II. Quartal 2012 - Zahnärztekammer Berlin
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Gewalt erkennen – Befunde dokumentieren<br />
– Opfer informieren<br />
Der Zahnmediziner in rechtsmedizinischer Verantwortung<br />
Vieles hat sich mit dem neuen Kinderschutzgesetz<br />
verbessert: An sich zur Schweigepflicht verpflichtete<br />
Berufe wie Ärzte und Zahnärzte dürfen heute aktiv werden,<br />
wenn sie den Verdacht hegen, dass einer Patientin, einem<br />
Patienten, einem Kind Gewalt angetan wurde oder eine Misshandlung<br />
vorliegt. Gemäß Rechtsprechung kann bereits ein<br />
verwahrloster Kindermund mit erheblichen Schäden als Anlass<br />
gesehen werden, sich vertieft mit der Frage zu befassen,<br />
ob es im Alltag des Kindes ebenfalls Misshandlung und/oder<br />
weitere Verwahrlosung gibt. Beispielsweise sind Gespräche<br />
mit dem Hausarzt, mit Behörden und nicht zuletzt mit Einrichtungen<br />
möglich, die sich dem Kinderschutz widmen.<br />
Bei der Dienstagabend-Fortbildung am 6. Dezember vergangenen<br />
Jahres berichtete daher Dipl.-Stom. Gerald Flemming,<br />
was aus Sicht der Zahnärzte relevant ist, und Beate<br />
Köhn vom „<strong>Berlin</strong>er Notdienst Kinderschutz“, welche Möglichkeiten<br />
der rechtlich gesicherten Zusammenarbeit mit den<br />
Zahnärzten bestehen.<br />
ZA Flemming, der mit der ZÄK in Mecklenburg-Vorpommern<br />
Vorreiter der Thematik war und ist, definierte den Begriff<br />
Kindesmisshandlung als „bewusste oder unbewusste gewaltsame<br />
körperliche und/oder seelische Schädigung“. Er berichtete,<br />
dass die Thematik noch in den 1960er Jahren wenig<br />
Beachtung gefunden habe. Sie sei erst in den 1970ern durch<br />
die Frauenbewegung thematisiert und 1996 durch die WHO<br />
angesprochen worden. Erst im Jahre 2004 geriet das Thema<br />
in Deutschland aufgrund einer Studie des Familienministeriums<br />
überhaupt in Bewegung. Gewalt gebe es in allen Gesellschaftsschichten<br />
und in allen Altersgruppen, Kinder und<br />
behinderte alte Frauen seien besonders betroffen.<br />
Die Zahnärzteschaft sei oft erste Quelle, um mögliche Gewalt<br />
zu erkennen: Während Arztbesuche meist aus Angst vermieden<br />
würden, kämen Eltern und Ehepartner mit den betroffenen<br />
Patienten bei Schmerzen in die zahnärztlichen Praxen.<br />
Zahnärzte müssten daher lernen, Zeichen zu erkennen, die<br />
auf Gewalt und Misshandlung hinweisen können. Meist würden<br />
Gewaltopfer begleitet von Tätern, die nicht von der Seite<br />
der Opfer weichen, um die Kontrolle zu behalten. Es sei sinnvoll,<br />
vorsichtig einen Raum des Vertrauens allein mit der Patientin,<br />
dem Patienten, dem Kind zu schaffen. Es sei wichtig,<br />
ebenso vorsichtig den Opfern Wissen über die ihnen zustehenden<br />
Rechte zu vermitteln. Hilfreich seien kleine Visitenkarten<br />
oder Info-Kärtchen mit Kontaktdaten, wohin sich Opfer<br />
wenden können. Sinnvoll ist es, potentielle Verletzungen<br />
(je nach Situation unauffällig) für mögliche spätere Gerichtsverfahren<br />
zu dokumentieren.<br />
Aufmerksam solle man werden, wenn die Verletzung nicht zu<br />
der berichteten Entstehungsgeschichte passt und Verletzungen in<br />
verschiedenen Heilungsstadien vorliegen. ZA Flemming zeigte<br />
medizinische Erkennungsbilder und wies darauf hin, dass z. B.<br />
Würgemale nicht nur äußerlich am Hals, sondern auch oder nur<br />
an Einblutungen in der Mundschleimhaut erkennbar seien.<br />
Ein schwieriges, aber wichtiges Thema mit Präventionsaspekt: Zahnärzte<br />
sind aufgerufen, Gewalt und Misshandlungen zu erkennen, entsprechend<br />
zu reagieren und mit den zuständigen Stellen zu kooperieren.<br />
Bei der Dienstagabend-Fortbildung am 6. Dezember 2011, wie immer<br />
bestens vom Pfaff-Institut organisiert: Juliane Gnoth, Vorstand <strong>Zahnärztekammer</strong><br />
<strong>Berlin</strong> und Leiterin der Dienstagabend-Fortbildung, mit<br />
den Referenten Dipl.-Stom. Gerald Flemming, ZÄK Mecklenburg-<br />
Vorpommern, und Beate Köhn, <strong>Berlin</strong>er Notdienst Kinderschutz.<br />
Es gibt inzwischen vielfältige, von den Zahnärzten ausgearbeitete<br />
Diagnose- und Meldebögen, die auch die <strong>Zahnärztekammer</strong><br />
<strong>Berlin</strong> auf Anfrage zur Verfügung stellt. Die Verbesserung<br />
der Information der Zahnärzteschaft in <strong>Berlin</strong> wird<br />
derzeit vorbereitet. Beate Köhn unterstützte den Vortrag und<br />
regte an, zur Dokumentation, wenn dies schwierig würde,<br />
auch eine ZFA als Zeugin hinzuzuziehen. Der <strong>Berlin</strong>er Notdienst<br />
Kinderschutz berate als öffentlicher Träger auch Ärzte<br />
und Zahnärzte in der besten Vorgehensweise.<br />
Weitere Informationen zum <strong>Berlin</strong>er Notdienst Kinderschutz<br />
telefonisch: 030 - 61 00 61<br />
oder unter www.hotline-kinderschutz.de<br />
Birgit Dohlus<br />
MBZ Heft 02 <strong>2012</strong><br />
F o r t b i l d u N g<br />
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