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Ausgabe 3-2013 - IGZ

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Sc h w e r p u n k t t h e m a |Einige zahnärztliche Körperschaften sind rechtlichsowohl gegen teilnehmende Zahnärzte als auch gegendie Plattformen selbst vorgegangen. Der Falleines Zahnarztes aus Baden-Württemberg, der alsBieter an einer Internetauktion teilgenommen undvom Berufsgericht für Zahnärzte einen Verweis fürberufsrechtswidriges Verhalten erhalten hatte, wurdeim Dezember 2010 schließlich vom Bundesverfassungsgerichtentschieden. Vorangegangen wardie Berufung des Zahnarztes beim Landesberufsgerichtfür Zahnärzte in Stuttgart, das die Beschwerdeabgewiesen hatte. Das Landesberufsgericht hatteseine Entscheidung maßgeblich darauf abgehoben,dass die Abgabe einer Kostenschätzung ohne vorherigepersönliche Untersuchung gegen die Berufsordnungfür Zahnärzte der Landeszahnärztekammer Baden-Württembergverstoße.Der Zahnarzt legte beim BundesverfassungsgerichtVerfassungsbeschwerde ein, weil er u.a. sein verfassungsmäßiggarantiertes Recht der Berufsfreiheit (Art.12, Abs. 1 GG) verletzt sah. Das BVG hatte sich nunmit der Frage zu beschäftigen, ob die Auslegung derVorschriften der Berufsordnung durch das Landesberufsgerichtin das Recht der Berufsausübungsfreiheitdes Zahnarztes eingegriffen hat. Die Verfassungsrichterbejahten einen solchen Eingriff und gaben dembeschwerdeführenden Zahnarzt Recht.Dass ein Zahnarzt eine einigermaßen verlässlicheKostenschätzung nur dann abgeben kann, wenn erden Patienten zuvor persönlich untersucht hat, bleibtbei der Entscheidung weitgehend außer Betracht.Bemerkenswert ist, dass das BVG das Verhalten desZahnarztes allein am Kriterium der durch das Grundgesetzgeschützten Berufsfreiheit und den hohen Anforderungenan der Einschränkung derselben misst.Das wirft die Frage auf, welchen Wert Regelungen inzahnärztlichen Berufsordnungen noch haben, die ausguten Gründen - nämlich zum Schutz von Zahnärztenund Patienten - bestimmte Aspekte der Berufsausübungeinschränken. Werbeverbote, die grundlegendeVerpflichtung auf die Gebote der ärztlichenEthik, auf kollegiales Verhalten, auf die Erhebungangemessener Honorare - diese Vorschriften aus denzahnärztlichen Berufsordnungen schränken strenggenommenallesamt die Freiheit der Berufsausübungein. Viele dieser Regeln könnten sich als nicht verfassungskonformerweisen.Für Einschränkungen der Berufsausübungsfreiheithat das BVG auf die hohen Maßstäbe verwiesen, diehier anzulegen seien: „Ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheitbedarf nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GGeiner gesetzlichen Grundlage, die ihrerseits den verfassungsrechtlichenAnforderungen an grundrechtseinschränkendeGesetze genügt (vgl. BVerfGE 94,372 ; 111, 366 ; stRspr). Darüber hinaussind Beschränkungen der Berufsausübungsfreiheitnur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wennsie vernünftigen Zwecken des Gemeinwohls dienenund den Berufstätigen nicht übermäßig oder unzumutbartreffen (vgl. BVerfGE 7, 377 ; 85,248 ), also dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeitgenügen.“ 1Vieles dürfte künftig von der Ausdeutung der „vernünftigenZwecke[...] des Gemeinwohls“ abhängen.Allerdings wollte das Bundesverfassungsgericht nichteinmal der in der Medizin unumstrittenen Meinungfolgen, dass ein seriöser Therapievorschlag - und damitdie Schätzung der Kosten dafür - nur nach eingehenderpersönlicher Untersuchung des Patientenabgegeben werden könne: „Es ist nicht mit Art. 12Es darf nicht sein, dass basale Regeln derärztlichen Berufsausübung mit dem Verweisauf die grundgesetzlich geschützte Berufsfreiheitausgehebelt werden können.Abs. 1 GG zu vereinbaren, dass das Gericht [LandesberufsgerichtStuttgart, das die Berufung des Zahnarztesabgewiesen hatte - Anm. der Red.] das Fehleneiner persönlichen Untersuchung des Patienten vorder Abgabe der Kostenschätzung als Verletzung einerBerufspflicht beurteilt. Denn es sind keine Gründedes Gemeinwohls zu erkennen, nach denen einesolche Untersuchung im konkreten Fall geboten gewesenwäre.“ 2Es muss von Seiten des zahnärztlichen Berufsstandesdeutlicher herausgearbeitet werden, in welcher WeiseEinschränkungen der Berufsausübung, wie sie inden Berufsordnungen verankert sind, konkret demGemeinwohl dienen. Es darf nicht sein, dass basaleRegeln der ärztlichen Berufsausübung - nämlich denallgemeinen wissenschaftlichen Standards der Zahnmedizinzu folgen (Lege artis zu behandeln) - mit demVerweis auf die grundgesetzlich geschützte Berufsfreiheitausgehebelt werden können.Die Konsequenz wäre ohne Zweifel ein allmählichesAbsinken medizinischer und ethischer Standards,eine zunehmende Vergewerblichung mit der Wiederkehrzweifelhafter pseudomedizinischer, durchdie Berufsausübungsfreiheit geschützter Angeboteund damit letztlich ein Qualitäts- und Ansehensverlustder Zahnmedizin und des Berufsstandes. Dementgegen zu wirken dürfte allemal zu den „vernünftigenZwecken des Gemeinwohls“ gehören.1 Bundesverfassungsgericht - 1 BvR 1287/08 -, http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk20101208_1bvr128708.html2 ebd.<strong>IGZ</strong> Die Al t e r n a t iv e Nr. 3/<strong>2013</strong> | 27

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