 Broadcasting Act.<br />
82 Ss. 10 und 11 1991 Broadcasting Act.<br />
508
von Kalckreuth-Tabbara · Geschlechtsrollenklischees<br />
achtet, kann die Kommission eine öffentliche Anhörung durchführen. 83 Bei besonders<br />
schweren Rechtsverstößen seitens der Veranstalter hat die CRTC das Recht, die Lizenz<br />
zu entziehen. 84 Dies ist jedoch ein Aufsichtsmittel, von dem die Kommission bisher<br />
kaum Gebrauch gemacht hat. 85 Im Falle gravierender Rechtsverstöße wird die CRTC<br />
eher eine Lizenz nicht erneuern oder nur für einen relativ kurzen Zeitraum verlängern,<br />
als einem Veranstalter die Lizenz gänzlich entziehen. 86 Schließlich hat die Kommission<br />
die Möglichkeit, Forschungsaufträge zu vergeben. 87<br />
Die CRTC ist ferner ermächtigt, für Fairness im Bereich der Einstellung und Beförderung<br />
zu sorgen. 88 Diese Regelung war vor ihrem Inkrafttreten sehr umkämpft. 89 Insbesondere<br />
die privaten Veranstalter kritisierten, dass die Beschäftigungsverhältnisse in<br />
ihren alleinigen Zuständigkeitsbereich fielen und dass die Kommission darauf beschränkt<br />
bleiben müsse, eine inhaltliche Überwachung der Programme vorzunehmen. 90<br />
In der Folge wurde die Bestimmung modifiziert, so dass die CRTC nun im Rahmen der<br />
Erteilung der Lizenz auch die Beschäftigungsverhältnisse der Veranstalter, insbesondere<br />
in Bezug auf das Geschlechterverhältnis, kontrollieren kann. 91<br />
Wie Meisel 92 beschreibt, muss als wahrscheinlich wichtigster Arbeitsbereich der<br />
CRTC allerdings die Überzeugungsarbeit angesehen werden, die sie zu leisten hat, um<br />
die Fernseh- und Werbeindustrie auf informellem Wege dazu zu bringen, sich an die gesetzlichen<br />
Vorgaben und Richtlinien zu halten. Auch darin zeigt sich eine Vergleichbarkeit<br />
mit den deutschen Rundfunkkontrolleuren.<br />
B. Die Regulierung von Geschlechtsrollenklischees im kanadischen Rundfunk<br />
Seit den 70er Jahren werden in Kanada unterschiedliche Modelle zur Regulierung von<br />
Geschlechtsrollenklischees erprobt. Dabei entziehen sich sowohl die Bestimmung eines<br />
positiven Regelungszieles als auch die Definition des Begriffes „Geschlechtsrollenklischees“<br />
einer einfachen Definition. Dieses Schicksal teilt der Ausdruck im Übrigen mit<br />
seiner englischen Entsprechung, den „gender stereotypes“. Der im Jahre 1982 von der<br />
CRTC herausgegebene Report „Images of Women“ nimmt sich auf über 200 Seiten des<br />
Problems der Stereotypisierung von Geschlechterrollen an, definiert es aber nicht. S. 4<br />
des Reports sieht den Regulierungsbedarf damit begründet, dass „the media do not<br />
portray women and men as equal, as equally capable, human beings.“ 93 Eine neuere De-<br />
83 S. 12 (1) und s. 18 (1) 1991 Broadcasting Act.<br />
84 S. 9 (1)(b) 1991 Broadcasting Act.<br />
85 Scott, a.a.O. FN 57, S. 46; Holznagel, a.a.O. FN 7, S. 191 (198).<br />
86 Interview mit Donna M. Shewfield, Senior Regional Officer at the CRTC, Atlantic Region,<br />
9. Februar 1996, Halifax, Nova Scotia, Kanada.<br />
87 S. 14 1991 Broadcasting Act.<br />
88 Vgl. zu diesem Kompetenzbereich ausführlich unten, B. V.<br />
89 Henley, a.a.O. FN 6, S. 179.<br />
90 Ebd.<br />
91 Ebd.<br />
92 Meisel, a.a.O. FN 6, S. 274.<br />
93 CRTC: Images of Women. Report of the Task Force on Sex-Role Stereotyping in the Broadcast<br />
Media. Minister of Supply and Services, Ottawa 1982, S. 4. Der Nova Scotia Status of Women<br />
Task Force Report, auf den die CRTC in ihrem Bericht Bezug nimmt, formuliert das Problem<br />
so: „The image of women as portrayed not only in advertising but also in programming<br />
509
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
finition von Scarbath u. a. sieht Geschlechtsrollenklischees als: „(e)in starres, stereotypes<br />
und somit gegen Differenzierungen und lernende Weiterentwicklung relativ immunes<br />
Muster von Weiblichkeit und Männlichkeit sowie vom Umgang der Geschlechter.“<br />
94<br />
Gemeinsam ist dem Versuch neuerer Umschreibungen, dass er geschlechtsneutral<br />
erfolgt, also auch Männer einbezieht. Es zeigt sich aber, dass die Inhaltsstudien und <strong>wissenschaft</strong>lichen<br />
Auseinandersetzungen mit dem Phänomen sich nach wie vor so gut wie<br />
ausschließlich mit dem Frauenbild in den <strong>Medien</strong> beschäftigen. 95 Auch als Frauengruppen,<br />
allen voran die feministische <strong>Medien</strong>organisation MediaWatch, in den<br />
70er Jahren begannen, das stereotype und häufig sexualisierte Frauenbild in der Öffentlichkeit<br />
anzuprangern, ging es ihnen vorrangig um eine Verbesserung der Stellung von<br />
Frauen. 96<br />
So wie der Versuch einer griffigen Definition an die Grenzen des Problems stößt, begegnet<br />
auch die Bestimmung des Regelungsziels Schwierigkeiten. Die Festlegung eines<br />
„erwünschten“, vielleicht „fortschrittlichen“ Frauenbildes würde nicht nur mit der Programmfreiheit<br />
der Rundfunkveranstalter kollidieren 97 , sondern auch seine eigene Zielsetzung<br />
konterkarieren. Schließlich bremst jede verbindliche Festlegung die erwünschte<br />
Vielfalt von Frauenrollen und setzt sich mit der Aufhebung der Homogenität der Darstellung<br />
bzw. mit der Schaffung von realitätsnahen und innovativen Frauenbildern in<br />
Widerspruch. 98 Scheitert aber die positive Bestimmung eines Regelungszieles an den damit<br />
verbundenen Einengungen, so bleibt doch eine negative Annäherung möglich. Die<br />
Regulierung von Geschlechtsrollenklischees im Rundfunk zielt auf eine Verbesserung<br />
der Darstellung von Frauen (und Männern) in den Rundfunkmedien in dem Sinne, dass<br />
Frauen der gleiche Handlungs- und Entwicklungsspielraum zugestanden wird wie<br />
Männern. Sie ist gerichtet auf eine Eliminierung von Stereotypen und Einseitigkeiten,<br />
die eine Person auf ihre „weibliche“ oder „männliche“ Rolle festschreiben. In diesem<br />
Sinne fordert der „Sex-Role Portrayal Code For Television and Radio Programming“<br />
des – weiter unten näher darzustellenden 99 – Selbstkontrollgremiums der privaten<br />
Rundfunkveranstalter, Frauen und Männer in der sich verändernden Interaktion der<br />
Geschlechter und der Vielfalt der bestehenden Familienstrukturen unter Einbeziehung<br />
des gesamten demographischen Spektrums darzustellen und dabei darauf zu ach-<br />
more often than not represents the damaging an inaccurate stereotype that is prevalent in our<br />
male-oriented society.” (Nova Scotia Status of Women, Herself, Status of Women Task Force<br />
Report (1976), zitiert in: Nova Scotia Human Rights Commission, Women and Advertising,<br />
Nova Scotia, The Commission, 1979, S. 1).<br />
94 Scarbath, Horst / Gorschenek, Margarethe / Grell, Petra: Sexualität und Geschlechtsrollenklischees<br />
im Privatfernsehen, Hamburgische Anstalt für neue <strong>Medien</strong>, Hamburg, 1994, S. 29. So<br />
auch Grell, Petra: schärfer fernsehen – Offene und latente Inszenierungen von Geschlechtsrollenklischees<br />
in sexualthematischen Kontexten, in: Dagmar Beinzger u.a. (Hrsginnen): Im Wyberspace<br />
– Frauen und Mädchen in der <strong>Medien</strong>landschaft, Bielefeld, 1998, S. 259 (260).<br />
95 Vgl. dazu die Nachweise oben, Fußnote 2.<br />
96 MediaWatch: Tracing the Roots of MediaWatch: A History. Published by Media Watch/Évaluation<br />
Médias, 517 Wellington St. West, Suite 204, Toronto, Ontario, Canada M5V 1G1, 1993,<br />
S. 5.<br />
97 Vgl. nur BVerfGE 59, 231 (258); 87, 181 (201); 90, 60 (87).<br />
98 Vgl. dazu ausführlich Kalckreuth, a.a.O. FN 3, S. 61ff.<br />
99 Vgl. dazu unten B. VI.<br />
510
von Kalckreuth-Tabbara · Geschlechtsrollenklischees<br />
ten, dass Ausbeutung (exploitation) und sexistische Sprache (sexist language) unterbleiben.<br />
100<br />
Die kanadische Bundesmedienanstalt erprobt seit über 30 Jahren eine Vielzahl von<br />
Steuerungsmodellen am Exempel der gender stereotypes. Die Verwendung unterschiedlicher<br />
Instrumentarien folgte dabei nicht immer der Logik des Regelungsgegenstandes<br />
selbst, sondern griff auch Trends, die außerhalb desselben lagen, mit auf. So wurde<br />
das Thema Geschlechtsrollenklischees in den 80er Jahren von der allgemeinen Deregulierungswelle<br />
erfasst, ohne dass die spezifischen Erfahrungen in diesem Teilbereich<br />
dazu Anlass gegeben hätten. 101 Das kanadische Steuerungsmodell lässt sich daher am besten<br />
begreifen als eine Vielzahl von Instrumenten, von denen allerdings die Selbststeuerung<br />
als das dominante angesehen werden kann. 102 Trotz der Unterschiede und teilweise<br />
auch Überlappungen im Umgang mit Geschlechtsrollenklischees lassen sich zwei Regulierungsprinzipien<br />
feststellen. Die kanadische Rundfunkregulierung setzte im Bereich<br />
von Geschlechtsrollenklischees immer entweder auf Selbst- oder auf Fremdkontrolle.<br />
Teilweise sind die Regelungen jedoch auch äußerst komplex, und es findet eine organisatorische<br />
und prozedurale Verzahnung verschiedener Regulierungsformen statt.<br />
Im Folgenden werden die kanadischen Modelle zur Regulierung von Geschlechtsrollenklischees<br />
im Rundfunk in chronologischer Reihenfolge vorgestellt. Den Grundstein<br />
für Regulierungsbemühungen im Bereich der gleichberechtigten Darstellung von Frau<br />
und Mann legte eine Enquête-Kommission aus dem Jahre 1982 (I.). Die Kommission leitete<br />
eine zweijährige freiwillige Versuchsphase der Veranstalter ein (II.). In einer dritten<br />
Phase machte die kanadische CRTC die Vermeidung von Geschlechtsrollenklischees<br />
zum Gegenstand von Lizenzbedingungen (III). Schließlich erschloss sich der CRTC<br />
auch das Regulierungspotenzial der Beschäftigungspolitik (IV.). Nach einer kurzen Phase<br />
der Selbstregulierung (V.) wurde das jetzige Regulierungsmodell eingeführt, welches<br />
Mischformen von Fremdkontrolle durch die CRTC und Selbstkontrolle durch eine von<br />
den privaten Veranstaltern geschaffene Organisation enthält (VI.).<br />
I. Die Task Force on Sex-Role Stereotyping in the Broadcast Media<br />
In den 70er Jahren begann die kanadische Frauenbewegung, die Einhaltung des Versprechens,<br />
der kanadische Rundfunk sei „Gemeingut“, bei den Rundfunkveranstaltern<br />
und der CRTC einzufordern. Aufgerüttelt durch die gesellschaftliche Debatte über negative<br />
Auswirkungen von Fernsehkonsum, insbesondere im Hinblick auf die steigende<br />
Gewaltbereitschaft Jugendlicher, begannen vor allem Feministinnen die stereotype Darstellung<br />
von Frauen im Fernsehen zu monieren, weil sie darin ein wichtiges Hemmnis<br />
für die Erreichung von Geschlechtergleichheit sahen. 103 Frauen protestierten gegen die<br />
100 Daneben ist darauf zu achten, dass Frauen und Männer in gleicher Zahl als „voice-over“, Experten<br />
und Autoritäten im Progamm erscheinen und sowohl „on“ als auch „off air“ vermehrt<br />
Frauen zu sehen sind. Vgl. zum genauen Wortlaut: Kalckreuth, a.a.O. FN 3, Anhang A,<br />
S. 211ff. Die CBC hat inhaltlich ähnliche Guidelines erlassen, ebd., Anhang B, S. 215f.<br />
101 Vgl. dazu unten B. III.<br />
102 Vgl. zur Umstellung des Rundfunkrechts auf Selbstregulierung in Deutschland jüngst:<br />
Vesting, Thomas: Das Internet als Herausforderung des „dualen Rundfunksystems“, in: Manfred<br />
Kops u. a. (Hrsg.): Von der dualen Rundfunkordnung zur dienstespezifisch diversifizierten<br />
Informationsordnung?, Baden-Baden 2001 (im Erscheinen), S. 275 (290f.).<br />
103 Trimble, Linda: Coming Soon To A Station Near You? The CRTC Policy on Sex-Role Ste-<br />
511
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
stereotype Darstellung von Frauen und ihre Unterrepräsentanz in den <strong>Medien</strong>. Sie wollten<br />
mehr Frauenthemen im Fernsehen aufgegriffen wissen, mehr Frauen in leitenden<br />
und Führungspositionen innerhalb der <strong>Medien</strong> sehen und eine ausgeglichenere Darstellung<br />
der in der Gesellschaft vorhandenen Vielfalt von Frauenleben und -schicksalen im<br />
Fernsehen erreichen. 104 Die Versuche, auf der Protestebene eine Änderung des Frauenbildes<br />
in den <strong>Medien</strong> zu erreichen, führten jedoch nicht zu dem unmittelbaren Ziel der<br />
Programmveränderung. Die Veranstalter reagierten ablehnend auf die Forderungen, da<br />
sie keinen Vorteil für sich erkennen konnten. 105<br />
Im Jahre 1979 beschloss die kanadische Regierung einen Aktionsplan (action plan),<br />
um die Gleichberechtigung von Frauen durchzusetzen und der Diskriminierung, die<br />
Frauen strukturell in der Gesellschaft erfahren, ein Ende zu bereiten. Im Zuge dessen<br />
trat die damalige <strong>Kommunikations</strong>ministerin auch an die CRTC heran und verlangte,<br />
dass bis zum Jahre 1980 geeignete Maßnahmen zu ergreifen und Richtlinien zu erlassen<br />
seien, die eine Beseitigung von Geschlechtsrollenklischees im Rundfunk erwarten<br />
ließen. 106 Sie bemängelte, dass Frauen im Fernsehen weiterhin unterrepräsentiert und<br />
auf traditionelle Rollen beschränkt waren.<br />
Die Kommission verhielt sich ihrer neuen Aufgabe gegenüber zunächst skeptisch.<br />
Linda Trimble 107 nennt drei Gründe für die ablehnende Haltung der CRTC: Zunächst<br />
störte sich die Kommission an der Tatsache, dass ihr als unabhängiger Regulierungsbehörde<br />
staatlicherseits Aufgaben zugetragen wurden. Zweitens befürchtete sie, dass<br />
eine inhaltliche Regulierung der erste Schritt in Richtung Zensur sei, was, drittens, nach<br />
Meinung der CRTC, ihre Kompetenzen überschritt. Trotz dieser Bedenken kündigte<br />
die CRTC aber am 28. September 1982 die Einrichtung der Task Force on Sex-Role Stereotyping<br />
in the Broadcast Media an 108 , einer Art Enquête-Kommission für die Erforschung<br />
von Geschlechtsrollenklischees im kanadischen Rundfunk. 109<br />
Die Mitglieder der Task Force hatten sehr unterschiedliche Wahrnehmungen von Geschlechtsrollenklischees<br />
im Rundfunk. 110 Während die privaten Rundfunkveranstalter<br />
und die Werbeindustrie die Problematik am liebsten intern behandelt hätten, drängten<br />
die Vertreterinnen der Öffentlichkeit auf eine effiziente und von der CRTC kontrollierte<br />
Lösung. 111 Die Task Force widmete deshalb viel Zeit und Energie dem Versuch,<br />
Einigkeit über den Regelungsbedarf zum einen und die Dringlichkeit für Handlungsbe-<br />
reotyping, in: Helen Holmes / David Taras (Hrsg.): Seeing Ourselves, Media Power and Policy<br />
in Canada, Toronto 1992, S. 135 (137).<br />
104 Trimble, Linda: Coming Soon to a Station Near You: The Process and Impact of the Canadian<br />
Radio-televison and Telecommunications Commission’s Involvement in Sex-Role Stereotyping.<br />
Unpublished Doctoral Dissertation. Queen’s University, Kingston, Ontario 1990,<br />
S. 133ff.<br />
105 Dies änderte sich erst, als das Thema zunehmend auch von Seiten des <strong>Kommunikations</strong>ministeriums<br />
und darüber auch der CRTC selbst aufgenommen wurde, vgl. dazu in diesem Kapitel<br />
unten.<br />
106 CRTC, Public Notice, 1986-351.<br />
107 Trimble, a.a.O. FN 103, S. 137ff.<br />
108 CRTC, a.a.O. FN 93, S. xiff.; CRTC, a.a.O. FN 106, S. 2.<br />
109 Die Task Force setzte sich zusammen aus Vertretern der CRTC, der CBC, den privaten Rundfunkveranstaltern,<br />
der Werbeindustrie und Vertretern der Allgemeinheit.<br />
110 Trimble, a.a.O. FN 103, S. 138.<br />
111 Media Watch, a.a.O. FN 96, S. 6; Trimble, a.a.O. FN 103, S. 138.<br />
512
von Kalckreuth-Tabbara · Geschlechtsrollenklischees<br />
darf zum anderen herzustellen. 112 Die Association of Canadian Broadcasters (CAF)<br />
zum Beispiel behauptete, dass die Mehrheit der kanadischen Frauen sich nicht durch die<br />
Darstellung von Frauen beleidigt fühle und warf den Vertreterinnen der Öffentlichkeit<br />
vor, falsche (feministische) Meinungen im vermeintlichen Namen aller Frauen zu vertreten.<br />
113 Diese Haltung empfanden wiederum die Vertreterinnen der Öffentlichkeit als<br />
unbefriedigend, die den Befund an sich bereits breit dokumentiert sahen und konkrete<br />
Maßnahmen ergreifen wollten.<br />
II. Zweijährige Versuchsphase<br />
Die Auseinandersetzungen innerhalb der Task Force Commission führten zu diversen<br />
Empfehlungen, die die unterschiedlichen Stufen der Sensibilisierung der Mitglieder widerspiegelten.<br />
Die Kommission konnte sich nicht darauf verständigen, konkrete Maßnahmen<br />
zur Vermeidung von Geschlechtsrollenklischees vorzuschlagen. Im Jahre 1982<br />
gab die Task Force ihren Bericht „Images of Women“ heraus. 114 In ihm finden sich 20<br />
Empfehlungen, wie das Bild der Frau im kanadischen Rundfunk zu verbessern sei. Die<br />
Empfehlungen waren gerichtet an die CRTC, die Bundesregierung, die CBC, die privaten<br />
Rundfunkveranstalter und die Werbeindustrie.<br />
Die zentrale Empfehlung der Task Force ging dahin, eine zweijährige freiwillige Versuchsphase<br />
zur Vermeidung von Geschlechtsrollenklischees für die Rundfunkveranstalter<br />
und die Werbeindustrie, unter Aufsicht und abschließender Bewertung durch die<br />
CRTC, durchzuführen. Dies stellte einen Kompromiss dar zwischen der Rundfunkund<br />
Werbeindustrie einerseits und den Vertreterinnen der Öffentlichkeit andererseits,<br />
deren Ziel es war, eine möglichst strenge Kontrolle des Verhaltens der Rundfunkveranstalter<br />
und Werbeindustrie festzuschreiben. 115<br />
Im Einzelnen forderte die Task Force von der CRTC, dass sie die Schritte der Rundfunkveranstalter<br />
zur Vermeidung der stereotypen Darstellung von Frauen überwachen,<br />
regelmäßige Zwischenberichte von den Veranstaltern einfordern, Beschwerden über<br />
Geschlechtsrollenklischees gezielt bearbeiten und eigene Initiativen ergreifen sollte, um<br />
eine gleichberechtigte und faire Darstellung der Geschlechter zu erreichen. Zu diesem<br />
Zwecke sollte die CRTC ein Komitee im Bereich Geschlechtsrollenklischees errichten,<br />
das die genannten Aufgaben wahrnehmen sollte. 116<br />
Die kanadische Bundesregierung wurde aufgefordert, zu akzeptieren und zu fördern,<br />
dass das kanadische Rundfunksystem den Interessen und Chancen beider Geschlechter<br />
Rechnung zu tragen hatte. Sie sollte eine aktuelle Liste von Expertinnen im Rundfunkbereich<br />
für die Veranstalter bereithalten, um Anreize für eine vermehrte Einstellung von<br />
Frauen zu schaffen. 117<br />
Von der CBC, die von sich aus bereits „gender portrayal guidelines“, also Richtlinien<br />
über die Darstellung der Geschlechter erlassen hatte, forderte die Kommission, dass<br />
112 CRTC, a.a.O. FN 93, S. 9; Trimble, a.a.O. FN 106, S. 246.<br />
113 CRTC, a.a.O. FN 93, S. 138.<br />
114 CRTC, a.a.O. FN 93; vgl. auch Holznagel, a.a.O. FN 7, S. 204.<br />
115 Media Watch, MediaWatch Brief. In Response to Public Notice CRTC 1990-114, December<br />
28, 1990. Review of Policy on Sex-Role Portrayal, Vancouver, British Columbia, May 1991,<br />
S. 2; Trimble, a.a.O. FN 103, S. 139; CRTC, a.a.O. FN 106, S. 3.<br />
116 CRTC, a.a.O. FN 93, S. 65-66.<br />
117 Ebd., S. 66 – 67.<br />
513
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Programmbereich Kenntnis von den Richtlinien<br />
erlangen müssten und dass die CBC jährliche Berichte über deren Umsetzung und<br />
Wirkung verfassen sollte. 118<br />
Die privaten Rundfunkveranstalter, vertreten durch die CAB, die bislang keine Standards<br />
zur Vermeidung von Geschlechtsrollenklischees im Programm verfasst hatten, erklärten<br />
sich während der zweijährigen Arbeit der Task Force bereit, eine interne Kommission<br />
mit dem Thema zu befassen, die insbesondere Zuschauerbeschwerden bearbeiten<br />
sollte. 119 Dies war ein klares Signal an die Öffentlichkeit, dass auch im Privatfunk die<br />
Problematik von Geschlechtsrollenklischees nicht länger negiert würde. Das Versprechen<br />
trug aber auch der Sorge Rechnung, die CRTC könne von „harter Regulierung“<br />
Gebrauch machen, sollten sich die Rundfunkveranstalter einer Konsensbildung verschließen.<br />
Des Weiteren versprach die CAB, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im<br />
Produktionsbereich für die Vermeidung geschlechtsstereotyper Darstellung zu sensibilisieren.<br />
120 Schließlich wollte das Exekutivorgan der CAB bei seiner nächsten Sitzung<br />
die Vermeidung von Geschlechtsrollenklischees in den CAB Code of Ethics aufnehmen.<br />
121 Der Task Force Report unterstützte die CAB bei ihren Vorhaben und regte an,<br />
dass die CAB ihre Mitglieder ermutigen sollte, für eine erhöhte Präsenz von Frauen im<br />
Fernsehen zu sorgen. 122<br />
Der Task Force Kommission war es wichtiger, bei den einzelnen Rundfunkveranstaltern<br />
eine Sensibilisierung zu erreichen, als regulatorische Maßnahmen für die Vermeidung<br />
geschlechtsstereotyper Darstellungen zu ergreifen. 123 King 124 bezweifelt, ob zu so<br />
einem relativ frühen Zeitpunkt eine von außen motivierte Regulierung überhaupt hätte<br />
Früchte tragen können. Die relativ schwache Stellung der CRTC verbunden mit dem<br />
Umstand, dass die Rundfunkveranstalter wenig Interesse an einer veränderten Darstellung<br />
von Frauen im Rundfunk hatten, ließen die Effektivität etwaiger vorgeschlagener<br />
Maßnahmen zweifelhaft erscheinen. 125 Auf der anderen Seite riskierte die Task Force,<br />
dass die von ihr empfohlene freiwillige Regulierung in einem Bereich, der für die Rundfunkveranstalter<br />
keine Anreize für ihre Umsetzung bot, überhaupt nicht befolgt werden<br />
würde.<br />
Am Ende der zweijährigen Testphase erbat die CRTC von allen Rundfunkveranstaltern<br />
einen Bericht über ihre Maßnahmen und Erfolge im Bereich von Geschlechtsrollenklischees.<br />
126 Die Berichte ließen teilweise einen beachtlichen Aktionismus erkennen:<br />
Die CBC hatte Inclusive-Language-Guidelines erlassen und vier vergleichende Inhaltsanalysen<br />
mit Bezug auf Geschlechtsrollenklischees im Rundfunk in den Jahren<br />
1981 bis 1984 durchführen lassen. Das Büro der CBC für Portrayal of Women konnte<br />
von Seminaren und Konferenzen zum Thema Frauen und <strong>Medien</strong> berichten. Nach An-<br />
118 Ebd., S. 67 – 68.<br />
119 Ebd., S. 68.<br />
120 Ebd.<br />
121 Ebd.<br />
122 Ebd., S. 69. Das Gleiche gilt für die Werbeindustrie.<br />
123 MediaWatch, a.a.O. FN 96, S. 6; Trimble, a.a.O. FN 103, S. 138.<br />
124 King, Linda: Broadcasting Policy for Canadian Women. Unpublished Paper Prepared for<br />
„Adjusting the Image“: A National Conference on Broadcasting Policy, Ottawa, March 20-<br />
22, 1987, S. 10.<br />
125 Ebd.<br />
126 CRTC, Public Notice, 1982-211.<br />
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von Kalckreuth-Tabbara · Geschlechtsrollenklischees<br />
gaben der CBC hatte die Präsenz von Frauen sowohl vor als auch hinter der Kamera zugenommen.<br />
127<br />
Auch die CAB hatte ihre Versprechen teilweise umgesetzt. Sie hatte ein Komitee für<br />
die Problematik von Geschlechtsrollenklischees errichtet und ihren Code of Ethics erweitert.<br />
Allerdings verschmolz bald darauf dieses spezielle Standing Committee on Sex-<br />
Role Stereotyping mit dem thematisch äußerst umfassenden Societal Issues Committee,<br />
so dass das neue Gremium mit einer Vielzahl von Bereichen beschäftigt war, die seine<br />
Einflusssphäre verschwimmen ließen. 128<br />
Die Reaktionen der einzelnen privaten Rundfunkveranstalter fielen höchst unterschiedlich<br />
aus. Teilweise waren die privaten Veranstalter sehr kreativ geworden, um Geschlechtsrollenklischees<br />
in ihren Programmen zu vermeiden. Einige fügten in ihrer Antwort<br />
Aktionspläne und interne Richtlinien bei. 129 Die meisten privaten Rundfunkveranstalter,<br />
die sich nach der zweijährigen Testphase bei der CRTC meldeten, verweigerten<br />
sich jedoch schlicht jeder Form von Regulierung. 130 Die Bandbreite der Reaktionen<br />
lässt sich wahrscheinlich am besten damit erklären, dass die Task Force keine klaren<br />
Maßstäbe gesetzt hatte, wie ihre Empfehlungen umzusetzen seien.<br />
Um sich ein umfassendes Bild von dem Erfolg der freiwilligen Selbstkontrolle machen<br />
zu können, erfasste die CRTC nicht nur die Berichte der Rundfunkveranstalter, sondern<br />
setzte sich auch mit den insgesamt 1.600 Kommentaren der Öffentlichkeit auseinander,<br />
die die CRTC während der zweijährigen Testphase erreicht hatten. 131 Dazu gehörte<br />
auch die Auswertung der öffentlichen Anhörungen (hearings), die die CRTC im April<br />
1986 in Vancouver, Montreal und Hull durchgeführt hatte. 132 Bei diesen Veranstaltungen<br />
wurde der Öffentlichkeit Gelegenheit gegeben, ihre Ansprüche und Wünsche an die<br />
kanadische Rundfunklandschaft zu formulieren.<br />
Darüber hinaus bezog die CRTC in ihre Evaluation die Inhaltsanalysen ein, die sie<br />
selbst, die CBC und die feministische <strong>Medien</strong>organisation MediaWatch durchgeführt<br />
hatten. Hatten die Maßnahmen der Rundfunkveranstalter, allen voran die der CBC, Anlass<br />
zu Hoffnung gegeben, so kamen die Inhaltsstudien übereinstimmend zu relativ unbefriedigenden<br />
Ergebnissen. Die von der CRTC in Auftrag gegebene Studie stellte zusammenfassend<br />
fest:<br />
„First, there are fewer women than men in almost all areas of Canadian broadcasting<br />
– television and radio, programming and advertising. Second, the roles of women and<br />
men differ in all areas; the differences are larger in some areas and smaller in others.<br />
Third, the numerical presence of women and men in broadcast material is linked to<br />
the roles that they occupy in a complex way. Although presence and role are linked a<br />
strategy to balance the portrayal of the sexes would have to address each of these issues<br />
separately.“ 133<br />
127 Vgl. zu den Aktionen der CBC: CRTC, a.a.O. FN 106, S. 6f.<br />
128 Vgl. CRTC, a.a.O. FN 106, S. 7.<br />
129 Trimble, a.a.O. FN 103, S. 140.<br />
130 Ebd.<br />
131 CRTC, a.a.O. FN 106, S. 9.<br />
132 Vgl. zu der Institution der „hearings“ im kanadischen Rundfunk: Holznagel, a.a.O. FN 7,<br />
198.<br />
133 Die Studie wurde von dem renommierten Erin Inc. Research Institute durchgeführt und ist in<br />
CRTC, a.a.O. FN 106, S. 11ff. abgedruckt.<br />
515
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
Die Analyse der CBC zeigte ähnliche Resultate:<br />
„(…)Women and men are generally portrayed in conventional roles. Women are<br />
rather absent from the political and economical scenes not only as newsmakers but<br />
also as experts or reporters. In addition, these images are quite stable in all of the follow-up<br />
analyses (…) The representation of innovative images of men and women is<br />
still to be developed.“ 134<br />
Die feministische <strong>Medien</strong>organisation MediaWatch kam zu dem Schluss, dass als einzige<br />
positive Veränderung eine Reduzierung sexistischer Sprache zu erkennen war. 135<br />
Die gesammelten Informationen deuteten darauf hin, dass sich inhaltlich so gut wie<br />
nichts an der Darstellung der Frau im Rundfunk geändert hatte. Die CRTC erkannte,<br />
dass die anfänglichen Bemühungen der Veranstalter um eine vielfältige und gleichberechtigte<br />
Darstellung von Frauen im Rundfunk über die Zeit kleiner geworden waren,<br />
konstatierte aber dennoch, dass gerade die Erkenntnisse, die die Berichte und öffentlichen<br />
Anhörungen gebracht hätten, geeignet seien, um den Selbstkontrollprozess wieder<br />
anzuregen. 136 Die Kommission befand, dass die Rundfunkveranstalter sichtbar bemüht<br />
waren, sich dem Problem zu stellen, und wertete diese Sensibilisierung als Erfolg. Dennoch<br />
sah die CRTC auch weiter Handlungsbedarf im Bereich von Geschlechtsrollenklischees.<br />
Sie formulierte den Anspruch an die CBC, dass sie eine Vorreiterstellung bei<br />
der Vermeidung von Rollenklischees im Programm einnehmen sollte, die CAB sollte<br />
ihre Richtlinien mit Bezug auf eine gleichberechtigte Darstellung der Geschlechter überarbeiten,<br />
und die Öffentlichkeit wurde aufgefordert, vermehrt Beschwerden an die<br />
CRTC zu richten. 137<br />
In den Jahren 1984 bis 1988 führte die CRTC eine zweite Inhaltsstudie zum Thema<br />
Rundfunk und Geschlechtsrollenklischees durch. Die Zusammenfassung der Resultate<br />
liest sich ernüchternd:<br />
„1. Fewer women than men appear in almost every area of Canadian Broadcasting.<br />
2. The imbalance in the numbers of women and men in television, both programming<br />
and advertising, occurs almost entirely among people in the 35- to 65-year<br />
age bracket.<br />
(…)<br />
4. Where gender differences occur, they are almost without exception in the direction<br />
of traditionally defined gender attributes. (W)omen are aligned with „traditionally<br />
female“ roles such as home and family activities. Men are more strongly<br />
aligned with paid work, vehicles, and violent behavior.” 138<br />
Damit war man fast wieder am Anfang angelangt, denn genau diese Feststellungen<br />
hatten Frauenorganisationen auf die CRTC und die Rundfunkveranstalter Druck ausüben<br />
lassen. So musste die CRTC im Jahre 1990, acht Jahre nach der Einrichtung der<br />
Task Force, zu dem Ergebnis kommen, dass der Versuch, über eine freiwillige Versuchsphase<br />
die Darstellung von Frauen im Rundfunk zu ändern, noch nicht zum gewünschten<br />
Erfolg geführt hatte. 139 Über die Gründe lässt sich nur spekulieren. Es<br />
134 CBC Content Analysis, abgedruckt in CRTC, a.a.O. FN 106, S. 15ff.<br />
135 MediaWatch: Adjusting the Image: Women and Canadian Broadcasting, Ottawa, Department<br />
of Communications, 1987.<br />
136 CRTC, a.a.O. FN 106, S. 36.<br />
137 Ebd., S. 45ff.<br />
138 CRTC, Summary Report, 1990, S. 7.<br />
139 Ebd.: „The four-year period is characterized much more by stability than by change“.<br />
516
von Kalckreuth-Tabbara · Geschlechtsrollenklischees<br />
spricht allerdings einiges für die von King und Trimble geäußerte Ansicht, dass die Veranstalter<br />
keinen Anlass sahen, ihr Programm zu ändern, solange mit der Beibehaltung<br />
eines stereotypen Geschlechterbildes für sie keine negativen Auswirkungen verbunden<br />
waren. 140 Auf der anderen Seite war es gelungen, ein umfassendes Problembewusstsein<br />
auf allen Ebenen des Rundfunkbetriebes zu etablieren. Es stand nunmehr auf der Tagesordnung<br />
eines jeden Rundfunkveranstalters, dass Geschlechtsrollenklischees in ihren<br />
Programmen ein öffentlich wahrgenommenes und bemängeltes Problem waren. Nicht<br />
nur MediaWatch, sondern auch andere Frauenorganisationen innerhalb und außerhalb<br />
des Rundfunks ließen nicht nach, ein egalitäres Frauenbild einzufordern. 141 Auch waren<br />
in den zentralen Institutionen des Rundfunks, der CBC und der CAB, mittlerweile Stellen<br />
geschaffen worden, die sich mit der Thematik auseinander setzten und von denen<br />
weitere Impulse ausgehen konnten. Die ernüchternde Bilanz der Inhaltsstudien machte<br />
jedoch deutlich, dass weitere Maßnahmen zu ergreifen waren, wenn die CRTC die Vermeidung<br />
von gender stereotypes im Rundfunk erreichen wollte.<br />
III. Lizenzbedingung<br />
Auf der Basis der gewonnenen Erkenntnisse erprobte die CRTC im Jahre 1986 daher<br />
eine neue Regulierungsstrategie, die auf die Defizite des bisherigen Ansatzes reagieren<br />
sollte. Die Kommission vollzog einen Wandel von freiwilliger Kooperation der Veranstalter<br />
zu konkreter sanktionsbedrohender Regulierung. Sie kündigte an, dass sie sowohl<br />
bei der Erstvergabe als auch bei der Verlängerung von Lizenzen das Erstellen und<br />
die Einhaltung von Richtlinien der Veranstalter über die Vermeidung von Rollenklischees<br />
als wichtiges Kriterium zugrunde legen werde. 142 Dies verpflichtete die Rundfunkveranstalter,<br />
eigene sex-role portrayal guidelines, also interne Leitfäden für die Vermeidung<br />
geschlechtsstereotyper Darstellungen, für ihre Programme zu entwickeln. Die<br />
zugelassenen öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter konnten über die CBC zentrale<br />
guidelines beziehen, und auch die Mitglieder der CAB waren ermächtigt, einheitliche<br />
Leitfäden zu verfassen. Die CRTC verzichtete dabei bewusst darauf, den Veranstaltern<br />
inhaltliche Standards vorzugeben. Sie behielt sich zwar vor, die guidelines der<br />
Veranstalter zu überprüfen und gegebenenfalls zu monieren; sie mischte sich jedoch<br />
nicht in die Grundfragen der programmlichen Gestaltung ein. 143 Dies hätte dem Selbstverständnis<br />
der CRTC widersprochen, die schon zu Zeiten der Task Force befürchtet<br />
hatte, als Zensurbehörde missbraucht zu werden, und wahrscheinlich auch Stürme der<br />
Entrüstung bei den Veranstaltern hervorgerufen.<br />
Mit dem Auferlegen der Lizenzbedingung zeigte die CRTC erstmals in der Regulierungsgeschichte<br />
von Geschlechtsrollenklischees ihre Zähne. Sie hoffte, dass die Richtlinien<br />
und ihre Befolgung diesmal Wirkung zeigen würden, zumal die Kommission eine<br />
strenge Überwachung der Standards angedroht hatte. 144 Da die Nicht-Befolgung der<br />
140 King, a.a.O. FN 124; Trimble, a.a.O. FN 103, S. 135ff.<br />
141 Vgl. nur MediaWatch, a.a.O. FN 135. MediaWatch führte neben ihrer regen Publikationstätigkeit<br />
Informationsveranstaltungen durch, vertrieb Flugblätter und Broschüren über<br />
die Darstellung der Frau im Rundfunk und rief die kanadische Frauenöffentlichkeit beständig<br />
auf, sich gegen die verfälschenden Bilder zu wehren.<br />
142 CRTC, Public Notice, 1990 – 99, S. 2ff.; vgl. auch Holznagel, a.a.O. FN 7, S. 204.<br />
143 Ebd.<br />
144 Ebd.<br />
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Leitlinien einen Verstoß gegen die Lizenzbedingung darstellte, konnte die CRTC im<br />
Fall mangelnder Kooperation der Veranstalter von allen ihren regulativen Sanktionsmechanismen<br />
Gebrauch machen. 145 Dies stellte einen wesentlichen Unterschied zur<br />
vorher praktizierten freiwilligen Selbstkontrolle dar, die der CRTC keine Einflussmöglichkeit<br />
auf das Verhalten der Veranstalter eröffnet hatte. Sie hatte insbesondere nicht<br />
die Möglichkeit gehabt, rechtliche Schritte gegen einen nicht kooperierenden Veranstalter<br />
einzuleiten.<br />
Wie Trimble 146 bemerkte, waren die Zähne, die die CRTC den Veranstaltern zeigte,<br />
jedoch „like ill-fitting dentures that sit in a glass of water because the user finds it more<br />
expedient to go without.“ Die CRTC nutzte ihr regulatives Potenzial nicht in einem einzigen<br />
Fall; sie entwickelte nicht einmal Kriterien mit Hilfe derer die Einhaltung der Standards<br />
überprüft werden konnte. 147<br />
Kurz nach der Ankündigung der Erhebung einer Lizenzbedingung forderte die<br />
CRTC die Veranstalter auf, „eigene Standards zu formulieren, die die existierende Regulierung<br />
ersetzen könnten“. 148 Mit dieser etwas kryptisch anmutenden Formulierung<br />
wollte die CRTC eine Deregulierungspraxis auch im Bereich von Geschlechtsrollenklischees<br />
einführen, die ihre Arbeit seit den 80er Jahren bestimmt hatte 149 , und der sich<br />
auch der Gegenstand „gender stereotypes“ nicht entziehen konnte. Geplant war seitens<br />
der CRTC, die Veranstalter zu ermutigen, ein Selbstkontrollgremium zu errichten, das<br />
fortan für die Überwachung der – von den Veranstaltern erlassenen – Programmstandards<br />
zuständig wäre. Insbesondere die privaten Veranstalter unterstützten diesen Plan.<br />
Die CAB machte sich stark für die Errichtung eines privaten Broadcast Council, der mit<br />
der Überwachung von Geschlechtsrollenklischees, aber auch anderen sozial relevanten<br />
Themen, wie beispielsweise Gewalt im Fernsehen, betraut werden sollte. 150 Als Ausgleich<br />
dafür sollte die Lizenzbedingung von der CRTC fallen gelassen werden. 151 Die<br />
CRTC reagierte prompt. Bereits im Jahre 1988 (das Selbstkontrollgremium war noch<br />
nicht einmal errichtet) kündigte die Kommission an, dass diejenigen Mitglieder der<br />
CAB, die in der Vergangenheit zufrieden stellende Richtlinien und Reports abgeliefert<br />
hätten, einen Antrag auf Befreiung von der Lizenzbedingung stellen könnten. 152 Bei<br />
nicht zufrieden stellendem Verhalten konnte die Lizenzbedingung allerdings wieder<br />
aufleben. 153<br />
Im März 1995 gab die CRTC dann offiziell die Lizenzbedingung der Einhaltung von<br />
Leitlinien über die Vermeidung von Geschlechtsrollenklischees auf. 154 Dies betraf allerdings<br />
nur die Veranstalter, die unbeanstandete Mitglieder (members in good standing)<br />
des Canadian Broadcast Standards Council (CBSC) waren, ein Selbstkontrollgremium<br />
der privaten Rundfunkveranstalter, das im Jahre 1989 gegründet wurde. Dadurch legte<br />
die CRTC faktisch ihre Regulierungsgewalt und die Belange einer gleichberechtigten<br />
145 Vgl. zum Sanktionspotenzial oben A. IV sowie Holznagel, a.a.O. FN 7, S. 198.<br />
146 Trimble, a.a.O. FN 106, S. 433.<br />
147 Ebd., S. 390.<br />
148 CRTC, Public Notice, 1987-205.<br />
149 Vgl. dazu etwa: Meisel, a.a.O. FN 6, S. 265ff.; Russel, a.a.O. FN 6, S. 171ff.<br />
150 CAB, Response to CRTC Public Notice, 1987-9, S. 2.<br />
151 Trimble, a.a.O. FN 103, S. 143f.<br />
152 CRTC, Public Notice, 1988-159.<br />
153 Vgl. dazu ausführlich, Kalckreuth, a.a.O. FN 3, S. 172ff.<br />
154 CRTC, Public Notice, 1995-48.<br />
518
von Kalckreuth-Tabbara · Geschlechtsrollenklischees<br />
und fairen Darstellung von Frauen in die Hände der Rundfunkveranstalter. Sie betonte<br />
zwar, dass sie nach wie vor die Behandlung von Zuschauerbeschwerden durch die Rundfunkveranstalter<br />
streng überwachen werde. 155 Inwieweit die Kommission dieser Aufgabe<br />
gerecht werden konnte, war allerdings fraglich. Zum einen war die Bearbeitung von<br />
Zuschauerinnenbeschwerden alleinige Aufgabe des neuen CBSC und betraf somit gar<br />
nicht mehr den Arbeitsbereich der CRTC. 156 Zum anderen hatte die CRTC durch die<br />
Aufgabe der Lizenzbedingung nur noch stark begrenzte rechtliche Möglichkeiten, Einfluss<br />
auf die Rundfunkveranstalter zu nehmen. Der schleichende Widerstand der Veranstalter<br />
gegen sie bindende Programmregelungen sowie der allgemeine Trend zur Deregulierung<br />
hatten auch vor Geschlechtsrollenklischees nicht Halt gemacht. Hatte die<br />
CAB noch die Lizenzbedingung offen angegriffen und für den Fall der Verhängung von<br />
Sanktionen seitens der CRTC im Bereich der non-compliance von Geschlechtsrollenklischees<br />
mit zivilrechtlichen Schritten gedroht 157 – die allerdings mangels entsprechenden<br />
Vorgehens der CRTC nicht ergriffen wurden – so konnten die Rundfunkveranstalter<br />
nun die Dinge wieder in die eigene Hand nehmen.<br />
IV. Fairness im Beschäftigungsbereich<br />
Das Anliegen der Gleichberechtigung von Frau und Mann stand unverändert weit oben<br />
auf der politischen Agenda der kanadischen Regierung. Der 1985 in Kraft getretene Employment<br />
Equity Act (EEA) 158 , das nicht rundfunkspezifische kanadische Gleichstellungsgesetz,<br />
eröffnete der CRTC seit dem 1991 Broadcasting Act die Regulierungsgewalt<br />
auch für den Bereich der Fairness im Beschäftigungsbereich der Rundfunkanstalten.<br />
159 Die CRTC kann verlangen, dass die Veranstalter Programme über die Fairness<br />
im Beschäftigungsbereich nach dem EEA umsetzen. 160 Die Vorgaben des EEA sind für<br />
die Veranstalter bindend, und es ist Aufgabe der CRTC, die Einhaltung der Vorschriften<br />
bei der Lizenzierung zu überprüfen und während der Dauer der Lizenz zu überwachen.<br />
161<br />
Der EEA verlangt, dass Unternehmen mit mehr als 100 Angestellten Informationen<br />
über die Repräsentation von gesellschaftlich benachteiligten Gruppen – dazu gehören<br />
auch Frauen – bereithalten. 162 Diese Informationen müssen in einem jährlichen Bericht<br />
öffentlich zugänglich gemacht werden. Anhand dieser Informationen muss der<br />
Arbeitgeber einen employment equity plan erstellen, in welchem die Ziele und die<br />
155 Ebd.<br />
156 Die CRTC bearbeitet bei ihr eingehende Programmbeschwerden dementsprechend nicht<br />
mehr selber, sondern leitet sie direkt an den CBSC weiter.<br />
157 CAB, Response to CRTC Public Notice 1987-9, in: CRTC, Public Notice, 1987-205, Guidelines<br />
for Developing industry Standards (30. April 1987), S. 2.<br />
158 Employment Equity Act, R.S.C. 1985, c. 23.<br />
159 Der EEA betrifft nicht nur die Gleichstellung von Frauen und Männern, sondern beinhaltet<br />
Fairness-Regeln für eine Reihe von benachteiligten gesellschaftlichen Gruppen, wie ethnische<br />
Minderheiten oder Menschen mit Behinderungen.<br />
160 S. 3(1)(d)(iii) 1991 Broadcasting Act.<br />
161 CRTC, Public Notice, 1992-59.<br />
162 Dieses Kriterium erfüllen zurzeit nur 113 der 862 zugelassenen Rundfunkveranstalter in Kanada.<br />
Auf der anderen Seite beschäftigen diese 113 Rundfunkveranstalter 66% der gesamten<br />
Angestellten im Rundfunkbereich in Kanada. Die CBC mit rund 12.000 Angestellten fällt<br />
ebenfalls unter den EEA.<br />
519
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
Mittel beschrieben sind, mit denen er die Fairness im Beschäftigungsbereich durchsetzen<br />
will. 163<br />
Die CRTC kündigte zwar Unterstützung für die Ziele des EEA an, beklagte aber<br />
gleichzeitig, dass sie über zu geringe finanzielle und personelle Ressourcen verfüge, um<br />
eine hinreichende Überwachung der Rundfunkveranstalter in dieser Hinsicht zu garantieren.<br />
Zudem befürchtete die Kommission, dass sie in die Gefahr geriete, den Rundfunkbereich<br />
zu „überregulieren“ (overregulate). 164<br />
Bei der Kontrolle der Einhaltung der Bestimmungen des EEA würdigte die Kommission<br />
die Bemühungen des „Büros für Fairness im Beschäftigungsbereich“ der CBC. 165<br />
Sie ließ auch nicht außer Acht, dass die CAB im Jahre 1991 einen speziellen Einstellungsplan<br />
für Minderheiten im Bereich des Privatfunks erarbeitet hatte; bei näherer Betrachtung<br />
der Gleichberechtigungserfolge im Beschäftigungsbereich kam der Vorsitzende<br />
der CRTC jedoch zu dem Ergebnis, dass „noch viel zu tun ist, um eine Beseitigung<br />
der systematischen Barrieren im Beschäftigungsbereich und die vollständige Partizipation<br />
von (Frauen) im Bereich des Rundfunks zu erreichen“. 166 Es wurden<br />
Überlegungen dahingehend angestellt, ob die Employment-Equity-Pläne der Veranstalter<br />
während des Lizenzierungsverfahrens öffentlich zugänglich gemacht werden und<br />
als Entscheidungsgrundlage in die Lizenzerteilung einfließen sollten. 167 Die CRTC befand<br />
jedoch, in Übereinstimmung mit ihrer allgemeinen Deregulierungsphilosophie,<br />
dass Beschäftigungspolitik flexibel gehandhabt werden müsse, und da auch die CAB<br />
deutliche Zurückhaltung in dieser Frage demonstrierte 168 , wurde auf eine derartige Regelung<br />
verzichtet. 169<br />
Bei einer Überprüfung der Bemühungen der Rundfunkveranstalter um Fairness im<br />
Beschäftigungsbereich im Jahre 1994 stellte die Kommission fest, dass eine Verbesserung<br />
der Situation der Frau in den <strong>Medien</strong> nicht in dem erwünschten Maße stattgefunden hatte.<br />
170 Als Kernproblem bezeichnete die CRTC die mangelnde Kommunikation zwischen<br />
den Veranstaltern und den benachteiligten Gruppen. Auf eine Verbesserung derselben<br />
wollte man in Zukunft hinarbeiten. So sollten beispielsweise mit den Veranstaltern<br />
Planstellen ausgehandelt werden, die dann verstärkt mit Frauen zu besetzen<br />
wären. 171<br />
Die Regulierungsstrategie der CRTC war nicht von Erfolg gekrönt. Die Rundfunkveranstalter<br />
hatten – vermutlich aus ökonomischen Gründen – kein Interesse daran, in<br />
stärkerem Umfang als bisher Frauen einzustellen. 172 Es hat sich gezeigt, dass, solange<br />
163 CRTC, a.a.O. FN 161, S. 2f.<br />
164 Ebd., S. 4ff.<br />
165 Ebd., S. 6.<br />
166 Keith Spicer, CRTC News Release, 1. September 1992.<br />
167 CRTC, a.a.O. FN 161, S. 10.<br />
168 Ebd., S. 11.<br />
169 Ebd.<br />
170 CRTC, Public Notice, 1994-69, S. 9.<br />
171 Vgl. CRTC, Public Notice, 1995-98.<br />
172 Über die Gründe der Verweigerung der Veranstalter, sich so genannten Minoritäten zu öffnen,<br />
lässt sich keine eindeutige Aussage treffen. Das Scheitern des Gleichberechtigungsgesetzes<br />
in Deutschland für die private Wirtschaft im Sommer 2001 zeigt jedoch, dass dies kein Einzelphänomen<br />
ist. Zu groß scheint die Angst der Unternehmen vor einem Freiheitsverlust bei<br />
der Personalsuche – und/oder vor den möglichen Auswirkungen einer veränderten Personalstruktur<br />
auf die Unternehmensphilosophie.<br />
520
von Kalckreuth-Tabbara · Geschlechtsrollenklischees<br />
und soweit die Kommission sich darauf beschränkt, ein Problembewusstsein bei den<br />
Veranstaltern herzustellen, dies ohne nennenswerte Erfolge für die Einstellungs- oder<br />
Beförderungsquoten von Frauen bleibt.<br />
V. Selbstregulierung<br />
Neben den gleichstellungspolitischen Obligationen auf der Beschäftigungsebene, denen<br />
die Veranstalter durch den EEA unterworfen waren, blieb die Eliminierung von Geschlechtsrollenklischees<br />
aus den Programmen weiter Aufgabe der Rundfunkpolitik.<br />
Nach dem Wegfall der Lizenzbedingung traten gender stereotypes in eine Phase mehr<br />
oder weniger freiwilliger Selbstregulierung. Ein wichtiger Unterschied zur zweijährigen<br />
Versuchsphase lag allerdings darin, dass mittlerweile jeder zugelassene Rundfunkveranstalter<br />
über Richtlinien zur Vermeidung von Geschlechtsrollenklischees in seinem Programm<br />
verfügen musste. Rein rechtlich war zwar nach wie vor das Vorliegen solcher<br />
Richtlinien Bedingung für die Erteilung einer Lizenz, die Standards waren jedoch durch<br />
die die privaten Rundfunkveranstalter vertretende CAB vereinheitlicht worden. Die<br />
Überprüfung der Einhaltung der Vorschriften ging aus den Händen der Kontrollbehörde<br />
CRTC in die des Selbstkontrollorgans CBSC über.<br />
Der im Jahre 1989 gegründete CBSC hat die Aufgabe, „qualitativ hochwertigen und<br />
verantwortungsvollen Rundfunk in Kanada zu fördern“. 173 Er soll den privaten Rundfunkveranstaltern<br />
helfen, die Standards der CAB umzusetzen, eine Anlaufstelle für Zuschauerinnen<br />
und Zuschauer bzw. deren Programmbeschwerden sein und die Richtlinien<br />
und Codes der CAB verwalten. 174 Zu den von dem CBSC verwalteten Codes<br />
gehört auch der relativ detaillierte Sex-Role Portrayal Code for Television and Radio<br />
Programming. 175 Die Mitgliedschaft im CBSC ist freiwillig; ihm gehören jedoch fast alle<br />
in der CAB organisierten privaten Rundfunkveranstalter an. 176 Da für Mitglieder, die<br />
über mindestens sechs Monate unbeanstandet dem CBSC angehören, die Lizenzbedingung<br />
für Geschlechtsrollenklischees aufgehoben werden kann, ist der Anreiz für private<br />
Veranstalter, dem CBSC beizutreten, sehr groß. 177<br />
Die CRTC unterstützt zwar den Broadcast Standards Council in vollem Umfang, betont<br />
aber, dass sie ihre Aufgaben nach dem 1991 Broadcasting Act weiter wahrnehmen<br />
wird. 178 Sie verlangt jährliche Arbeitsberichte vom CBSC und hat zwar mehrfach angekündigt,<br />
dass sie die Effektivität der Arbeit des CBSC kontrollieren wird. 179 Dies ist<br />
jedoch bis heute nicht geschehen.<br />
173 CRTC, Public Notice, 1992–58, S. 10.<br />
174 CBSC, Annual Report, 1994, S. 1.<br />
175 CRTC, Public Notice, 1990-99 und Public Notice, 1991-109.<br />
176 In der CAB sind 90% der privaten Rundfunkveranstalter organisiert.<br />
177 Die Aufhebung der Lizenzbedingung für unbeanstandete Mitglieder des CBSC scheint mittlerweile<br />
eine reine Formalie zu sein, vgl. aus der Fülle der entsprechenden Entscheidungen der<br />
CRTC nur: CRTC 98-16, 98-15, 98-14, 98-13, 98-12, 98-11, 98-401. Sie kann ihrerseits wieder<br />
aufgehoben werden.<br />
178 CRTC, Public Notice, 1990-90.<br />
179 CRTC, News Release, 30. August 1991; CRTC, Public Notice, 1991–90, S. 7.<br />
521
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
VI. Das aktuelle Regulierungsmodell<br />
Der Bereich des Privatrundfunks wird zurzeit von dem Selbstkontrollgremium CBSC<br />
überwacht, wohingegen die öffentlich-rechtliche CBC mehr oder weniger ihre eigene<br />
Kontrolleurin ist. Beide unterstehen zwar formal der Rechtsaufsicht der CRTC, die jedoch<br />
von ihren Befugnissen im Programmbereich über die Erteilung von Lizenzen hinaus<br />
so gut wie keinen Gebrauch macht. 180 Folglich ist auch die Regulierung von Geschlechtsrollenklischees<br />
im Programm von der eigentlich nach dem 1991 Broadcasting<br />
Act zuständigen CRTC in die Hände der Selbstkontrolle übergegangen. Die Trennung<br />
geht sogar so weit, dass Rechtsverstöße eines Veranstalters, die vom CBSC moniert und<br />
beschieden werden, nicht in die Akte des Veranstalters bei der CRTC aufgenommen<br />
werden. 181 Die CRTC vertraut vollkommen darauf, dass der CBSC seiner Kontrollaufgabe<br />
gerecht wird. 182<br />
Die Arbeit des CBSC im Bereich von Geschlechtsrollenklischees wird im Wesentlichen<br />
bestimmt durch die Anwendung des 1990 von der CAB erlassenen und von der<br />
CRTC genehmigten Sex-Role Portrayal Code For Television and Radio Programming.<br />
183 Danach haben die Veranstalter für eine gleichberechtigte Darstellung von Frauen<br />
und Männern einzustehen. Die Fernsehcharaktere sollen möglichst vielfältig sein und<br />
die jeweils gegenwärtigen sozialen und beruflichen Lebensumstände, Errungenschaften<br />
und Interessen von Frauen und Männern widerspiegeln. Insbesondere sollen die Veranstalter<br />
für den Umstand sensibilisiert werden und ihm Rechnung tragen, welches Geschlechtsrollenmodell<br />
in ihrem Programm vorherrschend ist und es ändern, soweit es<br />
anachronistisch-traditionelle Züge aufweist. Für die CBC gelten die Guidelines on Sex-<br />
Role Portrayal184 , die die oben genannten Grundsätze bestätigen.<br />
Der CBSC ist außerdem zuständig für die Bearbeitung von und Entscheidung über<br />
Beschwerden von Zuschauerinnen und Zuschauern. 185 Eine kontinuierliche Programmüberwachung<br />
seitens des Council findet nicht statt. Soweit also Rechtsverstöße eines<br />
Veranstalters erfasst und geahndet werden sollen, muss die Initiative hierfür von den –<br />
in der Regel nicht gut über die Existenz der bestehenden Codes und Guidelines unterrichteten186<br />
– Zuschauerinnen und Zuschauern ausgehen. Die Beschwerde muss schriftlich<br />
ergehen und den Council innerhalb von 21 Tagen nach Ausstrahlung der beanstandeten<br />
Sendung erreichen. 187 Zunächst wird überprüft, ob die Beschwerde in den Regelungsbereich<br />
eines der Codes fällt. 188 Soweit der CBSC einen Verstoß gegen die<br />
Grundsätze des Codes feststellt, leitet er die Beschwerde an den Rundfunkveranstalter<br />
180 Interview mit Tara Rajan, Executive Director of the CBSC, 12. März 1996, Ottawa, Kanada.<br />
181 Interview mit Morag York und Alda dos Santos, Policy Analysts of the CRTC, am 13. März<br />
1996, CRTC National Office in Hull, Kanada.<br />
182 Ebd.<br />
183 Sex-Role Portrayal Code For Television and Radio Programming, vom 26. Oktober 1990.<br />
184 Guidelines on Sex-Role Portrayal, vom 12. August 1991.<br />
185 CRTC, Public Notice 1991-99.<br />
186 Die Rundfunksender weisen in ihren Programmen nicht auf die Existenz des Councils hin.<br />
MediaWatch informiert die Öffentlichkeit allerdings durch entsprechende Flugblätter, hält ein<br />
Beschwerdeformular bereit und hilft bei der Formulierung von Beschwerden.<br />
187 CBSC, Annual Report, 1994, S. 42.<br />
188 Nahezu die Hälfte der eingehenden Beschwerden ist nicht spezifisch genug, um in den Anwendungsbereich<br />
der Codes zu fallen. Solche Beschwerden werden vom CBSC nicht bearbeitet.<br />
522
von Kalckreuth-Tabbara · Geschlechtsrollenklischees<br />
weiter, der dann innerhalb von 14 Tagen dazu Stellung nehmen muss. Führt die Stellungnahme<br />
des Veranstalters nicht zur Zufriedenstellung der beschwerdeführenden Person,<br />
muss diese sich ein zweites Mal an den CBSC wenden und darstellen, wie sie und<br />
der Veranstalter das Problem diskutiert haben und warum sie der Ansicht ist, dass die<br />
Stellungnahme des Rundfunkveranstalters unzureichend war. 189 Die Beweislast für einen<br />
Rechtsverstoß des Veranstalters liegt bei den Rezipienten. Der Council klärt in diesem<br />
Stadium mit dem Veranstalter ab, ob Bereitschaft besteht, eine Entscheidung des<br />
CBSC als Beweis in einem eventuellen Gerichtsverfahren gegen sich wirken zu lassen,<br />
und unternimmt – soweit der Rundfunkveranstalter dem zustimmt – einen erneuten<br />
Schlichtungsversuch zwischen Veranstalter und der beschwerdeführenden Person. Erst<br />
wenn auch dieser scheitert, ergeht eine formelle Entscheidung des CBSC. 190 Fällt die<br />
Entscheidung zugunsten der beschwerdeführenden Person aus, ist der Rundfunkveranstalter<br />
verpflichtet, sie zur Hauptsendezeit auszustrahlen. Unabhängig von dem Ausgang<br />
der Entscheidung ergeht in jedem Fall eine Pressemitteilung an die regionalen <strong>Medien</strong>.<br />
191<br />
Mit Bezug auf Verstöße gegen den Sex-Role Portrayal Code hat es in den letzten Jahren<br />
nur relativ wenige Entscheidungen gegeben. Die Beschwerden betrafen die Darstellung<br />
einer Vergewaltigung 192 , des Häutens und Tötens von Frauen 193 , entwürdigende<br />
und beleidigende Sprache 194 , sexistische Kommentare 195 , „Erotikfilme“ bzw. „erotische“<br />
Darstellungen von Frauenkörpern 196 , die Darstellung von Frauen als Verführerinnen<br />
197 , Ausbeutung von Frauen in so genannten Fashion Shows 198 und generellen Sexismus<br />
gegenüber Frauen im Rundfunk.<br />
Nur ein Bruchteil der Entscheidungen ging zugunsten der Beschwerdeführerin aus.<br />
Dreimal wurde die in recht populäre und für ihre frauenmissachtende, konfrontative<br />
189 Interview mit Tara Rajan, a.a.O. FN 180.<br />
190 Ebd.<br />
191 CBSC, Annual Report, 1994, S. 42. Soweit die Entscheidung zu ungunsten der Beschwerdeführerin<br />
ausfällt, kann diese sich an die CRTC wenden.<br />
192 CBSC, News Release, Ottawa, August 31, 1995 (Complex of Fear, on the CTV Television<br />
Network), June 13, 1994; CBSC Decision 96/97-0140, Decides June 19, 1997, CKVU-TV re<br />
an episode on Nightstand.<br />
193 CBSC, News Release, Ottawa, August 25, 1995, (Silence of the Lambs on City-TV), February<br />
19, 1995.<br />
194 CBSC, News Release, Ottawa, May 25, 1995, (Beavis and Butt-Head on City-TV), November<br />
10, 199.<br />
195 CBSC, News Release, Ottawa, May 13, 1994, (Afternoon Show on CJSB-AM), August 20,<br />
1993; CBSC, News Release, Ottawa, January 27, 1994, (Morning Show on CHTZ-FM), April<br />
21, 1993.<br />
196 CBSC Decision 95/96-0233, Decided August 14, 1998, CFJP-RC re Été Sensuel (Erotikfilm),<br />
CBSC Decision 98/99-1098 und 1133, Decided November 19, 1999, Showcase TV re Bubbles<br />
Galore (Soft-Porno); CBSC Decision 96/97-0044, Decided February 14, 1997, CIHF-TV re<br />
an episode of Millennium (Strip Club); CBSC Decision 96/97-0104, Decided December 16,<br />
1997, CKX-TV re National Lamppon’s Animal House (Oben Ohne); CBSC Decision 98/909-<br />
0441, Decided February 21, 2000, TQS re the movie Strip Tease.<br />
197 CBSC Decision 95/96-0159, Decided December 16, 1997, DFSK-RV re an episode of Friends.<br />
198 CBSC, News Release, Ottawa, August 11, 1994, (Fashion Television aired on City-TV ), January<br />
23, 1994; CBSC, News Release, Ottawa, April 18, 1994, (Fashion Television Aired on<br />
City-TV), September 19, 1993; CBSC Decision 94/95-0089, Decided March 26, 1996, CITY-<br />
TV re Fashion Television.<br />
523
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
Ausrichtung bekannte Howard Stern Show zurecht gewiesen. 199 Obwohl der CBSC bei<br />
wiederholten Verstößen gegen die von ihm verwalteten Codes die Möglichkeit hat, dem<br />
verantwortlichen Sender die Mitgliedschaft zu entziehen (mit der Folge, dass dieser dann<br />
der – eventuell härteren – Aufsicht der CRTC unterstünde), hat der CBSC auf entsprechende<br />
Maßnahmen verzichtet und den Veranstaltern Glauben geschenkt, sie würden<br />
sich um eine bessere Durchforstung des Materials auf anstößige Szenen kümmern. 200<br />
Eine weitere Entscheidung betraf sexistische und herabwürdigende Kommentare. 201<br />
Die populärste Entscheidung zugunsten einer Beschwerdeführerin betraf die Radiosendung<br />
„Nude Bicycle Riding“. 202 Ein Radiosender aus Winnipeg hatte eine Sendung<br />
promotet, in der eine junge Frau nackt auf einem Fahrrad vom Zentrum der Stadt zu einem<br />
anderen Punkt fuhr. Zu hören war während dieser Fahrt ein Gespräch zwischen<br />
dem Studiomoderator und einem Reporter vor Ort. Das Gespräch drehte sich im Wesentlichen<br />
um die körperlichen Vorzüge der nackten Fahrradfahrerin („saucy“, „hot 18year-old<br />
lady“) und über den Wunsch, ihr sexuell näher zu kommen („to do her“, „you<br />
have her sit straight up on that saddle, buddy, when you stop“). Der Council stellt<br />
zunächst fest, dass das Konzept des „Nude Bicycling“ an sich nicht gegen den Sex-Role<br />
Portrayal Code verstoße. Es sei nicht ersichtlich, dass der Sender nicht auch einen nackten<br />
Mann auf seiner Fahrradfahrt durch die Stadt begleitet hätte. Der Council befand allerdings,<br />
dass das Gespräch der Moderatoren gegen clause 4 des Sex-Role Portrayal<br />
Code verstoßen habe, wonach die Kamera den Körper nicht in herabwürdigender Weise<br />
zeigen darf. 203 In analoger Anwendung auf die Beschreibung von Körper in einer Radiosendung<br />
begründet der Council einen Verstoß gegen die Vorschrift damit, dass auch<br />
anders über das Ereignis hätte berichtet werden können. Anstatt sich über die körperlichen<br />
Vorzüge der jungen Fahrradfahrerin und die sexuellen Notstände der Moderatoren<br />
zu unterhalten, hätten beispielsweise über die Reaktion der Passanten und Autofahrer<br />
berichtet werden oder Kommentare darüber gemacht werden können, wie jemand<br />
auf die Idee kommen kann, im Mai im windig-kalten Winnipeg unbekleidet Fahrrad<br />
zu fahren. Der Sender wurde verpflichtet, zur Prime Time innerhalb der nächsten<br />
30 Tage den genau vorgegebenen Wortlaut der Abmahnung zu senden.<br />
Bemerkenswert ist, dass fast die Hälfte der bei dem CBSC eingehenden Beschwerden<br />
von Männern stammen. 204 So sah sich beispielsweise ein Mann dadurch benachteiligt,<br />
dass ein Sender über den International Women’s Day berichtete, nicht aber über den von<br />
199 CBSC, News Release, Ottawa, October 17, 1997 (Howard Stern Show aired on CHOM-FM);<br />
CBSC, News Release, Ottawa, February 20, 1998 (Howard Stern Show aired on CILQ-FM);<br />
CBSC News Release, Ottawa, June 28, 2001 (Howard Stern Show aired on CILQ-FM).<br />
200 CBSC, News Release, Ottawa, February 20, 1998 (Howard Stern Show aired on CILQ-FM).<br />
201 CBSC, News Release, Ottawa, January 31, 2001 (WWF Raw is War aired on TSN).<br />
202 CBSC Decision 98/99-0476, Decided November 18, 1999, CJKR-FN re a radio contest (Nude<br />
Bicycle Riding).<br />
203 Clause 4 des Sex-Role Portrayal Codes: „Camera focus on areas of the body an similar modes<br />
of portrayal should not be degrading to either sex.“<br />
204 CBSC Decision 95/96-0236, Decided May 8, 1997, CIII-TV re PSA (Bericht über eine junge<br />
Lehrerin); CBSC Decision 97/98-0542, Decided July 28, 1998, CTV re W5 (Bericht über Vergewaltigungsdrogen,<br />
Sexual Assault Drugs); CBSC Decision 95/96-0140, Decided April 30,<br />
1996, CTV re PSA (Family Abuse Crisis Exchange) (Bericht über die Gefahr von sexuellem<br />
Missbrauch in der Familie); CBSC Decision 95/96-0145, Decided October 21, 1996,<br />
CFRA-AM re Family Fortune (Bericht über finanzielle Angelegenheiten, die insbesondere<br />
Frauen betreffen).<br />
524
von Kalckreuth-Tabbara · Geschlechtsrollenklischees<br />
dem Beschwerdeführer eingerichteten Ottawa Men’s Day. 205 Die Nutzung des Council<br />
von Männern, die sich gegen eine Ungleichbehandlung gegenüber Frauen wehren, fügt<br />
sich in den allgemein festzustellenden Trend ein, dass geschlechtsneutral formulierte<br />
Gleichberechtigungsgesetzgebung, die primär dazu geschaffen wurde, die gesellschaftlich<br />
bedingte benachteiligte Stellung von Frauen auszugleichen, von Männern genutzt<br />
wird. 206 Auch die kanadische Rundfunkregulierung sieht sich mit dem Problem konfrontiert,<br />
dass Frauen häufig weder über die Information noch über die Mittel verfügen,<br />
sich die rechtlichen Regelungen zunutze zu machen. 207<br />
C. Kanadische Erfahrungen: Ein Modell für Deutschland?<br />
Auch wenn sich nach über dreißig Jahre währenden Bemühungen um eine Regulierung<br />
von Geschlechtsrollenklischees in Kanada keine einwandfrei messbaren qualitativen<br />
oder quantitativen Erfolge auf der Programmebene nachweisen lassen, wäre es verfehlt,<br />
die kanadischen Erfahrungen als Misserfolg zu werten. Obwohl auch die Regulierungsbemühungen<br />
in diesem Bereich allgemeineren Modetrends in der Regulierung des<br />
Rundfunks unterlagen, so bleibt es bemerkenswert, dass die kanadische Rundfunkregulierung<br />
bei allen Schwierigkeiten und Rückschlägen an dem Ziel, ein gleichberechtigtes<br />
und innovatives Frauenbild in den Rundfunkmedien zu fördern, festgehalten hat. Die<br />
Problematik eines verfälschenden, diskriminierenden Frauenbildes gehört mittlerweile<br />
zum festen Bestandteil der rundfunkpolitischen und -rechtlichen Agenda in Kanada.<br />
Dieser in Gang gesetzte Prozess einer umfassenden Bewusstseinsbildung, der als unablässige<br />
Voraussetzung aller „messbaren“ Erfolge auf Programmebene gelten muss,<br />
bildet daher auch die größte Errungenschaft der kanadischen Regulierung von Geschlechtsrollenklischees.<br />
Der Versuch einer Übertragung von Regulierungsmodellen von einem Land auf ein<br />
anderes ist stets ein höchst voraussetzungsvolles Unterfangen. Dies gilt insbesondere für<br />
den Bereich der <strong>Medien</strong>regulierung, der in besonderem Maße von kulturellen Eigenheiten<br />
der jeweiligen Länder bestimmt wird. Gleichwohl könnte Deutschland von den<br />
kanadischen Erfahrungen im Umgang mit Geschlechtsrollenklischees im Rundfunk<br />
profitieren. Aus den verschiedenen Phasen der Geschlechtsrollenklischeeregulierung<br />
in Kanada, die auf unterschiedliche Kombinationen von Fremd- und Selbstregulierung<br />
setzten, ist dabei zunächst vor allem zu lernen, dass es für die Vermeidung von Geschlechtsrollenklischees<br />
im Rundfunk keine Patentmodelle gibt, sondern dass sich alle<br />
Beteiligten auf einen mühsamen Prozess des Experimentierens und Lernens einzustellen<br />
haben. Dass die Fragen geschlechtsspezifischer Vielfalt trotz aller zu verzeichnenden<br />
Schwierigkeiten in Kanada nie von der Tagesordnung verschwunden sind, ist insbesondere<br />
auch ein Verdienst feministischer <strong>Medien</strong>organisationen wie MediaWatch, die es<br />
verstanden haben, einen beständigen öffentlichen Druck zu entfalten. Ein solcher öffentlicher<br />
Druck lässt sich freilich nicht einfach regulatorisch dekretieren, noch sonst<br />
wie künstlich erzeugen. Für die Rundfunkregulierung in Deutschland kann die bislang<br />
205 CBSC Decision 95/96-0157, Decided Ocotber 21, 1996, CFRA-AM re International Women’s<br />
Day.<br />
206 Vgl. für den Bereich der Diskriminierung im Arbeitsrecht nur: EuGH, Urteil vom 22.04.1998<br />
(Draehmpahl); EuGH, Urteil vom 17.10.1995 (Kalanke).<br />
207 Vgl. zu diesem Themenkomplex, der im amerikanischen „silencing“ genannt wird, ausführlich:<br />
Kalckreuth, a.a.O. FN 3, S. 68ff.<br />
525
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
noch zu konstatierende Abwesenheit solcher Formen organisierter Öffentlichkeit<br />
gleichwohl keine Legitimation für regulative Tatenlosigkeit sein. Eine ganze Reihe von<br />
den Landesmedienanstalten in den letzten Jahren in Auftrag gegebene Gutachten zeigen<br />
denn auch, dass bei den deutschen Rundfunkregulierern erste Ansätze für eine Problemwahrnehmung<br />
in diesem Bereich vorhanden sind. 208 Allerdings gilt es nun, über die<br />
bloße Problembeschreibung hinauszugelangen und stärker Forschungen zu initiieren,<br />
die die Frage ausloten, welche strukturellen, prozeduralen und organisatorischen Veränderungen<br />
im Bereich der Programmaufsicht, aber auch gerade in der Programmproduktion<br />
selbst einer Vermeidung von Geschlechtsrollenklischees zuträglich wären.<br />
Was schließlich die konkreten Ansätze einer Regulierung von Geschlechtsrollenklischees<br />
angeht, lehren die kanadischen Erfahrungen, dass es weniger auf die exakte Formulierung<br />
etwaiger Programmgrundsätze und -richtlinien ankommt, als vielmehr darauf,<br />
einen möglichst revisionsoffenen Prozess in Gang zu setzen, in den alle Akteure<br />
durch einen ständigen Austausch einzubinden sind. Aufgabe der Rundfunkregulierung<br />
könnte es dabei sein, die Vernetzung der bestehenden Fraueninitiativen in den Rundfunkanstalten<br />
209 und der Frauenbeauftragten der Sender bzw. Aufsichtsgremien zu<br />
fördern. Ein weiterer Schritt könnte in dem Ausbau von Frauenquoten im redaktionellen<br />
wie im Aufsichtsbereich bestehen 210 – auch hier ließe sich aus den Bemühungen in<br />
Kanada lernen.<br />
Insoweit die kanadischen Anstrengungen zur Regulierung von Geschlechtsrollenklischees<br />
zeigen, dass eine Regulierung gegen den Willen der Rundfunkveranstalter kaum<br />
Aussicht auf Erfolg hat, bestätigen sie nochmals eine allgemeine Erkenntnis internationaler<br />
<strong>Medien</strong>regulierung. 211 Dies sollte aber kein Anlass zur Resignation sein. So belegten<br />
Jutta Röser und Claudia Kroll 212 in einer Studie für das nordrhein-westfälische Familienministerium,<br />
dass die Mehrheit der weiblichen und männlichen Zuschauer lieber<br />
innovative und moderne Frauenrollen im Fernsehen sähe, als sich mit dem Abspulen von<br />
Klischees zu begnügen. Hier ist es also an der Öffentlichkeit und den Regulierern, Überzeugungsarbeit<br />
zu leisten, um die Veranstalter auf das ökonomische Potenzial aufmerksam<br />
zu machen, das die Entwicklung eines pluralistischen Frauenbildes mit sich bringen<br />
kann.<br />
208 Vgl. die Studie der LfR NRW: Werner, Petra / Ringsdorf, Lars: Ausgeblendet? – Frauenbild<br />
und Frauenthemen im nordrhein-westfälischen Lokalfunk, Opladen, 1998; die Studien der<br />
ULR: Dinkelacker, Karin / Moser, Klaus: Gewalt gegen Frauen in den <strong>Medien</strong>, Kiel, 1996 sowie<br />
Bad Girls – Good Girls. Das Frauenbild im Fernsehen, Dokumentation der Veranstaltung<br />
vom 26. Märtz 1996; die Studie der HAM: Scarbath u.a., a.a.O. FN 4 sowie den Beitrag der<br />
NLM: <strong>Medien</strong>gespräch: „Das Bild der Frau im Fernsehen“, November 1997.<br />
209 Vgl. zu den bestehenden Netzwerken im Einzelnen: Kalckreuth, a.a.O. FN 3, S. 117ff.<br />
210 Zum Teil wird dies im öffentlich-rechtlichen Rundfunk über die Gleichstellungsgesetze der<br />
Länder bereits erfüllt. Die Landesmedien- und Rundfunkgesetze sehen darüber hinaus teilweise<br />
detaillierte Modelle zur anteiligen Berücksichtigung von Frauen in ihren Instanzen vor.<br />
So kennen z.B. das niedersächsische Landesmediengesetz sowie der NDR-Staatsvertrag in<br />
§ 55 Abs. 4 S. 1 LRG Nds bzw. § 17 Abs. 2 NDR-StV eine Muss-Quotierung und Thüringen<br />
bzw. Hessen sehen ein Kooptationsmodell vor (vgl. § 45 Abs. 4 TRG bzw. § 5 Abs. 5 HRG).<br />
211 Vgl. hierzu zuletzt eingehend Hoffmann-Riem, Wolfgang: Regulating Media: The Licensing<br />
and Supervision of Broadcasting in Six Countries, New York, 1996.<br />
212 Röser, Jutta / Kroll, Claudia: Was Frauen und Männer vor dem Bildschirm erleben. Rezeption<br />
von Sexismus und Gewalt im Fernsehen. Ministerium für die Gleichstellung von Frau und<br />
Mann des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.), Hamm, 1995.<br />
526
von Kalckreuth-Tabbara · Geschlechtsrollenklischees<br />
Am Ende steht, wie so oft bei Fragen der Geschlechtergerechtigkeit, aber der lange<br />
Atem, der notwendig ist, um einen dynamischen Regulierungsprozess anzustoßen und<br />
am Leben zu erhalten. Dieser Prozess muss ebenso ergebnisoffen sein, wie das zu verändernde<br />
Frauenbild selbst. Er kann nur erfolgreich sein, wenn er nicht in ein starres<br />
Korsett zu erfüllender Grenzwerte gesteckt wird, sondern aus sich selbst heraus immer<br />
wieder verändert und den neuen gesellschaftlichen und regulatorischen Anforderungen<br />
angepasst werden kann.<br />
527
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
<strong>Medien</strong>- und <strong>Kommunikations</strong>forschung<br />
in Spanien – ein Überblick<br />
Daniel E. Jones<br />
Der Beitrag gibt einen kurzen Überblick über die historische Entwicklung der <strong>Medien</strong>und<br />
<strong>Kommunikations</strong>forschung in Spanien nach dem Ende des Franco-Regimes und<br />
nennt heutige Institutionen, Themen und Autoren in den wichtigsten Forschungsbereichen.<br />
1. Einführung<br />
In Spanien hat sich der Wissenschaftszweig „communicación social“ – übersetzt: soziale<br />
Kommunikation – langsamer als im übrigen Europa und den USA entwickelt, in einigen<br />
Bereichen sogar langsamer als in Lateinamerika. Die Ursache liegt in der langen<br />
Herrschaft des Franco-Regimes (1939 – 1975), das die Entwicklung der Forschung in<br />
diesem Feld nicht gerade begünstigte, obwohl bereits im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts<br />
einige wichtige Lehrtexte veröffentlicht wurden – vor allem in den Bereichen Presse<br />
und Öffentliche Meinung und in geringerem Umfang auch in den Bereichen Filmkunst,<br />
Rundfunk und Werbung.<br />
Die Konsolidierung der <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> erfolgte nach der Franco-Zeit,<br />
besonders in den 80er und 90er Jahren des 20. Jahrhunderts, als in verschiedenen Regionen<br />
des Landes informations- bzw. kommunikations<strong>wissenschaft</strong>liche Fachbereiche<br />
eingerichtet wurden. Dieser Artikel gibt eine Übersicht über die Entwicklung der Forschung<br />
in diesem Gebiet und zeigt, wer die wichtigsten Akteure waren und sind1 .<br />
Bislang wurde in Spanien noch kein Beitrag veröffentlicht, der die Herausbildung der<br />
<strong>Kommunikations</strong>- und <strong>Medien</strong>forschung, ihre Strömungen, Schulen, Autoren, Institutionen<br />
umfassend darstellt, und es gibt – anders als in anderen Ländern, die bereits über<br />
einige Studien in diesem Bereich verfügen – nur wenige Annäherungen aus unterschiedlichen<br />
Perspektiven. Teilweise ist dies bedingt durch das immer noch geringe Ansehen,<br />
das diese Art von Studien in spanischen Wissenschaft genießen. In den Vereinigten<br />
Staaten und in Kanada dagegen haben verschiedene Forscher die Entwicklung des<br />
Wissenschaftsbereichs rekonstruiert und erklärt2 ; Ähnliches ist in verschiedenen europäischen<br />
Ländern geschehen3 , und auch in Lateinamerika gibt es einige herausragende<br />
Beiträge aus jüngerer Zeit4 .<br />
1 Eine detailliertere Fassung dieses Überblicks findet sich in Jones (1998).<br />
2 Dazu gehören Forscher wie Charles R. Berger, Eleanor Blum, Steven H. Chafee, Garland C. Elmore,<br />
Hanno Hardt, Elihu Katz, Emile G. McAnany, Raymond B. Nixon, David Paletz, Everett<br />
M. Rogers und Wilbur Schramm in den USA und Vincent Mosco und Dallas W. Smythe in<br />
Kanada.<br />
3 In Großbritannien waren entsprechende Wissenschaftler vor allem Jay Blumler, John Corner,<br />
David Crowley, James Curran, Michael Gurevitch, Jeremy Hawthorn und David Mitchell, in<br />
Frankreich Francis Balle, Patrice Flichy, Armand Mattelart und Bernard Miège, in Italien Marino<br />
Livolsi, Paolo Mancini, Franco Rositi und Mauro Wolf.<br />
4 In Mexiko entsprechend hervorgetreten sind Raúl Fuentes Navarro, Guillermo Orozco Gómez<br />
und Enrique E. Sánchez Ruiz, in Brasilien Maria Immacolata Vassallo Lopes und José Marques<br />
528
Jones · <strong>Kommunikations</strong>forschung in Spanien<br />
Obwohl es im spanischen Falle also noch keine umfassende Aufarbeitung gibt, lassen<br />
sich doch Beiträge einiger Autoren nennen, die in den letzten Jahren entstanden sind:<br />
Außer der Pionierarbeit Beneytos (1969) haben Equiza Escudero (1986), Moragas (1988,<br />
1990, 1997), Parés I Maicas (1988, 1997a), Caffarel-Domínguez-Romano (1989), Cáceres-Caffarel<br />
(1993), Urabayen (1994) und Jones (1995a, 1998, 2000) Arbeiten über die<br />
<strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> in Spanien während der Regierungszeit Francos vorgelegt.<br />
Darüber hinaus wurden Arbeiten zu Teilbereichen veröffentlicht: historiographischer<br />
Natur (Altabella, 1983; Gómez Mompart, 1996), zur Werbung (Herreros Arconada,<br />
1994), über ökonomische Aspekte (Jones, 1995b) oder zum Bereich Dokumentation<br />
(López Yepes, 1995). Liegen damit auch einige Analysen in spanischer Sprache vor,<br />
so ist der Werdegang der spanischen <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> in Deutschland<br />
noch weitestgehend unbekannt. Vorliegender Text möchte daher einen Gesamtüberblick<br />
liefern, bei dem zunächst zur Kontextualisierung einige Bezüge in die frühere Vergangenheit<br />
geknüpft werden sollen und anschließend die 90er Jahre des 20. Jahrhunderts<br />
detaillierter beschrieben werden.<br />
Die Einordnung erfolgt unter Berücksichtigung der territorialen Verteilung der Forschung<br />
innerhalb des Landes. Im Folgenden werden die entwickeltsten Forschungsbereiche<br />
näher betrachtet: Geschichte, Politik, ökonomische Fragen und Struktur, Theorie<br />
und Soziologie der Kommunikation; Journalismus; Informationstechnologie, Dokumentation,<br />
Ethik, Recht und politische Kommunikation; Erziehung und Werbung,<br />
Marketing und Public Relations. Das Fazit bilden einige Schlussfolgerungen und Anmerkungen<br />
über zukünftige Tendenzen.<br />
1. Historische Vorläufer<br />
Die Mehrzahl der in Spanien durchgeführten Analysen über <strong>Kommunikations</strong>phänomene<br />
sind jüngerer Natur, zumindest diejenigen, die sich als <strong>wissenschaft</strong>lich einstufen<br />
lassen. Bereits seit Ende des 19. Jahrhundert hat sich jedoch eine Reihe von Forschern<br />
– in der Verwaltung, der katholischen Kirche, den Universitäten, aus privater Initiative<br />
oder auch aus systemkritischem Antrieb – zu verschiedenen Zeitpunkten damit<br />
beschäftigt, die soziale Kommunikation aus unterschiedlichen theoretischen Blickwinkeln<br />
zu analysieren.<br />
In Übereinstimmung mit den Phasen der Landesgeschichte lassen sich die Beiträge<br />
zum Thema drei Perioden zuordnen: die erste endet mit dem Bürgerkrieg, die zweite<br />
umfasst den Zeitraum des Franco-Regimes und die dritte die derzeitige demokratische<br />
Periode.<br />
1.1 Das Ende des 19. und das erste Drittel des 20. Jahrhunderts<br />
Die ersten spanischen Forschungsarbeiten zur Geschichte und Berufsausübung im Pressewesen,<br />
zur Öffentlichen Meinung und zu Karikaturen entstanden Ende des 19. und<br />
Anfang des 20. Jahrhunderts; unter ihnen ragen die Arbeiten Manual del perfecto periodista<br />
(Handbuch des perfekten Journalisten) von Carlos und Ángel Osorio y Gallardo<br />
(Madrid 1891), El periodismo (Das Zeitungswesen) von Modesto Sánchez Ortiz (Madrid<br />
1903) und El arte y el periodista (Die Kunst und der Journalist) von Rafael Mainar (Bar-<br />
de Melo, in Argentinien Jorge B. Rivera, in Kolumbien Jesús Martín Barbero sowie in Venezuela<br />
Jesús M. Aguirre und Marcelino Bisbal.<br />
529
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
celona 1906) heraus, die sich wohl als die ersten Handbücher zum Journalismus in Spanien<br />
bezeichnen lassen.<br />
In den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts konsolidierten sich die Massenmedien<br />
– besonders in Madrid, in Katalonien und im Baskenland – im Zuge der Industrialisierung,<br />
Urbanisierung und Alphabetisierung, durch den steigenden Lebensstandard<br />
und das Entstehen einer Konsumgesellschaft. Hierdurch entwickelte sich das<br />
Pressewesen in Unternehmensform, es entstanden ein Werbemarkt und neue audiovisuelle<br />
Industrien, besonders die Film-, Hörfunk- und Musik(Schallplatten-)industrie.<br />
Und so veröffentlichten diverse spanische Autoren in diesem Zeitraum die ersten Bücher<br />
zu technischen, beruflichen oder moralischen Aspekten der Werbung, des Filmwesens,<br />
des Hörfunks und des Fernsehens.<br />
In den folgenden Jahren der Diktatur (1923 – 1930) und der 2. Republik (1931 – 1936)<br />
erschienen zahlreiche Titel – sowohl Bücher als auch Zeitschriften – über die genannten<br />
<strong>Medien</strong>. Gleichzeitig etablierte sich die Journalistenschule El Debate (1926 – 36) in Madrid,<br />
gegründet von dem späteren Kardinal Ángel Herrera Oria, der so die Rolle der Kirche<br />
als ideologische Führerin der spanischen Gesellschaft realisieren wollte. Mit Beginn<br />
des Bürgerkrieges und mit dem Sieg der aufständischen Falangisten fand diese Entwicklung<br />
jedoch ein Ende. 5<br />
1.2 Die Bedingungen während des Franco-Regimes<br />
Die zweite Phase, die den langen Zeitraum der Herrschaft Francos umfasst, lässt sich –<br />
wie die Geschichte des Regimes selbst – wiederum in verschiedene Etappen unterteilen,<br />
von der ersten Zeit der wirtschaftlichen und kulturellen Autarkie, dem politischen Faschismus<br />
und der strengen ideologischen Zensur bis zur Liberalisierung der letzten<br />
Jahre. Diese wirtschaftlichen, politischen und sozialen Veränderungen betrafen wesentlich<br />
auch das System der Massenkommunikation und somit ebenso die <strong>wissenschaft</strong>liche<br />
Arbeit über dieses Thema. Diese Forschung lässt sich in ihren Anfängen weniger durch<br />
die Verwendung sozial<strong>wissenschaft</strong>licher Methoden charakterisieren, es gab vielmehr<br />
eine schwer überschaubare Zahl an Konferenzen, Sachtexten, Kolloquien und Vorlesungen,<br />
was den Anschluss an die Forschung in anderen Ländern enorm erschwerte<br />
(Moragas 1981, Equiza Escudero 1986).<br />
1941 wurden die „Escuela Oficial de Periodismo“ – EOP („Offizielle Schule für Journalismus“)<br />
und 1942 die Zeitschrift Gaceta de la Prensa Española (Fachzeitung der spanischen<br />
Presse) gegründet, die beide abhängig waren von der „Delegación Nacional de<br />
Prensa y Propaganda“, dem von Juan Aparicio geleiteten Zensurapparat des Regimes,<br />
und dreißig Jahre existierten. Während die Journalistenschule dazu diente, dem Franco-<br />
Regime ergebene Journalisten auszubilden, diente der Zeitschrift der Verbreitung zahlreicher<br />
Artikel im so genannten „akademisch-faschistischen“ Stil über das Forschungsfeld:<br />
Im Laufe der Jahre erschien eine Vielzahl der Bildung dienender Artikel über die<br />
Presse und den Journalismus.<br />
5 In den 30er Jahren wurde die erste Doktorarbeit über die Presse in Spanien veröffentlicht, an einer<br />
deutschen Universität: Alfred Kästner, Die spanische Presse (Leipzig: Universität Leipzig,<br />
1926). Auch wurde die erste Doktorarbeit an einer spanischen Universität veröffentlicht: Antonio<br />
Rumeu de Armas, Bosquejo histórico de la censura literaria gubernativa en España desde<br />
el año 1700 a 1833 (Madrid: Universidad de Madrid, 1935).<br />
530
Jones · <strong>Kommunikations</strong>forschung in Spanien<br />
Nach der Niederlage der Achsenmächte 1945 modifizierte Franco sein Staatsmodell,<br />
um die große internationale Opposition seinem Regime gegenüber einzudämmen. In<br />
dieser Situation bekamen die konfessionellen Bereiche stärkeres Gewicht, die der „Asociación<br />
Católica Nacional de Propagandistas“ („National-katholischer Propagandistenverband“,<br />
ACNP) nahe standen. Diese erlangten die Kontrolle über das Ministerium für<br />
Nationale Erziehung und richteten ab 1946 Sommerkurse für Journalisten an der Universidad<br />
Internacional Menéndez Pelayo in Santander ein. Fernando Martín-Sánchez<br />
Juliá, einer der herausragenden Ideologen der ACNP, war federführend bei der Ausarbeitung<br />
des Gesetzes über Presse und Druck von 1966 und erstellte mehrere Lehrtexte<br />
über die Rolle des journalistischen Unternehmens in einem kapitalistischen Staat, wie er<br />
in Spanien entstehen sollte.<br />
Die „Escuela Oficial de Periodismo“ in Madrid, die bis 1958 die einzige Lehranstalt<br />
im <strong>Kommunikations</strong>sektor war, arbeitete so gut wie gar nicht auf dem Gebiet der Forschung.<br />
Dasselbe lässt sich von der Filiale der EOP in Barcelona sagen, der „Escuela<br />
Oficial de Publicidad“ (Werbung). Und Gleiches gilt auch für die anderen beiden Akademien<br />
der kirchlichen Journalismus-Schule, der „Escuela Oficial de Cinematografía“<br />
(Film) und der „Escuela Oficial de Radiodifusión y Televisión“ (Hörfunk und Fernsehen),<br />
sowie die Universitäten, obwohl es einige Ausnahmen gab 6 .<br />
Bis zum Erscheinen des Klassikers Mass communications: un panorama de los medios<br />
de información en la sociedad moderna von Juan Beneyeto (Madrid 1957) ist in Spanien<br />
über den Bereich der Kommunikation so gut wie nichts veröffentlicht worden, was aus<br />
<strong>wissenschaft</strong>licher Perspektive heraus erwähnenswert wäre. In den 50er Jahren wurden<br />
auch die ersten Doktorarbeiten veröffentlicht, die sich <strong>wissenschaft</strong>lich der spanischen<br />
Presse zuwandten, allerdings derjenigen des 18. und 19. Jahrhunderts: Nipho y el periodismo<br />
español del siglo XVIII (Der Journalist Nipho und das spanische Zeitungswesen<br />
im XVIII. Jahrhundert) von Luis Miguel Enciso Recio (Universidad de Valladolid,<br />
1955), und La prensa diaria de Barcelona de 1895 a 1910 (Die Tagespresse in Barcelona<br />
von 1895 bis 1910) von Mª Carmen García-Nieto París (Universidad de Barcelona,<br />
1958).<br />
Erst in den 70er Jahren wurden neue Studien in- oder ausländischer Autoren in Spanien<br />
veröffentlicht, vor allem dank der herausgeberischen Tätigkeit der Universidad de<br />
Navarra. Inhaltlich anspruchsvolle Publikationen aus spanischer Produktion gab es immer<br />
noch kaum, während in Europa und in den USA deutliche Fortschritte erzielt wurden<br />
und viele der entsprechenden Veröffentlichungen durch Schmuggel oder über Lateinamerika<br />
7 , wo sie übersetzt wurden, nach Spanien gelangten. Bei den Zeitschriften,<br />
sowohl bei den <strong>wissenschaft</strong>lichen als auch bei den berufsbezogenen Fachzeitschriften,<br />
sah es nicht besser aus, und auch nicht bei den <strong>wissenschaft</strong>lichen Einrichtungen.<br />
6 Bedeutende Forscher der Franco-Periode waren José Altabella, Aníbal Arias Ruiz, Juan Beneyto,<br />
Ángel Benito, Luka Brajnovic, Salustiano del Campo, José Ángel Castro Fariñas, Juan<br />
Díez Nicolás, Gabriel Elorriaga, Ángel Faus Belau, Pedro Gómez Aparicio, Luis Gómez Mesa,<br />
Nicolás González Ruiz, Luis González Seara, José Luis Martínez Albertos, Alejandro Muñoz<br />
Alonso, Alfonso Nieto, Pedro Prat Gaballí, Andrés Romero Rubio, Francisco Sanabria Martín,<br />
Joan Torrent, Jesús M. Vázquez, José Vidal Beneyto und Jorge Xifra Heras.<br />
7 Die von Nueva Visión und Troquel (in Buenos Aires) veröffentlichten Bücher sowie die von<br />
CIESPAL (Quito) herausgegebenen Werke sollten hier Erwähnung finden, ebenso Zeitschriften<br />
wie Comunicación y Cultura (herausgegeben zunächst in Santiago de Chile, später in Buenos<br />
Aires und dann in Mexiko) und Chasqui („Bote“, ebenfalls von CIESPAL)<br />
531
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
Während der letzten Dekade der Franco-Zeit – in der bereits von einer „spanischen<br />
Informationslehre“ gesprochen wurde – existierten öffentliche Einrichtungen, die sich<br />
der Forschung in den Bereichen Information, Propaganda, Öffentliche Meinung, Werbung<br />
und audiovisuelle Kommunikation aus einer soziologischen Betrachtungsweise<br />
näherten. Es handelte sich dabei um die Abteilung „Dokumentation“ beim Ministerium<br />
für Information und Tourismus, das die Zeitschrift Revista Española de Documentación<br />
und den Nachfolgetitel Estudios de Información (1965 – 72) herausgab, das „Instituto de<br />
la Opinión Pública“ („Institut für öffentliche Meinung“), das die Zeitschrift Revista<br />
Española de la Opinión Pública (1965 – 77) unterhielt, das „Instituto Nacional de<br />
Publicidad“ („Nationales Institut für Werbung“), welches Publicidad herausgab (1965<br />
– 75), das „Instituto Oficial de Radio y Televisión“ („Institut für Radio und Fernsehen“),<br />
das die Cuadernos de Documentación (1965 – 77) herausgab, und das „Instituto<br />
de Ciencias Sociales“ („Institut für Sozial<strong>wissenschaft</strong>en“) der Provinzverwaltung von<br />
Barcelona, das für die Revista del Instituto de Ciencias Sociales (1966 – 77) verantwortlich<br />
zeichnete. Diese Publikationen mit dokumentarischer und theoretischer Ausrichtung<br />
veröffentlichten viele Artikel in- und ausländischer Experten auf höherem akademischen<br />
und <strong>wissenschaft</strong>lichen Niveau, sie waren in ideologischer Hinsicht jedoch stets<br />
regimetreu (Beneyeto 1969).<br />
Gleichzeitig entstanden einige kritische Arbeiten über die „Informations- und Kulturindustrie“,<br />
die aus marxistischer Perspektive eine Wirklichkeit zu erklären versuchten,<br />
die dem spanischen Volk bis dahin verborgen geblieben war. Es handelte sich um<br />
engagierte Arbeiten, geboren aus den politischen und sozialen Umständen dieser Jahre.<br />
Besonders hervorzuheben ist hier das Buch Informe sobre la Información (Information<br />
über Informationen) von Manuel Vázquez Montalbán (Barcelona 1962), das sich in kurzer<br />
Zeit zu einem Referenzwerk entwickelte, das nicht nur von Journalisten oder solchen,<br />
die es werden wollten, sondern auch von Studierenden und Forschenden verschiedener<br />
Disziplinen eifrigst rezipiert wurde.<br />
Seit 1958 arbeitete in Pamplona das Journalismusinstitut der Universität von Navarra<br />
(Instituto de Periodismo de la Universidad de Navarra) – wie die gesamte Universität<br />
gefördert vom katholischen Laienorden Opus Dei –, das 1971 – zeitgleich mit der Gründung<br />
der informations<strong>wissenschaft</strong>lichen Fakultäten in Madrid und Barcelona – ebenfalls<br />
in einen Fachbereich umgewandelt wurde. Von Anfang an verfügte diese Einrichtung<br />
über Forscher, die das Institut an die Spitze der damaligen <strong>wissenschaft</strong>lichen Arbeit<br />
in Spanien brachten. Die sorgfältigen Publikationen über die eigene Forschung und<br />
die Übersetzungen ausländischer Autoren waren in anderen Einrichtungen im Lande<br />
und in Lateinamerika, wo es an qualifiziertem Personal und an Finanzmitteln mangelte,<br />
sehr beliebt.<br />
1.3 Expansion in jüngerer Zeit<br />
Seit dem Ende des Franco-Regimes Mitte der 70er Jahre hat Spanien entscheidende politische,<br />
soziale und kulturelle Umwälzungen erlebt. Das autoritäre, durch das Fehlen<br />
von politischer Freiheit und von Meinungsfreiheit gekennzeichnete Regime wandelte<br />
sich allmählich in ein neues demokratisches System – eine parlamentarische Monarchie<br />
–, konsolidiert durch die Inkraftsetzung der Verfassung von 1978. Das neue Grundgesetz,<br />
das unter anderem die Freiheit politischer Verbände, die Meinungsfreiheit und<br />
wirtschaftliche Freiheit garantiert, hat den derzeitigen „Estado de Autonomías“ (Staat<br />
der autonomen Regionen) hervorgebracht, der durch eine starke Stellung der Regionen<br />
charakterisiert ist. Auf diese Weise wurde sehr vorsichtig die Existenz eines multinatio-<br />
532
Jones · <strong>Kommunikations</strong>forschung in Spanien<br />
nalen und multikulturellen Staates garantiert, zusammengesetzt aus verschiedenen historisch<br />
gewachsenen Völkern mit ihren je eigenen Sprachen und Kulturen, vereinigt in<br />
der Gleichheit von Rechten und Freiheiten.<br />
Diese großen allgemeinen soziopolitischen Veränderungen, die die ganze spanische<br />
Gesellschaft betrafen, wurden begleitet durch andere, spezifischere auf dem Gebiet der<br />
Kommunikation und der Massenmedien. Das Konsumniveau ist beträchtlich gestiegen,<br />
und zwar in sämtlichen Bereichen und bei allen Arten von Gütern und Dienstleistungen<br />
im <strong>Medien</strong>- und Kultursektor. Die neuen dominanten Akteure im <strong>Kommunikations</strong>sektor<br />
– die als marktführende Unternehmen im Pressesektor entstanden und sich in<br />
multimedial positionierte Unternehmensgruppen wandelten – forderten bald die Liberalisierung<br />
des Hörfunk- und Fernsehsektors und die Abschaffung der staatlichen <strong>Kommunikations</strong>medien.<br />
Konzentrationsstrategien bei den aus dem Pressewesen stammenden<br />
Unternehmensgruppen – im Wesentlichen Godó, Prisa und Zeta – sollten den Zugang<br />
zum Fernsehmarkt erleichtern. Ab 1983 wurde das staatliche Fernsehmonopol<br />
schrittweise aufgehoben, zunächst durch die Schaffung öffentlich-rechtlicher Sender in<br />
sechs Regionen, dann 1989 durch die Vergabe von drei landesweiten Lizenzen für privates<br />
Fernsehen. Gleichzeitig drängten im Zuge der Liberalisierung der spanischen<br />
Gesetzgebung und der Anpassung an EG-Normen, die mit Einschränkungen auch im<br />
Fernsehsektor umgesetzt wurden, immer stärker internationale (ausländische), vor<br />
allem europäische Unternehmen auf den Markt.<br />
Die Umwälzungen der letzten dreißig Jahre haben starke Auswirkungen auf den Kultur-<br />
und <strong>Kommunikations</strong>sektor, auf seine Industrien und <strong>Medien</strong> gehabt. Entscheidende<br />
Veränderungen gab es vor allem in der Präsentation und bei den Inhalten, aber<br />
auch in Bezug auf die Gesellschaftsformen und Besitzstrukturen der Unternehmen. Verschiedene<br />
Akteure – darunter einige entscheidende aus der Franco-Zeit 8 – verloren an<br />
Bedeutung oder verschwanden ganz, um schrittweise durch neue Akteure anderer Prägung<br />
ersetzt zu werden, die gegen Ende des 20. Jahrhunderts die wirtschaftliche Macht<br />
und Meinungsführerschaft errungen haben.<br />
Die Veränderungen betrafen jedoch in hohem Maße auch die berufliche und die <strong>wissenschaft</strong>liche<br />
Sphäre. In beiden Bereichen gab es in den letzten Jahren ein exponentielles<br />
Wachstum, bedingt unter anderem durch den Zuwachs und die Diversifizierung der<br />
Berufe, die wiederum Resultat des Marktwachstums sind und mit einem Generationswechsel<br />
zusammenfallen, der in Spanien viel ausgeprägter als anderswo ist, während sich<br />
gleichzeitig die Arbeitslosigkeit auf hohem Niveau zu verfestigen scheint 9 . Während in<br />
der Franco-Ära die vier informations<strong>wissenschaft</strong>lichen Fakultäten – Madrid, Bellaterra<br />
(Barcelona), Pamplona und Lejona –, Mitte der 70er Jahre insgesamt zwischen 4.000<br />
und 5.000 Studenten und ca. 500 Lehrkräfte umfassten, hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten<br />
der Umfang kommunikations<strong>wissenschaft</strong>licher Fachbereich verfünffacht.<br />
Heute werden in 20 Zentren verschiedener Universitäten etwa 25.000 Studenten durch<br />
2.000 Lehrkräfte diverser akademischer Grade unterrichtet. Dieses Wachstum ist auch<br />
im internationalen Vergleich bemerkenswert. Spanien verfügt heute über einen starken<br />
Ausbildungsbereich im <strong>Kommunikations</strong>sektor und seinen verschiedenen Sektoren und<br />
8 Man denke an die entscheidende Rolle des staatlichen Sektors (TVE, RNE, Agencia Efe und<br />
Editora Nacional) oder den halbstaatlichen (Prensa y Radio del Movimiento) Bereich und die<br />
Sender der katholischen Kirche (EDICA und COPE).<br />
9 Im Dezember 1994 waren bereits um die 6.000 Informations<strong>wissenschaft</strong>ler als arbeitslos registriert<br />
(El País, 7/7/1995).<br />
533
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
Dienstleistungen – Presse, Rundfunk, Film, Fernsehen, Video, Werbung. Dabei wird<br />
nicht nur für Tätigkeiten in den <strong>Medien</strong> oder Werbeagenturen ausgebildet, die Absolventen<br />
kommen auch in Nachbargebieten, wie dem Bereich Public Relations, sowohl im<br />
öffentlichen Sektor als auch in der Privatwirtschaft unter. Allerdings wird die Arbeitsmarktsituation<br />
für die Absolventen immer schwieriger, denn obwohl es sich beim <strong>Medien</strong>bereich<br />
in den letzten Jahren um einen Wachstumsmarkt handelte (weil die Ausgangsbasis<br />
sehr gering war), hat dieser mittlerweile einen Sättigungsgrad erreicht, der ein<br />
weiteres Wachstum verhindert.<br />
In Spanien ist eine im internationalen Vergleich hohe Zahl an Beschäftigten auf die Erforschung<br />
der <strong>Medien</strong> und Kulturindustrien („Comunicólogos“) spezialisiert. Im Zuge<br />
der Schaffung neuer Fakultäten und bei wachsenden Studentenzahlen musste neues<br />
Lehrpersonal – <strong>wissenschaft</strong>liches und nicht-<strong>wissenschaft</strong>liches – eingestellt werden,<br />
was dazu führte, dass die Zahl professioneller teil- oder vollzeitbeschäftigter Forscher<br />
in diesem Feld exponenziell gewachsen ist. Es gibt also derzeit eine große Gruppe von<br />
<strong>Medien</strong>- und <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>lern und -studierenden, die somit einen<br />
Pool bilden, der früher oder später auch international bedeutende Beiträge liefern wird.<br />
Derzeit gibt es einige Wissenschaftler, die führenden ausländischen Kollegen in nichts<br />
nachstehen, deren in Spanien durchgeführte Studien allerdings nur selten außerhalb des<br />
Landes Beachtung finden, höchstens vielleicht im lateinamerikanischen und in jüngster<br />
Zeit auch im europäischen Raum.<br />
Aus diesen Gründen lässt sich die Entwicklung der letzten Jahren fast als spektakulär<br />
bezeichnen. Es gibt jedoch immer noch gravierende geographische Ungleichheiten. Im<br />
Hinblick auf die Zahl von Einrichtungen, Personen, Mitteln, Studien und Verlagen waren<br />
bislang Madrid und – in geringerem Maße– Katalonien die Zentren der <strong>Kommunikations</strong>forschung.<br />
Erwähnt werden sollten insbesondere die jüngeren Arbeiten von<br />
Madrider Institutionen wie der Universidad Complutense, der vom Telefónica-Konzern<br />
finanzierten Stiftung Fundesco, des „Instituto Oficial de Radio y Televisión“<br />
(IORTV) der staatlichen Rundfunkgesellschaft RTVE sowie verschiedenster privater<br />
Institute, die sich auf den Bereich der Marktforschung spezialisiert haben und mit Untersuchungen<br />
etwa zum Zuschauerverhalten oder zu Werbeinvestitionen kommerziell<br />
und strategisch relevante Informationen produzieren 10 . Diese Situation hat dazu geführt,<br />
dass Katalonien im Hinblick auf empirische oder angewandte Forschung, die insbesondere<br />
bei der Untersuchung neuer Informationstechnologien große Investitionen<br />
in die personellen und technischen Kapazitäten erfordert, traditionell gegenüber Madrid<br />
benachteiligt war, obgleich es – etwa mit den Arbeiten von Einrichtungen wie der Universidad<br />
Autónoma de Barcelona (seit 1971) oder in jüngerer Zeit der Universitäten<br />
Pompeu Fabra und Ramon Llull sowie des mittlerweile nicht mehr existenten Centre<br />
d’Investigació de la Comunicació (CEDIC) – deutlich besser gestellt ist als die restlichen<br />
spanischen Regionen.<br />
Die besondere Stellung Madrids bei der Kontrolle über die Finanzmittel und bei der<br />
Festlegung der medien- und forschungspolitischen Rahmenbedingungen sowie die Notwendigkeit<br />
der Konsolidierung des neuen auf autonomen Regionen basierenden Staatswesens<br />
haben in den letzten Jahren auch die Forschungsbedingungen und -themen in<br />
10 Mitte der 70er Jahre entstanden im Zuge der Entwicklung des Werbemarktes in Spanien die zwei<br />
wichtigsten Institutionen auf dem Gebiet der Zuschaueranalyse: die Oficina de Justificación de<br />
la Difusión (OJD) und das Estudio General de Medios (EGM). Später etablierten sich weitere<br />
Firmen aus dem Ausland, wie Sofres oder Nielsen.<br />
534
Jones · <strong>Kommunikations</strong>forschung in Spanien<br />
Spanien in hohem Maße bestimmt. Regionalen und lokalen Aspekten ist daher möglicherweise<br />
mehr Aufmerksamkeit gewidmet worden als der Analyse der europäischen,<br />
amerikanischen oder internationalen Situation, obwohl sich in den letzten Jahren eine<br />
stärkere Öffnung insbesondere auf den europäischen Raum hin bemerken lässt. (Jones<br />
1999)<br />
1.4 Territoriale Verteilung<br />
Derzeit gibt es in Spanien über 250 Einrichtungen, die sich weitestgehend mit Lehr-,<br />
Dokumentations- und/oder Forschungstätigkeit im Bereich sozialer Kommunikation<br />
beschäftigen, wobei der Begriff „soziale Kommunikation“ ein komplexes und vielgestaltiges<br />
Themenfeld beinhaltet, das verschiedene <strong>Medien</strong> und Dienste umfasst und vornehmlich<br />
aus sozial- und gesellschafts<strong>wissenschaft</strong>licher Perspektive bearbeitet wird<br />
(Jones 1995a). Einige der mit kommunikations<strong>wissenschaft</strong>lichen Fragestellungen befassten<br />
Einrichtungen in Spanien können auf eine Tradition zurückblicken, die bis zum<br />
Anfang des 20. Jahrhundert zurückreicht. Erst in den letzten drei Jahrzehnten haben sich<br />
diese jedoch auf universitärem, akademischen und <strong>wissenschaft</strong>lichen Niveau konsolidieren<br />
können.<br />
Um einen Überblick über die geographische Verteilung und die wachsende Zahl an<br />
Personen und Einrichtungen zu gewinnen, die sich der Forschung, Dokumentation und<br />
Lehre im Bereich Kommunikation und Massenmedien widmen, richtete das bereits erwähnte<br />
CEDIC mit seiner Gründung im Jahr 1987 die Datenbank COMDAT ein, die<br />
sämtliche Wissenschaftler und Einrichtungen in Spanien sowie – wenn auch sehr selektiv<br />
– in einigen anderen Ländern Europas und auf dem amerikanischem Kontinent erfassen<br />
sollte. Bis zu ihrer Einstellung im Jahr 1997 wurden in dieser Datenbank – neben<br />
12.000 bibliographischen Verweisen – fast 900 Dateneinträge über hauptsächlich spanische<br />
sowie ausländische Institutionen gesammelt und über 2.000 spanische und ausländische<br />
Forscher erfasst. Auf Basis dieser Daten wurden unter anderem folgende Verzeichnisse<br />
veröffentlicht: Directorio español de investigación en comunicaión (1995), Directorio<br />
Iberoamericano de investigación en comunicación (1996) und Bibliografia catalana<br />
de la comunicació, 1769-1996 (1997).<br />
Die gesammelten Informationen erlauben eine quantitative Bewertung der im „Directorio<br />
español“ erfassten Personen und Einrichtungen sowie eine Beantwortung der<br />
Fragen, in welche Richtung im Bereich der <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> geforscht<br />
wurde, welche <strong>Medien</strong> am häufigsten untersucht wurden und welches die bevorzugten<br />
theoretischen Perspektiven waren; darüber hinaus ist eine geographische Lokalisierung<br />
der betreffenden Einrichtungen möglich.<br />
So lassen sich auf Basis der erfassten Daten auch einige grundlegende Merkmale über<br />
die hier aufgeführten 1.756 spanischen <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>ler – davon 80%<br />
Männer 11 – herausfinden. Von den 1.195 Personen, deren Wohnort angegeben war, arbeiten<br />
z. B. die meisten in Katalonien (35%) und in Madrid (33%). 12 Sowohl diese beiden<br />
Regionen als auch die sieben folgenden – Navarra (8%), das Baskenland (6%), Andalusien<br />
(6%), Valencia (3%), Kastilien und Leon (3%), Galizien (2%) und die Kana-<br />
11 Obwohl der Anteil der weiblichen Studierenden bei zwei Dritteln liegt.<br />
12 Wenn man diese Daten mit denen von Beneyeto (1969) vergleicht, bemerkt man, dass vor<br />
dreißig Jahren nur acht Einrichtungen und gerade 24 Wissenschaftler (unter ihnen zwei Frauen)<br />
registriert waren.<br />
535
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
rischen Inseln (2%) – verfügen derzeit über informations-/kommunikations<strong>wissenschaft</strong>liche<br />
Fakultäten, was eine stärkere Ansiedlung der Wissenschaftler in diesen Regionen<br />
begünstigte.<br />
1.5 Forschungszentren<br />
Bis vor kurzem lag die kommunikations<strong>wissenschaft</strong>liche Forschung weitestgehend in<br />
den Händen einzelner Personen, deren Arbeit zwar lobenswert war, aber eher eng begrenzte<br />
Resultate zeitigte. Erst in den 70er Jahren entstanden die ersten Team-Arbeiten<br />
unter der Ägide öffentlicher und privater Einrichtungen, die diese Arbeit förderten und<br />
finanzierten (Moragas 1981, 1986, 1988, 1990). Vor allem die multidisziplinär ausgerichteten<br />
informations- und kommunikations<strong>wissenschaft</strong>lichen Fakultäten haben in<br />
den letzten drei Jahrzehnten Hunderte von Diplom- und Doktorarbeiten hervorgebracht13<br />
. Die Lehrenden haben an den verschiedensten Forschungsprojekten über verschiedene<br />
<strong>Medien</strong> und mit unterschiedlichen theoretischen Ansätzen teilgenommen,<br />
auch in Zusammenarbeit mit weiteren öffentlichen und privaten, nationalen und ausländischen<br />
Einrichtungen, die in zahlreichen Studien mündeten. Von diesen erlangten<br />
einige große Bedeutung. Auch andere Fakultäten, wie die der Geschichts- oder der<br />
Kunst<strong>wissenschaft</strong>, haben wichtige Beiträge zur kommunikations<strong>wissenschaft</strong>lichen<br />
Forschung geleistet, vor allem auf dem Gebiet der Filmgeschichte und der Theorien zur<br />
visuellen und audiovisuellen Kommunikation.<br />
Außerhalb des universitären Bereichs haben etliche private und öffentliche Einrichtungen<br />
direkte Forschung betrieben oder diese gefördert. Unter den führenden Institutionen<br />
sei die wichtigste Einrichtung des Landes genannt: Fundesco, die sich drei Jahrzehnte<br />
lang (zwischen 1968 und 1997) der Erforschung audiovisueller Kommunikation<br />
und neuer Technologien in Spanien widmete und mehrere Publikationsreihen, die Zeitschrift<br />
Telos und ein wichtiges Jahrbuch herausgab.<br />
Neben den zentralen, regionalen oder lokalen öffentlichen Verwaltungen treten auch<br />
private Institutionen als Förderer überwiegend universitärer Forschung auf: das „Centro<br />
de Investigaciones Sociológicas“, das IORTV, die „Asociación de Editores de Diarios<br />
Españoles“ oder die „Asociación Hispanoamericana de Centros de Investigación y<br />
Empresas de Telecomunicaciones“ (in Madrid), das mittlerweile geschlossene CEDIC,<br />
das „Institut d’Estudis Catalans“, die „Fundació Jaume Bofill“, das „Centre d’Estudis<br />
de Planificació“, das „Centre d’Estudis Olímpics“, das „Collegi de Periodistes de Catalunya“,<br />
das „Institut del Cinema Català“ und das „Institut de la Comunicació“(in Barcelona);<br />
die „Fundación Instituto de la Comunicación“ (in Murcia), und die öffentlichrechtliche<br />
„Radiotelevisión Valenciana“ sowie die „Filmoteca de la Generalitat Valenciana“<br />
in Valencia. Die genannten Einrichtungen haben vor allem Projekte im <strong>Kommunikations</strong>bereich<br />
gefördert und in der Regel auch veröffentlicht, die eine historische,<br />
soziologische, ökonomische, kulturelle oder linguistische Perspektive einnehmen. Insbesondere<br />
das inzwischen geschlossene CEDIC hat in den 90er Jahren mehrere Dutzend<br />
Studien selbst erstellt, in Auftrag gegeben oder gefördert, von denen etwa 50 publiziert<br />
13 Zwischen 1926 und 1998 wurden 1.550 Doktorarbeiten in Spanien (bzw. im Ausland über spanische<br />
Themen) veröffentlicht; 64% stammen aus den 90er Jahren, 66% wurden von Männern<br />
erstellt, 36% wurden an der Universidad Complutense, Madrid, verfasst, 87% waren in spanischer<br />
Sprache, 26% analysierten das Pressewesen.<br />
536
Jones · <strong>Kommunikations</strong>forschung in Spanien<br />
wurden. Zugleich war es an der Herausgabe mehrerer katalanischer Zeitschriften zum<br />
Thema beteiligt.<br />
Darüber hinaus hat sich die spanische Forschungsgemeinschaft in mehreren Verbänden<br />
zusammengeschlossen, nicht nur in Berufsverbänden, sondern auch in Verbänden<br />
zur Förderung und Verbreitung der Forschung. Ein solcher Verband war in den 80er<br />
Jahren beispielsweise die „Asociación de Investigadores de la Comunicación del Estado<br />
Español“ (AICE) in Madrid. In Barcelona gibt es die „Societat Catalana de Comunicació“<br />
(die zum „Institut d’Estudis Catalans“ gehört), in der etwa 100 Wissenschaftler organisiert<br />
sind, die <strong>wissenschaft</strong>liche Zeitschriften veröffentlichen und Tagungen und Seminare<br />
zum Thema veranstalten. Die „Sociedad de Estudios Vascos“ schuf Anfang der<br />
80er Jahre eine Abteilung <strong>Medien</strong> und eine zum Thema Film, die die entsprechend forschenden<br />
Wissenschaftler des Baskenlandes vereint. Andere Institutionen dieser Art<br />
sind „Film Historia“ und die „Asociación de Historiadores del Cine“, deren Mitglieder<br />
Experten auf dem Gebiet der Geschichte der Filmkunst sind; die „Sociedad Española de<br />
Periodística“, spezialisiert auf Theorien und Analysen zum Thema Journalismus; die<br />
„Asociación de Historiadores de la Comunicación“ sowie die „Asociación de Doctores<br />
y Licenciados en Publicidad y Relaciones Públicas“, gegründet 1987 in Madrid.<br />
2. Die wichtigsten Forschungsrichtungen<br />
Wie bereits oben erwähnt, haben sich im Verlauf des 20. Jahrhunderts diverse spanische<br />
Forscher mit Arbeiten zur Kommunikation beschäftigt, wenngleich anfangs nur mit der<br />
Absicht zu dokumentieren und zu beschreiben. Mit der Schaffung der ersten informations<strong>wissenschaft</strong>lichen<br />
Fakultäten 1971 entstanden dann <strong>wissenschaft</strong>liche Arbeiten,<br />
die in Diplom- und Doktorarbeiten, in Berichten von Projektgruppen, in Artikeln,<br />
Büchern, Berichten und Referaten veröffentlicht wurden und die die Entwicklung, die<br />
Eigenschaften und die Auswirkungen der gegenwärtigen <strong>Kommunikations</strong>phänomene<br />
mehr oder weniger umfassend analysieren.<br />
2.1 Wachstum und Professionalisierung<br />
Seit 1980 hat es im Zuge der politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung<br />
und der stetigen Entwicklung des <strong>Medien</strong>bereichs auch eine deutliche Steigerung<br />
der Forschungstätigkeit gegeben – sowohl qualitativ als auch quantitativ. Dieser<br />
Aufschwung verdankte sich folgenden Ursachen: der Festigung der politischen Freiheiten,<br />
technologischen Umwälzungen, dem Aufkommen neuer Güter und neuer Dienstleistungen<br />
im <strong>Medien</strong>bereich und einem Wachstum im <strong>Kommunikations</strong>markt, aber vor<br />
allem der Einführung des Privatfernsehens. Infolgedessen ist ein größeres gesellschaftliches<br />
Interesse an diesen Themen entstanden, und eine steigende Anzahl junger Menschen<br />
möchte einen <strong>Medien</strong>beruf ergreifen. Gleichzeitig hat sich das spanische Universitätswesen<br />
dahingehend verändert, dass heutzutage von den Lehrenden eine ausgewiesene<br />
Spezialisierung und akademische Tätigkeit verlangt und die Erstellung <strong>wissenschaft</strong>licher<br />
Arbeiten als Bedingung für eine Festigung der Arbeitsverhältnisse gefordert<br />
wird. Dementsprechend sind die spanischen Forscher heutzutage viel professioneller als<br />
früher. Folglich ist auch die Zahl an Diplom- und Doktorarbeiten gestiegen, es wurden<br />
mehr Fachbücher herausgegeben und einige <strong>wissenschaft</strong>liche Zeitschriften gegründet.<br />
Daneben entstand eine Vielzahl unterschiedlichster Kongresse, Tagungen und Symposien<br />
(Jones 2000). Leider gibt es keine Regelmäßigkeit bei diesen Treffen und auch keine<br />
Jahrestagung der Forschungsgemeinschaft (wie es sie beispielsweise in Brasilien mit<br />
537
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
der INTERCOM gibt). Die 1986 gestarteten „Jornadas Internacionales de Comunicación“<br />
der Universidad de Navarra bilden wohl die älteste jährliche Tagung, die immer<br />
noch veranstaltet wird.<br />
Mehrere private Verlage haben besondere kommunikations<strong>wissenschaft</strong>liche Reihen<br />
eingerichtet und publizieren jährlich einige Hundert Bücher, sowohl von spanischen als<br />
auch von ausländischen Autoren. Zu den wichtigsten Verlagen zählen in Madrid: Akal,<br />
Eudema, Forja, Fragua, Paraninfo, Prámide, Rialp, Taurus und Tecnos; in Barcelona<br />
Ariel, Bosch, Gustavo Gili, Paidós, Pòrtic und ESPR-PPU; und in La Coruña Ediciós<br />
do Castro und Edicións Lea. Natürlich werden diese Verlage häufig von den Herausgebern<br />
der Reihen als Plattform genutzt, um ihre eigenen Texte zu veröffentlichen.<br />
Auch verschiedene öffentliche Einrichtungen zählen zu den wichtigen Herausgebern<br />
in diesem Sektor: etwa die Universidad Complutense und das IORTV in Madrid, das<br />
ehemalige CEDIC in Barcelona, die Universidad del País Vasco in Bilbao, die Filmoteca<br />
de la Generalitat Valenciana in Valencia, aber auch die Regionalregierungen und die<br />
Provinz- und Gemeindeverwaltungen und private Einrichtungen wie Fundesco in Madrid,<br />
das Collegi de Periodistes de Catalunya in Barcelona und die Universidad de<br />
Navarra in Pamplona.<br />
Bei den am häufigsten ins Spanische – auch ins Katalanische – übersetzten Autoren<br />
handelt es sich traditionell um Nordamerikaner, Briten, Franzosen und Italiener, was<br />
deren Einfluss auf ihre spanischen Kollegen erklärt 14 . Selten werden Texte lateinamerikanischer<br />
Autoren veröffentlicht – lediglich einige von international renommierten Wissenschaftlern<br />
wie dem Kolumbianer Jesús Martín Barbero oder dem Mexikaner Eulalio<br />
Ferrer Rodríguez –, und dies, obwohl der Markt auf der anderen Seite des Atlantiks für<br />
die spanischen Verlage von einigem Interesse ist, vor allem für diejenigen, die Lehrbücher<br />
für Beruftätige herausgeben. Einige Professoren an führenden Universitäten haben<br />
ihre eigenen Verlage gegründet, um Lehrbücher für Studierende zu publizieren.<br />
Wissenschaftliche Publikationen zum Thema lassen sich allerdings – ebenso wie die<br />
Zeitschriften – nur schwer und in geringem Umfang verkaufen; meist werden sie fotokopiert.<br />
Der Einfluss der spanischen <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> im Ausland ist äußerst gering.<br />
Dies lässt sich unter anderem daran erkennen, dass praktisch keine Bücher spanischer<br />
Autoren in andere Sprachen übersetzt werden. Auch ist dies daran erkennbar, dass<br />
spanische Wissenschaftler nur wenige internationale Projekte leiten und kaum an internationalen<br />
Kooperationen beteiligt sind sowie kaum in internationalen <strong>wissenschaft</strong>lichen<br />
Zeitschriften publizieren. Ausnahmen bilden einige Autoren, die Bücher oder Zeitschriftenartikel<br />
im Ausland publiziert haben, wie etwa Manuel Castells, Carmelo Garitaonandia,<br />
Josep Gifreu, Juan A. Giner, Román Gubern, José Luis Martínez Albertos,<br />
Miquel de Moragas, Alejandro Pizarroso Quintero, Emilio Prado, Alfonso Sánchez-Tabernero,<br />
Enric Saperas und Lorenzo Vilches. Die ausländischen Zeitschriften mit der<br />
größten Verbreitung in Spanien sind – neben den lateinamerikanischen – die Zeitschriften<br />
Médias Pouvoirs aus Frankreich und die britischen Publikationen Media, Culture &<br />
Society und das European Journal of Communication.<br />
14 Die in den letzten Jahrzehnten in Spanien wohl meistübersetzten ausländischen Autoren sind<br />
wahrscheinlich der Kanadier Marshall McLuhan, der Amerikaner Noam Chomsky, der Brite<br />
Raymond Williams, der Belgier Armand Mattelart und die Italiener Umberto Eco und Giuseppe<br />
Richeri.<br />
538
Jones · <strong>Kommunikations</strong>forschung in Spanien<br />
2.2 Das thematische Spektrum der Forschung<br />
Die spanische <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> hat sich in den letzten Jahren mit unterschiedlichen<br />
Aspekten befasst, neben historischen und politischen Arbeiten sowie Forschungsarbeiten<br />
über die Struktur der <strong>Medien</strong> in Spanien sind auch Studien über internationale<br />
Kommunikation, Inhaltsanalysen, Theorie- und Methodenforschung entstanden<br />
sowie Arbeiten zur Erforschung der neuen Berufsfelder in der „sozialen Kommunikation“,<br />
insbesondere im Pressewesen, beim Film und in der Werbung. Im Rahmen<br />
dieses Überblicksbeitrags können nicht alle Forschungsergebnisse angemessen dargestellt<br />
und erwähnt werden. Im Folgenden sollen nur diejenigen Themenbereiche genannt<br />
werden, die für die spanischen Forscher in den letzten Jahren von besonderem Interesse<br />
waren, gegliedert nach den unterschiedlichen theoretischen Perspektiven.<br />
2.2.1 <strong>Medien</strong>geschichte<br />
Aus historischer Perspektive wurden etliche Arbeiten über den Film, den Hörfunk, das<br />
Fernsehen und die Presse erstellt, darunter vor allem viele Werke über die Geschichte<br />
der Filmkunst national und in den Regionen, in der Regel in einer besonderen Periode.<br />
Besonders herausragend sind hier die Arbeiten von Autoren wie Josep Maria Caparrós<br />
Lera, Miquel Porter Moix, Román Gubern, Antonia Lara García und Ángel Luis Hueso<br />
Montón. Eine Bibliographie mit Arbeiten zur Geschichte der Werbung, der politischen<br />
Propaganda oder des Hörfunks fiele dagegen mager aus.<br />
In den letzten Jahren wurden zusätzlich zu einigen allgemeineren Darstellungen Arbeiten<br />
veröffentlicht, die sich mit den Ursprüngen und mit der Zeit des Franco-Regimes<br />
beschäftigen. Erwähnenswert sind hier die Arbeiten von Jesús Pizarroso Quintero über<br />
den Bereich Propaganda und von Ángel Faus Belau, Rosa Franquet, Carmelo Garitaonandia,<br />
Lorenzo Díaz und Luis Ezcurra Carrillo über den Rundfunk.<br />
Zur Geschichte des Fernsehens wurden einige Monographien veröffentlicht, die die<br />
Rolle der öffentlichen, staatlichen und regionalen Sender behandeln, es fehlt jedoch noch<br />
immer ein umfassendes <strong>wissenschaft</strong>liches Werk, das bis in die heutige Zeit reichen würde.<br />
Die beachtenswertesten Arbeiten in diesem Gebiet sind die von Josep M. Baget<br />
Herms, Jesús García Jiménez, Luis Gutiérrez Espada, dem verstorbenen Eduardo Gorostiaga<br />
und dem bereits erwähnten Lorenzo Díaz.<br />
Die <strong>wissenschaft</strong>liche Tätigkeit im Bereich der Pressegeschichte ist hingegen sehr umfangreich.<br />
Hier erschienen Hunderte von Arbeiten über einzelne Presseerzeugnisse und<br />
über unterschiedliche historische Perioden, die sich fast immer auf eine einzelne Region,<br />
Provinz oder Örtlichkeit beziehen. Unter den zahlreichen Arbeiten in diesem<br />
Bereich können einige Autoren hervorgehoben werden, wie Celso Almuiña Fernández,<br />
Jesús T. Álvarez Fernández, María Cruz Seoane, María Dolores Sáiz, Josep Lluís Gómez<br />
Mompart, Amparo Moreno, Joan Manuel Tresserras, Jaume Guillamet, Josep M.<br />
Figueres, José Javier Sánchez Aranda, Carlos Barrera del Barrio, Antonio Laguna Platero<br />
und Andreu Martínez Gallego sowie die kürzlich verstorbenen Ricard Blasso, José<br />
Altabella und Alfonso Braojos Garrido, und auch die französischen Hispanisten Paul<br />
Aubert und Jean-Michel Desvois.<br />
Über die Geschichte des Buches in Spanien – Verlage, Verbreitung, Leserschaft – sind<br />
schließlich in den letzten Jahren einige sehr wichtige Arbeiten veröffentlicht worden,<br />
darunter sollten besonders die Beiträge von Hipólito Escolar Sobrino (dem ehemaligen<br />
Direktor der Nationalbibliothek) und diejenigen des französischen Hispanisten Jean-<br />
François Botrel hervorgehoben werden.<br />
539
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
2.2.2 <strong>Medien</strong>politik und <strong>Medien</strong>system<br />
Die veröffentlichten Studien über politische, ökonomische und strukturelle Aspekte der<br />
<strong>Medien</strong> können danach klassifiziert werden, welche räumliche Dimension der Kommunikation<br />
gewählt wurde, die transnationale, die nationale, die regionale oder die lokale,<br />
und danach, ob sie sich mit dem Gesamtsystem der <strong>Medien</strong> oder aber mit einem spezifischen<br />
Medium beschäftigen.<br />
Über den so genannten „Katalanischen <strong>Kommunikations</strong>raum“ etwa, der für einige<br />
Autoren ausschließlich das Gebiet der heutigen Region Katalonien umfasst, für andere<br />
aber alle Gebiete, die unter dem Einfluss der katalanischen Sprache und Kultur stehen –<br />
insbesondere Katalonien, Valencia, die Balearen, Andorra und Roussillon –, sind einige<br />
sehr wichtige Arbeiten veröffentlicht worden, die als Grundgerüst für eine „Katalanische<br />
Schule“ der <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> bezeichnet werden könnten. Unter den<br />
herausragendsten Vertretern dieser Schule finden sich Joan M. Corbella, Josep Gifreu,<br />
Maria Corominas und Miquel de Moragas. Im Baskenland gibt es eine ähnliche, wenn<br />
auch weniger stark ausgeprägte Tradition, deren wichtigste Autoren Carmelo Garitaonandia<br />
und Ramón Zallo sind.<br />
Arbeiten zur lokalen Kommunikation haben in den letzten Jahren vor allem in Katalonien<br />
besondere Bedeutung erlangt; sie widmen sich sowohl der Presse als auch dem<br />
Hörfunk und dem Fernsehen. Als Forscher sind hier vor allem Jaume Guillamet, Miquel<br />
de Moragas und Emilio Prado zu nennen.<br />
Die Forschungsrichtung „Internationale Kommunikation“ ist noch wenig entwickelt,<br />
federführend sind hier Autoren wie Esteban López-Escobar, Pedro Lozano Bartolozzi,<br />
Sara Núñez de Prado, Antonio Sánchez-Bravo Cenjor, Josep Gifreu und Marcial Murciano.<br />
Rein ökonomische Arbeiten gibt es nur sehr wenige und sie beschäftigen sich vorrangig<br />
mit Phänomenen wie der Konzentration im Unternehmenssektor und der Internationalisierung;<br />
einschlägige Autoren sind hier Enrique Bustamante, Bernardo Díaz<br />
Nosty, Rosario de Mateo Pérez, Alfonso Sánchez-Tabernero, Juan Carlos Miguel de<br />
Bustos, Ramón Zallo und Lluís Bonet. Betriebswirtschaftliche Studien über „Das Unternehmen<br />
im Informationssektor“ sind zudem vor allem von Alfonso Nieto Tamargo<br />
und Francisco Iglesias sowie vom kürzlich verstorbenen José Tallón durchgeführt und<br />
publiziert worden. Insgesamt gibt es nur wenige Arbeiten, die sich mit anderen Ländern<br />
– speziell europäischen oder amerikanischen – beschäftigen.<br />
2.2.3 <strong>Kommunikations</strong>theorie und -soziologie<br />
Die Arbeiten im Bereich <strong>Kommunikations</strong>theorie und -soziologie lassen sich unterteilen<br />
in diejenigen, die sich für eine allgemeine theoretische Perspektive interessieren,<br />
und diejenigen, die sich soziolinguistisch der Analyse der Sprache, der Wirkungs- und<br />
Zuschauer-/Hörerforschung oder der Gesamtheit des <strong>Kommunikations</strong>prozesses widmen.<br />
Hierzu gibt es eine Reihe von Arbeiten, die sich mit dem sozialen Gebrauch der Kommunikation<br />
durch die Spanier beschäftigen, sowie öffentlich oder privat finanzierte Untersuchungen<br />
über Konsumgewohnheiten, <strong>Medien</strong>ausstattung und den kulturellen<br />
Hintergrund. Erwähnenswert sind hier unter anderem Gonzalo Abril Curto, Ángel Benito,<br />
Javier Davara Rodríguez, Jesús García Requena, Manuel Martín Serrano, Pedro<br />
Orive Riva, José Luis Piñuel Raigada, Vicente Romano García, Antonio Sánchez Bravo,<br />
Felicísimo Valbuena de la Fuente, José Vidal Beneyto, Jordi Berrio, María Dolores Mon-<br />
540
Jones · <strong>Kommunikations</strong>forschung in Spanien<br />
tero, Miquel de Moragas, Manuel Parés i Maicas, Miquel Rodrigo Alsina, Enric Saperas<br />
und Jorge Urrutia.<br />
Als Forscher in dem deutlich hiervon getrennten Bereich der visuellen Kommunikation<br />
können Agustín García Matilla, Jesús González Requena, Justo Villafañe, Jordi Pericot,<br />
Román Gubern, Lorenzo Vilches, Santos Zunzunegui und Joan Costa genannt<br />
werden.<br />
2.2.4 Journalismus<br />
Die Forschung im Bereich des Journalismus beschäftigt sich theoretisch und empirisch<br />
vorwiegend mit den Printmedien und dort mit Inhaltsanalysen, mit den unterschiedlichen<br />
Gattungen und Sonderformen sowie mit dem Berufsalltag in den Redaktionen. Besonders<br />
nennenswert sind hier Héctor Borrat, Lorenzo Gomis, Josep M. Casasús, Manuel<br />
Fernández Areal, José Luis Dader, Javier Fernández del Moral, José Luis Martínez<br />
Albertos, Luis Núñez Ladevéze, José Francisco Sánchez und María Pilar Diezhandino<br />
Nieto.<br />
2.2.5 Informationstechnologie<br />
Der Umfang an Publikationen zum Bereich der Informationstechnologien – hauptsächlich<br />
gefördert durch Fundesco – ist in Spanien nicht sehr groß; die entsprechenden Studien<br />
beschäftigen sich vorrangig mit Aspekten der Infrastruktur und mit den neuen <strong>Medien</strong>.<br />
Mit öffentlichen Mitteln sind in den letzten Jahren einige Weißbücher gefördert<br />
worden, die sich mit den <strong>Kommunikations</strong>-Infrastrukturen beschäftigen und Leitlinien<br />
für eine entsprechende Politik entwickeln sollten. Zugleich haben sich verschiedene<br />
Wissenschaftler mit den derzeitigen und zukünftigen Möglichkeiten der Neuen <strong>Medien</strong><br />
beschäftigt: mit Video, dem Satelliten- und Kabelfernsehen, Bildschirm- und Videotext,<br />
elektronischer Werbung und Multimedia. Zu diesen Forschern gehören unter anderem<br />
Adolfo Castilla und Emilio Lera, Mariano Cebrián Herreros, Emilio Prado, Javier Díaz<br />
Noci und Manuel Castells.<br />
2.2.6 Dokumentation und elektronische Information<br />
In dem besonderen Bereich der Dokumentation, der Datenbanken und der elektronischen<br />
Information sind Ernest Abadal, Maria Eulàlia Fuentes, Lluís Codina, Robert<br />
Coll Vinent, Antonio L. García Gutiérrez, Emilia Currás, Félix Sagredo Fernández, Eugenio<br />
Galdón, Nuria Amat und die Brüder José und Alfonso López Yepes zu nennen.<br />
2.2.7 Ethik, Recht und politische Kommunikation<br />
In Spanien, das Ende der 70er Jahre mit der Einführung der Demokratie den gesamten<br />
rechtlichen Rahmen im Feld der Kommunikation veränderte, ist die auf ethische und<br />
rechtliche Fragen spezialisierte Forschung in den letzten Jahren sehr umfangreich gewesen.<br />
Besonders erwähnenswert sind hier Forscher wie Porfirio Barroso Asenjo, José<br />
María Desantes Guanter, Enrique Gómez Reino, Teodoro González Ballesteros, Jesús<br />
González Bedoya, Francisco Vázquez Fernández, César Molinero, Carlos Soria, Marc<br />
Carrillo und Lluís de Carreras.<br />
In jüngster Zeit hat sich zudem die Forschungsrichtung „Politische Kommunikation“<br />
etabliert, die auf etwas ältere Arbeiten zur Öffentlichen Meinung aufbaut. Nennen las-<br />
541
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
sen sich hier José Luis Dader, Cándido Monzón Arribas, Alejandro Muñoz Alonso, Javier<br />
del Rey, Juan Ignacio Rospir, José A. González Casanova, Jordi Berrio und Manuel<br />
Parés i Maicas.<br />
2.2.8 <strong>Medien</strong>pädagogik<br />
Die jüngeren medienpädagogischen Studien lassen sich vorrangig nach dem in ihnen untersuchten<br />
Medium untergliedern: Presse, Radio, Film, Fernsehen, Video oder neue<br />
multimediale Technologien. Wichtige Vertreter dieser Forschungsrichtung sind Magda<br />
Albero, Mar de Fontcuberta, José Manuel Pérez Tornero, Joan Farrés und Agustín García<br />
Matilla.<br />
2.2.9 Werbung, Marketing und Public Relations<br />
Der Forschungsbereich Werbung, Marketing, Public Relations und Unternehmenskommunikation<br />
hat sich – mit dem starken Wachstum seines Gegenstandsbereichs, des<br />
Werbemarkts und den Veränderungen im spanischen Unternehmenssektor – in den<br />
letzten Jahren sehr stark entwickelt. Die Veränderungen im Unternehmenssektor haben<br />
sich vor allem durch den Eintritt internationaler Unternehmen in den spanischen<br />
Markt ergeben und wurden auf Grundlage des EU-Vertrags und des spanischen<br />
EG-Beitritts 1986 ermöglicht, wodurch der Umgang mit wirtschaftlichen, technischen<br />
und menschlichen Ressourcen neu strukturiert wurde. Neben Studien zum kreativen<br />
Potenzial des Marktes wurden etliche Arbeiten zur Organisation, Regulierung und<br />
Unternehmensverwaltung veröffentlicht, wenige auch zur Geschichte und Ökonomie.<br />
Als Autoren zu nennen sind José Luis Arceo Vacas, Juan Benavides Delgado, José<br />
María de la Cuesta Rute, José Luis Piñuel Raigada, José Ramón Sánchez Guzmán, José<br />
Luis León, Mario Herreros Arconada, Antoni Noguero, Pere Soler, Clemente Ferrer<br />
Roselló und Joan Costa sowie der kürzlich verstorbene Juan Antonio González Martín.<br />
3. Schlussfolgerungen<br />
Die oben genannten Aspekte zeichnen ein zumindest skizzenhaftes Bild über die<br />
Schwerpunkte der Forschung im Bereich der Sozialen Kommunikation in den letzten<br />
Jahren in Spanien. Es lässt sich resümieren, dass sich einige theoretische Fachrichtungen<br />
bereits ausreichend entwickelt haben: so die <strong>Kommunikations</strong>soziologie und die Erforschung<br />
der Öffentlichen Meinung, des politischen Rahmens und der <strong>Medien</strong>struktur –<br />
besonders in Katalonien und im Baskenland –, die Geschichte des Presse- und Filmwesens,<br />
die Journalismusforschung, die Soziosemiotik und die Inhaltsanalysen sowie die<br />
Erforschung der Unternehmenskommunikation. Auch die Forschung über Umwelt-,<br />
Gesundheits- und Frauenaspekte und über die Beziehung zwischen Sport und <strong>Medien</strong><br />
schreitet voran.<br />
Andere Forschungsrichtungen befinden sich hingegen noch im Anfangsstadium, etwa<br />
jene über die wirtschaftlichen, psychologischen, künstlerischen oder anthropologischen<br />
Aspekte. Es fehlt auch noch an grundlegenden Studien zur alternativen, lokalen und regionalen<br />
Kommunikation und zum Bereich der vergleichenden Forschung (Vergleiche<br />
zwischen den <strong>Medien</strong>, zwischen Unternehmen, zwischen Regionen oder Ländern). Die<br />
Forschung im Bereich Neue <strong>Medien</strong> und Dienstleistungen sowie zu den elektronischen<br />
multimedialen Technologien steht erst am Beginn, da sich die bisherigen Arbeiten be-<br />
542
Jones · <strong>Kommunikations</strong>forschung in Spanien<br />
vorzugt auf traditionelle, sowohl gedruckte als auch audiovisuelle <strong>Medien</strong> konzentrieren.<br />
Auch lässt sich festhalten, dass sich die Forschung über <strong>Kommunikations</strong>phänomene<br />
in Spanien auf das <strong>Medien</strong>system konzentriert. Dies ergab sich aus der Gründungs- und<br />
Entstehungsgeschichte der informations- und kommunikations<strong>wissenschaft</strong>lichen Fakultäten,<br />
die die <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>ler ausgebildet haben. So entstanden bevorzugt<br />
Arbeiten hemerographischen oder historischen Charakters und Analysen über<br />
Inhalte, Rezipienten und die Wirkung der <strong>Medien</strong>; andere wichtige Aspekte menschlicher<br />
Kommunikation aber wurden vernachlässigt.<br />
Es gibt ein großes Interesse an Aus- und beruflicher Weiterbildung, das sich in der<br />
Gründung verschiedenster Arten von Kursen, Seminaren, Symposien und Master-Studiengängen<br />
für alle möglichen Spezialisierungen im Berufsfeld „Kommunikation“ niedergeschlagen<br />
hat – vom Sport über die Wissenschaft bis hin zur Wirtschaft – und immer<br />
mehr private Schulungszentren – einige US-amerikanischen Ursprungs – hat entstehen<br />
lassen, die sich der beruflichen Bildung im Bereich Journalismus, audiovisuelle<br />
Kommunikation, Werbung, Public Relations und Marketing widmen.<br />
Allerdings lässt sich im Bereich der <strong>wissenschaft</strong>lichen Beschäftigung mit den <strong>Medien</strong><br />
auch eine leichte Stagnation nach der großen Steigerung in den letzten Jahren erkennen.<br />
An den Universitäten wird zwar vermehrt promoviert, weil dies weniger kostspielig<br />
ist als der Erwerb eines Master-Titels, und Tausende junger Menschen schreiben sich<br />
hierfür ein, weil sie sich so bessere Berufschancen und eine Erweiterung des im Verlauf<br />
des Studiums erworbenen Wissens erhoffen. Lediglich 10 bis 20 Prozent beenden jedoch<br />
ihre Promotion und erhalten den Doktortitel. Außerdem fehlt es an anhaltendem Interesse<br />
für ein Forschungsfeld: Nachdem ein Studienplatz erst einmal mit viel bürokratischem<br />
Aufwand errungen worden ist, scheint das Interesse am Thema zu schwinden;<br />
vielleicht, weil sich in den Abteilungen der Universitäten wenig Anreize finden lassen.<br />
Diese Situation ist noch viel dramatischer bei den Hunderten von lateinamerikanischen<br />
Studenten, die jährlich nach Spanien kommen, um hier einen Abschluss zu erwerben,<br />
den es in ihren Ländern – außer in Brasilien – nicht gibt, von denen aber nur wenige ihr<br />
Studium erfolgreich abschließen.<br />
Auch ein Teil der Lehrkräfte scheint im Zuge der wachsenden Bürokratisierung des<br />
Lehrkörpers das Interesse daran verloren zu haben, neue Forschungen zu beginnen und<br />
der Wissenschaft neue Perspektiven zu eröffnen. Hinzu kommt, dass einige von ihnen<br />
schon in jungen Jahren zu einer Professur, der höchsten akademischen Auszeichnung,<br />
gekommen sind, und quasi eine Barriere für neue Generationen von Forschern darstellen,<br />
die sich mit niederrangigen Posten in Randpositionen zufrieden geben oder ihre<br />
Forschungen ganz aufgeben müssen, da es für sie keine Lehrperspektiven gibt, es an Fördergeldern<br />
mangelt und die Möglichkeiten für einen Berufseinstieg zu akzeptablen Bedingungen<br />
gering sind.<br />
Insgesamt lässt sich sagen, dass die Bewertung der <strong>Kommunikations</strong>- und <strong>Medien</strong>forschung<br />
in den letzten Jahren positiv ausfällt und sich der Stand der einzelnen Forschungsrichtungen<br />
durchaus mit dem in anderen westlichen Ländern vergleichen lässt.<br />
Es gilt jedoch noch viele Bereiche und Aspekte zu erforschen und noch viele historische<br />
Phasen abzudecken. Dies wird sicherlich immer schwerer in Einzelprojekten realisierbar<br />
sein, so dass interdisziplinäre oder internationale Teams eingerichtet werden sollten,<br />
um zudem eine theoretische und geographische Isolierung zu vermeiden. Es wird also<br />
notwendig sein, die bisherige <strong>Kommunikations</strong>- und <strong>Medien</strong>forschung in Spanien zu<br />
stärken, und zwar unter Mitwirkung von Experten aus anderen Wissenschaftszweigen.<br />
Darüber hinaus ist es besonders wichtig, neue Projekte unter Mitwirkung internationa-<br />
543
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
ler Forschungsteams zu entwickeln. Dies ergibt sich vor allem aus den immer komplexer<br />
werdenden, voneinander abhängigen <strong>Kommunikations</strong>phänomenen.<br />
Übersetzung aus dem Spanischen von Rafael Reimann Igoa<br />
4. Bibliographie<br />
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Jones · <strong>Kommunikations</strong>forschung in Spanien<br />
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Bellaterra, Spanien, http://blues.uab.es/~icap32/menu_cas.htm<br />
Universidad Complutense de Madrid – Facultad de Ciencias de la Información, Avda. de la Complutense<br />
s/n, 28040 Madrid, Spanien, http://www.ucm.es/info/ccinf/dptoscci.htm<br />
Universidad de Navarra – Facultad de Comunicación, Edificio de Bibliotecas, Universidad de Navarra,<br />
31080 Pamplona, Spanien, http://web1.cti.unav.es/un/departamentos/cultura_y_comunicacion.html<br />
Universidad del País Vasco – Facultad de Ciencias Sociales y de la Comunicacion, Barrio Sarriena,<br />
s/n, 48940 Leioa, Spanien, http://www.ehu.es/csc/cas/castellano.html<br />
Universidad Ramon Llull – Facultad de Ciencias de la Comunicación Blanquerna, Valdonzella, 23,<br />
08001 Barcelona, Spanien, http://www.url.es<br />
Universidad Pompeu Fabra – Instituto Universitario del Audiovisual, Àrea de França, Campus de<br />
al Ciutadella, Passeig de Circumval·lació 8, 08003 Barcelona, Spanien, http://www.iua.upf.<br />
es/iua_e.htm<br />
Societat Catalana de Comunició, Carrer del Carme 47, 08001 Barcelona, Spanien, http://www.mediapolis.es/scc/<br />
Instituto Oficial de Radio y Televisión, Ctra. Dehesa de la Villa s/n, 28040 Madrid, Spanien,<br />
http://www.rtve.es/oficial/iortv/iortv.htm<br />
Institut de la Comunicació (InCom) – Universidad Autónoma de Barcelona, Edificio I, 08193 Bellaterra,<br />
Spanien, http://www.portalcomunicacion.com<br />
545
Zur Funktion nichtkommerzieller und Freier Radios<br />
Anmerkungen zum Aufsatz von Jan Pinseler in M&K 3/2001<br />
Klaus-Jürgen Buchholz<br />
DISKUSSION<br />
Auf der Basis einer Fallanalyse zu den Möglichkeiten des alternativen Hörfunks versucht<br />
Jan Pinseler in dem Aufsatz „Sprechen im freien Radio“, der in M&K, Heft 3/2001<br />
erschienen ist, nachzuweisen, dass die „Sprache des Alltags“ ein wesentliches kennzeichnendes<br />
Merkmal Freier Radios sei. Freies Radio lebe geradezu „von einem ungenauen<br />
Sprachgebrauch, der das Nicht-ganz-Verstehen und das Missverständnis“ einkalkuliere.<br />
Vor dem Hintergrund aktueller Forschungsergebnisse, insbesondere zu<br />
nichtkommerziellem lokalen Hörfunk (NKL) in Niedersachsen und Hessen, erscheinen<br />
das methodische Vorgehen, die beschriebenen Befunde und die Schlussfolgerungen des<br />
Autors jedoch äußerst fragwürdig.<br />
Obwohl sich die „Konversationsanalyse“ nur auf 12 Informationssendungen eines<br />
einzigen Freien Radios bezieht, hält es der Autor für „plausibel“ (ohne dies nachvollziehbar<br />
zu begründen), dass seine Ergebnisse „eine Verallgemeinerung für alle bundesdeutschen<br />
freien Radios“ erlauben. Der Autor verweist auf eine „ähnliche Praxis“ anderer<br />
Freier Radios – ohne aber zu wissen, wie diese (Programm-) Praxis aussieht, er hat<br />
sie ja nicht untersucht. Daher: Ich sehe diese Plausibilität nicht.<br />
Indem der Autor die erkennbaren Schwächen Freier Radios (wie auch anderer Formen<br />
des nichtkommerziellen Rundfunks), nämlich die (Nicht-)Anwendung des dem<br />
Medium adäquaten (journalistischen) „Handwerkszeugs“ zum „Potenzial freier Radios“<br />
erhebt, erweist sich seine Untersuchung nicht als eine empirische, sondern als normative.<br />
Dass „freies Radio gar keinen Journalismus (macht)“ (sondern z.B. das „Medium<br />
entzaubert“), ist m.E. eine Behauptung, die sich weder aus theoretischen Überlegungen<br />
des Autors ableiten lässt noch eine Position, die die Freien Radios selbst (in ihrer<br />
Mehrheit) einnehmen dürften. Um sich z. B. vom Offenen Kanal bzw. seiner<br />
Arbeitsweise abzugrenzen, betonen gerade die Freien Radios, so meine Erfahrung, ihre<br />
stärker journalistische Ausrichtung.<br />
M. E. unterscheidet die nichtkommerziellen Lokalradios (einschließlich der Freien<br />
Radios) von etablierten <strong>Medien</strong> zunächst einmal die i.d.R. auch medienrechtlich zugewiesene<br />
Funktion: Sie sollen, als Konkurrenz, die bestehenden <strong>Medien</strong>angebote in der<br />
Region „publizistisch ergänzen“. Die „freien“ unter den nichtkommerziellen Lokalradios<br />
verdichten dieses Ziel – nach meiner Kenntnis immer noch – auf den Begriff bzw.<br />
das Schlagwort der „Gegenöffentlichkeit“. Der „Bundesverband Freier Radios“ (BFR),<br />
der zurzeit 22 der lizenzierten NKL und zehn Radioinitiativen ohne medienrechtliche<br />
Zulassung organisiert, 1 brachte den eigenen Anspruch in seiner 1995 verabschiedeten<br />
Charta folgendermaßen auf den Punkt: Es sollen „gesellschaftliche Zusammenhänge<br />
aufgedeckt“ werden, die „in herkömmlichen <strong>Medien</strong> nicht aufgedeckt werden“. Dieses<br />
will man erreichen, indem „Personen oder Gruppen, die wegen ihrer gesellschaftlichen<br />
Marginalisierung oder sexistischen und rassistischen Diskriminierung in den <strong>Medien</strong><br />
kaum oder nicht zu Wort“ kommen, die „Möglichkeit der unzensierten Meinungs-<br />
1 Bundesweit haben die Landesmedienanstalten derzeit 38 nichtkommerzielle Lokalradios lizenziert.<br />
546
Buchholz · Anmerkungen zu Pinseler<br />
äußerung“ erhalten. 2 Das sind Grundsätze, die regelmäßig auch in den Redaktionsstatuten<br />
wiederzufinden sind, die sich die „Freien Radios“ üblicherweise geben.<br />
Losgelöst vom Selbstverständnis „Freier Radios“ kann der Begriff der publizistischen<br />
Ergänzung als spezifischer Programmauftrag nichtkommerzieller Lokalradios (also eben<br />
nicht nur „Freier Radios“) konkretisiert werden. Dabei sind – unter Abgrenzung gegen<br />
Fetablierte Programmformate – die üblichen Vorgaben der Landesrundfunkgesetze nach<br />
Pluralität und Meinungsvielfalt zu berücksichtigen. Folgt man der Interpretation des<br />
Niedersächsischen Landesrundfunkgesetzes von Volpers et al., dann sollten NKL-Programme<br />
1. sich nicht nur inhaltlich/thematisch, sondern auch in der Präsentation von den Programmen<br />
etablierter kommerzieller und öffentlich-rechtlicher Hörfunkanbieter<br />
deutlich unterscheiden,<br />
2. in der lokalen Berichterstattung ihren Schwerpunkt haben,<br />
3. soziale, kulturelle und politische Aktivitäten des Sendegebietes einbinden sowie<br />
4. Gruppen, die ansonsten in medialen Angeboten unterrepräsentiert sind, Artikulationsmöglichkeiten<br />
eröffnen. 3<br />
Was kennzeichnet nun die Programme nichtkommerzieller Lokalradios in der Realität?<br />
Zunächst: Radiotypisch räumen auch die NKL der Musik einen breiten Raum ein,<br />
vielfach jedoch jenseits des Mainstreams. Zwischen den Sendern gibt es aber „deutliche<br />
quantitative und qualitative Unterschiede des Programms“, wie die Landesanstalt für<br />
Kommunikation Baden-Württemberg bereits 1996 in einer Stichtagsanalyse ihrer NKL<br />
feststellte. 4 Das gilt noch heute. Entscheidend sind nicht nur die Programmphilosophien<br />
(zum Beispiel Hörer- vs. Partizipationsorientierung), ebenso wichtig sind die materiellen<br />
Produktionsbedingungen. Und die sind im bundesweiten Vergleich sehr unterschiedlich.<br />
Volpers et al. (die die Programme der niedersächsischen NKL und die Reichweiten<br />
der hessischen NKL analysierten) charakterisieren die niedersächsischen NKL als<br />
„Mischformen zwischen Tagesbegleit- und Einschaltprogrammen“ – und raten zugleich<br />
von „einer nivellierenden Sichtweise“ ab. 5 Die Notwendigkeit der Differenzierung zeige<br />
sich bereits bei Betrachtung der hörfunkanalytischen Basiskategorien Wort- und<br />
Informationsanteil. In Niedersachsen variiert der Wortanteil der sechs NKL zwischen<br />
23 und 38 Prozent. Bei drei untersuchten NKL in Hessen schwankt er zwischen 23 und<br />
27 Prozent. 6 Für die NKL in Baden-Württemberg hat die dortige Landesmedienanstalt<br />
eine Bandbreite von 10 bis 43 Prozent ermittelt. 7 Das heißt, die NKL erreichen nicht ge-<br />
2 epd/Kirche und Rundfunk 48/1995, S. 16f.<br />
3 Volpers, Helmut/Detlef Schnier/Christian Salwiczek: Programme der nichtkommerziellen Lokalradios<br />
in Niedersachsen. Eine Programm- und Akzeptanzanalyse. Schriftenreihe der NLM,<br />
Bd. 10. Berlin 2000, S. 15.<br />
4 Funkkorrespondenz 1-2/1997, S. 25.<br />
5 Volpers, Helmut/Detlef Schnier/Christian Salwiczek: Programme der nichtkommerziellen Lokalradios<br />
in Niedersachsen. Eine Programm- und Akzeptanzanalyse. Schriftenreihe der NLM,<br />
Bd. 10. Berlin 2000, S. 193<br />
6 Brosius, Hans-Bernd/Stefan Weiler: Programmanalyse nichtkommerzieller Lokalradios in<br />
Hessen. Schriftenreihe der LPR-Hessen, Bd. 10. München 2000, S. 60; vgl. auch Merz, Pia: Bürgerfunk<br />
zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Organisations- und Programmstrukturen nichtkommerziellen<br />
lokalen Hörfunks in Hessen. In: Media Perspektiven 5/1998, S. 254.<br />
7 Landesanstalt für Kommunikation (Hrsg.): Nichtkommerzieller Lokalfunk in Baden-Württemberg.<br />
Stuttgart 2000, S. 51.<br />
547
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
nerell, sondern nur zum Teil Werte, die über den Vergleichswerten privater Formatradios<br />
und öffentlich-rechtlicher Servicewellen liegen. Bezogen auf das jeweilige Gesamtprogramm<br />
liegen die Informationsanteile der niedersächsischen NKL zwischen 15 bis<br />
30 Prozent, bezogen auf die Wortanteile reicht die Bandbreite von 62 bis 82 Prozent.<br />
Die niedersächsische Untersuchung verglich die Programmleistungen der NKL auch<br />
mit denen landesweiter Hörfunkprogramme und lokaler Printmedien. Ergebnis: Die<br />
NKL berichten zeitlich umfangreicher und thematisch vielfältiger über ihre Sendegebiete<br />
als die landesweit verbreiteten Radios. Bezogen auf das Informationsprogramm<br />
erreicht die lokale Berichterstattung Anteile von 59 bis 89 Prozent (für Hessen ermittelten<br />
Brosius und Weiler Werte von 21 bis 72 Prozent). Anders sieht die Situation im<br />
Vergleich zur lokalen Tagespresse aus. Sie leistet nach wie vor die umfangreichere Berichterstattung.<br />
Dennoch verbleibt ein erheblicher Anteil an Themen und Ereignissen,<br />
über die die NKL „exklusiv“ berichten. Insofern ergänzen die NKL das inhaltliche Angebot<br />
der Lokalpresse. Eine Thematisierungsfunktion der NKL für die anderen lokal<br />
berichtenden <strong>Medien</strong> konnte hingegen nicht festgestellt werden. Die NKL setzen (von<br />
Einzelfällen abgesehen) keine lokalen Themen auf die Tagesordnung, die dann von den<br />
anderen <strong>Medien</strong> übernommen werden. 8<br />
Die NKL-Programme sind thematisch vielfältig. Standortabhängig gibt es aber unterschiedliche<br />
inhaltliche Schwerpunkte. Kulturelle Beiträge haben in der Regel den<br />
größten Anteil am Informationsprogramm. Die niedersächsischen Ergebnisse deuten<br />
darauf hin, dass Politik/Wirtschaft/Soziales als wesentlicher Kern der Hardnews insbesondere<br />
bei solchen NKL einen hohen Stellenwert haben, die dem Leitbild öffentlichrechtlichen<br />
Rundfunks und/oder der Gegenöffentlichkeit folgen. Schließlich sind auch<br />
Service und Lokalsport feste Programmbestandteile. Fremdsprachige Sendungen findet<br />
man vor allem bei NKL in Ballungsräumen.<br />
Aktualität ist einer der entscheidenden Vorteile des Hörfunks gegenüber den Printmedien.<br />
Zwischen 49 und 76 Prozent z.B. der niedersächsischen NKL-Berichterstattung<br />
ist tagesaktuell. Damit kommen die NKL in der Spitze zwar an die Vergleichswerte privater<br />
(um 80 Prozent) und öffentlich-rechtlicher (über 90 Prozent) Servicewellen heran.<br />
Im Durchschnitt weisen sie aber doch eine geringere Tagesaktualität als die etablierten<br />
Programme auf. Einer der Gründe dafür dürfte in den besonderen Produktionsbedingungen<br />
der NKL zu suchen sein. Die redaktionelle Arbeit stützt sich wesentlich auf ehrenamtliche<br />
Mitarbeiter, die in zeitlicher und professioneller Hinsicht nicht beliebig disponibel<br />
sind.<br />
Die vorliegende Begleitforschung aus Hessen und Niedersachsen (eingeschränkt auch<br />
aus Baden-Württemberg) bescheinigt den NKL übereinstimmend, inhaltlich und thematisch<br />
der publizistischen Ergänzungsfunktion gerecht zu werden. Eher kritisch wird<br />
allerdings die beschränkte Formen- bzw. Darstellungsvarianz gesehen – die Pinseler, so<br />
scheint es mir, in seinem Aufsatz zu legitimieren versucht.<br />
Volpers et al. vermuten, dass „die NKL-Programmproduzenten die radiophonen<br />
Möglichkeiten des Hörfunks nicht kennen oder nicht für ihre Programmpraxis nutzbar<br />
machen wollen oder können.“ Ihr Berichterstattungsrepertoire wirke eher „spärlich“.<br />
„Akustische Möglichkeiten – neben Sprache, Musik und Jingles – wie Klänge, Hintergrundgeräusche,<br />
O-Töne, szenische Dokumentationen usw.“ würden kaum ausge-<br />
8 Volpers, Helmut/Detlef Schnier/Christian Salwiczek: Programme der nichtkommerziellen Lokalradios<br />
in Niedersachsen. Eine Programm- und Akzeptanzanalyse. Schriftenreihe der NLM,<br />
Bd. 10. Berlin 2000, S. 193f.<br />
548
Buchholz · Anmerkungen zu Pinseler<br />
schöpft, und „radiophone Experimente im Sinne einer formalen Weiterentwicklung des<br />
Mediums“ fänden „überhaupt nicht statt“. 9<br />
Das sind m.E. Ergebnisse, die deutlich im Widerspruch zu den Befunden – bzw. Bewertungen<br />
– von Pinseler stehen. Wenn er z. B. hinsichtlich eines Interviewablaufes feststellt,<br />
dass „die Agierenden im freien Radio in der Lage (sind), zwischen diesen Gesprächsformen“<br />
– Interviewender/Interviewter – „zu wechseln“, dann ist das, so meine<br />
Einschätzung, gerade kein bewusst eingesetztes Stilmittel, sondern geschieht aufgrund<br />
mangelnder Qualifikation derjenigen Person, die das Interview führt (bzw. eben nicht<br />
„führt“). Das hat nichts mit einer „Entzauberung des Mediums“ zu tun, das hat nichts<br />
damit zu tun, dass man „den Akteuren das Wort“ gibt. Das ist einfach nur unprofessionell.<br />
Apropos „den Akteuren das Wort geben“: Die niedersächsische NKL-Programmanalyse<br />
dokumentiert, dass auch im NKL – einschließlich der 2-3 NKL, die sich noch<br />
am stärksten dem Freien Radio verbunden fühlen – „Normalbürger“ eher nachrangig zu<br />
Wort kommen (20–50 % der Fälle). Deutlich höhere Anteile erreichen Personen aus den<br />
lokalen Führungseliten, lokale Funktions- und Entscheidungsträger „nachgeordneter“<br />
Bedeutung sowie Experten. 10<br />
Trotz der „handwerklichen Defizite“ bewertet die vorliegende Forschung in der Gesamtschau<br />
nichtkommerzielle lokale Radios als eine Bereicherung der Hörfunk- und<br />
<strong>Medien</strong>landschaft. Sie erfüllen wesentliche Teile ihres (gesetzlichen) Programmauftrages<br />
und ergänzen die lokale Publizistik. Aber: Ihre Programmpraxis ist, von Ausnahmen<br />
abgesehen, weniger „alternativ“ als ihr medientheoretischer Hintergrund, insbesondere<br />
die Ideologie des „Freien Radios“ erwarten lässt. Bemerkenswert ist das breite Spektrum<br />
der konkreten Programmrealisation der verschiedenen NKL. Es gibt somit nicht „das“<br />
NKL (und wohl auch nicht „das“ Freie Radio), sondern eine Vielfalt von Programmprofilen.<br />
11<br />
Inzwischen liegen neben Organisations- 12 und Inhaltsanalysen 13 auch Reichweitenstudien<br />
14 vor. Sie dokumentieren, dass das Publikum jene Programmleistungen „belohnt“,<br />
die auch der Gesetzgeber üblicherweise vom NKL erwartet – nämlich Information<br />
und Lokalbezug. Die Radios mit den vergleichsweise höchsten Wort- und Infor-<br />
9 Ebd., S. 194.<br />
10 Ebd., S. 46ff.<br />
11 Ebd., S. 196f.<br />
12 Rager, Günther/Lars Rinsdorf: Kommunikatoren im nichtkommerziellen lokalen Hörfunk in<br />
Niedersachsen. Eine Organisationsanalyse. Schriftenreihe der NLM, Bd. 9. Berlin 2000; Fleming,<br />
Jens u. a.: Organisations- und <strong>Kommunikations</strong>struktur nichtkommerzieller Lokalradios<br />
in Hessen. Schriftenreihe der LPR-Hessen, Bd. 11. München 2000.<br />
13 Siehe Volpers, Helmut/Detlef Schnier/Christian Salwiczek: Programme der nichtkommerziellen<br />
Lokalradios in Niedersachsen. Eine Programm- und Akzeptanzanalyse. Schriftenreihe der<br />
NLM, Bd. 10. Berlin 2000, S: 15. Siehe auch Brosius, Hans-Bernd/Stefan Weiler: Programmanalyse<br />
nichtkommerzieller Lokalradios in Hessen. Schriftenreihe der LPR-Hessen, Bd. 10.<br />
München 2000, S. 60; vgl. auch Merz, Pia: Bürgerfunk zwischen Anspruch und Wirklichkeit.<br />
Organisations- und Programmstrukturen nichtkommerziellen lokalen Hörfunks in Hessen. In:<br />
Media Perspektiven 5/1998, S. 254.<br />
14 Emnid-Institut: Die niedersächsischen Bürgermedien und ihr Publikum. Eine Nutzungs- und<br />
Reichweitenanalyse. Schriftenreihe der NLM, Bd. 11. Berlin 2001; Volpers, Helmut/Christian<br />
Salwiczek/Detlef Schnier: Image- und Akzeptanzuntersuchung nichtkommerzieller Lokalradios<br />
in Hessen. Schriftenreihe der LPR-Hessen, Bd. 13. München 2001<br />
549
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
mationsanteilen sowie starkem Lokalbezug haben auch die höchsten Reichweiten. In<br />
Niedersachsen ist es für die Hälfte der Hörer (im so genannten Weitesten Hörerkreis,<br />
WHK) „sehr wichtig“ und für knapp 40 Prozent „ziemlich wichtig“, dass die NKL über<br />
Themen berichten, die andere <strong>Medien</strong> vernachlässigen. 15 Das ist im Übrigen auch eines<br />
der stärksten Motive, im NKL (oder Freien Radio) aktiv mitzuarbeiten. Rund zwei<br />
Drittel der NKL-Aktiven treibt dieses, den Publikumserwartungen entsprechende Interesse<br />
an. 16 Ausdrücklich wird von der Hörerschaft auch die lokale Themenorientierung<br />
gewünscht: Dass ausführlich über die Region informiert wird, halten 45 Prozent<br />
für „sehr wichtig“ und 47 Prozent für „ziemlich wichtig“. 17<br />
Diesen Erwartungen kommen die NKL weitgehend, wenn auch im Einzelfall in unterschiedlichem<br />
Umfang, nach. Interessant ist m.E., dass gerade jene NKL, die sich der<br />
Idee des Freien Radios verpflichtet fühlen, tendenziell den geringsten Lokalbezug aufweisen<br />
(und die geringsten Reichweiten). Für deutlich weniger wichtig halten die Hörer,<br />
dass NKL „politisch klar Position beziehen“ oder „provozieren“ 18 – was sich durchaus<br />
als Absage an den politischen Impetus „Freier Radios“ interpretieren lässt – und ich<br />
denke auch als Absage an die von Pinseler postulierte „Subjektivität“ Freier Radios.<br />
Wie die obigen Ausführungen zeigen, ist es nicht (mehr) richtig, dass die <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong><br />
Freie Radios (bzw. NKL) „fast vollständig ignoriert“, wie Pinseler<br />
in der Einführung seines Aufsatzes behauptet. Aktuelle und empirisch fundierte Organisations-,<br />
Programm- und Nutzungsanalysen liegen sowohl für Hessen als auch für<br />
Niedersachsen vor und sind in den Schriftenreihen der jeweiligen Landesmedienanstalt<br />
veröffentlicht. Eine aktuelle Übersicht über die NKL- bzw. Freie Radio-Landschaft in<br />
Baden-Württemberg einschließlich einiger Forschungsergebnisse zu Programm und<br />
Nutzung hat die Stuttgarter Landesanstalt für Kommunikation letztes Jahr veröffentlicht.<br />
Und mit dem Handbuch „Interview ist nicht gleich Interview“ von Traudel Günnel<br />
gibt es seit zwei Jahren eine (erste) praktische Handreichung gezielt für die medienpraktische<br />
Ausbildung im Bürgerrundfunk. 19<br />
Ich vermute, wären diese Quellen bei der Untersuchung des „Sprechens im freien Radio“<br />
berücksichtigt worden, die Schlussfolgerungen des Autors wären dann andere?<br />
15 Emnid-Institut: Die niedersächsischen Bürgermedien und ihr Publikum. Eine Nutzungs- und<br />
Reichweitenanalyse. Schriftenreihe der NLM, Bd. 11. Berlin 2001, S. 26.<br />
16 Rager, Günther/Lars Rinsdorf: Kommunikatoren im nichtkommerziellen lokalen Hörfunk in<br />
Niedersachsen. Eine Organisationsanalyse. Schriftenreihe der NLM, Bd. 9. Berlin 2000, S. 66.<br />
17 Emnid-Institut: Die niedersächsischen Bürgermedien und ihr Publikum. Eine Nutzungs- und<br />
Reichweitenanalyse. Schriftenreihe der NLM, Bd. 11. Berlin 2001, S. 26.<br />
18 Ebd.<br />
19 Günnel, Traudel/Ulrike Werner: Interview ist nicht gleich Interview. Handbuch für die medienpädagogische<br />
Ausbildung im Audiobereich. München 1999.<br />
550
„Das ist einfach nur unprofessionell“<br />
Eine Antwort auf Klaus-Jürgen Buchholz<br />
Jan Pinseler<br />
Pinseler · Antwort auf Buchholz<br />
Die Kritik an meinem Aufsatz zum Sprechen im freien Radio macht Klaus-Jürgen Buchholz<br />
vor allem an drei Punkten fest: erstens dem Vorwurf, ich hätte eine Fülle von Forschungsergebnissen<br />
zu Freien Radios nicht rezipiert, zweitens der Behauptung, ich würde<br />
normativ statt empirisch vorgehen und drittens dem Vorwurf, ich würde einfach nur<br />
Unprofessionalität in ein Stilmittel umdefinieren. Außerdem vermischt Buchholz konsequent<br />
die Zusammenfassung dessen, was theoretisch das Potenzial freier Radios sein<br />
könnte (Kapitel 2.2.) und die Ergebnisse meiner empirischen Untersuchung (Kapitel 3<br />
und 4). Auf Letzteres möchte ich nicht näher eingehen, da es am Originaltext relativ<br />
leicht ist, die klare Trennung dieser beiden Ebenen nachzuvollziehen. Auf die ersten drei<br />
Kritikpunkte will ich jedoch im Folgenden antworten.<br />
Dankenswerterweise stellt Buchholz im größten Teil seiner Replik eine Reihe von Einzelergebnissen<br />
aus Auftragsstudien verschiedener Landesmedienanstalten zum nichtkommerziellen<br />
Lokalfunk vor. Indem er dies tut, verschwimmen aber die Kategorien,<br />
über die gesprochen wird. Ich habe das Sprechen im freien Radio an dem Fallbeispiel coloRadio<br />
Dresden untersucht, wobei ich als freies Radio alle Radios bezeichnet habe, die<br />
sich selbst so definieren, der Einfachheit halber festgemacht an der Mitgliedschaft im<br />
Bundesverband Freier Radios (BFR). Buchholz geht schnell und ganz nebenbei dazu<br />
über, statt von freien Radios von nichtkommerziellen Lokalradios zu sprechen. Die Daten,<br />
die er nennt, beziehen sich auf nichtkommerzielle Lokalradios im Allgemeinen, nicht<br />
auf freie Radios im Speziellen. Dieser Unterschied hat Folgen. Nichtkommerzieller Lokalfunk<br />
ist jeder Radiosender, der unter dieser Bezeichnung von einer Landesmedienanstalt<br />
lizenziert wurde, darunter neben freien Radios auch Sender, die völlig anders organisiert<br />
sind und ganz andere Vorstellungen davon haben, was in ihren Programmen<br />
gesendet werden soll. Diese sind viel zu unterschiedlich, als dass die Ergebnisse von Untersuchungen<br />
nichtkommerziellen Rundfunks im Allgemeinen automatisch auch für freie<br />
Radios im Speziellen gelten würden. Andere freie Radios sind gar nicht als nichtkommerzielle<br />
Lokalsender lizenziert, sondern als ganz normale privat-kommerzielle Betreiber.<br />
Sie werden von den Untersuchungen nichtkommerziellen Hörfunks gar nicht mit<br />
erfasst. Um die Ergebnisse meiner Forschung in einen Kontext zu stellen, müsste es Analysen<br />
von freien Radios geben. Die jedoch sind rar. Die von Buchholz dargelegten Daten<br />
sagen in der vorliegenden Form jedenfalls nichts über freie Radios aus.<br />
Normativ würde ich in meiner Untersuchung vorgehen, so Buchholz, anstatt empirisch,<br />
was für ihn offensichtlich die einzig legitime Art von Forschung ist. In der Folge<br />
beschreibt er dann, was für ihn ein nicht-normatives Vorgehen ist: Freie Radios müssten<br />
sich an der ihnen „medienrechtlich zugewiesenen Funktion“, an den „Vorgaben der<br />
Landesrundfunkgesetze“ und an der üblichen journalistischen Praxis messen lassen.<br />
Dies ist eine durchaus legitime Forschungsfrage, die empirisch untersucht werden kann<br />
und, wie Buchholz auch erwähnt, untersucht worden ist. Als Maßstab müssten bei diesem<br />
Vorgehen Gesetzestexte und journalistische Standards zugrunde gelegt werden.<br />
Eine solche Vorgehensweise ist aber gerade normativ. In seiner Beschreibung von nichtkommerziellem<br />
Lokalfunk geht Buchholz auch selber, wie seinen Ausführungen zu entnehmen<br />
ist, normativ vor, indem er NKLs an seinen Vorstellungen davon, wie sie sein<br />
sollten, misst.<br />
551
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
Abgesehen davon, dass „empirisch“ und „normativ“ keine sich ausschließenden Kategorien<br />
sind, ist meine Untersuchung in erster Linie empirisch und nur nachrangig normativ.<br />
In ihr bin ich zunächst deskriptiv und in einem weiteren Schritt evaluativ vorgegangen.<br />
Die Konversationsanalyse — die im Übrigen etabliert genug ist, um ohne Gänsefüßchen<br />
auszukommen — fordert vom Forscher, wie jede qualitative Methode, ergebnisoffen<br />
an sein Untersuchungsmaterial heran zu gehen. In der Analyse dieses<br />
Materials geht sie der Frage nach, wie Menschen in ihren alltäglichen Interaktionen<br />
Wirklichkeit reproduzieren. Durch die Untersuchung von Gesprächen im freien Radio<br />
kann also herausgefunden werden, wie dieser spezielle Ausschnitt von sozialer Wirklichkeit<br />
konstruiert und rekonstruiert wird. Die in meinem Aufsatz geschilderten unterschiedlichen<br />
Formen von Gesprächen, die ich vorgefunden habe, sind das Ergebnis<br />
dieser Analyse, nicht theoretische Vorannahme. Dieses Ergebnis dann mit Analysen von<br />
anderen Hörfunksendern zu vergleichen, um gerade aus den Unterschieden die Besonderheiten<br />
freier Radios abzuleiten, scheint mir sehr sinnvoll, bietet es doch die Möglichkeit,<br />
freie Radios gerade nicht an normativen Vorgaben zu messen. Normative Elemente<br />
sind in meinem Aufsatz jedoch selbstverständlich auch enthalten, so wie sie notwendigerweise<br />
in jedem Forschungsprojekt enthalten sind. Mein Forschungsinteresse<br />
etwa speist sich aus einem Verständnis von sozialen Vorgängen, das eben nicht danach<br />
fragt, inwieweit soziale Akteure in ihrem Handeln den Vorstellungen des Gesetzgebers<br />
folgen, sondern das die Akteure selber, ihre Deutungen und ihre Wertungen in den Mittelpunkt<br />
des Interesses stellt.<br />
Genau deshalb hat mich nicht interessiert, inwieweit die Macherinnen freier Radios<br />
journalistisches Handwerk beherrschen, sondern was sie tatsächlich tun, wenn sie Radio<br />
machen. Dabei müssen sie gar nicht verschiedene Arten von Gesprächen als Stilmittel<br />
einsetzen. Sie tun es einfach, auch wenn es ihnen kaum bewusst ist. Der Forscher<br />
kann die angewandte Ethnomethode jedoch analysieren und beschreiben. Genau dies<br />
habe ich in Bezug auf Gespräche im freien Radio getan. Im vorliegenden Aufsatz habe<br />
ich behauptet, es sei plausibel, die gefundenen Ergebnisse auf andere freie Radios zu<br />
übertragen, habe diese Plausibilität jedoch nicht näher begründet, wie Buchholz zu<br />
Recht kritisiert. Diese Schlussfolgerung speist sich aus ethnografischem Material, das ich<br />
durch den Besuch und das Anhören anderer freier Radios (u. a. Radio Dreyeckland in<br />
Freiburg, Freies Sender Kombinat Hamburg, Querfunk Karlsruhe) gewonnen habe. Deren<br />
Sendungen wurden allerdings von mir nicht detailliert konversationsanalytisch untersucht,<br />
sondern nur daraufhin durchgehört, ob sich Widersprüche zu den von mir für<br />
coloRadio Dresden gefundenen Ergebnissen feststellen lassen. Dies war nicht der Fall,<br />
so dass ich von Plausibilität sprechen kann. Inwieweit sich diese Ergebnisse tatsächlich<br />
auf andere freie Radios übertragen lassen, könnte erst nach ähnlichen Untersuchungen<br />
anderer freier Radios endgültig geklärt werden. Sollte sich eine Landesmedienanstalt<br />
dazu entschließen, solch ein Forschungsprojekt zu finanzieren, sähe ich den Ergebnissen<br />
mit großem Interesse entgegen. Dazu sollten dann aber nicht nur die von den Landesmedienanstalten<br />
in Auftrag gegebenen Studien und Bücher von diesen wahrgenommen<br />
werden. So gibt es z. B. seit diesem Jahr ein Lehrheft über Interviews in freien Radios,<br />
dass nicht einfach journalistische Praktiken didaktisch aufbereitet, sondern das Befragen<br />
hinterfragt. 1 Dort werden auch Fragen gestellt wie: Muss eine freies Radio<br />
eigentlich professionell sein? Und was ist überhaupt professionell?<br />
1 Udo Israel, Reto Friedmann (Hrsg.): Notizen zum Interview. Zürich, 2001.<br />
552
Besprechungen<br />
Jutta Röser<br />
Fernsehgewalt im gesellschaftlichen Kontext<br />
Eine Cultural Studies-Analyse über <strong>Medien</strong>aneignung<br />
in Dominanzverhältnissen<br />
Opladen: Westdeutscher, 2000. – 362 S.<br />
ISBN 3-531-13497-3<br />
Geraten Kinder und Jugendliche als Gewalttäter<br />
in die Zeitungsschlagzeilen, stehen die<br />
Schuldigen meist schon fest. Wieder einmal haben<br />
die <strong>Medien</strong> die Straftat ausgelöst. Und auch<br />
die passenden Studien, die „Leichen zählend“<br />
diese Thesen bestätigen, sind schnell zitiert.<br />
„Die Politik findet in den <strong>Medien</strong> einen sie entlastenden<br />
,Sündenbock‘ (…) für gesellschaftliche<br />
Gewaltprobleme, die auf diese Weise zugleich<br />
dramatisiert und bezüglich der eigenen<br />
Verantwortung abgewehrt werden.“ (17) So<br />
das Fazit Jutta Rösers hinsichtlich der Ursachen<br />
dieses längst obsoleten Stimulus-Response-Denkens.<br />
Doch nicht nur die Politik, auch<br />
die Wissenschaft selbst gerät in ihr kritisches<br />
Visier. „Zwar distanziert man sich (…) von<br />
monokausalen Konstrukten, hält aber häufig<br />
trotzdem an kausalen Denkmodellen fest.“ (18)<br />
Ausgangspunkt für Jutta Rösers Habilitationsschrift,<br />
die nun als Buch vorliegt, waren<br />
eklatante Forschungslücken, die trotz der Vielzahl<br />
von Untersuchungen immer noch vorhanden<br />
sind. „Obwohl der Anlass für die häufige<br />
Beschäftigung mit Gewaltdarstellungen insbesondere<br />
im Fernsehen ein zutiefst gesellschaftlicher<br />
ist – nämlich die Frage, ob der Konsum<br />
von <strong>Medien</strong>gewalt zu vermehrter Gewaltausübung<br />
beiträgt – spielen gesellschaftliche (Gewalt-)Strukturen<br />
in Anlage und Durchführung<br />
der meisten Studien keine Rolle.“ (11) So bleibe<br />
ungefragt, „inwieweit soziale Konflikte und<br />
Gewaltverhältnisse das Fundament bilden, auf<br />
dem die symbolischen Gewalterzählungen des<br />
Fernsehens Relevanz erhalten.“ (11) Das Fazit<br />
Rösers: „Soziale Formationen, die sowohl den<br />
Kontext der Rezipierenden strukturieren als<br />
auch in die Gewalttexte eingeschrieben sind,<br />
werden in der Gewaltforschung systematisch<br />
ausgeblendet.“ (12) Erste Hinweise auf die Frage,<br />
worin nun diese Systematik besteht und vor<br />
allem welchen Interessen sie folgt, werden an<br />
dieser Stelle leider nicht gegeben.<br />
LITERATUR<br />
Die zweite Forschungslücke macht Röser in<br />
der fehlenden Auseinandersetzung mit der Geschlechterperspektive<br />
aus. Nicht nur in eigenen<br />
Untersuchungen, sondern auch in anderen Gewaltstudien<br />
findet sie Hinweise, „dass ,Geschlecht‘<br />
ein stabiler differenzierender Faktor<br />
für die Nutzung, Rezeption und Wirkung von<br />
medialer Gewalt ist.“ (12) Dennoch finde dieser<br />
Aspekt in der Mehrzahl der Studien keine<br />
Berücksichtigung.<br />
In ihrem umfassenden Überblick zum Stand<br />
der Forschung nähert sich Röser dem Aspekt<br />
der Systematik und analysiert detailgenau die<br />
impliziten Setzungen bisheriger Untersuchungen<br />
und die Erklärungsperspektiven, die nicht<br />
berücksichtigt werden. Für die deutsche Forschung<br />
der neunziger Jahre stellt sie fest:<br />
„Trotz der Vielzahl von Studien gibt es nur wenige<br />
Untersuchungen zur <strong>Medien</strong>gewalt-Rezeption<br />
a) aus soziologischer Perspektive, b)<br />
auf Basis qualitativer Methoden, c) konzentriert<br />
auf Erwachsene und (…) d) mit Blick auf<br />
alltägliche Formen von Fernsehgewalt (anstelle<br />
von z.B. Horror und Videogewalt).“ (17) Unberücksichtigt<br />
bleibe auch die Perspektive des<br />
Opfers und die Frage nach Angst-Effekten.<br />
(19) Mit der Aggressionszentrierung der bisherigen<br />
Studien werde dem Publikum eine Täterempathie<br />
unterstellt. „Ausgeblendet bleibt<br />
die Möglichkeit, dass Zuschauerinnen und Zuschauer<br />
die Perspektive des Opfers einnehmen.“<br />
(21) Röser diagnostiziert in der Aggressionszentrierung<br />
der Studien eine implizite<br />
ideologische Setzung. Einerseits werde die<br />
Ausübung und das Empfinden von Aggression<br />
als gesellschaftsschädlich definiert, andererseits<br />
genauso implizit Angst „als unproblematisch<br />
oder sogar als nützlich definiert.“ (22) Dies sei<br />
sowohl im Blick auf gesellschaftliche als auch<br />
lebensweltliche Kontexte höchst zweifelhaft.<br />
Schon in ihrem Überblick über den Stand<br />
der Forschung formuliert Röser erste Thesen,<br />
die sie im folgenden Untersuchungsteil exemplifiziert.<br />
So bemerkt sie: „Eine diametrale Rollenumkehr<br />
im <strong>Medien</strong>text bei gleichbleibenden<br />
gesellschaftlichen Kontextbedingungen kann<br />
meiner Ansicht nach nicht zu vertauschten,<br />
sondern nur zu ambivalenten Rezeptionsweisen<br />
führen.“ (36) Sie versucht, ausgehend von<br />
ihrer selbstentwickelten Umsetzung von Methoden<br />
der Cultural Studies das bisherige Untersuchungsspektrum<br />
quantitativer Studien mit<br />
qualitativen Analyseverfahren zu erweitern,<br />
um weitere Aspekte der Wirkung von Gewalt-<br />
553
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
darstellungen erklären zu können. Dabei setzt<br />
sie mit dem gesellschaftlichen Kontext als diskursive<br />
Aktivität der Rezipierenden und den<br />
Geschlechterpositionen zwei Schwerpunkte.<br />
Es bleibt zu fragen, inwieweit ihre vorab entwickelten<br />
Thesen ihre Auswertung von Gruppendiskussionen<br />
beeinflussten. Die moderierten<br />
Diskussionen mit Frauen, Männern und gemischten<br />
Gruppen über zwei ausgewählte Gewaltszenen<br />
des fiktionalen Fernsehprogramms<br />
zeigen geschlechterspezifische Rollenidentifikationen<br />
mit Täter oder Opfer, Reaktionen auf<br />
Gewaltdarstellung ebenso wie implizite Vorstellungen<br />
über Geschlechterrollen und adäquates<br />
Geschlechterverhalten. Die Szenenauswahl<br />
setzt bewusste Differenzen: Es handelt<br />
sich um eine hegemoniale Szene, „in der die<br />
Gewalt dem gesellschaftlichen Machtverhältnis<br />
folgt“ und eine nicht-hegemoniale Szene, „in<br />
der ebenfalls eine Frau bedroht wird, diese<br />
ihren Angreifer jedoch besiegt.“ (13) Bei der<br />
Auswertung werden einige besonders aussagekräftige<br />
Zitate aus den Gruppendiskussion in<br />
ganz unterschiedlichen Analysezusammenhängen<br />
mehrfach verwertet.<br />
Röser konstatiert als Untersuchungsergebnis<br />
einen „tiefgreifenden Einfluss der Kategorie<br />
Geschlecht im Gewaltzusammenhang.“ (350)<br />
Das Geschlechter-Gewalt-Verhältnis sei in „so<br />
eindeutiger Weise strukturiert, wie man es in<br />
Zeiten gesellschaftlicher Uneindeutigkeit nur<br />
selten findet.“ Dabei sind besonders jene Dominanzverhältnisse<br />
einflussreich, „die Ohnmachtpositionen<br />
mit Körperlichkeit verbinden<br />
und begründen.“ (350)<br />
Die Studie ist ein exemplarisches Beispiel für<br />
die Notwendigkeit interdisziplinärer <strong>Medien</strong>forschung.<br />
Durch sie ließe sich die von Werner<br />
Früh konstatierte „wechselseitige, dynamische<br />
Abhängigkeit von <strong>Medien</strong>botschaft und Publikumswahrnehmung<br />
angemessen“ (Früh 1995,<br />
173) berücksichtigen. Die Integration medienund<br />
film<strong>wissenschaft</strong>licher Studien zu den<br />
ökonomischen Rahmenbedingungen der Produktion,<br />
zur Genreforschung und zur Geschlechterdarstellung<br />
hätten noch weitere Erklärungsmuster<br />
liefern können. Auf diese Weise<br />
ließe sich Rösers Auffassung von <strong>Medien</strong>texten<br />
als „symbolische Repräsentationen<br />
gesellschaftlicher, sozialer, kultureller Themen“<br />
(343) stärker untermauern. Die Autorin<br />
selbst spricht „vom Zusammenspiel von Eigenschaften<br />
des Produkts und Konstruktionsleistungen<br />
der Rezipierenden.“ (37) und konsta-<br />
554<br />
tiert: „Erst wenn der Aneignungsprozess im<br />
Spannungsfeld von Text und Kontext in die<br />
Analyse integriert wird, kann die Frage nach<br />
Wirkungen sinnvoll gestellt werden.“ (38)<br />
So ist die Gewaltdarstellung gegen Frauen<br />
genrespezifisch unterschiedlich. Viele in unterschiedlichen<br />
Zusammenhängen ausgewertete<br />
Beiträge der Probanden, etwa ihre Prognosen<br />
über den Handlungsverlauf der Filme aus denen<br />
die Beispielsszenen stammen, lassen sich<br />
auf ihre durch lange Seherfahrung erworbene<br />
Genrekenntnis zurückführen. Zwar konstatiert<br />
Röser eine erstaunliche <strong>Medien</strong>kompetenz ihrer<br />
Gesprächsteilnehmer, geht aber selbst nur<br />
rudimentär auf Genrekonventionen ein. So bezieht<br />
sich die häufig thematisierte Komik des<br />
Rollenwechsels in einer Gewaltszene vor allem<br />
auch auf Genresspezifika des Gendercrossing<br />
etwa in Komödien. Siegfried Kaltenecker hat in<br />
„Spiegelformen. Männlichkeit und Differenz<br />
im Kino“ (Basel, Frankfurt am Main 1996) die<br />
Genrekonventionen dieses Rollenwechsels untersucht.<br />
Für die Gesprächsanalyse wären ergänzende<br />
Untersuchungen aus dem Bereich<br />
Cultural Studies, etwa Andreas Hepps Studie<br />
zur Fernsehaneignung in Alltagsgesprächen,<br />
hilfreich gewesen.<br />
Röser selbst versteht ihren eigenen Ansatz<br />
zur Analyse von Fernsehgewalt und ihrer Wirkung<br />
als Verabschiedung „von der Suche nach<br />
dem objektiven Gehalt medialer Gewalt und<br />
nach globalen Wirkungen“ (342) Für die künftige<br />
Forschung schlägt Röser die stärkere Berücksichtigung<br />
von Themen „wie Macht und<br />
Marginalisierung, soziale Konflikte und Wandlungsprozesse<br />
als Kontext der <strong>Medien</strong>gewaltrezeption<br />
vor“ (348). Mit ihrer Studie hat sie<br />
einen wichtigen Ausgangspunkt für neue Perspektiven<br />
in der Gewaltforschung geleistet.<br />
Joan Kristin Bleicher<br />
Christoph Bieber<br />
Politische Projekte im Internet<br />
Online-Kommunikation und politische<br />
Öffentlichkeit<br />
Frankfurt/New York: Campus, 1999 – 232 S.<br />
ISBN 3-593-36344-5<br />
Das Phänomen „Internet“ stellt mehr noch als<br />
für Bürger und Politiker eine Herausforderung<br />
sowohl für die Politik- als auch für die <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong><br />
dar: Das Problem
eginnt bereits bei der Frage, ob das Internet<br />
etwa ein „Medium“ im kommunikations<strong>wissenschaft</strong>lichen<br />
Sinne sei, und wodurch sich<br />
Online-Kommunikation von herkömmlicher<br />
interpersonaler und <strong>Medien</strong>kommunikation<br />
unterscheide. Christoph Bieber hat mit seinem<br />
Buch die Aufgabe übernommen, der Online-<br />
Kommunikation zumindest im begrenzten<br />
Ausschnitt der politischen Kommunikation<br />
eine <strong>wissenschaft</strong>liche Struktur zu geben. Ziel<br />
der Arbeit ist es, mit einem explorativ angelegten<br />
Vorgehen „eine detaillierte Analyse der im<br />
Entstehen begriffenen Orte sichtbaren politischen<br />
Handelns im Netz“ zu liefern, sowie auf<br />
der Basis einiger Fallstudien auch die „theoretische<br />
Fragestellung nach einer Transformation<br />
der politischen Öffentlichkeit“ (20) im Internet<br />
zu erörtern.<br />
In Kapitel 2 umreißt Bieber den für seine Arbeit<br />
zentralen Begriff der Online-Kommunikation<br />
aus kommunikations<strong>wissenschaft</strong>licher<br />
Sicht. Dabei wird gleich zu Beginn klargestellt,<br />
dass es die spezifischen Eigenschaften von Online-Kommunikation<br />
nicht geben kann. Vielmehr<br />
weisen verschiedene Online-<strong>Kommunikations</strong>formen<br />
(E-Mail, Chats, etc.) ganz unterschiedliche<br />
Merkmale auf, die jeweils im<br />
Einzelfall für deren <strong>wissenschaft</strong>liche Definition<br />
herangezogen werden müssen. Bieber versucht<br />
sinnvollerweise aber ohnehin nicht, eine<br />
endgültige und umfassende Definition von Online-Kommunikation<br />
zu liefern; ihm kommt es<br />
vielmehr darauf an, aus den bereits existierenden<br />
Fragmenten theoretischer Begriffsdefinitionen<br />
(Morris/Ogan 1996; Rössler 1998) ein<br />
Instrumentarium zur intramedialen Unterscheidung<br />
verschiedener Online-Angebote zu<br />
erarbeiten. Für ihn ist dabei das Merkmal der<br />
„Interaktivität“ zentral, das er in vier Dimensionen<br />
ausdifferenziert, die ihm im Weiteren als<br />
Folie für die Analyse verschiedener politischer<br />
Online-Projekte dienen.<br />
Die darauf folgende Beschreibung der „Mechanismen<br />
und Strukturen“ der Online-Kommunikation<br />
ist, obwohl der Text immerhin erst<br />
1999 veröffentlicht wurde, weitgehend überholt.<br />
Das ist allerdings nicht dem Autor, sondern<br />
vor allem der rasanten Entwicklung sowohl<br />
in der Technik als auch der sozialen Aneignung<br />
des Internets anzulasten. Ebenso wie<br />
das Glossar am Ende des Buches dienen die in<br />
diesem Abschnitt vorgestellten Definitionen<br />
der wichtigsten Elemente der Netzkommunikation<br />
wie „Links“, „Suchmaschinen“ oder die<br />
Besprechungen<br />
Darstellung der „aktuellen“ Verbreitung der<br />
Internetnutzung eher als Einstiegslektüre für<br />
<strong>wissenschaft</strong>liche Internet-Neulinge. Davon<br />
dürfte es in der Zielgruppe des Buches heute jedoch<br />
nur noch wenige geben.<br />
Theoretisch eingegrenzt wird Biebers Analyse<br />
der Online-Kommunikation in Kapitel 3<br />
durch das Konzept der „Öffentlichkeit“, das<br />
eine zentrale Rolle in der Beziehung von<br />
<strong>Medien</strong> und Politik spielt. Nahe gelegt wird<br />
dies durch die oft gebrauchte Metapher des<br />
Internets als „Cyberspace“, dem die Öffentlichkeit<br />
als nach Habermas’scher Definition<br />
„im kommunikativen Handeln erzeugter sozialer<br />
Raum“ gegenüber steht. Inwieweit im<br />
virtuellen Raum des Internets also Öffentlichkeit<br />
entsteht – und ob sie dabei in Form einer<br />
spezifischen „Netzöffentlichkeit“ auftritt – ist<br />
die Frage, die durch die Analyse dreier „politischer<br />
Online-Projekte“ im nächsten Abschnitt<br />
geklärt werden soll. Der Hebel, an dem Bieber<br />
ansetzt, sind die Akteure der Öffentlichkeit, die<br />
nach Peters (1993) in Akteure des Zentrums,<br />
der inneren und der äußeren Peripherie differenziert<br />
werden.<br />
Im Kapitel 4, dem umfangreichsten des Buches,<br />
folgen die Analysen von drei „politischen<br />
Projekten“ im Internet. Methodisch<br />
handelt es sich dabei um eine inhaltsanalytische<br />
Untersuchung von im WWW veröffentlichten<br />
Angeboten verschiedener politischer<br />
Akteure. Obwohl in Kapitel 3 das Spektrum<br />
möglicher politischer Akteure und ihrer Online-Aktivitäten<br />
aufgefächert wurde, dient diese<br />
Strukturierung nicht zur Auswahl der konkreten<br />
Fallbeispiele. Als Kriterien erscheinen<br />
hier die drei Begriffe „Entstehung“, „Herstellung“<br />
und „Besetzung von Öffentlichkeit im<br />
Netz“ auf. Damit kommen weitere Dimensionen<br />
ins Spiel, deren Einordnung in das Konzept<br />
der Untersuchung der Leser vermisst.<br />
Andererseits verwendet der Autor viel Sorgfalt<br />
auf eine detaillierte Untersuchung seiner<br />
drei Fallbeispiele: virtueller Parteizentralen,<br />
Online-Wahlkämpfe und politischer Proteste<br />
im Internet (Blue Ribbon Campaign, Kryptographie-Kampagne,<br />
Hochschulstreik im Internet).<br />
Diese Analysen bieten außerordentlich<br />
erhellende Einblicke, weil der Autor einerseits<br />
stark systematisch vorgeht – etwa indem die<br />
Angebote mit einem vorher definierten Kategoriensystem<br />
auf Inhalt und Struktur geprüft<br />
werden –, andererseits weil die Offenheit dieser<br />
explorativen Studie ihm auch die Freiheit<br />
555
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
gibt, auf auffällige Besonderheiten je nach Bedarf<br />
einzugehen.<br />
Das abschließende Kapitel 5 dient Bieber zur<br />
Synthese der empirischen Erkenntnisse mit<br />
dem in Kapitel 3 entwickelten theoretischen<br />
Ansatz der „Netzöffentlichkeit“. Deutlich<br />
wird dabei eine Entwicklung in zwei gegenläufige<br />
Richtungen: Die analysierten politischen<br />
Online-Aktivitäten lassen einmal eine stärkere<br />
„Verdichtung des Akteursgefüges“ (187) durch<br />
eine intensive Vernetzung und interne Kommunikation<br />
erkennen, auf der anderen Seite<br />
öffnet sich das Netz für neue Akteure und vielfältigere<br />
Formen der Kommunikation. Diese<br />
Entwicklungen lassen Bieber schließlich vom<br />
Internet als „vernetzter Teilöffentlichkeit“<br />
(195) sprechen, die sich durch inter- und intramediäre<br />
Vernetzung der Akteure auszeichnet,<br />
die in diesem Umfang und in dieser Vielfalt nur<br />
durch die vielfältigen Formen der Online-<br />
Kommunikation möglich ist. Allerdings zeigt<br />
sich auch, dass mit dieser Vielfalt eine Einschränkung<br />
insoweit verbunden ist, als die<br />
Reichweite der Online-Kommunikation geringer<br />
ist als die der herkömmlichen „Massenkommunikation“:<br />
Es existieren nur noch Teilöffentlichkeiten<br />
statt einer allgemeinen Öffentlichkeit.<br />
Christoph Bieber hat mit seinem Buch sicherlich<br />
einen Eckstein in der politik<strong>wissenschaft</strong>lichen<br />
Online-Forschung gesetzt, nicht<br />
zuletzt deshalb, weil die Literatur in diesem Bereich<br />
bisher größtenteils von kleinteiligen Sammelband-Veröffentlichungen<br />
dominiert ist und<br />
er dem eine nur im Rahmen einer Monographie<br />
zu leistende Tiefe in der Analyse politischer<br />
Online-Kommunikation entgegengesetzt hat.<br />
Besonders wertvoll ist in diesem Zusammenhang<br />
sein empirischer Ansatz: Gerade die politik<strong>wissenschaft</strong>liche<br />
Literatur zum Internet erschöpft<br />
sich bisher zu häufig in theoretischen<br />
Erörterungen des vermeintlichen Potenzials<br />
der Online-Kommunikation für Politik und<br />
Demokratie. Allerdings kann das Buch nur ein<br />
erster Ansatz sein, dem noch viele, evtl. stärker<br />
deduktiv angelegte Untersuchungen folgen<br />
müssen, um ein klares Bild von der Rolle des<br />
Internets für die politische Öffentlichkeit zu<br />
gewinnen.<br />
Martin Emmer<br />
556<br />
Anja Claudia Todtenhaupt<br />
Cyber TV – Die Digitalisierung der Filmund<br />
Fernsehproduktion<br />
Münster: Lit, 2000. – 322 S.<br />
(Beiträge zur Computersoziologie; 2)<br />
ISBN 3-8258-4921-X<br />
Virtualität – wenn etwas die Innovationen im<br />
<strong>Medien</strong>bereich prägt, so ist es dieses Phänomen.<br />
Es beinhaltet, dass das Wahrgenommene<br />
immer mehr immer weniger (wirklich) ist – was<br />
dem Beobachter zu erkennen zunehmend<br />
schwerer fällt. Der Aspekt der Virtualität sticht<br />
bei der (Weiter-)Entwicklung von <strong>Medien</strong>inhalten<br />
nicht besonders hervor, eher im Gegenteil:<br />
Auswirkungen der Rezeption dieser neuen<br />
Form von „Realitäten“ treten eher unterschwellig<br />
auf, wodurch die Gefahr entsteht,<br />
dass sie zu wenig reflektiert werden. Ein Grund<br />
ist darin zu finden, dass sich die Darstellung<br />
virtueller Realität kaum noch von der Wiedergabe<br />
von „Wirklichkeit“ unterscheidet. Der<br />
zweite Band aus der Reihe der Beiträge zur<br />
Computersoziologie, herausgegeben von Dr.<br />
Achim Bühl von der Universität Heidelberg,<br />
setzt an diesem Punkt an, er will die tief greifenden<br />
Veränderungen untersuchen, mitsamt<br />
ihren Auswirkungen auf unsere <strong>Medien</strong>kultur.<br />
Der Buchtitel „Cyber TV“ mag auf <strong>wissenschaft</strong>lich<br />
interessierte Leser leicht abschreckend<br />
wirken, handelt es sich doch um einen etwas<br />
sehr strapazierten Trend-Begriff. Welches<br />
moderne <strong>Medien</strong>unternehmen schmückt die<br />
eigenen Streaming-Aktivitäten im Onlinebereich<br />
nicht auch gerne mit diesem schwammigen<br />
Begriff, der für Kreativität, Zukunft und<br />
Innovation steht/stehen soll? Die Ergänzung<br />
des Titels „Die Digitalisierung der Film- und<br />
Fernsehproduktion“ engt die Blickrichtung des<br />
Werkes nur bedingt ein. Man muss wissen, dass<br />
sich die Reihe, in der das Buch erschienen ist,<br />
mit Computersoziologie beschäftigt, damit<br />
klar wird, dass in diesem Band nicht nur die<br />
umfangreichen Veränderungen im Film- und<br />
Fernsehbereich der letzten Jahre beschrieben<br />
werden, sondern sich die Autorin auch kritisch<br />
damit auseinander setzt.<br />
Erstaunlicherweise bleibt Anja Claudia Todtenhaupt<br />
zu Beginn bei der Definition dieses<br />
Begriffs etwas vage, CyberTV wird als (Freizeit-)Phänomen<br />
beschrieben (S. 3), das „als ein<br />
Element des neuen <strong>Medien</strong>zeitalters zu gravierenden<br />
Veränderungen in unserer <strong>Medien</strong>kul-
tur führen“ wird oder „als ein Produkt der VR-<br />
Technologie […]“(S. 2). Dieser inhaltlich unklare<br />
Eindruck wird auch dadurch verstärkt,<br />
dass das Buch zwar mehrfach in der Schreibweise<br />
„Cyber TV“ betitelt ist, in den einzelnen<br />
Kapiteln das beschriebene und analysierte Phänomen<br />
mit „CyberTV“ (durchweg zusammen<br />
geschrieben) bezeichnet wird.<br />
Der Leser versteht jedoch bei der fortschreitender<br />
Lektüre, was dieser Begriff für die Autorin<br />
letztlich beinhaltet: Die extrem illusorische,<br />
bzw. virtuelle Variante individueller, medienvermittelter<br />
„Realität“, umgesetzt mit virtuellen<br />
Studios, virtuellen Schauspielern und<br />
virtuellen Effekten, die natürlich optischer,<br />
aber auch haptischer und sogar olfaktorischer<br />
Natur sein können. Kurz: Virtuelle Realität<br />
(kurz VR) in Reinform, der sich von verschiedener<br />
<strong>Medien</strong>seite in unterschiedlich schnellen<br />
Schritten technisch genähert wird. Diese unterschiedlichen<br />
Entwicklungen werden Medium<br />
für Medium von der Autorin umfassend und<br />
präzise geschildert, seien es neue digitale Techniken<br />
in der Film- und Fernsehproduktion<br />
oder ähnliche Manipulationsmöglichkeiten der<br />
menschlichen Wahrnehmung, angefangen bei<br />
simplen software-gestützten Modifikationen<br />
von Bildern oder Fotografien, bis hin zur Extremvariante<br />
der VR, wahrnehm- und erlebbar<br />
geworden durch die Illusion perfekt machende<br />
Datenanzüge.<br />
Zur Gliederung des Buches: In den einzelnen<br />
Kapiteln beschreibt und diskutiert die Autorin<br />
verschiedene Aspekte der Bedeutung und Auswirkungen<br />
der Digitalisierung, sowohl aus<br />
technischer als auch aus kultureller Sicht, aber<br />
auch unter dem Gesichtspunkt, welche Veränderungen<br />
sich für die Nutzung und Nutzer von<br />
<strong>Medien</strong> ergeben. Dazu wird im ersten Kapitel<br />
ein Überblick über die Problemstellung und<br />
den aktuellen Forschungsstand geliefert.<br />
In Kapitel 2 stellt Anja Claudia Todtenhaupt<br />
ausgewählte Beispiele vor, die sie als Vorstufen<br />
des Cyber TV bezeichnet (Interaktives Fernsehen),<br />
oder Elemente, die bereits etablierte Anwendungsformen<br />
sind (Funktionsweise von<br />
virtuellen Studios, Kreation von virtuellen<br />
Schauspielern und Effekten). Sie gibt in diesem<br />
Kapitel auch einen Ausblick, wohin die Reise<br />
noch gehen wird bzw. welche Aspekte des Cyber<br />
TV sich noch in der Entwicklung befinden.<br />
Die daraus resultierenden Konsequenzen für<br />
den audiovisuellen Produktionssektor werden<br />
im dritten Kapitel diskutiert. Sie beschreibt den<br />
Besprechungen<br />
Arbeitsmarkt der Zukunft bzw. welche zu erwartenden<br />
Modifizierungsprozesse die betroffenen<br />
Berufsfelder durchlaufen werden, inklusive<br />
der Analyse der Veränderungen, die sich<br />
auf die Produktionsarten, -orte und -kosten beziehen.<br />
In Kapitel 4 geht sie sowohl auf die Bedeutung<br />
des Bildes in der <strong>Medien</strong>kultur ein – als<br />
auch auf dessen Manipulierbarkeit. Daran<br />
schließen sich Überlegungen zur Glaubwürdigkeit<br />
von Bildern allgemein und von virtuellen<br />
Bildern im Besonderen an, daraus schlussfolgert<br />
die Autorin Konsequenzen für den Umgang<br />
mit Bildern in der Zukunft. Sie plädiert<br />
dafür, die Weiterentwicklung der Computertechnologie<br />
nicht unbesorgt voranzutreiben<br />
und die soziale Verträglichkeit von Technologien<br />
eingehend zu untersuchen.<br />
In Kapitel 5 und 6 beschäftigt sich die Autorin<br />
anhand ausgewählter Aspekte mit der „Kultur<br />
der Gegenwart“ bzw. mit „Cyber TV und<br />
<strong>Medien</strong>kultur“. Bei dieser Auseinandersetzung<br />
und der Analyse der Auswirkungen von Virtualität<br />
auf die <strong>Medien</strong>kultur steht der Mensch<br />
im Vordergrund, den sie hinter der technischen<br />
Entwicklung verschwinden sieht. Sie stellt an<br />
dieser Stelle begründete Zweifel an, dass beim<br />
Nutzer genügend Akzeptanz für die technischen<br />
Neuerungen überhaupt vorhanden ist.<br />
Zusammenfassend werden in Kapitel 7 verschiedene<br />
Ansätze zur Theorie des Cyber TV<br />
dargestellt. Die Autorin konstatiert dabei, dass<br />
es „die“ Theorie des Cyber TV (noch) nicht<br />
gibt, jedoch nennt sie im Fazit zentrale Aspekte,<br />
die in der Diskussion und Auseinandersetzung<br />
um Cyber TV eine besondere Bedeutung<br />
haben. Es wird deutlich, dass die VR-Technologie<br />
den <strong>Medien</strong>sektor neu strukturieren wird,<br />
als Stichworte werden neue Distributionsformen<br />
und innovative <strong>Medien</strong>angebote genannt.<br />
Die Autorin versucht in diesem Buch, sehr<br />
viele unterschiedliche Aspekte zu beachten und<br />
zu betrachten, ohne dabei ihre Hauptthese –<br />
dass die Virtualität sich zu einem zentralen Element<br />
unseres Alltagslebens entwickelt – aus<br />
dem Blickwinkel zu verlieren, wobei sie bei<br />
ihren Ausführungen mit medienkritischen Anmerkungen<br />
nicht spart.<br />
Eines kann man über dieses Buch sicher<br />
nicht sagen: Dass es nicht umfassend geworden<br />
ist. Auch die detailreiche Beschreibung der einzelnen<br />
Aspekte in ihrer Arbeit wirkt nur an wenigen<br />
Stellen überladen. Das sind dann die Passagen<br />
im Buch, in denen sich Anja Claudia<br />
557
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
Todtenhaupt in ihren Beispielen etwas verliert,<br />
wenn sie z. B. über mehrere Seiten den Plot der<br />
Fernsehserie „Wild Palms“ wiedergibt, nur um<br />
zu beschreiben, dass viele mittlerweile realisierte<br />
Manipulationsmöglichkeiten schon frühzeitig<br />
von Science-Fiction-Autoren in ihren jeweiligen<br />
Werken aus- bzw. angedacht wurden.<br />
In ihrer Auseinandersetzung mit der VR<br />
führt sie aber auch äußerst interessante Punkte<br />
an, wie z. B. die Kritik an den so genannten<br />
Prothesenmenschen: Sie spannt einen Bogen<br />
vom Pinsel, der, von der Hand geführt, ein Abbild<br />
der Wirklichkeit schafft, bis zum Datenhandschuh,<br />
der virtuelle Realität ,fassbarer‘<br />
machen soll: Ihre Befürchtung ist, dass die<br />
Menschen durch die unreflektierte Weiterentwicklung<br />
von medialen Prothesen mehr und<br />
mehr zu „Behinderten der schönen, neuen <strong>Medien</strong>wirklichkeit“<br />
werden, denen das Denken<br />
abhanden kommt, und sie ihren Prothesen<br />
hörig werden. (S. 273–275)<br />
Erstaunlich ist allerdings, dass die Autorin<br />
angesichts des Themas komplett auf Bilder verzichtet.<br />
Der Leser, der nicht die Entwicklung<br />
virtueller Aspekte bei Film und Fernsehen verfolgt<br />
hat, bleibt so völlig davon abhängig, der<br />
von der Autorin geschilderten Qualität der<br />
Entwicklungsschritte treu zu folgen. Zudem<br />
macht es der reine Fließtext in den einzelnen<br />
Abschnitten bisweilen schwer, sich in der Vielzahl<br />
der Beispiele und Ansammlung von Aspekten<br />
der einzelnen Kapitel zu orientieren.<br />
Andere Schwächen seien ihr aufgrund des<br />
wirklich erschöpfenden Werkes verziehen: So<br />
bleibt unklar, warum sie virtuelle Charaktere<br />
einmal als „Synthespians“ bezeichnet (S. 50)<br />
und später dann auch als ,Avatare‘ (S. 62), ohne<br />
auf Unterschiede oder Gemeinsamkeiten explizit<br />
einzugehen. Auch die Bezeichnung der<br />
technisch wirklich veralteten d-box als „Zauberkästchen“<br />
(S. 40) ist unpassend, mit Magie<br />
hat die Funktionsweise des Settop-Box-Dekoders<br />
nichts zu tun. (Es ist eher verwundernd,<br />
dass sie noch eingesetzt wird.)<br />
Anja Claudia Todtenhaupt hat versucht, die<br />
zunehmende medienvermittelte Virtualität<br />
mittels entlarvendem Faktenreichtum in die<br />
„Realität“ herunter zu brechen. Dabei hat sie<br />
auf jeden Fall einen wichtigen und richtigen<br />
Ansatz verfolgt: Sie hat die Frage nach attraktiven<br />
Einsatzmöglichkeiten von Cyber TV mit<br />
der Diskussion um eine sinnvolle Ausgestaltung<br />
der Zukunft verknüpft.<br />
Frank Fölsch<br />
558<br />
David Gauntlett /Annette Hill<br />
TV Living<br />
Television, Culture and Everyday Life<br />
London, New York: Routledge, 1999. – 315 S.<br />
ISBN 0-415-18486-X<br />
Als sich David Morley vor einigen Jahren zur<br />
ethnografischen Methode äußerte, stellte er unter<br />
anderem fest: „Natürlich ist empirische<br />
Forschung notwendigerweise in Darstellungen<br />
befangen und durchaus keine transparente Widerspiegelung<br />
einer schon immer existierenden<br />
Realität. Zudem sind Aussagen über das Fernsehverhalten<br />
von Zuschauern ohne Interpretation<br />
nicht denkbar.“ In diesem Kontext bemerkte<br />
er bezüglich seiner eigenen Forschung<br />
ergänzend: „[…] so muss ich zugeben, dass ich,<br />
da es über die Interviewsituation hinaus keine<br />
bedeutsamen Elemente der Beobachtung<br />
tatsächlichen Verhaltens von Beteiligten gibt,<br />
nur über die Geschichten verfüge, die mir meine<br />
Interviewpartner erzählten. Diese Geschichten<br />
sind allerdings bezeichnend für und begrenzt<br />
durch den jeweiligen kulturellen und<br />
sprachlichen Bezugsrahmen, über den die Interviewpartner<br />
bei der Formulierung ihrer<br />
Antworten verfügen, […].“ Was haben diese<br />
Feststellungen mit der vorliegenden Analyse zu<br />
tun? Gauntlett und Hill präsentieren die Ergebnisse<br />
einer umfassenden Analyse im Auftrag<br />
des British Film Institute, die sich vorwiegend<br />
auf die selektive Wiedergabe von Tagebuchaufzeichnungen<br />
britischer Fernsehzuschauer<br />
stützt. Das gesamte Buch folgt einer<br />
konsequenten Strategie des Sortierens von<br />
Aussagen über: das Fernsehen, seine alltägliche<br />
Bedeutung, seine Relevanz für bestimmte Zielgruppen,<br />
seine inhaltliche Qualität, seine Bedeutung<br />
für bestimmte Erscheinungen des modernen<br />
Lebens usw. Mit anderen Worten: Vor<br />
den Augen des Lesers breitet sich ein Kaleidoskop<br />
der britischen Fernsehkultur aus.<br />
Die Methode des Tagebuchs (Diary), die hier<br />
zur Anwendung kommt, hat eine lange historische<br />
Tradition, die sich – so wird zumindest gelegentlich<br />
behauptet – bis auf Ideen des amerikanischen<br />
Staatsmanns Benjamin Franklin<br />
zurückführen lässt. Das Verfahren kann der<br />
systematischen Beobachtung des eigenen Verhaltens<br />
dienen, aber auch der Aufzeichnung<br />
von Einstellungen und Bewertungen. Der Einsatz<br />
dieser Methode findet in der empirischen<br />
Rezeptionsforschung bislang eher selten statt,
wohl auch, weil die damit verbundenen Mühen<br />
der Datenverarbeitung forschungsökonomischen<br />
Überlegungen zum Opfer fallen. Standardisierte<br />
Auswertungen von Tagebuchaufzeichnungen<br />
verlangen – wie im Falle der Befragung<br />
generell – theoriegeleitete Vorarbeiten<br />
zu der Frage, was man eigentlich wissen möchte,<br />
um daran anschließend auch entsprechende<br />
Fragen bzw. Kategorien formulieren zu können.<br />
Diese Art der Standardisierung wird von<br />
Gauntlett und Hill nicht favorisiert. Gestützt<br />
auf die Grounded Theory von Anselm Strauss<br />
wird Wert auf eine möglichst unverfälschte<br />
Wiedergabe von Originaltönen gelegt. Diese<br />
Praxis zieht sich – wie bereits angedeutet –<br />
durch das gesamte Buch, und eine Leistung der<br />
Autoren besteht darin, diese Kommentare bzw.<br />
Selbstbeobachtungen nach Themenbereichen<br />
zu gruppieren. Es handelt sich um eine Untersuchung,<br />
die sich in der Tradition der Cultural<br />
Studies sieht und diese nunmehr auch in eine<br />
umfangreiche Feldstudie einfließen lässt. Eine<br />
weitere Bezugnahme auf David Morley wird in<br />
diesem Zusammenhang nahe gelegt. Die Autoren<br />
sehen sich „in Morley’s footsteps“ (S. 3),<br />
ohne seine methodische Vorgehensweise, die er<br />
beispielsweise in der bekannten Nationwide-<br />
Studie praktiziert hat, uneingeschränkt zu<br />
übernehmen. Damit nicht genug: Morley muss<br />
auch erfahren, dass sein viel zitierter „Remote<br />
control“-Befund aus „Family Television“<br />
(1986) Konkurrenz bekommen hat. Die Macht<br />
über die Fernbedienung, die er in den 1980er<br />
Jahren noch den Männern zuschrieb, könne<br />
nicht bestätigt werden, stattdessen eine demokratischere<br />
Form der Programmauswahl (vgl.<br />
S. 241).<br />
„TV Living“ vorausgegangen ist eine im November<br />
1988 durchgeführte Stichtagsbefragung<br />
des British Film Institute, die unter dem Titel<br />
„One Day in the Life of Television“ bekannt<br />
wurde. Damals beteiligten sich annähernd<br />
zwanzigtausend Zuschauer an dieser Form von<br />
,Fernsehdokumentation‘. Nun ändern sich Bewertungsmaßstäbe<br />
und Verhaltensregeln nicht<br />
von heute auf morgen, aber es sollte eben nicht<br />
bei einem erneuten ,one-shot-survey‘ bleiben.<br />
Stattdessen wurde die Audience Tracking Study<br />
als Längsschnittanalyse konzipiert, an der<br />
zunächst 509 Personen beteiligt waren. Im Jahr<br />
1991 begann eine auf insgesamt fünf Jahre angelegte<br />
Begleitforschung, die gezielt auch zu<br />
thematischen Schwerpunktsetzungen verwandt<br />
wurde. Es sollte also nicht nur darum ge-<br />
Besprechungen<br />
hen, das Fernsehverhalten im alltäglichen Sinne<br />
zu dokumentieren, sondern auch Bezug zu<br />
nehmen auf aktuelle Entwicklungen oder Themen,<br />
die den Organisatoren der Studie relevant<br />
erschienen. Somit liegt eine qualitative Panel-<br />
Analyse vor, die im Laufe des schon angesprochenen<br />
Zeitraums eine Drop out-Quote von<br />
16% verzeichnen musste (1991: 509 Teilnehmer,<br />
1996: 427 Teilnehmer). Die Fluktuation in<br />
der Teilnahmebereitschaft ist gleichwohl nicht<br />
gut dokumentiert, wie überhaupt die methodisch<br />
durchaus selbstkritischen Anmerkungen<br />
knapp ausfallen; diese so genannte Panel-Mortalität<br />
ist jedenfalls erstaunlich niedrig. Obwohl<br />
es sich um eine für den Bereich der Cultural<br />
Studies außergewöhnlich umfangreiche<br />
Analyse handelt, erheben die Autoren nicht<br />
den Anspruch auf Repräsentativität. Die insgesamt<br />
ca. dreieinhalb Millionen Wörter, die im<br />
Laufe des Beobachtungszeitraums zusammengekommen<br />
sind, stammen häufiger aus den Federn<br />
der britischen Mittelklasse. Darüber hinaus<br />
ist die ältere Bevölkerung (ab 65 Jahre)<br />
deutlich überrepräsentiert (Tracking Study:<br />
29%, britische Bevölkerung: 16%).<br />
Inhaltlich vermittelt die Studie einen Einblick<br />
in die Vielfalt der Lebenssituationen einerseits<br />
und die Vielfalt der Funktionen eines<br />
leicht verfügbaren Mediums andererseits. Dabei<br />
entspricht die präsentierte Auswahl nur<br />
kleinen Ausschnitten aus unendlich vielen Geschichten,<br />
die das eigene Verhalten, aber auch<br />
das Verhalten anderer hervorbringt. Während<br />
die einen sich beispielsweise mit den Akteuren<br />
der Soap Operas identifizieren, denken andere<br />
bereits über die Konsequenzen nach: „Maybe<br />
one day they’ll start up rehabilitation centres to<br />
get people off soap operas!!! (17-year-old-female<br />
student)“. (S. 31) Überhaupt legen die<br />
Verfasser großen Wert darauf, dass das Publikum<br />
sich sowohl engagierend als auch distanzierend<br />
mit den <strong>Medien</strong>angeboten auseinander<br />
setzt. Man schätzt die Nachrichten als Fenster<br />
zur Welt, erkennt aber gleichsam die Gefahren<br />
einer zunehmenden Verbreitung von „tabloid<br />
news values“ (S. 61). Eingerahmt werden die<br />
Originalkommentare der Beteiligten stets von<br />
einem vorgeschalteten Literaturbericht und<br />
einer Würdigung und Zusammenfassung der<br />
Ergebnisse, wobei der Schwerpunkt eher auf<br />
den Zusammenfassungen liegt. Ein kompakter<br />
Überblick ist somit schnell erreicht, wenn sich<br />
die Lektüre auf die jeweiligen Schlussseiten der<br />
Unterkapitel konzentriert. Verloren geht dann<br />
559
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
aber für den Leser die eigentliche Originalität<br />
der Studie. Selbstverständlich lassen sich alle<br />
hier gegebenen Anregungen und Befunde in so<br />
genannte large scale-Surveys integrieren. Aber<br />
für die „sociological imagination“, die Zahlen<br />
und Statistiken erst Leben einhaucht, liefert<br />
„TV Living“ viele anschauliche und unmittelbare<br />
Beispiele.<br />
„TV Living“ ist ein Plädoyer für Differenzierung,<br />
ohne die Sicht auf Gemeinsamkeiten<br />
zu verlieren. Die These einer Fragmentierung<br />
des Publikums wird ebenso relativiert wie eine<br />
aus Sicht der Verfasser in der Vergangenheit<br />
überzeichnete Differenz zwischen männlichen<br />
und weiblichen Fernsehpräferenzen. Ebenso<br />
wird in einem sehr umfangreichen Kapitel bestätigt,<br />
dass die Funktionsvielfalt eines Mediums<br />
mit dem Erreichen einer bestimmten Altersgrenze<br />
nicht verschwindet. Selbstverständlich<br />
haben ,retired persons‘ nun mehr Zeit als<br />
vorher, und damit mehr Möglichkeiten, sich<br />
den Freizeitangeboten zu widmen. Aber dennoch,<br />
und das ist wiederum ein interessanter<br />
Befund, wirkt gerade bei den älteren Zuschauern<br />
eine „work ethic“ (S. 185) nach, die es beispielsweise<br />
verbietet, bereits am helllichten<br />
Tage das Fernsehen einzuschalten. Ein 60jähriger<br />
pensionierter Ingenieur schrieb beispielsweise<br />
in sein Tagebuch: „[…] My TV watching<br />
is exactly the same as before except that<br />
as I don’t go out in the evenings I don’t have to<br />
record so much! I rarely watch TV during<br />
,working‘ hours unless it is snowing or something,<br />
as I feel slightly guilty that I’m not getting<br />
on with some job and with three and a half<br />
acres to look after no wonder.“ (S. 185)<br />
Nicht zuletzt erlaubt die Längsschnittbetrachtung<br />
den Nachweis von Diskontinuitäten<br />
und Brüchen in der <strong>Medien</strong>erfahrung und -bewertung.<br />
Besonderes Augenmerk legen die<br />
Verfasser in diesem Zusammenhang auf die Beurteilung<br />
der Gewaltdarstellungen im Fernsehen,<br />
im weiteren Sinne auf die Verwendung<br />
von „bad language“ (S. 275). Es zeigt sich eben<br />
nicht nur eine distanzierte Haltung zu übertriebener<br />
Gewalt im Fernsehen, sondern auch eine<br />
ebensolche zur diesbezüglichen <strong>Medien</strong>berichterstattung,<br />
die häufig als einseitig und unsensibel<br />
eingestuft wird. So ergibt sich eine Mischung<br />
aus typischen und kritischen Antworten<br />
auf die Frage, was <strong>Medien</strong>angebote alles<br />
ausrichten können.<br />
Eine Gewichtung der vielen Informationen,<br />
Meinungen und Bewertungen nehmen die Au-<br />
560<br />
toren nicht vor. Es dürfte angesichts der Methodik<br />
und der thematischen Breite auch kaum<br />
möglich gewesen sein. Zumindest geben<br />
Gauntlett und Hill aber der Hoffnung Ausdruck,<br />
„[…] that we have shown the audience<br />
being thoughtful, critical and creative consumers<br />
of broadcast television, aware and somewhat<br />
cautious about its place in their everyday<br />
lives.“ (S. 293) Dieser Grundhaltung entspricht<br />
auch der Kommentar einer 78-jährigen Frau,<br />
die ihren eigenen Anspruch zugleich mit einer<br />
Aufforderung an die Verantwortlichen in den<br />
<strong>Medien</strong> verknüpft: „I have always tried to answer<br />
diary questions honestly. I am aware of<br />
my prejudices but I don’t think flabby answer<br />
und wishy washy criticisms are of much use to<br />
Audience Study. It is important to me that the<br />
impression of criticism should not be interpreted<br />
as ammunition for controlling what<br />
producers put on screen. I feel that every producer<br />
should be constantly reminded of the<br />
powerful effect of their work. They should always<br />
be encouraged to feel responsible for<br />
what they do. As a viewer I am very grateful to<br />
them for all the effort they put in – even when<br />
I dislike the results.“ (S. 290) Engagement und<br />
Distanzierung gehen eben häufig Hand in<br />
Hand.<br />
Michael Jäckel<br />
Ingrid Volkmer<br />
News in the Global Sphere<br />
A Study of CNN and its Impact on Global<br />
Communication<br />
Luton: University of Luton Press 1999. –<br />
237 S.<br />
ISBN 1-86020-554-2<br />
Worum geht es in Ingrid Volkmers Monographie?<br />
Anders als im Untertitel versprochen, beschäftigt<br />
sich die Autorin im empirischen Part<br />
ihrer Studie jedenfalls nicht mit dem Einfluss<br />
des Cable News Network (CNN) auf die globale<br />
Kommunikation. Stattdessen bietet das<br />
Buch erstens einen breit angelegten Überblick<br />
über theoretische Ansätze, die sich mit transnationaler<br />
respektive transkultureller Kommunikation<br />
beschäftigen. Zweitens liefert es, auf der<br />
Grundlage von fünf Leitfadengesprächen mit<br />
Mitarbeitern des Senders, Einschätzungen zu<br />
Aspekten journalistischer Arbeit bei CNN.<br />
Und drittens werden die Ergebnisse einer In-
haltsanalyse von 397 Beiträgen der Sendung<br />
CNN World Report präsentiert.<br />
Relevant für den weiteren <strong>wissenschaft</strong>lichen<br />
Diskurs ist – folgt man Daya Kishan<br />
Thussu und seiner kürzlich vorgelegten Bestandsaufnahme<br />
zur „International Communication“<br />
– vor allem dieser dritte Teil: Volkmers<br />
Befunde liefern Indikatoren für die These, dass<br />
der World Report, der in Kooperation mit mehr<br />
als 100 Rundfunkorganisationen in aller Welt<br />
entsteht, ein Schlüsselfaktor für die internationale<br />
Akzeptanz und das Wachstum von CNN<br />
war. Ich widerspreche Thussu zwar nicht, bewerte<br />
aber den Forschungsüberblick als durchaus<br />
lesenswerte Lektüre, obgleich er weder dezidierte<br />
Spuren in der empirischen Studie hinterlässt<br />
noch zu einem eigenständigen theoretischen<br />
Konzept führt.<br />
Im Kern argumentiert Volkmer so: Die<br />
meisten Annäherungen an das Themenfeld „internationale<br />
Kommunikation“ könnten die<br />
globale Dimension von <strong>Medien</strong>kommunikation<br />
nicht hinreichend beschreiben. Geeignet<br />
dafür sei jedoch der „global culture“-Ansatz,<br />
entwickelt u. a. von Featherstone und Robertson.<br />
Ausgehend von Robertsons Kategorie<br />
der „global human condition“ als Ausdruck eines<br />
zunehmend global verbreiteten „humankind“-Bewusstseins<br />
könne eine „global civil<br />
society“ identifiziert werden, innerhalb derer<br />
globale politische Kommunikation operiere.<br />
Globale Kommunikation führe zur Konstruktion<br />
einer „global public sphere“, die ein neues<br />
Handlungsfeld für politische Akteure darstelle<br />
und die Emergenz einer globalen Zivilgesellschaft<br />
befördere. Um globale Kommunikation,<br />
etwa die Angebote von CNN, zu klassifizieren,<br />
eigneten sich – statt der häufig benutzten Kategorie<br />
der „Foreignness“ – besser die klassischen<br />
philosophischen Begriffe „Universalism“ und<br />
„Particularism“. Beide seien qualitative Pole,<br />
zwischen denen globale politische Kommunikation<br />
zu oszillieren scheine.<br />
Dieser begriffliche Rahmen, auf den ersten<br />
Buchseiten angedeutet, wird in der Studie jedoch<br />
nicht – und das ist mein Haupteinwand –<br />
im Detail ausgearbeitet und konsequent auf die<br />
empirische Untersuchung bezogen. Zu besichtigen<br />
ist dagegen ein Supermarkt von Ansätzen<br />
und Befunden, die für das Thema (irgendwie)<br />
relevant sind. In den Regalen finden sich Boyd-<br />
Barrett, Cooley, Eisenstadt, Galtung, Gerbner,<br />
Giddens, Habermas, Hall, Höhne, Husserl,<br />
Lerner, Luhmann, McLuhan, Robertson,<br />
Besprechungen<br />
Schiller, Schramm, Spinner, Stephens, Wilke –<br />
und andere. Deren Überlegungen und Ergebnisse<br />
werden dargestellt, in zentralen Aspekten<br />
kritisiert und manche interessanten Schlussfolgerungen<br />
gezogen. Die bleiben freilich unverbunden.<br />
Ein Konzept entsteht nicht. Und das<br />
hat Konsequenzen – für die empirische Untersuchung<br />
wie für die Darlegung theoretischer<br />
Ansätze.<br />
In theoretischer Hinsicht kommt es zu Inkonsistenzen.<br />
Dazu ein Beispiel: Zunächst<br />
dient die „global public sphere“ als leitendes<br />
Paradigma (S. 5). Dieses wird später verworfen<br />
und durch die Vorstellung einer „mediation<br />
sphere“ (S. 124) ersetzt, weil der <strong>Medien</strong>bezug<br />
bei der Verteilung und dem Austausch von<br />
Wissen damit besser getroffen werde. Nach<br />
weiteren rund 50 Seiten, mitten in der Darstellung<br />
der empirischen Untersuchung, kehrt<br />
Volkmer zum Ausgangsparadigma zurück und<br />
identifiziert die Sendung World Report als<br />
„mini-global public sphere“ (S. 177). Im letzten<br />
Kapitel, in dem es um die Perspektiven einer<br />
globalen Zivilgesellschaft geht, werden schließlich<br />
eine „traditional public sphere“ und eine<br />
entgegen gesetzte „global media sphere“ unterschieden<br />
(S. 224).<br />
Nach meiner Einschätzung führt das fehlende<br />
theoretische Konzept zu einer unterkomplexen<br />
Auswahl relevanter Variablen bei den beiden<br />
empirischen Untersuchungen, die sich der<br />
Befragung bzw. der Inhaltsanalyse bedienen.<br />
Insbesondere fällt auf, dass die zu Leitbegriffen<br />
erklärten Termini Universalität und Partikularität<br />
keineswegs, wie eigentlich erwartet, intensiv<br />
operationalisiert und in den Untersuchungen<br />
berücksichtigt werden. Und auch generell<br />
werden die empirischen Befunde mit dem<br />
vielfältigen theoretischen Vorbau nur eingeschränkt<br />
verknüpft. Das ist schade, denn mit<br />
Hilfe beider Methoden kommt es zu durchaus<br />
interessanten Einsichten in die Arbeit und das<br />
Programm von CNN. Mit einer wichtigen Einschränkung:<br />
Dass die Inhaltsanalyse einer Bewegtbildsendung<br />
wie dem World Report das visuelle<br />
Material, also die Bewegtbilder selbst,<br />
nicht berücksichtigt, könnte forschungsökonomisch<br />
erklärt werden. Nicht plausibel erscheint<br />
mir die von Volkmer angebotene Erklärung:<br />
„Visual material was not coded because international<br />
news journalism and the presentation<br />
of multicultural ,signs‘ and political codes require<br />
multicultural coders to interpret visual<br />
data correctly.“ (S. 177) Unterliegt denn die Se-<br />
561
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
mantik sprachlicher Zeichen keiner Kulturprägung?<br />
Auch der ergänzende Hinweis, die Präsentation<br />
von Nachrichten werde nicht durch<br />
Bilder, sondern durch Worte dominiert, vermag<br />
keineswegs zu überzeugen.<br />
Mein Fazit fällt dementsprechend ambivalent<br />
aus: Wer sich mit CNN beschäftigen<br />
möchte, wird die Studie in die eigene Arbeit<br />
einbeziehen. Wer sich einen Überblick über<br />
die vielfältigen Ansätze transnationaler und<br />
transkultureller <strong>Kommunikations</strong>forschung<br />
verschaffen will, kann auf das Werk zurückgreifen.<br />
Wer nach neuen differenzierten und<br />
konsistenten Konzepten für die Beschreibung<br />
globaler Kommunikation sucht, wird Anregungen<br />
erhalten. Nicht mehr.<br />
Martin Löffelholz<br />
Wolfgang Hoffmann-Riem<br />
Regulierung der dualen Rundfunkordnung<br />
Grundfragen<br />
Baden-Baden: Nomos 2000. – 374 S.<br />
(Materialien zur interdisziplinären <strong>Medien</strong>forschung;<br />
37)<br />
ISBN 3-7890-6577-3<br />
Das Rundfunkrecht gehört wie seit Jahrzehnten<br />
auch weiterhin zu den politisch und verfassungsrechtlich<br />
hochumstrittenen Gebieten. In<br />
diesen Auseinandersetzungen hat sich der Autor<br />
seit Jahrzehnten politisch und rechtlich engagiert<br />
– als Staatsrechtslehrer, als Leiter des<br />
Hans-Bredow-Instituts, als Gutachter und als<br />
politischer Bürger; drei Dutzend in diesem<br />
Band zitierte eigene Vorveröffentlichungen aus<br />
fast 30 Jahren verdeutlichen die Hartnäckigkeit<br />
und Nachhaltigkeit dieses Engagements, das<br />
sich oft auch an konkreten rundfunkpolitischen<br />
Konflikten entzündet hat. Demgegenüber<br />
zieht dieses Buch auf eine von konkreten<br />
Konflikten abgehobene, auf „Grundfragen“<br />
zielende Zwischenbilanz der geltenden Rundfunkverfassung.<br />
Es geht um den Versuch einer<br />
gegenüber früheren „Lagern“ und Kontroversen<br />
(und damit auch sich selbst) distanzierte<br />
(vgl. z. B. S. 27, 89 138) „Vergewisserung“ des<br />
Diskussionsstandes und der „Zukunftstauglichkeit“<br />
der Rundfunkordnung (S. 16); der<br />
Autor betreibt insofern <strong>wissenschaft</strong>liche Vorratspolitik<br />
im Blick auf denkbare rundfunkpolitische<br />
Konflikte der Zukunft und argumentiert<br />
in einer nur wenigen Autoren verfügbaren<br />
562<br />
multidisziplinären Mischung, die ständig die<br />
verfassungs- und rundfunkrechtlichen, die politischen,<br />
wirtschaftlichen, soziologischen und<br />
psychologischen Argumentationsebenen einander<br />
zuzuordnen sucht. Eine 20-seitige Zusammenfassung<br />
(S. 315–334) und ein Stichwortregister<br />
(S. 369–374) verhelfen dem Buch<br />
auch formal zu einer vermutlich materiell diskussionsbestimmenden<br />
Kraft, die über die Zeit<br />
hinaus reichen könnte, in der der Autor für die<br />
hier angesprochenen Probleme der zuständige<br />
Berichterstatter des Bundesverfassungsgerichts<br />
sein wird.<br />
Der Inhalt widmet sich im I. Teil (S. 21–86,<br />
Mitautor: M. Eifert) der Herausbildung der<br />
dualen Rundfunkordnung mit ihrem Nebeneinander<br />
von kommerziellem und öffentlichrechtlichem<br />
Rundfunk als Folge des Privatisierungsdrucks<br />
aufgrund neuer technischer Möglichkeiten<br />
und ihrer schrittweisen Akzeptanz<br />
durch Politik und Verfassungsjudikatur. Auch<br />
wenn dieser Entwicklung keine systematisch<br />
entwickelte Ordnungspolitik zugrundegelegen<br />
habe (S. 24), so lassen sich ihr doch „Konstruktionsbausteine“<br />
einer konzeptionellen Ordnung<br />
entnehmen (S. 32 ff.), die vor allem in der<br />
„strukturellen Diversifikation“ i. S. eines umfassenden<br />
publizistischen Wettbewerbs zweier<br />
grundverschiedener Organisationstypen mit je<br />
eigenen Stärken und Schwächen gesehen werden<br />
(S. 34 f., aufgenommen z. B. S. 67 ff., 171 ff.,<br />
292 ff., für die zukünftige Informationsordnung<br />
prospektiv S. 306 ff.). Beide sind gleichwohl<br />
vielfältig miteinander verknüpft (S. 41 ff.) und<br />
können sich wechselseitig kompensieren<br />
(S. 68 f.): Publizistisch können z.B. an die Vielfaltsanforderungen<br />
der kommerziellen Rundfunkanbieter<br />
wegen der Existenz des öffentlichrechtlichen<br />
Rundfunks Abstriche zugelassen<br />
werden (S. 33, 67, 215 ff.); ökonomisch stehen<br />
sie im Bereich der Werbefinanzierung in asymmetrischer<br />
Konkurrenz (S. 25 f., 60 ff.); auch<br />
wird z. B. das Wettbewerbsrecht auch gegen das<br />
öffentlich-rechtliche Landesmedienrecht aktiviert<br />
(S. 47 ff., 171 ff.). Die Europäisierung der<br />
Rundfunkordnung und der Übergang zur Multimediaordnung<br />
mit ihren Konvergenzperspektiven<br />
stellen diese duale Rundfunkordnung vor<br />
neue Herausforderungen (S. 74 ff., 80 ff.), die<br />
unverändert eine Rundfunkregulierung gebieten.<br />
Teil II (S. 87–150) widmet sich den Zielen und<br />
Anlässen einer solchen Rundfunkregulierung,<br />
die nach Überwindung der Frequenzknappheit
(S. 89 ff) einer rundfunkspezifischen Neuakzentuierung<br />
bedarf: Maßgebliche Rechtfertigungsgründe<br />
bleiben insoweit unverändert: die<br />
Sicherung der Vielfalt an Meinungen, Programmen,<br />
Anbietern u. a. gegenüber dem Machtpotenzial<br />
des Rundfunks (S. 92 ff., 98 ff., 102 ff.,<br />
304) und die kommunikative Chancengerechtigkeit<br />
für jeden Bürger (S. 100 ff.), einschließlich<br />
von dessen kommunikativer Kompetenz;<br />
sie werden durch ökonomische Entfaltungsinteressen<br />
eher gefährdet, wie sich theoretisch<br />
stringent einerseits aus den strukturellen Besonderheiten<br />
des Rundfunkmarktes ableiten<br />
lässt (S. 118 ff.), andererseits aus den Risiken<br />
beim Umbruch der <strong>Medien</strong>landschaft<br />
(S. 124 ff.). Namentlich dem Ziel der „Zugangschancengerechtigkeit“<br />
für die Kommunikatoren<br />
und Nutzer wird als „neue soziale Frage“<br />
wachsende Bedeutung beigemessen (S. 136 ff.).<br />
Teil III (S. 181–178) gilt „Grundfragen der<br />
Regulierung“ und nimmt Bezug auf die allgemeine<br />
Steuerungsdiskussion und die Leistungsfähigkeit<br />
von Recht und erörtert vor diesem<br />
Hintergrund, namentlich der Leitvorstellung<br />
einer „hoheitlich regulierten Selbstregulierung“<br />
(S. 154 ff., 320 f.), die Grenzen und<br />
Möglichkeiten einer erfolgreichen <strong>Medien</strong>aufsicht<br />
(S. 161 ff., s. schon S. 51 ff.), die weltweit<br />
eher durch Aufsichtsversagen gekennzeichnet<br />
sei (S. 163). Nur eine ganzheitliche Berücksichtigung<br />
aller Teilrechtsordnungen (und nicht<br />
etwa nur des Wettbewerbsrechts) kann zu einer<br />
effektiven Regulierung durch Rahmen- und<br />
Strukturvorgaben führen (S. 168 ff., 323 f.).<br />
Diese allgemeinen Vorüberlegungen werden<br />
in Teil IV (S. 179-256) anhand ausgewählter aktueller<br />
Vorschläge zur „Umsteuerung“ und<br />
Überprüfung der Funktionstauglichkeit des<br />
geltenden Rechts konkretisiert. Der Autor plädiert<br />
– einmal – politisch im Namen der Staatsfreiheit,<br />
der publizistischen Wettbewerbsfähigkeit<br />
und der Integrations- und Komplementaritätsfunktion<br />
des öffentlich-rechtlichen Rundfunks<br />
in sorgfältiger Anti-Kritik einschlägiger<br />
Vorschläge gegen Begrenzungen des Programmauftrags<br />
oder der Anzahl oder Arten der<br />
Programme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks<br />
(S. 185 ff., 201 ff., 206 ff., 215 ff., zsfssd.<br />
S. 325 f.) und hält auch eine bestimmtere Fassung<br />
des gesetzlichen Programmauftrags für<br />
entbehrlich (S. 191), weil es verfassungsrechtlich<br />
keine Schutzzone privaten Rundfunks vor<br />
publizistischem Wettbewerb durch öffentlichrechtlichen<br />
Rundfunk gebe (S. 199 f.), auch<br />
Besprechungen<br />
nicht auf dem Gebiet massenattraktiver Unterhaltung<br />
(S. 222 ff.). Er plädiert – ferner – für<br />
Entwicklungsmöglichkeiten des öffentlichrechtlichen<br />
Rundfunks auch i. S. aller Möglichkeiten<br />
der Einbeziehung des Internet<br />
(S. 227 ff.), wobei der Rundfunkbegriff funktional<br />
auch auf bestimmte Online-Dienste erstreckt<br />
wird (S. 231 ff.) und letztlich auf die Entscheidung<br />
des Gesetzgebers abgestellt wird,<br />
ohne dass darin eine neue Qualität gesehen wird<br />
(S. 244). Weiterhin werden diskutiert: die Möglichkeit<br />
einer Neuregelung der Finanzierungsquellen<br />
für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk<br />
durch Werbeverbote, durch Pay-TV oder<br />
durch Steuermittel (jeweils z. T. eingeschränkt<br />
bejahend: S. 246 ff.).<br />
Teil V (S. 257–302) nimmt die Steuerungsproblematik<br />
erneut auf, differenziert nach der<br />
privatwirtschaftlichen und der öffentlichrechtlichen<br />
Säule sowie ihrem Zusammenspiel.<br />
Für die privatwirtschaftliche Steuerungslogik<br />
gilt das Prinzip der Selbstregulierung, das<br />
durch Stichworte charakterisiert wird wie:<br />
Markt, Privatrecht, Privatautonomie, Eigennutz,<br />
Verdienen, Wirtschaftsfreiheiten, Unternehmensbezug,<br />
Marktbezug, wirtschaftlicher<br />
Wettbewerb, Selbsthilfe- und Selbstkontrolleinrichtungen<br />
der <strong>Medien</strong>wirtschaft (S. 259 ff.);<br />
die Rechtsaufsicht erfolgt durch prinzipiell hoheitlich<br />
agierende Landesmedienanstalten, die<br />
allerdings praktisch weithin auf die Regulierten<br />
einzugehen suchen. Im scharfen Kontrast dazu<br />
sind die maßgeblichen Ordnungsprinzipien der<br />
Selbstregulierung in der öffentlich-rechtlichen<br />
Säule: die „dienende“ Freiheit jenseits von<br />
privatnützigen Gewinninteressen (S. 274 f.) mit<br />
spezifischen (Selbstregulierungs-)Strukturen<br />
der organisationsinternen Selbstregulierung<br />
z. B. durch Rundfunk- und Verwaltungsräte,<br />
der Orientierung allein am publizistischen<br />
Wettbewerb u. a. durch ein Qualitätsmanagement<br />
i. S. einer Public-Serivce-Orientierung<br />
(S. 276 ff., 278 ff., 280 ff.) und der effizienzbezogenen<br />
selbstregulierenden Wirtschaftlichkeitskontrollen<br />
in Kompensation zum Verzicht<br />
auf eine Marktsteuerung (S. 285 ff.). Diese<br />
Elemente der Selbstregulierung werden<br />
durch solche der Außensteuerung ergänzt:<br />
Rechtsaufsicht, Rechnungshofkontrolle, Finanzbedarfsprüfung<br />
der KEF, Öffentlichkeit<br />
(S. 288 ff). Typischerweise sind beide Säulen<br />
nicht durch gegenständliche Programmbegrenzungen<br />
einander zugeordnet (S. 295 ff.), stehen<br />
aber in einem wechselseitigen Ergänzungsver-<br />
563
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
hältnis, dessen Berücksichtigung schonendere<br />
hoheitliche Interventionen erlaube (S. 296 f.),<br />
auch i. S. einer Auffangvorsorge (S. 299 ff.). –<br />
Ein kurzer abschließender Ausblick (Teil VI,<br />
S. 303–312) skizziert die bleibende Aktualität<br />
der skizzierten Prinzipien auch für die zukünftige<br />
ausdifferenzierte <strong>Medien</strong>- und Informationsordnung.<br />
Für eine kritische Analyse springen einige<br />
charakteristische Eigenarten ins Auge:<br />
(a) Obwohl es sich ihrer Intentionen nach<br />
nicht um eine spezifisch verfassungsrechtliche<br />
Studie handelt, spielt die Rechtsprechung des<br />
BVerfG für den Autor weiterhin eine maßgebliche,<br />
die Ausgangs- und Richtpunkte bestimmende<br />
Rolle als „Korridor für medienpolitische<br />
Gestaltung“ (S. 19). Das gilt nicht nur im<br />
Blick auf den Status quo und seine Geschichte<br />
(z.B. S. 25, 32 ff., 65 f., 181), sondern auch bei<br />
der Suche nach neuen Lösungen bzw. Lösungsrichtungen<br />
(z. B. S. 112 ff., 128); eine Basis<br />
bleibt z. B. die Unterscheidung zwischen<br />
Schranken- und Ausgestaltungsregelungen<br />
(S. 95 ff., 106 ff., 114 ff., 131, 168 ff. pass.), ohne<br />
dass die Schwierigkeiten ihrer nicht immer<br />
willkürfreien Abgrenzung allein durch ihre unterschiedlichen<br />
Ziele (S. 98 ff.) allzu sehr vertieft<br />
würden.<br />
(b) Dieser Rechtsprechung korrespondiert<br />
eine für diese Studie fundamentale Zäsur, die<br />
die Qualität der Rundfunkordnung konstituiert:<br />
die Unterscheidung zwischen publizistischem<br />
und ökonomischem Wettbewerb (z.B.<br />
S. 32 ff., 47 f., 172 ff., 278 ff., 293, 295, 309 f.).<br />
Insbesondere die Dynamik marktwirtschaftlicher<br />
Entwicklungen, z. B. betreffend den Werbemarkt<br />
(S. 45 ff.), die Ausdifferenzierung der<br />
Rundfunkveranstaltungen mit ihren Verwertungsketten<br />
bzw. „Wertschöpfungsnetzwerken“<br />
(S. 70 ff., 81 f., 85 f., 110, 145 f.) oder die<br />
Konzentrationskontrolle (S. 52 ff.) aufgrund<br />
des ökonomischen Wettbewerbs mit seinen<br />
„Vermachtungsrisiken“ (z. B. S. 48, 52, 127 f.,<br />
145 ff., 304) stehen im Mittelpunkt der Studie.<br />
Ein leitender Gesichtspunkt ist die Abwehr<br />
von Gefahren eines unwiderruflichen Marktversagens<br />
durch „Regulierungsversagen“ (z. B.<br />
S. 53, 128 f.).<br />
(c) Mit der ökonomischen Analyse eng verbunden<br />
ist die starke methodische Orientierung<br />
an den tatsächlichen Verhältnissen. Auf diese<br />
Weise wird einerseits immer wieder der neueste<br />
soziale Wandel reflektiert, z. B. die technischen<br />
Neuerungen im <strong>Medien</strong>sektor mit konfliktge-<br />
564<br />
nerierenden Folgen (z. B. S. 15, 26, 41 ff., 138 ff.<br />
betr. Zugangsprobleme, 227 f.) oder die ökonomischen<br />
Veränderungen in der <strong>Medien</strong>wirtschaft<br />
und ihrer Märkte (z. B. S. 18, 81 f.,<br />
124 ff.); andererseits wird durch empirischanalytische<br />
Folgenanalysen in funktionaler Betrachtung<br />
die Richtigkeit juristischer Annahmen<br />
reflektiert (z. B. S. 112 ff., 208 ff., 225, 231,<br />
250) bis hin zur Auflösung oder Verunklarung<br />
des Rundfunkbegriffs (s. näher S. 84 ff., 229 ff.).<br />
(d) Durchgängig wird auch die internationale<br />
Entwicklung vergleichend in Bezug genommen<br />
(z. B. S. 89 f., 94 f., 132, 161 f.), jedenfalls<br />
wenn sie den eigenen Argumentationsgang<br />
stützt. Auch versteht es der Verfasser, die verschiedenen<br />
Argumentationsebenen (z. B. verfassungsrechtliche<br />
vs. rundfunkpolitische Argumente)<br />
logisch sorgfältig auseinander zu halten<br />
(z. B. S. 131 ff. betr. politische Reaktionen<br />
auf Fehlentwicklungen; S. 234, 242 betr. die<br />
Unterscheidung von verfassungsrechtlichem<br />
und einfachem Rundfunkbegriff), andererseits<br />
die verschiedenen Ebenen stets auch miteinander<br />
in Beziehung zu setzen.<br />
(e) Das alles ist nur möglich durch eine das<br />
Buch allenthalben kennzeichnende Fähigkeit<br />
zur theoretischen Durchdringung, die bloße<br />
Rechtsdogmatik oder Jurisprudenz i. e. S. überschreitet<br />
bzw. deren Stellenwert richtig einzuordnen<br />
weiß. Auf diese Weise begegnet man<br />
nicht nur einer hohen Differenzierung- und<br />
Systematisierungskraft (z. B. S. 99 f.; zur Differenz<br />
von Interesse und Position: S. 164 ff.) und<br />
findet allenthalben Verknüpfungen mit allgemeinen<br />
theoretischen Diskussionen (z. B. zu<br />
den verschiedenen Arten von Steuerung<br />
S. 153 ff.); freilich schlägt auch die sozial<strong>wissenschaft</strong>lich<br />
imprägnierte Begrifflichkeit auf<br />
die nicht immer jargonfreie sprachliche Gestaltung<br />
durch (vgl. S. 158, 162 u. ä.), die auch modische<br />
Begriffe prägen will (z. B. „Innovationsverantwortung“,<br />
S. 103). Dahingestellt sei, ob<br />
der Abstraktionsgrad eines Begriffs wie „regulierte<br />
Selbstregulierung“ in seiner Multifunktionalität<br />
nicht ein wenig eine holistische Funktion<br />
gewonnen hat.<br />
Insgesamt erreicht die Studie, auch vor dem<br />
Hintergrund eines wachsenden Rechtfertigungsbedarfs<br />
des öffentlich-rechtlichen Rundfunks<br />
(vgl. S. 164), ihr Ziel: auf höchstem Niveau<br />
den aktuellen Diskussionsstand und die<br />
Rundfunkregulierung <strong>wissenschaft</strong>lich zu bilanzieren<br />
und im Blick auf zukünftige Entwicklungen<br />
grundsätzlich zu überprüfen. Es
wird niemanden verwundern, dass Notwendigkeit<br />
und Entwicklungsfähigkeit des öffentlichrechtlichen<br />
Rundfunks in einem neuen Glanz<br />
erstrahlt.<br />
Helmuth Schulze-Fielitz<br />
Susan J. Drucker / Gary Gumpert (Hrsg.)<br />
Real Law @ Virtual Space<br />
Communication Regulation in Cyberspace<br />
Cresskill: Hampton Press, 1999 – 436 S.<br />
ISBN 1-57273-124-9<br />
ISBN 1-57273-125-7<br />
Die gelegentlich geäußerte Einschätzung, dass<br />
das Internet das Ende der Wissenschaft eingeläutet<br />
hat, ist zweifelsohne selbst ein Ausdruck<br />
desjenigen Phänomens, das sie kritisch zu erfassen<br />
sucht. Allein an der schieren Vielzahl der<br />
Veröffentlichungen zu Rechtsfragen im Internet,<br />
zumeist in Form von im wahrsten Sinne<br />
des Wortes Sammelbänden, lässt sich ablesen,<br />
dass dieses Medium mit seinem zwanghaften<br />
Drang zur Abbildung der Welt in Echtzeit für<br />
die Wissenschaft als einer Wissensform, deren<br />
bestimmende Daseinsform jedenfalls bis gestern<br />
in der gedruckten Publikation bestand,<br />
mehr als nur eine Herausforderung darstellt.<br />
Auch der von Drucker und Gumpert herausgegebene<br />
Band ist nicht frei von gewissen <strong>wissenschaft</strong>lichen<br />
Auflösungserscheinungen. In<br />
ihrem Vorwort gestehen die Herausgeber, dass<br />
sie dieses schrieben, während der Fernseher<br />
lief, um noch die letzten Meldungen auf CNN<br />
zu den neusten Entwicklungen der Regulierung<br />
des Internet verarbeiten zu können. Bei<br />
aller Sympathie, die so viel Offenheit verdient,<br />
muss man aber dennoch feststellen: dem veröffentlichten<br />
Buch, in dem in 19 Beiträgen der<br />
(rechtlichen) Regulierung des Internet nachgegangen<br />
wird, ist so viel gehetzte Atemlosigkeit<br />
leider anzumerken.<br />
Dabei ist bis auf zwei Beiträgen, die sich mit<br />
der E-Mail-Therapie und virtuellen Museen<br />
beschäftigen und damit eher entlegenere Spezialinteressen<br />
bedienen, dem Band durchaus<br />
ein Bemühen um Grundsätzliches, über den<br />
Tag der Veröffentlichung Hinausweisendes anzumerken.<br />
Aus rechtlicher, ökonomischer,<br />
ethischer und kommunikations<strong>wissenschaft</strong>licher<br />
Perspektive nähern sich die Autorinnen<br />
und Autoren des Bandes den Feldern künftiger<br />
Regulierung des Internet. Die Leitfrage des<br />
Besprechungen<br />
Bandes, ob bestehende rechtliche Regelungen<br />
auf das Internet anwendbar sind, bzw. ob und<br />
wo Anpassungsbedarf besteht oder ob es gänzlich<br />
neuer Regelungen bedarf, dürfte allerdings<br />
zu grob und zu nahe liegend sein, um für einen<br />
solchen Sammelband ein fokussierendes Bindeglied<br />
herzustellen. Zu den Fragen der Pornografieregulierung,<br />
des Urheberrechts, des Datenschutzes,<br />
der (unerwünschten) Werbung<br />
und des Ehrenschutzes bietet diese Publikation<br />
zwar einen guten Überblick über die in den<br />
USA diskutierten Gerichtsverfahren – doch<br />
darüber hinaus Verallgemeinerbares und Zukunftsweisendes<br />
zu extrahieren, damit tun sich<br />
die Beiträge meist – verständlicher Weise – ungleich<br />
schwerer. In Anlehnung an Kierkegaard<br />
weist Donald Fishman in seinem Beitrag ganz<br />
zutreffend auf ein grundlegendes epistemologisches<br />
Problem hin: „We live forwards but we<br />
understand backwards.“ Es ist daher wenig<br />
überraschend, dass die Darstellung und Aufarbeitung<br />
bestehender, nicht für das Internet entwickelter<br />
Regelungen den größten Raum in<br />
dieser Publikation einnehmen.<br />
Aufschlussreich ist dabei aus deutscher Perspektive<br />
vor allem das, was in dem Sammelband<br />
nicht behandelt wird. Obwohl das First<br />
Amendment, das in den USA den verfassungsrechtlichen<br />
Schutz der <strong>Kommunikations</strong>- und<br />
<strong>Medien</strong>freiheit gewährleistet, noch in der Einleitung<br />
der Herausgeber als eine Art Super-<br />
Rechtsprinzip des Cyberspace beschrieben<br />
wird, das als übergeordnetes Prinzip die Lösung<br />
rechtlicher Einzelkonflikte leiten soll,<br />
wird es lediglich von den vier Beiträgen, die<br />
sich mit der Regulierung von Pornografie im<br />
Internet beschäftigen, positiv in Bezug genommen.<br />
Dort allerdings nur als Beschränkung des<br />
staatlichen Handlungsradius. Dies entspricht<br />
ganz einem in den USA in den vergangenen<br />
Jahren allgemein zu verzeichnenden Trend.<br />
Stand noch bis in die 1970er Jahre der Schutz<br />
politischer Kommunikation ganz im Zentrum<br />
des First Amendment, so ist in der jüngeren<br />
Vergangenheit die Frage nach den zulässigen<br />
Grenzen der Regulierung von Pornografie zunehmend<br />
in den Vordergrund gerückt. Bemerkenswert<br />
ist dabei, dass die für den in den USA<br />
besonders ausgeprägten Schutz der politischen<br />
Kommunikation entwickelten Argumentationsfiguren<br />
mehr oder weniger direkt auf pornografische<br />
<strong>Kommunikations</strong>inhalte und –formen<br />
angewandt werden; so etwa wenn die Anhänger<br />
einer radikalen politischen Minderheit<br />
565
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
mit den Anhängern sexueller Vorlieben, die<br />
von der Mehrheit nicht geteilt und sogar strikt<br />
abgelehnt werden, gleich gesetzt werden. Dabei<br />
gründet sich (auch in den USA) der besondere<br />
Schutz der <strong>Kommunikations</strong>freiheit auf deren<br />
besonderes Näheverhältnis zum demokratischen<br />
Prozess. Mit der Loslösung der etablierten<br />
Argumentationsfiguren von ihrer demokratischen<br />
Fundierung ist aber eine Tendenz zu<br />
einer formalistisch-mechanistischen Jurisprudenz<br />
zu beobachten, die auch die vorliegenden<br />
Beiträge zur Regulierung von Pornografie im<br />
Internet auszeichnet. So beschränken sich alle<br />
vier Beiträge im Grunde darauf zu bestimmen,<br />
welcher der von der Rechtsprechung für die<br />
unterschiedlichen <strong>Kommunikations</strong>mittel entwickelten<br />
Maßstäbe bei der Pornografieregulierung<br />
auf das Internet Anwendung finden<br />
sollte. Den strengsten Anforderungen unterliegt<br />
dabei die Regulierung von Telefonsexanbietern,<br />
eine Mittelposition nimmt das Kabelfernsehen<br />
ein und den größten Spielraum wird<br />
dem Gesetzgeber schließlich beim terrestrischen<br />
Rundfunk zugebilligt. Alle vier Beiträge<br />
halten sich strikt in den Bahnen dieses Schemas<br />
und gelangen mit leichten Variationen in der<br />
Begründung ihrer Analogien zu dem Ergebnis,<br />
dass weit reichende Einschränkungen der Verbreitung<br />
pornografischer Materialien im Internet,<br />
wie sie der inzwischen vom Supreme Court<br />
aufgehobene Communications Decency Act<br />
vorsah, nicht mit dem First Amendment zu<br />
vereinbaren sind.<br />
In einem der einleitenden Beiträge weist<br />
Harvey Jassem jedoch sehr zutreffend darauf<br />
hin, dass die „medienspezifische“ Differenzierung<br />
der First Amendment-Dogmatik zum<br />
Teil eher auf technologischen Spitzfindigkeiten<br />
basiert, die die gesellschaftliche und normative<br />
Begründung für die <strong>Medien</strong>regulierung<br />
in den Hintergrund haben treten lassen. Weil<br />
die traditionelle public interest-Regulierung<br />
des terrestrischen Rundfunks, die den kommerziellen<br />
Rundfunkveranstaltern abverlangte,<br />
Rundfunk nicht nur im Dienste ihrer privaten<br />
Interessen zu betreiben, zu eng mit der<br />
technologischen Sondersituation (Frequenzknappheit,<br />
Wellenchaos ohne Regulierung)<br />
des terrestrischen Rundfunks verkoppelt worden<br />
war, sei eine Übertragung dieser Regulierungsphilosophie<br />
auf „neue“ <strong>Medien</strong> wie das<br />
Kabelfernsehen unterblieben. Bei einer Rückbesinnung<br />
auf die demokratietheoretischen<br />
Grundlagen der public interest-Regulierung,<br />
566<br />
so argumentiert Jassem, biete dieser Ansatz<br />
aber ein nach wie vor zukunftweisendes Modell<br />
für die <strong>Medien</strong>regulierung. Bemerkenswert<br />
ist, dass Jassem aus dem First Amendment<br />
nicht nur keine Unterstützung für die<br />
von ihm geforderte demokratische Rückbesinnung<br />
schöpft, sondern im Gegenteil in dem<br />
mittlerweile vorherrschenden Verständnis der<br />
<strong>Kommunikations</strong>- und <strong>Medien</strong>freiheit in den<br />
USA eines der größten Hemmnisse einer demokratischen<br />
Rückbesinnung der <strong>Medien</strong>regulierung<br />
ausmacht.<br />
Auch der Beitrag von David Donelly, der<br />
sich mit den Problemen der Sicherung der freien<br />
Meinungsbildung angesichts der zunehmenden<br />
Kommerzialisierung des Internet auseinandersetzt,<br />
erkennt im First Amendment<br />
eher eine Verstärkung denn Ansätze zu einer<br />
möglichen Lösung des Problems, dass „[t]he<br />
Internet is becoming, like other media, a place<br />
where most of the information exchanged is<br />
provided by producers and consumed by consumers.“<br />
Hintergrund für diese pessimistischen<br />
Einschätzungen hinsichtlich der Auswirkungen<br />
der <strong>Kommunikations</strong>- und <strong>Medien</strong>freiheit<br />
auf den Zustand der Kommunikation<br />
im Internet ist die mittlerweile das First<br />
Amendment ganz dominierende Metapher des<br />
„free marketplace of ideas“, die u.a. zu einer<br />
grundlegenden verfassungsrechtlichen Gleichstellung<br />
von politischer und kommerzieller<br />
Kommunikation geführt hat. Unter der Dominanz<br />
der Marktplatzmetapher hat sich das<br />
First Amendment zu einem bloßen Echo und<br />
Verstärker der Forderung nach einer strikt<br />
marktwirtschaftlichen Organisation der Kommunikation<br />
entwickelt. Aus der Vorherrschaft<br />
der Marktplatzmetapher im Diskurs der <strong>Kommunikations</strong>freiheit<br />
erklärt sich auch die Suche<br />
der Herausgeber, in den Bereichen der Architektur<br />
und der Städteplanung tragfähige Metaphern<br />
für die Gewährleistung einer virtuellen<br />
Entsprechung traditioneller öffentlicher Räume<br />
zu finden, bietet doch die Marktplatzmetapher<br />
hier kaum viel versprechende Anknüpfungspunkte.<br />
So reduziert sich nämlich etwa<br />
für Roy Leeper und Phillip Heeler, die ganz in<br />
dem Marktplatzparadigma des First Amendment<br />
verhaftet sind, die Frage nach der Regulierung<br />
von Werbung im Internet darauf, wie<br />
die einzelnen Rezipienten davor geschützt<br />
werden können, von ihnen nicht gewünschte<br />
Werbebotschaften (junk email) zu erhalten.<br />
Ausgeblendet bleiben somit aber die gesell-
schaftlichen Auswirkungen einer kommerziellen<br />
Durchdringung des Internet, das, wie Howard<br />
Cohen in dem Band noch einmal sorgfältig<br />
nachzeichnet, in seinen Ursprüngen ganz<br />
darauf bedacht war, kommerzielle Einflüsse<br />
fern zu halten.<br />
Dass auch im Bereich des Datenschutzes das<br />
Marktdenken die Erfassung gesellschaftlicher<br />
Folgekosten aufgrund einer individualistischen<br />
Perspektive erschwert, erhellt der Beitrag von<br />
John Monberg. In den USA, wo dieser Bereich<br />
nur bruchstückhaft geregelt ist, gibt es insbesondere<br />
gegenüber privaten Datensammlern<br />
kein umfassendes Recht auf informationelle<br />
Selbstbestimmung. Da aber jede Transaktion<br />
im Internet eine Datenspur hinterlässt und<br />
sich auf diese Weise umfassende Nutzerprofile<br />
erstellen lassen, gibt es ein starkes ökonomisches<br />
Interesse an einem unbegrenzten Sammeln<br />
personenbezogener Daten. Geschützt<br />
gegen diese private Sammelwut sind aber ironischer<br />
Weise nur berühmte Persönlichkeiten,<br />
die selbst ein kommerzielles Interesse an ihrer<br />
Identität haben. Dass aufgrund der durch das<br />
Internet ermöglichten Marketingmethoden<br />
auch die öffentliche Auseinandersetzung Schaden<br />
nehmen könnte, weil sie die Fragen, mit<br />
denen sich die Mitglieder der Gesellschaft<br />
überhaupt noch konfrontieren, „zielgenau“ reduzieren<br />
könnten, beschreibt eine Herausforderung,<br />
die in einem nur auf die individuelle<br />
Selbstbestimmung fokussierten Schema kaum<br />
zu erfassen ist.<br />
Neue Herausforderungen für den Schutz<br />
der öffentlichen Sphäre, die das Aufkommen<br />
des Internet mit sich bringt, streift auch Donald<br />
Fishman in seinem Beitrag zu den intellectual<br />
property rights im Cyberspace. In<br />
der durch das Internet beschleunigten Informationsökonomie<br />
stellen einerseits (urheberrechtsfähige)<br />
„Informationen“ den wichtigsten<br />
Rohstoff dar, andererseits wird das Kopieren<br />
(urheberrechtsgeschützter) „Informationen“<br />
im Internet ohne Qualitätsverlust schneller,<br />
billiger und verbreiteter. Zuzustimmen ist<br />
Fishman darin, dass die von der US-amerikanischen<br />
Rechtsprechung in anderen Bereichen<br />
vorgenommen Differenzierung zwischen rein<br />
reproduktiver Nutzung (Kopie) und produktiver<br />
Nutzung, die dem Original eine eigenständige<br />
Leistung hinzufügt, einen weiter zu<br />
verfolgenden Ansatz darstellt. Fishman unterschätzt<br />
aber selbst die von ihm angedeuteten<br />
grundlegenden Transformationen der Infor-<br />
Besprechungen<br />
mationsökonomie, wenn er meint, dass der<br />
Cyberspace letztlich keine neuen Probleme<br />
aufwerfe, die nicht in der tradierten Abwägung<br />
zwischen den ökonomischen Anreizen für den<br />
Urheber und einem vernünftigen (reasonable)<br />
Zugang der Öffentlichkeit zu bewältigen seien.<br />
Denn wie er selbst ausführt, wird sich das Verhältnis<br />
von Urheber und Nutzer in Zukunft<br />
grundlegend wandeln. Ein nach wie vor in erster<br />
Linie auf Ausschluss konzeptioniertes (intellektuelles)<br />
Eigentumsrecht, wird weder einer<br />
Informationsökonomie noch einer Informationsgesellschaft<br />
gerecht werden in der<br />
“[t]he relationship between owners and users<br />
of copyrighted materials increasingly will become<br />
more collaborative as the conception of<br />
an ‚end user‘ becomes more complicated.“ Da<br />
aber das, was für den Endnutzer gilt, mindestens<br />
genau so auf den (personalen) Urheber<br />
zutrifft, so hätte es nahe gelegen, Überlegungen<br />
dazu anzustellen, wie ein Prinzip der Zugänglichkeit<br />
zukünftig in den Eigentumsbegriff<br />
selbst einzuschreiben ist, um Prosperität<br />
in einer zunehmend auf Kooperation angewiesenen<br />
vernetzten Informationsökonomie zu<br />
gewährleisten, aber eben auch, um den Risiken<br />
des kommerziellen Ausdörrens der öffentlichen<br />
Sphäre in der Informationsgesellschaft zu<br />
begegnen.<br />
Einige der Beiträge dieses Sammelbandes lesen<br />
sich durchaus mit Gewinn, insgesamt wird<br />
er aber den durch seinen Titel geweckten Erwartungen<br />
nicht gerecht. Wir haben uns vielleicht<br />
schon so sehr daran gewöhnt, dass das<br />
Internet das Medium der vollmundigen<br />
Ankündigungen ist, dass enttäuschte Erwartungen<br />
kaum noch der Rede wert scheinen.<br />
Nach der Lektüre von Real Law @ Virtual<br />
Space bleibt aber die bohrende Frage, wie real<br />
der Begriff des Rechts und wie virtuell der<br />
Raum ist, der – nicht nur – in diesem Band verhandelt<br />
wird. Und vor allem: welche Qualität<br />
das mittlerweile ubiquitäre @ als Konjunktion<br />
in <strong>wissenschaft</strong>lichen Zusammenhängen hat.<br />
In dieser Form dürfte es jedenfalls ein heißer<br />
Kandidat sein, das von besonderer akademischer<br />
Ratlosigkeit kündende „und“ noch zu<br />
unterbieten.<br />
Tarik Tabbara<br />
567
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
Isabella-Afra Holst<br />
Realitätswahrnehmung in politischen<br />
Konflikten<br />
Grundlagen einer Theorie der Wissenskluft<br />
Konstanz: UVK, 2000. – 322 S.<br />
ISBN 3-87940-722-3<br />
Die Dissertation von Isabella-Afra Holst liefert<br />
nicht – wie man vielleicht auf Grund des Titels<br />
meinen könnte – eine Diskussion der theoretischen<br />
Grundlagen der Wissenskluft-Hypothese.<br />
Vielmehr handelt es sich um eine empirische<br />
Überprüfung eines Teilbereiches der These,<br />
nämlich der Veränderung von Wissensbeständen<br />
durch <strong>Medien</strong>nutzung bei politischen<br />
Konflikten.<br />
Die Autorin untersucht anhand des Datenmaterials<br />
aus dem von der DFG geförderten<br />
Forschungsprojekt zur „Instrumentellen Aktualisierung“<br />
die Berichterstattung und den individuellen<br />
Wissensbestand zu drei ausgewählten<br />
politischen Konflikten im Jahr 1984. Die<br />
Untersuchung enthält ein einführendes Kapitel<br />
zur Wissensklufthypothese und zur Konfliktanalyse.<br />
Neben zwei Kapiteln zur Methode der<br />
Inhaltsanalysen und Befragungen werden die<br />
zentralen Befunde der Analyse der <strong>Medien</strong>berichterstattung<br />
und des Wissensbestandes der<br />
Befragten dargestellt und in einem abschließenden<br />
Kapitel auf die Ausgangshypothesen der<br />
Wissensklufthypothese bei politischen Konflikten<br />
rückbezogen.<br />
Der große Vorteil, den die Studie hat, ist<br />
gleichzeitig ihr Nachteil: Es handelt sich um<br />
eine Sekundäranalyse vorhandener – aus einem<br />
anderem Begründungs- und Verwertungszusammenhang<br />
entstandener – empirischer Daten.<br />
So hat die Autorin etwa die komplexe, verschachtelte<br />
Struktur der Befragungsdaten aus<br />
dem genannten Projekt optimal genutzt, um<br />
die dynamischen Effekte der Wissensangleichung<br />
in spezifischen Bildungssegmenten der<br />
Bevölkerung zu analysieren und differenzierter<br />
darzustellen, als dies bisher geschehen ist. Sie<br />
kann zum Beispiel die Faktoren für eine Angleichung<br />
von Wissensbeständen zwischen<br />
stark und schwach Gebildeten über die Zeit<br />
hinweg verfolgen und Aussagen über die Lebensdauer<br />
der Kluft und die Geschwindigkeit<br />
der Angleichung machen, wenn individuelle<br />
Betroffenheit und intensive <strong>Medien</strong>berichterstattung<br />
vorliegen.<br />
568<br />
Was der Leser jedoch in diesem Zusammenhang<br />
vermisst, ist ein Abschnitt zur Reoperationalisierung<br />
der Primärerhebungen: Die unterschiedlichen<br />
Kontexte, in denen die Daten<br />
1984 erhoben und 15 Jahre später ausgewertet<br />
wurden, werden an keiner Stelle gegenübergestellt.<br />
Die Rekonzeptualisierung der primären<br />
Operationalisierungsstrategien wird nicht<br />
transparent gemacht. Dies bezieht sich sowohl<br />
auf zentrale Variablen (etwa Fakten- vs. Strukturwissen)<br />
der Befragungen als auch auf die<br />
Auswahl der Untersuchungseinheiten (etwa<br />
Nachrichtenjournale statt Hauptnachrichten<br />
im Fernsehen) für die Inhaltsanalyse.<br />
Darüber hinaus ist das Alter der Daten besonders<br />
an den Stellen ein großer Nachteil, an<br />
denen die Befunde über die basalen Aussagen<br />
der Wissenskluft-Hypothese hinausgehen und<br />
zu einer Differenzierung des Ansatzes beitragen<br />
– etwa bei der Konsonanz und Intensität<br />
der <strong>Medien</strong>berichterstattung: Wir leben heute<br />
in einer im Vergleich zur Mitte der achtziger<br />
Jahre stark gewandelten <strong>Medien</strong>realität. Die<br />
Einführung der privaten Rundfunkmedien hat<br />
nicht nur das Angebot, sondern auch die Nutzungsgewohnheiten<br />
der Rezipienten stark gewandelt;<br />
von der fortschreitenden Wissensvermehrung<br />
und -vernetzung durch neue Technologien<br />
ganz zu schweigen. Die Studie wirft ein<br />
Schlaglicht auf den Zusammenhang von Wissensvermehrung<br />
und Bildung in einer Zeit, die<br />
mit der heutigen <strong>Medien</strong>umwelt nur noch wenig<br />
gemeinsam hat.<br />
Die Studie ist dort ein wichtiger Beitrag zur<br />
Wissenskluft-Forschung, wo es um die grundlegenden<br />
Wechselwirkungen zwischen sozialem<br />
Status und individuellem Wissenserwerb<br />
auf der Seite des Rezipienten geht. Die Mechanismen,<br />
die bezüglich der <strong>Medien</strong>berichterstattung<br />
und ihrer Nutzung untersucht wurden,<br />
bedürfen aus heutiger Sicht – besonders wenn<br />
man den Nutzwert für die journalistische Praxis<br />
erhöhen will – einer Revision.<br />
Joachim Trebbe
Rolf Parr / Matthias Thiele (Hrsg.)<br />
Gottschalk, Kerner & Co<br />
Funktionen der Telefigur „Spielleiter“ zwischen<br />
Exzeptionalität und Normalität<br />
Frankfurt: Suhrkamp 2001. – 266 S.<br />
ISBN 3-518-12175-8<br />
Gerade die Gebrauchsformen des Fernsehens<br />
sperren sich gegen Analyse. Strukturen des<br />
Werks ins Zentrum zu rücken, wie man es aus<br />
den philologischen Wissenschaften gewöhnt<br />
ist, misslingt ebenso wie sich auf einfache <strong>Kommunikations</strong>funktionen<br />
– Informieren, Berichten,<br />
Unterhalten etc. – zu konzentrieren. Die<br />
ästhetischen Strukturen gerade des Standardfernsehens<br />
und seiner Formen sind weitestgehend<br />
unaufgeklärt. John Hartley spricht vom<br />
Fernsehen als „Schmutz“ und meint damit,<br />
dass es sich herkömmlicher Analyse weitestgehend<br />
entziehe. Es lassen sich danach keine eindeutigen<br />
Einheiten für Analyse mehr bestimmen,<br />
es ist nicht als Folge geschlossener Texte<br />
lesbar – und selbst die Vorstellung eines (individuierten<br />
oder kollektiven) Publikums ist<br />
brüchig, weil die Texte des Fernsehens nicht so<br />
sehr auf individuelle Erfahrungswelten, sondern<br />
auf widersprüchliche diskursive Cluster<br />
treffen, die von Individuen nur repräsentiert<br />
seien.<br />
Dass Fernsehen dennoch kein Medium<br />
außerhalb der Analyse und einer theoretischen<br />
Durchdringung sein muss, stellt der vorliegende<br />
Band manchmal eindrücklich unter Beweis.<br />
Er interessiert sich für Unterhaltungsformen<br />
des Fernsehens – Spiel- und Talkshows, Sportsendungen<br />
u. ä. – und er konzentriert sich auf<br />
die Beschreibung der Leistungen der „Spielleiter“,<br />
der Show- und Talkmaster, der Studiomoderatoren<br />
etc. Der Zugang ist evident, bündeln<br />
diese Figuren doch die meisten der zentralen<br />
kommunikativen und sozialen Funktionen der<br />
Show.<br />
Matthias Thiele gibt einen ausgezeichneten<br />
Forschungsüberblick über die <strong>wissenschaft</strong>liche<br />
Reflexion der Fernsehunterhaltungsformen<br />
und die Analyse der Spielfigur „Spielleiter“.<br />
Die meisten vorliegenden Arbeiten verstehen<br />
die Fernsehunterhaltungsformen als Institutionalisierungs-<br />
und Aufführungsformen<br />
sozialer Kommunikation – darum sind Shows<br />
keine Protokolle sozialer Interaktion, sondern<br />
eigene semiotische Gebilde. Spielleiter sind<br />
dann, wie andere öffentliche Figuren auch<br />
Besprechungen<br />
(Stars, Sportler, celebrities), verdichtete polysemische<br />
Zeichenkomplexe und keine realen Figuren.<br />
Die Differenz zwischen der Spiel- und<br />
<strong>Kommunikations</strong>aufführung in der Show und<br />
realer Kommunikation mit allen Beteiligten ist<br />
eine fundamentale ästhetische Qualität dieser<br />
Fernsehformate – das legt zumindest die bisherige<br />
Forschung nahe.<br />
Hervorgegangen ist der Band aus einem Projekt<br />
zum „flexiblen Normalismus“, was erst in<br />
Parrs einleitendem Artikel durchsichtig wird.<br />
Er verbindet drei Zugänge zum Verständnis des<br />
Spielleiters. Zunächst stellt er Funktionen von<br />
Spielleitern vor. Sinnigerweise versteht er darunter<br />
die Einführung und Moderation der anderen<br />
Figuren (Kandidaten, Gäste, Publikum<br />
etc.). Auch die Animation der Kandidaten und<br />
die „Orgiasmierung“ des Publikums rechnen<br />
zu primären sozial-affektiven Aufgaben, die<br />
der Showmaster umzusetzen hat. Ein zweiter<br />
Funktionskreis ist die Transformation von Unerwünschtem<br />
in Erwünschtes, worunter Parr<br />
einen solchen Umgang mit Zufälligkeiten,<br />
Randereignissen und Störungen versteht, dass<br />
sie in eine verwertbare und formatgerechte<br />
Form umgesetzt werden. Der dritte Funktionskomplex<br />
wird vereinfacht „Transpiration“ genannt<br />
– gemeint ist, dass der Showmaster durch<br />
den eigenen Körper die Anstrengung der Arbeit,<br />
den Ernst der Aufgabe und die emotionale<br />
Wirkung des Geschehens ausdrückt sowie<br />
deutlich macht, dass die Show von persönlichem<br />
Belang sei.<br />
Im zweiten Schritt wird der Spielleiter (resp.<br />
die Show) als Ort interdiskursiver Koppelung<br />
angesehen. Ein „Interdiskurs“ ist in der Diskurstheorie<br />
Jürgen Links ein Zusammenbringen<br />
von solchen gesellschaftlichen Teilbereichen<br />
der Praxis oder des Wissens, die gemeinhin<br />
nicht zusammengehören und auch nicht<br />
zusammengebracht werden. Indem nun Showformate<br />
derartige Koppelungen herstellen<br />
(z. B. von solchen Wissenskomplexen wie<br />
„Spanien“, „Spanien-Deutschland“, „Urlaub“,<br />
„eine Spielshow machen“) und auch für Nachfolgekommunikation<br />
öffnen (wie z. B. für Angebote<br />
von Reiseveranstaltern“), erweisen sich<br />
Shows als semantische Synthesebereiche und<br />
als diskursive Produktionsstätten, die das Gesamtfeld<br />
gesellschaftlichen Wissens in Bewegung<br />
setzen. Die Kombinativität des Diskursiven,<br />
die Shows kommunikativ-unterhaltsam<br />
nutzen, ist gleichwohl nicht ungesteuert, sondern<br />
eine Strategie der Normalisierung und der<br />
569
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
Herstellung neuer Vorstellungen dessen, was<br />
„normal“ ist. „Spielshows und eben auch Spielleiter<br />
bringen ständig die verschiedensten Füllungen<br />
dieser Mitte [einer veränderten Normalität]<br />
ein, d. h. sie unterbreiten ständig Vorschläge,<br />
Normalfelder mal rechts und links<br />
oder oberhalb und unterhalb statistischer<br />
Durchschnitte, dann wieder rund um Normativitäten,<br />
um Habitus, Alltäglichkeiten, Üblichkeiten,<br />
Regelmäßigkeiten, Rituale, Routinen,<br />
Sehgewohnheiten usw. zu errichten, und<br />
zeigen zugleich ihre eigene Normalität, Alltäglichkeit,<br />
Durchschnittlichkeit auf, was sie mit<br />
ihrem Publikum verbindet“, heißt es gelegentlich<br />
(36). So entsteht in Parrs Entwurf eine<br />
höchst anregende dreischichtige und dreidimensionale<br />
Analytik von Shows – zum einen<br />
geht es um die inneren sozialen, kommunikativen<br />
und semiotischen Leistungen des Spielleiters<br />
als der Zentralfigur der Show, zum Zweiten<br />
um einen semantischen Bezug zu den erworbenen<br />
gesellschaftlichen Wissenszusammenhängen,<br />
deren implizite Kombinierbarkeit<br />
in Shows als Prinzip einer semiotisch und wissenssoziologisch<br />
grundierten Rezeptionslust<br />
eingesetzt wird, und schließlich um eine Rückwirkung<br />
in die Bereiche von Wissen und Praxis,<br />
indem Shows beständig an Veränderungen der<br />
Vorstellungen dessen arbeiten, was als „normal“<br />
und „alltäglich“ gelten kann.<br />
Mehrfach wird die These Hallenbergers verworfen,<br />
Shows griffen auf die Formen- und Erfahrungswelt<br />
des Spielens zurück. Vielmehr ist<br />
es nach der Ansicht mehrerer Autoren des Bandes<br />
der Test als situative Kleinform, die in<br />
Shows in vielfältiger Form dramatisiert wird.<br />
Peter Friedrich geht in seinem Artikel sogar so<br />
weit, global vom „Testcharakter des Mediums“<br />
zu sprechen (was in dieser Allgemeinheit<br />
durchaus in Zweifel gezogen werden sollte).<br />
Die Annahme, dass Teile der Showunterhaltung<br />
mittels der Störexperimente der Mikrosoziologie<br />
(Friedrich spricht vom „garfinkeln“ als<br />
Methode) hervorgebracht würden, leuchtet zumindest<br />
am Beispiel der Versteckte-Kamera-<br />
Arrangements ein. Auch hier geht es darum,<br />
eine unterstellte Normalität des Wirklichen<br />
und Alltäglichen außer Kraft zu setzen, das Interesse<br />
der Show ist dann darauf gerichtet, wie<br />
die Beteiligten mit der Störung umgehen, sie ignorieren,<br />
sie reparieren, sie normalisieren oder<br />
mit Panik beantworten. Ähnliche Bezüge zu einem<br />
außertelevisionären Szenario weist Michael<br />
Niehaus auf, wenn er sich für therapeutische<br />
570<br />
Aufgaben des Showmasters interessiert. Zwar<br />
steht in den Gesprächsformen der Talkshows<br />
zunächst ein konfrontatives Gegeneinander<br />
der Beteiligten im Zentrum der Inszenierung<br />
(action talk) – gleichgültig, ob es sich dabei um<br />
authentischen Ausdruck von Erfahrung oder<br />
um Rollenspiel handelt. Nun ist action talk<br />
aber nie allein gegeben, sondern führt immer<br />
die Gegensituation des therapeutischen Gesprächs<br />
mit sich (talking cure) – und in allen<br />
Shows des daily talk finden sich Übergänge von<br />
der einen in die andere Form. Gerade im therapeutischen<br />
Sprechen zeigt sich der Spielleiter<br />
als „Diskurspolizist“, er kontrolliert das, was<br />
als „normal“ gelten kann, er sorgt für political<br />
correctness. Sind Spiel- und Talkshows auf der<br />
einen Seite offen und beweglich und ist die<br />
Möglichkeit der interdiskursiven Koppelung<br />
ein produktives und spannungsgeladenes Moment<br />
der Entwicklung des Geschehens, steht<br />
ihm im Aufführungsformat der Show mit dem<br />
Therapeutischen eine Kontrollinstanz gegenüber,<br />
die ein ungesteuertes Ausbrechen aus den<br />
Rahmen des Normalen verhindert. Signifikant<br />
ist, dass dieser Apparat von Strategien, kommunikative<br />
Macht auszuüben, als therapeutische<br />
– also helfende – Kommunikation getarnt<br />
ist.<br />
Der höchst anregende Band enthält außerdem<br />
Artikel zur Rolle des Moderators in Sportsendungen,<br />
zum „Bühnendespoten“ als eines<br />
neuen Typs von <strong>Medien</strong>clown sowie zur Darstellung<br />
des Fernsehens im Spielfilm.<br />
Hans J. Wulff
Zeitschriftenlese<br />
AfP<br />
Jg 32 (2001) Nr 3<br />
Rath-Glawatz, Michael: Auswirkungen der<br />
Aufhebung von RabattG und ZugabeVO auf<br />
das Anzeigengeschäft. – S. 169 – 174<br />
Mann, Roger: Werbung im Pressevertrieb nach<br />
Aufhebung RabattG und ZugabeVO. – S. 174 –<br />
179<br />
Sevecke, Torsten: „Schockwerbung“ der Firma<br />
Benetton verstößt nicht gegen § 1 UWG. –<br />
S. 179 – 188<br />
Der Beitrag, zugleich eine Anmerkung zur Benetton-<br />
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem<br />
Jahr 2000, stellt zunächst das der Beschwerde zu<br />
Grunde liegende Urteil des BGH dar, um darauf die<br />
das Urteil tragenden Erwägungen des BVerfG darzustellen.<br />
Im Folgenden stellt der Verfasser die besondere<br />
Bedeutung von Werbung in der Informationsgesellschaft<br />
dar, um schließlich auf die Möglichkeiten<br />
der Steuerung der Werbung durch das Recht einzugehen.<br />
Dabei geht der Verfasser auch auf die Unterschiede<br />
eines bürgerlich-liberalen Grundrechtsverständnisses<br />
und der funktionalen Deutung der <strong>Kommunikations</strong>freiheit<br />
ein.<br />
Fink, Udo: Programmfreiheit und Menschenwürde.<br />
– S. 189 – 193<br />
Comm/Ent<br />
Jg 23 (2001) Nr 1<br />
Sheets, Jason: Copyright misused: the impact of<br />
the DMCA anti-circumvention measures on<br />
fair & innovative markets. – S. 1 – 28<br />
Kaplan, Neal H.: NBA vs. Motorola: a legislative<br />
proposal favoring the nature of property,<br />
the survival of sports leagues, and the public interest.<br />
– S. 29 – 80<br />
Dmitrieva, Irina Y.: State ownership of copyrights<br />
in primary law materials. – S. 81 – 120<br />
Wharton, Meghan A.: Pornography and the international<br />
Internet: Internet content regulation<br />
in Australia and the United States. – S. 121<br />
– 156<br />
Hayashi, Masanori: Japanese insider trading<br />
law at the advent of the digital age: new challenges<br />
raised by Internet and communication<br />
technology. – S. 157 – 170<br />
Zeitschriftenlese<br />
Flate, Lisa A.: New technology clauses aren’t<br />
broad enough: why a new standard of Interpretation<br />
must be adopted for Internet distribution.<br />
– S. 171 – 193<br />
Communicatio Socialis<br />
Jg 34 (2001) Nr 2<br />
Meckel, Miriam: Das Internet: <strong>Medien</strong>evolution<br />
oder <strong>Medien</strong>revolution?. – S. 145 – 154<br />
Hemels, Joan: <strong>Medien</strong> im kirchlichen Dialog:<br />
eine experimentelle Beratung von Journalisten<br />
und Bischöfen in den Niederlanden. – S. 156 –<br />
182<br />
Bauer, Thomas A.: Der interreligiöse Dialog:<br />
Schwächen und Chancen in der Verständigung<br />
zwischen den Religionen. – S. 183 – 195<br />
Fink, Sonja: „Public journalism“: ein neues<br />
journalistisches Konzept und seine Umsetzung<br />
in Lokalredaktionen der USA. – S. 196 – 218<br />
Brand, Peter: Die Zeitung im Schulunterricht:<br />
Projekt des IZOP-Instituts seit 20 Jahren erfolgreich.<br />
– S. 219 – 228<br />
Oertel, Ferdinand: Kirchenzeitungen in katholischen<br />
Schulen: erfolgreiche Projekte in den<br />
USA. – S. 229 – 232<br />
Kopp, Matthias: Gegen das Schweigen: der katholische<br />
Kinder- und Jugendbuchpreis wurde<br />
zum 12. Mal verliehen. – S. 233 – 236<br />
Kopp, Matthias: Tor nach außen: Öffentlichkeitsarbeit<br />
in der Pfarrgemeinde. – S. 237 – 239<br />
Grundlagenpapier zur Öffentlichkeitsarbeit in<br />
der Pfarrgemeinde: eine Handreichung der Publizistischen<br />
Kommission der Deutschen Bischofskonferenz<br />
vom 15. März 2001. – S. 240 –<br />
250<br />
70 Jahre Radio Vatikan: Ansprache von Papst<br />
Johannes Paul II. am 13. Februar 2001. – S. 251<br />
– 254<br />
Communication Research<br />
Jg 28 (2001) Nr 3<br />
Nathanson, Amy I.: Parents versus peers: exploring<br />
the significance of peer mediation of<br />
antisocial television. – S. 251 – 274<br />
Der Aufsatz beschäftigt sich mit der Frage, welche<br />
Rolle peer groups im Hinblick auf die Nutzung von<br />
„antisozialen“ Fernsehinhalten und deren Wirkung<br />
571
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
haben, und zwar im Gegensatz zu dem nicht auf derartige<br />
Fernsehsendungen gerichteten Einfluss der Eltern.<br />
Es wird eine retrospektiv angelegte Befragung<br />
von Studenten dazu durchgeführt, die einen negativen<br />
Peer-Gruppen-Einfluss belegt.<br />
Bonito, Joseph A.: An information-processing<br />
approach to participation in small groups. –<br />
S. 275 – 303<br />
Scheufele, Dietram A.; Shanahan, James; Lee,<br />
Eunjung: Real talk: manipulating the dependent<br />
variable in spiral of silence research. –<br />
S. 304 – 324<br />
Gegen empirische Untersuchungen der Schweigespirale<br />
wird häufig eingewandt, dass die Bereitschaft, eine<br />
abweichende Meinung zu äußern, kaum valide zu erheben<br />
ist, weil die Befragungssituation zu unterschiedlich<br />
ist. Die Autoren untersuchen dieses Problem<br />
empirisch, indem sie der einen Hälfte von 358<br />
Studenten eine entsprechende Frage vorlegen, bei der<br />
anderen Hälfte dagegen nach der Bereitschaft fragen,<br />
dazu an einer Fokusgruppe teilzunehmen – die zweite<br />
Hälfte äußert sich deutlich zurückhaltender und anders.<br />
Hancock, Jeffrey T.; Dunham, Philip J.: Impression<br />
formation in computer-mediated communication<br />
revisited: an analysis of the breadth<br />
and intensity of impressions. – S. 325 – 347<br />
Communications<br />
Jg 26 (2001) Nr 1<br />
Roe, Keith: Guest editor’s introduction: literacy<br />
and the media. – S. 9 – 14<br />
Kraaykamp, Gerbert: Parents, personality and<br />
media preferences. – S. 15 – 38<br />
Roe, Keith; Eggermont, Steven; Minnebo, Jurgen:<br />
Media use and academic achievement:<br />
which effects?. – S. 39 – 58<br />
Adoni, Hanna; Nossek, Hillel: The new media<br />
consumers: media convergence and the displacement<br />
effect. – S. 59 – 84<br />
Robinson, Muriel: Writing and the World<br />
Wide Web: student teachers becoming web<br />
authors. – S. 85 – 102<br />
Computer und Recht<br />
Jg 17 (2001) Nr 5<br />
Brandi-Dohrn, Anselm: Arbeitnehmererfindungsschutz<br />
bei Softwareerstellung: Zugleich<br />
Anmerkung zu BGH v. 24.10.2000 – X ZR<br />
72/98 – Arbeitnehmer-Erfindervergütung für<br />
Wetterführungspläne. – S. 285 – 293<br />
572<br />
Wuermeling, Ulrich: Neue Einschränkungen<br />
im Direktmarketing. – S. 303 – 307<br />
Im Rahmen der Umsetzung der Europäischen Datenschutzrichtlinie<br />
plant der Gesetzgeber neue Beschränkungen<br />
für die Verwendung personenbezogener Daten<br />
im Bereich des Direktmarketings. Der Beitrag analysiert<br />
den vom Bundestag am 6.4.2001 mit Änderungen<br />
des Parlaments beschlossenen Gesetzesentwurf,<br />
der dem Bundesrat zur Zustimmung vorgelegt wurde.<br />
Kröger, Detlef: Die Urheberrechtsrichtlinie für<br />
die Informationsgesellschaft: Bestandsaufnahme<br />
und kritische Bewertung. – S. 316 – 323<br />
Spindler, Gerald: Urheberrecht und Haftung<br />
der Provider: ein Drama ohne Ende?: zugleich<br />
Anmerkung zu OLG München v. 8.3.2001 – 29<br />
U 3282/00. – S. 324 – 332<br />
Sandl, Ulrich: „Open source“-Software: politische,<br />
ökonomische und rechtliche Aspekte. –<br />
S. 346 – 351<br />
Jg 17 (2001) Nr 6<br />
Karger, Michael: Rechtseinräumung bei Software-Erstellung.<br />
– S. 357 – 366<br />
Gramlich, Ludwig: Die Regulierungsbehörde<br />
für Telekommunikation und Post im Jahr 2000.<br />
– S. 373 – 384<br />
„Im Anschluss an frühere Berichte (CR 1999, 489 und<br />
CR 2000, 509) beleuchtet der Beitrag wesentliche<br />
Aspekte der sektorspezifischen Regulierung, wobei<br />
im Hinblick auf die praktische Relevanz lediglich der<br />
Bereich der Telekommunikation behandelt wird.“ Zu<br />
den Schwerpunkten der Telekommunikations-Regulierungspraxis,<br />
über die in diesem Beitrag berichtet<br />
wird, zählen Maßnahmen in den Bereichen Kundenschutz,<br />
Universaldienste, Lizenzwesen, Entgeltregulierung,<br />
Netz-Zugang/Zusammenschaltung, Nummerierung,<br />
Frequenzwesen und technische Regulierung.<br />
Schafft, Thomas: „Reverse Auctions“ im Internet.<br />
– S. 393 – 400<br />
„Das Schlagwort ,Reverse Auction‘ kennzeichnet<br />
Versteigerungen, bei denen die Preise nicht wie üblich<br />
ansteigen, sondern fallen. Das OLG Hamburg hat die<br />
Veranstaltung solcher Auktionen im Internet […] als<br />
sittenwidrig bezeichnet (OLG Hamburg, Urt. V.<br />
7.12.2000 – 3 U 116/00, CR 2001, 340 – Schnäppchen-<br />
Börse), während das OLG München sie in einer anderen<br />
Gestaltung für zulässig hielt (OLG München, Urt.<br />
V. 14.12.2000 – 6 U 2690/00, CR 2001, 338 – Rückwärtsauktion<br />
ohne verpflichtenden Zuschlag). In diesem<br />
Aufsatz wird zunächst die mögliche Verwendung<br />
solcher umgekehrten Versteigerungen durch Verkäufer<br />
oder auch durch Einkäufer beschrieben. Nach allgemeinen<br />
Ausführungen zur Reichweite des Versteigerungsbegriffs<br />
werden umgekehrte Verkaufsauktionen<br />
vor allem in gewerbe- und wettbewerbsrechtlicher<br />
Hinsicht untersucht, während zu umgekehrten
Einkaufsauktionen auch kartell- und vergaberechtliche<br />
Ansprüche angesprochen werden.“<br />
Kamanabrou, Sudabeh: Vorgaben der E-Commerce-Richtlinie<br />
für die Einbeziehung von<br />
AGB bei Online-Rechtsgeschäften. – S. 421 –<br />
424<br />
Jg 17 (2001) Nr 7<br />
Schuppert, Stefan: Exportkontrolle von Krypto-Software<br />
im B2B-Bereich: zur Neuregelung<br />
der Dual-Use-Verordnung. – S. 429 – 433<br />
Hummel, Konrad: Zusammenschaltungsanordnungen:<br />
gestern, heute, morgen. – S. 440 –<br />
446<br />
„Das Instrument der Zusammenschaltung hat<br />
1997/1998 die Öffnung des Marktes für Sprachtelefondienste<br />
ermöglicht, insbesondere durch die Festsetzung<br />
von Entgelten. Die seither gefestigte Regulierungspraxis<br />
ist durch jüngst verwaltungsgerichtliche<br />
Entscheidungen in Frage gestellt. Der Beitrag untersucht<br />
vor diesem Hintergrund zunächst das Verhältnis<br />
von Zusammenschaltungsanordnung und Entgeltregulierung.<br />
Entstehungsgeschichte des TKG und europarechtliche<br />
Vorgaben sprechen für Anordnung der<br />
Zusammenschaltung und Entgeltgenehmigung in einer<br />
einzigen Entscheidung (einstufiges Modell).<br />
Anschließend wird die Vereinbarkeit der behördlichen<br />
Zusammenschaltungsanordnung mit dem verfassungsrechtlichen<br />
Richtervorbehalt (Art. 92 GG) erarbeitet.<br />
Der Beitrag zeigt, dass der deutsche Bundesgesetzgeber<br />
bei fortschreitendem Wettbewerb und<br />
mit dem zu erwartenden neuen europäischen Rechtsrahmen<br />
den Anwendungsbereich der Zusammenschaltungsanordnung<br />
einzuschränken haben wird.“<br />
Janloser, Stefan: Die „Domain“-Pfändung in<br />
der aktuellen Diskussion. – S. 456 – 458<br />
„Unter dem Schlagwort ,Domain-Pfändung‘ wird<br />
derzeit um den richtigen Vollstreckungsgegenstand<br />
beim Zugriff auf den wirtschaftlichen Wert deutscher<br />
Internet-Domains gestritten. Der Beitrag soll einen<br />
Überblick über den aktuellen Meinungsstand vermitteln.“<br />
Baum, Michael; Trafkowski, Armin: Anwaltstätigkeit<br />
und Fernabsatzgesetz. – S. 459 – 462<br />
Computer und Recht international<br />
Jg 2 (2001) Nr 3<br />
Bender, David: Business method patents: an alternative<br />
view. – S. 65 – 67<br />
Wilske, Stefan: Conflict of laws in cyber torts.<br />
– S. 68 – 73<br />
Gaster, Jens L.: European sui generis right for<br />
database: legal protection of chronological lists<br />
of football matches and compilations of data re-<br />
Zeitschriftenlese<br />
lated to horseracing under database right: or<br />
how your judge might get it right or wrong. –<br />
S. 74 – 78<br />
Convergence<br />
Jg 7 (2001) Nr 2<br />
Krueger, Ted: Intelligent environments. – S. 5 –<br />
11<br />
Glanville, Ranulph: An intelligent architecture.<br />
– S. 12 – 24<br />
Jones, Stephen: Intelligent environments: organisms<br />
or objects?. – S. 25 – 35<br />
Polli, Andrea: Rapid fire: eye movements in human<br />
computer interfaces. – S. 36 – 46<br />
„In this article, the author discusses the concept and<br />
technology behind her musical instrument development<br />
and improvisational performance work using<br />
eye movements tracking in relationship to current research<br />
in human eye movements and development of<br />
eye tracking systems. She discusses connections between<br />
the playing of the eye tracking instrument and<br />
research on automatic processes and free improvisation<br />
in music. The perspective is from an artist and<br />
programmer of interactive systems for human computer<br />
interaction.“<br />
Penny, Simon u. a.: Traces: embodied immersive<br />
interaction with semi-automous avators. –<br />
S. 47 – 67<br />
Seaman, Bill: Exchange fields: embodied positioning<br />
as interface strategy. – S. 68 – 79<br />
Oosterhuis, Kas: The form of change. – S. 80 –<br />
89<br />
Anders, Peter: Domains of body and mind. –<br />
S. 90 – 102<br />
Jennings, Pamela: The poetics of engagement. –<br />
S. 103 – 112<br />
Kirsh, David: Changing the rules: architecture<br />
and the new Millennium. – S. 113 – 126<br />
Cultural studies<br />
Jg 15 (2001) Nr 2<br />
Doxtader, Erik: Loving history’s fate, perverting<br />
the beautiful soul: scenes of felicity’s potential.<br />
– S. 206 – 221<br />
Gingrich-Philbrook, Craig: Love’s excluded<br />
subjects: staging Irigaray’s heteronormative<br />
essentialism. – S. 222 – 228<br />
573
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
Hamera, Judith: I dance to you: reflections on<br />
Irigaray’s „I love to you“ in pilates and virtuosity.<br />
– S. 229 – 240<br />
Phelan, Peggy; Heathfield, Adrian: Blood<br />
math. – S. 241 – 258<br />
Sterne, Jonathan: A machine to hear for them:<br />
on the veery possibility of sound’s reproduction.<br />
– S. 259 – 294<br />
Howell, Jeremy; Ingham, Alan: From social<br />
problem to personal issue: the language of lifestyle.<br />
– S. 326 – 351<br />
Linder, Fletcher: Speaking of bodies, pleasures,<br />
and paradise lost: erotic agency and situationist<br />
ethnography. – S. 352 – 374<br />
European Journal of Communication<br />
Jg 16 (2001) Nr 2<br />
Carlson, Tom: Gender and political advertising<br />
across cultures: a comparison of male and female<br />
political advertising. – S. 131 – 154<br />
Der Vergleich der Wahlkampfwerbung männlicher<br />
und weiblicher Kandidaten in Finnland und den USA<br />
ergibt: Ungeachtet der erheblichen Unterschiede in<br />
der politischen Repräsentanz von Frauen in den beiden<br />
Gesellschaften lässt sich gleichermaßen feststellen,<br />
dass die <strong>Kommunikations</strong>strategien der Kandidatinnen<br />
denjenigen ihrer männlichen Kollegen gleichen.<br />
„Harte“ Themen und Personeneigenschaften<br />
werden vorzugsweise herausgekehrt. Allerdings<br />
bemühen sich die Kandidatinnen darüber hinaus,<br />
ihrem Image auch „weichere“ Züge zu geben. Der Autor<br />
vermutet darin eine Reflexion auf in beiden Gesellschaften<br />
anhaltend wirksame Geschlechtsstereotype.<br />
Vreese, Claes H. de: Election coverage: new directions<br />
for public broadcasting: The Netherlands<br />
and beyond. – S. 155 – 180<br />
Die Berichterstattung in einem öffentlich-rechtlichen<br />
Fernsehprogramm in den Niederlanden über den nationalen<br />
Wahlkampf 1998 und die Europawahlen 1999<br />
wird mittels Interviews, teilnehmender Beobachtung<br />
und einer vergleichenden Inhaltsanalyse untersucht.<br />
Dabei wird offenbar, dass die Redaktion einen deutlich<br />
selektiveren Zugang zu dem Wahlkampf entwickelt,<br />
der den normalen Kriterien des „Nachrichtenwerts“<br />
folgt. Inhaltlich lassen sich verstärkt analytische<br />
und interpretative Momente in der Berichterstattung<br />
feststellen. Der Aufsatz ordnet diese Befunde<br />
in eine Diskussion des Wandels in der politischen<br />
Kommunikation sowie der Rolle und Selbstdefinition<br />
eines öffentlich-rechtlichen Programms in einem Umfeld<br />
stärkerer Konkurrenz ein.<br />
Hellman, Heikki: Diversity: an end in itself?:<br />
developing a multi-measure methodology of<br />
television programme variety studies. – S. 181 –<br />
208<br />
574<br />
Ausgehend von einer Diskussion der Kategorie „Vielfalt“<br />
entwickelt der Beitrag ein Konzept mit vier parallel<br />
anzusetzenden Maßstäben: Kanalvielfalt (relative<br />
Entropie), Systemvielfalt, Abweichung und Wahlmöglichkeiten.<br />
Die Methode wird in einer Längsschnittstudie<br />
über die Programme des finnischen<br />
Fernsehens getestet.<br />
Carpentier, Nico: Managing audience participation:<br />
the construction of participation in an<br />
audience discussion programme. – S. 209 – 232<br />
Lauf, Edmund: The vanishing young reader:<br />
sociodemographic determinants of newspaper<br />
use as a source of political information in Europe,<br />
1980-1998. – S. 233 – 244<br />
Human Communication Research<br />
Jg 27 (2001) Nr 3<br />
Drake, Laura E.: The culture-negotiation link:<br />
integrative and distributive bargaining through<br />
an intercultural communication lens. – S. 317 –<br />
349<br />
Armstrong, G. Blake; Kaplowitz, Stan A.: Sociolinguistic<br />
inference and intercultural coorientation:<br />
a Bayesian model of communicative<br />
competence in intercultural interaction. – S. 350<br />
– 381<br />
Kim, Min-Sun u. a.: The effect of culture and<br />
self-construals on predispositions toward verbal<br />
communication. – S. 382 – 408<br />
Sherry, John L.: The effects of violent video<br />
games on aggression: a meta-analysis. – S. 409 –<br />
431<br />
Der Autor wendet das Instrument der Metaanalyse<br />
auf eine Reihe von Studien zu dem Thema der gewaltdarstellenden<br />
Computerspiele an und gelangt zu dem<br />
Schluss, dass Auswirkungen von solchen Computerspielen<br />
in dieser Dimension jedenfalls geringer sind als<br />
entsprechende Auswirkungen von gewaltdarstellenden<br />
Fernsehsendungen. Von Bedeutung dabei sind<br />
natürlich auch sowohl die Art der dargestellten Gewalt<br />
als auch die Dauer, während derer sich jemand<br />
damit beschäftigt.<br />
Boon, Susan D.; lomore, Christine D.: Admirer-celebrity<br />
relationships among young<br />
adults: explaining perceptions of celebrity influence<br />
on identity. – S. 432 – 465<br />
Irish Communications Review<br />
(2000) vol. 8<br />
Brennan, Edward: Cultural and structural<br />
change in Irish television drama. – S. 1 – 13
Cassidy, Tanya M.: „Race to the Park“: Simmel,<br />
the stranger and the state. – S. 14 – 20<br />
Harnett, Alison: Escaping the „Evil Avenger“<br />
and the „Supercrip“: images of disability in popular<br />
television. – S. 21 – 29<br />
Horgan, John: Anti-Communism and media<br />
surveillance in Ireland 1948-1950. – S. 30 – 34<br />
Kirk, Eoin: Driving Ireland past the chequered<br />
flag: Jordan Grand Prix, Formula One and national<br />
identity. – S. 35 – 49<br />
Murphy, Colm: The case for Irish Newspapers<br />
entering the interactive digital market. – S. 50 –<br />
56<br />
O’Neill, Brian: Media education in Ireland: an<br />
overview. – S. 57 – 64<br />
Shoemaker, Pamela J.; Breen, Michael; Stamper,<br />
Marjorie: Fear of social isolation: testing an assumption<br />
from the spiral of silence. – S. 65 – 78<br />
Titley, Gavan: Global theory and touristic encounters.<br />
– S. 79 – 87<br />
Journal of Communication<br />
Jg 51 (2001) Nr 2<br />
Warisse Turner, Jeanine; Grube, Jean A.; Meyers,<br />
Jennifer: Developing an optimal match within<br />
online communities: an exploration of<br />
CMC support communities and traditional<br />
support. – S. 231 – 251<br />
Stivers, Tanya: Negotiating who presents the<br />
problem: next speaker selection in pediatric encounters.<br />
– S. 252 – 282<br />
Hoffner, Cynthia u. a.: The third-person-effect<br />
in perceptions of the influence of television violence.<br />
– S. 283 – 299<br />
Krcmar, Marina; Cooke, Mark C.: Children’s<br />
moral reasoning and their perceptions of television<br />
violence. – S. 300 – 316<br />
Domke, David: The press, race relations, and<br />
social change. – S. 317 – 344<br />
Lee, Chin-Chuan u. a.: Through the eyes of<br />
U.S. Media: banging the democracy drum in<br />
Hong Kong. – S. 345 – 365<br />
Kubey, Robert W.; Lavin, Michael J.; Barrows,<br />
John R.: Internet use and collegiate academic<br />
performance decrements: early findings. –<br />
S. 366 – 382<br />
Zeitschriftenlese<br />
Tanner, Elizabeth: Chilean conversations: Internet<br />
forum participants debate Augusto Pinochet’s<br />
detention. – S. 383 – 403<br />
Journal of Communication Inquiry<br />
Jg 25 (2001) Nr 3<br />
Meehan, Eileen R.: Culture: text or artifact or<br />
action?. – S. 208 – 217<br />
Mosco, Vincent; Foster, Derek: Cyberspace<br />
and the end of politics. – S. 218 – 236<br />
Wasko, Janet: Challenging Disney Myths. –<br />
S. 237 – 257<br />
Stabile, Carol A.: Conspiracy or consensus?:<br />
reconsidering the moral panic. – S. 258 – 278<br />
Riordan, Ellen: Commodified agents and empowered<br />
girls: consuming and producing feminism.<br />
– S. 279 – 297<br />
Tracy, James F.: „Smile while I cut your throat“:<br />
mass media, myth, and the contested „harmonization“<br />
of the working class. – S. 298 – 325<br />
Journal of Media Economics<br />
Jg 14 (2001) Nr 2<br />
Kranenburg, Hans L. von: Economic effects of<br />
consolidations of publishers and newspapers in<br />
The Netherlands. – S. 61 – 76<br />
Powers, Angela: Toward monopolistic competition<br />
in U.S. local television news. – S. 77 – 86<br />
Kennet, D. Mark; Uri, Noel D.: Measuring<br />
productivity change for regulatory purposes. –<br />
S. 87 – 104<br />
Sarrina Li, Shu-Chu; Chiang, Chin-Chih: Market<br />
competition and programming diversity: a<br />
study on the TV market in Taiwan. – S. 105 –<br />
120<br />
Journalism & Mass Communication<br />
Quarterly<br />
Jg 77 (2000) Nr 4<br />
Bunker, Matthew D.: Trespassing speakers and<br />
commodified speech: first amendment freedoms<br />
meet private property claims. – S. 713 – 726<br />
Scheufele, Dietram: Talk or conversation?: dimensions<br />
of interpersonal discussion and their<br />
implications for participatory democracy. –<br />
S. 727 – 743<br />
575
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
Moy, Patricia; Scheufele, Dietram: Media<br />
effects on political and social trust. – S. 744 –<br />
759<br />
Metzger, Miriam J.: When no news is good<br />
news: inferring closure for news issues. – S. 760<br />
– 787<br />
White, H. Allen; Dillon, John F.: Knowledge<br />
about other’s reaction to a public service announcement:<br />
the impact of self persuasion and<br />
third-person perception. – S. 788 – 803<br />
Tewksbury, David u. a.: The interaction of<br />
news and advocate frames: manipulating audience<br />
perceptions of a local public policy issue.<br />
– S. 804 – 829<br />
Cho, Hiromi; Lacy, Stephen: International<br />
conflict coverage in Japanese local daily newspapers.<br />
– S. 830 – 845<br />
Kim, Sung Tae; Waever, David; Willnat, Lars:<br />
Media reporting and perceived credibility of<br />
online polls. – S. 846 – 864<br />
Johnson, Thomas J.; Kaye, Barbara K.: Using is<br />
believing: the influence of reliance on the credibility<br />
of online political information among politically<br />
interested Internet users. – S. 865 – 879<br />
Ven-Hweilo; Paddon, Anna; Wu, Hsiaomei:<br />
Front pages of Taiwan daily newspapers 1952-<br />
1996: how ending martial law influenced publication<br />
design. – S. 880 – 897<br />
Hume, Janice: The „forgotten“ 1918 influenza<br />
epidemic and press portrayal of public anxiety.<br />
– S. 898 – 916<br />
Kommunikation & Recht<br />
Jg 4 (2001) Nr 6<br />
Koenig, Christian; Neumann, Andreas: Gemeinsame<br />
Infrastrukturnutzung beim Aufbau<br />
eines UMTS-Netzwerks und das Gebot. –<br />
S. 281 – 288<br />
„Die sechs Unternehmen, denen im August 2000 Lizenzen<br />
zum Betreiben von Übertragungswegen für<br />
Mobilkommunikationsdienstleistungen der dritten<br />
Generation (Universal Mobile Telecommunications<br />
System, UMTS) erteilt wurden, haben nicht nur die<br />
regulatorische Bürde von Lizenzkosten in Höhe von<br />
jeweils ca. 16 Mrd. DM zu tragen. Sie sehen sich auch<br />
mit der Aufgabe konfrontiert, innerhalb kurzer Zeit<br />
ein UMTS-Netzwerk zu errichten. Die hierfür aufzuwendenden<br />
Kosten werden auf weitere 5 bis 10 Mrd.<br />
DM je Lizenznehmer taxiert. Der folgende Beitrag<br />
geht der Frage nach, welche telekommunikationsrechtlichen<br />
Grenzen den UMTS-Lizenznehmern bei<br />
576<br />
dem Bemühen gesetzt sind, die Kosten zumindest in<br />
der Anfangsphase des Netzaufbaus durch die gemeinsame<br />
Nutzung von Teilen der Netzinfrastruktur zu<br />
senken.“<br />
Stock, Martin: EU-<strong>Medien</strong>freiheit: <strong>Kommunikations</strong>grundrecht<br />
oder Unternehmerfreiheit?.<br />
– S. 289 – 301<br />
„Auf deutsche Initiative beschloss der Europäische<br />
Rat 1999 in Köln die Ausarbeitung einer EU-Grundrechtscharta.<br />
Dafür setzte er ein neuartiges, wesentlich<br />
aus Parlamentariern bestehendes Gremium (‚,Konvent‘)<br />
ein und beauftragte es, einen Charta-Entwurf<br />
vorzulegen, welcher an die EMRK und die gemeinsamen<br />
mitgliedstaatlichen Verfassungstraditionen anknüpfen<br />
sollte. Dabei spielte — insbesondere auf<br />
deutscher Seite — auch die Vorstellung eine Rolle, dabei<br />
könnte es sich bereits um den Grundrechtsteil einer<br />
künftigen Europäischen Verfassung handeln. Der<br />
Grundrechtskonvent stellte binnen weniger Monate<br />
einen Entwurf fertig, welcher Kompromisscharakter<br />
hatte und sich als weithin konsensfähig erwies. Hinsichtlich<br />
der allgemeinen <strong>Kommunikations</strong>grundrechte<br />
blieb es darin bei den – mit deutschen verfassungsrechtlichen<br />
Standards verglichen – undifferenzierten<br />
und veralteten Minimalgarantien des Art.10<br />
EMRK. Auf deutsches Drängen nahm der Konvent<br />
auch ein <strong>Medien</strong>grundrecht in seinen Textvorschlag<br />
auf, das in letzter Stunde folgende Fassung erhielt:<br />
„Die Freiheit der <strong>Medien</strong> und ihre Pluralität werden<br />
geachtet“ (Art.11 Abs.2).“ Der Beitrag beschäftigt<br />
sich mit den Gründen und Folgen der Formulierung<br />
im besonderen und dem Geltungsanspruch der Charta<br />
im allgemeinen.<br />
Bornemann, Roland: Cross-Promotion in<br />
Fernsehprogrammen von Senderfamilien. – S.<br />
302 – 309<br />
„Ein Werbetrailer für eine Serie des Fernsehsenders<br />
Kabel 1 auf dem Sender Pro Sieben — der Begriff<br />
Cross-Promotion bezeichnet Bewerbung eines <strong>Medien</strong>produkts<br />
in einem anderen. Und Cross-Promotion<br />
findet sich nicht nur bei den privaten Sendern, sondern<br />
auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, allerdings<br />
mit unterschiedlicher Bewertung. Der nachfolgende<br />
Beitrag beleuchtet in diesem Zusammenhang<br />
vor allem die Problematik, inwieweit solche Trailer zu<br />
den Werbezeitkontingenten gerechnet werden müssen,<br />
wenn beide Sender zur selben ‚Familie‘ gehören.“<br />
Härting, Niko: Der dauerhafte Datenträger. –<br />
S. 310 – 312<br />
Jg 4 (2001) Nr 7<br />
Degenhart, Christoph: Funktionsauftrag und<br />
„dritte Programmsäule“ des öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunks. – S. 329 – 337<br />
„Der öffentlich-rechtliche Rundfunk will verstärkt<br />
online gehen. Beim WDR war zeitweise die Rede davon,<br />
das Internet neben Hörfunk und Fernsehen zu<br />
einer ‚dritten Programmsäule‘ auszubauen. Das Zweite<br />
Deutsche Fernsehen (ZDF) geht eine strategische<br />
Allianz mit T-Online ein, das als der größte Internet-<br />
Zugangsdienst in Deutschland auf den Markt für In-
halte drängt. Derartige Bestrebungen verleihen der<br />
Frage nach einem spezifisch öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunkauftrag neue Aktualität.“<br />
Engels, Stephan: Haftung für Anzeigen in Online-Angeboten.<br />
– S. 338 – 343<br />
„Online-Werbung stellt ein probates Mittel zur Finanzierung<br />
der reichhaltigen Online-Angebote im Internet<br />
dar. Daher prosperiert dieser Wirtschaftszweig,<br />
und inzwischen bilden sich auch rechtliche Rahmenbedingungen<br />
für die Online-Werbung heraus. Ein<br />
Problemfeld bleibt die Haftung für die Werbeinhalte,<br />
das im nachfolgenden Beitrag eingehend aufbereitet<br />
wird.“<br />
Schneider, Christian: Zur Umsetzung der E-<br />
Commerce-Richtlinie im Regierungsentwurf<br />
zur Schuldrechtsmodernisierung. – S. 344 – 348<br />
Cloppenburg, Jürgen: Die Regulierung von Telekommunikations-Satellitensystemen<br />
in den<br />
Vereinigten Staaten und in Deutschland: ein<br />
Vergleich. – S. 349 – 356<br />
„Das Bedürfnis nach mobiler persönlicher Satellitenkommunikation<br />
nimmt mehr und mehr zu. Der<br />
Markt für Telekommunikations-Satellitensysteme<br />
wächst. Die entstehenden Systeme müssen national<br />
und international koordiniert werden. Doch wie erfolgt<br />
die Regulierung in der Praxis? Welche Voraussetzungen<br />
müssen für eine Lizenzvergabe vorliegen?<br />
Der Autor vergleicht die Lizenzierungsverfahren und<br />
deren Voraussetzungen in Deutschland und in den<br />
Vereinigten Staaten. Trotz ähnlicher Ansätze weisen<br />
die Systeme erhebliche Unterschiede auf. Durch die<br />
Schaffung eines ‚public interest‘-Standards, der die<br />
Förderung nationaler politischer Interessen ermöglicht,<br />
haben die Vereinigten Staaten gegenüber<br />
Deutschland und allen anderen Staaten eine so dominierende<br />
Position erlangt, dass man sogar von einer internationalen<br />
Lex Americana sprechen kann.“<br />
Müller, Ulf: Zuteilung nur gegen Gebühr: neue<br />
Anbieter müssen Rufnummern teuer bezahlen.<br />
– S. 357 – 359<br />
Mass Communication & Society<br />
Jg 4 (2001) Nr 2<br />
Banning, Stephen A.: Do you see what I see?:<br />
third-person-effects on public communication<br />
through self-esteem, social stigma, and product<br />
use. – S. 127 – 148<br />
Blanks Hindman, Douglas; Ernst, Stan; Richardson,<br />
Mavis: The rural-urban gap in community<br />
newspaper editors’ use of Information<br />
Technologies. – S. 149 – 164<br />
Meister, Mark: Cultural feeding, good life<br />
science, and the TV food network. – S. 165 –<br />
182<br />
Grimes, Tom; Bergen, Lori: The notion of convergence<br />
as an epistemological base for evaluating<br />
the effect of violent TV programming on<br />
psychologically normal children. – S. 183 – 198<br />
Sun, Tao; Chang, Tsan-Kuo; Yu, Guoming: Social<br />
structure, media system, and audiences in<br />
China: testing the uses and dependency model.<br />
– S. 199 – 218<br />
Gaziano, Cecilie: Toward a broader conceptual<br />
framework for research on social stratification,<br />
childrearing patterns, and media effects. –<br />
S. 219 – 244<br />
Media Asia<br />
Jg 28 (2001) Nr 1<br />
Vittal, N.: Digital democracy: vision for<br />
the 21st century: an agenda for action. – S. 3 – 8<br />
Der Artikel versucht – am Beispiel Indien – zu erläutern,<br />
wie die Informationstechnologie zu einer besseren<br />
Demokratie und Regierungsarbeit beitragen kann.<br />
Der Autor legt einen Fünf-Punkte-Plan vor, der die<br />
Einführung der „e-governance“ erleichtern soll.<br />
Anil, Samtani: Electronic commerce law in<br />
Asia: legal, regulatory and policy issues. – S. 9 –<br />
16<br />
Iyer, Venkat: Freedom of Information: principles<br />
for legislation. – S. 17 – 22<br />
Loo, Eric: Journalism-Training: are you a<br />
coach or a player?. – S. 23 – 31<br />
Hawthorne, Elizabeth M.: Technology and<br />
teaching: why change?. – S. 32 – 36<br />
Media, Culture & Society<br />
Jg 23 (2001) Nr 3<br />
Zeitschriftenlese<br />
Miles Holden, Todd Joseph: The Malaysian dilemma:<br />
advertising’s catalytic and cataclysmic<br />
role in social development. – S. 275 – 298<br />
Der Artikel stellt eine Studie vor, die sich mit Fernsehwerbespots<br />
in Malaysia und ihrer Rolle im Rahmen<br />
ethnischer Harmonisierung, nationaler Identitätsbildung<br />
und politischer Ideologie befasste. Die<br />
malaysische Regierung kontrolliert die Ausstrahlung<br />
von Werbung, um die sozial schwierige, multiethnische<br />
Situation zu steuern. Als eine Schlussfolgerung<br />
aus der Analyse von 250 Fernsehwerbespots im Jahre<br />
1997 wird angeführt, dass sich durch die ideologische<br />
Dominanz der malaysischen Regierung nur eine geringe<br />
semiotische Kompetenz in der Zuschauerschaft<br />
entwickeln konnte. Dies werde sich aber ändern, da<br />
sich die Vielfalt der Semiotik durch eine steigende An-<br />
577
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
zahl externer Quellen – im Rahmen des Globalisierungsprozesses<br />
– erhöht und daher sukzessive die bisherige<br />
Kontrolle in Frage gestellt werde.<br />
Law, Alex: Near and far: banal national identity<br />
and the press in Scotland. – S. 299 – 318<br />
Syvertsen, Trine: Ordinary people in extraordinary<br />
circumstances: a study of participants in<br />
television dating games. – S. 319 – 338<br />
Ahlkvist, Jarl A.: Programming philosophies<br />
and the rationalization of music radio. – S. 339<br />
– 358<br />
Kwansah-Aidoo, Kwamena: Telling stories:<br />
the epistemological value of anecdotes in Ghanaian<br />
communication research. – S. 359 – 380<br />
Ausgehend von der Feststellung, dass bisher übliche<br />
Methoden der soziologischen Forschung in Ghana,<br />
die z.B. aus der europäischen oder amerikanischen<br />
Forschungstradition übernommen wurden, sich als<br />
ungenügend erwiesen haben, um bestimmte Aspekte<br />
der afrikanischen Gesellschaft und Kultur zu erfassen,<br />
stellt der Autor eine Methode vor, die entsprechendes<br />
leisten kann – das „Geschichten (oder Anekdoten-)<br />
Erzählen“. Der Artikel präsentiert sowohl den theoretischen<br />
Hintergrund zur Entwicklung dieser Methode<br />
als auch ihre Anwendung in Gruppendiskussionen<br />
zur Darstellung und Rezeption des Themas Umweltschutz<br />
in den ghanaischen <strong>Medien</strong>. Die Gründe<br />
für die „Mangelhaftigkeit“ der „klassischen“ Methoden<br />
sind z.B. die starke Orientierung an der sozialen<br />
Gruppe, die die ghanaische Gesellschaft auszeichnet,<br />
sowie die übliche Zurückhaltung der Ghanaer, Fremden<br />
– also auch Forschern – im Gespräch persönliche<br />
Informationen zu vermitteln. Die Vorteile der Analyse<br />
von Anekdoten bzw. Geschichten bestehen innerhalb<br />
der vorgestellten Untersuchung u. a. darin, dass<br />
diese Art der Kommunikation der alltäglichen Art<br />
und Weise zu kommunizieren entspricht und so die<br />
erforderlichen Informationen erhoben werden können.<br />
Allgemein geben Anekdoten und Geschichten,<br />
die in alltäglicher Kommunikation erzählt werden,<br />
angesichts ihres informellen und subjektiven Charakters<br />
implizit die Ideen, Werte und Vorstellungen der<br />
Befragten wieder. Damit erscheint diese Methode<br />
auch für die soziologische und/oder <strong>Medien</strong>forschung<br />
in anderen Ländern als lohnende Ergänzung.<br />
Media lex<br />
(2001) Nr 2<br />
Pugatsch, Sigmund: Lovely cow: neue Anpreisungspraxis<br />
im Lebensmittelrecht?. – S. 59 – 60<br />
Masmejan, Denis: Affaire Grégory: la responsabilité<br />
de la justice. – S. 61 – 62<br />
Dillenz, Walter: Elektronische <strong>Medien</strong>: Entwicklungsschub<br />
in Österreich. – S. 64 – 65<br />
Jongen, Francois: Belgique: remous dans la publicité<br />
télévisée. – S. 66 – 67<br />
578<br />
Mettraux Kauthen, Catherine: La directive de<br />
l’UE sur le droit d’auteur dans la société de l’information.<br />
– S. 68 – 69<br />
Rieder, Pierre: Braucht die SRG einen Beirat?:<br />
die inhaltliche Überprüfung des Service Public<br />
beim Rundfunk. – S. 71 – 80<br />
Poncet, Charles: La répression du négationnisme<br />
sous l’angle de l’art. 10 CEDH. – S. 81 – 90<br />
Gubler, Bettina: Elektronische Pressespiegel:<br />
Grenzen des Eigengebrauchs. – S. 91 – 98<br />
Media Perspektiven<br />
(2001) Nr 5<br />
Darschin, Wolfgang; Zubayr, Camille: Die Informationsqualität<br />
der Fernsehnachrichten aus<br />
Zuschauersicht: Ergebnisse einer Repräsentativbefragung<br />
zur Bewertung der Fernsehprogramme.<br />
– S. 238 – 246<br />
„Nach den Ergebnissen der GfK Fernsehforschung<br />
hat der Nachrichtenkonsum der Bundesbürger in den<br />
letzten Jahren wieder zugenommen. Dieser Anstieg<br />
geht jedoch nicht von den Privatsendern aus, sondern<br />
von den öffentlich-rechtlichen Programmen: rund 76<br />
Prozent vom gesamten Nachrichtenkonsum der Bundesbürger<br />
stammten jedenfalls im Jahr 2000 aus dem<br />
Ersten, dem ZDF, den Dritten Programmen oder 3sat.<br />
Außerdem gelten Das Erste und das ZDF bei den<br />
deutschen Fernsehzuschauern unverändert als die<br />
Sender mit den besten Nachrichten. Dies geht aus den<br />
Ergebnissen einer Wiederholungsstudie zur Bewertung<br />
der Fernsehsender hervor. Nach den Ergebnissen<br />
dieser Repräsentativbefragung mit 4000 Interviews,<br />
die von Infratest/München im Winter 2000<br />
durchgeführt wurde, liegt der Hauptgrund für die<br />
große Wertschätzung der öffentlich-rechtlichen<br />
Nachrichten nach wie vor in dem Vertrauen der Fernsehzuschauer,<br />
bei ‚Tagesschau‘ und ‚heute‘ vollständiger,<br />
verlässlicher und mit größerer Sachkompetenz informiert<br />
zu werden …“<br />
Gerhards, Maria; Grajczyk, Andreas; Klingler,<br />
Walter: Programmangebote und Spartennutzung<br />
im Fernsehen 2000: eine Analyse auf Basis<br />
der GfK-Sendungscodierung. – S. 247 – 257<br />
Rott, Armin; Schmitt, Stefan: Wirkungen von<br />
Programmereignissen auf die Zuschauernachfrage:<br />
eine empirische Analyse am Beispiel von<br />
„Wetten, dass …?“. – S. 258 – 263<br />
Turecek, Oliver; Grajczyk, Andreas; Roters,<br />
Gunnar: Videobranche im Umbruch: Videound<br />
DVD-Markt im Jahr 2000. – S. 264 – 271
(2001) Nr 6<br />
Ridder, Christa-Maria; Hofsümmer, Karl-<br />
Heinz: Werbung in Deutschland: auch 2001 akzeptiert<br />
und anerkannt: Ergebnisse der zweiten<br />
Welle einer Repräsentativerhebung. – S. 282 –<br />
289<br />
Engländer, Julia: Der Werbemarkt 2000: Fernsehwerbung<br />
mit höchster Wachstumsrate. –<br />
S. 290 – 297<br />
Zimmer, Jochen: Werbeträger Internet: Ende<br />
des Booms oder Wachstum aus der Nische?:<br />
der Online-Werbemarkt in Deutschland. –<br />
S. 298 – 305<br />
Trappel, Josef: Fernsehen in Österreich und der<br />
Schweiz: wenig Licht im deutschen Marktschatten:<br />
Strukturprobleme dämpfen Expansionserwartungen.<br />
– S. 306 – 314<br />
(2001) Nr 7<br />
Krüger, Udo Michael; Zapf-Schramm, Thomas:<br />
Die Boulevardisierungskluft im deutschen<br />
Fernsehen: Programmanalyse 2000: ARD,<br />
ZDF, RTL, Sat.1 und ProSieben im Vergleich.<br />
– S. 326 – 344<br />
Feierabend, Sabine; Klingler, Walter: Kinder<br />
und <strong>Medien</strong> 2000: PC/Internet gewinnen an<br />
Bedeutung. – S. 345 – 357<br />
„Computer und Internet ziehen immer stärker in den<br />
Alltag der Kinder ein. Zwar dominieren bei den Sechsbis<br />
13Jährigen in der Freizeit nach wie vor Freunde,<br />
spielen, fernsehen und Tonträger, gleichzeitig steigt<br />
aber die Bedeutung von Computer und Internet.<br />
Doppelt so viele Kinder (16%) wie 1999 (8%) geben<br />
an, sich nahezu täglich mit dem Computer zu beschäftigen,<br />
weitere 29 Prozent nutzen den Computer<br />
ein- bis mehrmals pro Woche (1999: 26%). 60 Prozent<br />
der Kinder erklären, zumindest selten in ihrer Freizeit<br />
Computer zu nutzen (1999: 51%). Entsprechend ist in<br />
Haushalten, in denen Kinder leben, die Ausstattung<br />
mit Computern von Frühjahr 1999 bis Ende 2000 um<br />
10 Prozentpunkte angestiegen, die Internetausstattung<br />
gar um 19 Prozentpunkte …“.<br />
Hultén, Olof; Gröndahl, Aulis: Öffentlicher<br />
Rundfunk und Internet in den nordischen Ländern:<br />
Dänemark, Finnland, Norwegen und<br />
Schweden. – S. 358 – 368<br />
„Das Internet hat sich in den nordischen Ländern sehr<br />
rasch verbreitet, der Anteil der Haushalte mit Internetanschluss<br />
ist hier höher als irgendwo sonst in der<br />
Welt. ... Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten<br />
in der Region verfolgen recht unterschiedliche<br />
Onlinestrategien, teilweise bedingt durch politische<br />
Vorgaben. Während NRK in Norwegen und TV2 in<br />
Dänemark auch kommerzielle Inhalte einschließlich<br />
Werbung anbieten, sind Danmarks Radio, dem zwei-<br />
Zeitschriftenlese<br />
ten dänischen öffentlich-rechtlichen Sender, sowie<br />
SVT und SR in Schweden die Mitfinanzierung ihrer<br />
Webauftritte über Werbung untersagt worden. YLE<br />
in Finnland hält sich in dieser Beziehung ebenfalls<br />
zurück …“<br />
Stipp, Horst: Der Konsument und die Zukunft<br />
des interaktiven Fernsehens: neue Daten und<br />
Erfahrungen aus den USA. – S. 369 – 377<br />
Media psychology<br />
Jg 3 (2001) Nr 2<br />
Chang, Chingching: The impacts of emotion<br />
elicited by print political adverstising on candidate<br />
evaluation. – S. 91 – 118<br />
Mendelson, Andrew: Effects of novelty in news<br />
photographs on attention and memory. – S. 119<br />
– 158<br />
Scharrer, Erica: Men, muscles, and machismo:<br />
the relationship between television violence exposure<br />
and aggression and hostility in the presence<br />
of hypermasculinity. – S. 159 – 188<br />
Pechmann, Cornelia: A comparison of health<br />
communication models: risk learning versus<br />
stereotype priming. – S. 189 – 210<br />
medien + erziehung<br />
Jg 45 (2001) Nr 3<br />
Zacharias, Wolfgang: Alles ist ästhetisch, irgendwie<br />
und sowieso: Plädoyer für die Bedeutung<br />
der ästhetischen Dimension der <strong>Medien</strong>. –<br />
S. 147 – 156<br />
„<strong>Medien</strong>kompetenz ist Teil der ästhetisch-kulturellen<br />
Kompetenz, die als Bildungsziel verankert sein muss.<br />
<strong>Medien</strong>pädagogik als integrierter Bestandteil eines<br />
Bildungskonzepts übernimmt die Aufgabe von kultureller<br />
<strong>Medien</strong>bildung.“<br />
Stracke, Christian: Der Computer ist kein<br />
Nürnberger Trichter: didaktische Kriterien für<br />
Lernsoftware für Kinder. – S. 157 – 160<br />
Interaktivität und die den Lernprogrammen zugrundliegende<br />
implizite Lerntheorie werden von dem Autor<br />
als die beiden wesentlichen Kriterien zur Beurteilung<br />
von Lern-Softwareangeboten für Kinder herausgestellt.<br />
Hingegen spielt die ästhetische Gestaltung der<br />
Angebote lediglich eine untergeordnete Rolle.<br />
Marzok, Eva-Maria: Auf der Suche nach Qualität<br />
im Kinderfernsehen: entsprechende Kriterien<br />
sind jedoch schwierig zu definieren. – S.<br />
161 – 165<br />
Neben Verständlichkeit, vielschichtigen Charakteren,<br />
Alltagsbezug zeichnet sich ein qualitativ hochwertiges<br />
Programmangebot für Kinder der Autorin zufolge<br />
579
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
vor allem durch Vielfalt und ein ausgewogenes Verhältnis<br />
von Unterhaltung und Information aus.<br />
Gelberg, Hans-Joachim: Wenn Bilder und Bilderbücher<br />
zum Erlebnis werden: eine kleine<br />
Schule des Sehens. – S. 166 – 171<br />
„Ein Bild ist nicht ein Bild; es entsteht und verfertigt<br />
sich während der Betrachtung. Für die ästhetische<br />
Ausbildung der Kinder ist es unabdingbar, dass sie eigene<br />
Bilder finden, um so schließlich die Welt begreifen<br />
zu lernen.“<br />
Eppensteiner, Barbara: Österreichische Besonderheiten:<br />
Versuch einer medienpädagogischen<br />
Standortbestimmung. – S. 188 – 192<br />
<strong>Medien</strong> & Zeit<br />
Jg 16 (2001) Nr 2<br />
Pensold, Wolfgang: Krieg und Kamera: Skizzen<br />
zum NS-Kriegsfilm. – S. 4 – 21<br />
Caneppele, Paolo: Beschnittene Schaulust: Entstehung<br />
und Entwicklung der Filmzensur in<br />
Österreich: ein Abriß 1900-1938. – S. 22 – 34<br />
Würtinger, Katharina: Vom Kinematographen<br />
bis zu den „Anfängen“ Hollywoods. – S. 35 –<br />
47<br />
Walitsch, Herwig: Multiplicato imaginorum:<br />
Bildmedien nach 1800. – S. 48 – 67<br />
<strong>Medien</strong> Journal<br />
Jg 25 (2001) Nr 1-2<br />
Hofer, Michael: Die Ökonomisierung der<br />
österreichischen <strong>Medien</strong>landschaft. – S. 3 – 13<br />
„… .Zur Ökonomisierung werden vom Verfasser unter<br />
den Stichworten Globalisierung, Konzentration,<br />
Digitalisierung und Konvergenz grundlegende Überlegungen<br />
in Bezug auf die österreichische <strong>Medien</strong>landschaft<br />
angestellt.“<br />
Altmeppen, Klaus-Dieter: Ökonomisierung<br />
und <strong>Medien</strong>unternehmen. – S. 14 – 20<br />
»Der Beitrag illustriert die Aussagen des Projektmoduls<br />
‚Ökonomisierung‘ mit aktuellen journalistischen<br />
Entwicklungen und ergänzt sie v. a. um die Perspektive<br />
der <strong>Medien</strong>unternehmen. Letztere “entlarvt” er als<br />
tragende Akteure der Kommerzialisierung und diskutiert<br />
die unternehmensinternen Ökonomisierungsprozesse.“<br />
Meier, Werner A.: Kommerzialisierung als Megatrend:<br />
von der Produktorientierung zur Marketingperspektive.<br />
– S. 21 – 25<br />
Neissl, Julia; Renger, Rudi: Zwischen Sein und<br />
Schein: populärjournalistische Tendenzen in<br />
Österreichs <strong>Medien</strong>. – S. 26 – 37<br />
580<br />
Hummel, Roman: Mut zur Lücke: Empfehlungen<br />
für eine umfassende Journalismusforschung.<br />
– S. 38 – 44<br />
„Für die Verpflichtung zu einer umfassenden und<br />
über normative Ansätze hinausgehenden Kommunikator-<br />
bzw. – spezifischer – Journalismusforschung<br />
tritt der Verfasser in seinem Beitrag ein. Dabei diagnostiziert<br />
er zwei ‚journalistische Lebensstile‘, in<br />
welchen sich eine eher funktionsorientierte und eine<br />
eher unternehmensorientierte Operationalisierung<br />
der Nachrichtenfaktoren manifestieren würden.“<br />
Haas, Hannes: Kontexte des Populären Journalismus:<br />
Wandelphänomene und <strong>Medien</strong>reaktionen.<br />
– S. 45 – 49<br />
„Der Verfasser widerspricht … jeder analytischen<br />
Trennung in einen Informations- und Unterhaltungsjournalismus,<br />
denn Journalismus sei per se ein Verfahren,<br />
das mittels bestimmter Techniken komplexe<br />
Inhalte popularisiere, d.h. nutzerInnenfreundlich aufbereite.<br />
Zentral wirkt sich seiner Meinung nach aber<br />
die von den <strong>Medien</strong>unternehmen verfolgte ‚Ökonomie<br />
der Aufmerksamkeit‘ aus, die kompetitiv dramatisierte<br />
News einsetzen, um ihr ‚Kapital‘ an Publikumsbeachtung<br />
zu sichern und maximieren zu können.“<br />
Siegert, Gabriele: Wir über uns: zur Selbstthematisierung<br />
der <strong>Medien</strong>. – S. 50 – 59<br />
Rössler, Patrick: Wer thematisiert wen: und<br />
warum?. – S. 60 – 72<br />
Hohlfeld, Ralf: Im toten Winkel der <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>.<br />
– S. 73 – 82<br />
medien praktisch<br />
Jg 25 (2001) Nr 3<br />
Fuchs, Max; Fuchs, Simon: Kulturraum Internet:<br />
Herausforderung für Forschung und <strong>Medien</strong>pädagogik.<br />
– S. 4 – 8<br />
Die Herausforderung für die <strong>Medien</strong>forschung und -<br />
pädagogik und damit gleichzeitig die Aufgabe und das<br />
Ziel von <strong>Medien</strong>kompetenz und <strong>Medien</strong>bildung sehen<br />
die Autoren vor allem in der kritischen Analyse<br />
der politischen, ökonomischen und kulturellen Strukturen<br />
und Machtpotentiale des Internets und der Reflexion<br />
potentieller Wirkungen.<br />
Maset, Pierangelo: NetzKunst vs. Kunst im<br />
Netz: die Kunst im Spannungsfeld der neuen<br />
Technologien. – S. 9 – 12<br />
Röll, Franz Josef: Zur Ästhetik des Internets:<br />
Wahrnehmungsdispositive eines neuen Mediums.<br />
– S. 13 – 17<br />
Fleischmann, Monika; Strauss, Wolfgang:<br />
Awareness!: zur Metapher der Navigation im<br />
Zeitalter digitaler Interaktivität. – S. 18 – 21
Der Begriff „Awareness“ wird in der Informationstechnik<br />
mit Wahrnehmung von Aktivität im Zusammenhang<br />
mit Telepräsenz verbunden. „Es geht um die<br />
Entwicklung und Wahrnehmung des elektronischen<br />
Doppelgängers, seiner Spuren im Netz und der Auswirkung<br />
der Netzaktivität auf den realen Raum.“<br />
(S. 19). Wie der Awareness-Gedanke künstlerisch umgesetzt<br />
wird, beschreiben die Autoren am Beispiel von<br />
verschiedenen <strong>Medien</strong>installationsprojekten.<br />
Hoffmann, Bernward: Munition für <strong>Medien</strong>kunst:<br />
das <strong>Medien</strong>museum im ZMK, Zentrum<br />
für Kunst und <strong>Medien</strong>technologie Karlsruhe. –<br />
S. 22 – 25<br />
Thiedeke, Udo: Das ist alles so schön bunt hier:<br />
Notwendigkeit und Entfaltung kreativer <strong>Medien</strong>kompetenz.<br />
– S. 26 – 28<br />
Die vielfältigen Möglichkeiten insbesondere neuer<br />
<strong>Medien</strong> erfordert eine „sozio-technische <strong>Medien</strong>kompetenz“<br />
der Nutzer, d. h. einerseits die Fähigkeit zur<br />
Handhabung neuer Technologien und andererseits<br />
die Fähigkeit, sich bspw. in virtuellen Räumen oder<br />
Gesellschaften bewegen zu können. Der Erwerb dieser<br />
als „kreative <strong>Medien</strong>kompetenz“ bezeichneten<br />
Qualifikation gelingt dem Autor zufolge vor allem<br />
über anwendungsorientierte Projekte, die sich aus Reflexion,<br />
Wissensaneignung und Projektarbeit zusammensetzen.<br />
Stang, Richard: <strong>Medien</strong>Kunst / Kunst <strong>Medien</strong>:<br />
eine Exkursion durch ausgewählte Literatur,<br />
CD-Roms und das Internet. – S. 29 – 30<br />
Feist, Udo: Ins Netz gegangen: art.net.dortmund.de.<br />
– S. 31 – 34<br />
Wulff, Hans J.: Klone im Spielfilm: Geschichten<br />
und Motive der Menschenverdoppelung,<br />
Teil 1. – S. 47 – 52<br />
Vollbrecht, Ralf: „Computer, zum Diktat!“:<br />
automatische Spracherkennung vor dem<br />
Durchbruch?. – S. 53 – 54<br />
Hausmanninger, Thomas: Angriff der Kontrolleure,<br />
Teil 2: Wege zu Ethiken für das Internet.<br />
– S. 55 – 58<br />
Spetsmann-Kunkel, Martin: Daily Talkshows:<br />
zu den Motiven von Teilnehmern und Zuschauern.<br />
– S. 58 – 61<br />
<strong>Medien</strong>impulse<br />
(2001) Nr 36<br />
Tulodziecki, Gerhard: <strong>Medien</strong>kompetenz als<br />
Ziel schulischer <strong>Medien</strong>pädagogik. – S. 4 – 11<br />
Schorb, Bernd: <strong>Medien</strong> oder Kommunikation:<br />
wofür soll sich Kompetenz entfalten?. – S. 12 –<br />
16<br />
Zeitschriftenlese<br />
Ribolits, Erich: Neue <strong>Medien</strong> und das Bildungsideal<br />
(politischer) Mündigkeit. – S. 17 – 21<br />
Filzmaier, Peter: <strong>Medien</strong>kompetenz und neue<br />
<strong>Medien</strong>. – S. 21 – 25<br />
Schachtner, Christina: Lernziel Identität: <strong>Medien</strong>kompetenz<br />
als Identitätskompetenz. –<br />
S. 25 – 33<br />
Plasser, Fritz: Wie glaubwürdig sind die Massenmedien?.<br />
– S. 33 – 36<br />
Krainer, Larissa: Die Verantwortung des Publikums:<br />
Anmerkungen zur Frage des Erwerbs<br />
jugendlicher <strong>Medien</strong>kompetenz aus ethischem<br />
Blickwinkel anhand des österreichischen<br />
Grundsatzerlass „<strong>Medien</strong>erziehung“. – S. 37 –<br />
40<br />
Moritz, Peter: <strong>Medien</strong>kompetenz als Schlüsselqualifikation.<br />
– S. 41 – 44<br />
Schubert, Frank: Erst, wenn es konkret wird,<br />
ist es wirklich schwierig. – S. 44 – 58<br />
Kleedorfer, Jutta: Gesucht: <strong>Medien</strong>kompetenz<br />
– gefunden beim Lesen: die besondere Bedeutung<br />
des Lesens für eine multimediale Gesellschaft.<br />
– S. 59 – 65<br />
Eppensteiner, Barbara: Orte des Eigen-Sinns:<br />
zur Vermittlung von <strong>Medien</strong>kompetenz in der<br />
außerschulischen Jugendarbeit. – S. 66 – 67<br />
Buchegger, Barbara: Die „Neue <strong>Medien</strong>-Generation“:<br />
wie erlangt sie die technische <strong>Medien</strong>kompetenz?.<br />
– S. 68 – 71<br />
Multimedia und Recht<br />
Jg 4 (2001) Nr 5<br />
Klindt, Thomas: Privater Eigenimport „unsicherer“<br />
Produkte via Internet: eine Betrachtung<br />
aus geräte- und produktsicherheitsrechtlicher<br />
Sicht. – S. 275 – 277<br />
Hartung, Stephanie G.; Hartmann, Alexander:<br />
„Wer bietet mehr?“: Rechtssicherheit des Vertragsschlusses<br />
bei Internetauktionen. – S. 278 –<br />
285<br />
Bottenschein, Florian: Namensschutz bei Streitigkeiten<br />
um Internet-Domains. – S. 286 – 291<br />
Libertus, Michael: Das britische Whitepaper<br />
„A new future for communications“: Inhalte<br />
und Implikationen für die Regulierung elektronischer<br />
Kommunikation. – S. 292 – 297<br />
581
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
„Mit dem am 12.12.2000 vorgelegten Whitepaper ,A<br />
New Future for Communications‘ hat die britische<br />
Regierung Perspektiven für die zukünftige Gestaltung<br />
des Regulierungsrahmens für den Bereich elektronischer<br />
Kommunikation aufgezeigt, die dem Phänomen<br />
der Konvergenz vor allem durch die Schaffung einer<br />
einheitlichen Regulierungsbehörde OFCOM Rechnung<br />
tragen soll. Der Beitrag stellt die wichtigsten<br />
Grundaussagen des Whitepaper unter Einbeziehung<br />
der Diskussionen in Deutschland, in anderen europäischen<br />
Ländern sowie auf der Ebene der EU vor.“<br />
Schuster, Fabian: EBC, Flatrate, T-DSL, TAL:<br />
quo vadis, Entgeltregulierung?. – S. 298 – 304<br />
Der Beitrag beleuchtet die Konsequenzen einer Eilentscheidung<br />
des VG Köln, durch die auf Antrag der<br />
DTAG die Vollziehbarkeit der sog. Element-Based-<br />
Charging-Anordnung der Reg TP v. 8.9.2000 aufgehoben<br />
worden ist. Der Verfasser geht insbesondere<br />
der Frage nach, ob die DTAG ihre Leistungen ohne<br />
Anspruch auf Entgelte erbringen muss, wenn sie es<br />
versäumt, einen entsprechenden Entgeltantrag zu stellen.<br />
Jg 4 (2001) Nr 6<br />
Holznagel, Bernd; Kussel, Stephanie: Möglichkeiten<br />
und Risiken bei der Bekämpfung rechtsradikaler<br />
Inhalte im Internet. – S. 347 – 351<br />
„Die Zahl rechtsradikaler Angebote im Internet ist in<br />
jüngster Zeit stark gestiegen. Da die Urheber meist aus<br />
dem anglo-amerikanischen Ausland agieren, sind sie<br />
für die deutschen Strafverfolgungsbehörden nur<br />
schwer greifbar. Das herkömmliche Sanktionsinstrumentarium<br />
des Staates läuft somit weitgehend leer.<br />
Um dem Problem des Rechtsradikalismus im Internet<br />
dennoch Herr zu werden, bedarf es folglich neuer, an<br />
die Bedürfnisse der Informationsgesellschaft angepasster<br />
Lösungsansätze. Hierzu zählt u.a. eine verstärkte<br />
Förderung selbstregulativer Elemente sowie der technische<br />
Selbstschutz durch die Internetnutzer. Der<br />
vorliegende Beitrag unterwirft die verschiedenen<br />
Möglichkeiten zur Bekämpfung des Internetrechtsradikalismus<br />
einer kritischen Bestandsaufnahme, weist<br />
auf Defizite hin und gibt Anregungen für eine effektive<br />
Aus- und Neugestaltung des zur Verfügung stehenden<br />
Handlungsinstrumentariums.“<br />
Heine, Robert; Neun, Andreas: Konkurrentenklagen<br />
im Telekommunikationsrecht: die gerichtliche<br />
Kontrolle von Entscheidungen der<br />
Reg TP. – S. 352 – 360<br />
„Im Bereich des Telekommunikations-(TK-)Rechts<br />
verwaltet der Staat insbesondere mit den Mobilfunklizenzen<br />
ein knappes Gut: Die nur in beschränktem<br />
Umfang zur Verfügung stehenden Frequenzen müssen<br />
unter mehreren privaten Wettbewerbern aufgeteilt<br />
werden; oftmals kann dabei nicht jeder Interessent<br />
berücksichtigt werden. Der Staat muss dann die<br />
Rolle eines Konfliktschlichters übernehmen und die<br />
unterschiedlichen Interessen in sachgerechter Weise<br />
ausgleichen. […] In Anbetracht der großen wirtschaftlichen<br />
Bedeutung der Lizenzen sowie der Komplexität<br />
der Materie werden sich dabei unterlegene<br />
Konkurrenten mit einer behördlichen Entscheidung<br />
oftmals nicht zufrieden geben und ihr Recht im Wege<br />
582<br />
der Konkurrentenklage vor den Gerichten suchen.<br />
Den damit im Zusammenhang stehenden Fragestellungen<br />
widmet sich der folgende Beitrag.“<br />
Lee, Won Ho: Die Regulierung des Telekommunikationsmarkt<br />
in Korea. – S. 361 – 367<br />
„Korea zählt heute zu den weltweit führenden Telekommunikations-(TK-)Märkten.[…]<br />
Die Entwicklung<br />
der TK-Infrastruktur in Korea kann als Modellfall<br />
stellvertretend für viele andere Entwicklungs- und<br />
Schwellenländer herangezogen werden. […] Gegenstand<br />
dieser Erörterung ist die Regulierung des koreanischen<br />
TK-Markts unter besonderer Berücksichtigung<br />
kartell- und wettbewerbsrechtlicher Gesichtspunkte.<br />
Nach einem kurzen Überblick über den Regulierungsapparat<br />
und die Hauptfiguren auf dem<br />
TK-Markt sowie über den geschichtlichen Hintergrund<br />
der Telekommunikation in Korea wird sich diese<br />
Abhandlung mit den wichtigsten koreanischen TK-<br />
Vorschriften befassen. Besonderes Augenmerk wird<br />
dabei der Regulierung des Marktzugangs für Investoren<br />
aus dem Ausland geschenkt. Darauf folgt eine<br />
Analyse der Vorschriften des Kartell- und Wettbewerbsgesetzes<br />
und ihrer Auswirkungen auf den Wettbewerb<br />
auf dem koreanischen TK-Markt.“<br />
Ernst, Stefan: Internetadressen: Stand der<br />
Rechtsprechung. – S. 368 – 374<br />
Jg 4 (2001) Nr 7<br />
Oertel, Klaus: Elektronische Form und notarielle<br />
Aufgaben im elektronischen Rechtsverkehr.<br />
– S. 419 – 422<br />
Pautsch, Arne: Die beihilferechtliche Relevanz<br />
der UMTS-Vergabe im Ausschreibungsverfahren.<br />
– S. 423 – 428<br />
Burgi, Martin; Brauner, Roman J.: Die Infrastrukturgesellschaft<br />
im Anwendungsbereich<br />
des § 50 TKG. – S. 429 – 435<br />
Schalast, Clemens; Schalast, Christoph: Das<br />
Recht der Kabelweitersendung von Rundfunkprogrammen:<br />
aktuelle Fragen bei der Umsetzung<br />
von § 20b UrhG. – S. 436 – 441<br />
„Mit dem 4. UrhGÄndG v. 8.5.1998 wurde in § 20b<br />
UrhG erstmals gesetzlich die sog. „Kabelweitersendung“<br />
[…] als besonderes Verwertungsrecht des Urhebers<br />
an Rundfunksendungen erwähnt. Damit stellt<br />
sich die Frage, ob die Betreiber von Breitbandkabelverteilanlagen,<br />
d. h. Fernsehkabelanlagen, verpflichtet<br />
sind, eine „eigene“ Urheberrechtsgebühr zu zahlen.<br />
Die Verwertungsgesellschaften haben die Gesetzesänderung<br />
unter Führung der GEMA zum Anlass genommen,<br />
von den Betreibern einer Gemeinschaftsantennen-<br />
oder einer Kabelnetzanlage erstmals eine Gebühr<br />
zu verlangen, soweit die Anlage terrestrisch<br />
empfangbare Rundfunkprogramme über eine eigene<br />
Empfangseinrichtung (Kopfstelle) einspeist und mehr<br />
als 75 Wohneinheiten mit Rundfunksignalen versorgt.<br />
[…] Der […] Beitrag konzentriert sich […] auf die Kabeleinspeisung<br />
im Kontext von Wohnanlagen und
zeigt einen Ansatz zur Bestimmung des Anwendungsbereichs<br />
von § 20b UrhG auf.”<br />
Multimedia und Recht, Beilage<br />
Jg 4 (2001) Nr 6<br />
Lüdicke, Jochen; Arndt, Jan-Holger: Der neue<br />
<strong>Medien</strong>erlass: Anmerkungen aus der Beratungspraxis.<br />
– S. 1 – 20<br />
Jg 4 (2001) Nr 7<br />
Schuster, Fabian; Müller, Ulf: Entwicklung des<br />
Internet- und Multimediarechts von Juli 2000<br />
bis März 2001. – S. 1 – 40<br />
New media & society<br />
Jg 3 (2001) Nr 2<br />
Lieshout, M. J. van: Configuring the digital city<br />
of Amsterdam: social learning in experimentation.<br />
– S. 131 – 156<br />
Auf der Basis der Theorie der reflexiven Modernisierung<br />
von Beck und Giddens wird hier Prozessen sozialen<br />
Lernens und damit der sozialen Bedeutung von<br />
Technik anhand der „digitalen Stadt Amsterdam“<br />
nachgegangen.<br />
Dahlberg, Lincoln: Democracy via cyberspace:<br />
mapping the rhetorics and practices of three<br />
prominent camps. – S. 157 – 178<br />
Der Autor befasst sich mit dem Zusammenhang von<br />
Demokratiekonzepten und den Erwartungen, die sich<br />
in der jeweiligen Perspektive mit dem Internet verknüpfen;<br />
dabei unterscheidet er zwischen individualistischer,<br />
kommunitaristischer und deliberativer Demokratie.<br />
Bull, Michael: The world according to sound:<br />
investigating the world of Walkman users. –<br />
S. 179 – 198<br />
Das von der Forschung sonst weitgehend vernachlässigte<br />
Medium Walkman wird hier als Alltagsbegleiter<br />
Jugendlicher wahrgenommen und untersucht. Es<br />
zeigt sich, dass das Medium dazu dient, Wahrnehmungen,<br />
Beziehungen und den sozialen Raum der<br />
Nutzer zu regulieren.<br />
Facer, Keri u. a.: What’s the point of using<br />
computers?: the development of young<br />
people’s computer expertise in the home. –<br />
S. 199 – 219<br />
Die Autoren untersuchen mit einer standardisierte<br />
Befragung von 855 Kindern und 16 detaillierten Fallstudien<br />
die Frage, warum eigentlich Kinder und Jugendliche<br />
Computer nutzen bzw. dazu Expertenwissen<br />
im Vergleich zu Erwachsenen sammeln: Sie dienen<br />
ihnen zum Erreichen einerseits praktischer Zwecke,<br />
andererseits zur Konstitution (geschlechtsspezifischer)<br />
Peergruppenidentitäten.<br />
Zeitschriftenlese<br />
Ribak, Rivka: „Like immigrants“: negotiating<br />
power in the face of the home computer. –<br />
S. 220 – 238<br />
Der Text beschäftigt sich mit dem Dreieck Vater-<br />
Sohn-Computer und der darin vermutlich stattfindenden<br />
Konstruktion von Männlichkeit sowie mit<br />
den sich darum herum rankenden familiären Beziehungen.<br />
Nordicom Review<br />
Jg 22 (2001) Nr 1<br />
Corner, John: Towards the really useful media<br />
researcher?. – S. 3 – 10<br />
Pietilä, Veikko: Reflections on public discussion<br />
in the mass media. – S. 11 – 22<br />
Schroeder, Kim Christian: Beyond the pioneer<br />
days!: where is reception research going?:<br />
cross-fertilizatioin of paradigms: a synthesizing<br />
appraoch to qualitative audience research. –<br />
S. 23 – 36<br />
Lund, Anker Brink: The genealogy of news: researching<br />
journalistic food-chains. – S. 37 – 42<br />
Agger, Gunhild: Fictions of Europe: on „Eurofiction“,<br />
a multinational research project. –<br />
S. 43 – 52<br />
Bondebjerg, Ib: European media, cultural integration<br />
and globalisation, reflections on the<br />
ESF-programme changing media-changing<br />
Europe. – S. 53 – 64<br />
Picard, Robert G.: Relations among media economics,<br />
content, and diversity. – S. 65 – 70<br />
Lehtonen, Mikko: On no man’s land: theses on<br />
intermediality. – S. 71 – 84<br />
Seppänen, Janne: Young people, researchers<br />
and benetton: contest interpretations of a Benetton<br />
Advertisement picture. – S. 85 – 93<br />
Sundholm, John; Vartianine, Pekka: Nationalising<br />
the International Crime Genre. – S. 97 –<br />
104<br />
Political Communication<br />
Jg 18 (2001) Nr 2<br />
Vreese, Claes H. de; Peter, Jochen; Semetko,<br />
Holli A.: Framing politics at the launch of the<br />
Euro: a cross-national comparative study of<br />
frames in the news. – S. 107 – 122<br />
583
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
Holtz-Bacha, Christina; Norris, Pippa: „To<br />
entertain, inform, and educate“: still the role of<br />
public television. – S. 123 – 140<br />
Shah, Dhavan V.; Kwak, Nojin; Holbert, R.<br />
Lance: „Connecting“ and „Disconnecting“<br />
with civic life: patterns of Internet use and the<br />
production of social capital. – S. 141 – 162<br />
Bennett, Stephen Earl; Rhine, Staci L.; Flickinger,<br />
Richard S.: Assessing American’s opinions<br />
about the news media’s fairness in 1996 and<br />
1998. – S. 163 – 182<br />
Callaghan, Karen; Schnell, Frauke: Assessing<br />
the democratic debate: how the news media frame<br />
elite policy discourse. – S. 183 – 214<br />
McLeod, Jack: Steven Chaffee and the future of<br />
political communication research. – S. 215 – 224<br />
Iyengar, Shanto: The method is the message:<br />
the current state of political communication research.<br />
– S. 225 – 230<br />
Mutz, Diana C.: The future of political communication<br />
research: reflections on the occasion<br />
of Steve Chaffee’s retirement from Standford<br />
University. – S. 231 – 236<br />
Chaffee, Steven: Studying the new communication<br />
of politics. – S. 237 – 242<br />
Public Opinion Quarterly<br />
Jg 65 (2001) Nr 1<br />
Koch, Jeffrey W.: When parties and candidates<br />
collide: citizen perception of house candidates’<br />
positions on abortion. – S. 1 – 21<br />
Bernstein, Robert; Chadha, Anita; Montjoy,<br />
Robert: Overreporting voting: why it happens<br />
and why it matters. – S. 22 – 44<br />
Belli, Robert F.; Shay, William L.; Stafford,<br />
Frank P.: Event history calendars and question<br />
list surveys: a direct comparison of interviewing<br />
methods. – S. 45 – 74<br />
Gerber, Alan S.; Green, Donald P.: Do phone<br />
calls increase voter turnout?: a field experiment.<br />
– S. 75 – 85<br />
Sigelman, Lee; Niemi, Richard G.: Innumeracy<br />
about minority populations: African Americans<br />
and Whites compared. – S. 86 – 94<br />
Fournier, Patrick u. a.: Validation of time-ofvoting-decision<br />
recall. – S. 95 – 107<br />
584<br />
Durand, Claire; Blais, André; Vachon, Sébastien:<br />
Review: A late campaign swing or a failure<br />
of the polls?: the case of the 1998 Quebec election.<br />
– S. 108 – 123<br />
Tien, Charles; Nathan, James A.: Trends: American<br />
ambivalence toward China. – S. 124 – 138<br />
Publizistik<br />
Jg 46 (2001) Nr 2<br />
Kepplinger, Hans Mathias: Der Ereignisbegriff<br />
in der Publizistik<strong>wissenschaft</strong>. – S. 117 – 139<br />
„Ziel des Beitrags ist die Klärung des Ereignisbegriffs,<br />
seine Grundlage ist die Unterscheidung von zwei<br />
Handlungsebenen – der Ebene des Berichteten und<br />
der Ebene der Berichterstattung. Das Geschehen auf<br />
beiden Handlungsebenen wirkt sich auf die jeweils eigene<br />
Handlungsebene aus, es beeinflusst sich jedoch<br />
auch wechselseitig. Weder ist die Berichterstattung<br />
unabhängig vom berichteten Geschehen, noch das berichtete<br />
Geschehen von der Berichterstattung. Die<br />
vorgeschlagenen Begriffe sollen wichtige Verschränkungen<br />
zwischen beiden Handlungsebenen aufzeigen<br />
und empirische Analysen des Verhältnisses von Darstellung<br />
und Dargestelltem ermöglichen. Dies betrifft<br />
den Vergleich zwischen der Berichterstattung verschiedener<br />
<strong>Medien</strong>gattungen sowie die Veränderung<br />
der Realitätsdarstellung einer <strong>Medien</strong>gattung. Letzteres<br />
geschieht anhand der Deutschlandberichterstattung<br />
von drei Qualitätszeitungen von 1951 bis 1995.“<br />
Winkel, Olaf: Die Kontroverse um die demokratischen<br />
Potenziale der interaktiven Informationstechnologien:<br />
Positionen und Perspektiven.<br />
– S. 140 – 161<br />
„Mit dem Übergang zur digitalen Informationsgesellschaft<br />
eröffnen sich in fast allen Bereichen neue <strong>Kommunikations</strong>-<br />
und Kooperationsmöglichkeiten, die<br />
überkommene Verfahren zur Disposition stellen.<br />
Auch die Frage nach den Perspektiven der Massendemokratie,<br />
deren <strong>wissenschaft</strong>liche Behandlung<br />
schwerpunktmäßig an der Schnittstelle von Politikund<br />
<strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> angesiedelt ist, gewinnt<br />
vor diesem Hintergrund eine neue Bedeutung<br />
und neue Facetten. In der vorliegenden Arbeit wird die<br />
Kontroverse, die seit Anfang der Neunzigerjahre um<br />
die demokratischen Potenziale der interaktiven Informationstechnologien<br />
geführt wird, in ihren wesentlichen<br />
Argumentationslinien nachgezeichnet und einer<br />
kritischen Würdigung unterzogen. Dabei geht es dem<br />
Autor auch darum, auf Anhaltspunkte für eine Annäherung<br />
der widerstreitenden Lager aufmerksam zu<br />
machen, die weniger auf der theoretischen als auf der<br />
pragmatischen Ebene liegen, und darum, auf eine Erweiterung<br />
der Forschungsperspektive hinzuwirken.“<br />
Friedrich, Klaus-Peter: Die deutsche polnischsprachige<br />
Presse im Generalgouvernement<br />
(1939–1945): NS-Propaganda für die polnische<br />
Bevölkerung. – S. 162 – 188<br />
Bäuerlein, Heinz: Visuelle Rhetorik als Schlüssel<br />
zum Weißen Haus. – S. 189 – 195
„Im vergangenen Jahr kandidierte für die amerikanische<br />
Präsidentschaft ein Bewerber, der sich in früheren<br />
Jahren als <strong>Medien</strong>theoretiker versucht hat. Albert<br />
A. Gore beschloss sein Studium an der Harvard University<br />
1969 mit einer Untersuchung über die Einwirkung<br />
des Fernsehens auf die Amtsführung des Staatsund<br />
Regierungschefs. Von Truman bis Nixon haben<br />
die Präsidenten, jeder auf seine Weise, sich darum<br />
bemüht, den richtigen Umgang mit den <strong>Medien</strong> zu<br />
finden. Die Präsidentschaft konnte nicht umhin, sich<br />
den Bedürfnissen der elektronischen Information und<br />
Meinungsbildung anzupassen. Gore führt den Begriff<br />
der ‚visuellen Rhetorik‘ ein und sieht voraus, dass die<br />
Präsidenten das Fernsehen als eines der wichtigsten<br />
Instrumente des Regierens benutzen werden. Die<br />
Entwicklung hat seine Vorhersage bestätigt.“<br />
Rtkom<br />
Jg 53 (2001) Nr 2<br />
Kairo, Janne; Paulweber, Michael: High technologies<br />
industries, private restraints on innovation,<br />
and EU antitrust law: the European appraoch<br />
to market analysis of R&D competition,<br />
Teil 2. – S. 68 – 78<br />
Libertus, Michael: <strong>Medien</strong>rechtliche Aspekte<br />
der Umsetzung der E-Commerce-Richtlinie in<br />
Deutschland. – S. 79 – 82<br />
Mit der E-Commerce-Richtlinie (Richtlinie 2000/31/<br />
EG vom 8.6.2000) ist auf der Ebene der Europäischen<br />
Gemeinschaft eine umfassende Rechtsgrundlage für<br />
den elektronischen Geschäftsverkehr in Kraft getreten,<br />
die die Mitgliedstaaten binnen 18 Monaten in nationales<br />
Recht umzusetzen haben. Im Hinblick auf<br />
diese Verpflichtung ist auf Bundesebene am<br />
14.02.2001 vom Bundeskabinett der Entwurf für ein<br />
Gesetz über rechtliche Rahmenbedingungen für den<br />
elektronischen Geschäftsverkehr (EGG) beschlossen<br />
worden. Parallel hierzu haben die Länder Anfang Dezember<br />
2000 einen Entwurf für einen Staatsvertrag<br />
zur Änderung des <strong>Medien</strong>dienste-Staatsvertrages vorgelegt,<br />
der weitgehend mit der geplanten Änderung<br />
des TDG inhaltlich übereinstimmen und zeitgleich in<br />
Kraft treten soll. Der Beitrag beschreibt die Gesetzesentwürfe<br />
und kommt zu dem Schluss, dass die vorgesehene<br />
Novellierung neue Probleme aufwirft, da der<br />
gewählte Ansatz gerade im Hinblick auf die vorgesehene<br />
inhaltlich analoge Aufnahme von neuen Definitionen<br />
der Begriffe „Verteildienste“ bzw. „Abrufdienste“<br />
in das TDG und den MDStV zu nicht notwendigen<br />
begrifflichen Unschärfen sowie zu einer<br />
weiteren Aushöhlung der Zuständigkeit der Länder<br />
für den Bereich des Rundfunks im verfassungsrechtlichen<br />
Sinne führt.<br />
Beese, Dietrich; Müller, Felix: Marktabgrenzung<br />
als Deregulierungsinstrument?. – S. 83 –<br />
90<br />
„Die Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation<br />
hat im Februar 2001 erstmals in einem Endkundenmarkt<br />
die beherrschende Stellung der Deutschen<br />
Telekom verneint und diese damit partiell aus<br />
der Entgeltregulierung der §§ 24 ff. Telekommunikationsgesetz<br />
(TKG) entlassen. Die Entscheidung der<br />
Zeitschriftenlese<br />
Regulierungsbehörde zeigt ebenso wie ein nahezu<br />
zeitgleich veröffentlichtes Diskussionspapier, dass die<br />
Frage nach der Rückführung der sektorspezifischen<br />
Regulierung im Telekommunikationsbereich nunmehr<br />
praktische Dimensionen erlangt. Der vorliegende<br />
Artikel zeigt, dass nach Normzweck und Schutzrichtung<br />
der §§ 24 ff. TKG nur eine einheitliche sachliche<br />
Marktabgrenzung für Telefonverbindungen vertretbar<br />
ist und will damit einen Beitrag zur neu<br />
aufkeimenden Deregulierungsdiskussion leisten.“<br />
Lehr, Gernot; Brosius-Gersdorf, Frauke: Städte<br />
im Internet. – S. 91 – 102<br />
Gegenstand des Beitrags ist die verfassungsrechtliche<br />
Beurteilung der Konkurrenzsituation zwischen Städten<br />
und Zeitungsverlagen bei der Bereitstellung bestimmter<br />
Angebote im Internet. Untersucht wird, ob<br />
und in welchem Umfang die Städte von Verfassungs<br />
wegen unter Berücksichtigung wettbewerbsrechtlicher<br />
Aspekte berechtigt sind, im Internet unter Domains,<br />
die den Stadtnamen beinhalten, eine Plattform<br />
für verschiedene städtische und private Tätigkeiten und<br />
Angebote bereit zu stellen. Der Beitrag erörtert weiterhin<br />
die Frage nach dem Rechtsweg für Klagen Privater<br />
gegen Internet-Auftritte der öffentlichen Hand<br />
sowie den Prüfungsumfang der zuständigen Gerichte.<br />
Rundfunk und Geschichte<br />
Jg 27 (2001) Nr 1-2<br />
Wagner, Hans-Ulrich: Hartmut Geerken: der<br />
Autor, das interaktive Hörspiel und die Trilogie<br />
„Maßnahmen des Verschwindens“: eine<br />
Fallstudie zu Rundfunk und Literatur und eine<br />
Radiographie. – S. 5 – 21<br />
Geserick, Rolf; Vosgröne, Carmen: Hörspiel in<br />
Deutschland (1950–1965): ein Dokumentationsprojekt.<br />
– S. 22 – 29<br />
Fischer, Jens Malte; Kreuzer, Helmut: Frank<br />
Warschauer: Rundfunk und Kritik, ausgewählte<br />
Aufsätze 1927–1933, Teil 1. – S. 30-60<br />
Studies in Communication Sciences<br />
Jg 1 (2001) Nr 2<br />
Dresner, Eli; Dascal, Marcelo: Semantics, pragmatics<br />
and the digital information age. – S. 1 –<br />
22<br />
Renner, Karl Nikolaus: Die Text-Bild-Schere.<br />
– S. 23 – 44<br />
Rigotti, Eddo; Rocci, Andrea: Sens, non-sens,<br />
contresens. – S. 45 – 80<br />
Schulz, Peter: Rationality as a condition for intercultural<br />
understanding. – S. 81 – 100<br />
Shmelev, Alexei: Manipulation in Russian political<br />
journalism. – S. 101 – 116<br />
585
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
Kepplinger, Hans Mathias: Handle the scandal.<br />
– S. 117 – 136<br />
Mantovani, Giuseppe: Shifts in human-computer<br />
interaction: the Internet as a Mediation environment.<br />
– S. 137 – 147<br />
Barone-Adesi, Giovanni: Financial disclosure<br />
and value creation: the role of financial communication.<br />
– S. 159 – 166<br />
Eppler, Martin J.: The concept of information<br />
quality: an interdisciplinary evaluation of recenet<br />
information quality framworks. – S. 167 –<br />
182<br />
Fengler, Susanne: How journalists cover themselves:<br />
a survey of research on media journalism<br />
and media criticism in the United States. – S.<br />
183 – 192<br />
Tota, Anna Lisa: Homeless memories: how societies<br />
forget their past. – S. 193 – 214<br />
TelevIZIon<br />
Jg 14 (2001) Nr 1<br />
Fuchs, Gerhard: Familienfernsehen in der<br />
ARD. – S. 4 – 6<br />
„Die Messlatte der ARD liegt hoch. Sie will ein ,Voll‘-<br />
Programm, in dem jedes Familienmitglied eigene Sendungen<br />
findet, das aber auch zahlreiche Angebote<br />
macht, die für die ganze Familie interessant sind.“<br />
Berthoud, Martin: Familienangebote im ZDF.<br />
– S. 7 – 9<br />
„Auf Veränderungen der Familie und der damit zusammenhängenden<br />
<strong>Medien</strong>rezeption reagiert das<br />
ZDF programmstrategisch mit thematischen, funktionalen<br />
und Genre-Schwerpunkten.“<br />
Zeiler, Gerhard: Mythos Familienfernsehen. –<br />
S. 9 – 11<br />
Familienfernsehen – ein Programm für alle und<br />
niemand?: Programmverantwortliche antworten.<br />
– S. 11 – 15<br />
Petzold, Matthias: Familien heute: sieben Typen<br />
familialen Zusammenlebens. – S. 16 – 20<br />
Morley, David: Familienfernsehen und <strong>Medien</strong>konsum<br />
zu Hause. – S. 20 – 26<br />
„Im Familienfernsehen spielen auch künftig geschlechtsspezifische<br />
<strong>Medien</strong>aneignung und Programmnutzung<br />
eine wichtige Rolle – trotz heftiger<br />
Kritik an den Ergebnissen entsprechender Forschungsarbeiten.“<br />
Bachmair, Ben; Lambrecht, Clemens; Topp,<br />
Claudia: Familien vor dem Bildschirm: Diskus-<br />
586<br />
sion einer Programm- und Nutzungsstichprobe.<br />
– S. 26 – 35<br />
Hofmann, Ole: Sehen Familien anders fern?. –<br />
S. 36 – 40<br />
„Eltern nutzen das Fernsehen anders als gleichaltrige<br />
Zuschauer ohne Kinder. Sie sehen weniger, zu anderen<br />
Zeiten, haben andere Programmvorlieben und<br />
konzentrieren sich auf weniger Sender. Gemeinsames<br />
Fernsehen mit den Kindern findet vor allem am Vorabend<br />
und in der Prime-Time statt.“<br />
Götz, Maya: Kinder- und Familienfernsehen<br />
aus der Sicht der Eltern. – S. 41 – 48<br />
Sander, Ekkehard: <strong>Medien</strong> im Jugendalter:<br />
Rückblicke von Eltern und ihren heranwachsenden<br />
Kindern. – S. 49 – 56<br />
Tolley’s Communications Law<br />
Jg 6 (2001) Nr 3<br />
Abeyratne, Ruwantissa: The use of e-commerce<br />
in carriage by air: some legal issues. – S. 78 –<br />
86<br />
Noeding, Toralf; Bumberger, Kristina: Electronic<br />
signatures in German civil law. – S. 87 – 91<br />
tv diskurs<br />
(2001) Nr 17<br />
Schwanda, Herbert: Neue Regelungen in<br />
Österreich: Bundesfilmkommission erhält Zuständigkeit<br />
für das Fernsehen. – S. 4 – 9<br />
Jugendmedienschutz in Europa: Filmfreigaben<br />
im Vergleich. – S. 10 – 12<br />
Mikos, Lothar: Dynamik und Effekte für den<br />
Sinnenrausch: Ästhetik der Gewaltdarstellung<br />
im Action- und Science-Fiction-Film. –<br />
Zeitter, Ernst; Freitag, Burkhard: „Die janze<br />
Richtung paßt uns nicht“: biographische<br />
Bruchstücke zu einer Geschichte der <strong>Medien</strong>zensur<br />
in Deutschland, Teil 1. – S. 20 – 29<br />
Kaschuba, Wolfgang: Orientierungsverlust als<br />
Preis der Freiheit: Wie entstehen Wertvorstellungen<br />
in pluralistischen Gesellschaften?. – S.<br />
30 – 37<br />
Wunden, Wolfgang: Wer setzt Normen für die<br />
TV-Unterhaltung?: <strong>Medien</strong>ethik im gesellschaftlichen<br />
Wandel. – S. 38 – 41<br />
Hausmanninger, Thomas: Eigentlich lehnen<br />
die Zuschauer Gewaltdarstellungen ab: katho-
lische Sozialethik und der Blick auf populäre<br />
<strong>Medien</strong>. – S. 42 – 49<br />
Grimm, Jürgen: A-Moral, Anti-Moral, zügellose<br />
Moral: zu normativen Aspekten von Daily<br />
Talks. – S. 50 – 57<br />
Schütte, Dagmar: Perpetuum immobile: einige<br />
Bemerkungen zum Diskurs um das Verhältnis<br />
von Privatheit und Öffentlichkeit in den <strong>Medien</strong>.<br />
– S. 58 – 63<br />
Funiok, Rüdiger: Mit <strong>Medien</strong> über Werte sprechen.<br />
– S. 64 – 69<br />
Gottberg, Joachim von: Jugendschutz oder<br />
<strong>Medien</strong>ethik: was kann die Selbstkontrolle leisten?.<br />
– S. 70 – 73<br />
Zeitschrift für <strong>Medien</strong>psychologie<br />
Jg 13 (2001) Nr 1<br />
Winterhoff-Spurk, Peter: Kassensturz: zur<br />
Lage der <strong>Medien</strong>psychologie. – S. 3 – 10<br />
Schaumburg, Heike: Neues Lernen mit<br />
Laptops?: ein Überblick über Forschungsergebnisse<br />
zur Nutzung mobiler Computer in<br />
der Schule. – S. 11 – 21<br />
„Mobilen Computern in der Schule wird vielfach das<br />
Potential zugesprochen, schulisches Lernen grundlegend<br />
zu verändern. In dem vorliegenden Artikel wird<br />
ein Überblick über internationale Forschungsergebnisse<br />
zur Nutzung mobiler Computer in der Schule<br />
gegeben. Dabei wird besonders auf Ergebnisse zum<br />
Lernverhalten der Schüler, zu Unterrichtsveränderungen,<br />
zu Schulleistungen und zum Erwerb fächerübergreifender<br />
Kompetenzen eingegangen. Nach einer<br />
Diskussion der Ergebnisse wird ein Ausblick auf ein<br />
in Deutschland durchgeführtes Pilotprojekt gegeben.“<br />
Klimmt, Christoph: Computer-Spiel: interaktive<br />
Unterhaltungsangebote als Synthese aus<br />
Medium und Spielzeug. – S. 22 – 32<br />
„Computer- und Videospiele gehören mittlerweile zu<br />
den bedeutendsten Unterhaltungsmedien. Die medienpsychologische<br />
Forschung hat sich bislang vornehmlich<br />
mit den Wirkungen ausgiebigen Spielens beschäftigt.<br />
Dagegen wurde der Prozess des Spielens<br />
kaum thematisiert. Im Mittelpunkt dieses Beitrags stehen<br />
Überlegungen zur Faszinationskraft der Tätigkeit<br />
,Computer spielen‘. Der Prozess des Spielens wird aus<br />
medien- und spielpsychologischer Perspektive beleuchtet.<br />
Die zentrale Annahme, dass die besondere<br />
unterhaltende Wirkung von Computerspielen in der<br />
Kombination von Merkmalen klassischer Unterhaltungsmedien<br />
und elektronischer Spielzeuge besteht,<br />
wurde in einem Feldexperiment mit 349 Teilnehmern<br />
überprüft. Demnach besteht die Faszinationskraft von<br />
Computer- und Videospielen darin, dass sie ihren<br />
Nutzern gleichzeitig Handlungsmöglichkeiten anbieten<br />
und eine Handlungsnotwendigkeit suggerieren.“<br />
Zeitschriftenlese<br />
Rothmund, Jutta; Schreier, Margrit; Groeben,<br />
Norbert: Fernsehen und erlebte Wirklichkeit,<br />
Teil 1: ein kritischer Überblick über die perceived<br />
Reality-Forschung. – S. 33 – 44<br />
„Rezeptionsseitige Einschätzungen des Verhaltens<br />
zwischen audiovisuellen <strong>Medien</strong>produkten und der<br />
Realität sind innerhalb der <strong>Medien</strong>psychologie Gegenstand<br />
der Perceived Reality-Forschung. Deren<br />
mehrdimensional Explikationen der erlebten Wirklichkeit<br />
weisen zum einen Unschärfen und Inkonsistenzen<br />
auf, zum anderen fehlt bislang ein integratives<br />
Modell. Bedingt durch die primär medienkritische<br />
Perspektive der Perceived Reality-Forschung wurde<br />
außerdem die Konstruktivität und Komplexität der<br />
rezeptionsseitigen Urteilsbildung nicht hinreichend<br />
berücksichtigt. Der vorliegende erste Teil dieses Beitrags<br />
gibt zunächst einen systematischen Überblick<br />
über die theoretische und empirische Forschung zu<br />
Perceived Reality. Dabei werden die mehrdimensionalen<br />
Konstruktexplikationen dieser Forschungsrichtung<br />
dargestellt sowie deren Unterschiede und Gemeinsamkeiten<br />
herausgearbeitet. Anschließend geben<br />
wir eine Synopse über die Befunde zur Validität der<br />
Perceived Reality und benennen in einem abschließenden<br />
Fazit Forschungsdesiderata.“<br />
Batinic, Bernad; Moser, Klaus: Neue Befragungsmethoden<br />
für die <strong>Medien</strong>psychologie:<br />
online-panels. – S. 45 – 49<br />
Jg 13 (2001) Nr 2<br />
Schwab, Frank: Unterhaltungsrezeption als<br />
Gegenstand medienpsychologischer Emotionsforschung.<br />
– S. 62 – 72<br />
„Der Beitrag unterscheidet Ansätze der Untersuchung<br />
zur Unterhaltungsrezeption in explorative und<br />
theoriegeleitete. Der ,Uses and Gratifications’-Ansatz<br />
sowie der Eskapismusansatz sind dem explorativen<br />
Vorgehen zuzuordnen. Theoriegeleitete Ansätze werden<br />
in erregungspsychologische Ansätze und identitätsorientierte<br />
Konzepte unterteilt und durch eigene<br />
Überlegungen zu emotionspsychologischen Konzepten<br />
ergänzt. Es lässt sich verdeutlichen, dass die Auseinandersetzung<br />
mit Emotionen fruchtbar im Lichte<br />
der Evolution geführt werden kann. Proximative Erklärungsansätze<br />
der Unterhaltungsrezeption lassen<br />
sich am Beispiel des ,Stimulus Evaluation-Check‘-<br />
Modells (SEC) der Emotionsgenese erörtern,<br />
während distale/ultimate Erklärungen mit dem Konzept<br />
,Evolvierter Psychischer Mechanismen‘ (EPMs)<br />
am Beispiel der Funktionsanalyse positiver Emotionalität<br />
dargestellt werden. Ergänzend zum SEC-Modell<br />
wird neben der Berücksichtigung der Realitäts-<br />
Fiktions-Unterscheidung eine Differenzierung positiver<br />
Emotionalität in Freude, Interesse und Zufriedenheit<br />
vorgeschlagen. Diese Unterscheidung führt der<br />
Beitrag aus einer evolutionspsychologischen Perspektive<br />
heraus ein. Die adaptive Funktion positiver Emotionalität<br />
liegt dabei in einer Erweiterung des Denkund<br />
Handlungsraumes. Dies lässt sich ohne weiteres<br />
mit dem identitätsorientierten Ansatz der Unterhaltungsrezeption<br />
in Einklang bringen.“<br />
587
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
Trepte, Sabine; Zapfe, Sina; Sudhoff, Wiebke:<br />
Orientierung und Problembewältigung durch<br />
TV-Talkshows: empirische Ergebnisse und Erklärungsansätze.<br />
– S. 73 – 84<br />
„Im Gegensatz zur landläufigen Meinung unterhalten<br />
tägliche Talkshows nicht nur, sondern werden von einigen<br />
Zuschauern zur Orientierung und Problembewältigung<br />
eingesetzt. Um diese, eher unpopuläre, Rezeptionshaltung<br />
besser verstehen zu können, werden<br />
anhand von drei Studien ihre Antezedenzien, Rahmenbedingungen<br />
und Konsequenzen untersucht. In<br />
der ersten Studie wird in einer Befragung von Teenagern<br />
der Frage nachgegangen, inwiefern die individuelle<br />
Problembelastung im persönlichen Umfeld zu einer<br />
Orientierungssuche in täglichen Talkshows führt<br />
und ob Probleme in bestimmten Bereichen (z. B. mit<br />
den Eltern) eine Selektion entsprechender Themenbereiche<br />
in Talkshows nach sich ziehen. Zur Beleuchtung<br />
der Rahmenbedingungen orientierungssuchender<br />
Rezeption konzentriert sich die zweite Studie auf<br />
die Beziehung der Zuschauer zum Moderator. In einer<br />
Befragung von Jugendlichen wird untersucht, inwieweit<br />
die Suche und Orientierung und Information in<br />
Talkshows die Intensität und Art der Beziehung zum<br />
Host beeinflusst. In der dritten Studie wird in einem<br />
qualitativen Ansatz hinterfragt, ob der Wunsch nach<br />
einem eigenen Auftritt in der Show als Konsequenz einer<br />
involvierten Rezeptionshaltung und des Orientierungsmotivs<br />
aufgefasst werden kann. Auf Basis der<br />
Erkenntnisse aller drei Studien wird ein dreifaktorielles<br />
Erklärungsmodell für die Orientierungssuche in<br />
täglichen Talkshows vorgeschlagen, welches die individuellen<br />
und sozialen Prädispositionen der Zuschauer,<br />
die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und<br />
Charakteristika des <strong>Medien</strong>angebotes als Bedingungsfaktoren<br />
in betracht zieht.“<br />
Rothmund, Jutta; Schreier, Margrit; Groeben,<br />
Norbert: Fernsehen und erlebte Wirklichkeit<br />
II: ein integratives Modell zu Realitäts-Fiktions-Unterscheidungen<br />
bei der (kompetenten)<br />
<strong>Medien</strong>nutzung. – S. 85 – 95<br />
„Rezeptionsseitige Einschätzungen des Verhältnisses<br />
zwischen audiovisuellen <strong>Medien</strong>produkten und der<br />
Realität sind innerhalb der <strong>Medien</strong>psychologie Gegenstand<br />
der Perceived Reality-Forschung. Deren<br />
mehrdimensionale Explikationen der erlebten Wirklichkeit<br />
weisen zum einen Unschärfen und Inkonsistenzen<br />
auf, zum anderen fehlt bislang ein integratives<br />
Modell. Ein erster Teil dieses Betrags (Fernsehen und<br />
erlebte Wirklichkeit I) hat einen systematischen<br />
Überblick über diese Forschungsrichtung gegeben. In<br />
dem vorliegenden zweiten Teil des Beitrags wird nun<br />
ein mehrdimensionales Modell zu ,Realitäts-Fiktions-<br />
Unterscheidungen’ vorgestellt, das die Konzeptualisierungen<br />
der Perceived Reality sowie inkonsistente<br />
Befunde integriert und präzisiert. Zunächst wird das<br />
Modell vorgestellt, in dem zwischen drei Perspektiven<br />
von sogenannten Realitäts-Fiktions-Unterscheidungen<br />
differenziert wird: Werkkategorie, Erfahrungsinhalt<br />
und Erfahrungsmodus. Anschließend wird aufgezeigt,<br />
in welcher Weise diese Perspektiven zu den in<br />
der Perceived Reality-Forschung angesetzten Urteilsdimensionen<br />
stehen und wie sich inkonsistente Befunde<br />
der Perceived Reality-Forschung innerhalb des<br />
vorgestellten Modells plausibel rekonstruieren lassen.<br />
Auf der Grundlage des Drei-Perspektiven-Modells<br />
588<br />
werden abschließend unter Berücksichtigung von<br />
Prozessen der Urteilsbildung Perspektiven einer kritisch-konstruktiven<br />
(medienspezifischen wie -übergreifenden)<br />
Nutzungskompetenz skizziert.“<br />
Mangold, Roland: <strong>Medien</strong>psychologische Methoden:<br />
ist die mimikbasierte Emotionsanalyse<br />
eine verkannte Methode in der <strong>Medien</strong>psychologie?.<br />
– S. 96 – 98<br />
Zeitschrift für Urheber- und <strong>Medien</strong>recht<br />
Jg 45 (2001) Nr 5<br />
Degenhart, Christoph: Wirtschaftliche Betätigung<br />
öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten:<br />
der <strong>Medien</strong>park des ZDF. – S. 357 – 372<br />
Der Artikel stellt die Kurzfassung eines vom Verfasser<br />
erstellten Gutachtens dar. Der Verfasser kommt zu<br />
dem Ergebnis, dass das Betreiben eines <strong>Medien</strong>parks<br />
nicht zum gesetzlichen Aufgabenbereich des ZDF<br />
gehört und diesem auch nicht durch verfassungskonforme<br />
Auslegung zugeordnet werden kann. Der Betrieb<br />
des <strong>Medien</strong>parks stelle einen Verstoß gegen das<br />
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und<br />
eine Beeinträchtigung von Wettbewerbsmöglichkeiten<br />
im Sinne des § 19 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 Nr. 1 GWB und<br />
eine Diskriminierung nach § 20 Abs. 1 2. Variante GWB<br />
dar. Gemeinschaftsrechtlich werde gegen das Beihilfeverbot<br />
des Art. 87 Abs. 1 EGV verstoßen.<br />
Bamberger, Christian: <strong>Medien</strong>öffentlichkeit im<br />
Lichte der Rundfunkfreiheit. – S. 373 – 377<br />
Der Autor setzt vor dem Hintergrund der n-tv-Entscheidung<br />
des Bundesverfassungsgerichts mit § 169<br />
Satz 2 GVG auseinander, der Ton- und Fernseh-<br />
Rundfunkaufnahmen während Gerichtsverhandlungen<br />
untersagt. Das Gericht hatte die Verfassungsbeschwerden<br />
gegen diese Vorschrift zurückgewiesen.<br />
Der Verfasser ist der Auffassung, dass obwohl das Urteil<br />
keinen Handlungsauftrag an den Gesetzgeber enthalte,<br />
das geltende Recht mit dem Ausschluss der <strong>Medien</strong>öffentlichkeit<br />
bereichsspezifisch auf den Prüfstand<br />
gestellt werden sollte. Differenzierende Konzepte<br />
seien gefragt, die auf die unterschiedlichen<br />
Prozessarten und Verfahrensstadien abgestimmt sind.<br />
Mit der gesetzlichen Zuweisung der Entscheidungskompetenz<br />
an das jeweilige Gericht könne eine sachgerechte<br />
Lösung erreicht werden.<br />
Becker, Bernhard von: Veröffentlichung ad ultimo?:<br />
zum Verhältnis zwischen Übersetzer<br />
und Verlag. – S. 378 – 381<br />
Frentz, Raitz von; Becker, Thomas: Die<br />
nachträgliche Bestimmung der Leistungszeit<br />
bei Filmlizenzverträgen: zum Umgang mit „to<br />
be announced“-Vorbehalten im Lizenzvertrag.<br />
– S. 382 – 389<br />
Glatt, Christoph: Vertragsschluss im Internet:<br />
die Artikel 9- bis 11 der E-Commerce-Richtlinie<br />
und ihre Umsetzung im deutschen Recht. –<br />
S. 390 – 397
Marwitz, Petra: Das System der Domainnamen.<br />
– S. 398 – 404<br />
Jg 45 (2001) Nr 6<br />
Schack, Haimo: Neuregelung des Urhebervertragsrecht.<br />
– S. 453 – 465<br />
Frey, Dieter: Peer-to-peer file-sharing, das Urheberrecht<br />
und die Verantwortlichkeit von<br />
Diensteanbietern am Beispiel Napster, Inc im<br />
Lichte des US-amerikanischen und des EG-<br />
Rechts. – S. 466 – 477<br />
Coelln, Christian von: Lebach einmal anders:<br />
die Rundfunkfreiheit fordert ihr Recht. – S. 478<br />
– 486<br />
Der Autor setzt sich mit der zweiten „Lebach-Entscheidung“<br />
des Bundesverfassungsgerichts aus dem<br />
Jahr 1999 auseinander. Gegenstand der ersten Entscheidung<br />
aus dem Jahr 1973 war die Verfassungsbeschwerde<br />
eines Beteiligten am Überfall auf ein Munitionsdepot<br />
im saarländischen Lebach, bei dem vier<br />
Soldaten getötet wurden. Er fühlte sich durch einen<br />
geplanten Dokumentarfilm mit dem Titel „Der Soldatenmord<br />
von Lebach“, bei dem er abgebildet und sein<br />
Name genannt werden sollte, in seinem Persönlichkeitsrecht<br />
verletzt. Im zweiten Fall wehrten sich die<br />
Tatbeteiligten gegen ein Fernsehspiel („Der Fall Lebach“),<br />
das als Pilotfilm einer Sendereihe „Verbrechen,<br />
die Geschichte machten“ geplant war. Der Verfassungsbeschwerde<br />
des Senders wurde stattgegeben,<br />
die Verfassungsbeschwerde eines Täters abgewiesen.<br />
Anders als in der ersten Lebach-Entscheidung liege<br />
keine besonders schwere Beeinträchtigung der Person<br />
vor, da es sich nicht um eine „den Täter identifizierende<br />
Sendung“ handele. In der Entscheidung hieß es,<br />
das allgemeine Persönlichkeitsrecht vermittele<br />
Straftätern „keinen Anspruch darauf, in der Öffentlichkeit<br />
überhaupt nicht mehr mit der Tat konfrontiert<br />
zu werden.“<br />
Oberländer, Stefanie: Gemeinsame Richtlinien<br />
der Landesmedienanstalten als normkonkretisierende<br />
Verwaltungsvorschriften?: zur Bindung<br />
der Gerichte an die auf der Grundlage der<br />
§§ 33 und 46 RStV erlassenen Gemeinsamen<br />
Richtlinien der Landesmedienanstalten. –<br />
S. 487 – 500<br />
Die Autorin untersucht die Rechtsnatur der Gemeinsamen<br />
Richtlinien der Landesmedienanstalten (etwa<br />
Werbung und Jugendschutz) und kommt zu dem Ergebnis,<br />
dass es sich um normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften<br />
und nicht um lediglich norminterpretierende<br />
Verwaltungsvorschriften handelt. Die<br />
Landesmedienanstalten hätten bei der Erstellung der<br />
Gemeinsamen Richtlinien einen gerichtlich nur begrenzt<br />
überprüfbaren Beurteilungsspielraum. Die Autorin<br />
stellt zunächst die Voraussetzungen und Folgen<br />
normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften dar.<br />
Nachdem sie festgestellt hat, dass diese Voraussetzungen<br />
auch auf die Gemeinsamen Richtlinien zutreffen,<br />
nimmt sie eine endgültige Einordnung im Wege einer<br />
Abwägung vor.<br />
Zeitschriftenlese<br />
Jg 45 (2001) Nr 7<br />
Koenig, Christian; Kühling, Jürgen: How to<br />
cut a long story short: das PreussenElektra-Urteil<br />
des EuGH und die EG-Beihilfenkontrolle<br />
über das deutsche Rundfunkgebührensystem. –<br />
S. 537 – 546<br />
Die Autoren gehen der Frage nach, welche Auswirkungen<br />
das PreussenElektra-Urteil des EuGH auf die<br />
Einordnung der deutschen Rundfunkgebühren als<br />
verbotene Beihilfen im Sinne des EG-Vertrages haben<br />
können. In dem Urteil vom 13. März 2001 ging es um<br />
die Abnahme- und Vergütungspflichten des Stromeinspeisungsgesetzes.<br />
In seiner Entscheidung gelangte<br />
der EuGH zu einer restriktiven Interpretation des<br />
Tatbestandsmerkmals der staatlichen Mittelherkunft.<br />
Dieser Auslegung zufolge genügt eine rein regulative<br />
Lenkung von Mitteln zwischen Unternehmen, d. h.<br />
eine solche, bei der es zu keiner Zwischenschaltung eines<br />
öffentlichen Haushalts kommt, nicht für die Annahme<br />
einer hoheitlichen Mittelübertragung. Die Autoren<br />
kommen zu dem Ergebnis, dass auch bei der Gebührenfinanzierung<br />
im Rundfunk keine staatliche<br />
Zurechenbarkeit der Finanzmittel vorliege. Die Gebühren<br />
flossen von den Gebührenschuldnern direkt in<br />
die Haushalte der Rundfunkanstalten. Daher scheide<br />
bei konsequenter Umsetzung dieses Urteils auch eine<br />
Einordnung der Rundfunkgebühren als Beihilfen aus.<br />
Boehme-Neßler, Volker: Rechtsprobleme der<br />
Internet-Werbung. – S. 547 – 554<br />
Der Autor stellt zunächst die Werberegeln im Europarecht<br />
und im deutschen Recht dar und untersucht<br />
dann die rechtliche Einordnung spezieller Angebote<br />
im Netz wie Spamming, Key-Word-Advertising,<br />
Meta-Tags, Word-Stuffing, Links und Counter.<br />
Frotscher, Werner: Zlatko und Caroline: der<br />
verfassungsrechtliche Schutz der menschlichen<br />
Würde und Persönlichkeit in der <strong>Medien</strong>berichterstattung.<br />
– S. 555 – 563<br />
Der Autor stellt die Unterschiede zwischen der Berichterstattung<br />
über Prominente und Real-Life-Soaps<br />
im Hinblick auf die Verletzung des Persönlichkeitsrechts<br />
dar. „Während die tägliche Berichterstattung<br />
aus dem Wohncontainer […] mit dem schriftlich niedergelegten<br />
Einverständnis der beteiligten Kandidaten,<br />
ja geradezu dem Wunsch hin erfolgt, fehlt es an einer<br />
solchen Zustimmung bei der nicht autorisierten<br />
Berichterstattung über Prominente. Hier zeigt sich,<br />
dass es in erster Linie Aufgabe des einzelnen Grundrechtsträgers<br />
ist, seine Würde und Persönlichkeit gegenüber<br />
Angriffen Privater zu verteidigen. […] Ein<br />
Schutz der menschlichen Würde und Persönlichkeit<br />
gegen den erklärten Willen des Grundrechtsträgers<br />
[…] muss in einem freiheitlichen, nichtpaternalistischen<br />
Gemeinwesen auf seltene Ausnahmefälle beschränkt<br />
bleiben.“<br />
Pelny, Stefan: Privatrechtliche Beteiligungen<br />
öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten: eine<br />
Entgegnung auf Norbert Seidel. – S. 564 – 566<br />
Dieser Beitrag stellt eine Entgegnung auf den Aufsatz<br />
von Norbert Seidel in ZUM 2001, S. 13 ff. dar. Der<br />
Autor widerspricht der Auffassung Seidels, wonach<br />
589
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
zur rechtlichen Bewertung der Aktivitäten von privaten<br />
Unternehmen, an denen öffentlich-rechtliche<br />
Rundfunkanstalten beteiligt sind, im Hinblick auf die<br />
Vereinbarkeit mit dem gesetzlichen Auftrag der<br />
Rundfunkanstalt und der Prüfungszuständigkeit der<br />
Landesrechnungshöfe, zwischen der Rundfunkanstalt<br />
und dem privaten Unternehmen zu trennen sei. Eine<br />
solche Trennung lasse sich weder aus den einschlägi-<br />
590<br />
gen Vorschriften der Landesgesetze bzw. Staatsverträge,<br />
noch aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts<br />
entnehmen.<br />
Gercke, Marco: Ist die Mehrfachnutzung kostenloser<br />
Internettestzugänge strafbar?. – S. 567<br />
– 573
Literaturverzeichnis<br />
11 Bibliographien. Lexika<br />
12 Jahrbücher. Geschäftsberichte<br />
21 <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> und -forschung<br />
22 Journalismus. <strong>Medien</strong>berufe<br />
23 Publizistische Persönlichkeiten<br />
24 <strong>Medien</strong>institute<br />
31 Kommunikation<br />
32 <strong>Kommunikations</strong>politik<br />
33 Lokalkommunikation. Bundesländer<br />
41 Massenkommunikation Politik<br />
42 Massenkommunikation Gesellschaft<br />
43 Massenkommunikation Kultur<br />
11 Bibliographien. Lexika<br />
Hörfunk und Fernsehen: Aufsatznachweis aus<br />
Zeitschriften und Sammelwerken; Jahresband<br />
2000. – Köln: WDR, 2001. – 308 S.<br />
Kühner, Anja; Sturm, Thilo: Das <strong>Medien</strong>-Lexikon:<br />
Fachbegriffe von A-Z aus Print, Radio,<br />
TV und Internet. – Landsberg: Verl. Moderne<br />
Industrie, 2001. – 288 S.<br />
12 Jahrbücher. Geschäftsberichte<br />
Deutsche Fachpresse 2001: Jahrbuch der Fachinformation.<br />
– Berlin: VDZ, 2001. – 208 S.<br />
Forschungsbericht 2000/2001. – Hamburg:<br />
Hans-Bredow-Institut, 2001. – 79 S.<br />
Jahrbuch 2001: mit der Spruchpraxis des Jahres<br />
2000. – Bonn: Deutscher Presserat, 2001. –<br />
456 S.<br />
Jahrbuch Fernsehen 2001/ Hachmeister, Lutz<br />
u. a. (Hrsg.). – Marl: Adolf Grimme Institut,<br />
2001. – 583 S.<br />
Jahresbericht 2000/ Hessischer Rundfunk<br />
(Hrsg.). – Frankfurt: HR, 2001. – 96 S.<br />
21 <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> und -forschung<br />
Kunczik, Michael; Zipfel, Astrid: Publizistik:<br />
ein Studienhandbuch. – Köln: Böhlau, 2001. –<br />
549 S. (UTB für Wissenschaft; 2256)<br />
22 Journalismus. <strong>Medien</strong>berufe<br />
Blakeslee, Ann M.: Interacting with audiences:<br />
social influences on the production of scientific<br />
writing. – London: Erlbaum, 2001. – 141 S.<br />
(Rhetoric, knowledge, and society)<br />
Frauen im Kultur- und <strong>Medien</strong>betrieb III:<br />
Fakten zu Berufssituation und Qualifizierung<br />
= Women in the arts arts and media. – Bonn:<br />
ARCult Media, 2001. – 304 S. (Kultur und Wissenschaft;<br />
19)<br />
Qualität als Gewinn: Salzburger Beiträge zur<br />
Qualitätsforschung im Journalismus/ Rest,<br />
Franz; Fabris, Hans Heinz (Hrsg.). – Innsbruck:<br />
Studien Verl., 2001. – 280 S. (Beiträge<br />
zur <strong>Medien</strong>- und <strong>Kommunikations</strong>gesellschaft;<br />
8)<br />
31 Kommunikation<br />
Dovring, Karin: English as a lingua Franca:<br />
double talk in global persuasion. – London:<br />
Praeger, 1997. – 153 S.<br />
Zukunft mobile Kommunikation: Wirklichkeit<br />
und Vision einer technischen Revolution/<br />
Lamprecht, Rudi (Hrsg.). – Frankfurt: Frankfurter<br />
Allg. Buch, 2001. – 250 S.<br />
32 <strong>Kommunikations</strong>politik<br />
Literaturverzeichnis<br />
51 Telekommunikation. Informationsgesellschaft<br />
52 Neue Technologien. Multimedia<br />
61 Internationale Kommunikation<br />
62 Europa Kommunikation<br />
71 Massenmedien, allgemein<br />
72 <strong>Medien</strong> Bildung<br />
73 <strong>Medien</strong> Ökonomie<br />
74 <strong>Medien</strong> Recht<br />
75 Rundfunk<br />
76 Werbung<br />
81 Publikum. <strong>Medien</strong>nutzung<br />
82 Rezeptionsforschung<br />
83 Kinder Jugendliche <strong>Medien</strong><br />
91 Literatur zu einzelnen Ländern<br />
Froehlich, Pia Maria: Das Problem der Politikvermittlung<br />
in der Demokratie: die Öffentlichkeitsarbeit<br />
der Bundesregierung bei der<br />
Einführung des Euro. – Würzburg: Ergon<br />
591
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
Verl., 2001. – 360 S. (Spektrum Politik<strong>wissenschaft</strong>;<br />
19)<br />
33 Lokalkommunikation. Bundesländer<br />
Böckelmann, Frank: Wirtschaftliche Verflechtungen<br />
und Konkurrenz der <strong>Medien</strong> in Bayern:<br />
Dokumentationsband; eine Untersuchung der<br />
Arbeitsgruppe <strong>Kommunikations</strong>forschung<br />
München (AKM). – München: R. Fischer, 2001<br />
(BLM-Schriftenreihe; 66)<br />
Entwicklungen in Nordrhein-Westfalen: Statistischer<br />
Jahresbericht 2000. – Düsseldorf: Landesamt<br />
für Datenverarbeitung und Statistik<br />
NRW, 2001. – 66 S.<br />
Lenk, Wolfgang; Hilger, Peter; Tegeler, Stefan:<br />
Offene Kanäle in Niedersachsen: eine Organisations-,<br />
Produzenten- und Programmanalyse.<br />
– Berlin: Vistas, 2001. – 281 S. (Schriftenreihe<br />
der NLM; 12)<br />
Lokale TV-Veranstalter in Brandenburg:<br />
Märkte, Programme, Technik/ Liepelt, Klaus<br />
(Hrsg.). – Berlin: Vistas, 2001. – 285 S. (Schriftenreihe<br />
der MABB; 11)<br />
<strong>Medien</strong>standort Leipzig III: eine Studie zur<br />
Leipziger <strong>Medien</strong>wirtschaft 2000. – Leipzig:<br />
Uni. Leipzig, 2001. – 116 S.<br />
41 Massenkommunikation Politik<br />
Knabe, Hubertus: Der Diskrete Charme der<br />
DDR: Stasi und Westmedien. – Berlin: Propyläen<br />
Verl., 2001. – 504 S.<br />
Oy, Gottfried: Die Gemeinschaft der Lüge:<br />
<strong>Medien</strong>- und Öffentlichkeitskritik sozialer Bewegungen<br />
in der Bundesrepublik. – Münster:<br />
Westfälisches Dampfboot, 2001. – 292 S. (Kritische<br />
Theorie und Kulturforschung; 4)<br />
Umbruch ´98: Wähler, Parteien, Kommunikation/<br />
Oberreuter, Heinrich (Hrsg.). – München:<br />
Olzog, 2001. – 289 S.<br />
42 Massenkommunikation Gesellschaft<br />
Aus Politik und Zeitgeschichte: Beilage zur Wochenzeitung<br />
„Das Parlament“; B25-26/01. –<br />
Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung,<br />
2001. – 38 S. (B 25-26; 01)<br />
Technogene Nähe: Ethnographische Studien<br />
zur <strong>Medien</strong>nutzung im Alltag/ Beck, Stefan<br />
(Hrsg.). – Münster: Lit, 2001. – 179 S. (Berliner<br />
592<br />
Blätter: Ethnographische und Ethnologische<br />
Studien; 3)<br />
43 Massenkommunikation Kultur<br />
Handbook of Ethnography/ Atkinson, Paul;<br />
Coffey, Amanda; Delamont, Sara (Hrsg.). –<br />
London: Sage, 2001. – 507 S.<br />
HörWelten: 50 Jahre Hörspielpreis der Kriegsblinden;<br />
1952-2001. – Berlin: Aufbau-Verl.,<br />
2001. – 317 S.<br />
51 Telekommunikation. Informationsgesellschaft<br />
Alkas, Hasan: Preisbündelung auf Telekommunikationmärkten<br />
aus regulierungsökologischer<br />
Sicht. – Bad Honnef: WIK, 2001. – 56 S.<br />
(Diskussionsbeiträge; 219)<br />
Elixmann, Dieter: Der Markt für Übertragungskapazität<br />
in Nordamerika und Europa. –<br />
Bad Honnef: WIK, 2001. – 128 S. (Diskussionsbeiträge;<br />
224)<br />
Elixmann, Dieter; Wörter, Martin: Strategien<br />
der Internationalisierung im Telekommunikationsmarkt.<br />
– Bad Honnef: WIK, 2001. – 64 S.<br />
(Diskussionsbeiträge; 220)<br />
Groß, Wolfgang: Preisdifferenzierung auf Telekommunikationsmärkten:<br />
eine wettbewerbsökonomische<br />
Analyse. – Baden-Baden: Nomos,<br />
2001. – 190 S. (Freiburger Studien zur Netzökonomie;<br />
6)<br />
Heidenreich, Susanne; Trautmann, Ralf: Vernetzte<br />
<strong>Medien</strong>: Analyse und Deskription des<br />
pädagogischen und öffentlichen Diskurses im<br />
Kontext neuer Anforderungen an den Nutzer.<br />
– Chemnitz: RabenStück Verl., 2001. – 166 S.<br />
Nett, Lorenz: Marktorientierte Allokationsverfahren<br />
bei Nummern. – Bad Honnef: WIK,<br />
2001. – 94 S. (Diskussionsbeiträge; 223)<br />
Schlüsselkompetenzen in der Telekommunikation:<br />
Analysen und Erfahrungen des Liberalisierungsprozesses/<br />
Böcker, Jens; Hardtke,<br />
Christoph (Hrsg.). – Wiesbaden: Gabler, 2001.<br />
– 147 S.<br />
Web.Studies: rewiring media studies for the digital<br />
age/ Gauntlett, David (Hrsg.). – London:<br />
Arnold, 2001. – 250 S.
52 neue Technologien. Multimedia<br />
Attention please!: Online-Kommunikation und<br />
Aufmerksamkeit/ Beck, Klaus; Schweiger,<br />
Wolfgang (Hrsg.). – München: R. Fischer,<br />
2001. – 283 S. (Internet Research; 1)<br />
Büllingen, Franz; Stamm, Peter: Mobiles Internet<br />
– Konvergenz von Mobilfunk und Multimedia.<br />
– Bad Honnef: WIK, 2001. – 66 S. (Diskussionsbeiträge;<br />
222)<br />
Elixmann, Dieter; Metzler, Anette: Marktstruktur<br />
und Wettbewerb auf dem Markt für<br />
Internet-Zugangsdienste. – Bad Honnef: WIK,<br />
2001. – 86 S. (Diskussionsbeiträge; 221)<br />
Greis, Andreas: Identität, Authentizität und<br />
Verantwortung: die ethischen Herausforderungen<br />
der Kommunikation im Internet. –<br />
München: KoPäd, 2001. – 316 S. (Kopaed <strong>Medien</strong>ethik;<br />
2)<br />
Hillebrand, Annette; Büllingen, Franz: Internet-Governance:<br />
Politiken und Folgen der institutionellen<br />
Neuordnung der Domainverwaltung<br />
durch ICANN. – Bad Honnef: WIK,<br />
2001. – 80 S. (Diskussionsbeiträge; 218)<br />
Hoff, Dieter: Technische Konvergenz – Fakten<br />
und Perspektiven. – Köln: IRÖ, 2001. – 11 S.<br />
(Arbeitspapiere des Instituts für Rundfunkökonomie<br />
an der Universität zu Köln; 147)<br />
Keller, Alice: Elektronische Zeitschriften im<br />
Wandel: eine Delphi-Studie. – Wiesbaden:<br />
Harrassowitz, 2001. – 158 S. (Bibliotheksarbeit;<br />
10)<br />
Lauff, Werner: Neue Inhalte und Nutzungsformen<br />
als Folgen technischer Konvergenz. –<br />
Köln: IRÖ, 2001. – 10 S. (Arbeitspapiere des<br />
Instituts für Rundfunkökonomie an der Universität<br />
zu Köln; 149)<br />
Welker, Martin: Determinanten der Internet-<br />
Nutzung: eine explorative Anwendung der<br />
Theorie des geplanten Verhaltens zur Erklärung<br />
der <strong>Medien</strong>wahl. – München: R. Fischer,<br />
2001. – 274 S. (Internet Research; 2)<br />
71 Massenmedien, allgemein<br />
Bleisteiner, Angela: Literatur im <strong>Medien</strong>wechsel:<br />
eine Studie zur filmischen Adaption von<br />
Dramen Harold Pinters. – Heidelberg: Winter,<br />
2001. – 355 S. (Anglistische Forschungen; 292)<br />
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from the field/ Toth, Elizabeth L.; Aldoory,<br />
Linda (Hrsg.). – New Jersey: Hampton Press,<br />
2001. – 333 S. (The Hampton Press communication<br />
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Hörisch, Jochen: Der Sinn und die Sinne: eine<br />
Geschichte der <strong>Medien</strong>. – Frankfurt: Eichborn,<br />
2001. – 440 S.<br />
<strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong> und Gender Studies/<br />
Klaus, Elisabeth; Röser, Jutta; Wischermann,<br />
Ulla (Hrsg.). – Wiesbaden: Westdeutscher<br />
Verl., 2001. – 280 S.<br />
Kreps, Gary L.; Thornton, Barbara C.: Health<br />
communication: theory and practice. – Illinois:<br />
Waveland Press, 1992. – 233 S.<br />
Lawrence, Regina G.: The Politics of force:<br />
Media and the construction of police brutality.<br />
– Berkley: Univ. of California Press, 2000. – 254<br />
S.<br />
<strong>Medien</strong> im Konflikt – Mittäter oder Mediatoren:<br />
Internationale Konferenz Berlin, 11. Mai<br />
2000. – Bonn: Friedrich-Ebert-Stiftung, 2000. –<br />
127 S.<br />
Milev, Rossen: Europäische <strong>Medien</strong>- und<br />
<strong>Kommunikations</strong>geschichte in Daten und Fakten:<br />
ein geschichtlicher Abriss der wichtigsten<br />
Fakten und Zusammenhänge in der Entwicklung<br />
medialer Kommunikation in Europa von<br />
der Antike bis zur Gegenwart. – Graz: Ed.<br />
Blimp, 2001. – 175 S.<br />
Oette, Mark: Die Qualität medizinischer Berichterstattung<br />
in Printmedien am Beispiel der<br />
Prävention. – Hagen: ISL Verlag, 2001. – 213 S.<br />
(Medizinpublizistische Arbeiten; 18)<br />
Schirmer, Stefan: Die Titelseiten-Aufmacher<br />
der Bild-Zeitung im Wandel: eine Inhaltsanalyse<br />
unter Berücksichtigung von Merkmalen<br />
journalistischer Qualität. – München: R. Fischer,<br />
2001. – 207 S. (<strong>Medien</strong> Skripten; 35)<br />
Wulf, Meike: Erich Honecker im Spiegel der<br />
Presse (1971-1994). – Frankfurt: Lang, 2001. –<br />
259 S. (Europäische Hochschulschriften, Reihe<br />
03; 901)<br />
Wykes, Maggie: News, crime, and culture. –<br />
London: Pluto Press, 2000. – 242 S.<br />
593
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
72 <strong>Medien</strong> Bildung<br />
Borrmann, Andreas; Gerdzen, Rainer: Internet<br />
im Deutschunterricht. – Stuttgart: Klett, 2000.<br />
– 81 S.<br />
Jahrbuch <strong>Medien</strong>pädagogik 1/ Aufenanger,<br />
Stefan; Schulz-Zander, Renate; Spanhel, Dieter<br />
(Hrsg.). – Opladen: Leske + Budrich, 2001. –<br />
463 S.<br />
73 <strong>Medien</strong> Ökonomie<br />
Compaine, Benjamin; Gomery, Douglas: Who<br />
owns the media?: Competition and Concentration<br />
in the Mass Media Industry. – London: Erlbaum,<br />
2001. – 604 S.<br />
Fachpresse Statistik 2000. – Frankfurt: Deutsche<br />
Fachpresse, 2001. – getr. S.<br />
Jahresbericht der Kommission zur Ermittlung<br />
der Konzentration im <strong>Medien</strong>bereich (KEK):<br />
Berichtszeitraum 1. Juli 2000 bis zum 30. Juni<br />
2001. – Potsdam: KEK, 2001. – getr. S.<br />
TV Guide 2000 – Zahlen, Fakten, Hintergründe.<br />
– München: Mediagruppe, 2001. – 47 S.<br />
74 <strong>Medien</strong> Recht<br />
Bullinger, Martin: Deregulierung des Rundfunks<br />
als Folge technischer Konvergenz?: die<br />
rechts<strong>wissenschaft</strong>liche Sicht. – Köln: IRÖ,<br />
2001. – 15 S. (Arbeitspapiere des Instituts für<br />
rundfunkökonomie an der universität zu Köln;<br />
151)<br />
Dörr, Dieter: Möglichkeiten und Grenzen supranationaler<br />
Deregulierung von Rundfunkveranstaltern.<br />
– Köln: IRÖ, 2001. – 24 S. (Arbeitspapiere<br />
des Instituts für Rundfunkökonomie<br />
an der Universität zu Köln; 148)<br />
Fischer, Martin: Kirchliche Beiträge im Fernsehen:<br />
Darstellung eines abgestuften Mitgestaltungsmodells<br />
kirchlicher Beteiligung im Fernsehen.<br />
– Frankfurt am Main: Lang, 2001. – 274<br />
S. (Schriften zum Staatskirchenrecht; 4)<br />
Macciacchini, Sandro: Urheberrecht und Meinungsfreiheit:<br />
untersucht am Gegenstand der<br />
Verwendung urheberrechtlich geschützter<br />
Werke in der Berichterstattung der <strong>Medien</strong>. –<br />
Bern: Stämpfli, 2000. – 242 S. (Schriften zum<br />
<strong>Medien</strong>- und Immaterialgüterrecht; 54)<br />
594<br />
Ring, Wolf-Dieter: Möglichkeiten und Grenzen<br />
nationalstaatlicher Deregulierung von<br />
Rundfunkveranstaltern. – Köln: IRÖ, 2001. –<br />
11 S. (Arbeitspapiere des Instituts für Rundfunkökonomie<br />
an der Universität zu Köln;<br />
152)<br />
Rudolf, Eva: Das Recht auf Netzzugang in der<br />
Telekommunikation: Europäisches Gemeinschaftsrecht<br />
und seine Anwendung in §§ 33 ff.<br />
TKG. – Baden-Baden: Nomos, 2001. – 160 S.<br />
(Schriftenreihe Europäisches Recht, Politik<br />
und Wirtschaft; 250)<br />
Schellhaaß, Horst M.: Vermarktungsrechte im<br />
Sport: einige ökonomische Anmerkungen zu<br />
juristischen Gutachten. – Köln: IRÖ, 2001. – 10<br />
S. (Arbeitspapiere des Instituts für Rundfunkökonomie<br />
an der Universität zu Köln; 139)<br />
Schulz, Robert: Der Zugang zum „blanken<br />
Draht“ im Telekommunikationsrecht: Wettbewerb<br />
im Netz oder Wettbewerb zwischen Netzen?.<br />
– München: Beck, 2001. – 279 S. (Europäisches<br />
Wirtschaftsrecht; 22)<br />
Stock, Martin: Innere <strong>Medien</strong>freiheit: ein modernes<br />
Konzept der Qualitätssicherung: mit<br />
Texthanhang; Redakteursstatute im Rundfunk.<br />
– Baden-Baden: Nomos, 2001. – 290 S. (Materialien<br />
zur interdisziplinären <strong>Medien</strong>forschung;<br />
39)<br />
Teichmann, Volkmar: Die Finanzbeziehungen<br />
zwischen den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten<br />
der Bundesrepublik Deutschland:<br />
Bestandsaufnahme und Reformvorschläge.<br />
– Frankfurt: Lang, 2001. – 226 S. (Schriften<br />
des Instituts für Finanzen; 5)<br />
Trute, Hans-Heinrich; Spoerr, Wolfgang;<br />
Bosch, Wolfgang: Telekommunikationsgesetz<br />
mit FTEG: Kommentar. – Berlin: de Gruyter,<br />
2001. – 700 S. (De-Gruyter-Kommentar)<br />
Urheberrechtsgesetz: Kommertar/ Nicolini,<br />
Käte; Pahlberg, Hartwig (Hrsg.). – München:<br />
Vahlen, 2001. – 1307 S.<br />
Vesting, Thomas: Rechtsprobleme der unentgeltlichen<br />
Kabelkanalbelegung durch Landesmedienanstalten:<br />
dargestellt am Beispiel des<br />
Art. 33 Abs. 2 BayMG. – München: R. Fischer,<br />
2001 (BLM-Schriftenreihe; 65)<br />
Weber, Rolf H.: Datenschutzrecht vor neuen<br />
Herausforderungen: Marketing – E-Commerce<br />
– Virtuelle Bank – Sachdaten. – Zürich:
Schulthess, 2001. – 135 S. (Publikationen aus<br />
dem Zentrum für Informations- und <strong>Kommunikations</strong>recht<br />
der Universität Zürich; 13)<br />
Wieben, Arne: Die Trennung von Werbung<br />
und redaktionellem Programm: eine rundfunkrechtliche<br />
Bestandsaufnahme unter besonderer<br />
Berücksichtigung der Rundfunkstaatsreform<br />
2000. – Hamburg: Lit, 2001. – 359 S. (Schriften<br />
zum Informations-, Telekommunikations- und<br />
<strong>Medien</strong>recht; 7)<br />
75 Rundfunk<br />
Daily Talkshows unter der Lupe: <strong>wissenschaft</strong>liche<br />
Beiträge aus Forschung und Praxis/ Christian<br />
Scheidenbauer (Hrsg.). – München: R. Fischer,<br />
2001. – 233 S. (Angewandte <strong>Medien</strong>forschung;<br />
20)<br />
Esser, Oliver: Wirtschaftlichkeitsanalyse werbefinanzierter<br />
Lokalfernsehveranstalter, analysiert<br />
anhand der ökonomischen Klubgütertheorie.<br />
– Köln: IRÖ, 2001. – 103 S. (Arbeitspapiere<br />
des Instituts für Rundfunkökonomie<br />
an der Universität zu Köln; 146)<br />
Hussel, Elke: Marcel Reich-Ranicki und „Das<br />
Literarische Quartett“ im Lichte der Systemtheorie.<br />
– Marburg: Tectum Verl., 2000. – 84 S.<br />
No news is bad news: Radio, television, and the<br />
public/ Bromley, Michael (Hrsg.). – Harlow:<br />
Longman, 2001. – 263 S.<br />
Ricken, Kerstin: Risikomanagement für Fernsehunternehmen:<br />
mögliche Strategien für Vollprogrammanbieter.<br />
– Köln: IRÖ, 2000. – 84 S.<br />
(Arbeitspapiere des Instituts für Rundfunkökonomie<br />
an der Universität zu Köln; 138)<br />
Schuhbauer, Thomas: Umbruch im Fernsehen,<br />
Fernsehen im Umbruch: die Rolle des DDR-<br />
Fernsehens in der Revolution und im Prozess<br />
der deutschen Vereinigung 1989-1990 am Beispiel<br />
des Jugendmagazins „Elf 99“. – Berlin:<br />
Logos, 2001. – 369 S.<br />
Spallek, Cornelia: Perspektiven des öffentlichrechtlichen<br />
Rundfunks in der Informationsgesellschaft:<br />
eine Analyse ausgewählter Strategiepapiere.<br />
– Köln: IRÖ, 2001. – 118 S. (Arbeitspapiere<br />
des Instituts für Rundfunkökonomie<br />
an der Universität zu Köln; 142)<br />
Thielmann, Kai: Talkshows: Analyse von Konflikten<br />
oder sprachliche Inszenierung?. – Wettenberg:<br />
VVB Laufersweiler, 1999. – 104 S.<br />
76 Werbung<br />
Jöhri, Yvonne: Werbung im Internet: Rechtsvergleichende,<br />
lauterkeitsrechtliche Beurteilung<br />
von Werbeformen. – Zürich: Schulthess,<br />
2000 (Publikationen aus dem Zentrum für Informations-<br />
und <strong>Kommunikations</strong>recht der<br />
Universität Zürich; 8)<br />
81 Publikum. <strong>Medien</strong>nutzung<br />
Hasebrink, Uwe: Fernsehen in neuen <strong>Medien</strong>umgebungen:<br />
Befunde und Prognosen zur Zukunft<br />
der Fernsehnutzung. – Berlin: Vistas,<br />
2001. – 124 S. (HAM-Schriftenreihe; 20)<br />
82 Rezeptionsforschung<br />
Inszeniertes Charisma: <strong>Medien</strong> und Persönlichkeit/<br />
Häusermann, Jürg (Hrsg.). – Tübingen:<br />
Niemeyer, 2001. – 160 S. (<strong>Medien</strong> in Forschung<br />
+ Unterricht: Ser. A; 50)<br />
83 Kinder Jugendliche <strong>Medien</strong><br />
Literaturverzeichnis<br />
Altrogge, Michael: Tönende Bilder: Interdisziplinäre<br />
Studie zu Musik und Bildern in Videoclips<br />
und ihrer Bedeutung für Jugendliche; Teil<br />
1-3. – Berlin: Vistas, 2000.<br />
Barthelmes, Jürgen; Sander, Ekkehard: Erst die<br />
Freunde, dann die <strong>Medien</strong>: <strong>Medien</strong> als Begleiter<br />
in der Pubertät und Adoleszenz. – München:<br />
DJI Verl., 2001. – 321 S. (<strong>Medien</strong>erfahrung<br />
von Jugendlichen; 2)<br />
Daily soaps und daily talks im Alltag von Jugendlichen:<br />
eine Studie im Auftrag der Landesanstalt<br />
für Rundfunk Nordrhein-Westfalen<br />
und der Landeszentrale für private Rundfunkveranstalter<br />
Rheinland Pfalz/ Göttlich, Udo;<br />
Krotz, Friedrich; Paus-Haase, Ingrid (Hrsg.). –<br />
Opladen: Leske + Budrich, 2001. – 417 S.<br />
(Schriftenreihe <strong>Medien</strong>forschung der Landesanstalt<br />
für Rundfunk Nordrhein-Westfalen;<br />
38)<br />
Gangloff, Tilmann P.: Ich sehe was, was du<br />
nicht siehst: <strong>Medien</strong> in Europa; Perspektiven<br />
des Jugendschutzes. – Berlin: Vistas, 2001. –<br />
176 S.<br />
Schorb, Bernd: Jugendmedienschutz – Praxis<br />
und Akzeptanz: eine Untersuchung von Bevölkerung<br />
und Abonnenten des digitalen Fernsehens<br />
zum Jugendmedienschutz, zur Fernseher-<br />
595
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
ziehung und zum Jugendschutzinstrument<br />
Vorsperre. – Berlin: Vistas, 2001. – 197 S.<br />
(Schriftenreihe der Bundesmedienanstalten; 20)<br />
91 Literatur zu einzelnen Ländern<br />
Aktuelle <strong>Medien</strong>trends in den USA: Journalismus,<br />
politische Kommunikation und <strong>Medien</strong><br />
im Zeitalter der Digitalisierung/ Kleinsteuber,<br />
Hans J. (Hrsg.). – Wiesbaden: Westdeutscher,<br />
2001. – 328 S.<br />
Appiah-Gyan, Palmer: Die Entwicklung des<br />
Fernsehens in Ghana. – Marburg: Tectum,<br />
2001. – 132 S.<br />
Cseh, Gabriella; Halmai, Gàbor: The Law of<br />
Broadcasting Enterprises in Hungary. – Wien:<br />
Wirtschaftsuniv. Wien, 2001. – 130 S. (Landesberichte<br />
zum Recht der Rundfunkunternehmen)<br />
Gatzen, Barbara: Fernsehnachrichten in Japan:<br />
Inszenierungsstrategien im interkulturellen<br />
Vergleich mit Deutschland. – Tübingen: Narr,<br />
2001. – 332 S.<br />
Lehmann, Ines: Die Politik, die <strong>Medien</strong> und die<br />
öffentliche Meinung der Sowjetunion. – Frank-<br />
596<br />
furt: Lang, 2001. – 475 S. (Die Deutsche Vereinigung<br />
von außen gesehen – Angst, Bedenken<br />
und Erwartungen; 3)<br />
Müller, Monika: Zwischen Zäsur und Zensur:<br />
das sowjetische Fernsehen unter Gorbatschow.<br />
– Wiesbaden: Westdeutscher Verl., 2000. – 398<br />
S.<br />
Ohashi, Ryôsuke: Japan im interkulturellen<br />
Dialog. – München: Iudicium, 1999. – 220 S.<br />
(Japan und sein Jahrhundert)<br />
Parameswaran, Radhika: Global Media Events<br />
in India: contests over beauty, gender and Nation.<br />
– Columbia: AEJMC, 2001. – 52 S. (Journalism<br />
& communication Monographs; 01/2)<br />
Presse Handbuch 2001. – Wien: Verband<br />
Österreichischer Zeitungen, 2001. – 1008 S.<br />
Seven Swedish Longitudinal Studies in the behavioral<br />
sciences/ Janson, Carl-Gunnar<br />
(Hrsg.). – Stockholm: Forskningsradsnämnden,<br />
2000. – 244 S.<br />
Wong, Kokkeong: Media and culture in Singapore:<br />
a theory of controlled commodification.<br />
– Cresskill: Hampton Press, 2000. – 159 S.
English Abstracts and Keywords<br />
Joachim R. Höflich / Patrick Rössler: Mobile written communication – or: e-mail for<br />
the mobile phone. The significance of electronic short messaging (Short Message<br />
Service) with reference to the example of juvenile mobile phone users (Mobile<br />
schriftliche Kommunikation – oder: E-Mail für das Handy. Die Bedeutung elektronischer<br />
Kurznachrichten (Short Message Service) am Beispiel jugendlicher Handynutzer),<br />
pp. 437 – 461<br />
The rapid diffusion of the mobile phone (German: ‘Handy’) in Germany has also led to<br />
the growing use of the Short Message Service (SMS) as a specific category of use. SMS<br />
lets its user send and receive short text messages, comparable to e-mails. SMS messaging<br />
is particularly popular among juveniles; it represents the predominant form of mobile<br />
phone use, even more popular than mobile telephony. Following up the theoretical positioning<br />
of the Short Message Service in the context of a ‘dialectics’ of mobile communication,<br />
the acquisition of SMS by juveniles is examined in an explorative empirical<br />
study. Against the background of a modified uses and gratifications concept, distinct<br />
gratifications connected with the use of the Short Message Service are sounded out. Exchanging<br />
information on personal feelings and maintaining contacts, with the intention<br />
of staying contactable at all times, emerge as the predominant motives for use. A factoranalytical<br />
compression underlines that mutual reassurance is a main motive of use,<br />
which, although just as associated with the phone, can be implemented in a more purposeful<br />
way through a less obtrusive SMS message. The study also points out genderspecific<br />
differences, which suggest a greater affinity of juveniles females to written forms<br />
of communication.<br />
Keywords: Short Message Service, New Media, technically mediated interpersonal communication,<br />
Uses and Gratifications, Acquisition, juveniles<br />
Peter Vorderer / Ute Ritterfeld / Christoph Klimmt: The fun of listening: Narrative<br />
cassettes as an entertainment form promoting the language acquisition of<br />
preschoolers (Spaß am Hören: Hörspielkassetten als sprachförderliche Unterhaltungsangebote<br />
für Vorschulkinder), pp. 462 – 479<br />
The media use of preschoolers has rarely been investigated by researchers. In contrast to<br />
television, the very popular narrative cassettes have received particularly little attention.<br />
This article briefly reviews the few results of studies on the use of such cassettes by<br />
preschoolers. Subsequently, a theoretical model about the effects of narrative cassettes<br />
on children’s language acquisition – which is a critical stage of development at this age<br />
– is developed. The model is based on the connection of concepts from media and language<br />
psychology and assumes that narrative cassettes can contribute to children’s language<br />
acquisition.<br />
Keywords: Narrative cassettes, preschoolers, media effects, language acquisition, entertainment,<br />
entertainment experience, attention<br />
Christoph Klimmt: Ego-shooter, fighting game, sport simulation? On the typologisation<br />
of computer and video games (Ego-Shooter, Prügelspiel, Sportsimulation?<br />
Zur Typologisierung von Computer- und Videospielen), pp. 480 – 497<br />
597
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
Computer and video games confront media and communication research with new challenges.<br />
In view of their rapidly growing popularity and their prominent status among<br />
media entertainment offerings there is a substantial need for research. So far, however,<br />
there have only been a few research papers and even fewer empirical studies on how people<br />
deal with computer and video games. A common terminology and genre classification<br />
for this new object of research does not (yet) exist either. The article, therefore, presents<br />
selected taxonomies as used in practice and in the scientific community and discusses<br />
their advantages and disadvantages. As an alternative to a taxonomy, three central<br />
levels of describing computer and video games are proposed, which seem meaningful<br />
as a basis for a systematic research discussion of this topic.<br />
Keywords: Computer game, video game, interactivity, entertainment, genre, classification,<br />
typology, taxonomy, object description<br />
Annette von Kalckreuth-Tabbara: The regulation of general role clichés in Canadian<br />
broadcasting. Can the cliché-type presentation of women in broadcasting be prevented<br />
by legal control? (Die Regulierung von Geschlechtsrollenklischees im<br />
kanadischen Rundfunk. Lässt sich die klischeehafte Darstellung von Frauen im<br />
Rundfunk durch rechtliche Steuerung verhindern?), pp. 498 – 527<br />
The stereotypical presentation of women in broadcast media, the effects of the clichétype<br />
images on the recipients, and strategies on how to avoid them have been a research<br />
topic in sociology and communications research for some time now. In law research, on<br />
the other hand, the subject has been given little attention up to now. A discussion of the<br />
potential for legal regulation, however, appears to be all the more urgent in view of the<br />
fact supervisory authorities also seem to have now accepted the need for action. Canadian<br />
broadcasting regulators have been dealing with the problems of gender stereotypes<br />
since the Seventies. The Canadian Federal Media Authority has tested a large number of<br />
regulatory models, which could be used for productive discussion in Germany. The article<br />
analyses Canadian regulation efforts and relates them to the German discussion of<br />
gender role clichés. Alongside positive stimuli for a dynamic, creative and experimentfriendly<br />
approach to the subject of general role clichés in broadcasting the Canadian example<br />
also shows which mistakes can be avoided when regulating broadcasting in this<br />
field.<br />
Keywords: Gender role clichés, broadcasting in Canada, discrimination, programme<br />
principles, Sex Equality Act, Stereotypification, promotion of women’s rights, sexualisation,<br />
MediaWatch, complaints proceedings<br />
Daniel E. Jones: Media and communications research in Spain – an overview (<strong>Medien</strong>-<br />
und <strong>Kommunikations</strong>forschung in Spanien – ein Überblick), pp. 528 – 545<br />
The article provides a brief overview of the historical development of media and communications<br />
research in Spain following the end of the Franco regime and describes today’s<br />
institutions, themes and authors in the most important fields of research.<br />
Keywords: Spain, media research, social communication, journalist qualification, Franco<br />
regime, media history, media policies, media system, communications theory, communications<br />
sociology, information technology, political communication, public relations<br />
598
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieses Heftes<br />
PD Dr. Joan Kristin Bleicher, Institut für Germanistik II, Universität Hamburg,<br />
Von-Melle-Park 6, 20148 Hamburg, E-Mail: fs5a097@uni-hamburg.de<br />
Dr. Klaus-Jürgen Buchholz, Niedersächsische Landesmedienanstalt für privaten<br />
Rundfunk, Seelhorststraße 18, 30175 Hannover, E-Mail: buchholz.nlm@t-online.de<br />
Martin Emmer, M.A., Institut für <strong>Medien</strong>- und <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>,<br />
TU Ilmenau, Am Eichicht 1, 98693 Ilmenau, E-Mail: Martin.Emmer@TU-Ilmenau.de<br />
Frank Fölsch, GoldMedia, Oranienburger Str. 27, 10117 Berlin, E-Mail:<br />
Frank.Foelsch@GoldMedia.de oder Frank.Foelsch@ee-consultants.de<br />
Prof. Dr. Joachim R. Höflich, Projekt „Die kommunikative Funktion des Briefes in<br />
der telematischen Gesellschaft“, Lehrstuhl für <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>, Nordhäuser<br />
Str. 65, 99089 Erfurt, E-Mail: joachim.hoeflich@uni-erfurt.de<br />
Prof. Dr. Michael Jäckel, FB IV Soziologie, Universität Trier, 54286 Trier, E-Mail:<br />
jaeckel@uni-trier.de<br />
Prof. Daniel E. Jones, Departament de Periodisme, Universitat Autònoma de Barcelona,<br />
08193 Bellaterra, Spanien, E-Mail: d.jones@tiscali.es<br />
Dr. Annette v. Kalckreuth-Tabbara, LL.M., Bundesstraße 62, 20144 Hamburg,<br />
E-Mail: VKalckreuth@aol.com<br />
Dipl.-Med.wiss. Christoph Klimmt, Institut für Journalistik und <strong>Kommunikations</strong>forschung,<br />
Hochschule für Musik und Theater Hannover, EXPO-Plaza 12,<br />
30539 Hannover, E-Mail: christoph.klimmt@ijk.hmt-hannover.de<br />
Prof. Dr. Martin Löffelholz, Institut für <strong>Medien</strong>- und <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>,<br />
TU Ilmenau, Am Eichicht 1, 98693 Ilmenau, E-Mail: Martin.Loeffelholz@rz.<br />
tu-ilmenau.de<br />
Jan Pinseler, M.A., Alaunstr. 80, 01099 Dresden, E-Mail: jan.pinseler@gmx.net<br />
Dr. Ute Ritterfeld, Abteilung für Sozialpsychologie, Differentielle und Persönlichkeitspsychologie,<br />
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Postfach 4120,<br />
39016 Magdeburg, E-Mail: ute.ritterfeld@gse-w.uni-magdeburg.de<br />
Prof. Dr. Patrick Rössler, Lehrstuhl für <strong>Kommunikations</strong>soziologie und -psychologie,<br />
Universität Erfurt, Nordhäuser Str. 65, 99089 Erfurt, E-Mail:<br />
patrick.roessler@uni-erfurt.de<br />
Prof. Dr. Helmuth Schulze-Fielitz, Lehrstuhl für öffentliches Recht, Umweltrecht<br />
und Verwaltungs<strong>wissenschaft</strong>en, Universität Würzburg, Domerschulstraße 16,<br />
97070 Würzburg, E-Mail: L-Schulze-Fielitz@jura.uni-wuerzburg.de<br />
Tarik Tabbara, LL.M., Bundesstraße 62, 20144 Hamburg, E-Mail:<br />
TarikTabbara@aol.com<br />
Dr. Joachim Trebbe, Institut für Publizistik- und <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>,<br />
FU Berlin, Malteserstr. 74-100, 12249 Berlin, E-Mail: trebbe@zedat.fu-berlin.de<br />
Prof. Dr. Peter Vorderer, Institut für Journalistik und <strong>Kommunikations</strong>forschung,<br />
Hochschule für Musik und Theater, EXPO-Plaza 12, 30539 Hannover, E-Mail: peter.vorderer@hmt-hannover.de<br />
Prof. Dr. Hans J. Wulff, Institut für Neuere Deutsche Literatur und <strong>Medien</strong>, Universität<br />
Kiel, Leibnizstraße 8, 24118 Kiel, E-Mail: hwulff@litwiss-ndl.uni-kiel.de<br />
599
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
Hinweise für Autorinnen und Autoren<br />
Die <strong>wissenschaft</strong>liche Vierteljahreszeitschrift „<strong>Medien</strong> & <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>“<br />
(bis Ende 1999 „Rundfunk und Fernsehen – Zeitschrift für <strong>Medien</strong>- und <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>“)<br />
wird seit 1953 vom Hans-Bredow-Institut herausgegeben<br />
und redaktionell betreut. Die Zeitschrift ist ein interdisziplinäres Forum für theoretische<br />
und empirische Beiträge aus der gesamten <strong>Medien</strong>- und <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>.<br />
Für die Publikation in „<strong>Medien</strong> & <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>“ kommen folgende<br />
Textsorten in Betracht:<br />
• Aufsätze sollen ein Moment originärer theoretischer Leistung beinhalten bzw. einen<br />
theoretisch weiterführenden Argumentationsgang bieten;<br />
• Berichte sollen Befunde zu einem ausgewiesenen Problem von theoretischer oder<br />
medienpraktischer Relevanz darstellen;<br />
• Unter der Rubrik Diskussion sollen Beiträge erscheinen, die innerhalb eines <strong>wissenschaft</strong>lichen<br />
Diskurses Position beziehen und die Diskussion voranbringen können.<br />
Dabei können auch spekulative Betrachtungen fruchtbar sein.<br />
• Literaturberichte/-aufsätze sollen Literatur bzw. ausgewählte Literatur zu bestimmten<br />
Problemstellungen systematisch und vergleichend zusammenfassen und<br />
eine Übersicht über den Stand der Theorie und/oder Empirie geben.<br />
Die Redaktion bietet außerdem die Möglichkeit zur Stellungnahme und Erwiderung zu<br />
publizierten Beiträgen der oben genannten Kategorien. Stellungnahmen und Erwiderungen,<br />
die den in „<strong>Medien</strong> & <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>“ üblichen inhaltlichen und<br />
formalen Standards entsprechen und geeignet sind, die <strong>wissenschaft</strong>liche Diskussion zu<br />
fördern, werden im nächstmöglichen Heft publiziert. Die Redaktion räumt dabei dem<br />
Autor bzw. der Autorin des Beitrages, auf den sich die Stellungnahme bezieht, die Möglichkeit<br />
einer Erwiderung ein.<br />
Manuskripte, die zur Publikation in „<strong>Medien</strong> & <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>“ eingereicht<br />
werden, dürfen nicht anderweitig veröffentlicht sein und bis Abschluss des Begutachtungsverfahrens<br />
nicht anderen Stellen zur Veröffentlichung angeboten werden.<br />
Im Sinne der Förderung des <strong>wissenschaft</strong>lichen Diskurses und der kumulativen Forschung<br />
sowie der Qualitätssicherung legt die Redaktion bei der Begutachtung von Beiträgen<br />
besonderen Wert darauf, dass größtmögliche Transparenz hinsichtlich der verwendeten<br />
Daten hergestellt wird. Autorinnen und Autoren empirischer Beiträge verpflichten<br />
sich mit der Einreichung des Manuskripts, dass sie die Art und Weise der Datenerhebung<br />
bzw. den Zugang zu Datenbeständen, die von Dritten (z. B. Datenbanken) zur<br />
Verfügung gestellt worden sind, ausreichend dokumentieren, um so die Voraussetzungen<br />
für Sekundäranalysen und Replikationen zu schaffen. Zugleich erklären sie sich bereit,<br />
die verwendeten Daten bei <strong>wissenschaft</strong>lich begründeten Anfragen im Rahmen der jeweils<br />
gegebenen Möglichkeiten für weitere Analysen zur Verfügung zu stellen.<br />
Formalien:<br />
• Manuskripte sind der Redaktion in dreifacher Ausfertigung zuzuschicken.<br />
• Da die eingereichten Manuskripte anonymisiert begutachtet werden, sind zwei Titelblätter<br />
erforderlich: eines mit Angabe des Titels und der Namen und Anschriften<br />
der Autorinnen und Autoren, eines ohne Anführung der Namen und Adressen. Das<br />
Manuskript selbst darf keine Hinweise auf die Autorinnen und Autoren enthalten.<br />
600
• Beizufügen ist eine kurze Zusammenfassung des Beitrags (max. 15 Zeilen), die dem<br />
Leser als selbständiger Text einen hinreichenden Eindruck vom Inhalt des jeweiligen<br />
Beitrags vermittelt.<br />
• Der Umfang der Beiträge soll 20 Manuskriptseiten (55.000 Zeichen) nicht überschreiten.<br />
• Die Manuskriptseiten müssen im DIN A4-Format (einseitig), anderthalbzeilig beschrieben<br />
und mit ausreichendem Rand versehen sein.<br />
• Gliederung des Textes: Jedes Kapitel und Unterkapitel sollte mit einer Überschrift<br />
(in Dezimalzählung) versehen sein.<br />
• Hervorhebungen im Text sind kursiv oder fett zu kennzeichnen.<br />
• Für Hinweise und Literaturbelege bestehen wahlweise zwei Möglichkeiten:<br />
a) durch Angabe von Autor, Erscheinungsjahr und Seitenziffer im fortlaufenden<br />
Text – z. B.: . . . (Müller, 1990: 37 – 40) . . . –, wobei der vollständige bibliographische<br />
Nachweis über ein Literaturverzeichnis im Anschluss an den Beitrag erfolgt;<br />
b) über durchnumerierte Anmerkungsziffern, wobei der Text der Anmerkung auf<br />
der entsprechenden Seite aufgeführt wird.<br />
Über eine Annahme des Manuskripts und den Zeitpunkt der Veröffentlichung entscheidet<br />
die Redaktion auf der Grundlage redaktionsinterner und externer Gutachten.<br />
Dem/der Autor/in wird die Redaktionsentscheidung schriftlich mitgeteilt. Im Falle einer<br />
Entscheidung für Überarbeitung, Neueinreichung oder Ablehnung legt die Redaktion<br />
die Gründe für ihre Entscheidung offen. Dazu werden die anonymisierten Gutachten,<br />
evtl. auch nur in Auszügen, zugesandt. Das Begutachtungsverfahren ist in der<br />
Regel sechs Wochen nach Eingang des Manuskripts abgeschlossen; falls die Begutachtung<br />
längere Zeit erfordert, werden die Autor/inn/en benachrichtigt.<br />
Von jedem Originalbeitrag werden 20 Sonderdrucke kostenlos zur Verfügung gestellt.<br />
Weitere Sonderdrucke können bei Rückgabe der Fahnenkorrektur an die Redaktion<br />
schriftlich gegen Rechnung bestellt werden.<br />
Verlag und Redaktion haften nicht für Manuskripte, die unverlangt eingereicht werden.<br />
Mit der Annahme eines Manuskripts erwirbt der Verlag von den Autorinnen und Autoren<br />
alle Rechte, insbesondere auch das Recht der weiteren Vervielfältigung zu gewerblichen<br />
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Anschrift der Redaktion: Hans-Bredow-Institut<br />
Heimhuder Straße 21, 20148 Hamburg (Tel. 0 40/45 02 17-41)<br />
<strong>Medien</strong> & <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong><br />
Herausgegeben vom Hans-Bredow-Institut für <strong>Medien</strong>forschung an der Universität Hamburg<br />
ISSN 1615-634X<br />
Die Zeitschrift sowie alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung,<br />
die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des<br />
Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und<br />
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601
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
Inhaltsverzeichnis 49. Jahrgang 2001<br />
AUFSÄTZE<br />
Klaus-Dieter Altmeppen Ökonomisierung aus organisationssoziologischer<br />
Perspektive. Der Beitrag der <strong>Medien</strong>unternehmen<br />
zur Ökonomisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2/195<br />
Andrea Grisold Ökonomisierung der <strong>Medien</strong>industrie aus wirtschaftspolitischer<br />
Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2/237<br />
Jürgen Heinrich Ökonomisierung aus wirtschafts<strong>wissenschaft</strong>licher<br />
Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2/159<br />
Joachim R. Höflich / Julian Gebhardt Der Computer als Kontakt- und Beziehungsmedium.<br />
Theoretische Verortung und explorative Erkundungen<br />
am Beispiel des Online-Chats . . . . . . . . . . . 1/24<br />
Joachim R. Höflich / Patrick Rössler Mobile schriftliche Kommunikation – oder: E-Mail<br />
für das Handy. Die Bedeutung elektronischer Kurznachrichten<br />
(Short Message Service) am Beispiel jugendlicher<br />
Handynutzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4/437<br />
Manfred Knoche Kapitalisierung der <strong>Medien</strong>industrie aus politökonomischer<br />
Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2/177<br />
Lucy Küng The Internet’s impact on incumbent media firms: a<br />
management perspective . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2/218<br />
Werner A. Meier / Otfried Jarren Ökonomisierung und Kommerzialisierung von <strong>Medien</strong><br />
und <strong>Medien</strong>system. Einleitende Bemerkungen<br />
zu einer (notwendigen) Debatte . . . . . . . . . . . . . . . . 2/145<br />
Michael Meyen Das „duale Publikum“. Zum Einfluss des <strong>Medien</strong>angebots<br />
auf die Wünsche der Nutzer . . . . . . . . . . . 1/5<br />
Gabriele Siegert Ökonomisierung der <strong>Medien</strong> aus systemtheoretischer<br />
Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2/167<br />
Josef Trappel Ökonomisierung aus der Sicht der Online-<strong>Medien</strong><br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2/227<br />
Carsten Winter / Matthias Karmasin Ökonomisierung aus unternehmensstrategischer<br />
Perspektive. Ursachen, Formen und Folgen der globalen<br />
Kommerzialisierung medialer Wertschöpfungsprozesse<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2/206<br />
Thomas Vesting Das Rundfunkrecht vor den Herausforderungen der<br />
Logik der Vernetzung. Überlegungen zu einer horizontalen<br />
Rundfunkordnung für die Ökonomie der<br />
Aufmerksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3/287<br />
602
Peter Vorderer / Ute Ritterfeld / Spaß am Hören. Hörspielkassetten als sprachför-<br />
Christoph Klimmt derliche Unterhaltungsangebote für Vorschulkinder<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4/462<br />
Stefan Wehmeier Ökonomisierung des Fernsehens. Ein Beitrag zur<br />
Verbindung von System und Akteur . . . . . . . . . . . . 3/306<br />
BERICHTE<br />
Nicola Döring Persönliche Homepages im WWW. Ein kritischer<br />
Überblick über den Forschungsstand . . . . . . . . . . . 3/325<br />
Johanna Dorer Internet und Geschlechterordnung: Expertinnen im<br />
Gespräch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1/44<br />
Tilo Hartmann / Christoph Klimmt / Avatare: Parasoziale Beziehungen zu virtuellen Ak-<br />
Peter Vorderer teuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3/350<br />
Daniel Jones <strong>Medien</strong>- und <strong>Kommunikations</strong>forschung in Spanien<br />
– ein Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4/528<br />
Annette von Kalckreuth-Tabbara Die Regulierung von Geschlechtsrollenklischees im<br />
kanadischen Rundfunk. Lässt sich die klischeehafte<br />
Darstellung von Frauen im Rundfunk durch rechtliche<br />
Steuerung verhindern? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4/498<br />
Christoph Klimmt Ego-Shooter, Prügelspiel, Sportsimulation? Zur Typologisierung<br />
von Computer- und Videospielen . . 4/480<br />
Jan Pinseler Sprechen im Freien Radio. Eine Fallanalyse zu Möglichkeiten<br />
alternativen Hörfunks . . . . . . . . . . . . . . . 3/369<br />
DISKUSSION<br />
Inhaltsverzeichnis 49. Jahrgang 2001<br />
Klaus-Jürgen Buchholz Zur Funktion nichtkommerzieller und Freier Radios.<br />
Anmerkungen zum Aufsatz von Jan Pinseler in<br />
M&K 3/2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4/546<br />
Jan Pinseler „Das ist einfach nur unprofessionell“. Eine Antwort<br />
auf Klaus-Jürgen Buchholz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4/551<br />
LITERATUR<br />
Aufsatz Reihe „Klassiker der <strong>Kommunikations</strong>- und<br />
<strong>Medien</strong><strong>wissenschaft</strong> heute“<br />
Friedrich Krotz Marshall McLuhan Revisited. Der Theoretiker des<br />
Fernsehens und die <strong>Medien</strong>gesellschaft . . . . . . . . . . 1/62<br />
Besprechungen<br />
Ruth Ayass Paul L. Jalbert (Hrsg.): Media Studies. Ethnomethodological<br />
Approaches. Lanham/New York/Oxford<br />
1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1/82<br />
603
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
Joan Kristin Bleicher Erika Fischer-Lichte / Isabel Pflug (Hrsg.): Inszenierung<br />
von Authentizität. Tübingen: Francke,<br />
2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3/395<br />
Joan Kristin Bleicher Jutta Röser: Fernsehgewalt im gesellschaftlichen<br />
Kontext. Eine Cultural Studies-Analyse über <strong>Medien</strong>aneignung<br />
in Dominanzverhältnissen, Opladen:<br />
Westdeutscher 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4/553<br />
Karin Böhme-Dürr Michael Bodin: Ausgebrannt ... über den „Burnout“<br />
im Journalismus. Ursachen und Auswege. Wiesbaden:<br />
Westdeutscher Verlag, 2000 . . . . . . . . . . . . . . . 3/396<br />
Heinz Bonfadelli Hubert Eichmann: <strong>Medien</strong>lebensstile zwischen Informationselite<br />
und Unterhaltungsproletariat,<br />
Frankfurt a.M. 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2/249<br />
Dorle Dracklé Brigitte Busch: Der virtuelle Dorfplatz. Minderheitenmedien,<br />
Globalisierung und kulturelle Identität.<br />
Klagenfurt 1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1/85<br />
Martin Emmer Christoph Bieber: Politische Projekte im Internet.<br />
Online-Kommunikation und politische Öffentlichkeit,<br />
Frankfurt/New York: Campus 1999 . . . . . . . . 4/554<br />
Frank Fölsch Anja Claudia Todtenhaupt: Cyber TV – Die Digitalisierung<br />
der Film- und Fernsehproduktion. Münster:<br />
Lit 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4/556<br />
Ludwig Gramlich Tanja Eisenblätter: Regulierung in der Telekommunikation.<br />
Zum Begriff der Regulierung im TKG unter<br />
besonderer Berücksichtigung der Regulierung<br />
durch Independent Agencies in den USA, Frankfurt<br />
a. M. 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2/250<br />
Knut Hickethier Jostein Gripsrud (Ed.): Television and Common<br />
Knowledge. London / New York: Rootledge,<br />
1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3/397<br />
Joachim R. Höflich Thomas Meyer / Rüdiger Ontrup / Christian Schicha:<br />
Die Inszenierung des Politischen. Zur Theatralität<br />
von <strong>Medien</strong>diskursen. Opladen 2000 . . . . . . . . 1/87<br />
Christina Holtz-Bacha Jens Wolling: Politikverdrossenheit durch Massenmedien?<br />
Der Einfluss der <strong>Medien</strong> auf die Einstellungen<br />
der Bürger zur Politik, Opladen/Wiesbaden<br />
1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2/252<br />
Michael Jäckel David Gauntlett /Annette Hill: TV Living. Television,<br />
Culture and Everyday Life, London, New York:<br />
Routledge 1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4/558<br />
604
Inhaltsverzeichnis 49. Jahrgang 2001<br />
Manfred Jenke Claudia Mast: Programmpolitik zwischen Markt<br />
und Moral. Entscheidungsprozesse über Gewalt im<br />
Deutschen Fernsehen – eine explorative Studie. Opladen/<br />
Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, 1999 . . . 3/399<br />
Claudia Lampert Deutsches Jugendinstitut (Hrsg.): Werbe- und Konsumerziehung<br />
international. Beiträge aus Großbritannien,<br />
USA, Frankreich, Italien und Deutschland.<br />
Opladen 1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1/90<br />
Martin Löffelholz Ingrid Volkmer: News in the Global Sphere. A Study<br />
of CNN and its Impact on Global Communication.<br />
Luton: University of Luton Press 1999 . . . . . 4/560<br />
Jens-Uwe Nieland Margot Berghaus (Hrsg.): Interaktive <strong>Medien</strong>, interdisziplinär<br />
vernetzt. Opladen/Wiesbaden 1999 . . . 1/92<br />
Klaus Plake Jo Reichertz: Die frohe Botschaft des Fernsehens.<br />
Kultur<strong>wissenschaft</strong>liche Untersuchung medialer<br />
Diesseitsreligion. Konstanz: UVK, 2000 . . . . . . . . . 3/400<br />
Horst Pöttker Bart Pattyn (Ed.): Media ethics. Opening social dialogue,<br />
Leuven 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2/254<br />
Jörg Requate Christoph Classen: Bilder der Vergangenheit. Die<br />
Zeit des Nationalsozialismus im Fernsehen der Bundesrepublik<br />
Deutschland 1955-1965. Köln 1999 . . 1/98<br />
Armin Scholl Weiterentwicklung oder Auslaufmodell? Systemtheoretische<br />
Ansätze in der Journalismusforschung<br />
– eine Sammelrezension: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3/384<br />
Stefan Frerichs: Bausteine einer systemischen Nachrichtentheorie.<br />
Konstruktives Chaos und chaotische<br />
Konstruktionen. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag,<br />
2000<br />
Martin Löffelholz (Hrsg.): Theorien des Journalismus.<br />
Ein diskursives Handbuch. Wiesbaden: Westdeutscher<br />
Verlag, 2000<br />
Stefan Weber: Was steuert Journalismus? Ein System<br />
zwischen Selbstreferenz und Fremdsteuerung.<br />
Konstanz: UVK, 2000<br />
Dagmar Schütte Annette von Kalckreuth: Geschlechtsspezifische<br />
Vielfalt im Rundfunk. Ansätze zur Regulierung von<br />
Geschlechtsrollenklischees. Baden-Baden: Nomos<br />
2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3/402<br />
Helmuth Schulze-Fielitz Wolfgang Hoffmann-Riem: Regulierung der dualen<br />
Rundfunkordnung. Grundfragen, Baden-Baden:<br />
Nomos 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4/562<br />
605
M&K 49. Jahrgang 4/2001<br />
Dieter Stammler Matthias Knothe: Die neuen Institutionen des<br />
Rundfunkstaatsvertrages zwischen Rechtsaufsicht<br />
und Staatsfreiheit, Bargstedt 2000. . . . . . . . . . . . . . . 2/255<br />
Rudolf Stöber Adelheid von Saldern / Inge Marßolek: Radiozeiten.<br />
Herrschaft, Alltag, Gesellschaft 1924–1960, Potsdam<br />
1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2/256<br />
Tarik Tabbara Susan J. Drucker / Gary Gumpert (Hrsg.): Real Law<br />
@ Virtual Space. Communication Regulation in Cyberspace,<br />
Cresskill: Hampton Press 1999 . . . . . . . . 4/565<br />
Jens Tenscher Klaus Kamps (Hrsg.): Trans-Atlantik – Trans-Portabel?<br />
Die Amerikanisierungsthese in der politischen<br />
Kommunikation. Wiesbaden: Westdeutscher<br />
Verlag, 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3/404<br />
Barbara Thomaß Julia Morgenthaler: Facts oder Fiction? Kommunikatorstudie<br />
zu den Determinanten für Fakes in<br />
Fernsehboulevardmagazinen, Bochum 2000 . . . . . . 2/258<br />
Joachim Trebbe Isabella-Afra Holst: Realitätswahrnehmung in politischen<br />
Konflikten. Grundlagen einer Theorie der<br />
Wissenskluft, Konstanz: UVK 2000 . . . . . . . . . . . . 4/568<br />
Hans J. Wulff Roberta E. Pearson / Philip Simpson (eds.): Critical<br />
Dictionary of Film and Television Theory. London/New<br />
York: Routledge 2001 . . . . . . . . . . . . . . . 3/406<br />
Hans J. Wulff Rolf Parr / Matthias Thiele (Hrsg.): Gottschalk,<br />
Kerner & Co. Funktionen der Telefigur „Spielleiter“<br />
zwischen Exzeptionalität und Normalität, Frankfurt:<br />
Suhrkamp 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4/569<br />
Zeitschriftenlese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1/99<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2/260<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3/409<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4/571<br />
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1/114<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2/269<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3/419<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4/591<br />
CHRONIK<br />
Christiane Matzen / Anja Herzog Chronik der Rundfunkentwicklung in Deutschland<br />
2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1/119<br />
English abstracts and keywords . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1/131<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2/273<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3/424<br />
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4/597<br />
606
M&K 2001/4 <strong>Medien</strong> & <strong>Kommunikations</strong><strong>wissenschaft</strong>