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<strong>Sommer</strong> | <strong>Linaj</strong> 20<strong>09</strong>ROMANI POLITIKA | KULTURA | TSCHIB| <strong>22</strong>/<strong>09</strong>Interview | VakeripeNaphandlipetaj stilWunder, Wort und WutDimitré Dinev im GesprächVunderi, alav, holiO Dimitré Dinev ando vakeripe| 3-8 |Musik | MuschikaRoasinaschi tajkiraliskeri tschajMotörhead und Sinti-SwingUnkonventionelle neue MusikbücherMotörhead taj Sinti-SwingNeve muschikakere kenvi| 16-19 |BeschäftigungsprojektButschakero projektoButi tajidentitetaTHARA – Romnija/<strong>Roma</strong> in TransitionEin integratives Projekt für <strong>Roma</strong>THARA – Romnija/<strong>Roma</strong> andi transicijonaIntegrativi projekto le Romenge| 9-11 |HolocaustTrauma taj uprebutschalinipeStand der Forschungzum <strong>Roma</strong>-Holocaust im OstenSo uso Romengero Holocaustando ost te phenel hi| 11-15 |Aktuelles | Sa nevipeLadipe leRomendar Cejiste<strong>Roma</strong>wallfahrt nach MariazellSonntag | Kurke, 9. august 20<strong>09</strong>| 20 |Verlagspostamt 1000, 04Z035690 M


dROMa <strong>22</strong>/<strong>09</strong> Interview | VakeripeBeschäftigungsprojekt | Butschakero projektoHolocaust Musik | Muschika Aktuelles | Sa nevipeLiebe Leserinnenund Leser,Kedveschne genaschkijitaj genaschtscha,grob gezeichnete und oft f<strong>als</strong>che Bilder von den <strong>Roma</strong>gibt es genug. Selten findet man eine differenzierteAußensicht – zumal wenn sie so einprägsam formuliertist wie die von Dimitré Dinev. In diesem Heft bringen wirden ersten Teil des Interviews, das Michael Teichmannmit dem österreichischen Schriftsteller mit bulgarischenWurzeln geführt hat. Dinev recherchiert zur Zeit für einneues Projekt zu bettelnden <strong>Roma</strong>kindern (darüber mehrim zweiten Teil des Gesprächs im nächsten dROMa).Die Initiative THARA unter der Ägide derVolkshilfe hat ein in Österreich einzigartiges Projektauf die Beine gestellt: THARA Romnija/<strong>Roma</strong> inTransition ist eine arbeitsmarktpolitische Maßnahmealleine für <strong>Roma</strong>, die Orientierung in der Arbeitsweltund (ethnische) Identität nicht <strong>als</strong> getrennte, sondernvoneinander abhängige Felder begreift. Lesen Sie dazuden Gastbeitrag von Lydia Anstiss auf Seite 11.Den Stand der Forschung zumnation<strong>als</strong>ozialistischen Massenmord an den <strong>Roma</strong> inOsteuropa gibt ein kürzlich erschienener Sammelbandwieder, den Michael Wogg für Sie gelesen hat. Der Bandliefert einige neue Antworten zu diesem traurigen undüber weite Strecken immer noch verschwiegenen Kapitelder europäischen Geschichte.Schließlich zwei Buchbesprechungenvon <strong>Roma</strong>n Urbaner: „Skurrile und nicht seltenrakitrunkene Begegnungen und Begebenheiten“, erlebtund aufgezeichnet vom Londoner PopjournalistenGaith Cartwright, und die „flüssig geschriebene“Familiengeschichte der jungen Sinti-Sängerin DotschyReinhardt. Reinhardt: „Wir jungen Sinti sind seit demFrühmittelalter die erste Generation meines Volkes aufdeutschem Boden, die frei leben kann.“sorale cajchnim taj buvar hamischane kipi le Romendardosta del. Na butvar laken asaj diferencirti aundikiptscha –taj te le afka vodschikan formulirim hi sar odola le DimitréDinevistar. Ande ada ardipe anas amen o erschti falatole vakeripestar, savo o Michael Teichmann le Austritikepisimaschiha Bulgaritike vurclinenca kertscha. O Dinevakan jeke projektoske rescherschirinel uso Romengerefatschuvtscha, save kudulinen (pedar oda buteder andodujto falato le vakeripestar andi arti dROMa).I inicijativa THARA telal o va la Volkshilfejatarandi Austrija jekoschno projekto upro pre terdschartscha:THARA Romnija/<strong>Roma</strong> andi transicijona hi jekbutschakero foroskero politikano koja korkore leRomenge, o orijentirinipe ando butschakero them taj(etnitiki) identiteta na ojs uladi, ham ojs jek la kijatar telhejngimi mesuja sikal. Genen use o pisintschago la LydiaAnstissatar upri rik 11.O terdschojipe le forschinipestar usonacijon<strong>als</strong>ocijalistischi murdaripe upro <strong>Roma</strong> andiostitiki Europa del jek erscht na dur ari ali khetan kedimikenva papal, savi o Michael Wogg tumenge gentscha. Ikenva anel neve palvakeriptscha uso brigaschno taj pedarduge droma meg mindig na phukado kapitel la europitikahistorijatar.Taj akan meg duj kenvakere angle terdschariptschale <strong>Roma</strong>n Urbaneristar: „ Skurili taj butvar raki pijardetalaliniptscha“, terdschivtscha taj upre lija o englitikopop reporteri Gaith Cartwright, taj i „pajardi pisimi“familijakeri historija la terna Sinti-dschilaschkijatarDortschy Reinhardt. Reinhardt: „Amen terne Sinti sajt oterno maschkarutno phuripe i erschti generacijona mreflogostar upri nimtschki phuv sam, save naphandle schajdschin.“Viel Vergnügen beim Lesen!Ihr Team von dROMaBut voja uso genipe!Tumare dschene andar dROMaEigentümer&Herausgeber: Verein <strong>Roma</strong>-<strong>Service</strong>, Gartenstraße 3, 7511 Kleinbachselten, email: office@roma-service.at, www.roma-service.at |Druck: Druckerei Walla, Rampersdorffergasse 39, 1050 Wien | Redaktion: Emmerich Gärtner-Horvath, Mag. Michael Teichmann, <strong>Roma</strong>n Urbaner,Christine Wassermann, Mag. Michael Wogg | Korrektur, Sprachliche Beratung: Josef Schmidt | Mitarbeiterin dieser Ausgabe: Lydia Anstiss |Gestaltung, Illustrationen: Mag. Marcus Wiesner | Photos: Andreas Myra (3, 5,7), Dimitré Dinev (5), THARA (11), Ljalja Kuznetsova (12)Gefördert vom Bundeskanzleramt, Volksgruppenförderung| | dROMa <strong>22</strong>/<strong>09</strong>, <strong>Sommer</strong> | <strong>Linaj</strong> 20<strong>09</strong>


InterviewDer Schriftsteller Dimitré Dinev über seineErlebnisse und Erfahrungen mit <strong>Roma</strong>,der zweitgrößten bulgarischen MinderheitFreiheitund StilVakeripeJek vakeripe le pisimaschiha Dimitré Dinevpedar leskere terdschivtscha taj esbe liptscha leRomenca, o dujto bareder bulgaritiko tschulipeNaphandlipetaj stilDimitré Dinev wurde 1968 in Plovdiv geboren. Erbesuchte das deutschsprachige Gymnasium in Pasardschik,wo er 1987 maturierte. Drei Jahre später entfloher der hoffnungslosen Situation in seinem Heimatlandund suchte in Österreich um Asyl an. Nach Jahren desWartens und Hoffens, verbracht in Flüchtlingslagernund <strong>als</strong> Gelegenheitsarbeiter, gelang es ihm schließlich,Fuß zu fassen. Er bekam Asyl und später die österreichischeStaatsbürgerschaft. Heute ist er verheiratet undlebt <strong>als</strong> freier Schriftsteller in Wien. Für sein literarischesWerk erhielt er zahlreiche Auszeichnungen,darunter den Buch-Preis 2004 für den Familienroman„Engelszungen“ und zuletzt den „bulgarischen Theater-Oskar“ für sein Stück „Haut und Himmel.“Wann fand Ihre erste Begegnungmit <strong>Roma</strong> statt?Das erste Mal habe ich <strong>Roma</strong> in der Stadt kennengelernt. Sie sind zu uns gekommen, um im Hof Kesselzu verzinnen, Schirme zu reparieren oder Matratzen neuO Dimitré Dinev 1968 ando Plovdiv upro them alo. Ovando gimnasijum ando Pasardschik gelo, kaj iNimtschki Tschib vakerdi uli, taj ov 1987 i maturakertscha. Trin berscha paloda ov pra bibastalasituacijatar andar pro vilago naschi gelo taj andiAustrija vasch asyl mangla. Palo berscha le uscharipestar,ando tradipeskere logertscha taj ojs cajtakerobutschaschi, schofintscha le, pro dschivipe latschedromeske te dschal. Ov asyl uschtidija taj paloda oAustritiko schtotiskero lil. Adi sohardo hi lo taj ojsnaphandlo pisimaschi Betschiste dschil. Pra literaturakeuschtidija ov but patijariptscha, tel lende okenvakero jerinipe 2004 le romaniske „Engelszungen“,taj na dur o „Bulgaritiko Teateriskero Oskar”pre falatoske „Haut und Himmel“.Kada sina tumaro erschti talalinipe Romenca?Erschtivar Romen ando foro reslom. On use amendaale, andi vora pirtscha te facininel, nebi te latscharelvaj matrocen neve te pherel. On mre dade kamnahi,| | dROMa <strong>22</strong>/<strong>09</strong>, <strong>Sommer</strong> | <strong>Linaj</strong> 20<strong>09</strong>


InterviewWunder, Wort und WutDimitré Dinev im GesprächVakeripeVunderi, alav, holiO Dimitré Dinev ando vakeripezu füllen. Sie haben meinen Vater gemocht, weil er ihnenimmer Metall gegeben hat, das sich zum Verzinnen gutgeeignet hat. Er war Chemiker und hat auf staatlicheRessourcen zugreifen können. Das war meine ersteBegegnung mit <strong>Roma</strong>.<strong>Roma</strong>-Kinder habe ich erst im Dorf kennen gelernt,in den Ferien bei meinen Großeltern. Und einen <strong>Sommer</strong>bin ich sehr lange bei ihnen gewesen, länger <strong>als</strong> sonst,vielleicht zwei Monate. Ich wollte unbedingt in denKindergarten, weil alle anderen Kinder dort waren, und ichmit ihnen spielen wollte. Dort bin ich mit den <strong>Roma</strong>-Kindern zum ersten Mal zusammen in einer Gruppegewesen. Wir haben gespielt, uns geschlagen, eben allesgemacht, was Kinder so tun. Eines unserer Lieblingsspielewar „Indianer und Cowboy“. Dam<strong>als</strong> wurden viele DDR-Filme mit Gojko Mitić gezeigt, einem serbischen Rom, derimmer die berühmtesten Indianer gespielt hat. Gojko Mitićwar eine Kultfigur. In den Filmen waren die Indianernatürlich die Guten, und die Cowboys die Bösen. Undnatürlich wollten die <strong>Roma</strong>-Kinder immer die Indianersein, und das war frustrierend für uns.Den Rassismus hat es in den Dörfern nicht gegeben,er ist ein Produkt der Städte. <strong>Roma</strong>- und Nicht-<strong>Roma</strong>-Kinder hatten einen völlig selbstverständlichenund vertrauten Umgang miteinander. Jeder ist in dieHäuser der anderen gegangen.Setzte die <strong>Roma</strong>-Kultur auch Grenzen?Was es nicht oder nur kaum gegeben hat, waren gemischteLiebes- und Ehepaare. Ich kannte schon Paare,aber sie waren dann auf sich allein gestellt. Sie hattennur die Liebe, mussten oft die Stadt wechseln. Vonbeiden Seiten wurde das nicht mit großer Begeisterungaufgenommen. Traditionen und Ehrgefühl haben einegroße Bedeutung in der <strong>Roma</strong>-Welt. Natürlich, es hatVerliebtheiten gegeben, aber auch einen großen Respektvor den <strong>Roma</strong>-Eltern. Es wurde einem deutlich vermittelt,dass die Jungfräulichkeit sehr wichtig ist. Damitwar nicht zu spielen. Wenn es soweit ist, kommt dieHochzeit. Das hat auch eine Rolle gespielt – die Angst,dass jemand an die Tür klopft.Ich habe die <strong>Roma</strong>-Kinder trotzdem immer <strong>als</strong>freier empfunden, obwohl sie sehr früh arbeiten mussten.Ihnen wurde von ihren Eltern mehr Vertrauen entgegengebracht.Der Vater sagte z. B. zu seinem sechsjährigenSohn: „Hol die Pferde und bring sie heim!“ Mein Vateroder mein Großvater hätten das nie zu mir gesagt, weilsie es mir nicht zugetraut hätten. Was mich an den <strong>Roma</strong>auch immer beeindruckt hat, war ihr Stil. Sie hattenkaj ov len mindig metal delahi, savo latscho lefacininipeske sina. Ov kemikeri sina taj ov schaj uproschotiskere koji use schaj astarlahi. Oda sina mroerschti talalinipe le Romenca.<strong>Roma</strong>ne fatschuvtscha erscht ando gav reslom,kada andi naphandli cajt use mri baba taj use mropapu somahi. Taj ande jek linaj dureder use lendesomahi, dureder sar angloda, valami duj masektscha.Me meresch andi fatschuvtschengeri bar kamahi, kajo cile fatschuvtscha odoj sina, taj me lenca te khelelkamahi. Odoj erschtivar le <strong>Roma</strong>ne fatschunca andejek grupn somahi. Amen kheltscham amen, martschamamen, hat oda, so fatschuvtscha afka keren. Jekamare lek merescheder khelipestar sina „Indijaneritaj Cowboy“. Ande aja cajt but DDR-filmtscha leGojko Mitićeha sikade ule, jek serbitiko Rom, savomindig o lek barikaneder indijanertscha khelahi. OGojko Mitić sina jek idol. Ando filmtscha sina oindijanertscha o latsche, taj o cowboys o dschungale.Taj mindig kamnahi o <strong>Roma</strong>ne-fatschuvtscha oindijanertscha te ol, mange oda ham na tecinlahi.O rasismus ando gava na delahi, ov hi jekkeripe le forendar. <strong>Roma</strong>ne taj Gadschikane fatschuvtschamindig latsche ar pernahi. Sako andokhera le avrestar dschalahi.Bescharel i Romengeri kultura te granici?So na delahi, vaj tschak tschulo sina, o kamipemaschkar <strong>Roma</strong> taj Gadsche vaj jek soharipe maschkarodola. Me asaj dschenen prindscharahi, hamodola korkore iste pumaro ileto schofinahi. Lentschak o kamipe sina, iste butvar andar jek foro andoka cidnahi. Usar o duj riktscha ada keripe na ulolatscho akardo. Tradiciji taj pativakero esbe lipe jekbarikano koja hi ando Romengero-them. Kamiptschadelahi, ham te jek baro respekto anglo daja taj dada.Phendo tuke ulo, hot o sisnipe igen barikano hi.Odoleha nana pe te khelel. Te asaj dur hi, akor obijav al. Te ada jek koja khelahi – i dar, hot valakoupre tro vudar aun marel.Me ham mindig le <strong>Roma</strong>ne-fatschun ojsnaphandlo esbe lijom, kekaj on imar ando terneberscha iste buti dschanahi te kerel. On pumaredajendar taj dadendar buteder patschajipe uschtidine.O dad phentscha pre schov berschengere tschauiske:„Dscha vasch o grasta taj an len kher!“ Mro dad vajmri baba ada na phentscha mange, kaj on pumengegondolinahi, hot me ada na dschanav. So mangemindig uso <strong>Roma</strong> tecinlahi, sina lengero stil. Len| | dROMa <strong>22</strong>/<strong>09</strong>, <strong>Sommer</strong> | <strong>Linaj</strong> 20<strong>09</strong>


Interview | VakeripeEndscho bekommt einenHaarschnitt, Krumovo/Bulgarien, 2000(Seite 3)Dimitré Dinev (li.) mitdem WunderheilerEndscho (re., mit Kind)und dessen Familie,Krumovo/Bulgarien,2000Die Gruppe „Karandila“bei der Hochzeit vonDimitré Dinev,Arbanassi/Bulgarien,2007immer Stil, waren immer stilvoll angezogen, sie hattenwunderschöne Hüte, geputzte Schuhe – in einer Zeit, <strong>als</strong>alles eher grau und einfärbig war.Meine Grossmutter warWunderheilerinGibt es weitere kulturelle Merkmale, die Sie fürcharakteristisch halten?Es ist eine sehr patriarchale Kultur, aber ich habe auch diefolgende Geschichte erlebt: Ich war mit meiner Frau ineinem Lokal am Meer, und in diesem Lokal waren ausschließlich<strong>Roma</strong>. <strong>Roma</strong>, die hier gelebt haben, Männer,Frauen und Kinder. Es wurde getanzt. Wir kamen insGespräch, die Frauen zeigten meiner Frau, wie man tanzt,und die Männer haben exzessiv getrunken. Irgendwann umein Uhr in der Nacht standen die Frauen plötzlich auf,gaben ein Signal, und die Männer mussten mitkommen.Egal, wie betrunken sie waren, sie haben gefolgt. DieFrauen haben bestimmt, wie die Nacht verläuft. Die Machtging von den Frauen aus. Sie sind zwar die meiste Zeit imHintergrund geblieben, gaben aber trotzdem den Ton an.Wir hatten auch das Gefühl, dass die Frauen entschiedenhaben, ob wir hier bleiben durften oder nicht.Hatten Ihre Großeltern auch Kontakt zu den <strong>Roma</strong>?Meine Großmutter war Wunderheilerin und es hat im Dorfnoch einen zweiten Wunderheiler gegeben, einen Rom,Endscho. Sie haben gerecht geteilt und sich gegenseitig dieFälle zugeschanzt. Wenn der eine nicht mehr helfen konnte,schickte er seine Patienten zum anderen und umgekehrt.Und da Wunderheiler nicht ihrem eigenen Blut helfenkönnen, schickte Endscho seine Familie zu meiner Großmutterund sie die ihre zu Endscho. Deshalb waren auchimmer <strong>Roma</strong> bei uns.mindig stil sina, mindig latsche urtschim le sina, lenigen schukar kalapi sina, schuscharde botschkori –ande jek cajt, kada sa graui taj ande jek feschto sina.Mri baba sina jek vunderiskerisastjarkijaDel meg avre kultureli koji, save tumen ojskarakteristischi likeren?Igen patrijarchali kultura hi, ham me aja historijaterdschivtschom: Me mra dschuvlaha ande jekmojakero upro paro paj somahi, taj ande odamojakero tschak <strong>Roma</strong> sina. <strong>Roma</strong>, save adajdschivnahi, murscha, dschuvla taj fatschuvtscha.Kheldo ulo. Amen ando vakeripe ajam, o dschuvlamra dschuvlake sikade, sar iste kheldo ol, taj omurscha igen but pile. Valami afka jek orenge andirat o dschuvla upre jefkar upre uschtine, jek cajchndine, taj o murscha iste lenca gele. Kekaj asaj matele sina, on lenca gele. O dschuvla phende, sar i ratnaschel. O sorlaipe le dschuvlendar ar gelo. Dugicajt on ando palutnipe atschile, on ham o hango aundine. Amen te o esbe lipe sina, hot o dschuvla arkerde, te amen schaj atschas vaj na.Sina tumara baba taj tumare papu kontakto uso<strong>Roma</strong>?Mri baba sina jek vunderiskeri sastjarkija taj andogav meg jek dujte vunderiskere sastjari delahi,jek Rom, o Enjo. On ulavnahi taj jek le avreske operiptscha use ispidlahi. Te o jek buter na tepomoschinel dschanlahi, bitschavlahi pre pacijentschauso kija taj avrijal. Taj kaj o vunderiskeresastjartscha pumare ajgeni ratiske naschtigpomoschinen, bitschatscha o Enjo pra familija use| | dROMa <strong>22</strong>/<strong>09</strong>, <strong>Sommer</strong> | <strong>Linaj</strong> 20<strong>09</strong>


InterviewWunder, Wort und WutDimitré Dinev im GesprächVakeripeVunderi, alav, holiO Dimitré Dinev ando vakeripeWie hat man in Ihrer Kindheit die <strong>Roma</strong> bezeichnet?Man hat nicht <strong>Roma</strong>, sondern Zigani – <strong>als</strong>o Zigeuner –gesagt. Aber es war nicht abwertend gemeint, die <strong>Roma</strong>haben es nicht so empfunden. Es hat zwar auch dam<strong>als</strong>von politischer Seite den Versuch gegeben, alle BürgerBulgaren zu nennen, aber in den Dörfern hat sich dasnicht durchgesetzt. In den 80er Jahren musste dannallerdings jeder einen bulgarischen Namen tragen undin den Öffentlichkeit bulgarisch sprechen.Das Problem war immer, dass die Kommunistenzu ihrem eigenen Vorteil andere instrumentalisierthaben. Sie sind nationalistisch geworden, wenn siebefürchtet haben, dass ihre Macht schwindet – wie inSerbien, und sie haben die Wut auf die Minderheitengesteuert, wenn sie von den wirklichen Problemenablenken wollten. Vorurteile gegenüber <strong>Roma</strong> hat esauch in meiner Kindheit gegeben, aber sie sind nicht <strong>als</strong>reales Abbild der Wirklichkeit betrachtet worden undhaben nicht die persönlichen Beziehungen beeinflusst.Bei meinem Vater haben sich diese Bilder leider verselbständigt,und die Vorurteile haben sich zu einemregelrechten Hass auf die <strong>Roma</strong> entwickelt.Wie erklären Sie sich seinen Hass?Nachdem der Kommunismus zusammengebrochen war,sind die <strong>Roma</strong> von einem Tag auf den anderen arbeitslosgeworden. Mein Großvater ist gestorben, und meineGroßmutter ist alleine zurückgeblieben. Sie ist permanentbestohlen worden – natürlich aus der Not heraus,aber sie haben ihr alles genommen. Sie haben ihr dieTiere gestohlen, ihr wurde das Bett gestohlen, ein Ofen,Lebensmittel natürlich. Und mein Vater war voller Wut,weil niemand etwas dagegen unternommen hat. Für ihnwar klar, dass es nur <strong>Roma</strong> gewesen sein konnten, under war sich sicher, dass man sie schützt.Es ist ja eigenartig in Bulgarien: Die, die wirklichstehlen, sitzen ganz oben und haben das Land ruiniert.Und man braucht einen Sündenbock und steuert dieEnergie, den Frust, auf die <strong>Roma</strong> und ihre kleinenDiebstähle. Wenn jemand Millionen aus den Pensionsfondsveruntreut, wird er nicht einmal bestraft, und die<strong>Roma</strong> stehlen vielleicht ein Bett oder einen Ofen undgelten <strong>als</strong> die Diebe. So eine Geschichte ist das.Solange du mit jemandem sprichst,verzichtest du auf GewaltEs gibt heute in Plovdiv die neben Faculteta in Sofiagrößte <strong>Roma</strong>-Siedlung Bulgariens: Stolipinovo.Haben Sie zu den dort lebenden <strong>Roma</strong> Kontakt?mri baba taj oj pra uso Enjo. Vaschoda te mindig<strong>Roma</strong> use amende sina.Sar le Romen ande tumaro tschavoripe akarnahi?Zigani le akarde ule, na <strong>Roma</strong>. Ham ada akaripe nanateldschumipe, o <strong>Roma</strong> na line le afka esbe. Te andar ipolitikani rik o probalintschago delahi, le cile manuschenBulgaritike te akarel, ham ando gava na beschtschape ada duach. Ando 80ti berscha iste o cile akorjek bulgaritiko anav ledschnahi taj ando pradipe iste ibulgaritiki tschib vakernahi.O problemo sin mindig, hot o komunistscha usepumaro ajgeni latschipe avren instrumentalisirinde. Onnacijonalistisch ule, kada on darnahi, hot lengerosoralipe tschuleder ol – sar andi Serbija, taj on pumarohojanipe upro tschuliptscha vodinde, te on pumaretschatsche problemenca tel te likerel kamnahi. Teldikiptscha gejng o <strong>Roma</strong> te ande mro tschavoripedelahi, ham on ojs rejali kipo le tschatschipestar aundikle na ule taj na ledschine nischta na use, uso khetaniptschasave delahi. Use mro dad adala kipi ham irindepumen, taj andral jek igen bibastalo tel dikipe gejng o<strong>Roma</strong> ulo.Soske leskero tel dikipe asaj bibastalo sina?Kada o komunismus khetan pelo, o <strong>Roma</strong> upral o jek diupro ka nisaj butaha adaj terdschonahi. Mro papu mulo,taj mri baba korkore pal atschini. Latar mindig tschordoulo – ada ham andar o tschoripe ari, ham sa latar line. Omarhi latar tschorde, o vodro latar tschordo ulo, jekpetscha taj te o habe. Taj mre dad i holi halahi, kaj nikona kertscha valaso gejng ada tradipe. Leske tschak o<strong>Roma</strong> adale tradipeske ando gondi ale, taj ov dschantscha,hot upre lende diklo ol.Ada hi afka andi Bulgarija: Odola, save tschatschikantschoren, igen utsche beschen taj ada o vilagophagertscha. Taj valako pekamlo ol taj i sor odoj otschavodim ol, i holi, upro <strong>Roma</strong> taj upre lengere tikne tschoriptscha.Te valako milijona andar o pensijonakere fondschatschortscha, na ol nischta gejng leste kerdo, taj o<strong>Roma</strong> valami jek vodro vaj jek petscha tschoren, akorojs tschora le aun dikle on. Asaj historijia hi aja.Saj dur te valakoha vakeres, omaripe pal dschuminesAdi del ande Plovdiv, save pasche Faculteta andiSofija lek bareder Romengeri-sidlung andi Bulgarija:Stolipinovo. Hi tumen use odola <strong>Roma</strong>, save odojdschin, kontakto?| | dROMa <strong>22</strong>/<strong>09</strong>, <strong>Sommer</strong> | <strong>Linaj</strong> 20<strong>09</strong>


Interview | VakeripeI baba le DimitréDinevistar (tsch., andobokretakero kload),Krumovo/Bulgarija,1995 I Die Großmutterdes Autors (re., imgeblümten Kleid),Krumovo/Bulgarien,1995I sidlung Stolipinovoando Plovdiv/Bulgarija I <strong>Roma</strong>viertelStolipinovo inPlovdiv/BulgarienMitte der 90er Jahre bin ich mit einem befreundetenÖsterreicher zu einer Wahrsagerin nach Stolipinovogefahren. Die Siedlung hat dam<strong>als</strong> kaum wer von außenbetreten, mittlerweile ist es wieder etwas besser geworden,aber dam<strong>als</strong> ist man ausgestiegen, und das Taxi istsofort weggefahren. Jeder hat dich angeschaut. Du warstein Fremder. Es ist schlimm dort. Es gibt eine brutaleArbeitslosigkeit, eine große Armut.Die Wahrsagerin hat in einem der Plattenbautengewohnt. In ihrer Wohnung war alles wunderschön, aberaußerhalb war der totale Schrecken, das reinste Chaos, einunglaublicher Schmutz. Jeder Raum, dessen Besitz nichtklar definiert ist, ist der Naturgewalt überlassen. Waspassiert, passiert. Die Wahrsagerin hat eine Art Hutgetragen, eine orientalische Kopfbedeckung, mit weißemRand und Schleier, der aber nicht ihr Gesicht verdeckt hat,sondern nur seitlich herunterhing. Sie hat eine Gebetskettein der Hand gehabt und auf Türkisch gesprochen, in einersehr meditativen Art, <strong>als</strong> würde sie mit Geistern sprechen.Durch diese Gebete hat sie bestimmte Antworten bekommen.Mein Freund wollte dam<strong>als</strong> Filmschaffender werden,und sie hat ihm gesagt, dass sie sehr viele Bilder sieht,Bilder, die von Menschen geschaffen worden sind, nichtBilder <strong>als</strong> Symbole. Umrahmte Bilder. Er wird etwas mitBildern zu tun haben, sagte sie. Und er hat sich das soübersetzt, dass jede Filmrolle aus sehr vielen Einzelbildernbesteht. Aber was ist passiert? Heute unterrichtet eran der Akademie für bildende Künste und macht selbstAusstellungen.Wovon leben die Wahrsager?Von dem, was du ihnen gibst. Jeder bestimmt, was er gibt.Beginnen die Wahrsager Geld zu verlangen, werden sieunglaubwürdig. Man sagt, sie verlieren die Fähigkeit, weilAndo maschkarute 90ti berscha me jeke austritikepajtaschiha use jek tschatschipeskeri phenaschkija andoStolipinovo ladijom. Andi sidlung ande aja cajt andar oavrutno niko nana meg ande, akan afka hi, hot feder ulo,ham ande oja cajt ari uschtatschal, taj o taksi mindschartdromeske ladija. Sako aun tut diklahi. Tu jek avrethemeskero salahi. Odoj ertschavo hi. O nabutschalinipeigen utscho hi, jek baro tschoripe.I tschatschipeskeri phenaschkija ande jekseletoskero bauninipe dschivlahi. Ande lakero khersa schukar sina, ham avral sa na schukar sina, barokaos, but mel. Sako kher, kaj nan dschando kaskerohi, la naturake prik meklo ulo. So pasirinel, pasirinel.I tschatschipeskeri phenaschkija jek kalapa ledschlahi,jek orijentalitiko scheroskero utscharipe, parna rikahataj schlajeriha, savo ham na utscharlahi lakero mujuse, ov tschak upri rik tel hejnginlahi. La sina jekmolinipeskero lanco ande taj andi turkijakeri tschibvakerlahi, igen meditativi, afka sar te gajsterenca tevakerlahi. Duach adala moliniptscha oj pal vakeriptschauschtidija. Mro pajtaschi ande aja cajt filmiskerokeraschi kamlahi te ol, taj oj phentscha leske, hot ojigen but kipi dikel, kipi, save manuschendar kerde ule,na kipi ojs simboltscha. And astarde kipi. Le valasokipence te kerel ovla, phentscha oj. Taj ov ada afkapeske prik beschartscha, hot sako filmiskero tekerinipeandar igen but jekoschne kipi hi. Ham so pasirintscha?Adi ov meschteri andi akademija la sikadipeskerakunstatar hi taj ajgeni artschijiptscha kerel.Sostar dschin o tschatschipeskere phenaschtscha?Odolestar, so tu len des. Sako atschi del, so ovkamla. Te o tschatschipeskere phenaschtscha lojmangle, akor na ol lenge buter patschlo. Phendo ol,| | dROMa <strong>22</strong>/<strong>09</strong>, <strong>Sommer</strong> | <strong>Linaj</strong> 20<strong>09</strong>


InterviewWunder, Wort und WutDimitré Dinev im GesprächVakeripeVunderi, alav, holiO Dimitré Dinev ando vakeripesie ein Geschenk Gottes ist. Es wurde dir gegeben undwird dir auch wieder genommen, wenn du bestimmteEigeninteressen damit verbindest. Du musst den Menschenmit dieser Fähigkeit helfen. Das finde ich gut. Mandarf in keine ökonomische Beziehung eintreten, wennman Wahrsagerei betreibt. In den Dörfern ist es oft so,dass sie bestimmte Gegenstände erhalten, oder auchNahrungsmittel wie Melonen. Du kannst auch Geldgeben, aber das muss dann von Herzen kommen, niemandzwingt dich.Die Wahrsagerei ist Teil einer mündlich überliefertenKultur. Wie bewerten Sie <strong>als</strong> Schriftsteller diese oraleErzähltradition?Es bedeutet, dass die <strong>Roma</strong> dem geschriebenen Wortnicht trauen. Sie wollen ihre Kultur nicht abhängigmachen von Worten, die in Büchern stehen. Bücherkann man viel leichter vernichten <strong>als</strong> Menschen.Vermittelt wird, dass das lebendige Wort das wichtigsteist, nicht das geschriebene. Das Wort, das von Menschzu Mensch gesprochen wird. Das geschriebene Wort istletztlich in einem Sarg, es ist tot. Es hält sich nurkurzfristig und wird vergessen, weil es nicht direkt voneinem Menschen gekommen ist. Ich schätze die mündlicheTradition sehr, weil sie sofort und unmittelbareine Ethik vermittelt. Das Wort ist nie von einemKörper zu trennen. Solange du mit jemandem sprichst,verzichtest du auf Gewalt. In einen Dialog zu tretenbedeutet, sofort auf Gewalt zu verzichten. Es geht umdie moralische Verantwortung, wie man mit Wissenumzugehen hat. Darf jeder wissen? Nur der guteMensch darf wissen. Menschen können Wissen zuihrem Nutzen verwenden.Trotzdem glaube ich, dass die Schrift innerhalbeiner Kultur auch etwas bewegen kann. Die Schrift istauch Erinnerung und Gedächtnis und hat letztendlichmehr Vor- <strong>als</strong> Nachteile. Sie ist ein Denkmal einerKultur. Von den Kulturen, die geschrieben haben, sinddie wenigsten verschwunden, von den Kulturen ohneSchrift die meisten. Und was wir von ihnen wissen,haben wir von den Griechen erfahren, die wiederum dieSchrift besessen haben. Vielleicht ist die Schrift aucheine Möglichkeit, sich zu öffnen, die Angstschwelle zuüberschreiten. Die <strong>Roma</strong> waren immer gezwungen,unter sich zu bleiben. Aber es gibt so viele Einflüsse,die schon lange wirken: in der Kunst, in der Musik, inder Malerei. Die Einflüsse passieren, ob man es willoder nicht.Michael Teichmannon pumari sor naschan, kaj oja jek dipe le Devlestarhi. Ada dim tuke ulo taj papal lim tutar ol, te tu adalehaajgeni interestscha khetan phandlal. Tu iste lemanuschenge adala soraha pomoschines. Adalatscho hi afka. Na tromas ande nisaj virtschoftlichikhetanipe ande te tretinel, te tschatschipeskerophenaschipe kertschal. Ando gava butvar afka hi,kaj on koji uschtiden, ham te habe sar pajeskerodudum. Te schaj te loj des, ham oda iste akor andaro vodschi al, niko na mangel le tutar.O tschatschipekero phenipe hi jek falato jekamujakera prik dima kulturatar. Sar diken tumen ojspisimaschi aja mujakeri phukajipeskeri tradicijonaaun?Ar phenel, hot o <strong>Roma</strong> le pisinde alaviske napatschan. On na kamna pumari kultura le alavendartel hejngim te kerel, save ando kenvi terdschon.Kenvi schaj lokeder pujste kerde on sar manuscha.Prik dim ol, hot o dschivdo alav o lek barikanederhi, na o pisimo. O alav, savo usar jek manusch usokija vakerdo ol. O pisimo alav jek korposcho hi, ovmulo hi. Tschak harne pe likerel taj pobisterdo lool, kaj na alo jeke manuschestar. Me kamav imujeskeri tradicijona, kaj oj mindschart jek etikprik del. O alav nan ande nisaj cajt jeke teschtostarte ulal. Saj dur te valakoha vakeres, o maripe paldschumines. Ande jek dialogo te tretinel butschol,mindschart o maripe pal te dschuminel. Dschalvasch o moralitiko ferantvortinipe, sar le godscharipehaprik te dschal ist ol. Tromal sako te dschanel?Tschak o latscho manusch tromal te dschanel.Manuscha schaj godscharipe pumenge nucinen.Me ham gondolinav, hot o pisinipe ande jekkultura te valaso te micinel dschanel. Te o pisinipehi pal gondolipe taj gondo taj odolen hi butederlatsche falati sar na latsche. Oj hi jek gondolipeskerobar jeka kulturatar. Le kulturendar, savepisinde, o lek tschuleder bejg hi, le kulturendaroni pisinipe o lek buteder. Taj so amen lendardschanas, le Grecijendar schuntscham, saven opisinipe sina. Schaj, hot o pisinipe te jek schajipehi, pe te pral, pedar o darakero hischo te urtschal.Le Romenge mindig angle dim ulo, ande lengerigrupn te atschol. Ham asaj but and fojiniptschadel, save imar dur virkinen: andi kunst, andimuschika, ando feschtinipe. O and fojiniptschapasirinen, te tu le kameha vaj na.le Michael Teichmannistar| | dROMa <strong>22</strong>/<strong>09</strong>, <strong>Sommer</strong> | <strong>Linaj</strong> 20<strong>09</strong>


BeschäftigungsprojektArbeit und IdentitätEin integratives Projekt für <strong>Roma</strong>THARARomnija/<strong>Roma</strong>in TransitionButschakero projektoButi taj identitetaIntegrativi projekto le RomengeTHARARomnija/<strong>Roma</strong>ando prik gejipe„Unser Ansatz ist schon ein besonderer“, sagtClaudia Schamanek, Projektleiterin von „TharaRomnija/<strong>Roma</strong> in Transition“. „<strong>Roma</strong> und Arbeit sindzwei Begriffe, die in den Medien und in der Öffentlichkeitnicht oft miteinander in Verbindung gebrachtwerden“, fügt sie hinzu und spielt damit auf weitverbreitete Klischeebilder von den <strong>Roma</strong> an.„Wir werden oft gefragt, warum es eine arbeitsmarktpolitischeBeratungsstelle eigens für <strong>Roma</strong> gibt“,sagt Claudia Schamanek. „Wir sehen unsere Hauptaufgabedarin, den Zugang zum Arbeitsmarkt aufzubereiten.Für alle, die mit dem bestehenden Angebot nichtzurechtkommen, die vielleicht Angst davor haben, ihrewahre Situation zu erzählen, oder die auf Grund ihrerBedürfnisse eine intensivere Betreuung und Beratungbrauchen, bedarf es einer eigenen Beratungsstelle.“Langfristig wolle man eine Brückenfunktion einnehmen.„Brücken werden von zwei Seiten gebaut, undgenau so sehen wir unsere Arbeit“, resümiert ClaudiaSchamanek. „Einerseits sind wir im direkten Kontaktmit <strong>Roma</strong> und wissen dadurch, was ihre Anliegen undThemen sind, und andererseits sind wir in Kontakt mitden arbeitsmarktpolitischen Einrichtungen und anderenInstitutionen der ‚Gadsche‘-Welt. Dieses vielseitigeWissen gewinnbringend für alle Beteiligten aufzubereitenund weiterzugeben ist ein wesentlicher Teilunserer Arbeit.“IndividuelleBerufs- undBildungsberatungMarilena Botsi, Berufsberaterin von Thara: „In vielenFällen ist gerade die Tatsache, dass wir keine Behörde,sondern eine Beratungsstelle sind, die nur für <strong>Roma</strong> daist, ein wichtiger Faktor. Wir können uns für jedenKunden Zeit nehmen und gemeinsam an der Umsetzungihrer beruflichen Pläne arbeiten.“ In mehreren Terminenmit den Kunden und Kundinnen werden auch Anliegenbesprochen, die sie in eine andere Beratungssituationvielleicht gar nicht einbringen würden. „Vertrauen undVertraulichkeit sind in diesen Gesprächen sehr wichtig.“„Amaro keripe jek barikano hi“, phenel i ClaudiaSchamanek, projektoskero schero andar THARARomnija/<strong>Roma</strong> ando prik gejipe. „<strong>Roma</strong> taj buti dujkoji hi, save ando mediji taj ando pradipe na butvarando khetanipe ande on“, meg use phenel, taj upro butklischejakere kipi save pedar o <strong>Roma</strong> del, aun khelel.„Amen butvar phutschle ojas, soske jekbutschakero foroskero politikano berotinipeskerothan le Romenge del“, phenel i Claudia Schamanek.„Amen amari barikani buti ande oda dikas, o usegejipe uso butschakero foro upre te bulharel. Lecilenge, save le dipeha na peren ando latschipe, savendar hi, pumari tschatschi situacija te phukal, vajsavenge feder pomoschago taj berotinipe pekal,vaschoda jek ajgeni berotinipeskero than pekamlohi.“ Pedar dureder cajt diklo, kamaha amen jekphurtakeri funkcijona ande te lel. „Phurtscha dujriktschendar baunim on, taj amen afka amari butidikas“, phenel i Claudia Schamanek. „Upri jek rikando kontakto le Romenca sam taj vaschodadschanas, so lengere aun paschlojiptscha taj temtschahi, taj upri avri rik ando kontakto le butschakereforoskere politikane birovtschagenca taj avreinstitucijonenca andar o „Gadschengero“ – them. Adabut riktschengero gondo afka le cilenge ande tebescharel taj bajder te del hot jek jerinipe ari te al, hijek barikano falato amara butschatar“.Individujelibutschakero- tajsikadipeskero berotinipeMarilena Botsi, butschakeri beroterkija andar Thara:„Ando but periptscha hi oda tschatschipe, hot amen nasam nisaj birovtschago, amen jek berotinipeskero thansam, savo tschak le Romenge adaj hi, jek barikanofaktor. Amen schaj amenge sakoneske cajt las tajkhetan uso prik bescharipe le butschakere planendarbutschalinas. „Ande buteder termintscha le dschenencao aun paschlojiptscha ar vakerde on, pedar save onande avre berotinipeskere situaciji na phukavnahi“.„Patschajipe ande adala vakeriptscha igen barikano hi“.| | dROMa <strong>22</strong>/<strong>09</strong>, <strong>Sommer</strong> | <strong>Linaj</strong> 20<strong>09</strong>


BeschäftigungsprojektArbeit und IdentitätEin integratives Projekt für <strong>Roma</strong>Butschakero projektoButi taj identitetaIntegrativi projekto le RomengePerspektiven für Arbeit undWeiterbildungIhre Aufgabe in der arbeitsmarktpolitischen BeratungsstelleThara sieht Marilena Botsi vor allem darin,KundInnen dabei zu helfen, sich am Arbeitsmarktzurechtzufinden, und realisierbare Perspektivenaufzuzeigen. „Die Anliegen der Menschen, die Tharaaufsuchen, sind sehr breit gefächert. Wir behandelnalle Themen und Anfragen, die in irgendeiner Art undWeise mit der Arbeitswelt zu tun haben“, so Botsi.Wichtig sei vor allem eine langjährige und kontinuierlichePräsenz, betont Marilena Botsi, denn „beruflicheVeränderungen bedeuten immer auch Veränderungenim persönlichen Bereich und sind naturgemäß oftlangjährige Prozesse“.Drehscheibe: Information verbreitenund Verständnis gewinnenKontakte mit anderen arbeitsmarktpolitischen Einrichtungen,mit Schulen oder mit Behörden wie demJugendamt machen den Projektmitarbeiterinnen immerwieder deutlich, dass große Wissenslücken zum Thema„<strong>Roma</strong> und Arbeitsmarkt“ existieren. In eigens konzipiertenWorkshops, in denen <strong>Roma</strong> über <strong>Roma</strong>-Kulturreferieren und die Fragen der InteressentInnen direktbeantworten, wird durch die Weitergabe von Erfahrungswissenum Verständnis geworben. „Die Reaktionender TeilnehmerInnen sind überwältigend positiv“,sagt Usnija Buligovic von Thara. „Es ist so wichtig fürMenschen, die mit <strong>Roma</strong> arbeiten oder mit ihnen inKontakt sind, zu wissen, was sich im Leben der <strong>Roma</strong>abspielt und was ihnen wichtig ist. Nur so können wirverstanden werden.“ Unerlässlich sei dabei die Bereitschaftvon Mitgliedern der <strong>Roma</strong>-Communities, insolchen Workshops ihr Wissen weiterzugeben, Einblickein die Welten der <strong>Roma</strong> zu gewähren und dadurchden Beginn eines echten Dialogs zwischen den Kultureneinzuleiten, fügt Gilda Horvath, ORF-Journalistinund Workshop-Referentin, hinzu.Nevodrom –der „neue Weg“ für junge <strong>Roma</strong>Das dritte Betätigungsfeld des Projektes ist der BerufsorientierungskursNevodrom für junge Romnija und<strong>Roma</strong> im Alter zwischen 15 und 25 Jahren. Fast alleTeilnehmerInnen waren bereits in Ausbildungen, habendiese jedoch abgebrochen. In der intensiven, 18-wöchigen Betreuung bei Thara, die unter anderem ausregelmäßig durchgeführten Einzelgesprächen besteht,Perspektivtscha la butschake taj lebajder sikadipeskeLakeri buti ando butschakero foroskero politikanoberotinipeskero than Thara dikel i Marilena Botsi andeoda, dschenenge te pomoschinel, upro butschakero forolatscho drom te lakel taj tschatschikane perspektivtschaupre te sikal. „O aun paschlojiptscha le manuschendar,save Thara kher roden, mindenfelitike hi. Amen o ciletemtscha taj aun phutschajiptscha aun amenge dikas,save ande jek koja le butschakere themeha te kerel hi“,phenel i Botsi. Barikano hi ham jek dugo berschengerotaj kontinujirlichi sikajipe, phenel i Marilena Botsi, mint„butschakere iriniptscha anen te iriniptscha ando ajgenithan taj odola butvar duge berschengere procestscha hi.“Tradipeskero seleto: Informacija teDel taj hajojipe te jerinelKontaktscha avre butschakere foroskere politikanebirovtschangenca te likerel, ischkolenca vaj birovtschagencasar o birovtschago le ternenge mindig le projektoskerebutschaschkijenge sikal, hot bare dschanipeskereheftscha uso tema „<strong>Roma</strong> taj o butschakero foro“ del.Ande ajgeni koncipirti workshops, ande save <strong>Roma</strong>pedar pumari kultura phukan taj upro phutschajiptschale manuschendar pal vakerel, duach o bajderdipe le esbelipeskere gondostar vasch hajojipe manglo ol. „Orejakcijontscha le dschenendar, save use hi, butvarlatsche hi“, phenel i Usnija Buligovic andar Thara.„Igen barikano hi le manuschenge, save Romenca butikeren vaj lenca ando kontakto terdschon, te dschanel, sope ando dschivipe le Romendar tel khelel taj so lengebarikano hi. Tschak afka schaj amen hajode ojas.“ Igenbarikano hi o khetanbutschalinipe le manuschendarandar o Romengere grupn, ande asaj workshops pumarodschanipe bajder te del, taj vaschoda o kesdipe jeketschatsche dialogostar maschkar o kulturtscha ande tevodinel, phenel i Gilda Horvath, ORF reporterkija tajworkshop vakeraschkija, use.Nevodrom –o „nevo drom“ le terne RomengeI triti butschakeri mesuja le projektostar hi o butschakeroorijentirungakero kurs Nevodrom terne Romnijengetaj Romenge maschkar 15 taj 25 berscha. Bojd o cile,save adaj use hi, imar ande jek arsiklipe sina, ham odatel phagle. Ando intensivi, 18-kurkengero butschalinipeuso Thara, kaj mindig jekoschne vakeriptscha kerde ule,probalinen o butschaschtscha andar Thara, le dschenengeo lek feder pomoschago te del. O dschene iste pumen| 10 | dROMa <strong>22</strong>/<strong>09</strong>, <strong>Sommer</strong> | <strong>Linaj</strong> 20<strong>09</strong>


Beschäftigungsprojekt | Butschakero projektoTHARA Romnija/<strong>Roma</strong> in Transition gliedert sich in die zwei Projektteile Beratungsstelle(Amarotrajo) und Vorbereitungskurs (Nevodrom). Das Arbeitsmarktservice Wienstellt jugendlichen TeilnehmerInnen der Maßnahme Nevodrom unter bestimmtenVoraussetzungen für die Dauer des Kurses eine Deckung der Lebenserhaltungskosten(DLU) und Kursnebenkosten zur Verfügung.THARA Romnija/<strong>Roma</strong> andi transicijona ulal pe ande duj projektoskere falati:Berotinipeskero than (Amarotrajo) und Vorbereitungskurs (Nevodrom). Le butschakereforoskere servicejistar Betschi o terne, save uso keripe le Nevodromistar uso kurs usehi dschimeg kisetim lo hi, le dschivipeske (DLU) taj te vasch o kursakere aunperiptscha, loj uschtiden.Kontakt | Kontakto (am Foto v.l.n.r. / upro kipo u.b.dsch.tsch.):Claudia Schamanek / Projektleitung : 0676-83 402 230, claudia.schamanek@volkshilfe.atMarilena Botsi / Berufsberatung: 0676-83 402 231, marilena.botsi@volkshilfe.atUsnija Buligovic / Interkult. Training : 0676-83 402 232, usnija.buligovic@volkshilfe.atversucht das Team von Thara, den TeilnehmerInnen diejeweils optimale Unterstützung zu geben. Es gilt, sie dazuanzuhalten, den gesamten Kurs zu absolvieren, vor allemdie Praktika, bei denen sich dann herausstellt, ob sie das,was sie in der Berufsorientierung und -vorbereitung gelernthaben, umsetzen können. Neben der Stärkung ihrer eigenenIdentität ist auch das Bewältigen von Rückschlägen für dieTeilnehmerInnen wichtig. Viele von ihnen haben Angstdavor, zu versagen, und tun lieber nichts <strong>als</strong> „wiedereinmal zu scheitern“, wie es ein Teilnehmer trefflichformulierte.„Es ist für unsere Jugendlichen ganz wichtig, dass siein einer homogenen Gruppe sind“, erklärt Usnija Buligovic,die das Konzept für den Kurs ursprünglich erarbeitete. „Fürviele von ihnen ist es das erste Mal, dass sie nicht ‚dieAußenseiter‘ sind. Das stärkt ihr Selbstbewusstsein. Auchdas interkulturelle Training und die Unterrichtseinheiten zu<strong>Roma</strong>-Geschichte und -Kultur sind enorm wichtig. VieleTeilnehmerInnen wissen sehr wenig über ihre eigene Kulturund fühlen sich außerhalb ihrer Familien daher immerunsicher. Es ist uns wichtig, dass sie ihre Familienkultur <strong>als</strong>positiv erleben, aber eben auch die Kultur, in der siearbeiten wollen, verstehen.“ Eigentlich gehe es in Nevodromdarum, fügt Usnija Buligovic hinzu, den jungenTeilnehmerInnen zu zeigen, dass sie ihre eigene Kulturleben UND in der Arbeitswelt zurechtkommen können.„Thara ist ein Modellprojekt, das sich mit denThemen <strong>Roma</strong> und Arbeit ernsthaft und intensiv auseinandersetzt“,sagt die Projektleiterin Claudia Schamanek. „Füruns geht es nicht um Beschäftigungsmaßnahmen, sonderndarum, Menschen, die im Leben stehen und arbeiten, undsich verändern wollen oder Arbeit suchen, den Zugang zuArbeit und Bildung, zur Teilhabe an der Gesellschaft zuerleichtern. Ihr Erfolg ist auch unser Erfolg.“Lydia Anstissupre oda likeren, hot o cilo kurs keren, lek barikanederi praktika, kaj pe akor ari terdscharel, te on oda, soandi butschakeri orijentirung taj butschakero anglutnokeripe sikline, te prik te bescharel dschanen. Pasche osoralisaripe la ajgeni identitetatar hi te o upre lipe paltschalajipendar le dschenenge barikano. But lendar darhi, hot na dschanen le, taj vaschoda na keren nischta,sar „papal jefkar tel te perel“, sar le jek dscheno andaro kurs phentscha.„Amare ternenge igen barikano hi, hot on andejek homogeni grupn hi“, phenel i Usnija Buligovic,savo o koncepto le kursiske arbutschalintscha. „Butengelendar ada o erschtivar hi, hot on ‘o Außenseiter’hi. Te o interkultureli trening taj o sikajipeskere falati,save pedar i Romengeri historija taj kultura phukan,igen barikano hi. But dschene igen tschule pedarpumari kultura dschanen, taj te on avral lengerefamiliji ule, mindig na sicher pumen esbe len. Amengebarikano hi, hot on pumari familijakeri kultura ojslatsche terdschin, ham te i kultura, ande savi on butikamna te kerel, te hajon.“ Ando Nevodrom vaschodadschal, i Usnija Buligovic meg use phenel, le ternedschenenge te sikal, hot pumari ajgeni kultura tedschin taj ando butschakero them latsche dromeske teperen.„Thara hi jek modeliskero projekto, savo pe letemtschenca <strong>Roma</strong> taj buti tschatschikan taj but dondebescharel“, phenel o projektoskero schero ClaudiaSchamanek. „Amenge na dschal vasch butschakerekoji, ham vaschoda, manuschen, save ando dschivipeterdschon taj buti keren, taj pumen te irinel kamna vajbuti roden, o use gejipe usi buti vaj sikadipe, usousegejipe ando khetanipe lokeder te kerel. Lengerojerinipe hi te amaro jerinipe.“la Lydia Anstissatar| 11 | dROMa <strong>22</strong>/<strong>09</strong>, <strong>Sommer</strong> | <strong>Linaj</strong> 20<strong>09</strong>


HolocaustDer nation<strong>als</strong>ozialistische Genozidan den <strong>Roma</strong> OsteuropasTraumaundAufarbeitungHolocaustO nacijon<strong>als</strong>ocijalistischi genocidupro <strong>Roma</strong> andar o ostitiko EuropaTraumataj uprebutschalinipeAls nation<strong>als</strong>ozialistischer Völkermord ist imöffentlichen Bewusstsein vor allem die rassistischmotivierte, organisierte Vernichtung der europäischenJuden präsent; die Verfolgung der <strong>Roma</strong> nicht. Einneuer Sammelband zum nation<strong>als</strong>ozialistischenGenozid an den <strong>Roma</strong> in Osteuropa macht deutlich,wie komplex eine Antwort auf die Frage nach derIntention, Durchführung und späteren Aufarbeitungdes Mordes an den <strong>Roma</strong> notwendigerweise seinmuss.Offene FragenDie Verfolgung der <strong>Roma</strong> war bis in die 1970er Jahrefür die historische Fachwelt kein Thema, und erst inden 90er Jahren begann die Erschließung der Quellen.Bis heute ist nicht einmal klar, wie viele <strong>Roma</strong> inEuropa bis zur Befreiung 1945 ermordet wurden.Darüber hinaus sind die Wissenschaftler in der Interpretationdes Verbrechens an den <strong>Roma</strong> uneins.Kristallisiert sind die vielen offenen Fragen in derAuseinandersetzung um den Begriff „Holocaust“, derOjs nacijon<strong>als</strong>ocijalistischi flogoskero murdaripe hiando pradimo gondo butvar o rasistischi motivirti, organisirimomurdaripe le europitike Dschidovtschendar sikado,o murdaripe le Romendar ham na. Jek nevi kenva usonacijon<strong>als</strong>ocijalistischi murdaripe le Romendar andiostitiki Europa sikal, saj pharo oda hi, jek palvakeripe telakel upro lek barikaneder phutschajiptscha: Soske leRomen murdarde? Sar oda kerde? Taj so palo haburi kerdoulo vaschoda?Phutschajiptscha oni palvakeripeO tradipe le Romendar sina dschi ando 1970ti berscha lehistorijakere themeske nisaj tema, taj erscht ando 90tiberscha kesdintscha o uprebutschalinipe le kvelendar.Dschi adi nan dschando, kitschi <strong>Roma</strong> andi Europa andoberscha dschi 1945 murdarde ule. Pedar ada ari o fochiskeredschene andi interpretacijona le murdaripestar leRomendar nan ando jek. Kristalisirim hi o but pradephutschajiptscha ando donde beschipe vasch o anav„Holocaust“, savo pal o gondi le jekendar te le tradipeskele Romendar schaj use ordnim ovlahi, le avrenge ham ande| 12 | dROMa <strong>22</strong>/<strong>09</strong>, <strong>Sommer</strong> | <strong>Linaj</strong> 20<strong>09</strong>


Holocaustnach Meinung der einen auch für die Verfolgung der <strong>Roma</strong>gelten könne, für die anderen aber in dieser Verwendungnicht angemessen sei und alleine für die Vernichtung derJuden gelten solle. Die Verfolgung der <strong>Roma</strong>, so argumentierendie Ablehner, sei nicht klar rassisch motiviert undnicht <strong>als</strong> endgültig geplant gewesen. Beides gehöre aberzum Begriff „Holocaust“.Der vorliegende Sammelband liefert neue Beiträgezu dieser Diskussion. Aus den Artikeln von MichaelZimmermann, Karel Vodićka und Martin Holler geht klarhervor, dass die <strong>Roma</strong> in Osteuropa spätestens nach dervollständigen Vernichtung der Juden das gleiche Schicksalereilt hätte, und dass dies nach – wenn auch vorerst vageformulierten – rassischen Kriterien erfolgt wäre. Dort, wodie nation<strong>als</strong>ozialistische Herrschaft verfestigt war,erfolgten die Morde an den <strong>Roma</strong> mit annähernd dergleichen Präzision wie an den Juden. In den VasallenstaatenUngarn, Slowakei, Rumänien und Serbien waren dieVorbereitungen bereits, wenn auch unterschiedlich weit,gediehen, in Kroatien arbeitete die Tötungsmaschinerie aufvollen Touren. Hinter den deutschen Linien in der Sowjetunionfanden Massenerschießungen statt, die ebenfallsdurchwegs nach ethnischen Kriterien vollzogen wurden.Neue FaktenBesonders der Beitrag des deutschen Historikers undLiteraturwissenschaftlers Martin Holler bringt entscheidendeneue Fakten ans Licht. So griffen, anders <strong>als</strong> bisherangenommen, die Einsatzgruppen der SS und die örtlichenKommandanten auf die Methode der Registrierung undvorgeblichen „Umsiedelung“ zurück, um die <strong>Roma</strong>zusammenfassen und erschießen zu können. Dabei hattendie Mörder es meist mit sesshaften Menschen zu tun, unddie Bilder vom „vagabundierenden“, „unsteten“ „Spion“waren oft vorgetäuscht, um das eigene – und meist eigenmächtige– Handeln vor den eigenen Autoritäten zumotivieren (wie Zimmermann es für das Baltikumschildert); die Einsatzgruppen der SS B und D mordetensystematisch und der Intention nach total; in einzelnenFällen lässt sich eindeutig die rassenideologische Motivationder Morde nachweisen, in vielen anderen liegt sie aufder Hand.Der Artikel von Karel Vodićka über den Verlauf der<strong>Roma</strong>verfolgung in der Slowakei zeichnet ein in denGrundzügen ähnliches Bild. Mit dem Näherrücken derrussischen Front und vor allem nach dem slowakischenNationalaufstand gegen das Regime 1944 kam es zuMassenerschießungen, die, vorgeblich <strong>als</strong> „Sicherstellung“,definitiv nach ethnischen Kriterien erfolgten.Frühe AufarbeitungDer Verlauf der Aufarbeitung der Geschehnisse unterscheidetsich im Osten nicht wesentlich von dem im Westen.Doch gab es in der Tschechoslowakei (Ilona Lackovásna tecinel mint on phenen, hot ada tschak korkore lemurdaripeske le Dschidovtschendar use tschito schajol. O tradipe le Romendar, afka phenen odola so adana kamna, nana asaj rasistischi motivirti keripe tajnana lo asaj bulho planim. So duj ham use kerinen usoanav „Holocaust“.I angle paschli khetan kedimi kenva anel nevepisiniptscha use aja diskusijona. Andar o pisiniptschale Michael Zimmermannistar, la Brigitte Mihokatar,le Karel Vodićkajistar taj le Martin Holleristar angledschal, hot le Romenca pal o kompleti murdaripe leDschidovtschendar o glajchi kertschanahi, taj te oda– te akan tschak loke phendo – pal rasistischi arodipekerdo ujahi. Odoj, kaj o nacijon<strong>als</strong>ocijalistischi rajipesoralo sina, o murdariptscha upro <strong>Roma</strong> le glajchikerde ule sar upro Dschidovtscha. Ando vasali schtotschaUngriko, Slovakija, Rumenija taj Serbija oangle butschaliniptscha, butvar mindenfelitike, imarbar-tschim sina, ando Horvacko i murdaripeskerimaschinerija imar igen but taj latsche butschalinlahi.Palal o nimtschke doriktscha andi Sovjetunijona butkartschi diptscha delahi, save butvar pal etnitikekriteriji kerde ule.neve faktschaO pisintschago le nimtsche historikestar tajliteraturvisenschoftleristar Martin Holler anel nevefaktscha ando udud. Afka astarde, avrijal dschi akanaun lim, o SS-grupn taj o gaveskere komandantschaupri metoda la registrirungatar taj angle dima „Priksidlungatar“ pal, kaj le Romen schaj khetan astaren tajkaj len kartschi schaj den; butvar o tetertscha adajmanuschenca le te kerel sina, save adaj dschivnahi, tajo kipi le „schpijonendar, manuschendar, save leverdenca usar jek than upro ka ciden“, butvar tschakhohado sina, kaj o ajgeni – taj butvar o ajgeni –handlinipe anglo ajgeni autoritetscha te motivirinel (sarle o Zimmermann le Baltikumiske phukal); o SS-grupnB taj D sistematisch murdarnahi; ando jekoschneperiptscha mukel pe use ada keripe rasenidejologischimotivacijona le murdaripendar upre te sikal.O pisintschago le Karel Vodićkajistar pedar onaschipe le Romengere tradipestar andi Slovakija oglajchi kipo sikal. Le use dschumintschagoha larustitika frontatar taj palo slovakitiko nacijonakeroupre terdschojipe gejng o regim 1944 uso kartschi dipealo, savo pal etnitike kriteriji kerdo ulo.Anglutno uprebutschalinipeO naschipe le uprebutschalinipestar le keripendar andoost nana avrijal sar ando vest. Ham dija andi Tschechoslovakija(La Ilona Lackovásakero falato „Dasbrennende Zigeunerlager“, 1948), andi Polnija(Bronisława Wajs „Papusza“, 1956) taj andi Sovjetuni-| 13 | dROMa <strong>22</strong>/<strong>09</strong>, <strong>Sommer</strong> | <strong>Linaj</strong> 20<strong>09</strong>


HolocaustDer nation<strong>als</strong>ozialistische Genozidan den <strong>Roma</strong> OsteuropasHolocaustO nacijon<strong>als</strong>ocijalistischi genocidupro <strong>Roma</strong> andar o ostitiko EuropaStück „Das brennende Zigeunerlager“, 1948), in Polen(Bronisława „Papusza“ Wajs, 1956) und in der Sowietunion(vier Theaterstücke des Moskauer Theaters „Romén“zwischen 1947 und 1985) anders <strong>als</strong> im Westenfrühe künstlerische Auseinandersetzungen mit demThema. Exakte historische Forschung jedoch ist bis heuteunterblieben. In der Sowjetunion und in Rumänien habenunmittelbar nach dem Krieg Untersuchungen der Ereignissestattgefunden. In Rumänien brachten sie vageErgebnisse, sind aber die einzigen Zeugnisse aus ersterHand über die Jahre 1941 bis 1945 geblieben. Bis heuteist die in die Tausende gehende Zahl der Opfer wissenschaftlichnicht annähernd zu erfassen, wie BrigitteMihok in ihrem Beitrag schreibt.In der Sowjetunion, berichtet Martin Holler, hatbereits im Oktober 1943 eine „Außerordentliche Staatskommission“die Untersuchung der Massenmorde imDorf Aleksandrovka aufgenommen. Dort hatte eine vonunzähligen Erschießungen von <strong>Roma</strong> stattgefunden. ImZug dieser ersten und für ganz Europa einzigartigen Untersuchungäußerten die Zeugen, gefragt, was dieGründe der Deutschen für die Ermordung von <strong>Roma</strong>gewesen sein mochten, immer, dass sie keinen anderenGrund sehen konnten <strong>als</strong> die Vernichtung der <strong>Roma</strong> <strong>als</strong>Gesamtes.In Polen begann einige Jahre später der EthnologeJerzy Ficowski, die Geschehnisse zu untersuchen.Christoph Garstka zeichnet in seinem Aufsatz ein differenzierteresBild der Beziehung Ficowskis zu BronisławaWajs („Papusza“), deren Gedichte er 1950/1953 veröffentlichenließ. Der viel zitierte Umstand, dass Papuszanach dieser Veröffentlichung von den eigenen Leuten dasSchreiben verboten worden sei, erscheint in einemanderen Licht, wenn man weiß, dass der Wissenschaftlerin staatlichem Auftrag arbeitete. Der Dichterin wurdeweniger das Schreiben an sich <strong>als</strong> vielmehr die Kollaborationmit dem <strong>als</strong> Feind betrachteten Staat vorgeworfen.Spätere AufarbeitungIn Jugoslawien und in Ungarn setzte in den 1970erJahren die künstlerische Auseinandersetzung mit demThema ein. In Ungarn konnte Josef Holdosi seinen<strong>Roma</strong>n „Kanyak“ (dt. „Straße der Zigeuner“, 1984) sogarauf Ungarisch erscheinen lassen. Nachdem er auf historischverifizierte Fakten nicht zurückgreifen konnte,schöpfte er seine minutiösen Schilderungen der Untatenaus der mündlichen Überlieferung. Seit den 1990erJahren sind auch in Ungarn vor allem <strong>Roma</strong>-Organisationenin der Erinnerungsarbeit engagiert. Außergewöhnjona(schtar teateriskere falati le Moskaueriskereteateristar „Romén“ maschkar 1947 taj 1985) avrij<strong>als</strong>ar ando vest anglutni kinstlerischi donde bescharipele temaha. Eksakti historitiko forschinipe ham dschiadi na ulo kerdo. Andi Sovjetunijona taj andi Rumenijaimar palo haburi aun dikiptscha le keripendar kerdeule. Andi Rumenija na lakle tschatikan valaso ari hamadala lakiptscha o jekoschne koji andar o erschti va hipedar o berscha 1941 dschi 1945. Dschi adi nan ogendo le murdardendar, savo ando esertscha andedschal, upre te butschalinel, sar i Brigitte Mihok andelakero pisintschago pisinel.Andi Sovjetunijona, phukal o Martin Holler,imar ando oktoberi 1943 jek „Außerordentliche Staatskommission“o upre butschalinipe le murdaripestarando gav Aleksandrovka upre line. Odoj but <strong>Roma</strong>kartschi dim ule. Ando naschipe adale erschti, taj la cilaEuropake jekoschne uprebutschalinipestar phende odoladschene, save prik dschivde upro phutschipe, so o kojile Nimtschkendar le Romengere murdaripestar schajsina, mindig te schunel sina, hot len nana nisaj avrokoja, sar o murdaripe le cile Romendar.Andi Polnija kesdintscha poar berscha paloda oetnologaschi Jerzy Ficowski, o keriptscha peske aun tedikel. O Christoph Garstka sikal ande pro pisintschagojek avro kipo le khetanipestar le Ficowskistar laBronislava Wajsaha („Papusza“), savakere poesiji ov1950/1953 ando pradipe antscha. O but phendo koja,hot la Papuszake pal ada pradipe le ajgeni dschenendaro pisinipe fabijatim ulo, ande jek avro udud sikado ol,te dschantschal, hot o visenschoftleri ande jek schotiskeroupre dipe butschalinlahi. La poesijaschkijaketschuleder o pisintschago angle tschidim ulo, buteder okhetan butschalinipe le schtotiha, savo ojs fajnd aundiklo ol.Palutno uprebutschalinipeAndi Jugoslavija taj ando Ungriko ando 1970tiberscha o kinstleritiko donde bescharipe le temahakesdintscha. Ando Ungriko o Josef Holdosi pro roman„Kanyak“ (dt. „Straße der Zigeuner“, 1984) te andiUngriki tschib schaj ari dija. Kaj ov upre historitikeverificirti faktscha pal te astarel na dschantscha,kertscha ov ada koja andar o mujakere prik diptscha.Sajt o 1990ti berscha te ando Ungriko butvar oRomengere-organisaciji pal gondolipeskeri buti keren.I sikadipeskeri kunst avrijal pe entviklintscha. Kinstleritikebutscha upro gondolipeskere thana, anglutnoham o artschijipe „Verheimlichter Holocaust“ (2004)| 14 | dROMa <strong>22</strong>/<strong>09</strong>, <strong>Sommer</strong> | <strong>Linaj</strong> 20<strong>09</strong>


Holocaust<strong>Roma</strong>kinder amFriedhof, Odessa(Seite 12)Műcsarnok/KunsthalleBudapest,„Hidden Holocaust“Balogh Tibor,Installation ohne Titel,2004Das MoskauerTheater „Romén“existiert bis heute -wenngleich längstbunte Revuen an dieStelle aufklärerischerStücke getreten sindlich hat sich die bildende Kunst entwickelt. KünstlerischeArbeiten an Gedenkstätten, vor allem aber die Ausstellung„Verheimlichter Holocaust“ (2004) in Budapest, ander 13 Künstler aus der Volksgruppe teilnahmen, haben –neben einer Reihe von Fernsehdokumentationen nach2000 – doch zur Schaffung eines öffentlichen Bewusstseinsbeigetragen.Kollektives TraumaExemplarisch für die Aufarbeitung sei der russischeSpielfilm „Sündige Apostel der Liebe“ (1995) vonDufunja Vischnewski genannt, den Martin Holler inseinem erstklassigen Artikel <strong>als</strong> einzigen russischenkünstlerischen Beitrag zum Thema seit den Produktionendes alten Theaters „Romén“ zitiert. Ein BaroSchero, ein Chef eines <strong>Roma</strong>-Clans, versucht, seineLeute gewaltlos durch die deutsche Okkupationszeit zubringen. Er scheitert – die Deutschen nehmen ihngefangen. Schließlich opfert er sich und seinen Grundsatzder Gewaltfreiheit, um seine Tochter zu retten.Holler weist auf das Parabelhafte der Handlung hin, diewohl auch auf die Verantwortung der nachfolgendenGenerationen verweist – „ein inhaltlichen Meilenstein ...der russischen Filmgeschichte“.Der vorliegende Sammelband stellt in seinerthematischen Heterogenität ein Abbild seiner beidenHauptthemen dar: Der Massenmord an den <strong>Roma</strong>Osteuropas ist historisch bei weitem noch nicht so weituntersucht, dass eine umfassende Bewertung der Geschehnisseerfolgen könnte, und auch die künstlerischeVerarbeitung des Themas ist längst nicht abgeschlossen.Die Arbeiten machen jedoch deutlich, wie zentral dasThema für die <strong>Roma</strong> fast aller Länder ist.Michael WoggBudapestate, kaj 13 kinstlertscha andar i flogoskerigrupn use sina, - pasche redijendar le televisakeredokumentacijendar pal 2000 – use jek schofinipe jekepradime gondostar use ledschine.khetano traumaEksemplaritiko le uprebutschalinipeske hi o Rustitikofilm „Ertschave Apostlini le Kamipestar“ (1995) leDufunja Vischnewskijestar, savo o Martin Holler andepro pisintschago ojs jekoschno Rustitiko kinstleritikokeripe uso tema sajt o keriptscha le phure teateristar„Romén“ citirinel. Jek Baro Schero probalinel, predschene nisaj maripeha maschkar i Nimtschkiokupacijonakeri cajt te anel. Ov na schofinel le – oNimtsche astaren len. Ov pe taj pro gondo – dschivipenisaj maripeha – otscha del, pra tschaj te retinel. OHoller sikal upro parpelitiko le keripestar otscha (jek„inhaltlicher Meilenstein … la Rustitika filmakerahistorijatar“), save te upro ferantvortinipe la avrageneracijatar sikal.I angle paschli khetan kedimi kenva tematitikeheterogeni hi. Vaschoda hi li jek glajchi kipo le dujscheroskere temtschajendar, savenca oj pe dondebescharel. O Romengero murdaripe andi ostitiki Europaandi historijakeri rik meg nan asaj latscho upre butschalim,taj te o kinstleritiko uprebutschalinipe le temastarnan meg kisno. O butscha ham sikan, saj centrali o temale Romenge ando o cile vilagi hi.le Michael WoggistarF. Fischer von Weikersthal, Ch. Garstka, U. Heftrich, H.-D. Löwe(Herausgeber): Der nation<strong>als</strong>ozialistische Genozid an den <strong>Roma</strong> Osteuropas.Geschichte und künstlerische Verarbeitung, Böhlau, Köln 2008, 343 S.ISBN 978-3-412-20181-4| 15 | dROMa <strong>22</strong>/<strong>09</strong>, <strong>Sommer</strong> | <strong>Linaj</strong> 20<strong>09</strong>


Musik | MuschikaFanfare Ciocărlia„Irrer Gypsy-Bläser-Überknall“ | „Dilino‚Gypsy-Bläser-Überknall‘“Esma RedžepovaDie weltberühmteSängerin aus Skopje„rockt“ | I cilethemeskereprindschardidschilaschkija andarSkopje „rokinel“schließlich in jenen abgelegenen rumänischen Dörfern,aus denen die Weltmusik-Größen Fanfare Ciocărliaund Taraf de Haïdouks stammen.Cartwright durchstreift den Balkan auf derSuche nach noch unentdeckten Klängen, die in denNischen der <strong>Roma</strong>kultur in unser MTV-verseuchtesJahrtausend herübergerettet wurden.Dabei erweist er sich allerdings mitunter <strong>als</strong>konservativer <strong>als</strong> die meisten <strong>Roma</strong>-Musiker, die erzum Interview bittet: Denn ihnen hat es noch nie vielideologisches Kopfzerbrechen bereitet, die Fäden ihresfolkloristischen Erbes weiterzuspinnen und mitwestlichen Einflüssen zu mischen. Cartwright hingegenhält nichts von einer solchen „Verwässerung“ –einen „Folklore-Hardliner der reisefreudigen Variante“nannte ihn einmal die Süddeutsche Zeitung.Er kümmert sich in seiner Musikversessenheitallerdings erfrischend wenig um die Schablonen alterKlischees und findet stattdessen nicht selten überraschendneue Bezugspunkte innerhalb seines eigenen,ganz persönlichen musikgeschichtlichen Koordinatensystems:Šaban Bajramović, der „Gottvater desGypsy-Soul“, gilt ihm <strong>als</strong> „Jerry Lee Lewis desBalkans“; Esma Redžepova „rockt“;· die Energie einesAuftritts des mazedonischen „Kobolds“ Ferus Mustafoverinnert den Autor an Motörhead; und beimFestival von Guča, dem „Austragungsort des irrenGypsy-Bläser-Überknalls“, kommt ihm jamaikanischerDub-Reggae in den Sinn. Da passt es irgendwie sogar,dass der Übersetzer im Deutschen das englische„Gypsy“ beibehielt, denkt der Autor dabei dochweniger an ethnologische Kategorien <strong>als</strong> an JimiHendrix’ „Band of Gypsys“. Immer wieder ziehtCartwright auch Parallelen zu Elend und Entwurze-paschle rumenitike gava, andar save o themeskeremuschikakere bariptscha Fanfare Ciocărlia taj Taraf deHaïdouks an.O Cartwright roasinel maschkar o Balkan uprorodipe pal o na lakle hangi, save ando tikne thana laRomengera kulturatar ande amaro MTV-nasvalo schelberschengeroprik retim ule.Adaj ov butvar konservativitiko hi, sar o butRomengere muschikaschtscha, saven ov use jek vakeripemangle: Mint lenge ada meg na kertscha but idejologitikoscheroskero dukajipe, o thava pumare folkloristischi prikdipestar bajder te kerel taj vestitike kojenca te mischinel.Cartwright na likerel asave „Panjalipestar“ – jek „Folklore-Hardlinerla loschanda roasinipeskera varijantatar“akartscha le jefkar i Süddeutsche Zeitung.Ov na dikel ande pro rodipe upro schablontschaphure klischejendar, ov ham neve khetanipeskere gendeande pro ajgeni, muschikakero historijakero koordinacijonakerosistem lakel: Šaban Bajramović, o papu leGypsy-Soulistar“, hi leske o „Jerry Lee Lewis le Balkanistar“;Esma Redžepova „rokinel“; i sor jeke sikajipestarle macedonitike „Koboldistar“ Ferus Mustafov lepisimaschiskero gondo upri banda Motörhead ledschel;taj uso festivalo andar Guča, o „ar ledschipeskero gav lediline Gypsy-Bläser-Überknallistar“, al leske jamajtitikoDub-Reggae ando gondo. Ada upro jek than afka pasinel,hot o prik bescharaschi andi nimtschki tschib o englitiko„Gypsy“ ande mukla, gondolinel o pisimaschi usotschulo upro etnologitike kategoriji sar upri Jimi Hendrixiskeri„Band of Gypsys“. Mindig cidel o Cartwrightte paraleltscha uso tschoripe taj entvurclinipe le kalesklavendar ando Mississippi-Delta, o than, kaj o Jazz tajBlues upro them alo: „Angle jek schelberschengero ali teasaj vodschikani muschika andar New Orleans taj o them| 17 | dROMa <strong>22</strong>/<strong>09</strong>, <strong>Sommer</strong> | <strong>Linaj</strong> 20<strong>09</strong>


MusikMotörhead und Sinti-SwingUnkonventionelle neue MusikbücherMuschikaMotörhead taj Sinti-SwingNeve muschikakere kenvilung der schwarzen Sklaven im Mississippi-Delta,der Geburtstätte von Jazz und Blues: „Vor einemJahrhundert kam eine ähnlich beseelte Musik ausNew Orleans und versetzte die Welt in Verzückung“,heißt es da etwa, „ich frage mich, ob es zwischen denGypsy-Bläsermagiern und den Jazzpionieren ausNew Orleans unterbewusste Verbindungen gibt.“Seine besten Momente hat Cartwrights Buch,wenn er die bisweilen skurrilen und nicht seltenrakitrunkenen Begegnungen und Begebenheitenseiner Entdeckungsfahrt mit dem Staunen desAußenstehenden schildert. Und wenn er über dasschreibt, was ihn vor allem antreibt: die Liebe zurMusik, die sich manchmal in recht emphatischemGestammel äußert („Funkyfunkyfunky – yeeeeah!“).Eher ermüdend aber wird es immer dann, wenn ersich in Exkursen verzettelt, in denen er alles anHalbwissen auftischt, was er über Ethnologie, Politikund Geschichte so zusammengelesen hat.Prinzessin mit ZöpfenUngleich besser gelingt es Dotschy Reinhardt,Persönliches und Informatives munter durcheinanderzu mischen, ohne dass die flüssig geschriebeneFamilienchronik deshalb in Einzelteile zerfiele.Dabei will Reinhardt in erster Linie eines: erklärenund Einblick gewähren, um „den hartnäckigenVorurteilen gegen mein Volk, die auch heute nochbestehen, etwas entgegenzusetzen. Ich kann dieWelt einer Sinteza beschreiben, ich kann ehrlichdarüber schreiben, wie es einer Sinti-Frau imDeutschland von heute ergeht. Ich kann auchdarüber schreiben, wie meine Familie ihr Leben bisheute gemeistert hat.“ Eine literarische Lektiongegen das Unwissen <strong>als</strong>o – zugleich aber auch derVersuch einer Selbstvergewisserung einer Frau, diemit ihrer Identität, dem „Leben im Zwiespalt,zwischen zwei Welten“, ins Reine kommen will.Ein wenig mädchenhaft wird es freilich dann,wenn die 1975 geborene Sängerin über ihre glücklicheKindheit in der Nähe von Ravensburg erzählt,vom kleinen Prinzesschen mit langen Zöpfen, dasim Zelt der Sinti-Mission fromme Lieder trällerte.Dennoch kennt auch Dotschy Reinhardt die Vorurteile,mit denen „Zigeuner“ leben müssen, nur allzugut: So behütet sie im Kreis ihrer weitverzweigtenSinti-Familie, umhegt von musizierenden Tanten,Onkeln und Cousins, aufwuchs, so fremd fühlte siesich im Schulalltag in der schwäbischen Provinz.ando loschanipe“, butschol lo adaj, „me man phutschav,te maschkar o Gypsy phudaschtschitike magijertscha tajo jazzakere pijonirtscha andar New Orleans khetaniptschaando andrutnipe del.“O lek feder momentscha hi la Cartwrightakerakenva, te ov o dschi akan skurili taj o butvar raki pijardetalaliniptscha leskere ladipestar le schtauninipeha le nause kerindestar phukal. Taj te pedar oda pisintscha, so leaun tradija: o kamipe usi muschika, savi pe ande jekempatischi hebeginipe sikal („Funkyfunkyfunky –yeeeeah!“). Khinardo akor mindig ol, te pe ande ekskurstschaupre likertscha, ande save ov sa ando epaschdschanipe upre rakinel, so ov afka pedar etnologija,politik taj historija khetan gentscha.Kiraliskeri tschaj porahaFeder kertscha ada i Dotschy Reinhardt, savi ajgeni tajinformativi keverintscha, oni hot i pajali pisimi familijakerikronika ande jekoschne falati na peli. I Reinhardttschak jek kamla: te phukal taj and dikipe te del, kaj o„sorale angletschalajiptscha gejng mro flogo, save megte adi den, valaso prik te bescharel. Me dschanav pedaro them jeka Sintizatar te pisinel, me dschanav o tschatschipepedar te pisinel, sar jeka Sintijakera-dschuvlakeandi Germanija adi dschal. Me dschanav te pedar oda tepisinel, sar mri familija dschi adi pumaro dschivipedschivde.“ Jek literaritiki lekcijona gejng o na dschanipe– ham te o probalinipe jeka dschuvlatar, savi praidentitetaha, le „dschivipeske ando maschkaripe“,maschkar duj thema“, ando latschipe te al kamla.Sar ande jek pamarisi akor aun pe schunel, te i1975 upro them ali dschilaschkija pedar lakero bastalotschavoripe ando paschipe Ravensburgate phukal, latikna kiraliskera tschajatar le duge porenca, savi andicerha la Sinti-misijonatar mirne dschila dschilal. Kekajlake latscho gelo, i Dotschy Reinhardt te o angletschalajiptscha, savenca o „Zigeuner“ iste dschin, igenlatsche prindscharel: Asaj latschi oj ande lakeri bariSinti-familija, le muschikane muamenca, batschenca tajkusinenca upre bartschini, asaj na latscho oj andoischkolakero di andi Schvebitiki provinca o khetanodschivipe iste esbe lija.Taj pedar sa paschlolahi mindigo pharo hischo la historijatar: „Adaj valaso andi dihasina, pedar oda naschtig vakerdo ulo, oni hot o asvapedar o muj tuke fojinahi vaj jek na soralo tel pijavipevaj jek tel irinipe“, pisinel oj pedar o koji pal lakerofamilijakero dschivipe: „Me le mange tschak angleterdscharahi. Angle terdschariptscha gajstendar, saveandar agune cajtscha hi taj upre jefkar ande amaro| 18 | dROMa <strong>22</strong>/<strong>09</strong>, <strong>Sommer</strong> | <strong>Linaj</strong> 20<strong>09</strong>


Musik | Muschika„Funkyfunkyfunky -yeeeeah!“ ...Guča, 2008Dotschy Reinhardt ...kann nicht nurschreiben: Ihre CD„Suni“ ist „ganz großeKunst“ (Jazzthetik). |... na tschak te geneldschanel: Pro CD„Suni“ „bari kunsthi“ (Jazzthetik)Und über allem lag immer der schwere Schatten derGeschichte: „Da war etwas in der Luft, das man nichtansprechen konnte, ohne sofort Tränen zu riskierenoder stummes Schlucken oder ein Abwenden“,schreibt sie über die Abgründe hinter dem scheinbarenFamilienidyll: „Ich hatte nur Ahnungen davon.Ahnungen von Geistern, die aus früheren Zeitenstammten und manchmal bedrohlich in unseresonnige Gegenwart herüberschielten. Geister auseiner Vergangenheit, die es geschafft hatten, bis inmeine sonnige Kindheit zu reichen.“So berichtet die Autorin auch vom Schicksalihrer Familie in den Lagern der Nation<strong>als</strong>ozialisten.Etwa von ihrem Urgroßvater, der im KZ Mauthausenim allerletzten Moment dem Tod in der Gaskammerentging, weil die SS einen Musiker für dieLagerkapelle suchte. Nach der Befreiung musste derkranke, gezeichnete Mann dann jahrelang einenentwürdigenden Streit mit den deutschen Behördenausfechten, um <strong>als</strong> NS-Opfer anerkannt zu werden.Für die erste Nachkriegsgeneration bedeutete dies,immer ängstlich darauf zu achten, „gegenüberDeutschen nicht aufzufallen und sich nie wie Sintizu verhalten“.Doch die Zeiten haben sich geändert: NachJahrzehnten der Furchtsamkeit und der Verunsicherunghabe heute endlich eine neue Generation zuneuem Selbstbewusstsein gefunden: „Wir jungenSinti sind seit dem Frühmittelalter die erste Generationmeines Volkes auf deutschem Boden, die freileben kann. Die erste von zwei Dutzend Generationen,die über sich selbst bestimmen kann, über ihreBildung, ihre Arbeit und ihren Aufenthaltsort.“„Zumindest theoretisch“, fügt sie dann noch hinzu.<strong>Roma</strong>n Urbanerkhamikano dschivipe prik diknahi. Gajstertscha andarjek cajt, save le schofinde, dschi ande mro khamikanotschavoripe te astarel.“Afka te phukal i pisimaschkija pedar o terdschivdolakera familijatar ando logertscha le nacijon<strong>als</strong>ocijalistendar.Pedar lakere papuskere dadestar, savo andologeri Mauthausen ando lejcti momento le murdaripeskeandi gasakeri komora naschi pelo, kaj i SS jeke muschikaschila logerijakera bandake rodlahi. Palo ari mukipeandar o logeri iste o nasvalo mursch but berscha lenimtschke birovtschagenca pe donde beschartscha,dschimeg le on ojs NS-opferi aun prindscharde. Laerschti generacijonake palo haburi butschol ada, mindigdarutnon upre te dikel, „gejng o Nimtschke na upre teperel taj pe na sar Sinti te falikerel.“Ham o cajtscha irinde pumen: Pal deschberschengerole daripestar taj le na dschanipestar sar ovlaadi jek nevi generacijona use jek nevo dschivipe lakla:„Amen terne Sinti sajt o terno maschkarutno phuripe ierschti generacijona mre flogostar upri nimtschki phuvsam, save naphandle schaj dschin. I erschti andarbischuschtar generacijontscha, savi schaj kerel sokamla, savi schaj o sikadipe, i buti taj o than kaj tedschil kamla, korkore ar rodel.“ „Andi tejorija“,phenel li meg use.le <strong>Roma</strong>n UrbaneristarGarth Cartwright: Balkanblues und Blaskapellen – Unterwegs mitGypsy-Musikern in Serbien, Mazedonien, Rumänien und BulgarienHannibal Verlag, Innsbruck 2008, 360 S.ISBN-10 3854452845(CD zum Buch: „Princes Amongst Men“, erschienen 2008 bei Asphalt Tango).Dotschy Reinhardt: Gypsy – die Geschichte einer großen Sinti-FamilieScherz Verlag, Frankfurt/M. 2008, 288 S.ISBN 9783502101901| 19 | dROMa <strong>22</strong>/<strong>09</strong>, <strong>Sommer</strong> | <strong>Linaj</strong> 20<strong>09</strong>


<strong>22</strong>/<strong>09</strong>ROMANI POLITIKA | KULTURA | TSCHIBWallfahrt der <strong>Roma</strong> nach MariazellLadipe le Romendar CejisteSonntag, 9. August 20<strong>09</strong> | Kurke, 9. august 20<strong>09</strong>9.30 Uhr | orenge Eintreffen der Wallfahrer, Treffpunkt: Platz vor der Basilika/MariazellAunperipe le ladaschendar, talalinipeskero than: upro than angli Basilika/Cejiste10.00 Uhr | orenge Feierlicher EinzugBegrüßung und Festgottesdienst mit Bischof Dr. Paul Iby, <strong>Roma</strong>-SeelsorgerFabian Mmagu und Helmut Schüller vor dem HochaltarMulatintschagoskero andcidipe, akaripe taj mischa le Bischofiha Dr. Paul Iby tajle Romengere Seelsorgeriha Fabian Mmagu taj le Helmut Schülleriha anglo altari11.00 Uhr | orenge Gelegenheit zur Begegnung | talalinipe12.00 Uhr | orenge Mittagessen | planeskero habe13.30 Uhr | orenge am Hauptplatz gibt es ein kulturelles Programm mit der burgenländischen <strong>Roma</strong>bis| dschi Musikgruppe <strong>Roma</strong>no Rath15.00 Uhr | orenge upro foroskero than del jek kultureli programo la Romengera muschikaha<strong>Roma</strong>no Rath andar o BurgenlandVeranstalter, Mitorganisatoren & Unterstützer | Keraschtscha, organisaciji & pomoschago:Diözese Eisenstadt | Diözese Tikni Martona • VHS-<strong>Roma</strong>, Oberwart | VHS-<strong>Roma</strong>, Erba • <strong>Roma</strong>-<strong>Service</strong>, Kleinbachselten<strong>Roma</strong>-<strong>Service</strong> | Tikni Poslina • <strong>Roma</strong>no Centro, Wien | <strong>Roma</strong>no Centro, Betschi • Kulturverein österreichischer <strong>Roma</strong>,Wien | Kulturakero Farajn le Austritike Romendar, Betschi • Verein Ketani, Linz | Farajn Ketanie, Linz • MADHOUSEgemeinnützige GmbH, MünchenAnmeldung | Aunmejdinpe:Referat für ethnische Gruppen / Diözese EisenstadtReferat fi ethnische grupn / Diözese Tikni MartonaMonika ScheweckTel. | Har.: 0043-676/880 701 710Email: romapastoral@gmx.at<strong>Roma</strong>-<strong>Service</strong>Emmerich Gärtner-HorvathTel. Fax. | Har taj faks.: 03366/78 634Handy: 0650/427 60 62Email: office@roma-service.atGelem, gelem (Text: Mišo Nikolić, April 1994)1. Gelem, gelem, lungone dromenca malaðilem e buteRomenca. Barvalenca taj vi e čorenca taj vi lenge butešavorenca.Refrain: Aj, <strong>Roma</strong>len, aj šavalen.2. Aj <strong>Roma</strong>len, katar tumen aven? Katar aven <strong>Roma</strong>lebutalen? Amen avas anda e Indija, sa le Rom sam sar jekfamilija.3. Aj <strong>Roma</strong>len, kado drom sas pharo kaj phirasas ando them,o baro. Vurdonenca taj čore cerenca, e asvenca taj baredukhenca.1. Ich bin weite Wege gegangen, und ich habe viele <strong>Roma</strong>getroffen. Reiche und Arme habe ich getroffen und auch ihrevielen Kinder.2. <strong>Roma</strong>, woher kommt ihr? Woher kommt ihr, die ihr so vieleseid? Wir kommen aus Indien. Wir <strong>Roma</strong> sind alle wie einegroße Familie.3. Oh, <strong>Roma</strong>, es war ein schwerer Weg, den wir gegangen sindauf dieser Welt. Mit Wagen und mit ärmlichen Zelten, mitTränen und mit Schmerzen.

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