Prognose – möglichst frUNIV.-PROF.DR. JOHANNES WANCATA8 I N N E N W E L TMediz<strong>in</strong>ische Universität Wien,Universitätskl<strong>in</strong>ik für Psychiatrieund Psychotherapie, Kl<strong>in</strong>ischeAbteilung für SozialpsychiatrieTel.: +43.1.40400-3507E-Mail: johannes.wancata@meduniwien.ac.atwww.meduniwien.ac.atDIAGNOSEWIE WIRD SCHIZOPHRENIEVOM ARZT DIAGNOSTIZIERT?Die Diagnose <strong>der</strong> Erkrankung basiert auf<strong>der</strong> Erfassung <strong>der</strong> charakteristischen psychischenSymptome, <strong>der</strong> Verlaufsbeobachtungund dem Ausschluss an<strong>der</strong>ermöglicher Ursachen (z.B. Drogenkonsumo<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Erkrankung, die e<strong>in</strong> gleichartigesBild hervorrufen könnte). Die Symptomewerden aus praktischen Gründen oft <strong>in</strong>zwei große Gruppen unterteilt: <strong>in</strong> diePositiv- und <strong>in</strong> die Negativ-Symptomatik.Zu den Positivsymptomen gehören (akustische)Halluz<strong>in</strong>ationen. Begleitet werdendiese oft von Wahnideen. Typisch für dieSchizophrenie s<strong>in</strong>d außerdem formaleDenkstörungen, die von den Krankenoft als „Abreißen“ o<strong>der</strong> „Dazwischenkommen“von Gedanken empfunden werden.Diese Symptome machen den Betroffenenhäufig Angst, weil sie nicht verstehen,was hier geschieht.Negativsymptome umfassen e<strong>in</strong>en Mangelan Antrieb und Motivation sowie denRückzug von an<strong>der</strong>en Menschen. Auch e<strong>in</strong>eso genannte Affektverflachung (darunterversteht man e<strong>in</strong>e Abnahme <strong>der</strong> Intensität<strong>der</strong> Gefühle) kann vorkommen. All diesführt häufig zu Isolation und Vere<strong>in</strong>samung.Die genannten Symptome sollen zum<strong>in</strong>deste<strong>in</strong>en Monat lang durchgehend vorhandense<strong>in</strong> und nicht nur im Rahmene<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en seelischen Erkrankung, wiebeispielsweise e<strong>in</strong>er Depression o<strong>der</strong>Manie, vorkommen. Auch körperliche Erkrankungen(z.B. Tumoren o<strong>der</strong> Entzündungendes Gehirns) müssen ausgeschlossenwerden. Aus diesem Grund ist zusätzlichzur Erfassung <strong>der</strong> Symptome e<strong>in</strong>eumfassende <strong>in</strong>terne und neurologischeUntersuchung erfor<strong>der</strong>lich, die durch Blutabnahmenund e<strong>in</strong>e Computertomographiedes Gehirns ergänzt wird.Da e<strong>in</strong>e Schizophrenie oft schwierig zudiagnostizieren ist, empfehlen Experten,dass beim Verdacht auf Schizophrenieimmer e<strong>in</strong> Facharzt für Psychiatrie h<strong>in</strong>zugezogenwerden sollte.WARUM IST EINE – MÖGLICHST FRÜH-ZEITIGE – DIAGNOSE SO WICHTIG?Je früher e<strong>in</strong>e Schizophrenieerkrankungerkannt und <strong>in</strong> Folge richtig behandeltwird, umso günstiger ist das für <strong>der</strong>en Verlauf.In <strong>der</strong> Diagnostik geht es e<strong>in</strong>erseitsdarum, den Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>er ersten Krankheitsepisode<strong>in</strong> <strong>der</strong> Jugend frühzeitig festzustellen.An<strong>der</strong>erseits versucht man,etwaige Krankheitsrückfälle mit Positiv-Symptomatik möglichst früh zu erkennen.Vor Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> ersten Krankheitsepisodes<strong>in</strong>d häufig unspezifische Zeichen zu beobachten,wie z.B.:• Konzentrationsstörungen• Leistungsknick <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit bzw. <strong>in</strong> <strong>der</strong>Schule• Aufgeben von Hobbys und an<strong>der</strong>enAktivitäten• Sozialer Rückzug• Gedanken, die sich aufdrängen und denDenkablauf störenNicht je<strong>der</strong> Jugendliche o<strong>der</strong> jungeErwachsene, bei dem <strong>der</strong>artige Zeichenbeobachtet werden, entwickelt e<strong>in</strong>eSchizophrenie. Es ist aber s<strong>in</strong>nvoll, <strong>in</strong> größerenAbständen zu kontrollieren, ob sichH<strong>in</strong>weise auf Positiv-Symptomatik zeigen.Psychotische Rückfälle kündigen sich häufigdurch Frühwarnzeichen an, die oft Tagebis Wochen vor Ausbruch <strong>der</strong> Positiv-Symptomatik auftreten. Dies zu erkennenist essenziell, um rechtzeitig mit e<strong>in</strong>er entsprechendenTherapie beg<strong>in</strong>nen zu können.Solche Frühwarnzeichen könnenz.B. se<strong>in</strong>: Ruhelosigkeit, Nervosität, Stimmungsschwankungen,Schlafstörungeno<strong>der</strong> Konzentrationsstörungen.WAS SIND DIE FOLGEN EINERUNBEHANDELTEN SCHIZOPHRENIE?Bei Menschen, die e<strong>in</strong>e konsequenteTherapie ablehnen, treten die Krankheitsepisodenimmer öfter und <strong>in</strong> immer stärkererIntensität auf. Das Risiko, dass dieSchizophrenie chronisch verläuft, steigt.E<strong>in</strong>e Rückkehr <strong>in</strong> e<strong>in</strong> „normales“, selbstständigesLeben wird immer schwerer.Zudem steigt das Risiko für Suizidversuche.
SCHIZOPHRENIEühzeitig (be-)handelnSIND MENSCHEN MITSCHIZOPHRENIE SUIZIDGEFÄHRDET?Das Risiko für e<strong>in</strong>en Suizid ist e<strong>in</strong>deutigerhöht. Gründe dafür s<strong>in</strong>d auftretende depressiveSymptome, hohe Ansprüche desKranken an sich selbst, Arbeitslosigkeitund Selbstbehandlungsversuche <strong>der</strong> Krankenmit Alkohol o<strong>der</strong> Drogen.WAS SIND DIE NÄCHSTENSCHRITTE NACH DER DIAGNOSE?Nach <strong>der</strong> Diagnose setzt unmittelbar dieBehandlung e<strong>in</strong>, wobei die Komb<strong>in</strong>ationvon Medikation sowie ausgewählten psychotherapeutischenund soziotherapeutischenVerfahren erfor<strong>der</strong>lich ist. Art undWeise <strong>der</strong> Therapie hängen vom Schweregradund <strong>der</strong> Form <strong>der</strong> Erkrankung ab:S<strong>in</strong>d negative Symptome vorherrschend,wird an<strong>der</strong>s therapiert, als wenn die positivenSymptome das Krankheitsbild bestimmen.Die Behandlung erfolgt überwiegend ambulant,manchmal wird jedoch e<strong>in</strong>e stationäreE<strong>in</strong>weisung notwendig se<strong>in</strong>. ZumBeispiel, wenn:• ... <strong>der</strong> Patient <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er akuten Krankheitsphaseunter sehr starken Angstzuständenleidet. Im Zuge e<strong>in</strong>es Krankenhausaufenthaltskönnen höhere Medikamentendosenverabreicht werden,was die Angst schneller l<strong>in</strong><strong>der</strong>t.• ... es durch das Auftreten von Wahno<strong>der</strong> Halluz<strong>in</strong>ationen zu Spannungenmit dem Umfeld kommt. Dieser zusätzlicheStress kann den weiteren Krankheitsverlaufnegativ bee<strong>in</strong>flussen, weshalbauch hier oft e<strong>in</strong>e stationäre Behandlungzu empfehlen ist.• ... sich <strong>der</strong> Patient aufgrund se<strong>in</strong>erSymptome gefährlich verhält.WIE IST DER VERLAUF DER ERKRANKUNG?In den akuten Krankheitsphasen ist überwiegendo<strong>der</strong> ausschließlich Positiv-Symptomatik zu beobachten. Dazwischenkann es zu e<strong>in</strong>em teilweisen o<strong>der</strong> vollständigenAbkl<strong>in</strong>gen <strong>der</strong> Symptome kommen.Bei konsequenter Behandlung steigt dieChance, dass die Symptome zwischen denakuten Episoden völlig verschw<strong>in</strong>den.DIAGNOSE SCHIZOPHRENIE –WELCHE PROGNOSE IST BEIDIESER ERKRANKUNG ZU ERWARTEN?Zu Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> Erkrankung ist e<strong>in</strong>e verlässlicheE<strong>in</strong>schätzung des weiteren Verlaufsim E<strong>in</strong>zelfall nicht möglich. Grundsätzlichist jedoch zu sagen, dass sich diePrognose <strong>der</strong> Schizophrenie seit E<strong>in</strong>führung<strong>der</strong> medikamentösen Behandlungmit Antipsychotika maßgeblich verbesserthat. Statistisch gesehen, tritt beietwa 20% aller Erkrankten nach Abkl<strong>in</strong>gen<strong>der</strong> ersten Episode nie wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>eschizophrene Episode auf. Bei rund 50%kommt es zu Rückfällen, die aber durche<strong>in</strong>e entsprechende Therapie relativleicht wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> den Griff zu bekommens<strong>in</strong>d. Lediglich bei e<strong>in</strong>em Drittel kommtes zu e<strong>in</strong>em chronischen Verlauf, wobeidurch die Behandlung „nur“ e<strong>in</strong>e Erleichterungbezüglich <strong>der</strong> Symptome erreichtwerden kann.TRENDS UND FAKTENIST IN NAHER ZUKUNFT EIN ANSTIEGDER SCHIZOPHRENIE ZU ERWARTEN?Nach heutigem Stand des Wissens bleibtdie Zahl <strong>der</strong> Erkrankten <strong>in</strong> den nächstenJahren stabil.WELCHE FORSCHUNGSSTRATEGIENWERDEN DERZEIT VERFOLGT?Wir wissen, dass sowohl Umweltfaktoren(z.B. soziale Faktoren, Stress) als auch biologischeFaktoren (z.B. Genetik) e<strong>in</strong>e wichtigeRolle bei <strong>der</strong> Entstehung <strong>der</strong> Schizophreniespielen. Derzeit versucht man vor allem dieInteraktion zwischen Biologie und Umweltbesser zu verstehen. Auch die Therapien(Medikamente, Psychotherapie, Soziotherapie)versucht man ständig zu optimierenund nebenwirkungsärmer zu machen. Hierist auch mehr Engagement seitens <strong>der</strong>öffentlichen Hand gefragt:Aktuell bestreitetdie Industrie den Gutteil <strong>der</strong> ForschungsundEntwicklungskosten.WAS BEDEUTET SCHIZOPHRENIE IMHINBLICK AUF DIE VOLKSWIRTSCHAFT?E<strong>in</strong>e nicht optimale o<strong>der</strong> zu spät therapierteSchizophrenie führt zu unnötigem Leidfür den Betroffenen und se<strong>in</strong>e Familie – undzu e<strong>in</strong>em enormen volkswirtschaftlichenSchaden. Je schlechter <strong>der</strong> Patient behandeltwird, umso größer ist die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeite<strong>in</strong>es Rückfalls und damite<strong>in</strong>es Krankenstandes bzw. e<strong>in</strong>es Krankenhausaufenthalts.Derzeit entfallen laut <strong>der</strong>aktuellen „Cost of Disor<strong>der</strong>s of the Bra<strong>in</strong> <strong>in</strong>Europe“-Studie e<strong>in</strong> Drittel <strong>der</strong> Gesamtkostenfür psychische Erkrankungen aufkrankheitsbed<strong>in</strong>gte Arbeitsausfälle, 20% aufKrankenhausaufenthalte. Für Medikamentewerden – obwohl sie nachweislich e<strong>in</strong>enwesentlichen Teil zur erfolgreichen Behandlungbeitragen – lediglich 3% ausgegeben.Bei Schizophrenie kommt noch h<strong>in</strong>zu, dassviele Betroffene beim Ausbruch <strong>der</strong>Krankheit relativ jung s<strong>in</strong>d, d.h. noch mitten<strong>in</strong> ihrer Ausbildung stecken. Viele Patientenbrechen ihre Lehre, ihre Schule bzw. ihrStudium ab, was nachhaltige Konsequenzenfür ihr weiteres Leben hat. In <strong>der</strong> Folge gehensie Tätigkeiten nach, die nicht ihrem <strong>in</strong>tellektuellenPotenzial entsprechen, o<strong>der</strong> sie s<strong>in</strong>düberhaupt arbeitslos und auf die Hilfe an<strong>der</strong>er(Familie, Staat) angewiesen. Der Betroffenemuss dabei unterstützt werden, se<strong>in</strong>enPlatz <strong>in</strong> <strong>der</strong> erwerbstätigen Gesellschaft zuf<strong>in</strong>den, um se<strong>in</strong>en Möglichkeiten entsprechende<strong>in</strong> selbstständiges Leben zu führen.WIE KÖNNTE MAN DIE BETREUUNGUND THERAPIE SCHIZOPHRENERMENSCHEN NOCH OPTIMIEREN?• Aufklärungsarbeit: Unwissenheit trägtdazu bei, dass die Kranken oft verspätet<strong>in</strong> Behandlung kommen. Seriöse Informationen,wie sie z.B. auf <strong>der</strong> Homepage<strong>der</strong> Österreichischen SchizophrenieGesellschaft zu f<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>d, s<strong>in</strong>d hierhilfreich (www.schizophrenie.or.at).• Rückfälle und dadurch wie<strong>der</strong>holteKrankenhausaufenthalte vermeiden, z.B.durch mehr Soziotherapie• Ausbau von Maßnahmen, welche dieberufliche Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Betroffenenunterstützen• Mo<strong>der</strong>ne Arzneimittel verstärkt e<strong>in</strong>setzen:Der frühzeitige E<strong>in</strong>satz <strong>in</strong>novativerMedikamente kann dazu beitragen, dasse<strong>in</strong>e schizophrene Phase weniger starkausgeprägt ist bzw. schneller abkl<strong>in</strong>gt.9