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Ausgabe 3-2013 - IGZ

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| Sc h w e r p u n k t t h e m aBenjamin EwertPatient und Konsumentin einer PersonMultiple Nutzeridentitäten im GesundheitswesenDr. Benjamin EwertWissenschaftlicher Mitarbeiteram Lehrstuhl für VergleichendeGesundheits- undSozialpolitik der Justus-Liebig-Universität GießenEinleitungIn modernen Gesundheitssystemen, so die Kernthesedieses Beitrages, werden Nutzer in multiplenRollen angesprochen – als Bürger, Versicherte,Patienten und Konsumenten. 1 Nutzern werden dieseRollen kontextuell zugeschrieben: Etwa als Adressatenvon Gesundheitspolitik, in der Interaktionmit Leistungserbringern und der Inanspruchnahmevon Leistungen und Diensten oder bei der privatenInvestition in präventive Gesundheitsleistungen.„Mündigkeit“ heißt in diesem Zusammenhangfür Nutzer, die situativ unterschiedlichen Rollenanforderungenzu erkennen und mit den eigenen Ansprüchenan eine gute Gesundheitsversorgung sowievorhandenen Handlungskompetenzen in Einklangzu bringen. Erst im Wechselspiel zwischen äußerenRollenzuschreibungen und persönlichen Wert- undGesundheitsvorstellungen können sich individuelleNutzeridentitäten herausbilden. Wie herausfordernddieser Positionierungsprozess für Nutzer desGesundheitswesens sein kann, zeigt der Beitrag amBeispiel der Zahnmedizin.Sozialpolitischer WandelDie einleitend skizzierten Veränderungen sind Teileines größeren Politikwechsels, daher ist zunächstnach den sozialpolitischen Rahmenbedingungenmodernisierter Gesundheitswesen zu fragen. WelcheBegründungsmuster und Prinzipien begleitengegenwärtige Gesundheitsreformen, neue Nutzerleitbildersowie die konkrete Ausgestaltung des Versorgungsangebotes?Neue Sozialpolitiken verschränken soziale und wirtschaftlicheZiele: An die Stelle von distributiven Begründungenfür sozialpolitische Maßnahmen tretenInvestitionsprogramme zur Aktivierung von Sozialbürgern,d.h. soziale Rechte, wie zum Beispiel derkostenlose Zugang zu Gesundheitsleistungen, sindnicht länger bedingungslos, sondern stets an gewisseEigenleistungen gebunden. So ist etwa das Rechtzur „Marktteilnahme” in der gesetzlichen Kranken-1 Benjamin Ewert: Vom Patienten zum Konsumenten? Nutzerbeteiligung und Nutzeridentitätenim Gesundheitswesen, Wiesbaden: Springer VS, <strong>2013</strong>versicherung (GKV) an die eigenverantwortlicheAnbieterauswahl gebunden. Innerhalb beitragsfinanzierterSicherungssysteme werden Effizienz undWachstum zu Antriebsmotoren und Legitimationsgrundlagensozialpolitischer Maßnahmen. Bezogenauf die GKV heißt das: Versicherte sollen durch ihreWahlentscheidung dazu beitragen, dass sich finanziellgesunde und wettbewerbsstarke Anbieter langfristigam Markt durchsetzen. Vor dem Hintergrunddieser Prämisse bedeutet erfolgreiche Sozialpolitiknicht nur Sicherheit und Entfaltungsmöglichkeitenfür den Einzelnen, sondern auch die Grundlage fürwirtschaftliches Wachstum in der Gesellschaft.Die Nutzbarmachung von Marktmechanismen für sozialpolitischeZiele erfolgt anhand zweier Prozesse,die mit unterschiedlichen Rollenanforderungen fürdie Adressaten von Sozialpolitik (bzw. Nutzer des Gesundheitswesens)verknüpft sind: der Ökonomisierungund der Vermarktlichung.Die Ökonomisierung von sozialen und gesundheitlichenLeistungen und Diensten entfacht potentiellrestriktive Wirkungen, wie die Eingrenzung sozialerRechte und Wahlfreiheiten für Nutzer durch die Rationierungoder Konditionalisierung von Leistungen.Von stärker wettbewerbsbasierten Gesundheitssystemenkönnen dahingegen für Nutzer freiheitsverbürgendePotentiale, wie mehr Wahlmöglichkeiten(choice) und Mitspracherechte (voice) ausgehen.Welche Ökonomisierungs- und Vermarktlichungsprozessevollziehen sich im deutschen Gesundheitswesen?Instrumente und Programme zur Rationalisierungund Kostendämpfung lassen sich vielerorts im Gesundheitssystemfinden: Etwa im Krankenhaussektor,wo die retrospektive Vergütung dem effizientererscheinenden System der Diagnosis Related Groupsgewichen ist; in der ambulanten Versorgung mittelsZuzahlungen und Budgetierungen; aber auch restriktivausgestaltete Managed Care Programme und qualitätsunsensibleKosten-Nutzen-Bewertungen gehörenin diese Kategorie. Die Gemeinsamkeit aller Ökonomisierungsmaßnahmenim Gesundheitsbereich liegt22 | <strong>IGZ</strong> DIe Al t e r n A t I v e nr. 3/<strong>2013</strong>

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